Vermessungskunde für Baupoliere

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Vermessungskunde
für Baupoliere
Dipl.-Ing. Manfred Huber
Version 1.1
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Impressum
Hersteller:
Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Niederösterreich
(WIFI Niederösterreich)
Für den Inhalt verantwortlich:
WIFI Niederösterreich, Institutsleitung
3100 St. Pölten, Mariazeller Straße 97
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und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Soweit im Folgenden personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt
sind, beziehen sie sich auf Frauen oder Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf
bestimmte Personen wird die jeweils geschlechtsspezifische Form verwendet.
2
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Inhalt
Einführung ........................................................................................................................ 6
E in t ei l u ng der Ver m es s un gs k un d e ................................................................... 6
A uf ga b e n der V er m es s un gs k un d e .................................................................... 6
Zi e l d ies er Ver a ns t a lt u ng ................................................................................ 6
Grundlagen .......................................................................................................................... 7
Ma ß za h l en ..................................................................................................... 7
W ink e l m aße ................................................................................................... 7
Altgradmaß ..................................................................................................................................... 7
Neugradmaß ................................................................................................................................... 8
Bogenmaß ...................................................................................................................................... 8
Umrechnungen ............................................................................................................................... 9
Ma ßs t a b ........................................................................................................ 9
St e i gu n g ....................................................................................................... 9
Fe hl er art e n .................................................................................................. 11
Grobe Fehler ................................................................................................................................. 11
Systematische Fehler ................................................................................................................... 11
Zufällige Fehler ............................................................................................................................. 11
Ma t he m at is c he G r u nd l ag e n ........................................................................... 12
Pythagoräische Lehrsatz .............................................................................................................. 12
Winkelfunktionen........................................................................................................................... 12
Sinussatz und Cosinussatz ........................................................................................................... 12
Auflösung quadratischer Gleichungen .......................................................................................... 13
A uf l ös u n g s c h ie fw i nk e l ig er Dr e iec k e .............................................................. 14
Zwei Winkel und eingeschlossene Seite gegeben ....................................................................... 14
Zwei Seiten und eingeschlossener Winkel gegeben .................................................................... 14
Zwei Seiten und gegenüberliegender Winkel gegeben ................................................................ 15
Drei Seiten gegeben ..................................................................................................................... 16
Streckenmessung ..............................................................................................................17
Mes s m i tt e l ................................................................................................... 17
Maßband ....................................................................................................................................... 17
Elektrooptische Messgeräte ......................................................................................................... 17
Mes s m et h od e n ............................................................................................. 20
Direkte Streckenmessung ............................................................................................................. 20
Indirekte Streckenmessung .......................................................................................................... 21
G e na u igk e it der Str ec k en m es s un g ................................................................. 24
Elektro-optische Distanzmesser ................................................................................................... 24
Maßband ....................................................................................................................................... 25
Lasergeräte (Leica Disto A5) ........................................................................................................ 27
Geometrieprobleme bei reflektorloser Distanzmessung............................................................... 27
Winkelmessung ..................................................................................................................28
Der T he o do l i t ............................................................................................... 28
Aufbau ........................................................................................................................................... 28
Achssystem des Theodoliten ........................................................................................................ 31
Zentriervorrichtung ........................................................................................................................ 31
Ablesevorrichtungen ..................................................................................................................... 32
3
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
A ufs te l l en ei n es T h e o do l i te n ......................................................................... 33
Hor i zo n t a lw i nk e l m es s un g .............................................................................. 35
V er t ik a lw i nk e l m es s u n g ................................................................................. 36
A us g ew ä h lt e B e is pi e l e d er W i nk el m es s un g .................................................... 36
Trigonometrische Höhenmessung ................................................................................................ 36
Turmhöhenbestimmung ................................................................................................................ 37
G e na u igk e it der W ink e l mes s u ng .................................................................... 39
Horizontalwinkel ............................................................................................................................ 39
Vertikalwinkelmessung ................................................................................................................. 39
Koordinatenrechnung ........................................................................................................40
De f in i ti o ne n ................................................................................................. 40
Koordinatensystem ....................................................................................................................... 40
Richtungswinkel ............................................................................................................................ 41
Koordinatendifferenzen ................................................................................................................. 41
Ers te H a up ta u fg a be d er K o or d i n at enr ec h nu n g ( = L a ge a uf n ah m e) ..................... 42
Zwe i te H a u p t au f ga b e der K oor d i na te nr ec hn u ng ( = A bs tec k u ng) ....................... 43
O ri en t ie r u n g ................................................................................................ 44
B eis p i e l e in er A u fn a h me ............................................................................... 45
B eis p i e l e in er A bs tec k un g ............................................................................. 46
K oor d i na te ns y s te m e ..................................................................................... 47
Amtliches Gauß-Krüger-System ................................................................................................... 47
Lokales System............................................................................................................................. 48
B og e na bs tec k u ng ......................................................................................... 49
Aufgabenstellung .......................................................................................................................... 49
Lösung mit Orthogonalverfahren (Winkelprisma, Maßband) ........................................................ 50
Lösung mit Polarverfahren (Theodolit, Maßband) ........................................................................ 51
Nivellement .........................................................................................................................52
Hö h ens y s te m e ............................................................................................. 52
Absolute Höhen ............................................................................................................................ 52
Relative Höhen ............................................................................................................................. 53
Mes s m i tt e l ................................................................................................... 53
Nivelliergerät ................................................................................................................................. 53
Lasergerät ..................................................................................................................................... 54
Zubehör ......................................................................................................................................... 56
Mes s m et h od e n ............................................................................................. 57
Ablesung ....................................................................................................................................... 57
Liniennivellement durch Hin- und Rückmessung ......................................................................... 58
Liniennivellement mit 2 Festpunkten ............................................................................................ 60
Liniennivellement mit Seitpunkten ................................................................................................ 61
Flächennivellement ....................................................................................................................... 62
Höhenschichtenlinien .................................................................................................................... 63
Längs- und Querprofile ................................................................................................................. 65
G e na u igk e it ei n es L i ni en n iv el l e me n ts ............................................................ 67
Pr üfv erf a hr en f ür N iv e l l ier g er ä t e ................................................................... 68
Ziellinie .......................................................................................................................................... 68
Dosenlibelle .................................................................................................................................. 68
4
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Lagemessung .....................................................................................................................69
A uf na h m ev er f ahr e n ...................................................................................... 69
Orthogonalverfahren ..................................................................................................................... 69
Polaraufnahme.............................................................................................................................. 71
Polygonzug ................................................................................................................................... 71
Zwa n gs ze n tr ier u ng ....................................................................................... 74
S pe zi e l l e Au fg a b en d e r L a ge m es s u n g ............................................................ 75
Vorwärtseinschneiden .................................................................................................................. 75
Bogenschnitt ................................................................................................................................. 77
Geradenschnitt.............................................................................................................................. 78
Freie Stationierung........................................................................................................................ 79
G e na u igk e it der La g e mes s u ng ...................................................................... 80
Orthogonalverfahren ..................................................................................................................... 80
Polarverfahren .............................................................................................................................. 80
Flächenrechnung ...............................................................................................................81
Fl äc h e nr ec h n un g m i t Ma ß za h l en ................................................................... 81
Fl äc h e nr ec h n un g m i t K oor d i na te n .................................................................. 83
Fl äc h e nr ec h n un g m i t W ink e l n u nd Se i te n ....................................................... 84
Massenbestimmung ...........................................................................................................85
Kataster ...............................................................................................................................87
E nts te h un g u n d A uf ga be ............................................................................... 87
B es t an d te i l e d es K at a s ter s ........................................................................... 87
G ru nds te u er k at as t er ..................................................................................... 87
G re n zk a tas t er .............................................................................................. 88
Spezielle Kapitel der Bauordnung.....................................................................................89
Ni e de rös ter r e ic h .......................................................................................... 89
W ien ........................................................................................................... 91
Auszug aus der Koordinatendatenbank ...........................................................................95
Topographien .....................................................................................................................96
Topographie-Übersicht ......................................................................................................98
Katastralmappe ..................................................................................................................99
Höhenfestpunkte in Wien ................................................................................................100
Optischer Theodolit .........................................................................................................101
Quellen- und Literaturverzeichnis ...................................................................................103
Angaben zum Autor .........................................................................................................103
5
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
1.
Einführung
1.1
Einteilung der Vermessungskunde
Die Vermessungskunde wird in zwei unterschiedliche Bereiche unterteilt:
Die Höhere Vermessungskunde befasst sich mit der
globalen Erdmessung und mit der Grundlagenmessung
ganzer Staaten (= Landesvermessung), wobei die Erdkrümmung berücksichtigt werden muss. Dabei müssen
Refraktion (= Lichtbrechung), meteorologische Daten wie
Druck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit sowie das
Schwerefeld der Erde in die Berechnungen einbezogen
werden.
Die Niedere Vermessungskunde umfasst Vermessungen
in kleineren Gebieten, wobei der Ausschnitt der Erdoberfläche als Ebene betrachtet wird. Dieser Bereich umfasst
die Vermessung der Erdoberfläche in ihrer Detailform und
die Ingenieurgeodäsie (= Absteckung sowie
Überwachung von Hoch- und Tiefbauten)
1.2
Aufgaben der Vermessungskunde
Die Vermessungskunde befasst sich vorwiegend:
a. mit der Vermessung und Berechnung von Teilen der Erdoberfläche und ihrer Darstellung
in Karten und Plänen (= Aufnahme)
b. mit der Übertragung von graphischen oder rechnerischen Daten aus Plänen oder Karten
in die Natur (= Absteckung)
1.3
Ziel dieser Veranstaltung
Die Teilnehmer sollen folgende Punkte beherrschen:
1.
2.
3.
4.
richtiger Umgang mit den Vermessungsgeräten (Aufstellung, Ablesung, Pflege)
Lage- und Höhenbestimmung
Absteckung
Flächen- und Massenbestimmung
6
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.
Grundlagen
2.1
Maßzahlen
Längenmaß
Einheit: das Meter, Einheitszeichen [m]
Ableitungen: 1 m = 10 dm = 100 cm
1000 m = 1 km
Flächenmaß
Einheit: der Quadratmeter, Einheitszeichen [m²]
Ableitungen: 1 m² = 100 dm² = 10.000 cm²
1 km² = 100 ha = 10.000 a = 1.000.000 m²
Raummaß
Einheit: Kubikmeter, Einheitszeichen [m³]
Ableitungen: 1 m³ = 1.000 dm² = 1.000.000 cm²
1 dm² = 1 l
2.2
Winkelmaße
Hier gibt es keine festgesetzt, internationale Einheit — es bestehen mehrere Möglichkeiten:
2.2.1
Altgradmaß
Das Altgradmaß wird in Grad [ ° ], Minuten [ ' ] und Sekunden [ '' ] unterteilt, wobei
folgendes gilt:
1 ° = 60 ' = 3600 ''
Vollkreis: 360 °
Bei der rechnerischen Verwendung des Altgradmaßes müssen die Minuten und
Sekunden in Nachkommastellen umgerechnet werden:
Beispiel
127 47 12  127 
47
12

 127,786
60 3600
7
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.2.2
Neugradmaß
Dieses Maß wird in Gon [g], Neuminuten [c] und Neusekunden [cc] unterteilt,
unterscheidet sich aber vom Altgradmaß insofern, dass es eine Zehnerteilung besitzt.
Dadurch entfällt eine Umrechnung wie beim Altgradmaß.
1g  100 c  10000 cc
Vollkreis: 400g
Dieses Winkelmaß wird vorwiegend in der Vermessungskunde verwendet.
2.2.3
Bogenmaß
Das Bogenmaß benützt man zur Angabe von Winkeln in unbekannten Maßzahlen
und wird als das Verhältnis von Kreisbogen b zur Länge seines Radius r definiert:
 b
arc    
r

b  r 
Vollkreis: 2 
Beispiel
gegeben:
gesucht:
Lösung:
Aufgabe 1
gegeben:
gesucht:
r  27,00 m , b  42,412 m


 42,412

 1,5708
27,00
r  23,50 m

  0,34907
b
Praktische Anwendungsgebiete sind vor allem im Straßenbau zu finden:
 Kreisverkehr
 Übergangsbogen bei Auf- oder Abfahrten, Gleisanlagen
 Grundstücksgrenzen, wenn die Bauordnung Kreise zulässt
8
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.2.4
Umrechnungen
Die Umwandlung von einem Gradmaß zu einem anderen Gradmaß erfolgt am
einfachsten über den Vollkreis:
Altgrad  Neugrad
17  17 
Altgrad  Bogenmaß 17  17 
Aufgabe 2
2.3
400 g
 18,8 g
360
2
 0,296706
360
Berechne die Bogenlänge b, wenn der Radius r = 20,00 m beträgt und
ein Winkel von 28°,648 eingeschlossen wird.
Maßstab
Der Maßstab bezeichnet das Verkleinerungsverhältnis des Planes oder der Karte im
Vergleich zur Natur. Dieses Verhältnis wird mit einer Bruchzahl ausgedrückt, z.B. 1 : 100
Die gebräuchlichsten Maßstäbe in der Vermessungskunde:



Für Detailpläne: 1 : 100, 1 : 200, 1 : 500
Für Übersichtskarten, Kataster: 1 : 1000, 1 : 2000
Kartenwerke aus der Monarchie: 1 : 1440, 1 : 2880
Graphische Maßstäbe:
2.4
Steigung
Das Steigungsverhältnis ist immer das Verhältnis der Höhe zur Länge:
s
h
l
h sl
l
h
s
Man kann das Steigungsverhältnis auch in Prozent (%) oder Promille (‰) angeben:
s % 
h
 100
l
s ‰ 
h
 1000
l
9
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
h
Umformungen:
Beispiel
Aufgabe 3
sl
100
l
h  100
s
Berechnung von Zwischenhöhen:
h
0,96

 0,08
l 12,00
l  12,00 m
h  0,96 m
s
l1  9,00 m
h1  ?
h1  s  l1  0,08  9,00  0,72 m
Berechne die fehlenden Werte:
10
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.5
Fehlerarten
Alle Messungen müssen mit einer bestimmten Genauigkeit ausgeführt werden. Da völlig
fehlerfreie Messungen nicht möglich sind, werden die Messungen mehrmals wiederholt. Die
Messfehler, die dabei entstehen können, unterteilt man in drei Gruppen:
2.5.1
Grobe Fehler
Sie treten durch eine Fehlleistung des Beobachters auf und liegen im Allgemeinen
weit über der Messgenauigkeit. Sie werden durch Kontrollmessungen aufgedeckt und
können durch entsprechende Sorgfalt des Beobachters vermieden werden.
Beispiel:
2.5.2
Ablesefehler, Ziffernsturz
Systematische Fehler
Diese Fehler verfälschen das Messergebnis stets in eine Richtung (positiv oder
negativ) und sind von einem oder mehreren Parametern abhängig (z.B. Temperatur,
Luftdruck, Instrumentenjustierung,…)
Sie lassen sich durch die Wahl geeigneter Meßmethoden, durch sorgfältige Eichung
der Messgeräte sowie durch Verwendung entsprechender mathematischer Formeln
weitgehend ausschalten.
Beispiel:
2.5.3
Streckenmessung mit Stahlmaßband ― es entsteht auf Grund eines
Temperaturunterschiedes eine Längenänderung
Zufällige Fehler
Das sind alle nicht groben und nicht systematischen Fehler. Sie sind zufallsbedingt,
d.h. sie treten als positive und negative Zahl auf und variieren sehr unregelmäßig im
Betrag. Sie werden u.a. hervorgerufen durch die begrenzte Schärfe der menschlichen
Sinne und der Unvollkommenheit der Messinstrumente.
Beispiel:
Lattenablesung beim Nivellement (Schätzen der mm)
11
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.6
Mathematische Grundlagen
2.6.1
Pythagoräische Lehrsatz
a ²  b²  c ²
a, b … Katheten
c ….… Hypothenuse
2.6.2
Winkelfunktionen
sin 
Gegenkathete
Hypothenus e
cos 
Ankathete
Hypothenus e
tan 
sin
cos
Anmerkung:
Mehrere Winkel ergeben den gleichen Sinus-Wert:
Dasselbe gilt auch beim Cosinus.
2.6.3
sin 45  sin 135 .
cos 45  cos 315
Sinussatz und Cosinussatz
Sinussatz:
a
b
c


sin  sin  sin 
Cosinussatz:
a ²  b²  c ²  2  b  c  cos 
b²  a ²  c ²  2  a  c  cos 
c ²  a ²  b²  2  a  b  cos 
12
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.6.4
Auflösung quadratischer Gleichungen
Oft treten Aufgaben auf, die nur mit Hilfe von quadratischen Gleichungen zu lösen
sind. Ihre Beherrschung ist daher für den Baupolier von zentraler Bedeutung.
 1. Schritt: auf allgemeine Form bringen
ax²  bx  c  0
 2. Schritt: Vereinfachung
p
b
a
x1, 2
p
 p
    q
2
2
q
c
a
2
 3. Schritt: Lösung berechnen
Es können 3 Fälle auftreten:
Wurzelausdruck
Beispiel
> 0  es gibt 2 Lösungen
= 0  es gibt 1 Lösung
< 0  es gibt keine Lösung
Lösung:
2 x²  8x  10  0
8
p 4
2
x1   2  3  1
gegeben:
6 x²  9 x  16  0
gegeben:
Berechnung:
Aufgabe 4
10
 5
2
x2   2  3   5
q
13
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.7
Auflösung schiefwinkeliger Dreiecke
2.7.1
Zwei Winkel und eingeschlossene Seite gegeben
Gegeben:  ,  , c
Winkelsumme    200    
Sinussatz  b 
c  sin 
b
sin 
Sinussatz  a 
c  sin 
c
sin 
Kontrolle: Cosinussatz
Aufgabe 5
2.7.2
gegeben:
  35 g ,   51g , c  89.00 m
Zwei Seiten und eingeschlossener Winkel gegeben
Gegeben: a , b , 
Cosinussatz 
c 2  a 2  b 2  2  a  b  cos 
Sinussatz  sin  
a  sin 
α
c
Sinussatz  sin  
b  sin 
c
Kontrolle: Winkelsumme
Aufgabe 6
gegeben:
  77 g , b  57.00 m , c  61.00 m
14
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.7.3
Zwei Seiten und gegenüberliegender Winkel gegeben
Dieser Fall ist besonders zu beachten, da mehrere Lösungen existieren können. Die
Strecke b kann nämlich auf beiden Seiten aufgetragen werden:
Gegeben: b , c , 
Cosinussatz und Auflösung der
quadratischen Gleichung  a1,a2
Sinussatz  α1 , α2
Sinussatz  γ1 , γ 2
Kontrolle: Winkelsumme
Anmerkung:
es gibt 1 Lösung, wenn b  a  sin  (= rechtwinkeliges Dreieck)
es gibt keine Lösung, wenn b  a  sin 
es gibt 2 Lösungen, wenn b  a  sin 
Beispiel
gegeben:
Cosinussatz
Umformung
Auflösung
b  90.21m , c  100.00 m ,   70 g
b 2  a 2  c 2  2 a c  cos 
a 2  2c  cos   a  c 2  b 2  0
p   2c  cos 
q  c2  b2


2
Sinussatz
Sinussatz
Aufgabe 7
gegeben:
p
 p
mit
a 1 > a2
a1, 2       q
2
2
a  sin 
a  sin 
sin  1  1
sin  2  2
b
b
c  sin  1
sin  1 
 2  200   1
a1
b  78.87 m , c  90.00 m ,   68 g
15
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2.7.4
Drei Seiten gegeben
Gegeben: a , b , c
halber Umfang  s
Inkreisradius  r
Tangentenformel  α , β , γ
Kontrolle: Winkelsumme
(1) Lösung über Inkreisradius:
abc
2
s
tan

2

r
sa
s  a   s  b  s  c 
r
tan
s

2

r
s b
tan

2

r
s c
(2) Lösung über Cosinussatz (ungünstiger als über Inkreisradius):
c 2  a 2  b 2  2ab  cos 
c2  a2  b2

 cos 
2ab
a2  b2  c2
 cos 
2ab
Für die anderen Winkel gilt:
c2  b2  a2
 cos 
2cb
a2  c2  b2
 cos 
2ac
Aufgabe 8
gegeben:
a  57.65 m , b  87.00 m , c  140.00 m
16
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
3.
Streckenmessung
3.1
Messmittel
3.1.1
Maßband
Maßbänder sind auch heute noch geeignete Strecken-Messgeräte. Sie bestehen
meist aus Stahl oder Invar (64,4% Eisen und 35,6% Nickel), wobei die ersten 10 cm
meist in Millimeter geteilt sind. Um eine gute Spannung zu gewährleisten, sind
entsprechende Halterungen angebracht.
Zu beachten sind vor allem die unterschiedlichen Bandanfänge:
Bei vielen aufeinander folgenden Maßen arbeitet man mit Durchlaufmessungen: sie
liefern eine höhere Genauigkeit und man nützt die gesamte Maßbandlänge aus.
Anmerkung:
Zugkraft des Bandes und die Eichtemperatur sind am Maßband aufgeprägt.
3.1.2
Elektrooptische Messgeräte
Diese dienen zur Messung von Strecken mit sehr hoher Genauigkeit. Das Distanzmessgerät wird auf einem Theodoliten montiert oder ist bereits fix eingebaut
(= Tachymeter). Im anzumessenden Ziel wird ein Reflektor (= Prisma) aufgestellt, das
den ausgesandten Infrarot-Strahl zum Distanzmessgerät reflektiert.
17
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Theodolit und Distanzmesser
Bei normalen Theodoliten (optisch, elektronisch) kann ein externes
Distanzmessgerät aufgesetzt werden. Sie verwenden Infrarot als Lichtquelle und
es muss ein Prisma verwendet werden.
Da der Messteil zusätzlich einen elektronischen Rechner beinhaltet, können
Schrägdistanzen mit Hilfe des Vertikalwinkels sofort in horizontale Strecken oder
Höhenunterschiede umgerechnet werden.
Reflexfolie
Laser-Justierungsplatte
Für große Distanzen können auch gleichzeitig mehrere Prismen angeordnet werden
(4, 9 oder 16 Stück).
Im Tunnelbau und bei Robotik-Systemen werden anstatt von Prismen reflektierende
Folien verwendet.
18
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Tachymeter
Das Distanzmessgerät ist im Fernrohr eingebaut.
Bei Verwendung eines Prismas wird normalerweise unsichtbares Licht (Infrarot)
verwendet.
Bei Verwendung ohne Prisma (= reflektorloses Messen) wird Laserlicht benötigt –
am Ziel wird ein roter Punkt sichtbar.
Anmerkung:
Bei Verwendung eines aufgesetzten Distomaten muss das Fernrohr so eingestellt
werden, dass der Horizontalfaden unterhalb der Prismenmitte liegt. Der Abstand
zwischen Prismenmitte und Horizontalfaden ist identisch mit dem Abstand vom
Horizontalfaden zum Lichtstrahl des Distanzers.
19
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Lasergeräte
Eine gute Alternative zum Maßband besteht in
der Verwendung eines Distomaten — ein
handliches Laser-Messgerät.
Da diese Geräte mittlerweile eine Distanz von
200 bis 300 m bestimmen können, sind sie für
viele Aufgaben sehr gut geeignet.
Die Horizontierung erfolgt über eine Libelle.
Nachteilig ist, dass bei Sonnenschein der
Laserpunkt nur schwer zu erkennen ist.
3.2
Messmethoden
3.2.1
Direkte Streckenmessung
Die Messung kann horizontal oder schräg erfolgen. Um aus einer schrägen Messung eine
horizontale Strecke berechnen zu können, muss entweder der Höhenunterschied h der
Streckenendpunkte oder der Neigungswinkel γ bestimmt werden:
d  s  sin   s 2  h 2
h  s  cos 
20
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
3.2.2
Indirekte Streckenmessung
Sie wird dort angewendet, wo die direkte Streckenmessung nicht möglich ist:
 wenn ein Sichthindernis vorhanden ist
 wenn die zu messende Strecke nicht begehbar ist
 wenn das anzumessende Ziel nicht erreichbar ist
Rechtwinkeliges Hilfsdreieck
Dabei stellt man sich in einem dritten Punkt so auf, dass die beiden Seiten im rechten
Winkel zueinander stehen. Realisiert wird dies mit einem Winkelprisma.
s  a2  b2
Die Berechnung erfolgt mit dem Pythagoräischen Lehrsatz.
Sind mehrere Sichthindernisse vorhanden, können auch mehrere Hilfsdreiecke
hintereinander konstruiert werden:
s
a  c 2
 b2
21
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Ähnliches Hilfsdreieck
Zwei Dreiecke ABC und DEF sind ähnlich, wenn die Verhältnisse der
Seitenlängen gleich sind:
a : b : c  a' : b' : c' oder a : a'  b : b'  c : c'
Die Winkel sind identisch!
1. Fall: beide Endpunkte sind begehbar, die Strecke s kann nicht gemessen werden
a. in Punkt B aufstellen und einen rechten Winkel abstecken  Punkt C
b. Strecke von B nach C beliebig verlängern  Punkt D
c. rechten Winkel in Punkt D so abstecken, dass neuer Punkt E in der Flucht von A
und C liegt
d. die Strecken a, a' und s' messen
Die Lösung ergibt sich aus den Seitenverhältnissen:
s
a
s'
a'
22
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2. Fall: die Strecke s kann nicht direkt gemessen werden
a. man stellt sich in einem beliebigen Punkt C auf und bestimmt die beiden Seiten a
und b
b. man verkürzt die Seite a um einen ausreichenden Abstand
c. man berechnet
a
 A'
y
b
und reduziert die Seite b  B'
y
d. die Strecke s' zwischen A' und B' kann gemessen werden
e. die gesuchte Seite s ergibt sich aus: s 
Anmerkung:
a
 s'
a'
y kann beliebig gewählt werden, a'  a 
a
b
, b'  b 
y
y
Die Kontrolle erfolgt über die Seite b.
Lösungen über zusätzliche Winkelmessung
1. Fall: Cosinussatz
s 2  a 2  b 2  2 a b  cos 
Der Punkt C ist beliebig wählbar.
23
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2. Fall: Sinussatz
s
sin 
b
sin 
Der Punkt C ist dabei beliebig zu wählen, es sollte jedoch auf eine gute Geometrie
geachtet werden (keine zu spitzen Winkel).
3.3 Genauigkeit der Streckenmessung
3.3.1
Elektro-optische Distanzmesser
Die Genauigkeit hängt vorwiegend von der Atmosphäre ab und kann durch
bestimmte mathematische Formeln berücksichtigt werden.
Anbei einige Beispiele:



Reichweite
Messgenauigkeit (Fein/Tracking)
Messdauer (Fein/Tracking)
LEICA TPS800
LEICA TCA 1201M






3500 m (Prisma), 250 m (Folie)
2 mm + 2 ppm / 5 mm + 2 ppm
1 s / 0,15 s
> 8000 m auf 1 Rundprisma
2 mm + 2 ppm
3s
LEICA TC2003
LEICA Builder (Bautheodolit)






2500 m (Prisma)
1 mm + 1 ppm / 5 mm + 2 ppm
3 s / 0,3 s
80 m (Folie), 250 m (Flachprisma)
3 mm + 2 ppm
<2s
24
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
3.3.2
Maßband
Der klassischen Fehler sind Durchhang, Schrägmessung und Temperatur (bei
Stahlmaßbändern). Weitere Fehlerquellen sind Anhalte-, Ablesefehler und
Schreibfehler.
Durchhang
Bestimmung von Radius R
R 2  R  h   s 2
2
R
h2  s2
2h
Bestimmung von Winkel α
sin  
s
R
Bestimmung der Bogenlänge d

d  R  2
Richtwerte
Strecke
Durchhang
Fehler
15 m
15 m
15 m
30 m
30 m
30 m
0,075 m (= 0,5%)
0,15 m (= 1%)
0,30 m (= 2%)
0,15 m (= 0,5%)
0,30 m (= 1%)
0,60 m (= 2%)
1 mm
4 mm
16 mm
2 mm
8 mm
32 mm
Temperaturausdehnung
Berechnung der Ausdehnung f
f  d   t  T 
α ....
t ....
T ....
d ....
  0,0000115
Ausdehnungskoeffizient
Temperatur bei Messung
Eichtemperatur
abgelesene Strecke
25
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Richtwerte
Strecke
Temperatur
Fehler
15 m
15 m
15 m
30 m
30 m
0°
10 °
20 °
30 °
40 °
+ 7 mm
+ 3 mm
0 mm
- 3 mm
- 7 mm
Schrägmessung
s 2  d 2  h2
s  d 2  h2
Richtwerte
Strecke
Höhenunterschied
Fehler
15 m
15 m
15 m
30 m
30 m
30 m
0,15 m
0,30 m
0,45 m
0,30 m
0,60 m
0,90 m
1 mm
3 mm
7 mm
2 mm
6 mm
14 mm
(= 1%)
(= 2%)
(= 3%)
(= 1%)
(= 2%)
(= 3%)
Kombination aus den systematischen Fehlern
Die Messung einer Strecke von s = 30 m erfolgt bei einer Außentemperatur von 40°,
einem Schrägdistanzfehler von 2% und einem Durchhang von 1%.
Daraus ergibt sich: 30,000 m + 0,008 – 0,007 + 0,006 = 30,007 m
Der Fehler beträgt also 7 mm.
26
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
3.3.3
3.3.4
Lasergeräte (Leica Disto A5)
Reichweite
0,05 – 200 m
(bei größeren Entfernungen müssen Zieltafeln
verwendet werden)
Messgenauigkeit
 2 mm (bis 30 m Entfernung)
Durchmesser Laserpunkt
auf 10 m  6 mm
auf 30 m  50 mm
auf 100 m  60 mm
Lasertyp
Laserklasse II, 635 nm, < 1 mW
Geometrieprobleme bei reflektorloser Distanzmessung
Mit zunehmender Distanz wird auch der Durchmesser des Lichtkegels größer.
Dadurch können erhebliche Ungenauigkeiten in der Distanzmessung entstehen.
Untenstehende Grafiken sollen die Probleme verdeutlichen:
Außenkante
Innenkante
Schräg zur Mauer
Objekte, die Nahe dem Zielstrahl angeordnet sind, können ebenfalls gefährlich
werden – vor allem gut reflektierende Objekte (Verkehrstafeln, ...). Man kann das
Problem minimieren, indem man kleine Prismen (Zieltafeln) oder Reflexfolien
verwendet.
27
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
4.
Winkelmessung
4.1
Der Theodolit
Der Theodolit dient zum Messen von Richtungen, und zwar horizontal und vertikal. Er kann
zusätzlich mit einem elektrooptischen Distanzmesser ausgestattet werden (als Aufsatzmodell
oder bereits fix eingebaut).
4.1.1
Aufbau
Der Theodolit kann in 3 Teile gegliedert werden:
1. Untersatz
Der Untersatz enthält die Dreifußschrauben mit der Grundplatte sowie eine
Dosenlibelle.
Die Grundplatte wird mit Hilfe einer Schraube (= Herzschraube) mit dem Stativ
verbunden. Diese Grundplatte besteht aus 3 Füßen, deren Höhe mit den
Dreifußschrauben verändert werden kann. Auf diese Weise wird der Theodolit
horizontal eingerichtet. Bei moderneren Untersätzen ist auch ein optisches Lot
vorhanden.
28
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Für das grobe Dosenlibelle vorgesehen. Das ist ein
zylindrisch zugeschmolzener Glaskörper mit einem
kugelförmig geschliffenem Deckglas. Dieser Körper
ist bis auf eine kleine Luftblase mit Alkohol oder
Äther gefüllt.
2. Unterbau
Der Unterbau besteht aus einem Kugellager für den beweglichen Oberteil
(= Stehachslagerung), dem Horizontalkreis und wiederum einer Dosenlibelle.
Der Horizontalkreis besteht meist aus einem optischen Glas und einer Teilung im
Uhrzeigersinn:
Modernere Theodoliten verwenden für die elektronische Abtastung anstelle von
Ziffern binäre Codes:
Weiters ist eine Vorrichtung zum Verdrehen des Horizontalkreises eingebaut.
3. Oberbau
Der Unterbau ist mit dem Oberbau drehbar über die Stehachslagerung verbunden
und besteht aus der Röhrenlibelle, der Stütze, dem Vertikalkreis, der
Ableseeinrichtung, dem Fernrohr sowie den Grob- und Feinklemmen.
Beim Feinhorizontieren genügt die Genauigkeit einer Dosenlibelle nicht mehr.
Deshalb benötigt man eine so genannte Röhrenlibelle, die aus einem beiderseits
zugeschmolzenen zylindrisch gekrümmten Glasrohr besteht. Zur Einstellung und
Ablesung der Luftblase sind Marken in der Außenfläche des Glaszylinders eingeätzt.
29
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Moderne elektronische Tachymeter besitzen keine mechanische Röhrenlibelle,
sondern eine elektronische Libelle, die am Display ausgegeben wird.
Damit das Fernrohr, das mit dem Vertikalkreis verbunden ist, auf ein Ziel genau
eingestellt werden kann, beinhaltet es neben verschiedenen Linsen auch ein feines
Strichkreuz.
Vor Messbeginn muss das Strich- oder Fadenkreuz scharf eingestellt werden. Dazu
muss das Fernrohr gegen einen hellen Hintergrund gerichtet und auf unendlich
fokussiert werden. Anschließend wird der Okularring so lange gedreht, bis das
Fadenkreuz scharf erscheint. Aber Achtung: Während des Messvorganges darf diese
Einstellung nicht verändert werden.
30
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
4.1.2
Achssystem des Theodoliten
Der Theodolit besitzt 3 definierte Achsen, die zueinander in vordefinierter Beziehung
stehen müssen:




die Stehachse (= vertikale Achse durch den Drehpunkt des Oberbaues)
die Kippachse (= horizontale Achse durch den Drehpunkt des Fernrohres)
die Zielachse (= Achse entlang der Ziellinie im Fernrohr)
Libellenachse (= entlang der Röhrenlibelle, parallel zur Kippachse)
Es muss gelten:
Stehachse

Kippachse
Zielachse  Kippachse
Röhrenlibelle 
Kippachse
Ist diese Geometrie nicht genau vorhanden, treten Fehler auf. Diese Fehler können
durch bestimmte Messverfahren entweder beseitigt oder stark minimiert werden.
Elektronische Theodolite können diese Fehler selbständig bestimmen und
entsprechend beseitigen.
4.1.3
Zentriervorrichtung
Schnurlot, Zentrierstock
Ist eine veraltete Technologie und heutzutage kaum mehr von Bedeutung.
Genauigkeit ist sehr windabhängig.
Laserlot
Mit Hilfe eines Laserstrahls wird der Bodenpunkt der Stehachse angezeigt. Nachteil
bei direkter Sonneneinstrahlung!
31
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Optisches Lot
Ist entweder im Untersatz oder im
Oberbau des Theodoliten integriert und
besteht aus einem kleinen Fernrohr mit
Fadenkreuz, bei dem der Sehstrahl um
90° nach unten gelenkt wird.
4.1.4
Ablesevorrichtungen
Sie sind allgemein als Messmikroskop ausgebildet und beeinflussen weitgehend die
Genauigkeit der optischen Theodolite. Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen
Strichmikroskop, Skalenmikroskop und Koinzidenzmikroskop.
Bei elektronischen Theodoliten wird die Kreisabtastung über binäre Codes
durchgeführt und digital an einem Display dargestellt.
Strichmikroskop
Ablesegenauigkeit ist nicht sehr hoch – es kann aber schnell und bequem abgelesen
werden:
Wild T05
Kern K0-S
Strichmikroskop mit Mikrometer
Es hat zusätzlich ein bewegliches Ablenksystem, mit dem das Bild des
Kreisausschnittes relativ zur Ablesemarke messbar verschoben werden kann. Bei
dieser Art der Ablesung muss, nachdem das Ziel eingestellt wurde, mit einer
Mikrometerschraube der Theodolit so lange gedreht werden, bis die Ablesemarke
über der nächsten vollen Gon-Teilung liegt. In einem weiteren Fenster können dann
die Winkelminuten und –sekunden abgelesen werden.
Breithaupt
Wild T1
32
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Skalenmikroskop
In der Bildebene des Mikroskops befindet sich eine Skala, der dem Strichabstand des
Teilkreises entspricht. Es wird mit Hilfe eines Teilungsstriches abgelesen.
Zeiss Th42
Jenoptik Theo 020B
Koinzidenzmikroskop
Hier werden zwei um 200 Gon voneinander abstehende Kreisstellen abgetastet und
nebeneinander angeordnet, so dass man leicht die Einzelablesungen mitteln kann (=
zur Koinzidenz bringen).
Zeiss Th2
4.2
Wild T2
Aufstellen eines Theodoliten
In den meisten Fällen muss der Theodolit über einen Bodenpunkt aufgestellt werden, d.h.
neben der Horizontierung über die Libellen muss er auch zentriert werden.
1. Schritt: Grobzentrieren des Stativs
Das Stativ wird einmal grob über den Bodenpunkt aufgestellt, wobei der Beobachter 1
Stativbein fixiert und die beiden anderen Stativbeine so lange verschiebt, bis der Bodenpunkt
im optischen Lot sichtbar ist.
Folgende Punkte sollen berücksichtigt werden:
 die Kippachse soll knapp unter der Augenhöhe des Beobachters liegen
 das Stativteller soll möglichst horizontal liegen
 im geneigten Gelände soll 1 Stativbein in der Falllinie liegen
 die Stativbeine sollen nicht zu knapp zusammen liegen (Umsturzgefahr)
Sind diese Bedingungen erfüllt, können die Stativbeine in den Boden getreten werden.
33
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2. Schritt: Feinzentrieren und Grobhorizontieren
a. Durch Verdrehen der Fußschrauben wird nun das Fadenkreuz des optischen Lotes über
den Bodenpunkt gebracht. Das Gerät ist nun zentriert, die Stehachse steht aber noch
nicht lotrecht im Raum.
b. Durch Verlängern oder Verkürzen der Stativbeine wird nun die Dosenlibelle eingespielt.
Es werden nur 2 Stativbeine verwendet!
Da sich durch die Grobhorizontierung die Zentrierung verschoben hat, muss diese wieder
nachkorrigiert werden  man beginnt wieder bei Punkt a. Danach wieder die Dosenlibelle
einspielen.
Wird die Zentrierung nur wenig geändert, so behält man die Horizontierung bei und die
Zentrierung wird durch verschieben des Untersatzes korrigiert (d.h. die Herzschraube wird
leicht gelöst und der Theodolit über den Bodenpunkt geschoben). Danach nochmals die
Dosenlibelle einspielen.
Info:
Fußschrauben = Fadenkreuz
Stativbein = Dosenlibelle
3. Schritt: Feinhorizontieren
Der Theodolit wird so verdreht, dass die Röhrenlibelle parallel zu 2 Fußschrauben steht. Die
Röhrenlibelle wird mit einer der beiden Fußschrauben eingespielt.
Anschließend wird der Theodolit um 100g verdreht und es wird die Libelle mit Hilfe der dritten
Fußschraube eingespielt.
Nun wieder um 100g drehen und Einstellung kontrollieren.
34
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
4.3
Horizontalwinkelmessung
Bei der einfachen Winkelmessung werden die Richtungen zu zwei oder mehreren
Zielpunkten gemessen und durch die Differenzbildung die Winkel bestimmt:
Der Winkel  errechnet sich aus der Differenz zwischen rechter und linker Richtung. Ist
dieser Wert negativ, so muss ein Betrag von 400g addiert werden (die Nullrichtung des
Theodoliten liegt genau zwischen den beiden Richtungen).
  400  ( L  R)  400  L  R
 RL
Beispiel
R = 168 g
L = 77 g
δ = 168 – 77 = 91 g
R = 68 g
L = 377 g
δ = 400 – 377 + 68 = 91 g
Bei Präzisionsmessungen müssen eventuell vorhandene Zielachsfehler berücksichtigt
werden. Dazu werden alle Punkte in zwei Kreislagen ermittelt:
1. alle Richtungen werden im Uhrzeigersinn gemessen
2. das Fernrohr des Theodoliten wird durchgeschlagen und es werden nochmals alle
Richtungen gemessen (sie sollen sich um genau 200g unterscheiden)
Lage I
Lage II
Richtung
178.4560
378.4520
178.4540
35
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
4.4
Vertikalwinkelmessung
In der Regel misst man mit einem Theodoliten
einen Zenitwinkel, d.h. die Nullrichtung zeigt nach
oben (entlang der Stehachse).
Da das normale Lotrechtstellen des Theodoliten für eine einwandfreie Vertikalwinkelmessung nicht ausreicht, ist eine zusätzliche Horizontiervorrichtung angebracht. Bei älteren
Theodoliten kann dies eine zweite Röhrenlibelle sein (= Versicherungslibelle), bei
elektronischen Theodoliten ist dies ein Kompensator.
Für Präzisionsmessungen werden die Zielungen und die Ablesungen ebenfalls in beiden
Kreislagen durchgeführt.
4.5
Ausgewählte Beispiele der Winkelmessung
4.5.1
Trigonometrische Höhenmessung
Gemessen wurde: Zenitwinkel  , Instrumentenhöhe i , Zielhöhe z , Schrägseite s
Gesuch wird der Höhenunterschied H zwischen den Punkten A und B.
H  h  i  z mit h  s  cos 
Beispiel
gegeben:
s  50.290 m ,   89 g .1345 , i  1.632 , z  1.6 m
Lösung:
h = 8.542 m , H = 8.542 + 1.632 – 1.6 = 8.574 m
36
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
4.5.2
Turmhöhenbestimmung
Der Punkt, dessen Höhe bestimmt werden soll, ist nicht begehbar (z.B. Kirchturmspitze). Die Lösung erfolgt mit Hilfe zweier Standpunkte A und B. Die Höhen von A
und B sind vorgegeben.
Gemessen werden vom Standpunkt A aus die Richtungen (horizontal und vertikal) zu
Turm T und Punkt B sowie vom Standpunkt B aus nach A und T. Weiters wird die
horizontale Seite s zwischen A und B bestimmt.
1. Schritt: Auflösung des horizontalen Dreiecks
  t AT  t AB
  tTA  t BT
  200    
Sinussatz:
s  sin 
sin 
s  sin 
b
sin 
a
37
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2. Schritt: Auflösung des vertikalen Dreiecks im Punkt A
hA 
b
tan v AT
H T  H A  i A  hA
3. Schritt: Auflösung des vertikalen Dreiecks im Punkt B (= Kontrolle)
hB 
a
tan v BT
H T  H B  iB  hB
Aufgabe 9
gegeben ist folgendes Messprotokoll:
von
nach
A
B
280,000
-
A
T
320,000
59,108
B
A
30,000
-
B
T
360,000
53,736
Hz (= t)
Vz
s
i
67,234
1,635
67,234
1,573
38
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
4.6
Genauigkeit der Winkelmessung
4.6.1
Horizontalwinkel
Die Genauigkeit hängt von der Zielweite ab. Mit Hilfe des Bogenmaßes und dem
Radius (= Zielweite) kann der Fehler berechnet werden:

 g
2
400

b  r 
Mit den Werten r = 100 m und  = 0,001g ergibt sich ein Wert für den Bogen von
b = 1.6 mm.
Will man also eine Genauigkeit von 1 mm erreichen, wird eine Winkelgenauigkeit von
0.0005g auf 100 m benötigt.
4.6.2
Vertikalwinkelmessung
Die Genauigkeit hängt neben der Zielweite auch davon ab, wie groß die Abweichung
von der Horizontallinie ist. Der Einfluss des Stehachsfehlers wirkt sich nämlich umso
stärker aus, je steiler die Visur ist.
Moderne Geräte besitzen eine elektronische Libelle, die einen Stehachsfehler
erkennen und rechnerisch korrigieren. Trotzdem sollte man steile Visuren vermeiden,
vor allem bei langen Ziellinien.
39
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.
Koordinatenrechnung
5.1
Definitionen
5.1.1
Koordinatensystem
Die rechtwinkeligen Abstände eines Punktes P von den Koordinatenachsen werden
als seine Koordinaten x und y bezeichnet.
Der Schnittpunkt der Koordinatenachsen heißt Nullpunkt oder Ursprung.
Der Punkt P muss aber noch eindeutig festgelegt
werden, da die Abstände von den
Koordinatenachsen allein die Lage des Punktes
noch nicht festlegen.
Erst mit entsprechenden Vorzeichen wird die
genaue Position definiert.
In der Vermessungskunde wird das
Koordinatensystem anders als in der Mathematik
definiert:
 die positive x-Achse geht nach Norden
 die positive y-Achse geht nach Osten
Das Koordinatensystem wird in 4 Quadranten unterteilt. Denkt man sich den
Ursprung des Koordinatensystems im Standpunkt, so befindet sich der Zielpunkt in
einem bestimmten Quadranten:
40
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.1.2
Richtungswinkel
Der Richtungswinkel r ist der Winkel zwischen der Nordrichtung und einer beliebigen
Richtung zu einem Zielpunkt – immer im Uhrzeigersinn gerechnet.
rZS  rSZ  200 g
5.1.3
Koordinatendifferenzen
Sind Standpunkt S und Zielpunkt Z in einem Koordinatensystem gegeben, kann man
ein rechtwinkeliges Dreieck definieren:
y  y Z  y S
x  xZ  xS
Beachte:
immer „Zielpunkt minus Standpunkt―
rechnen
41
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Winkeldefinitionen:
5.2
sin   cos r 
x
s
cos   sin r 
y
s
Erste Hauptaufgabe der Koordinatenrechnung (= Lageaufnahme)
Von einem gegebenen Standpunkt S (yS , xS) wird ein Richtungswinkel r und eine Seite s
gemessen. Gesucht werden die Koordinaten des Zielpunktes Z.
Lösung:
y Z  y S  s  sin r
xZ  xS  s  cos r
Aufgabe 10
gegeben:
Punkt S: y  50.00 m , x  20,00 m
gemessen:
s = 100 m, r = 40,000 g
gesucht:
Koordinaten von Punkt Z
42
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.3
Zweite Hauptaufgabe der Koordinatenrechnung (= Absteckung)
Zwei Punkte S und Z sind gegeben und man berechnet die Seite s zwischen den Punkten
und den Richtungswinkel von S nach Z.
Lösung:
x  xZ  xS
y  y Z  y S
s 2  y 2  x 2
tan rS , Z 
y
x
rS , Z  arctan
y
x
Das Problem liegt in dieser Aufgabe darin, dass mehrere Winkel den gleichen Sinuswert
ergeben. Beispiel: der Sinuswert von 60g ist identisch mit jenem von 120g. Dasselbe gilt auch
für den Cosinus.
Bei der Berechnung des Richtungswinkels ist daher der dazugehörende Quadrant von
zentraler Bedeutung:
IV. Quadrant:
y  
g
 r  400
x   
I. Quadrant:
y   
r
x   
III. Quadrant:
y  
g
 r  200
x  
II. Quadrant:
y   
g
 r  200
x   
Aufgabe 11
gegeben:
gesucht:
Standpunkt S:
y = 108.78 m
x = 100.90 m
Zielpunkt Z :
y = 50.67 m
x = 22.34 m
Richtungswinkel r und Seite s
43
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.4
Orientierung
Der Richtungswinkel bezieht sich auf die x-Achse, die nach Norden weist. Beim Messen im
Feld besitzt man aber keine Kenntnis über diese x-Richtung. Der Theodolit gibt nur
Richtungen an, die sich auf seine Nullrichtung beziehen (= Theodolit-Null).
t ……. abgelesene Richtung
r ……. Richtungswinkel
O …… Orientierung
Alle Richtungen t, die am Theodolit abgelesen werden, müssen orientiert werden. Dies ist
nur dann möglich, wenn neben dem Standpunkt mindestens ein Zielpunkt gegeben ist:
1. Schritt:
mit Hilfe der 2. Hauptaufgabe berechnet man sich den Richtungswinkel r
zwischen S und Z
tan rS , Z 
2. Schritt:
y
 rS , Z
x
man berechnet die Orientierung
O  t S ,Z  rS ,Z
3. Schritt:
tS,Z … abgelesener Winkel am Theodolit
alle Theodolit-Winkel dieses Standortes können in einen Richtungswinkel
umgewandelt werden:
ri  t i  O
Info: der Orientierungswinkel kann auch negativ sein!
44
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.5
Beispiel einer Aufnahme
Gegeben:
Kirchturmspitze K
Standpunkt 501
Gemessen:
Horizontalwinkel am Theodolit
y = 51.33 m
y = 206.44 m
Seite s zwischen 501 und 527:
nach K :
nach 527 :
s = 76.88 m
x = 399.00 m
x = 209.10 m
t = 125.444
t = 226.000
Gesucht:
Koordinaten von Punkt 527
1. Schritt:
Berechnung des Richtungswinkels zwischen 501 und K
y   155.11
tan r501, K 
x  189.90
155.11
  0.81679831
189.90
r501, K   43.6021  400  356.398
2. Schritt:
Berechnung der Orientierung
O  t  r  125.444  356.398   230.954 g
3. Schritt:
Berechnung des Richtungswinkels nach Punkt 527
r501,527  t 501,527  O  226.000  (  230.954)  456.954  56.954 g
4. Schritt:
Berechnung der Koordinaten (1. Hauptaufgabe)
y527  206.44  76.88  sin 56.954  266.40 m
x527  209.10  76.88  cos 56.954  257.21m
45
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.6
Beispiel einer Absteckung
Gegeben:
Kirchturmspitze K
Standpunkt 501
Absteckpunkt 527
Gesucht:
Der Punkt 527 soll in die Natur übertragen werden.
1. Schritt:
siehe Beispiel 5.5  r501, K  356.398
2. Schritt:
siehe Beispiel 5.5  O   230.954 g
3. Schritt:
Berechnung des Richtungswinkels und Seite nach 527
y  59.96 m
y = 51.33 m
y = 206.44 m
y = 266.40 m
x  48.11
x = 399.00 m
x = 209.10 m
x = 257.21 m
r501,527  56.953 g
s  y 2  x 2  76.88 m
4. Schritt:
Berechnung des Theodolitwinkel
t 501,527  O  r501,527   230.954  56.953  400  225.999 g
5. Schritt:
Absteckung
Man stellt den berechneten Theodolitwinkel t501,527 ein und steckt in dieser
Richtung mit Hilfe eines Helfers die Strecke s ab.
46
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.7
Koordinatensysteme
5.7.1
Amtliches Gauß-Krüger-System
Für die Koordinatenberechnung ist man von einem System ausgegangen, bei dem
die x-Richtung nach Norden und die y-Richtung nach Osten weist. Dies entspricht
auch dem amtlichen Gauß-Krüger-System:
Es weist besondere Eigenschaften auf:
1. Der Ursprung liegt am Äquator, daher haben die x-Werte in Österreich einen
Betrag von über 5 Millionen (die "5" am Anfang werden meist in den
Berechnungen nicht mitgeführt)
2. Wegen der Krümmung der Erde wird Österreich in 3 Streifen eingeteilt, d.h. es
gibt eigentlich 3 Koordinatensysteme. Damit ist es aber möglich, mit bekannten
x,y – Werten mehrere Punkte zu definieren. Es muss also zusätzlich zu den
Koordinaten auch der Bezugsmeridian selbst angegeben werden. Für Österreich
sind dis 28°, 31° und 34° östlich von Ferro.
3. In der Mitte zweier Streifen werden die Koordinaten für beide Bezugsmeridiane
angegeben (= Überlappungsbereich).
Amtliche Festpunkte
Wie bereits bei der Koordinatenrechnung erwähnt, benötigt man zur Orientierung
Punkte mit bekannten Koordinaten. Das Bundesamt für Eich- und
Vermessungswesen (BEV, www.bev.gv.at) verwaltet eine Vielzahl an solchen
Festpunkten:
 Triangulierungspunkte (KT)
 Einschaltpunkte (EP)
 Höhenfestpunkte
47
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Die Informationen über solche Punkte sind von jedem Vermessungsamt zu beziehen.
Sie enthalten neben den Koordinaten und administrativen Aufgaben auch eine
topographische Darstellung.
Wichtig bei solchen Festpunkten ist, dass sie nicht leicht verändert werden können.
Es wird daher großer Wert auf die Stabilisierung gelegt.
5.7.2
Lokales System
Nicht immer ist es von Vorteil, das amtliche Koordinatensystem zu benutzen, da
deren Genauigkeit nicht immer den Ansprüchen genügt oder man keinen Bezug zum
amtlichen System benötigt.
Gerade im Bauwesen, wo sehr hohe Genauigkeiten erforderlich sind (Tunnel- und
Brückenbau, Gleisbau), verwendet man ein lokales System, das durch zwei oder
mehrere Punkte definiert ist:
 Punkt P1 ist der Ursprung
 die Strecke P1 P2 ist die x-Achse
48
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Normalerweise werden durch Mehrfachmessung mehrere Punkte eingemessen. In
folgender Abbildung werden 4 Punkte in einem lokalen System definiert, wobei
mehrere Strecken- und Winkelmessungen durchgeführt werden.
Ein dermaßen definiertes lokales System
ist bei entsprechender Stabilisierung der
lokalen Festpunkte von sehr hoher
Genauigkeit.
Wichtig dabei ist, dass die Fundamentalpunkte, das sind jene Punkte, die das
lokale System definieren, außerhalb des
Baustellenbereiches liegen.
5.8
Bogenabsteckung
Ziel dieser Aufgabe ist es, einen vorgegebenen Bogen in die Natur zu übertragen, wobei die
einzelnen abzusteckenden Bogenlängen von gleicher Länge sein sollen.
5.8.1
Aufgabenstellung
Zwischen den Strecken 101,102 und 103,104 soll ein Bogen mit Radius R = 10 m und
mit einer fixen Bogenlänge von b = 1 m abgesteckt werden.
gegeben:
Punkt
101
102
103
104
y
0,00
0,00
6,91
16,42
x
-10,00
0,00
9,51
12,60
Radius R = 10 m
fixe Bogenlänge b = 1 m
49
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.8.2
Lösung mit Orthogonalverfahren (Winkelprisma, Maßband)
Man kann ein lokales Koordinatensystem definieren, wobei die Strecke 101,102 als
x-Achse verwendet wird mit dem Punkt 102 = BA (Bogenanfang) als Ursprung.
Man muss also zu allen Absteckpunkten 1 bis 12 in rechtwinkelige Koordinaten
berechnen:
Punkt 1:
1 
b 200

R 
x1  R  sin  1
y1  R  1  cos  1 
für Punkt 5 gilt (siehe Skizze):
 5  5  1
x5  R  sin  5
y5  R  1  cos  5 
Die Absteckung erfolgt vom Koordinatenursprung 102 aus:
1. Schritt:
Fluchtstange in Punkt 102 aufstellen
2. Schritt:
Koordinate x5 entlang der x-Achse
abstecken  Fußpunkt F
3. Schritt:
Beobachter stellt sich mit
Winkelprisma auf Punkt F auf und
visiert Punkt 102 an
4. Schritt
Helfer geht mit Fluchtstange so lange hin und her, bis seine Fluchtstange im
Winkelprisma über jener von Punkt 102 steht  man kann den y-Wert abstecken
50
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
5.8.3
Lösung mit Polarverfahren (Theodolit, Maßband)
Von unserem lokalen Koordinatensystem aus kann man mit einem bekannten
Richtungswinkel r und der Sehnenlänge s jeden Punkt des Kreises abstecken.
Punkt 1:
r1 
b
200

2R 
s1  2 R sin r1
für Punkt 5 gilt (siehe Skizze):
r5  5  r1
s5  2 R sin r5
1. Schritt
Theodolit in Punkt 102 aufstellen
2. Schritt
Orientierung durchführen  200g am Theodolit einstellen, Horizontalkreis-schraube
öffnen und Punkt 101 anvisieren; Schraube wieder schließen.
3. Schritt
Richtungswinkel r1 für 1. Absteckpunkt einstellen und Länge s1 abstecken. Dieser
Schritt wird für alle Absteckpunkte durchgeführt.
51
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
6.
Nivellement
6.1
Höhensysteme
Unter einem Nivellement versteht man die Bestimmung der Höhe eines Punktes mit Hilfe
horizontaler Zielstrahlen. Ausgangspunkt ist dabei immer ein Bezugspunkt bzw. eine
Bezugsebene mit bekannter Höhe:
Die Höhe eines beliebigen Punktes ist sein vertikaler Abstand von dieser Bezugsebene.
6.1.1
Absolute Höhen
Sie beziehen sich in Österreich auf das amtliche Höhenfestpunktnetz, das wiederum
vom durchschnittlichen Meeresspiegel bei Triest abgeleitet ist. Seit 2005 wird das
Höhensystem von Triest nach Amsterdam verlegt.
Als Stabilisierung von Höhenfestpunkten werden u.a. verwendet:
 horizontale Höhenbolzen (meist an Hauswänden)
 vertikale Höhenbolzen (meist auf Brücken und gemauerten Zäunen)
 KT-Steine
 Bolzen, Rohre, Nägel für lokale Höhenpunkte
Topographien für absolute Höhen liegen normalerweise am Gemeindeamt auf, da der
Bürgermeister 1. Bauinstanz ist.
Sonderfall Wien:
In Wien gibt es neben dem amtlichen System auch noch das so genannte Wiener
Null. Das ist das amtliche System der Gemeinde (Magistrat) und wird vom AdriaPegel abgeleitet, indem ein bestimmter Wert von 156,680 m abgezogen wird.
Achtung: Andere Einrichtungen wie Kanal und Wasser verwenden kein Wiener Null.
Im Zweifelsfall sollte man sich vorher erkundigen, welches Höhensystem benötigt
wird.
52
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
6.1.2
Relative Höhen
Darunter versteht man Höhen, die von einem privaten Bezugspunkt abgeleitet sind.
Für diesen Punkt kann eine beliebige Höhe angenommen werden. Für die
Stabilisierung muss beachtet werden, dass keine Verschiebung zugelassen wird,
daher soll die Bezugshöhe außerhalb des Baustellenbereiches stabilisiert werden.
Bei Kleinbauten werden oft die Höhen von Kanaldeckel, Gehsteigoberkanten und dgl.
als Ausgangshöhe verwendet. Hier werden Höhen insbesondere für die Bauklasse
verwendet.
6.2
Messmittel
6.2.1
Nivelliergerät
Das Nivelliergerät (Nivellier) ist ein optisch-mechanisches Messinstrument und
besteht im Wesentlichen aus deinem Dreifuß mit Fußschrauben und einer
Dosenlibelle (=Unterbau) sowie einem Fernrohr mit Röhrenlibelle bzw. einem
Kompensator (= Oberbau).
53
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Das Nivellier wird mit Hilfe der Dosenlibelle grob horizontiert., die Feineinstellung
erfolgt entweder über eine Röhrenlibelle (ähnlich wie beim Theodoliten) oder wird
durch einen internen Kompensator ersetzt (= automatische Nivelliere, heutzutage
Standard-Ausführung).
Der Kompensator ist ein frei schwingendes Element, das geringe Restneigungen
beseitigt. Da durch die Lagerung der bewegliche Teil stecken bleiben kann, sollte vor
Messbeginn der Kompensatorknopf gedrückt werden. Dieser löst eine Schwingung
aus und es kann im Fernrohr die Bewegung beobachtet werden.
Anmerkung:
In der technischen Beschreibung eines Nivellier wird der Winkel angegeben, den ein
Kompensator ausgleichen kann.
6.2.2
Lasergerät
Lasergeräte können wie normale Nivelliere verwendet werden, doch an Stelle einer
Visureinrichtung wird ein Laserstrahl verwendet. Durch die Sichtbarkeit des
Laserstrahls am angezielten Objekt ist am Gerät kein Beobachter notwendig.
Unterschieden wird zwischen Richtstrahl- und Rotationslaser.
Richtstrahl-Laser
Sie werden vor allem im Kanal-, Tunnel- und Brückenbau (für die Einrichtung der
Schalung) sowie zur Fassadeneinmessung verwendet.
54
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Eine automatische Erdkrümmungskorrektur kann dabei aktiviert werden.
Rotationslaser
Sie senden einen Richtstrahl aus, der
sich ständig um 400g dreht.
Am Lattenstandpunkt ist ein Detektor
angebracht, der das Lasersignal
aufnimmt.
Einsatzgebiete sind vor allem Aushubarbeiten sowie die Errichtung von Böden,
Decken und Estriche (Innenbereich)
55
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
6.2.3
Zubehör
Nivellierlatten
Die Genauigkeit des Nivellements hängt auch von den verwendeten Latten ab. Da
die meisten Materialien temperaturabhängig sind, kann sich die Länge der Latten
verändern. Außerdem kann die aufgebrachte Skala bereits bei der Herstellung
Unregelmäßigkeiten aufweisen. Aus diesem Grund werden für Präzisionsmessungen Latten mit zwei voneinander unabhängigen Skalen verwendet.
Für digitale Nivelliere gibt es Latten, die automatisch einen Wert
identifizieren, wenn der Laser auf die Latte trifft. Der Beobachter
muss keine Messwerte ablesen, da der entsprechende Lattenwert
mit Hilfe des Lasers zum Nivellier transferiert und gespeichert wird.
Anmerkung:
Vergleichbar mit einer Scanner-Kassa im Supermarkt.
56
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Lattenrichter
Sie dienen dazu, die Latte vertikal einzurichten. Dies ist notwendig,
um die Genauigkeit der Ablesung zu erhöhen. Sie bestehen aus
einem Winkeleisen, auf deren Außenseite eine Dosenlibelle befestigt
ist. Der Winkel wird an die Latte gehalten und diese so lange
geschwenkt, bis die Dosenlibelle eingespielt ist.
Lattenuntersatz
Diese auch als "Frösche" bezeichneten Untersätze dienen dazu, den zu messenden
Höhenpunkt (Zwischenpunkt) in Lage und Höhe konstant zu halten.
Sie werden vor Verwendung mit den Füßen in den Untergrund getreten, damit dieser
nicht verrutschen kann.
6.3
Messmethoden
6.3.1 Ablesung
Im Fernrohr ist ähnlich dem Theodoliten ein Fadenkreuz angebracht, das mit dem
anzuzielenden Punkt in Deckung zu bringen ist. Danach ist der auf der Latte
abgelesene Wert zu notieren, wobei bei den für den Bau herkömmlichen Latten die
Millimeter zu schätzen sind.
Weiters besitzt das Fadenkreuz einen kurzen Oberund Unterfaden, die zum Abschätzen der Distanz
dienen:
O – U [cm]  D [m]
29,5 cm  29,5 m
57
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
6.3.2
Liniennivellement durch Hin- und Rückmessung
Unter einem Liniennivellement versteht man die Messung des Höhenunter-schiedes
zwischen zwei oder mehreren Punkten bzw. die Übertragung der Höhe eines Punktes
auf andere Punkte.
Lattenstandpunkte =
Standpunkte, die eine Höhe bekommen sollen.
Nivellierstandpunkte = Standpunkte, in denen der Nivellier steht und von dem die
Lattenwerte abgelesen werden. Er soll immer in der Mitte der
beiden Latten stehen und die beiden Zielstrahlen sollen
annähernd in einer Geraden liegen.
Siehe auch Kapitel "Genauigkeit des Nivelliers".
Beispiel: Liniennivellement durch Hin- und Rückmessung
Von einem bekannten Höhenpunkt A soll die Höhe des Punktes 1 ermittelt werden:
Ablauf:


man stellt das Nivellier auf und liest am Punkt A einen Lattenwert ab
(= Rücklesung 1)
man wendet das Fernrohr und liest am Punkt 1 einen Lattenwert ab
(= Vorlesung 1)
Nun kann man die Höhe des Punktes 1 bestimmen, indem man zur Höhe von A die
Rücklesung addiert und die Vorlesung subtrahiert:
H1  H A  rück  vor

aus Kontrollgründen stellt man das Nivellier nochmals auf und liest die Werte in
umgekehrter Reihenfolge ab, d.h. man bestimmt die Höhe von A von Punkt 1 aus:
H A  H1  rück  vor
Als Ergebnis sollte natürlich wieder die Ausgangshöhe von A errechnet werden.
Messprotokoll:
Punkt
A
1
1
A
rück
2,704
vor
200,000 m
0,353
0,562
2,901
58
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Berechnung:
Man bildet zuerst die Summe aller Rück- und aller Vorlesungen:
 rück  2,704  0,562  3,266
 vor  0,353  2,901  3,254
Diese beiden Werte sollten 0 sein (der Höhenunterschied zwischen beiden Punkten
ändert sich ja nicht).
Der Gesamtfehler ergibt sich also aus der Differenz:
f   rück   vor  3,266  3,254  0,012 m
Dieser Gesamtfehler hat im Grunde keine Aussagekraft, da dieser Wert sehr groß
werden kann, je länger die Nivellierstrecke ist. Daher wird dieser Gesamtfehler durch
die Anzahl n der Nivellierstandpunkte dividiert und man erhält die Genauigkeit eines
Standpunktes:
fS 
f
0,012

 0,006 m
n
2
Nun kann die Höhe des Punktes 1 endgültig berechnet werden, indem man den
Standpunktfehler berücksichtigt:
H1  H A  r1  v1  f S  200,000  2,704  0,353  0,006  202,345 m
Kontrolliert wird die Berechnung durch die Bestimmung der Höhe von A vom Punkt 1
aus:
H A  H 1  r2  v2  f S  202,345  0,562  2,901  0,006  200,000 m
Natürlich können auch die Höhen von mehreren Punkten bestimmt werden, indem
man entlang einer Schleife von Punkt A ausgehend wieder dorthin zurückkehrt:
Die Messmethode und die Berechnung
bleiben dabei gleich:
Punkt
A
1
1
2
2
3
3
A

rück
0,615
vor
290,371 m
1,207
1,335
0,670
1,030
0,988
0,983
3,963
1,118
3,983
59
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
f  3,963  3,983   0,020 m
fS 
 0,020
  0,005 m
4
Berechnung der Höhen:
H1  H A  r1  v1  f S  290,371  0,615  1,207  ( 0,005)  289,784 m
H 2  289,784  1,335  0,670  0,005  290,454 m
H 3  290,454  1,030  0,988  0,005  290,501 m
Kontrolle: H A  290,501  0,983  1,118  0,005  290,371 m
6.3.3
Liniennivellement mit 2 Festpunkten
Diese Aufgabe unterscheidet sich von einer Nivellementschleife dadurch, dass nicht
auf den gleichen Höhenfestpunkt zurückgekehrt wird, sondern auf einen zweiten
Höhenfestpunkt abgeschlossen wird.
Bei der Berechnung des Fehlers f muss natürlich der Höhenunterschied zwischen
den beiden Festpunkten berücksichtigt werden:
f  H A  H B  
 rück   vor
Die Bestimmung der Höhen erfolgt genauso wie im vorigen Beispiel.
Aufgabe 12
gegeben ist folgendes Messprotokoll
Punkt
rück
vor
A
1,687
123,471 m
1
1,032
1
0,455
2
1,901
2
2,309
3
2,010
3
1,427
B
1,988
122,442 m
Berechne kontrolliert die Höhen der Punkte 1 bis 3.
60
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
6.3.4
Liniennivellement mit Seitpunkten
Beim Nivellement werden nicht nur Höhen benötigt, die durch Rück- und Vormessung
bestimmt werden, sondern es werden von einem Nivellierstandpunkt mehrere Höhen
eingemessen.
Es werden zu bestimmten (frei gewählten) Punkten Rück- und Vorlesungen
durchgeführt. Mit diesen Messungen wird der Gesamtfehler f und der
Standpunktsfehler fS bestimmt.
Anschließend werden zu diesen Punkten die Höhen berechnet.
Erst jetzt können die Höhen der restlichen Punkten (= Seitpunkte) bestimmt werden.
Im Messprotokoll wird für die Seitpunkte eine eigene Spalte geführt.
Punkt
A
1
1
2
3
4
2
5
6
5
B

rück
0,615
vor
seit
290,371 m
1,207
1,335
0,670
1,974
1,121
1,030
0,988
1,476
0,983
3,963
2,974
5,839
288,475 m
61
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Zuerst werden die Punkte 1, 2 und 5 bestimmt:
f  290,371  288,475  3,963  5,839  0,020 m
fS 
0,020
 0,005 m
4
H1  H A  r1  v1  f S  290,371  0,615  1,207  0,005  289,774 m
H 2  289,774  1,335  0,670  0,005  290,434 m
H 5  290,434  1,030  0,988  0,005  290,471m
Kontrolle: H B  290,471  0,983  2,974  0,005  288,475 m
Jetzt können auch die Seitpunkte höhenmäßig bestimmt werden:
Die Punkte 3 und 4 wurden innerhalb einer Rückvisur zu Punkt 1 gemessen, daher
wird auch die Höhe von 1 verwendet:
H 3  H1  r2  s3  289,774  1,335  1,974  289,035 m
H 4  H1  r2  s4  289,774  1,335  1,121  289,888 m
Punkt 6 wurde zur Rückvisur nach Punkt 2 gemessen, also wird hier die Höhen von
Punkt 2 verwendet:
H 6  H 2  r3  s6  290,434  1,030  1,476  289,988 m
6.3.5
Flächennivellement
Für manche Aufgaben ist es notwendig, viele Höhen in einem kleinen Gebiet schnell
zu bestimmen. Die einfachste Aufnahmemethode ist jene eines Flächennivellements.
Die Aufstellung erfolgt über einen
Punkt, von dem aus zu einem
(oder zwei) bekannten Punkten
eine Rücklesung erfolgt.
62
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Eine Kontrolle wie bei einem Liniennivellement ist hier nicht möglich. Trotzdem
können zumindest einige Punkte kontrolliert werden:


durch eine zweite Aufstellung werden ein paar ausgewählte Punkte nochmals
eingemessen
durch die Aufstellung eines zweiten Gerätes werden mehrere Punkte gleichzeitig
gemessen (= aufwändigeres Verfahren)
Ein detaillierter Lageplan, in dem die Höhen eingetragen werden, dient meist als
Grundlage für das Flächennivellement.
6.3.6
Höhenschichtenlinien
Höhenschichtenlinien sind Linien gleicher Höhe – entlang dieser Linie fließt also kein
Wasser. Diese Linien sind in der Natur nicht sichtbar.
Um die Umgebung eines geplanten Bauwerkes höhenmäßig darzustellen, ist es
notwendig, in einem Lageplan die Höhenschichtenlinien einzutragen. Bei starken
Neigungen kann die Eintragung der Schichtenlinien sogar von der Behörde
vorgeschrieben werden.
1. Schritt: Messung
Es werden Lagepunkte markiert (z.B. mit Farbspray), wobei die Lage dieser Punkte
normalerweise unerheblich ist. Sinnvoll ist allerdings eine Aufteilung der Punkte in
einem Raster. Die markierten Lagepunkte werden im Plan eingezeichnet und
höhenmäßig einnivelliert (mit einem Flächennivellement oder mit einem Tachymeter
über eine trigonometrische Höhenmessung).
63
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
2. Schritt: Interpolation
Jetzt werden ganze Höhenkoten bestimmt, indem man zwischen 2 bekannten Werten
den Längenunterschied Δl zu einem bekannten Höhenunterschied Δh bestimmt und
in der Karte einzeichnet (siehe auch Kapitel Steigung).
Als Beispiel werden jene 9 Höhenkoten links unten der Skizze verwendet.
Verwendet werden jene Koten, zwischen denen ein voller Linienwert – in unserem
Fall der Wert 110 m – liegen.
Daraus ergeben sich die Interpolationen zwischen:
109,91  111,02 

108,99  110,52 horizontal
109,85  111,47 
109,91  110,52
 vertikal
110,52  109,85
109,28  110,52
109,91  111,75 
 diagonal
108,04  110,52
109,85  111,75 
Als Beispiel dient hier die erste horizontale Interpolation:
h = 111,02 – 109,91 = 1,11 m
l = 3 m (= Rasterweite)
s
h 1,11

 0,37
l 3,00
Berechnung von Zwischenhöhen:
Δh = 110,00 – 109,91 = 0,09 m
l 
h 0,09

 0,24 m
s
0,37
= Ergänzung auf gesuchte Kote
= berechneter Längenabstand
64
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
3. Schritt: Eintrag in Karte
Der berechnete Längenabstand kann nun in der Karte (maßstabsbereinigt)
eingetragen werden. Wenn alle notwendigen Interpolationen berechnet wurden,
können die einzelnen Punkte miteinander verbunden und durch eine angenäherte
Kurvendarstellung gezeichnet werden.
6.3.7
Längs- und Querprofile
Die Profilaufnahmen sind eine Sonderform der bis jetzt besprochenen Verfahren,
wobei die Höhen nur in bestimmten Linienzügen aufgenommen werden.
Längsprofil:
Über vorgegebene Punkte (z.B. Achspunkte einer Straße) wird ein Liniennivellement
gelegt. Die Darstellung erfolgt in einem Maßstab, in dem die Höhen 10-fach überhöht
sind.
65
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Die Abstände der Stationierung sollten gleich bleiben, da in diesen Punkten auch
Querprofile gemessen werden. Die Entwurfshöhe bezieht sich auf den zukünftigen
Trassenverlauf, die Geländehöhe wird normalerweise im Höhenfestpunktnetz (derzeit
Adria) angegeben.
Werden neben den Höhen auch die Lage (x,y - Koordinaten) gemessen, kann ein
vollständiges 3D-Netz gezeichnet werden.
Querprofil:
Querprofile werden im Allgemeinen senkrecht zum Längsprofil aufgenommen, wobei
auch ein Flächennivellement als Aufnahmemethode herangezogen werden kann. Die
Darstellung der Höhen erfolgt nicht überhöht.
66
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
6.4
Genauigkeit eines Liniennivellements
Die Genauigkeit hängt von der Aufstellung und Justierung des Nivelliers, der verwendeten
Geräte und der Genauigkeit der Ablesung ab.
Prinzipiell sollte man mit dem Nivellier in der Mitte zweier Lattenstandpunkte stehen, da sich
dadurch auftretende Aufstellungsfehler eliminieren:
Fehler f tritt auf beiden Seiten auf – er
verschwindet bei der Differenzbildung
Fehler f ist unterschiedlich – nach der
Differenzbildung bleibt ein Restbetrag
f  f 2  f1 übrig.
Weiters soll die Latte vertikal gehalten werden. Schrägstellungen quer zur Visur können vom
Beobachter gesehen werden, in Visurrichtung aber nicht. Hier werden die Ablesungen
verfälscht.
Die Hin- und Rückvisur sollte annähernd auf einer Geraden liegen.
Abb.: falsche Messanordnung
Abb.: richtige Messanordnung
67
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
6.5
Prüfverfahren für Nivelliergeräte
6.5.1
Ziellinie
Die Strichplatte im Fernrohr beinhaltet das Fadenkreuz. Diese Platte kann zu hoch
oder zu niedrig eingestellt sein. Eine fehlerhafte Position kann zu großen Fehlern
führen.
In regelmäßigen Zeitabständen (alle 6 Monate) oder wenn der Nivellier starken
Erschütterungen ausgesetzt wurde, sollte ein Überprüfung der Ziellinie erfolgen.
Aufstellung 1 in der Mitte der Punkte A und B ergeben die Ablesungen a1 und b1,
wobei die Distanz zu A bzw. zu B 20 m beträgt.
Aufstellung 2 erfolgt 20 m über Punkt B hinaus. Hier werden die Ablesungen a2 und b2
durchgeführt.
Berechnung des doppelten Fehlers: 2 f  a2  b2   a1  b1 
Übersteigt der berechnete Fehler die gewünschte Genauigkeit, muss die SollAblesung berechnet werden. Das ist jene Ablesung, die man gemacht hätte, wenn
kein Fehler vorhanden wäre:
a  a2  4 f
b  b2  2 f
Nun muss mit einem passenden Schraubschlüssel die Ziellinie so eingestellt werden,
dass bei Lattenstandpunkt A der Wert a bzw. bei Lattenstandpunkt B der Wert b
abgelesen wird.
6.5.2
Dosenlibelle
Zuerst muss die Dosenlibelle genau eingespielt werden. Anschließend wird das
Fernrohr um 180° gedreht. Ist die Dosenlibelle nicht mehr eingespielt, muss mit Hilfe
von entsprechenden Schraubschlüsseln der halbe Fehler korrigiert werden (in 2
Richtungen).
Anschließend wird die Dosenlibelle wieder genau eingespielt und der Vorgang
wiederholt. Jetzt sollte kein Fehler mehr auftreten, ansonsten muss nochmals die
Libelle korrigiert werden.
68
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
7.
Lagemessung
7.1
Aufnahmeverfahren
7.1.1 Orthogonalverfahren
Bei einem Orthogonalverfahren werden alle Punkte rechtwinkelig in Bezug auf eine
Basislinie aufgenommen, wobei die Bezugslinie meist frei gewählt werden kann (=
lokales Koordinatensystem).
Dies kann mit Hilfe eines Winkelprismas, einem Maßband und Fluchtstangen
realisiert werden, wenn der zu messende Bereich eben und nicht zu großräumig ist.
Das Winkelprisma besteht aus einem geschliffenen Glaskörper mit parallelen Kanten
und dient zum Absetzen von festen Winkeln. Der einfallende Strahl wird durch das
Prisma so gebrochen, dass er im rechten Winkel abgelenkt wird.
69
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Winkelprismen besitzen 3 Fenster:
1. Fenster: Strahl wird nach links abgelenkt
2. Fenster: Strahl wird gar nicht abgelenkt (man sieht also geradeaus)
3. Fenster: Strahl wird nach rechts abgelenkt
Um die Hausecke H auf die Bezugslinie AB aufzuwinkeln, stellt sich der Beobachter
auf die Bezugslinie und bewegt sich so lange normal dazu hin und her, bis die beiden
Fluchtstangen in A und B in den beiden Fenstern des Winkelprismas sichtbar sind.
Jetzt bewegt er sich so lange entlang der Bezugslinie, bis auch die Hausecke H
sichtbar ist.
Wenn alle 3 Linien (2 Fluchtstangen und die Hausecke) übereinander liegen, hat man
den gesuchten Punkt gefunden.
Jetzt kann die Strecken von A aus entlang der Basislinie gemessen werden
(= x-Wert) und auch die Strecke vom abgesteckten Fluchtpunkt zur Hauskante
(= y-Wert).
70
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
7.1.2
Polaraufnahme
Für diese Methode wird ein Theodolit benötigt, der auf einem koordinativ bekannten
Punkt aufgestellt wird. Für die Orientierung wird ein zweiter bekannter Punkt
verwendet (siehe Koordinatenrechnung).
Die Detailpunkte können mit Hilfe der 1. Hauptaufgabe bestimmt werden, indem zu
jedem neuen Punkt die Richtung r (Horizontalwinkel) und die Strecke s
(Horizontalstrecke) gemessen werden.
7.1.3
Polygonzug
Bei größeren Vermessungsarbeiten ist es oft zweckmäßig, einen Polygonzug um das
Aufnahmegebiet zu legen. Von jedem Polygonpunkt können dann Detailpunkte
bestimmt werden.
Man hat also die Möglichkeit, mehrere Bezugslinien innerhalb eines
Koordinatensystems zu verwenden.
Gemessen werden die Strecken zwischen den Polygonpunkten sowie die Richtungen
zu zwei Punkten, woraus sich der Brechungswinkel ergibt.
Beidseitig angeschlossener Polygonzug
Er stellt den Normalfall dar und sollte wegen Genauigkeitsgründen immer verwendet
werden. Gegeben sind die Koordinaten von Anfangs- und Endpunkt mit mindestens
einem zugehörenden Fernziel. Dadurch ist es möglich, am Anfang und am Ende des
Zuges eine Orientierung zu rechnen und die wegen der Überbestimmung
auftretenden Fehler auszugleichen (= nach bestimmten Regeln aufzuteilen).
71
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Auf einer Baustelle könnte der Polygonzug folgendermaßen aussehen, wenn die
Basislinie mit den Punkten 1 und 2 bereits vorhanden sind (= lokales
Koordinatensystem).
Durch diese Art können neue Punkte kontrolliert bestimmt werden, da Fehler
berechnet werden können. Weiters kann von unterschiedlichen Punkten aus sofort
abgesteckt werden, man hat also mehrere Referenzlinien zur Auswahl.
Bei Grundstücksangelegenheiten müssen diese Fehler angegeben und am Plan
verzeichnet werden.
Einseitig angeschlossener Polygonzug
Hier sind zwar Anfangs- und Endpunkt gegeben, aber nur ein bekanntes Fernziel
vorhanden. Da nur einmal die Orientierung bestimmt werden kann, ist eine Aufteilung
der Winkelfehler nicht möglich.
72
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Fliegender Polygonzug
Dieser Zug ist am Anfang lage- und richtungsmäßig angeschlossen, am Ende fehlt
jedoch ein Punkt mit bekannten Koordinaten. Diese Methode verlangt einen
besonders genauen und sorgfältigen Messvorgang, da man die Fehler nicht
ausgleichen kann.
Weder an- noch abgeschlossener Polygonzug
Anfangs- und Endpunkt haben zwar bekannte Koordinaten, es können aber keine
Richtungen zu Fernzielen gemessen werden. Eine lagemäßige Fehleraufteilung ist
zwar möglich, trotzdem tritt dieser Fall in der Praxis sehr selten auf.
73
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Geschlossener Polygonzug
Der geschlossene Polygonzug führt wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück. Kann
in diesem Punkt ein Fernziel beobachtet werden, lässt sich dieser Polygonzug wie ein
an- und abgeschlossener Zug rechnen.
Gibt es kein Fernziel, so wird dieser Zug in ein lokales Koordinatensystem gelegt und
längen- sowie winkelmäßig ausgeglichen.
7.2
Zwangszentrierung
Der Polygonzug spielt in der Vermessung eine herausragende Rolle; da damit die
Koordinaten von Punkten kontrolliert bestimmt werden können, die zur Aufnahme oder
Absteckung dienen. Bei der Auswahl der Punkte ist unbedingt zu beachten, dass keine
Sichthindernisse auftreten.
Um eine Genauigkeitssteigerung zu erzielen, wird anstatt einer Lotstange mit Prisma ein
weiteres Stativ mit Untersatz und Prisma verwendet, das mit Hilfe des optischen Lotes
zentriert wird.
Nach der Messung wird der Theodolit mit dem Prisma vertauscht, wobei das Stativ mit dem
Untersatz stehen bleibt.
Diese Methode wird Zwangszentrierung genannt.
Wenn sehr hohe Genauigkeitsansprüche erforderlich sind, werden anstatt der Stative
Betonsockel mit eingelassenem Gewinde hergestellt, auf dem ein Theodolit befestigt werden
kann. Dies hat zusätzlich den Vorteil, dass man bei Nachmessungen immer wieder die
gleichen Punkte verwenden kann und die zu erwartenden Messergebnisse bereits vorher
kennt.
74
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
7.3
Spezielle Aufgaben der Lagemessung
7.3.1 Vorwärtseinschneiden
Einfacher Vorwärtsschnitt
Gemessen:
Richtung von A nach B und 1
Richtung von B nach A und 1
Strecke von A nach B
Gesucht:
Koordinaten von N

2. Hauptaufgabe:
 y  yB  y A
 x  xB  x A
  t AN  t AB
  t BA  t BN
s AB  sin 
sin 

Sinussatz:
sA 

Koordinaten:
y N  y A  s A  sin 

Kontrolle:
y N  y B  s B  sin200   
Aufgabe 13
gegeben:
gemessen :
Punkt A
Punkt B
von
A
A
B
B
sB 
  200    
s AB  sin 
sin 
x N  x A  s A  cos 
y = 328,76 m
y = 925,04 m
nach
N
B
N
A
s AB   y 2   x 2
x = 1207,85 m
x = 954,33 m
t
371,9726
317,4753
87,5253
116,4553
75
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Doppelter Vorwärtsschnitt
Gemessen:
Richtungen von A nach B, P und Q
Richtungen von B nach A, P und Q
Strecke zwischen A und B
Gesucht: Strecke e zwischen P und Q
 Winkelsumme:
  200    
 Sinussatz:
b
 Cosinussatz:
e 2  b 2  c 2  2  b  c  cos(   )
a  sin 
sin 
  200    
c
a  sin 
sin
Kontrolle über die Seiten b1 und c1.
Die Koordinaten können ebenfalls bestimmt werden, wenn die Strecke AB als
Bezugslinie definiert ist (lokales Koordinatensystem).
y P  y B  b1  sin 
yQ  y B  c  sin 
x P  x B  b1  cos 
xQ  x B  c  cos 
Aufgabe 14
gegeben:
α = 126,8519 g
γ = 118,8333 g
a = 245,00 m
β = 126,8519 g
δ = 41,3333 g
76
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
7.3.2
Bogenschnitt
Gegeben:
Koordinaten von 1 und 2
Gemessen:
Strecke von 1 nach N
Strecke von 2 nach N
Der Bogenschnitt ist der Schnitt zweier Kreise. Eine ungünstige Situation liegt vor,
wenn sich die Kreise schleifend schneiden, wenn also N nahezu auf der geradlinigen
Verbindung AB liegt.

2. Hauptaufgabe:
y  y 2  y1
x  x2  x1
s1, 2  y 2  x 2
r1, 2  arctan
y
x
r2,1  r1, 2  200 g

cos  
Winkel α:
cos  
s12  s12, 2  s 22
2  s1  s1, 2
s 22  s12, 2  s12
 α

Winkel β:

Richtungswinkel:
r1, N  r1, 2  
r2, N  r2,1  

Koordinaten:
x N  x1  s1  cos r1, N
y N  y1  s1  sin r1, N

Kontrolle:
x N  x2  s2  cos r2, N
y N  y 2  s2  sin r2, N
Aufgabe 15
gegeben:
2  s 2  s1, 2
 β
P1 :
y = 328,76 m
P2 :
y = 925,04 m
s1 = 294,33 m
x = 1207,85 m
x = 954,33 m
s2 =506,42 m
77
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
7.3.3
Geradenschnitt
Gegeben:
Koordinaten der Punkte 1 bis 4
Gesucht:
Koordinaten von N

2. Hauptaufgabe zwischen 1 und 3
y  y3  y1

x  x3  x1
y
x
2. Hauptaufgabe zwischen 1 und 2
y  y 2  y1

r1,3  arctan
x  x2  x1
r1, 2  arctan
y
x
r2, 4  arctan
y
x
s1, 2  y 2  x 2
2. Hauptaufgabe zwischen 2und 4
y  y 4  y 2
x  x4  x2
  r1, 2  r1,3
  r2, 4  r2,1

Winkel α , β:
r2,1  r1, 2  200 g

Seiten
a

Koordinaten
y N  y1  b  sin r1,3
x N  x1  b  cos r1,3

Kontrolle
y N  y 2  a  sin r2, 4
x N  x2  a  cos r2, 4
Aufgabe 16
gegeben:
s1, 2  sin 
b
sin 
P1 :
P2 :
P3 :
P4 :
s1, 2  sin 
y = 38,29 m
y = 101,17 m
y = 120,04 m
y = 40,88 m
sin 
x = 12,09 m
x = 1,01 m
x = 88,16 m
x = 95,15 m
78
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
7.3.4
Freie Stationierung
Gegeben:
Koordinaten der Punkte 1 und 2
Gemessen:
Richtungen und Seiten von S nach 1 und 2
Gesucht:
Koordinaten von Standpunkt S

Berechnung der Strecke s1,2 aus Koordinaten
y  y 2  y1

s1, 2  y 2  x 2
x  x2  x1
Berechnung der Strecke s1,2 aus gemessenen Werten (Cosinussatz)
s1, 2  s1  s 2  2  s1  s 2  cos 
2
2
s1, 2

Maßstabsfaktor bestimmen

Richtungswinkel zwischen 1 und 2 bestimmen
r1, 2  arctan

y
x
m
s1, 2
r2,1  r1, 2  200 g
Winkel α und β berechnen (Sinussatz)
sin  
s 2  sin 
s1, 2
sin  
s1  sin 
s1, 2

Richtungswinkel zu Standpunkt bestimmen

Koordinaten von Standpunkt S
r1,S  r1, 2  
Aufgabe 17
r2,S  r1, 2  200  
y S  y1  m  s1  sin r1,S
xS  x1  m  s1  cos r1,S
y S  y 2  m  s2  sin r2,S
xS  x2  m  s2  cos r2,S (Kontrolle)
Punkt
1
2
y
38,29
101,17
x
72,09
51,01
von
S
S
nach
1
2
t
121,387
186,486
s
63,04
71,63
79
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
7.4
Genauigkeit der Lagemessung
7.4.1
Orthogonalverfahren
Mit Hilfe von Winkelprisma und Maßband kann ein gutes Ergebnis mit einer
Genauigkeit von 1-2 cm erzielt werden, wenn das Gelände eben und die Abstände
nicht zu weit sind.
Für grobe Absteckungsarbeiten sowie für die Flächenbestimmung ist dieses
Verfahren hervorragend geeignet.
Leider muss dabei das Gelände ziemlich eben sein und die einzelnen Abstände
dürfen nicht zu groß sein, da man sonst die Fluchtstangen nicht mehr erkennen kann.
7.4.2
Polarverfahren
Mit Hilfe von Theodolit und elektrooptischen Distanzmesser ist es die schnellste
Methode mit einer Genauigkeit von 1-2 mm.
Bei Verwendung einer Zwangszentrierung und einer Winkelmessung in 2 Lagen kann
eine Genauigkeit auf unter 1 mm gedrückt werden.
80
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
8.
Flächenrechnung
8.1
Flächenrechnung mit Maßzahlen
Dieses Verfahren bietet sich an, wenn die zu bestimmende Fläche in Dreiecke oder Trapeze
zerlegt werden kann und ihre Seitenlängen gemessen wurden.
Verwendet man ein lokales Koordinatensystem mit Hilfe eines Orthogonalverfahren, kann die
Gesamtfläche in Teilflächen unterteilt werden, wobei 3 Fälle unterschieden werden:
Dreieck
2F  x  y
Trapez
2 F   y1  y 2   x
verschränktes Trapez
Dieser Fall tritt ein, wenn nur der Anfangspunkt auf der
Basislinie liegt, die andere Seite jedoch die Basislinie
schneidet.
Wird ein Trapez auf der rechten Seite addiert, wird ein
kleines Dreieck zuviel hinzugerechnet.
Andererseits fehlt auf der linken Seite ein Dreieck.
Diese beiden Dreiecksflächen (eine addieren, eine
subtrahieren) können mit Hilfe nachstehender Formel auf
einmal berücksichtigt werden:
2 F  ( y 2  y1 )  x
Es wird genau jener y-Wert subtrahiert, dessen Dreiecksfläche weggenommen werden
muss.
81
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Achtung:
Das Ergebnis kann auch negativ sein (wenn das abzuziehende Dreieck größer als das zu
addierende Dreieck ist).
Anmerkung:
In der Praxis wird man von jeder Teilfläche die doppelte Fläche bestimmen, am Ende alle
Teilflächen addieren und das Ergebnis halbieren. Dadurch spart man sich die Divisionen
durch 2 und erhält eine Genauigkeitssteigerung auf Grund von Rundungsfehlern.
Aufgabe 18
gegeben:
gesucht:
Hinweis:
Skizze mit eingetragenen Maßzahlen
Die Fläche zwischen den Punkten 1 und 6
Die Maßzahlen entlang der Basislinie sind Laufmaße.
82
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
8.2
Flächenrechnung mit Koordinaten
Liegen bereits Koordinaten der einzelnen Flächenpunkte vor, kann sofort deren Fläche
bestimmt werden:
2 F   xi  xi 1    yi  yi 1 
Aufgabe 19
Punkt
gegeben:
gesucht:
Skizze mit eingetragenen Koordinaten
Die Fläche zwischen den Punkten 1 und 6
x
y
1
0,00
0,00
2
7,97
- 15,27
3
47,03
- 26,52
4
73,58
14,52
5
58,11
27,91
6
23,39
20,89
1
0,00
0,00
xi  xi 1
yi  yi 1
2F
Summe 2F
Summe F
Info: Falls der Wert 2F negativ ist, muss der Betrag davon genommen werden.
83
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
8.3
Flächenrechnung mit Winkeln und Seiten
Mit Hilfe eines Theodoliten bzw. Nivellier können Horizontalwinkeln abgelesen werden.
Damit kann auch eine Fläche bestimmt werden, indem die Gesamtfläche in einzelne
Dreiecke zerlegt werden.
Mann stellt sich ungefähr in der Mitte der zu
berechnenden Fläche auf, visiert jeden
Kantenpunkt an und notiert eine
Winkelablesung und misst die Seite.
Danach kann für jedes Dreieck eine Fläche
bestimmt werden:
F 
Aufgabe 20
gegeben:
gesucht:
1
 s1  s 2  sin 
2
Skizze und Messprotokoll mit allen gemessenen Seiten
und Winkeln
Die Fläche zwischen den Punkten 1 und 6
Punkt
1
s
38,54
2
36,91
3
26,07

2F
10,653
120,514
47,813
4
39,27
5
26,91
23,333
158,191
6
28,91
1
38,54
39,496
Summe 2F
Summe F
84
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
9.
Massenbestimmung
Normalerweise wird man bei der Massenbestimmung auf regelmäßige Körper zurückgreifen
und damit näherungsweise die Kubatur bestimmen. Mit ein wenig Erfahrung wird diese Art
gut funktionieren.
Hat man aber eine sehr unregelmäßige Struktur zu bestimmen, wird man mit regelmäßigen
Körpern nicht mehr weiterkommen.
In diesem Fall legt man sich einen Raster über das Gebiet, indem man mit Farbe deren
Rasterpunkte markiert. Die Abstände des Rasters sind entsprechend zu wählen und können
innerhalb des Rasters variieren.
Anschließend werden die Rasterpunkte einnivelliert - die Rasterweite ist individuell festgelegt
und variiert:
H1 = 101,17
H2 = 101,34
H3 = 102,00
H4 = 101,87
H5 = 107,31
H6 = 108,00
H7 = 107,87
H8 = 107,33
H9 = 106,27
H10 = 107,51
H11 = 106,99
H12 = 107,45
H13 = 105,87
H14 = 105,01
H15 = 106,04
H16 = 105,69
H17 = 100,31
H18 = 100,07
H19 = 100,91
H20 = 101,03
85
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Jetzt werden die einzelnen Quader volumsmäßig bestimmt, indem man den Mittelwert der 4
Höhenwerte verwendet.
Es soll dabei das Volumen über 100 m über Adria bestimmt werden.
Quader A:
H A  H1  H 2  H 5  H 6
V A  H A  10  4
Dies wird für alle Quader berechnet und am Ende werden alle Teil-Massen addiert.
Anmerkung:
Wenn man einfach alle Höhen mittelt und dies mit der Gesamtlänge und der Gesamtbreite
multipliziert, erhält man eine viel zu große Kubatur.
Auswahl des Rasters:
Entlang von Linien, die sich in der Steigung nicht ändern, benötigt maan keine
Rastergrenzen. Sie sind nur dort relevant, wo starke Änderungen (Böschungskanten)
vorhanden sind.
Aufgabe 21
gegeben:
gesucht:
Skizze mit gegebenen Höhenpunkten
Jene Masse, die über 100 m ü.A. liegt
86
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
10.
Kataster
10.1 Entstehung und Aufgabe
Ursprünglich wurde der Kataster zur Besteuerung von Grund und Boden von Maria Theresia
eingeführt. Im Laufe der Zeit hat sich die Aufgabe geändert – heutzutage ist die Sicherung
des Grundeigentums zentraler Punkt.
Die Führung des Katasters obliegt den einzelnen Vermessungsämtern, die bestimmte
Katastralgemeinden verwalten.
10.2 Bestandteile des Katasters
Der Kataster besteht aus dem technischen Operat und dem Grundstücksverzeichnis, das
wiederum mit dem Grundbuch gekoppelt ist.
Technisches Operat
1. alle technischen Unterlagen zur Lagebestimmung der Festpunkte und der Grenzen der
Grundstücke, d.h. alle Punkte des Festpunktfeldes der Landesvermessung und das
Koordinatenverzeichnis über alle Grenzpunkte im Landeskoordinatensystem
2. alle technischen Unterlagen für die Ersichtlichmachungen (= Abgrenzung der
verschiedenen Benützungsabschnitte, Flächeninhalte, dieser Benützungsabschnitte, …).
Sie sind nur in graphischer Genauigkeit gegeben.
3. die Katastralmappe (= Plan der Grundstücke inkl. Ihren Benützungsarten, Riednamen,
Straßennamen, …)
Grundstücksverzeichnis
Enthält die Grundstücksnummer, Benützungsarten, Gesamtflächenausmaß, Einlagezahl des
Grundbuches (EZ), Blattnummer der Katastralmappe, Widmung, Veränderungshinweise
(geben Aufschluss über Grundbuchsbeschlüsse) sowie Eintragungen des Grundbuches über
den Eigentümer.
10.3 Grundsteuerkataster
Er dient lediglich zur Veranschaulichung der Grundstückslage – ohne Rechtskraft der
Grundgrenzen. Im Zweifelsfall wird allerdings die Lage als tatsächliche Grenze
herangezogen.
Die Genauigkeit der Grundsteuerkatasters beträgt rund  5 cm , in Sonderfällen sogar
darüber.
87
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
10.4 Grenzkataster
Seine eingetragenen Grundgrenzen sind über Koordinaten festgelegt und rechtsgültig. Es
kann zu keinen Grenzstreitigkeiten führen, da die Grenze jederzeit wiederhergestellt werden
kann. Eine Ersitzung ist ebenfalls nicht möglich.
Um ein Grundstück in den Grenzkataster zu bringen, ist eine Grenzverhandlung mit allen
betroffenen Grundeigentümern notwendig, die die einzelnen Grenzpunkte festlegen und
dafür ihre Zustimmungserklärung abgeben. Die vereinbarten Grenzpunkte werden vom
Geometer am selben Tag koordinativ festgelegt und an das Festpunktfeld angeschlossen.
Ein Grundstück im Grenzkataster ist ersichtlich, indem im Kataster die Grundstücksnummern
strichliert unterstrichen sind bzw. im Grundbuch ein "G" vor der Grundstücksnummer
vorangestellt wird.
88
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
11.
Spezielle Kapitel der Bauordnung
11.1 Niederösterreich
Zuständigkeit (§2)
Die Baubehörde in 1. Instanz ist der Bürgermeister (der Magistrat), in 2. Instanz der
Gemeinderat (Stadtsenat).
Erstreckt sich ein Bauwerk auf das Gebiet mehrerer Gemeinden, ist Baubehörde 1.
Instanz die Bezirkshauptmannschaft und in 2. Instanz die Landesregierung.
Bei bundeseigenen, öffentlichen Zwecken dienenden Gebäuden ist Baubehörde 1.
Instanz die Bezirkshauptmannschaft (Magistrat) und in 2. Instanz der Landeshauptmann.
Fluchtlinien
 Baufluchtlinie
 Straßenfluchtlinie
Abgrenzung innerhalb eines Grundstückes, über die
grundsätzlich nicht hinausgebaut werden darf.
Grenze zwischen öffentlichen Verkehrsflächen und anderen
Grundflächen
Bauklassen (§70)
Die Bebauungshöhe ist in 9 Bauklassen unterteilt:
Bauklasse I
Bauklasse II
Bauklasse III
Bauklasse IV
Bauklasse V
Bauklasse VI
Bauklasse VII
Bauklasse VIII
Bauklasse IX
bis 5 m
5–8m
8 – 11 m
11 – 14 m
14 – 17 m
17 – 20 m
20 – 23 m
23 – 25 m
über 25 m
Höhe der Bauwerke (§53)
Die Gebäudehöhe ist nach der mittleren Höhe der Gebäudefront zu bemessen. Für
Gebäude oder Gebäudeteile mit versetzten Außenwandteilen ist die Gebäudehöhe für
jeden Wandteil einzeln zu ermitteln.
Die Gebäudefront wird nach unten, bei Gebäudefronten an der Straßenfluchtlinie durch
den Verschnitt mit dem Straßenniveau in dieser Linie, ansonsten mit der bestehenden
oder bewilligten Höhenlage des Geländes und nach oben durch den Verschnitt mit der
Dachhaut oder mit dem oberen Abschluss der Gebäudefront begrenzt.
Bei der Ermittlung der Gebäudehöhe ist eine Gebäudefront gegen eine Verkehrsfläche
ab einer Frontlänge von 30 m und einem Niveauunterschied von 3 m vom höchsten
Niveau aus beginnend in Frontabschnitte mit höchstens 3 m Niveauunterschied zu
unterteilen. Die Gebäudehöhe ist dann für jeden Frontabschnitt gesondert zu berechnen.
89
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Bauwich (§50)
Unter Bauwich versteht man den vorgeschriebenen Mindestabstand eines Gebäudes zu
den Grundstücksgrenzen (seitlicher und hinterer Bauwich) oder zur Straßenfluchtlinie
(vorderer Bauwich).
Der seitliche Bauwich beträgt die halbe Gebäudehöhe, mindestens aber 3 m.
Vorbauten (§52)
Unter bestimmten Umständen darf über die Grundstücksgrenze hinaus überbaut werden,
die als so genannte Vorbauten genau definiert sind:










Keller, Grundmauern und Fundamente bis 20 cm
Gebäudesockel bis 20 cm und bis zu einer Höhe von 2 m
Stufen innerhalb des Sockelvorsprunges
zu Bauwerk gehörenden Ver- und Entsorgungsleitungen
Licht-, Luft- und Putzschächte sowie Einbringöffnungen bis 1 m
vorstehende Bauteile, die der Gliederung und Gestaltung der Schauseiten, der
Anbringung von vorgehängten Fassaden sowie Heizungs- und Klimaanlagen dienen,
bis 15 cm
Wärmeschutzverkleidungen bis 10 cm
Hauptgesimse und Dachvorsprünge bis 1 m
Balkone, Erker, Sonnenblenden (Markisen) und Schutzdächer bis 1,50 m
(wenn ihre Länge höchstens ein Drittel der Gebäudefront und ihr Abstand von
Nachbargrundstücksgrenzen mindestens 3 m beträgt)
Werbezeichen bis 1,50 m
Grundabtretung für Verkehrsflächen (§12)
Die Eigentümer sind verpflichtet, Grundflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien
liegen und nicht mit dem Gebäudeteil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde
abzutreten, wenn


die Änderungen von Grundstücksgrenzen oder die Herstellung von Einfriedungen
angezeigt wird
eine Baubewilligung im Bauland
 für einen Neu- oder Zubau eines Gebäudes
 für die Herstellung einer Einfriedung gegen öffentliche Verkehrsflächen
 für die Herstellung einer Abstellanlage für Kraftfahrzeuge
auf bisher unbebauten Grundstücken erteilt wird.
Sie ist frei von in Geld ablösbaren Lasten und geräumt von baulichen Anlagen, Gehölzen
und Materialien zu übergeben. Die grundbücherliche Durchführung ist von dem zur
Grundabtretung verpflichteten Eigentümer zu veranlassen.
Es gibt keine Entschädigung, wenn


an beiden Seiten der Verkehrsfläche Bauland angrenzt bis zur Mitte der
Verkehrsfläche, höchstens aber 7 m
nur an einer Seite Bauland angrenzt bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche,
höchstens 14 m
90
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Entschädigung gibt es, wenn über oben genanntes Ausmaß abzutreten ist oder wenn
eine Straßenfluchtlinie neu festgelegt und zuvor schon im vollen, damals gesetzmäßigen
Ausmaß für dieselbe Verkehrsfläche abgetreten wurde, nunmehr zusätzlich abzutreten
ist.
Grenzverlegung (§13)
Wenn zwei Gebäude an einer Grundstücksgrenze eine gemeinsame Wand aufweisen
und eines dieser Gebäude abgebrochen wird, hat die Baubehörde die Verlegung der
Grundstücksgrenze zwischen den beiden Gebäuden zu verfügen.
Die bisher gemeinsame Wand muss damit zur Gänze zu dem bestehen bleibenden
Gebäude gehören. Dafür ist eine Entschädigung zu leisten.
11.2 Wien
Fluchtlinien (§5)

Baulinien
das sind die Grenzen der im Bauland gelegenen öffentlichen Verkehrsflächen (Wege,
Gassen, Straßen und Plätze) gegen alle übrigen Grundflächen des anliegenden
Baulandes

Straßenfluchtlinien
das sind die Grenzen der im Grünland oder Sondergebiet gelegenen öffentlichen
Verkehrsflächen gegen alle übrigen Grundflächen des anliegenden Grünlandes oder
Sondergebietes

Verkehrsfluchtlinien
das sind die Grenzen des Verkehrsverbandes gegen alle übrigen Widmungsgebiete
oder die Grenzen von öffentlichen Verkehrsflächen im Bauland, Grünland oder in
Sondergebieten, an die die Rechte und Pflichten aus den Baulinien und
Straßenfluchtlinien nicht geknüpft sind

Grenzfluchtlinien
das sind die Grenzen zwischen den Grundflächen für öffentliche Zwecke einerseits
und allen anderen Grundflächen andererseits, soweit diese Grenzen nicht als
Baulinien, Straßenfluchtlinien oder Verkehrsfluchtlinien bezeichnet sind

Baufluchtlinien
das sind die Grenzen, über die mit einem Gebäude oder Gebäudeteil mit Ausnahme
der zulässigen Vorbauten nicht vorgerückt werden darf

Grenzlinien
das sind die Grenzen zwischen verschiedenen Widmungsgebieten oder zwischen
Grundflächen desselben Widmungsgebietes mit unterschiedlicher Bebauungs- oder
Nutzungsbestimmungen, soweit diese Grenze nicht mit einer anderen Fluchtlinie
zusammenfallen
91
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Bauklassen (§75)
Die Bebauungshöhe ist in 6 Bauklassen unterteilt:
Bauklasse I
Bauklasse II
Bauklasse III
Bauklasse IV
Bauklasse V
Bauklasse VI
2,5 - 9 m
2,5 – 12 m
9 – 16 m
12 – 21 m
16 – 26 m
über 26 m
In Bauklasse VI hat der Bebauungsplan die einzuhaltenden Gebäudehöhen innerhalb
von zwei Grenzmaßen festzusetzen.
Die tatsächliche zulässige Gebäudehöhe kann durch vorgegebene Fluchtlinien noch
beschränkt werden.
Gebäudehöhe und Gebäudeumrisse (§81)
Bei Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie gilt bis zu einer
Gebäudetiefe von 15 m als Gebäudehöhe der lotrechte Abstand von der festgesetzten
Höhenlage der Verkehrsfläche bis zur obersten Schnittlinie der zulässigen
Außenwandfläche der Straßenfront mit der Oberfläche des Daches. Zur Straßenfront
gerichtete Giebelflächen zählen bei der Ermittlung der Gebäudehöhe mit.
Bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der
Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen
Fluchtlinien gelegenen Gebäuden darf die Summe der Flächeninhalte aller
Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller
Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein.
Ist im Bebauungsplan die Gebäudehöhe als absolute Höhe über Wiener Null festgesetzt,
darf keine oberste Schnittlinie einer Außenwandfläche mit der Oberfläche des Daches
über dieser absoluten Höhe liegen. Die der Dachform entsprechenden Giebelflächen
bleiben außer Betracht, und der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als
7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes
bestimmt.
Vorbauten (§83)
Bauteile vor der Baulinie oder Straßenfluchtlinie






Keller- und Grundmauern bis 20 cm
Gebäudesockel bis 20 cm (bis einer maximalen Höhe von 2 m)
Schauseitenverkleidungen bis 7 cm
vorstehende Bauelemente zur architektonischen Ausgestaltung der Schauseiten bis
15 cm
Hauptgesimse und Dachvorsprünge bis 1 m
die dem Gebäude dienenden Zu- und Ableitungen
92
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen (§9)
Die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen ist in folgenden Fällen zu beantragen:



für jeden Neu-, Zu- oder Umbau sowie bei Herstellung einer fundierten Einfriedung im
Bereich einer Baulinie, Straßenfluchtlinie, Verkehrsfluchtlinie oder Grenzfluchtlinie
bei bewilligungspflichtigen Grundabteilungen
bei Umlegungen und Grenzberichtigungen
Dem Antrag ist ein Lage- und Höhenplan in zwei Gleichstücken anzuschließen. Dieser
Plan muss die betroffenen Grundstücke und die anrainenden Grundstücke soweit
darstellen, dass die planlich richtige Eintragung der Fluchtlinien und Höhenlagen
zusammen mit den übrigen Bebauungsbestimmungen möglich ist. Die Höhen müssen
von im Höhenfestpunktverzeichnis der Stadt Wien enthaltenen Festpunkten abgeleitet
sein.
Erkennt die Behörde, dass die Grundstücke selbständig bebaut werden können und eine
Änderung der Grenzen der anrainenden Grundstücke nach den Bestimmungen dieses
Gesetzes nicht notwendig ist, sind die Bebauungsbestimmungen ohne weiteres
Verfahren bekannt zu geben.
In allen anderen Fällen hat die Behörde unter Beiziehung des Antragstellers, aller
Miteigentümer und der Anrainer eine mündliche Verhandlung durchzuführen und einen
Vorschlag über etwa einzubeziehende oder abzutretende Grundflächen zu erstatten.
Die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen gilt auf die Dauer eines Jahres
Grundabtretungen zu Verkehrsflächen bei Abteilungen im Bauland (§17)
Bei Abteilungen einer Grundfläche auf Bauplätzen, Baulosen oder Teile von solchen sind
die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen
 bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsflächen
 bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche
in beiden Fällen aber nur bis zu 20 m, senkrecht zur Baulinie und von dieser aus
gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung satz- und lastenfrei in
das öffentliche Gut zu übertragen.
Bei Bruchpunkten und bei Eckbildungen erstrecken sich diese Verpflichtungen auch auf
die zwischen den Senkrechten gelegenen Grundflächen
Enteignungen (§38)
Eine Enteignung ist nur dann zulässig, wenn der Enteignungsgegner die Einräumung der
angestrebten Rechte ablehnt oder dafür ein offenbar übermäßiges Entgelt fordert oder
wenn er nicht in der Lage ist, die Ausübung der angestrebten Rechte zu gewährleisten.
Die Nichtäußerung zu einem gestellten Anbot gilt als Ablehnung.
Eine Enteignung ist zulässig
 zur Herstellung von Verkehrsflächen und zur Anlage öffentlicher
Aufschließungsleitungen
 zur Ausführung von Bauvorhaben oder Anlagen auf Grundflächen für öffentliche
Zwecke
93
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE



zur Erhaltung, Ausgestaltung oder Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit des
Wald- und Wiesengürtels
zur Vermeidung des Zurückbleibens von nach den Bebauungs-bestimmungen
selbständig nicht bebaubaren Grundflächen im Bauland
zur bauordnungsgemäßen Bebauung von Liegenschaften
Ist die Grundfläche, die zum Zweck der Ergänzung einer nach den Bestimmungen des
Bebauungsplanes selbständig nicht bebaubaren Grundfläche enteignet werden soll, die
wertvollere, so hat der Eigentümer dieser Grundfläche das Recht, die Enteignung seiner
Grundfläche dadurch abzuwehren, dass er die Enteignung der weniger wertvollen
Grundfläche zu seinen Gunsten beantragt. Bei gleichem Wert hat derjenige den Vorzug,
der zuerst den Antrag gestellt hat.
94
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
A.
Auszug aus der Koordinatendatenbank
Hergestellt mit Medix 3
Abfragedatum: 02.08.2007 12:22:09
AUSZUG AUS DER KOORDINATENDATENBANK (GP) *** via DKM ***
BEZUGSMERIDIAN:
31
KATASTRALGEMEINDE: 46115 Gobrechtsham
GRENZKATASTER:
TNA
VERMESSUNGSAMT: Ried im Innkreis
*************************************************************************** 2007-08-02
EINGABE: Y ( +7 900/ +8 300) X (337 900/338 400)
***************************************************************************************
PUNKT
Y
X
IND
VHW/GZ
A/GZ P
71
+7 922.90
337 941.06
8/53
72
+7 905.80
337 942.41
8/53
75
+7 909.28
337 994.06
8/53
839
+8 273.14
337 903.10
5/94
842
+8 272.57
337 903.15
5/94
2006
+7 957.32
337 973.91
10/72
2007
+7 977.13
337 970.21
10/72
2192
+7 902.64
338 374.80
6/82
2193
+7 931.24
338 352.40
6/82
2194
+7 940.83
338 342.35
6/82
2195
+7 954.89
338 325.77
6/82
2196
+7 966.04
338 311.21
6/82
2197
+7.976.98
338 303.08
6/82
2198
+7 987.25
338 300.95
6/82
2199
+8 005.10
338 302.42
6/82
2200
+8 028.17
338 311.13
6/82
2201
+8 048.47
338 321.01
6/82
2202
+8 066.68
338 326.49
6/82
2209
+7 902.53
338 254.89
G
1/02
2210
+7 929.28
338 224.98
G
1/02
2211
+7 959.82
338 208.75
G
1/02
2212
+7 983.01
338 194.33
G
1/02
2213
+7 994.09
338 214.45
6/82
2214
+8 001.39
338 187.72
G
1/02
2215
+8 044.28
338 180.86
G
1/02
2216
+8 003.63
338 256.49
6/82
2217
+7 996.99
338 301.75
6/82
2218
+7 987.86
338 303.89
6/82
2219
+7 979.45
338 321.76
6/82
2220
+8 165.16
338 283.62
6/82
2221
+8 151.64
338 279.80
6/82
2222
+8 121.36
338 280.48
6/82
2223
+8 121.51
338 244.79
6/82
2224
+8 064.81
338 187.67
6/82
2225
+8 075.50
338 202.18
6/82
2226
+7 997.07
338 301.20
6/82
4690
+7 941.28
337 919.63
8/53
4691
+7 946.74
337 913.29
8/53
4699
+7 904.81
338 376.87
1/62
4700
+7 933.65
338 354.80
1/62
4701
+7 943.45
338 344.96
1/62
4702
+7 957.27
338 327.59
1/62
4703
+7 968.42
338 313.03
1/62
4704
+7 977.59
338 306.02
1/62
4706
+7 975.57
338 376.01
1/62
4707
+7 976.07
338 398.68
1/62
4714
+8 004.23
338 305.37
1/62
GEBÜHR: EUR
7,56 ************** 2007-08-02 12:21,03355 1I ************** ZEILEN: 266
Entgelt der Verrechnungsstelle IMD: EUR
0,33
Gesamtentgelt: EUR
7,89 zuzüglich 20% USt
95
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
B.
Topographien
96
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
97
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
C.
Topographie-Übersicht
98
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
D.
Katastralmappe
99
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
E.
Höhenfestpunkte in Wien
Adresse: https://www.wien.gv.at/M41_HFP/internet
Suchergebnis: Punktliste für Zug 187
Punkt
Adresse
Kartenblatt
MZK 1:1000
Höhe
(Wiener Null)
Art
Zug-Nummer
DFN
19, Grinzinger Allee 28
101091
54,868 m
B
187
233
187
DFQ
19, Huschkagasse 1
101092
69,525 m
N
233
DOQ
19, Delugstraße 2
100091
61,609 m
N
187
DOR
19, Ettingshausengasse 10
100092
97,058 m
K
187
JOE
19, An den langen Lüssen 3
101092
73,215 m
N
187
JOF
19, An den langen Lüssen 13
101092
79,827 m
N
187
JOG
19, An den langen Lüssen 19
100092
85,251 m
N
187
JOH
19, Wenckebachgasse 29
100092
84,170 m
N
187
JOI
19, Aslangasse 21
100092
83,284 m
N
187
JOJ
19, Aslangasse 55
100092
87,020 m
N
187
JOK
19, Aslangasse 87
100092
90,151 m
N
187
JOL
19, Ettingshausengasse 1
100092
96,918 m
N
187
JOM
19, Stefan-Esders-Platz
100092
90,389 m
N
187
JON
19, Stefan-Esders-Platz 6
100091
82,458 m
B
190
JOP
19, Kaasgrabengasse 52
100091
72,341 m
N
187
JOR
19, Leopold-Steiner-Gasse 30
100091
67,514 m
K
187
JOS
19, Delugstraße 20
100091
71,240 m
K
187
JOU
19, Paradisgasse 67
101091
56,378 m
N
187
JOV
19, Paradisgasse 65
101091
54,425 m
N
187
MXH
19, Kaasgrabengasse 19
100091
66,622 m
N
187
187
100
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
F.
Optischer Theodolit
101
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
102
VERMESSUNGSKUNDE FÜR BAUPOLIERE
G.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Großmann Walter, Heribert Kahmen: Vermessungskunde I.
Verlag deGruyter, Berlin 1985
Großmann Walter, Heribert Kahmen: Vermessungskunde II.
Verlag deGruyter, Berlin 1985
Firmenprospekte der Firma Leica, Trimble
Austrian Map, Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen
H.
Angaben zum Autor
Dipl.-Ing. Manfred Huber
Raimundgasse 22, Haus 2
2331 Vösendorf
eMail:
Internet:
[email protected]
www.geoweb.at
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