Seite 1 von 2 Info 9/2012 l l e u t ak Einfluss von Medikation auf die Diagnostik endokriner Systeme: Physiologischer Hintergrund und praktische Bedeutung Teil 1: Glucocorticoide und Dopaminagonisten Endokrine Systeme unterliegen einer komplexen Eigenregulation aus ineinander greifenden hem­ menden und stimulierenden Regelkreisen. Aufgrund dieser Komplexität ist die Wahrschein­ lichkeit groß, dass Medikamente, die in einen dieser Regelkreise eingreifen, nicht nur dieses System sondern auch andere beeinflussen. Im Allgemeinen wird dies den meist unerwünsch­ ten Nebenwirkungen zugeordnet, aber auch in der Diagnostik, Therapie und Therapiekontrolle von Endokrinopathien spielt das Wissen über eine vorangegangen Medikamentengabe eine wichtige Rolle. In dieser Ausgabe werden die Auswirkungen von Corticosteroiden und Dopaminagonisten aufge­ zeichnet. Glucocorticoide Eine der Stoffgruppen mit den vielfältigsten Wirkungen auf den Stoffwechsel und gleich­ zeitig selbst Bestandteil des Endokrinums sind die Glucocorticoide. Zumeist gegeben als Anti­ phlogistikum und Immunsuppressivum finden Glucocortikoide in verschieden Darreichungs­ formen und Applikationen Einsatz in der ve­ terinärmedizinischen Praxis. Aufgrund dieses verbreiteten Einsatzes und der klinischen Sym­ ptomatik bei Cushing-Patienten ist der Einfluss auf den Glucosehaushalt und die Insulinsekreti­ on wie auch ihre Wirkung auf die Schilddrüsen­ sekretion gut untersucht. Aber Glucocorticoide haben Einfluss auf fast jedes weitere endokrine System. Bereits die topische Anwendung von Glucocorti­ coiden z.B. zur Therapie atopischer Dermatitis, bronchialem Asthma oder Otitis externa führt zu messbaren Veränderungen in der Konzentration der Hormone des Schilddrüsen ­ Regelkreises, der Insulinsekretion und dem Cortisolregelkreis. Cortisol hat über die Stimulation der Gluco­ neogenese einen direkten Einfluss auf den Kohlenhydrathaushalt und damit auf die regulie­ rende Insulinkonzentration. Die Anwendung von Dexamethason führt zur Erhöhung der Insulin­ sekretion, die allerdings bei kurzfristiger Anwen­ dung nicht mit einer messbaren pathologischen Erhöhung der Glucosekonzentration einhergeht. Mit Absetzen der Therapie fällt innerhalb weniger Tage der Insulinspiegel auf physiologische Kon­ zentrationen ab. Cortisol wirkt hemmend auf die T4­ und T3­ Synthese und Sekretion. Dies geschieht durch Aktivierung übergerordneter Zentren ­ Cortisol stimuliert die Somatostatin bedingte Hemmung der TSH­Sekretion. Allerdings ist hier mit Ab­ setzen der Therapie kein schneller Anstieg auf Basalniveau zu messen (> 7 Tage). Glucocorticoide haben zudem einen Einfluss auf die zirkulierende T4 Konzentration. So zeigt sich, dass bei hypothyreoten Hunden, die mit Thyroxin substituiert werden, deutlich geringere T4 Kon­ zentrationen gemessen werden, wenn sie zu­ sätzlich Prednisolon erhalten. Da die fT4­Kon­ zentration dabei gleichbleibend ist, wird davon ausgegangen, dass die periphere Proteinbindung unter der Corticosteroidtherapie verändert ist. Cortisol hat weiterhin Einfluss auf die Konversion von T4 zu T3, indem es die Umwandlung in in­ aktives rT3 (T3 liegt in zwei Formen vor­in der ak­ tiven fT3 und der inaktiven reversen rT3) fördert. Glucocorticoide wirken hemmend auf die Sekre­ tion von LH und in geringerem Maße von FSH und somit auch auf die gonadale Funktion und Sekretion der gonadalen Steroide. LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68548 • E-Mail: [email protected] www.laboklin.de Seite 2 von 2 Über die negative Rückkopplung auf das eigene System haben exogene Cortisonderivate eine hemmende Wirkung auf die Sekretion von ACTH und Cortisol bis hin zur Atrophie der NNR. Zusammenfassung: Aufgrund der vielfältigen Glucocorticoidwirkung ist die Überprüfung anderer endokriner Syste­ me, wie der Schilddrüse, des Insulinstoffwech­ sels, der Reproduktionsachse oder auch der NNR­Funktion während einer Cortisontherapie erschwert bis unmöglich. Ein Absetzen der Me­ dikation ist nötig, um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. So ist es wichtig zu wissen mit welcher biologi­ schen Wirkdauer bei den einzelnen Präparaten zu rechnen ist. Generischer Name Biologische Halbwertzeit Cortisol/Hydrocortison sehr kurz Prednison kurz Prednisolon kurz Methylprednisolon kurz Betamethason lang Dexamethason lang Dies bezieht sich auf die Reinsubstanz und kann sich bei Depotformulierungen z.B. in kristaliner Form (Voren depot Wirkdauer 10 Tage) deut­ lich verlängern. Auf dieser Basis ist dann mit der Überprüfung der endokrinen Systeme bis nach Ende der Wirkung zu warten. Wartezeit nach Ende der biologischen Wirkzeit. Schilddrüse 3 Wochen Gonaden 3 Wochen Insulin 7 Tage Nebenniere 3 Wochen Dopaminagonisten Am bekanntesten ist der Einsatz der Dopamina­ gonisten beim Hund im Rahmen der lactatio sine graviditate (Galastop) oder beim Pferd (Pras­ cend) zur Therapie des equinen Cushing Syn­ droms. Die Präparate mit den Inhaltsstoffen Ca­ bergolin, Bromocriptin und Pergolid sind direkte Dopaminagonisten, während Metergolin indirekt über die starke Serotonin­5HT­Rezeptorantago­ nistische Wirkung agiert und somit ein indirekter Dopaminagonist ist. Dopaminagonisten wirken über die Aktivierung der D2­Rezeptoren zentral hemmend auf die Prolaktin­ und ACTH Sekretion, worauf deren therapeutischer Einsatz beruht. Aber auch die TSH­Sekretion wird durch D2­Rezeptoragonisten gehemmt. Die LH­ und FSH­Sekretion unterliegt durch die Reduzierung der prolaktinbedingten Hemmung ebenfalls dem Einfluss dopaminerger Substanzen. Aus dieser Tatsache heraus erge­ ben sich auch Therapieprotokolle für die Zyklus­ induktion bei der Hündin. Aufgrund der deutlich längeren, allerdings auch tierartlich unterschiedlichen biologischen Halb­ wertszeit von Ergotalkaloid­Derivaten im Ver­ gleich zu Dopamin sollte die Überprüfung an­ derer endokriner Systeme mit einem deutlichen Zeitabstand zur letzten Medikation erfolgen. Auch hier ist ein Zeitrahmen von mindestens 3 Wochen nach Wirkende einzuhalten. LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68548 • E-Mail: [email protected] www.laboklin.de