Integrierte Vertriebssteuerung im Mehrkanalvertrieb von Banken

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Integrierte Vertriebssteuerung im Mehrkanalvertrieb von Banken
- Entwicklung einer idealtypischen Konzeption eines Kennzahlensystems
DISSERTATION
der Universität St. Gallen,
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Manuel Paul Thomet
von
Neuenegg (Bern)
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Marcus Schögel
und
Prof. Dr. Torsten Tomczak
Dissertation Nr. 3317
Studentendruckerei, Zürich, 2007
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts, und Sozialwissenschaften
(HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den
darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 22. Januar 2007
Der Rektor:
Prof. Ernst Mohr, PhD
Meinen Eltern und Saba
Vorwort
Für das Gelingen der vorliegenden Dissertation haben zahlreiche Personen in unterschiedlicher Art und Weise beigetragen. Ihnen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken.
Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Schögel, danke ich sehr für die äusserst angenehme
Zusammenarbeit, die konstruktive Reflexion meiner Konzepte und die akademische Freiheit,
welche er mir bei der Abfassung der Arbeit zugestanden hat. Seine Fähigkeit, an den entscheidenden Punkten die jeweils richtigen Fragen aufzuwerfen und wertvolle Hinweise zu
geben, hat massgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen.
Herrn Prof. Dr. Tomczak danke ich besonders für die spontane und unkomplizierte Übernahme des Korreferats. Als externer Doktorand ermöglichte er mir zu Beginn meines
Dissertationsprojektes einen erfolgreichen Start und half mir bei der Suche des Referenten.
Die Erstellung der vorliegenden Arbeit erfolgte parallel zu meiner Tätigkeit bei der Credit Suisse. Meiner Arbeitgeberin bin ich zu grossem Dank verpflichtet, da sie mein Dissertationsprojekt im Rahmen des Academic Research Programs finanziell unterstützte.
Insbesondere möchte ich den zahlreichen Experten aus der Credit Suisse bedanken, welche
durch Ihre Zeit, Auskunftsbereitschaft, kritischen Fragen, Erfahrung und Ideen zur Verbesserung der ausgearbeiteten Konzepte wesentlich beigetragen haben. Besonders hevorzuheben
sind an dieser Stelle die Herren Daniel Koller, Heinz Brägger, Stefan Affolter, Markus Beeler
und Thomas Langenegger, welche mir im Rahmen von persönlichen Gesprächen immer wieder kompetent mit Rat und Tat zur Seite standen. Für die Erstellung der Fallstudie möchte ich
insbesondere den Herren Bengt Dietrich, Gabriele Samaritani, Davies Quinton, Michael Rütti,
Dirk Kleinalstede, Andreas Melcher, Roger Mollemann, Rolf Flory und Frau Antonietta Peritore danken. Ohne deren Mithilfe wäre die Erstellung des Konzeptvorschlags für ein Kennzahlensystem für den Bereich Private Clients Switzerland nicht möglich gewesen.
Meinen Eltern möchte ich ganz herzlich für die unermüdliche und immerwährende Unterstützung in allen Belangen danken. Für die stetige Gesprächsbereitschaft und die motivierenden
Worte möche ich zudem meinem Bruder Christoph danken.
Für die konstruktiven Hinweise und für die exzellenten Korrekturarbeiten in der Schlussphase
meiner Dissertation bedanke ich mich ganz herzlich bei Aliki Adamantidis und Linda Thöny.
Mein absolut grösster Dank gilt jedoch meiner Partnerin Saba Kamouneh, welche während
meines Dissertationsprojekts viel auf mich verzichten musste. Für ihre tolle Unterstützung und
das entgegengebrachte Verständnis möchte ich ihr an dieser Stelle nochmals von ganzem
Herzen danken!
Zürich, Februar 2007
Manuel Paul Thomet
INHALTSVERZEICHNIS
I
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS.......................................................................................................................................................... I
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.............................................................................................................................................VI
ABBILDUNGSVERZEICHNIS .............................................................................................................................................VII
ZUSAMMENFASSUNG ..........................................................................................................................................................X
SUMMARY................................................................................................................................................................................XI
TEIL 1: EINFÜHRUNG ............................................................................................................................................................ 1
1. Problemstellung und Handlungsbedarf............................................................................................................................ 1
1.1 Problemstellung .......................................................................................................................................................... 2
1.1.1
Vertriebswegeorganisation................................................................................................................................................3
1.1.2
Vertriebssteuerungssystem i.w.S. ....................................................................................................................................5
1.1.3
Vertriebssteuerungssystem i.e.S......................................................................................................................................9
1.1.4
Fazit und Implikationen ................................................................................................................................................... 12
1.2 Ergebnisse aus der Forschung ..............................................................................................................................14
1.2.1
Vertriebswegeorganisation............................................................................................................................................. 14
1.2.2
Vertriebssteuerungssystem i.w.S. ................................................................................................................................. 17
1.2.3
Vertriebssteuerungssystem i.e.S................................................................................................................................... 20
1.2.4
Fazit und Implikationen ................................................................................................................................................... 21
1.3 Ableitung des Forschungsbedarfs .........................................................................................................................22
2. Zielsetzung der Arbeit.......................................................................................................................................................22
2.1 Zielsetzung und Nutzen...........................................................................................................................................22
2.2 Herleitung der Forschungsfragen ..........................................................................................................................22
2.3 Forschungsobjekt und Erkenntnisobjekt...............................................................................................................23
2.4 Abhängige und unabhängige Variable..................................................................................................................23
2.5 Adressaten der Arbeit ..............................................................................................................................................24
3. Aufbau der Arbeit...............................................................................................................................................................25
4. Theoretischer Bezugsrahmen .........................................................................................................................................26
5. Wissenschaftstheoretische Positionierung und Forschungsmethodik......................................................................28
5.1 Wissenschaftstheoretische Positionierung...........................................................................................................28
5.1.1
Entdeckungszusammenhang ........................................................................................................................................ 29
5.1.2
Begründungszusammenhang........................................................................................................................................ 30
5.1.3
Verwendungszusammenhang....................................................................................................................................... 31
5.2 Forschungsmethodik ...............................................................................................................................................31
5.2.1
Der Forschungsprozess im Überblick........................................................................................................................... 32
5.2.2
Der Mehrkanalvertrieb der Credit Suisse als Forschungsobjekt der Einzelfallstudie ............................................ 33
INHALTSVERZEICHNIS
5.2.3
II
Die Einzelfallstudie als geeignete Forschungsmethode ............................................................................................ 37
5.3 Forschungsansatz: Zielsetzung der Einzelfallstudie, realisierter Forschungsprozess und
Qualitätssicherung....................................................................................................................................................42
5.3.1
Forschungskonzeption.................................................................................................................................................... 42
5.3.2
Realisierter Forschungsprozess .................................................................................................................................... 44
5.3.3
Qualitätssicherung für den qualitativen Forschungsprozess..................................................................................... 47
5.3.4
Zusammenfassung und Fazit ........................................................................................................................................ 52
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN ..................................................................................................................54
1. Überblick und Einführung.................................................................................................................................................54
2. Begriffsdefinitionen............................................................................................................................................................54
2.1 Integrierte Kennzahlensteuerungssysteme..........................................................................................................54
2.2 Filialzentrierte Mehrkanalbank................................................................................................................................55
2.3 Retail Bank ................................................................................................................................................................56
2.4 Mehrkanalvertriebsstrategie ...................................................................................................................................57
2.5 Vertriebserfolg...........................................................................................................................................................57
3. Distribution..........................................................................................................................................................................57
3.1 Einleitung und Überblick..........................................................................................................................................57
3.2 Grundlagen der Distribution ....................................................................................................................................58
3.2.1
Aufgaben und Ziele der Distribution.............................................................................................................................. 58
3.2.2
Zum Wesen der Mehrkanalsysteme............................................................................................................................. 60
3.3 Management des Mehrkanalsystems ...................................................................................................................65
3.3.1
Grundlagen für ein erfolgreiches Management von Mehrkanalsystemen............................................................... 65
3.3.2
Konfiguration und Koordination als zentrale Aufgaben .............................................................................................. 66
3.4 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems.........................................................67
4. Zielplanung und Strategieimplementierung...................................................................................................................68
4.1 Einleitung und Überblick..........................................................................................................................................68
4.2 Prozessmodelle des strategischen Managements .............................................................................................68
4.2.1
Präskriptive Prozessmodelle.......................................................................................................................................... 69
4.2.2
Deskriptive Prozessmodelle........................................................................................................................................... 71
4.3 Strategische Zielplanung.........................................................................................................................................75
4.3.1
Ziele im Management Prozess ...................................................................................................................................... 75
4.3.2
Dimensionen betrieblicher Ziele .................................................................................................................................... 79
4.4 Strategieimplementierung und Kontrolle...............................................................................................................84
4.4.1
Voraussetzungen und Massnahmen für die Strategieimplementierung.................................................................. 84
4.4.2
Abstimmung von Strategie und Organisation.............................................................................................................. 86
4.4.3
Strategische Kontrolle ..................................................................................................................................................... 89
4.5 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems.........................................................91
INHALTSVERZEICHNIS
III
5. Prozessmanagement........................................................................................................................................................92
5.1 Einleitung und Überblick..........................................................................................................................................92
5.2 Business-Process-Management............................................................................................................................93
5.2.1
Begriffe und Definitionen................................................................................................................................................. 93
5.2.2
Ziele und Aufgaben des Business-Process-Managements ...................................................................................... 94
5.2.3
Phasen des Business-Process-Managements ........................................................................................................... 94
5.3 Identifikation von Kerngeschäftsprozessen..........................................................................................................96
5.3.1
Ableitung der kritischen Erfolgsfaktoren ....................................................................................................................... 97
5.3.2
Verknüpfung von Geschäftsprozessen und Erfolgsfaktoren ..................................................................................... 99
5.4 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems.......................................................100
6. Kennzahlensysteme .......................................................................................................................................................100
6.1 Einleitung und Überblick........................................................................................................................................100
6.2 Betriebswirtschaftliche Kennzahlensysteme ......................................................................................................101
6.2.1
Betriebswirtschaftliche Kennzahlen ............................................................................................................................ 101
6.2.2
Dimensionsanalyse von Kennzahlensystemen......................................................................................................... 102
6.3 Allgemeine Gütekriterien für Kennzahlensysteme ............................................................................................105
6.4 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems.......................................................106
7. Zusammenfassung und Fazit........................................................................................................................................107
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM........................................................110
1. Überblick und Einführung...............................................................................................................................................110
2. Konzeptionelle Anforderungen......................................................................................................................................111
2.1 Ableitung von Anforderungsdimensionen...........................................................................................................111
2.2 Notwendige Anforderungen ..................................................................................................................................112
2.2.1
Dimension Prozess........................................................................................................................................................ 113
2.2.2
Dimension Kontext ........................................................................................................................................................ 116
2.2.3
Dimension Messkonzeption ......................................................................................................................................... 119
2.3 Hinreichende Anforderungen................................................................................................................................120
2.3.1
Dimension Prozess........................................................................................................................................................ 121
2.3.2
Dimension Kontext ........................................................................................................................................................ 123
2.3.3
Dimension Messkonzeption ......................................................................................................................................... 125
2.4 Der Umgang mit den Anforderungen ..................................................................................................................129
3. Beurteilung ausgewählter betriebswirtschaftlicher Kennzahlensysteme................................................................129
3.1 Einleitung und Überblick........................................................................................................................................129
3.2 Finanzwirtschaftlich orientierte Kennzahlensysteme ........................................................................................130
3.2.1
DuPont-System of Financial Control........................................................................................................................... 130
3.2.2
Vertriebscontrolling-Kennzahlensystem nach Reichmann/Palloks ........................................................................ 132
3.2.3
Shareholder Value-Ansätze ......................................................................................................................................... 135
INHALTSVERZEICHNIS
IV
3.3 Integrierte Kennzahlensysteme............................................................................................................................141
3.3.1
Balanced Scorecard ...................................................................................................................................................... 141
3.3.2
Intellectual Capital-Ansätze .......................................................................................................................................... 146
3.3.3
Performance-Messung im St.Galler General Management Navigator .................................................................. 151
3.3.4
Marketing Performance-Management nach Reinecke ............................................................................................ 154
3.3.5
ibi-Vertriebscockpit......................................................................................................................................................... 157
3.4 Implikationen bestehender Kennzahlensysteme für ein Kennzahlensteuerungssystem............................161
4. Konzeptionelle Rahmenbedingungen für ein Kennzahlensteuerungssystem .......................................................162
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS.................................167
1. Überblick und Einführung...............................................................................................................................................167
2. Idealtypische Struktur eines Kennzahlensteuerungssystems ..................................................................................167
2.1 Grundkonzept und Aufbau des Kennzahlensteuerungssystems....................................................................167
2.1.1
Der Bezug zu Potentialen, Prozessen und Ergebnissen......................................................................................... 167
2.1.2
Grundstruktur des Kennzahlensteuerungssystems.................................................................................................. 169
2.2 Ebene 1: Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen .......................................................................................171
2.2.1
Die Vertriebssteuerung als Teil der Gesamtbanksteuerung.................................................................................... 172
2.2.2
Operationalisierung der Kennzahlendimensionen .................................................................................................... 176
2.2.3
Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung................................................................................................ 180
2.3 Ebene 2: Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen.................................................................187
2.3.1
Sub-Ebene Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs ........................................................... 188
2.3.2
Sub-Ebene Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie ................................................. 196
2.3.3
Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung................................................................................................ 201
2.4 Ebene 3: Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen ...........................................................................203
2.4.1
Sub-Ebene Unternehmungsressourcen..................................................................................................................... 204
2.4.2
Sub-Ebene Marktpotentiale.......................................................................................................................................... 208
2.4.3
Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung................................................................................................ 210
3. Einsatz des Kennzahlensteuerungssystems im Rahmen einer integrierten Vertriebssteuerung .......................212
3.1 Anforderungen an die Selektion geeigneter Kennzahlen.................................................................................212
3.1.1
Strukturierung ................................................................................................................................................................. 212
3.1.2
Priorisierung.................................................................................................................................................................... 213
3.1.3
Operationalisierung........................................................................................................................................................ 214
3.2 Sicherstellen der Wirksamkeit im Führungszyklus............................................................................................215
3.2.1
Anbindung des Kennzahlensystems an die Vertriebsplanung und -budgetierung .............................................. 216
3.2.2
Verwendung des Kennzahlensystems als Kontroll- und Reportinginstrument..................................................... 217
3.2.3
Kopplung mit den Anreizsystemen.............................................................................................................................. 218
3.3 Vorgehen zur Einführung eines Kennzahlensteuerungssystems ...................................................................220
4. Zusammenfassung und Fazit........................................................................................................................................223
INHALTSVERZEICHNIS
V
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK...................................................................................................226
1. Wissenschaftlicher Beitrag der Arbeit ..........................................................................................................................226
1.1 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse ...................................................................................................226
1.2 Integration und Erweiterung bestehender Forschungsarbeiten ......................................................................230
2. Kritische Würdigung der entwickelten Konzeption und zukünftiger Forschungsbedarf .......................................232
2.1 Restriktionen und Gefahren von Kennzahlensystemen im Mehrkanalvertrieb.............................................233
2.2 Würdigung der Konzeption hinsichtlich der entwickelten Anforderungen .....................................................236
2.3 Weiterer Forschungsbedarf ..................................................................................................................................238
3. Fazit und Ausblick ...........................................................................................................................................................240
ANHANG................................................................................................................................................................................242
Anhang 1: Verwendete Datenquellen ................................................................................................................................242
Anhang 2: Interviewverzeichnis (standardisierte Expertengespräche).........................................................................243
Anhang 3: Interview-Leitfäden (standardisierte Expertengespräche) ...........................................................................246
Anhang 4: Konferenzen und Vorträge ...............................................................................................................................248
LITERATURVERZEICHNIS ...............................................................................................................................................249
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
VI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AWD
Allgemeiner Wirtschaftsdienst
BMG
Bemessungsgrundlage
BPM
Business-Process-Management
BSC
Balanced Scorecard
bzw.
beziehungsweise
CEO
Chief Executive Officer
d.h.
das heisst
EVA
Economic Value Added
GMN
General Management Navigator
i.d.R.
in der Regel
i.e.S.
im engeren Sinn
i.w.S.
im weiteren Sinn
IMH
Institut für Marketing und Handel
KPI
Key Performance Indicator
MLP
Marscholek, Lautenschläger und Partner
MVA
Market Value Added
NOPAT
Net Operating Profit After Tax
ROI
Return on Investment
S.
Seite
u.a.
unter anderem
v.a.
vor allem
VZ
Vermögenszentrum
z.B.
zum Beispiel
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
VII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Übersicht über die Problemstellungen bei der Strategieimplementierung...........................3
Abbildung 2: Vertriebsstrategische Positionierung und Organisationstyp.................................................4
Abbildung 3: Vertriebsprozesse im Mehrkanalsystem...............................................................................9
Abbildung 4: Problemstellungen und Lösungsanforderungen im Überblick ...........................................13
Abbildung 5: Relevante Forschungsergebnisse zur Vertriebswegeorganisation....................................16
Abbildung 6: Relevante Forschungsergebnisse zum Vertriebssteuerungssystem i.w.S........................19
Abbildung 7: Relevante Forschungsergebnisse zum Vertriebssteuerungssystem i.e.S. .......................21
Abbildung 8: Forschungsobjekt und Erkenntnisobjekt.............................................................................23
Abbildung 9: Abhängige und unabhängige Variablen des Dissertationsprojektes .................................24
Abbildung 10: Aufbau der Arbeit ..............................................................................................................25
Abbildung 11: Theoretischer Bezugsrahmen – Übersicht der Forschungsdisziplinen............................26
Abbildung 12: Theoretischer Bezugsrahmen – Zentrale Aspekte und Ansätze .....................................27
Abbildung 13: Operationalisierung von Nützlichkeit.................................................................................31
Abbildung 14: Schematische Darstellung des Forschungsprozesses ....................................................32
Abbildung 15: Vertriebskanäle im Bereich Private Clients.......................................................................35
Abbildung 16: Übersicht der Forschungsmethoden.................................................................................44
Abbildung 17: Forschungsprozess der Arbeit ..........................................................................................47
Abbildung 18: Evaluationskriterien für die Beurteilung der Qualität von Fallstudien...............................49
Abbildung 19: Theoretischer Bezugsrahmen – Detail .............................................................................54
Abbildung 20: Filialzentrierte Mehrkanalbank ..........................................................................................56
Abbildung 21: Zielkatalog des Mehrkanalvertriebs ..................................................................................60
Abbildung 22: Aufgaben eines Vertriebskanals in der Finanzdienstleistungsbranche ...........................61
Abbildung 23: Das Mehrkanalvertriebssystem einer Bank ......................................................................61
Abbildung 24: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem........................................................68
Abbildung 25: Prozess des strategischen Managements........................................................................71
Abbildung 26: Deskriptive Prozessmodelle..............................................................................................72
Abbildung 27: Die Formierung von Strategien .........................................................................................73
Abbildung 28: Zielhierarchie im strategischen Management...................................................................78
Abbildung 29: Dimensionen betrieblicher Ziele........................................................................................79
Abbildung 30: Übersicht Zielkategorien....................................................................................................80
Abbildung 31: Überblick über die verschiedenen Channel-Typen ..........................................................87
Abbildung 32: Abstimmung von Vertriebsstrategie und Organisationstyp ..............................................88
Abbildung 33: Zuordnungsaufgaben im Wettbewerb der Vertriebskanäle..............................................88
Abbildung 34: Formen der strategischen Kontrolle..................................................................................89
Abbildung 35: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem........................................................92
Abbildung 36: Phasen des Business-Process-Managements ................................................................95
Abbildung 37: Ermittlung wettbewerbskritischer Kerngeschäftsprozesse...............................................97
Abbildung 38: Bezugsrahmen für die Identifikation von Kerngeschäftsprozessen .................................98
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
VIII
Abbildung 39: Prozesswürfel ....................................................................................................................99
Abbildung 40: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem......................................................100
Abbildung 41: Dimensionsanalyse von Kennzahlensystemen..............................................................103
Abbildung 42: Allgemeine Anforderungen an Kennzahlensysteme ......................................................106
Abbildung 43: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem......................................................107
Abbildung 44: Vorgehensweise zur Ableitung von Anforderungen .......................................................110
Abbildung 45: Ableitung der Anforderungsdimensionen .......................................................................111
Abbildung 46: Übersicht über die notwendigen Anforderungen ............................................................113
Abbildung 47: Einbindung in den gesamten Managementprozess .......................................................115
Abbildung 48: Die Komponenten einer Informationssituation................................................................118
Abbildung 49: Übersicht über die hinreichenden Anforderungen..........................................................120
Abbildung 50: Stakeholder bei der Koordination von Mehrkanalsystemen bei Banken .......................122
Abbildung 51: Organisation des Mehrkanalvertriebs .............................................................................123
Abbildung 52: Kanalübergreifende Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse ....................................125
Abbildung 53: Formen der strategischen Kontrolle................................................................................126
Abbildung 54: Entwicklung der Management-Paradigmen bei Banken ................................................126
Abbildung 55: Wertorientierung im Vertrieb ...........................................................................................127
Abbildung 56: Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign.....................................................................128
Abbildung 57: DuPont-System of Financial Control...............................................................................131
Abbildung 58: Struktur eines Vertriebs-Controlling-Kennzahlensystems ..............................................133
Abbildung 59: Shareholder Value-Ansatz nach Rappaport ...................................................................135
Abbildung 60: Merkmale eines unternehmenswertorientierten Controllings .........................................137
Abbildung 61: Perspektiven der Balanced Scorecard ...........................................................................142
Abbildung 62: Arbeitslogik der Balanced Scorecard..............................................................................143
Abbildung 63: Strategiebaum eines Unternehmens aus der Telekommunikationsindustrie ................143
Abbildung 64: Strukturierung von Wissenskapital..................................................................................148
Abbildung 65: Beurteilung der Führungsarbeit ......................................................................................151
Abbildung 66: Performance-Messung im GMN .....................................................................................152
Abbildung 67: Idealtypische Struktur des aufgabenorientierten Marketingkennzahlensystems...........154
Abbildung 68: ibi-Wertdreieck.................................................................................................................158
Abbildung 69: Struktur des ibi-Vertriebscockpits....................................................................................159
Abbildung 70: Übersicht der Anforderungen..........................................................................................164
Abbildung 71: Evolutionsmodell des Wissens .......................................................................................168
Abbildung 72: Argumentationskette der resource-based View .............................................................168
Abbildung 73: Idealtypische Struktur des Kennzahlensteuerungssystems...........................................170
Abbildung 74: Dimensionen des dualen Steuerungsmodells im Bankcontrolling .................................175
Abbildung 75: Triade des ertragsorientierten Bankmanagements ........................................................176
Abbildung 76: Abgrenzung verschiedener wertorientierter Steuerungskonzepte .................................177
Abbildung 77: Operationalisierung ausgewählter periodenorientierter Kennzahlen .............................179
Abbildung 78: Operationalisierung mehrperiodischer Kennzahlen .......................................................180
Abbildung 79: Periodische vs. barwertorientierte (mehrperiodische) Vertriebssteuerung ....................182
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
IX
Abbildung 80: Vor- und Nachteile der volumenorientierten Schlüsselung ............................................183
Abbildung 81: Vor- und Nachteile der ertragsorientierten Schlüsselung...............................................183
Abbildung 82: Vor- und Nachteile der kostenorientierten Schlüsselung ...............................................184
Abbildung 83: Vor- und Nachteile der Alternative 1 ...............................................................................186
Abbildung 84: Vor- und Nachteile der Alternative 2 ...............................................................................186
Abbildung 85: Vergleich alternativer Gestaltungsformen für Wertebäume ...........................................187
Abbildung 86: Erfolgsdimensionen des klassischen Bankcontrollings..................................................189
Abbildung 87: Ziele der Distribution........................................................................................................190
Abbildung 88: Kundenwert als zentrale Orientierungsgrösse im Mehrkanalvertrieb ............................191
Abbildung 89: Effizienz und Effektivität der Kundenbetreuung..............................................................191
Abbildung 90: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Kundenwert.....................................................193
Abbildung 91: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Produkt-/Serviceerfolg ....................................195
Abbildung 92: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Vertriebssystemeffizienz .................................196
Abbildung 93: Kanalspezifische Aufgabenprofile im Mehrkanalvertriebssystem..................................198
Abbildung 94: Kennzahlenbeispiele für Internet (Information)...............................................................199
Abbildung 95: Kennzahlenbeispiele für Kundenberater (Information/Beratung)...................................199
Abbildung 96: Kanalübergreifende Vertriebsprozesse im Mehrkanalvertriebssystem..........................200
Abbildung 97: Kennzahlenbeispiele für kanalübergreifende Prozesse (Information/Beratung) ...........201
Abbildung 98: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Finanzkapital ...................................................205
Abbildung 99: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Strukturkapital .................................................206
Abbildung 100: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Humankapital ................................................207
Abbildung 101: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Kundenpotentiale..........................................209
Abbildung 102: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Produkt-/Servicepotentiale............................210
Abbildung 103: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Vertriebssystempotentiale ............................210
Abbildung 104: Merkmale des Berichtswesens .....................................................................................218
Abbildung 105: Elemente erfolgsorientierter Vergütungssysteme ........................................................219
Abbildung 106: Idealtypische Phasen zur Einführung eines Kennzahlensteuerungssystems .............222
Abbildung 107: Idealtypische Struktur eines Kennzahlensteuerungssystems......................................223
Abbildung 108: Notwendige und hinreichende Anforderungen .............................................................228
Abbildung 109: Idealtypische Struktur eines Kennzahlensteuerungssystems......................................229
ZUSAMMENFASSUNG
X
ZUSAMMENFASSUNG
Beim Management von Mehrkanalvertriebssystemen in Banken gilt es, nicht nur strategische
Entscheidungen über die Konfiguration und Koordination solcher Systeme zu treffen, sondern
auch, diese konzeptionellen Überlegungen erfolgreich umzusetzen. Für die Implementierung
von Mehrkanalstrategien und die zielorientierte Steuerung der Vertriebskanäle werden in der
Bankpraxis Kennzahlensysteme eingesetzt. Bei den gegenwärtig verwendeten Systemen
handelt es sich um Controlling-Ansätze aus dem traditionellen Filialvertrieb, welche durch verschiedene konzeptionelle Defizite gekennzeichnet sind: Sie konzentrieren sich auf den Filialkanal, vernachlässigen aber alternative Kanäle und ignorieren Wechselwirkungen zwischen
den einzelnen Vertriebskanälen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, eine Konzeption für ein integriertes Kennzahlensteuerungssystem zu entwickeln, welches für die strategieorientierte Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems einer Bank geeignet ist und zu einer Steigerung des Vertriebserfolgs beiträgt. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung sollte aufgezeigt werden, welches die relevanten Ziel- und Steuerungsdimensionen eines solchen Systems sind und wie Messgrössen systematisch identifiziert werden können. Im Rahmen der qualitativen Forschungsmethodik wurde der entwickelte Ansatz anhand einer Einzelfallstudie über den Bereich Private Clients der
Credit Suisse erläutert.
Die in der Dissertation präsentierte Konzeption orientiert sich in den Grundzügen an bestehenden Ansätzen des Qualitätsmanagements, an ressourcenorientierten Konzepten und an
den unterschiedlichen Formen der strategischen Kontrolle (Input, Throughput, Output, Outcome). Das entwickelte Kennzahlensteuerungssystem basiert auf einer prozessorientierten
Grundstruktur (Potentiale, Prozesse, Ergebnisse) und ist in drei Ebenen gegliedert: Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen, Vertriebsaufgaben und -prozessorientierte Kennzahlen sowie Finanzwirtschaftliche Ergebnisskennzahlen.
Mit der entwickelten Konzeption ist es gelungen, einen umsetzungsorientierten Beitrag zur
Lösung der aktuellen wissenschaftlichen und praktischen Problemstellungen im Zusammenhang mit der integrierten Vertriebssteuerung von Mehrkanalsystemen in Banken zu leisten.
SUMMARY
XI
SUMMARY
Managing multi-channel distribution systems in banks requires taking strategic decisions
about the configuration and coordination of such systems as well as successfully implementing such concepts. For the implementation of a multi-channel distribution strategy and the objective-driven controlling of distribution channels, performance measurement systems are
usually applied. The systems currently in place are conceptionally based upon traditional
branch-focused distribution systems. As a consequence, these concepts have several disadvantages: First, they focus on the branch but neglect alternative channels. Second, they ignore specific characteristics of multi-channel distribution systems including for example channel interdependencies or interactions.
The objective of this thesis was to develop a framework for an integrated performance measurement system suitable to control a bank’s multi-channel distribution system on a strategic
level with the objective of improving sales performance. Considering the objective of this thesis, the aim was to identify the key dimensions of such a system and to describe a systematic
approach on how to derive performance indicators. Based upon the qualitative research
methodology defined, the developed framework was applied in an explanatory single case
study about the business area of the ”Private Clients” in Credit Suisse.
The cornerstones of the developed framework were derived from existing quality control systems, resource-based concepts as well as different forms of strategic control (input, throughput, output, outcome). From a structural point of view, the framework is based on a processorientied logic (potentials, processes, results) and is divided into three layers: resource- and
potential-oriented indicators, distribution task- and process-oriented indicators as well as financial indicators.
The developed framework is a pragmatic contribution that helps solving actual scientific and
practical problems related to an integrated performance management of multi-channel distribution systems in banks.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
1
TEIL 1: EINFÜHRUNG
„Der bestausgerüstete Ozeandampfer treibt hilflos auf hoher See, wenn die Steuerungsinstrumente auf der Kommandobrücke keinen klaren Kurs vorgeben.“
H. Harnbücher, CEO Sparkasse Heilbronn
1. Problemstellung und Handlungsbedarf
Traditionelle Retail-Banken mit einem Filialnetz befinden sich in einem strategischen Spannungsfeld. Sie drohen, im Wettbewerb mit Direktbanken und Finanzvertrieben an Boden zu
verlieren. Im Bereich einfacher und standardisierter Produkte werben Direktanbieter RetailBanken zunehmend Kunden ab. Direktanbieter setzen vorteilhaftere Kostenstrukturen durch
den Verzicht auf Filialen direkt in Preisvorteile gegenüber den Kunden um. Ferner werden
Retail-Banken durch vertriebsstarke Allfinanzanbieter wie den Allgemeinen Wirtschaftdienst
(AWD), das Vermögenszentrum (VZ) oder Marschollek, Lautenschläger und Partner (MLP)
besonders einkommens- oder vermögensstarke Kunden bzw. margenstarke Produkte entzogen. Diese Konkurrenten setzen auf die intensive persönliche Betreuung.1
Viele Retail-Banken reagieren in diesem Spannungsfeld mit einer strategischen Gegensteuerung, um nicht im Sinne eines „Stuck-in-the-Middle“2 gegenüber fokussierten Konkurrenten
ins Hintertreffen zu gelangen. Die meisten setzen dabei auf die Positionierung als filialzentrierte Mehrkanalbank.3 Ziel dieses Ansatzes ist, elektronische Vertriebskanäle für standardisierte
Produkte und Transaktionen zu nutzen und die Filiale als Beratungszentrum neu zu positionieren.4
Der Weg zu einer filialzentrierten Mehrkanalbank führt von einer isolierten Betrachtung vieler
nebeneinander stehender Kanäle hin zu einer integrierten Sichtweise der Kanäle und somit zu
einer integrierten Mehrkanalbank. Diese Integration beschränkt sich nicht nur auf die technische Ebene, sondern muss auch auf der Ebene der Prozesse, Produkte und Organisationseinheiten erfolgen.5 Schliesslich ist auch aus Führungssicht das Management der Mehrkanalbank bzw. des Mehrkanalvertriebssystems von grosser Bedeutung. Das Management von
Mehrkanalsystemen, d.h. die bewusste und aktive Gestaltung eines solchen Distributionssystems, wird meist als Multichannel-Management oder Multichannel-Marketing6 bezeichnet.
Ein erfolgreiches Multichannel-Management7 muss sich dabei v.a. mit der Integration neuer
Vertriebskanäle, der Konfiguration des Vertriebskanal-Mixes und der Koordination des Mehr-
1
2
3
4
5
6
7
Vgl. Wild/Wimmer 2004, S. 35-38.
Porter/Brandt/Schwoerer 1999.
Eine filialzentrierte Mehrkanalbank ist ein Finanzinstitut, bei welchem die einzelnen Absatzkanäle zu einem
Mehrkanalvertriebssystem integriert wurden. Filialzentriert wird eine Mehrkanalbank bezeichnet, wenn die Filiale von der Bedeutung und Grösse her der zentrale Absatzkanal ist.
Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer 2004, S. 403.
Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer 2004, S. 404.
Yulinsky 2000.
In dieser Arbeit werden die Begriffe Multichannel, Mehrkanal und Multikanal als Synonyme verwendet.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
2
kanalsystems auseinander setzen.8 Zu den Aufgaben des Multichannel-Managements gehört
es nicht nur, Entscheidungen9 über die Gestaltung und Koordination des Vertriebskanal-Mixes
zu treffen, sondern auch, diese konzeptionellen Überlegungen erfolgreich umzusetzen.10 Für
die erfolgreiche Umsetzung einer filialzentrierten Mehrkanalstrategie ist ein intelligentes Instrumentarium in Form einer Multichannel-Vertriebssteuerung von zentraler Bedeutung. Es
geht darum, die Strategie der filialzentrierten Mehrkanalbank in der Vertriebssteuerung abzubilden und damit ein Mehrkanal-Controlling aufzubauen. Nur so werden Vertriebserfolge kanalübergreifend messbar und Misserfolge transparent.11
1.1 Problemstellung
Betrachtet man gegenwärtige Vertriebssteuerungssysteme12 von Banken, erkennt man erhebliche Probleme, welche v.a. auf den Entwicklungsprozess, die Inhaltsdefinition und die
angewandte Messmethode zurückzuführen sind. Die nicht zweckmässigen Systeme erschweren eine effektive Umsetzung der Strategie „filialzentrierte Mehrkanalbank“. Das liegt daran,
dass es sich bei den etablierten Steuerungsinstrumenten um gewachsene ControllingSysteme aus dem Filialvertrieb handelt.13 Die gegenwärtig eingesetzten Vertriebssteuerungssysteme konzentrieren sich auf den Vertriebsweg Filiale und sind für den Mehrkanalvertrieb
nicht geeignet. Diese Systeme gilt es zu mehrkanalfähigen Ansätzen zu erweitern. Dabei genügt es nicht, durch einzelne innovative Ansätze die Steuerungssysteme in den einzelnen
Vertriebskanälen weiter zu entwickeln.
Die Positionierung als filialzentrierte Mehrkanalbank bringt weit reichende Veränderungen in
den Bereichen der Vertriebswegeorganisation und der Vertriebssteuerung mit sich.14 Die
Konzeption eines integrierten Vertriebssteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb ist dabei
besonders anspruchsvoll. Zahlreiche komplexe Problemstellungen und Sachzusammenhänge, welche in Abbildung 1 schematisch aufgeführt sind, gilt es zu berücksichtigen.
8
9
10
11
12
13
14
Vgl. Schögel/Sauer/Schmidt 2004, S. 13 ff.
Schögel 1997, S. 108 ff. Schögel beschreibt im Rahmen des Multichannel-Managements die grundlegenden
Fragen bzw. Entscheidungsebenen. Grundsätzlich unterscheidet er die folgenden drei Ebenen: Variation
(Veränderungsbedarf festlegen), Konfiguration (Absatzkanal-Mix bestimmen) und Koordination (Mehrkanalsystem abstimmen).
Vgl. Schögel 1997, S. 180.
Vgl. Bernhardt/Hofferbert-Junge 2002, S. 2.
Unter einem Vertriebssteuerungssystem i.w.S. wird in dieser Arbeit das Zusammenspiel der Preispolitik, von
Anreizsystemen sowie der Vertriebskalkulation und -kennzahlensysteme verstanden. Unter einem Vertriebssteuerungssystem i.e.S. wird ein Kennzahlensystem verstanden, welches dazu dient, die Vertriebsstrategie zu
operationalisieren und umzusetzen. Vgl. dazu Abbildung 1.
Vgl. Wild/Wimmer 2004, S. 35.
Vgl. Wild/Wimmer 2004, S. 35.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
3
Problemstellungen
Vertriebswegeorganisation
Organisatorische
a Gestaltung der
Vertiebswege
Klärung des
b Wettbewerbs
a
Vertriebssteuerungssystem i.w.S
Vertriebssteuerungssystem i.e.S
Lösungsanforderungen
Profit
Center
Konkurrenz
?
Kooperation
Offene Fragen
der Preispolitik
$$
MehrkanalVertriebsorganisation
Organisation
des Wettbewerbs
Fehlende
Differenzierung
Zielkomplementäre
Anreizsysteme
c Kosten- und
Erlösrechnung
Mangelnde Prozess- und
Mehrkanalorientierung
Mehrkanalfähige
KostenrechungsSysteme
K1...Kn
Service
Center
Cost
Center
Konkurrenz
Kooperation
Kostenrechnisch
fundierte Preisentscheidungen
b Anreizsysteme
Traditionelle
Vertriebskennzahlensysteme
Profit
Center
x $$
y $$
Kanalspezifische
Gestaltung
Integriertes
Kennzahlensteuerungssystem
Abbildung 1: Übersicht über die Problemstellungen bei der Strategieimplementierung
Quelle: In Anlehnung an Wild/Wimmer 2004.
In den nachfolgenden Abschnitten werden diese Problemstellungen erörtert sowie Lösungsanforderungen formuliert, welche bei der Umsetzung einer filialzentrierten Mehrkanalstrategie
zu berücksichtigen sind. Die Problemstellungen werden in drei Themenbereiche unterteilt:
Vertriebswegeorganisation, Vertriebssteuerungssystem i.w.S. und Vertriebssteuerungssystem
i.e.S.
1.1.1 Vertriebswegeorganisation
In der Vertriebswegeorganisation werden in den Themenbereichen organisatorische Gestaltung und Wettbewerb zwischen den Kanälen die zentralen Problemstellungen und die jeweiligen Lösungsanforderungen aufgezeigt.
Fehlende Konformität zwischen Vertriebsstrategie und Organisationsform
Problemstellung: Retail-Banken haben in den vergangenen Jahren alternative Vertriebswege15 aufgebaut. Der Organisationstyp (Profit-Center16, Service-Center17, Cost-Center18) der
Vertriebswege wurde dabei oft losgelöst von deren vertriebsstrategischen Positionierung fest-
15
16
17
18
Unter alternativen Vertriebswegen versteht man u.a. das Internet, Contact- oder Call-Centers.
http://www.manalex.de/d/profit-center/profit-center.php: Unter einem Profit-Center versteht man eine Organisationseinheit (meistens im Rahmen einer Spartenorganisation) die selbständig und selbstverantwortlich nach
Gewinn strebt.
http://www.manalex.de/d/service-center/service-center.php: Ein Service-Center ist eine unternehmensinterne
Organisationseinheit, die gegen Verrechnung Leistungen an andere Kostenstellen abgibt. Damit will man den
Unternehmergedanken innerhalb des Betriebes verankern. Ein Service-Center soll sein Angebot nach der innerbetrieblichen Nachfrage ausrichten und seine Preise mit denjenigen äquivalenter Marktleistungen vergleichen. Dabei ist sein Ziel, seine gesamten Kosten an die internen Abnehmer belasten zu können.
http://www.manalex.de/d/cost-center/cost-center.php: Ein Cost-Center ist ein in sich abgeschlossener, organisatorischer Teilbereich eines Unternehmens, welcher keinen Zugang zum Markt hat. Da keine Erlöse aus
Markttätigkeit anfallen, werden auch keine Gewinnziele festgelegt. Vielmehr werden Kosteneinhaltungsziele
gemäss dem Wirtschaftlichkeitsprinzip definiert.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
4
gelegt. Diese unmittelbare Wahl des Organisationstyps führt zu Unklarheiten sowie Doppelspurigkeiten hinsichtlich der Aufgabenverteilung zwischen den Kanälen.
Lösungsanforderung: Die Konformität zwischen der Vertriebsstrategie und der organisatorischen Gestaltung der Vertriebswege ist für die erfolgreiche Umsetzung einer filialzentrierten
Mehrkanalstrategie von grosser Bedeutung.
Bankschalter
Ist-Zustand
Soll-Zustand
Vertriebswege
Vertriebswege
Bankomat
Mobiler
Berater
CallCenter
Internet
Bankschalter
Mobiler
Berater
Bankomat
CallCenter
Internet
Vertriebsstrategische Positionierung des Kanals?
CustomerChannel
ProfitCenter
ServiceCenter
Unmittelbare Wahl
des Organisationstyps
CostCenter
ProfitCenter
ProductChannel
SalesChannel
ServiceCenter
SupportChannel
CostCenter
Vertriebsstrategiekonforme bzw. mittelbare Wahl
des Organisationstyps
Abbildung 2: Vertriebsstrategische Positionierung und Organisationstyp
Quelle: In Anlehnung an Wild/Wimmer 2004.
Die neuen Vertriebskanäle müssen organisatorisch in das Center-Konzept integriert werden.
In Abhängigkeit von der vertriebsstrategischen Ausrichtung der Kanäle sind sie dabei entweder als selbstständige Profit-Center oder lediglich als Service- bzw. Cost-Center ohne eigene
Erfolgsverantwortung einzurichten. Die Wahl der geeigneten Organisationsform richtet sich
nach der Positionierung der einzelnen Vertriebswege innerhalb des strategischen Vertriebsansatzes der Bank.19 In diesem Zusammenhang spricht man von einer mittelbaren oder vertriebsstrategiekonformen Wahl des Organisationstyps der Vertriebswege.
In Bezug auf die vertriebsstrategische Positionierung lassen sich vier Typen von einander abgrenzen: Customer-, Product-, Sales- und Support-Channels. Während es sich bei CustomerChannels um Vertriebswege handelt, die sich speziell auf bestimmte Kundensegmente konzentrieren, sind Product-Channels auf den Vertrieb bestimmter Produkte ausgerichtet. Die
Aufgabe von Sales-Channels liegt – ohne eine spezielle produkt- oder kundenbezogene Fokussierung – auf dem Vertrieb eines breiten Angebotes an Finanzdienstleistungen. Dies trifft
im Regelfall auf die traditionelle Filiale zu, kann aber auch für das Internet oder das Customer
Care-Center gelten. Der Schwerpunkt bei Support-Channels liegt demgegenüber nicht auf
dem Vertrieb von Finanzdienstleistungen. Diese Kanäle bieten Service und Transaktionsleistungen an.
19
Vgl. Wild/Wimmer 2004, S. 36.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
5
Aufgrund ihrer intensiven Vertriebsorientierung sind Customer-, Product- und Sales-Channels
bei den meisten Banken als Profit-Center organisiert. Support-Channels im Falle einer bewertungstechnisch durchführbaren und wirtschaftlich sinnvollen Möglichkeit der Weiterverrechnung von Leistungen an andere Vertriebswege als Service-, im anderen Fall als CostCenter.20
Unklarheiten bezüglich des Wettbewerbs zwischen den Kanälen
Problemstellung: Im Bereich der Vertriebswegeorganisation ergibt sich im Zusammenhang mit
der Klärung des Wettbewerbs zwischen den Kanälen eine weitere Herausforderung: RetailBanken müssen bei der Umsetzung einer filialzentrierten Mehrkanalstrategie entscheiden, ob
und wie viel Wettbewerb zwischen den einzelnen Kanälen herrschen soll. Oft wird diese Fragestellung nicht explizit durchdacht und beantwortet. Vielmehr wird durch die unmittelbare
Wahl des Organisationstyps bzw. der Center-Typen die Intensität und Struktur des Wettbewerbs implizit bestimmt. Diese Vorgehensweise führt meistens zu ungewollten und v.a. kostspieligen Kanalkonflikten, welche schliesslich eine ineffiziente Ressourcenallokation zur Folge
haben.
Lösungsanforderung: Schögel21 betrachtet die Koordination bzw. die Klärung des Wettbewerbs zwischen den Kanälen als eine der beiden Kernaufgaben des Mehrkanalvertriebs. Die
Aktivitäten der Kanäle gilt es, in einem Mehrkanalsystem abzustimmen, damit ein interner Fit
zwischen den Vertriebskanälen hergestellt wird. Holmsen22 unterscheidet in Bezug auf die
Wettbewerbsintensität zwischen zentralistischen, föderalistischen oder darwinistischen Ansätzen. Der Entscheid, welcher Ansatz sinnvoll ist, hängt von der Strategie der Bank, deren Positionierung im Markt sowie der Marktentwicklung ab.
Hersteller müssen sich im Mehrkanalvertrieb damit auseinander setzen, welche Stellung die
Vertriebskanäle im Wettbewerb besitzen, welche Leistungen in den Kanälen zu erbringen und
wie die Kanäle untereinander verbunden sind.23 Wie eingangs aufgezeigt wurde, dient die
vertriebsstrategische Einteilung in erster Linie der klaren internen und externen Positionierung
und Aufgabenverteilung der Kanäle. Sie ist die Basis für die Wahl des passenden Organisations- bzw. Center-Typs. Durch eine geeignete Zuordnung kann sichergestellt werden, dass die
organisatorischen Vorgaben mit der vertriebsstrategischen Ausrichtung einer Mehrkanalbank
in Einklang gebracht werden.
1.1.2 Vertriebssteuerungssystem i.w.S.
Durch den Aufbau alternativer Vertriebskanäle werden die Vertriebsprozesse von Banken
zunehmend komplex. Retail-Banken stehen vor der Herausforderung, ihre Kanäle derart zu
koordinieren bzw. zu steuern, dass die Gesamtbankziele erreicht werden können. Diese Koordinationsfunktion muss durch ein geeignetes Steuerungsinstrumentarium wahrgenommen
werden. Einem kanalübergreifenden, integrierten Vertriebssteuerungssystem wird für die er-
20
21
22
23
Vgl. Wild/Wimmer 2004, S. 37.
Schögel 1997.
Holmsen et al. 1998.
Vgl. Moriarty/Moran 1991, S. 98.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
6
folgreiche Umsetzung einer Mehrkanalstrategie daher eine besonders hohe Bedeutung zugesprochen.24
Die gegenwärtigen Vertriebssteuerungssysteme stellen oft keine integrierten Ansätze dar, weil
sie i.d.R. einseitig auf den Vertriebsweg Filiale oder auf einen alternativen Kanal wie Internet
oder Call-Center ausgelegt sind. Die drei anschliessend beschriebenen Aspekte zeigen die
Defizite solcher Systeme i.w.S. auf. Anschliessend wird im Abschnitt 1.1.3 spezifisch auf die
Probleme von Vertriebssteuerungssystemen i.e.S. bzw. Vertriebskennzahlensystemen eingegangen.
Offene Fragen in der Preispolitik
Problemstellung: Die Herausforderungen im Bereich der Preispolitik müssen im Zusammenhang mit denen der Leistungspolitik einer Mehrkanalbank betrachtet werden. In einer Situation, in der sowohl die Vielfalt der angebotenen Leistungen als auch die Anzahl der Vertriebskanäle steigen, stellt sich die Frage, welche Leistungen über welche Kanäle und zu welchen
Preisen angeboten werden sollen. Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten, da davon
ausgegangen werden kann, dass das Angebot einer Leistung über einen Kanal Einfluss auf
die Nachfrage nach Leistungen auf anderen Kanälen hat.25 Solche Wechselwirkungen können durch Substitutions- oder Komplementäreffekte induziert werden. So kann beispielsweise
eine Überweisung über das Internet eine Überweisung in der Filiale substituieren. Ebenso
kann einem Kauf von Fondsanteilen im Call-Center einer Bank die Informationseinholung über das Internet und bei einer Filiale vorausgehen. Dieses Beispiel zeigt das Problem einer
rein isolierten, kanalspezifischen Betrachtung. Man rechnet dem Call-Center hier den vollen
Verkaufserfolg zu, während dem Internet und der Filiale nur Auszahlungen zugerechnet würden.26
Solche kanalübergreifenden Effekte sind in der Praxis wohl bekannt, werden aber aus Gründen der Komplexitäts- und Aufwandsreduktion sowie der Einfachheit der lokalen bzw. kanalspezifischen Incentivierung vernachlässigt.27 Aus dieser Vorgehensweise können eine falsche
Preissetzung und Erfolgszurechnung für die Leistungen der Kanäle resultieren. Dies wiederum kann zu Über- und Unterinvestitionen führen.28 Es wird daher vermutet, dass das Fehlen
einer kanalübergreifenden und kostenrechnerisch fundierten Preispolitik einer der Gründe ist,
weshalb Kunden für die Abwicklung einfacher Transaktionen weiterhin die kostenintensiven
Filialen anstelle der günstigeren alternativen Kanäle aufsuchen.29
Lösungsanforderung: Für ein erfolgreiches Multi-Channel-Management ist es von zentraler
Bedeutung, die verschiedenen Kanäle in eine gemeinsame Strategie einzubinden. Soll für
den Kunden ein Mehrwert geschaffen werden, dürfen die Kanäle nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern sollten als interdependentes System verstanden und gemanagt
werden. Dies muss sich auch in der Preispolitik niederschlagen. Dabei bedarf es der Berück-
24
25
26
27
28
29
Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer 2004.
Vgl. Faisst et al. 2003, S. 4.
Vgl. Faisst et al. 2003, S. 6.
Vgl. Grimm/Röhricht 2003.
Vgl. Ossadnik 2003, S. 892.
Vgl. Wübker/Petra 2002.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
7
sichtigung der Beziehungen zwischen den verschiedenen Vertriebswegen und einer kanalübergreifenden Betrachtung bei der Festlegung des Preisniveaus.
Im Hinblick auf eine Cash-Flow-Maximierung und eine Vertriebskostensenkung müssen Banken evaluieren, inwieweit sie eine kanalspezifische Preissetzung implementieren. Die Praxis
zeigt, dass unter Cash-Flow-Maximierungsaspekten Einheitspreise der kanalspezifischen
Preissetzung zumeist unterlegen sind. Dies liegt v.a. darin begründet, dass beim Einheitspreis
unterschiedliche Zahlungsbereitschaften und Preiselastizitäten keine Berücksichtigung finden
und damit der Preisspielraum in den Kanälen nicht ausgenutzt wird. Dadurch verzichtet man
auf die Abschöpfung der Konsumentenrente, d.h. des Differenzbetrags zwischen der Zahlungsbereitschaft der Kunden für ein Angebot und dem tatsächlich verlangten Preis. Diese
Problematik wird noch verschärft durch Unterschiede zwischen den Kanälen in Bezug auf
Vertriebs- und Servicekosten, die durch einen Einheitspreis nicht verursachergerecht abgebildet werden.30
Um das vorhandene Kostensenkungspotenzial im Vertrieb zu realisieren, müssen die Kunden
dazu veranlasst werden, für standardisierte Transaktionen nicht länger die kostenintensive
Filiale aufzusuchen, sondern den kostengünstigen Online-Zugang zu bevorzugen. Neben der
damit erzielbaren Einsparung (quantitativer Effekt) können sich Filialmitarbeiter so auch auf
die Finanzberatung konzentrieren (qualitativer Effekt).31 Nur durch ein über alle Kanäle hinweg optimiertes Preissystem lassen sich Kundenströme profitabel lenken und die Cash-Flows
kanalübergreifend maximieren.32
Fehlende Zielkomplementarität der internen Anreizsysteme
Problemstellung: Eine weitere Herausforderung liegt in der richtigen Gestaltung der Anreizsysteme33. Sie dienen als Führungsinstrumente zur Generierung wie auch Umsetzung betrieblicher Ziele. Im Zusammenhang mit der Vertriebssteuerung werden darunter Systeme
verstanden, welche Anreize für die einzelnen Kanäle und deren Mitarbeiter setzen. Mit Anreizsystemen wird versucht, eine für die Bank vorteilhafte Verhaltensweise zu erwirken. Solche Systeme sind in der Praxis jedoch oft nicht für den Mehrkanalvertrieb konzipiert. Kern der
Problematik ist die fehlende Zielkomplementarität zwischen den Vertriebseinheiten und der
Gesamtbank.34 Die Effektivität und die Effizienz des Vertriebssystems werden dadurch beeinträchtigt.
30
31
32
33
34
Vgl. Wübker/Petra 2002, S. 377.
Vgl. Wübker/Petra 2002, S. 376.
Vgl. Faisst et al. 2003. Faisst zeigte, dass die kanalübergreifende Steuerung bzw. Preispolitik zwar höhere
Anforderungen an die Informationsgewinnung, -verarbeitung und -aufbereitung stellen, aber generell zumindest gleich hohe Cash-Flows wie bei kanalspezifischer lokaler Optimierung generiert werden. Es gilt daher zu
beachten, dass die Preise der über verschiedene Kanäle im Mehrkanalsystem vertriebenen Produkte aufeinander abgestimmt werden.
Becker 2003, S. 233. Unter Anreizsystemen versteht man die Summe aller im Wirkungsverbund bewusst
gestalteten und aufeinander abgestimmten Stimuli (Arbeitsbedingungen i.w.S.), die bestimmte Verhaltensweisen (durch positive Anreize, Belohnungen) auslösen bzw. verstärken, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens
unerwünschter Verhaltensweisen dagegen mindern (durch negative Anreize, Sanktionen) sowie die damit
verbundene Administration.
Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer 2004, S. 407.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
8
Lösungsanforderung: Im Hinblick auf eine erfolgreiche Umsetzung der filialzentrierten Mehrkanalstrategie gilt es bei bankinternen Anreizsystemen grundsätzlich, zwei Fragen zu beantworten. Einerseits muss geklärt werden, welche Systeme in welchen Vertriebseinheiten sinnvoll sind. Andererseits muss darauf geachtet werden, dass durch die Wahl der Erfolgsmassstäbe und entsprechender Kennzahlen für die dezentralen Organisationstypen und ihre Anreizsysteme eine Zielkomplementarität zwischen den Vertriebseinheiten und der Gesamtbank
erreicht wird.35
Mangelnde Prozess- und Mehrkanalorientierung in der Vertriebskalkulation
Problemstellung: Die Wahlfreiheit des Kunden, Teilleistungen in den verschiedenen Kanälen
in Anspruch zu nehmen, führt bereits heute zu tausenden vorstellbarer Kombinationen – und
damit tausende multikanaler Geschäftsprozesse.36 Abbildung 3 stellt den ursprünglichen Vertriebsprozess vom Filialbetrieb zwei kanalübergreifenden Prozessen gegenüber. Kanalübergreifende Vertriebsprozesse führen zu einer Aufspaltung von Kostenverursachung und Erlösanfall. Zusätzlich beeinflusst die Wahl der Vertriebswege durch die Kunden auch die Kostenentstehung in den Back-Office-Bereichen. Die Wahl elektronischer Vertriebskanäle (z.B. Internet) verursacht i.d.R. weniger Grenzkosten als die personalintensiven Vertriebswege (z.B.
Filiale). Neben dem damit verbundenen Komplexitätszuwachs im Vertrieb ergeben sich – bedingt durch die Wettbewerbssituation – erhöhte Anforderungen an Wirtschaftlichkeits- und
Erfolgsmessung.37
Der zunehmenden Komplexität der Vertriebsprozesse stehen jedoch vergleichsweise einfache Vertriebskalkulations- bzw. Kostenrechungssysteme gegenüber. Diese Systeme basieren
bei den meisten Retail-Banken auf wenigen standardisierten Geschäftsprozessen aus dem
traditionellen Filialbetrieb. In den Kostenrechnungssystemen der Banken werden dabei überwiegend standardisierte Filialprozesse und Stückkostensätze als Grundlage für ihre Kalkulationsrechnungen verwendet. Mit diesen Methoden ist im Mehrkanalvertrieb weder eine verursachungsgerechte Kosten- und Leistungsrechnung noch eine multikanalorientierte Vertriebssteuerung möglich. Eine effektive und effiziente Unternehmenssteuerung ist kaum mehr gewährleistet.38
35
36
37
38
Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer 2004, S. 407.
Vgl. Schwanitz 2002, S. 31.
Vgl. Bartmann et al. 2003, S. 17.
Vgl. Levermann/Rathsmann/Schwanitz 2002, S. 331.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
9
Abbildung 3: Vertriebsprozesse im Mehrkanalsystem
Quelle: In Anlehnung an Schwanitz/Ahr 2002.
Lösungsanforderung: Zentrale Anforderung an die Controlling-Verantwortlichen in den Banken muss es deshalb sein, Struktur und Strategie des Mehrkanalvertriebs insbesondere die
Tatsache einer kanalübergreifenden Kundenbedienung in die Vertriebssteuerung zu integrieren und ein multikanalorientiertes Kostenrechnungssystem zu entwickeln.39 Aufgabe der Kotenrechnung ist es, die differenzierten Kostenstrukturen im Mehrkanalvertrieb zu erfassen und
Vertriebsprozesse auf den einzelnen Kanälen mit Standardkosten zu bewerten, um auf diese
Weise eine kanalspezifische Erfolgskalkulation zu ermöglichen sowie eine kanalspezifische
Preisdifferenzierung zu fundieren. Voraussetzung dafür ist ein prozessorientiertes Kostenrechnungssystem, das auf einer kanalübergreifenden Produkt- und Leistungsanalyse aufsetzt.
Auf diese Weise können kanalspezifische Standardkosten nicht nur für einzelne Produkte,
sondern für Teilprozesse ermittelt werden.40
In diesem Abschnitt wurden die Problemstellungen im Zusammenhang mit der Vertriebssteuerung i.w.S. aufgezeigt, welche die Themenbereiche Preispolitik, Anreiz- und Vertriebskalkulation umfasst. Wie in Abbildung 1 aufgezeigt, schliesst die Vertriebssteuerung auch Vertriebskennzahlensysteme mit ein. Diese stellen in der vorliegenden Arbeit die Vertriebssteuerung i.e.S. dar. Die zugehörigen Problemstellungen werden im nachfolgenden Abschnitt 1.1.3
erörtert.
1.1.3 Vertriebssteuerungssystem i.e.S.
Abschliessend wird hier auf die Vertriebssteuerung i.e.S. eingegangen, unter welcher die
Kennzahlensteuerungssysteme verstanden werden. Analog zum vorherigen Abschnitt werden
die in Bezug auf den Mehrkanalvertrieb relevanten Problemstellungen erörtert und Lösungs-
39
40
Bartmann et al. 2003, S. 17.
Wild/Wimmer 2004, S. 37.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
10
anforderungen formuliert. Die Probleme werden in die folgenden Kategorien eingeteilt: Entwicklungsprozess41, Inhaltsdefinition42 und Messmethode43.
Entwicklungsprozess/Inhaltsdefinition: Unzureichender Bezug zu strategischen Zielsetzungen (vertikale Integration)
Problemstellung: Im Zusammenhang mit Kennzahlensteuerungssystemen ist für Unternehmen eine der grössten Schwierigkeiten zu bestimmen, welche der unzähligen Kennzahlen
beobachtet werden sollen. Viele Manager glauben, sie hätten dieses Problem durch die Einführung eines Kennzahlensystems wie der Balanced Scorecard gelöst. Mit diesem Ansatz
werden solche Systeme als Standardchecklisten oder -verfahren missverstanden, die universell anwendbar und allumfassend sind.44
Die Anwendung eines derartigen Systems allein ermöglicht es den Firmen jedoch nicht herauszufinden, welche Leistungsbereiche – und welche Treiber – die finanziellen Ergebnisse
des Unternehmens am stärksten beeinflussen. Unternehmen definieren Leistungsindikatoren
meist losgelöst von den strategischen Zielsetzungen. Kausalmodelle (auch Werttreibermodelle genannt), welche plausible Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den gewählten Treibern des strategischen Erfolgs und den Ergebnissen darstellen, werden oft nicht berücksichtigt.45 In diesem Zusammenhang wird oft von einer „Implementierungslücke“46 gesprochen.
Lösungsanforderung: Wichtige strategische Inhalte müssen in die operative Planung eingehen, um die effektive Umsetzung sicher zu stellen. Die strategischen Zielsetzungen müssen
auf die einzelnen Vertriebskanäle heruntergebrochen und in die Zielvorgaben der Mitarbeiter
eingebunden werden.
Aussagen aus der Praxis wie „You get what you inspect not what you expect“47 oder „Tell me
how you measure me and I’ll tell you how I’ll behave“48 unterstreichen, dass Zielsysteme –
insbesondere im Verkauf – die Umsetzung der Strategie massgeblich beeinflussen. Fehlt eine
solche vertikale Abstimmung, so besteht die Gefahr einer mangelhaften Umsetzung der konzeptionellen Überlegungen.49
41
42
43
44
45
46
47
48
49
Unter Problemen in Bezug auf den Entwicklungsprozess werden in dieser Arbeit Mängel verstanden, welche
vor dem Hintergrund des strategischen Managementprozesses betrachtet werden. Es handelt sich somit um
Probleme, deren Ursachen auf den mangelhaften Entwicklungprozess des Kennzahlensystems zurückzuführen sind.
Unter Problemen in Bezug auf die Inhaltsdefinition werden in dieser Arbeit Mängel verstanden, welche sich im
Inhalt bzw. in den Zieldimensionen und Messgrössen manifestieren. Die Dimensionen des Kennzahlensystems sind dabei u.a. durch eine unzureichende Problemadäquanz, mangelhafte Zweckorientierung und Unvollständigkeit gekennzeichnet.
Unter Problemen in Bezug auf die Messmethode werden in dieser Arbeit Mängel verstanden, welche mit einer
unzweckmässigen Wahl des Kennzahlensystemdesigns oder anderen konzeptionellen Schwächen zusammenhängen und einen Einfluss auf die Validität und Reliabilität von Kennzahlensystemen haben.
Vgl. Larcker/Ittner 2004, S. 71.
Vgl. Larcker/Ittner 2004, S. 72.
Horvath P. 1998, S. 11.
Neely 1998, S. 85.
Neely 1998, S. 85.
Vgl. Horvath P. 1998, S. 11.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
11
Entwicklungsprozess/Inhaltsdefinition: Unzureichende Integration der Kennzahlensysteme (horizontale Integration)
Problemstellung: Das Marketingcontrolling hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt und
differenziert. Allerdings kann man bisher keinesfalls von einem geschlossenen System sprechen. Vielmehr ist insbesondere das operative Marketingcontrolling geprägt von Suboptimierungen auf der Ebene einzelner Instrumente, Produkte und/oder Kunden.50 Die unzureichende Integration manifestiert sich auch bei Kennzahlensystemen im Mehrkanalvertrieb von Retail-Banken. Ohne eine zentrale Koordination entwickeln die einzelnen Vertriebskanäle differenzierte Führungssysteme mit spezifischen Steuerungsdimensionen und Kennzahlen. Auf
der Geschäftsfeldebene erschwert diese Vorgehensweise die zielgerichtete Steuerung des
gesamten Mehrkanalvertriebs, da die Aggregation der kanalspezifischen Kennzahlen beinahe
unmöglich ist.
Lösungsanforderung: Um den Mehrkanalvertrieb dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit
steuern zu können, ist ein geeignetes Kennzahlensteuerungssystem zu entwerfen. In erster
Linie ist es dessen Aufgabe, die zentrale Vertriebsstrategie der Bank über die einzelnen Geschäfts- und Produktbereiche auf die Vertriebseinheiten bzw. Kanäle herunterzubrechen.51
Die Strategieaussagen zu Produkten, Marktsegmenten, Positionierung und Vertriebszielen
müssen dabei aufeinander abgestimmt sein (vertikale Integration). Somit ist es in zweiter Linie
notwendig, eine horizontale Integrität des Kennzahlensystems sicher zu stellen. Dies bedeutet, dass die Erfolgsmassstäbe bzw. die Kennzahlen für die dezentralen Organisationstypen
und ihre Anreizsysteme so gewählt werden, dass eine Zielkomplementarität zwischen den
einzelnen Vertriebskanälen und der Gesamtbank erreicht wird.52
Entwicklungsprozess/Inhaltsdefinition: Unzureichende Geschäftsprozessorientierung
Problemstellung: Seit mehreren Jahren ist unstrittig, dass Unternehmen den Herausforderungen eines dynamischen Wettbewerbs leichter begegnen können, wenn sie geschäftsprozessorientiert arbeiten und über geeignete Controllinginstrumente bzw. Kennzahlensteuerungssysteme verfügen. Zur Überprüfung der konsequenten Ausrichtung an Geschäftsprozessen liegt
die Ermittlung und Verwendung von Prozesskennzahlen nahe.53 Aktuelle Kennzahlensysteme
orientieren sich jedoch primär an der organisatorischen Struktur des Vertriebs und nicht an
kanalübergreifenden Geschäftsprozessen.
Lösungsanforderung: Um die zwischen Prozesskennzahlen bestehenden Interdependenzen
dennoch darstellen und bei unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigen zu können,
muss ein Werkzeug zur Verfügung stehen, mit dem einerseits ein aktuelles Bild der Position
und der Leistungsfähigkeit der Gesamtorganisation oder einzelner Teile gewonnen werden
kann. Andererseits sollen Fehlentwicklungen dadurch rechtzeitig erkannt oder – im Idealfall –
ganz vermieden werden können.54
50
51
52
53
54
Vgl. Reinecke 2004, S. 5.
Vgl. Bartmann et al. 2003, S. 233.
Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer 2004, S. 407.
Vgl. Knoll 2001, S. 217.
Vgl. Knoll 2001, S. 79.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
12
Inhaltsdefinition/Messmethode: Einseitige Wahl der Kennzahlendimensionen
Problemstellung: Die meisten der in der Praxis eingesetzten betriebswirtschaftlichen Kennzahlensysteme überbetonen finanzielle und operative Kennzahlen, die häufig vergangenheitsorientiert sind.55 Sie missachten dabei nichtfinanzielle Leistungsbereiche, die entscheidend für die Umsetzung der gewählten Strategie sind.56
Lösungsanforderung: Eine der berechtigten Forderungen lautet daher, den ausschliesslichen
Blick auf die finanziellen Ergebnisse abgeschlossener Perioden um zusätzliche, in die Zukunft
gerichtete Perspektiven zu ergänzen.57 Im Zentrum der betriebswirtschaftlichen Diskussion
steht bereits seit einiger Zeit die Erweiterung der finanzwirtschaftlich geprägten Unternehmenssteuerungssysteme um „weiche“ Faktoren.58 Diese Perspektiven beinhalten v.a. Kundenzufriedenheit, die Effizienz interner und die Anbindung externer Prozesse sowie insbesondere die Leistung und Entwicklung der Vertriebsmitarbeiter.
Inhaltsdefinition/Messmethode: Mangelnde Aussagekraft durch ungenaue Messungen
Problemstellung: Die Aussagekraft von Kennzahlenmessungen ist oft beschränkt. Der Grund
ist die Art und Weise, wie Faktoren gemessen werden. Eine Untersuchung59 zeigte auf, dass
die Mehrheit von Unternehmen Massstäbe anwendet, die jeglicher statistischen Gültigkeit
(Validität) und Zuverlässigkeit (Reliabilität) entbehren. Mit Gültigkeit ist hierbei das Ausmass
gemeint, in dem ein Massstab erfolgreich das erfasst, was er erfassen soll. Die Zuverlässigkeit drückt den Grad aus, in dem Messmethoden tatsächliche Leistungsveränderungen widerspiegeln und nicht selbst Fehler verursachen.60
Lösungsanforderung: Firmen müssen herausfinden, welche Leistungsbereiche und welche
Treiber die finanziellen Ergebnisse des Unternehmens am stärksten beeinflussen. Dabei sollen Leistungsindikatoren in Bezug auf die strategischen Zielsetzungen identifiziert und in Kausalmodellen (Validität) mit plausiblen Ursache-Wirkungs-Beziehungen dargestellt werden.61
Ferner müssen Firmen methodisch und instrumental sicherstellen, dass die relevanten Faktoren genau gemessen werden (Reliabilität).
1.1.4 Fazit und Implikationen
In den vorangehenden Abschnitten wurden für die drei Themenbereiche Vertriebsorganisation, Vertriebssteuerung i.w.S. und Vertriebssteuerung i.e.S. die zentralen Problemstellungen
und Lösungsanforderungen aus Sicht der Bankpraxis beschrieben. In Abbildung 4 werden
diese Erkenntnisse zusammengefasst.
55
56
57
58
59
60
61
Vgl. Reinecke 2004, S. 6.
Vgl. Larcker/Ittner 2004, S. 72.
Vgl. Brunold/Sievi/Wegner 2004, S. 403.
Vgl. Brunold/Sievi/Wegner 2004, S. 404.
Larcker/Ittner 2004, S. 74.
Vgl. Larcker/Ittner 2004, S. 72.
Vgl. Larcker/Ittner 2004, S. 74.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
13
Themenbereich
Problemstellung
Lösungsanforderung
Vertriebsorganisation
! Fehlende Konformität zwischen Vertriebsstrategie
und Organisationsform
! Integration der neuen Vertriebskanäle in das Center-Konzept
! Vertriebsstrategiekonforme Wahl
des Organisationstyps pro Vertriebskanal
! Unklarheiten bezüglich des ! Herstellung eines internen Fits:
Wettbewerbs zwischen den
Koordination der Aufgaben der
Kanälen
Vertriebskanäle
Vertriebssteuerung
i.w.S.
Vertriebssteuerung
i.e.S.
! Offene Fragen in der
Preispolitik
! Implementierung einer kanalübergreifenden Preispolitik
! Fehlende Zielkomplementarität der internen Anreizsysteme
! Einführung von kanalübergreifenden und zielkomplementären Anreizsystemen
! Mangelnde Prozess- und
Mehrkanalorientierung in
der Vertriebskalkulation
! Einführung einer prozessorientierten und kanalübergreifenden Sicht des Vertriebs
! Ermittlung der Standardkosten
pro Vertriebskanal
! Unzureichender Bezug zu
strategischen Zielsetzungen (vertikale Integration)
! Herunterbrechen von strategischen Zielsetzungen auf einzelne Vertriebskanäle
! Unzureichende Integration
der Kennzahlensysteme
(horizontale Integration)
! Sicherstellung einer kanalübergreifenden Zielkomplementarität
! Unzureichende Geschäftsprozessorientierung
! Einführung einer geschäftsprozessorientierten Sicht bzw.
Kennzahlen
! Einseitige Wahl der Kennzahlendimensionen
! Berücksichtigung von zukunftsorientierten Kennzahlendimensionen
! Berücksichtigung von nichtfinanziellen Kennzahlen
! Mangelnde Aussagekraft
durch ungenaue Messungen
! Verständnis von UrsacheWirkungs-Beziehungen
! Ermittlung von zentralen Treibergrössen
Abbildung 4: Problemstellungen und Lösungsanforderungen im Überblick
Quelle: Eigene Darstellung.
Die in Abbildung 4 aufgeführten Problemstellungen und Lösungsanforderungen werden in
Abschnitt 1.2 den aktuellen Ergebnissen der Forschung gegenübergestellt, um daraus den
Forschungsbedarf ableiten zu können.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
14
1.2 Ergebnisse aus der Forschung
Das Distributionsmanagement ist seit vielen Jahren ein zentrales Thema in Praxis und Forschung. Schögel62 stellte 1997 fest, dass das Management von Mehrkanalsystemen in der
Marketingforschung bisher nur eine geringe Bedeutung findet. Multichannel-Management ist
kein kurzlebiges Modethema, sondern eine anspruchsvolle Langzeitherausforderung sowohl
für die Fachabteilungen als auch für das Topmanagement von Unternehmen aller Branchen.63 Trotz der hohen Praxisrelevanz sind derzeit v.a. Beiträge aus Fachzeitschriften zu
finden. Im Bereich der Marketingforschung konnte die Forschungslücke in den letzten Jahren
noch nicht geschlossen werden.
In den vergangenen Jahren hat sich die Situation in der Forschung nicht markant geändert.
Gegenüber der Forschung finden sich in der Fachpresse jedoch zahlreiche Beiträge, welche
sich unterschiedlichen Themenbereichen des Multichannel-Managements widmen. Inhaltlich
werden dabei hauptsächlich folgende Problemstellungen diskutiert: die Gestaltung von Mehrkanalvertriebssystemen64, die Integration traditioneller und alternativer Vertriebskanäle65, der
Umgang mit Kanalkonflikten66, die Entwicklung von Mehrkanalvertriebsstrategien67 und innovativer Geschäftsmodelle68, Kundenverhalten und Kundenorientierung69 sowie Vertriebssteuerung70.
In Abschnitt 1.1 wurden die Problemstellungen aus der Bankpraxis im Zusammenhang mit
der Umsetzung einer filialzentrierten Mehrkanalstrategie anhand der drei Themenbereiche
Vertriebswegeorganisation, Vertriebssteuerung i.w.S. und Vertriebssteuerung i.e.S. erörtert.
Die Analyse der Problemstellungen und Lösungsanforderungen wurde dabei bewusst breit
und tief gestaltet, um ein eingehendes Verständnis der zahlreichen Abhängigkeiten zu gewährleisten. Bevor im Abschnitt 1.3 der Forschungsbedarf abgeleitet wird, zeigen die Abschnitte 1.2.1 bis 1.2.3 die bisherigen Forschungsergebnisse zu den Themen Vertriebswegeorganisation, Vertriebssteuerung i.e.S. und Vertriebssteuerung i.w.S. auf.
1.2.1 Vertriebswegeorganisation
Im Bereich Vertriebswegeorganisation existieren Publikationen aus den siebziger Jahren,
welche hauptsächlich auf die Existenz von Mehrkanalsystemen hinweisen71 und ihre wachsende Bedeutung für den Vertrieb hervorheben72. Ende der achtziger Jahre untersucht Co-
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
Schögel 1997.
Vgl. Merx/Bachem 2004, S. 8.
CambrigdeTechnologyPartners 2001; Schramm 2003.
Bullinger 2001; Sexauer 2001; Passenheim 2003; Homburg/Schäfer/Scholl 2002.
Holmsen et al. 1998.
Yulinsky 2000; Engstler 2002; Wittkamp 2002; Grimm/Röhricht 2003; Schimmer/Wild/Wimmer 2004;
Wimmer/Schimmer 2004; Nirschl/Schimmer/Wild 2004.
Fischer 2000; Bachem 2003.
Jacob/Klenk 2001; Risch/Lintner 2001; Diebold 2002; Gronover/Senger/Riempp 2002; Schwanitz/Ahr 2002.
Levermann/Rathsmann/Schwanitz 2002; Schwanitz 2001; Schwanitz/Ahr 2002; Bernhardt/Hofferbert-Junge
2004; Wild/Wimmer 2004; Bartmann et al. 2003; Keser/Pankrath/Marker 2004.
Vgl. z.B. Mallen 1977.
Vgl. z.B. Weigand 1977.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
15
rey73 das Problem Multichannel Marketing. Er betrachtet insbesondere die Frage, wie sich in
einem Mehrkanalsystem die Aufgaben der einzelnen Kanäle bündeln oder trennen lassen.
Etwas später erarbeitet Corey mit Cespedes74 situativ ausgerichtete Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen und weist dabei auf die spezifischen Herausforderungen für das Distributionsmanagement hin.
Anfangs der neunziger Jahre befassen sich Moriarty und Moran75 mit dem MultichannelManagement und diskutieren dabei v.a. Ansätze zur effizienten und effektiven Gestaltung des
Vertriebssystems unter Berücksichtigung organisatorischer Aspekte. Ihre Ergebnisse beinhalten wichtige Anhaltspunkte für das Management von Mehrkanalsystemen.
Schögel76 setzt sich etwas später im Rahmen seiner Dissertation eingehend mit Mehrkanalsystemen in der Distribution auseinander. Er erarbeitet ein branchenunabhängiges Entscheidungsmodell mit Handlungsalternativen für das Management von Mehrkanalsystemen. Die
Forschungsergebnisse enthalten wichtige Ansätze für die Gestaltung und Führung einer
Mehrkanalvertriebsorganisation.
Gronover77 verfasst eine Dissertation zum Thema Multichannel-Management und nimmt Bezug auf den Retailbereich der Finanzdienstleistungsbranche. Ziel ihrer Forschungsarbeit ist,
Gestaltungsempfehlungen zu entwickeln, welche die Rentabilität der Kundenbeziehungsprozesse über verschiedene Kanäle steigern. In ihrer Arbeit untersucht sie auch vertriebsorganisatorische Aspekte und erarbeitet diverse Gestaltungsansätze.
In ihrer Dissertation befasst sich Schmidt78 mit dem Verhalten von Kunden in Mehrkanalvertriebssystemen. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit sind ein Erklärungsmodell für das Kanalwahlverhalten von Kunden in der Reisebranche sowie Gestaltungsempfehlungen für die
Vertriebskanäle bzw. deren Organisation.
Dahmen79 setzt sich in seiner Dissertation mit Mehrkanalvertriebsstrategien auseinander. Er
analysiert die internen und externen Dimensionen einer solchen Strategie. Das zentrale Resultat ist ein Entscheidungsmodell für das Design und die Umsetzung von Mehrkanalvertriebstrategien. Bei diesem Entscheidungsmodell werden am Rande auch Aspekte der Vertriebswegeorganisation berücksichtigt.
Abbildung 5 zeigt die Erkenntnisse der dargestellten wissenschaftlichen Arbeiten mit ihren
zentralen Ergebnissen im Überblick.
73
74
75
76
77
78
79
Corey/Cespedes/Rangan 1989.
Cespedes/Corey 1990.
Moriarty/Moran 1991.
Schögel 1997.
Gronover 2003.
Schmidt 2004.
Dahmen 2004.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
16
Autoren
Untersuchungsart /
Publikationstyp
Branche/
Sektor
Mallen 1977
Modellrechnungen zu Allgemein
Kosten unterschiedlicher Funktionsverteilungen
Mehrkanalsysteme als
Chance zur Senkung der
Distributionskosten
Weigand 1977
Erfahrungsbericht,
Fallbeispiele
Allgemein
Ausrichtung der Vertriebskanäle an die Bedürfnisse
unterschiedlicher Kundengruppen
Weinhold 1988
Konzeptionelle
Allgemein
Grundlagen auf Basis
von Erfahrungswerten
Ansatz der differenzierten
Distribution
Corey/Cespedes/Rangan Umfangreiche FallIndustrie
1989
forschung zum Distributionsmanagement
Thema /
Ergebnisse
Organisation der Kanäle
Cespedes/Corey 1990
Vergleichende Fallstudien
Allgemein
Aufgabenverteilung in
Mehrkanalsystemen
Moriarty/Moran 1991
Erfahrungsberichte,
Fallstudie
Allgemein
Ansätze zur effektiven und
effizienten Gestaltung der
Distributionskanäle
Schögel 1997
Dissertation
Allgemein
Entscheidungsmodell mit
Handlungsalternativen für
das Management von
Mehrkanalsystemen
Gronover 2003
Dissertation
Bank
Gestaltungsempfehlungen
zur Steigerung der Rentabilität der Kundenbeziehungsprozesse
Schmidt 2004
Dissertation
Reisebranche
Erklärungsmodell für das
Kanalwahlverhalten und
Gestaltungsempfehlungen
für Vertriebskanäle
Dahmen 2004
Dissertation
Bank
Entscheidungsmodell für
das Design und die Umsetzung von Mehrkanalvertriebsstrategien
Abbildung 5: Relevante Forschungsergebnisse zur Vertriebswegeorganisation
Quelle: Eigene Darstellung.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
17
Fazit: Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Vertriebswegeorganisation im Kontext von
Mehrkanalsystemen in wissenschaftlichen Arbeiten thematisiert wurde. Die meisten Erkenntnisse sind branchenunabhängig und leisten daher nur bedingt einen Lösungsbeitrag für die in
Abschnitt 1.1 erörterten Problemstellungen aus der Bankpraxis.
Es kann daher festgestellt werden, dass in Bezug auf spezifische Problemstellungen im Bereich der Vertriebswegeorganisation Forschungsbedarf besteht.
1.2.2 Vertriebssteuerungssystem i.w.S.
Die Anforderungen an die Vertriebssteuerung haben in den letzten Jahren durch die Etablierung von Mehrkanalvertriebssystemen zugenommen. In diesem Zusammenhang finden sich
zahlreiche Arbeiten, welche direkt oder indirekt einen Beitrag zu den unterschiedlichen Problemstellungen leisten:
Sandbiller80 entwarf für die Unternehmenssteuerung von Universalbanken einen Ansatz, welcher zur unternehmungsinternen Koordination dezentraler Aktivitäten beitragen soll. Ziel des
Koordinationsmodells ist, über einen internen Markt die knappe Ressource Eigenkapital in die
Geschäftsbereiche zu lenken, die den höchsten Erfolgsbeitrag versprechen.
Das von Buhl/Klein/Sandbiller81 entwickelte Konzept zeigt einen Ansatz auf, wie zusätzliche,
bisher nicht berücksichtigte, marktliche Knappheitsinformationen in die bestehenden Steuerungskonzepte zu integrieren sind. Dies soll zu einer verbesserten Allokation knapper Ressourcen im Bankbetrieb führen und damit eine marktorientierte(re) Unternehmensführung unterstützen.
Schögel82 erarbeitet in seiner Dissertation ein branchenunabhängiges Entscheidungsmodell
mit Handlungsalternativen für das Management von Mehrkanalsystemen. In seinem Modell
werden auch unterschiedliche Konditionensysteme zur kanalübergreifenden Koordination
vorgestellt. Schögel macht dabei die Wahl des Konditionensystems von der angestrebten
Konfiguration des Mehrkanalsystems abhängig.
Skiera83 zeigt in seiner Habilitation auf, wie für Dienstleistungen eine optimale mengenbezogene Preisdifferenzierung vorgenommen werden kann. Die Anwendbarkeit der vorgeschlagenen Analyseverfahren auf konkrete Probleme in der Unternehmenspraxis wird durch drei empirische Studien verdeutlicht. Zudem untersucht er, wie die mengenbezogene Preisdifferenzierung mit anderen Formen derselben – z.B. der zeit- oder leistungsbezogenen Differenzierung – kombiniert werden kann.
Voegelin84 entwickelt ein konzernweites Konzept, mittels welchem die verschiedenen Kostenund Erlösquellen im Betriebs- und Wertbereich adäquat erfasst und gesteuert werden können.
Die erarbeitete Verrechnungskonzeption berücksichtigt neoinstitutionelle Aspekte und leistet
einen Beitrag zur effektiven Umsetzung einer wertorientierten Banksteuerung.
80
81
82
83
84
Sandbiller 1995.
Buhl/Klein/Sandbiller 1996.
Schögel 1997.
Skiera 1999.
Voegelin 1999.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
18
Im Zusammenhang mit einer wertorientierten Unternehmenssteuerung entwickeln Dzienziol/Schroeder/Wolf85 einen Ansatz, welcher auf dem Kundenwert basiert. Im Fokus des Beitrags steht der Wert von Kundenbeziehungen. Gerade für Unternehmen, deren Geschäftsgrundlage vorrangig auf immateriellen Wirtschaftsgütern basiert, ermöglicht die Berücksichtigung und aktive Steuerung des Kundenbeziehungswerts eine Einflussnahme auf den Unternehmenswert.
Dzienziol86 erarbeitet in einem Diskussionspapier für Finanzdienstleister ein mikroökonomisches Modell für Preisstrategien in Mehrkanalvertriebssystemen. Die gewinnmaximierenden
Preisstrategien berücksichtigen die kanal- bzw. produktspezifischen Zahlungsbereitschaften,
Cross-Selling-Abhängigkeiten zwischen den Kanälen sowie deren Grenzkosten.
In ihrer Dissertation erarbeitet Rudolf-Sipötz87 ein Modell, welches die zahlreichen Facetten
des Konstruktes Kundenwert beinhaltet. Eine der zentralen Aussagen ihrer Arbeit ist, dass
Kunden als Unternehmensasset zu betrachten sind und die neue Zielgrösse im wertorientierten Marketingmanagement darstellten.
In ihrem Diskussionspapier befassen sich Faisst et al.88 mit der Leistungssteuerung bei Mehrkanal-Retailbanken. Im Beitrag wird ein Modell entwickelt, welches die Entscheidung über die
Hinzunahme einer Leistung über einen zusätzlichen Kanal unterstützen soll und den dabei
optimalen Preis für diese Leistung bestimmt. Das Modell bietet einen Vergleich über die Effekte zentraler und dezentraler Steuerungsansätze und präsentiert Anforderungen für deren Umsetzung.
Der Beitrag von Buhl/Kreyer/Schroeder89 zielt darauf ab, optimale Regeln für Investitionsentscheidungen in Mehrkanalunternehmen aufzuzeigen. Neben Methoden zur Optimierung der
Gesamtinvestitionssumme werden auch Ansätze zur Entscheidung über die optimale Aufteilung eines gegebenen Budgets vorgestellt, welche auf Ideen aus der Marketing-Literatur aufbauen.
In seiner Dissertation entwickelt Dahmen90 ein Entscheidungsmodell für das Design und die
Umsetzung von Mehrkanalvertriebsstrategien. Der Fokus des Modells liegt v.a. bei der konzeptionellen Erarbeitung von Strategien unter Berücksichtigung interner und externer Dimensionen.
Abbildung 6 zeigt die Erkenntnisse der dargestellten wissenschaftlichen Arbeiten mit ihren
zentralen Ergebnissen im Überblick.
85
86
87
88
89
90
Dzienziol/Schroeder/Wolf 2001.
Dzienziol et al. 2001.
Rudolf-Sipötz 2001.
Faisst et al. 2003.
Buhl/Kreyer/Schroeder 2004.
Dahmen 2004.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
19
Autoren
UntersuchungsBranche /
art/Publikationstyp Sektor
Thema /
Ergebnisse
Sandbiller 1995
Diskussionpapier
Bank
Ansatz zur unternehmungsinternen Koordination dezentraler Aktivitäten
Buhl/Klein/Sandbiller
1996
Diskussionpapier
Bank
Betriebswirtschaftliches Steuerungskonzept zur marktorientierten Bankgeschäftssteuerung
Schögel 1997
Dissertation
Allgemein
Entscheidungsmodell mit Handlungsalternativen für das Management von Mehrkanalsystemen
Skiera 1999
Habilitation
Dienstleistungen
Ansatz zur mengenbezogenen
Preisdifferenzierung bei Dienstleistungen
Voegelin 1999
Dissertation
Bank
Verrechnungskonzeption zur
wertorientierten Banksteuerung
Dzienziol/Schroeder/Wolf
2001
Diskussionspapier
Allgemein
Ansatz zur kundenwertorientierten Unternehmungssteuerung
Dzienziol et al. 2001
Diskussionspapier
Bank
Mikroökonomisches Modell für
Preisstrategien in Mehrkanalvertriebssystemen
Rudolf-Sipötz 2001
Dissertation
Allgemein
Lösungsansatz zur Integration
der zahlreichen Facetten eines
ganzheitlichen Kundenwertes in
einem Modell
Faisst et al. 2003
Diskussionspapier
Bank
Modell zur Leistungssteuerung
und optimalen Preissetzung in
Mehrkanalvertriebssystemen
Buhl/Kreyer/Schroed
er 2004
Diskussionspapier
Allgemein /
Bank
Modell zur kanalübergreifenden Optimierung von
Vertriebsinvestitionen
Dahmen 2004
Dissertation
Versicherung Entscheidungsmodell für das
Design und die Umsetzung von
Mehrkanalvertriebsstrategien
Abbildung 6: Relevante Forschungsergebnisse zum Vertriebssteuerungssystem i.w.S.
Quelle: Eigene Darstellung.
Fazit: Im Themenbereich Vertriebssteuerung i.w.S. finden sich verschiedene wissenschaftliche Arbeiten, welche – direkt oder indirekt – wertvolle Erkenntnisse im Zusammenhang mit
den Problemstellungen in Abschnitt 1.1 liefern. Viele der Beiträge sind auf die Bankbranche
ausgerichtet und fokussieren auf ganz spezifische Problemstellungen der Vertriebssteuerung.
Hinsichtlich der Umsetzung einer filialzentrierten Mehrkanalvertriebsstrategie vermögen die
meisten Beiträge jedoch übergreifende Zusammenhänge zwischen Preispolitik, Anreizsystemen und Kostenrechnung nicht genügend zu berücksichtigen.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
20
Es kann daher festgestellt werden, dass in Bezug auf die Problemstellungen im Bereich Vertriebssteuerung i.w.S. ebenfalls Forschungsbedarf besteht.
1.2.3 Vertriebssteuerungssystem i.e.S.
Im Gegensatz zu den vorangehenden Themenbereichen gibt es zu Vertriebskennzahlensystemen bzw. Vertriebssteuerungssystemen i.e.S. weniger wissenschaftliche Beiträge, welche
Bezug zu den in Abschnitt 1.1.1 aufgeführten Problemstellungen nehmen.
Reinecke91 überprüft in seiner Habilitation zahlreiche betriebswirtschaftliche Kennzahlensysteme anhand klar definierter Gütekriterien hinsichtlich ihrer Eignung für Marketing und Verkauf. Er analysiert den Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Marketingkennzahlen und
betriebswirtschaftlichem Erfolg und präsentiert Handlungsanweisungen zur Entwicklung eines
theoretisch fundierten, empirisch abgestützten Marketing Performance-ManagementSystems. Dabei werden die Kenngrössen in den Prozess der strategischen Marketingplanung
sowie in das Reporting eingebunden. Ein wesentliches Fundament bildet der aufgabenorientierte Ansatz, der vier zentrale Aufgaben einer marktorientierten Unternehmensführung unterscheidet: Kundenakquisition, Kundenbindung, Leistungsinnovation und Leistungspflege.
Im Rahmen der Umsetzung von Mehrkanalvertriebsstrategien erörtert Dahmen92 Grundsätze
der finanziellen Steuerung. Er geht dabei kurz auf den Zusammenhang zwischen dem Organisationstyp93 und der Vertriebsstrategie ein. Schliesslich leitet er fünf generische Key Performance Indicators (KPIs) ab und weist darauf hin, dass Kennzahlen von Vertriebsstrategie und
-zielen abgeleitet werden müssen.
Djukanov et al.94 untersuchen in ihrem Artikel die Einsatzmöglichkeiten der Balanced Scorecard für eine wertorientierte und kennzahlengestützte Vertriebssteuerung im Privatkundengeschäft. Dieser Beitrag liefert wertvolle Anhaltspunkte für die kennzahlengestützte Steuerung
des Mehrkanalvertriebs.
Wild und Wimmer95 diskutieren in ihrem Artikel die notwendigen Anpassungen der gewachsenen Controlling-Systeme an den Mehrkanalvertrieb. Sie vertreten die Ansicht, dass diese
Systeme nicht ohne organisatorische Änderungen bei der Vertriebsorganisation und steuerung auskommen. In diesem Beitrag werden wichtige Sachzusammenhänge zwischen
Vertriebsorganisation und -steuerung aufgezeigt.
Nirschl, Schimmer und Wild96 erörtern in ihrem Forschungsbericht unterschiedliche Vertriebsstrategien im Retailbanking und die Anforderungen an eine erfolgreiche Umsetzung. Als zentrale Handlungsfelder identifizieren sie den Aufbau eines kennzahlenbasierten Monitoringsystems für den Mehrkanalvertrieb, eine wissensbasierte Beratung und ein kanalübergreifendes Kundenmanagement.
91
92
93
94
95
96
Reinecke 2004.
Dahmen 2004.
Vgl. Abschnitt 1.1.
Djukanov et al. 2004.
Wild/Wimmer 2004.
Nirschl/Schimmer/Wild 2004.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
21
Abbildung 7 zeigt die Erkenntnisse der dargestellten wissenschaftlichen Arbeiten mit ihren
zentralen Ergebnissen im Überblick.
Autoren
Untersuchungsart / Branche/Sektor
Publikationstyp
Thema /
Ergebnisse
Reinecke 2004
Habilitation
Allgemein
Handlungsanweisungen für
die Entwicklung eines Marketingkennzahlensystems
Dahmen 2004
Dissertation
Versicherung Entscheidungsmodell für das
Design und die Umsetzung
von Mehrkanalvertriebsstrategien
Djukanov et al. 2004
Journal Artikel
Bank
Einsatz der Balanced Scorecard zur wertorientierten und
kennzahlengestützten Vertriebssteuerung im Privatkundengeschäft
Wild/Wimmer 2004
Journal-Artikel
Bank
Ansatz für ein MehrkanalVertriebscontrolling für Filialbanken
Nirschl/Schimmer/Wild
2004
Forschungsbericht
Bank
Vertriebsstrategien im Retailbanking und Konzepte für
deren erfolgreiche Umsetzung
Abbildung 7: Relevante Forschungsergebnisse zum Vertriebssteuerungssystem i.e.S.
Quelle: Eigene Darstellung.
Fazit: Im Themenbereich Vertriebssteuerung i.e.S. wurden bisher nur wenige wissenschaftliche Arbeiten geschrieben, deren Erkenntnisse zur Lösung der Problemstellungen von Abschnitt 1.1 ausreichen. Die inhaltlich wertvollen Beiträge von Djukanov et al.97, Wild/Wimmer98
und Nirschl/Schimmer/Wild99 liefern erste Ansätze für ein Vertriebssteuerungssystem i.e.S.
bzw. für ein Vertriebskennzahlensystem für den Mehrkanalvertrieb. Die Beiträge sind jedoch
relativ kurz und vermögen nicht, konkrete Gestaltungsanweisungen für die Bankpraxis abzugeben. Die meisten Beiträge heben jedoch klar hervor, dass der Handlungsbedarf in diesem Bereich gross ist.
Es kann daher festgestellt werden, dass im Zusammenhang mit Kennzahlensteuerungssystemen im Mehrkanalvertrieb weiterer Forschungsbedarf besteht.
1.2.4 Fazit und Implikationen
In den Abschnitten 1.1.1 bis 1.1.3 wurden unterschiedliche Problemstellungen im Zusammenhang mit dem Mehrkanalvertrieb von Retail-Banken erörtert. Die Problemstellungen wurden
dabei in die Themenbereiche Vertriebswegeorganisation, Vertriebssteuerungssystem i.w.S.
97
98
99
Djukanov et al. 2004.
Wild/Wimmer 2004.
Nirschl/Schimmer/Wild 2004.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
22
und Vertriebssteuerungssystem i.e.S. (Kennzahlensteuerungssystem) eingeteilt. Der Stand
der Forschung ist in den drei Problembereichen recht unterschiedlich. Während für die beiden
ersten verschiedene wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse vorhanden sind, gibt es im Bereich der Kennzahlensteuerungssysteme nur wenige Forschungsergebnisse.
1.3 Ableitung des Forschungsbedarfs
Aus der Gegenüberstellung der Probleme aus der Bankpraxis und der Erkenntnisse aus der
Forschung lässt sich folgender Forschungsbedarf ableiten:
In jedem der genannten Themenbereiche gibt es diverse Forschungsergebnisse, welche die
Problemstellungen aus der Bankpraxis thematisieren. Viele der diskutierten Lösungsansätze
sind innerhalb des jeweiligen Themenbereichs wertvoll, vernachlässigen aber oft übergreifende Sachzusammenhänge. Zudem vermögen die Beiträge im Kontext von Mehrkanalvertriebssystemen keine konkreten Gestaltungsempfehlungen zu liefern. Dieser Umstand manifestiert
sich v.a. im Bereich Vertriebssteuerung i.e.S. Die Entwicklung eines mehrkanalfähigen und
kennzahlenbasierten Steuerungssystems ist aufgrund der verschiedenen Abhängigkeiten zur
Vertriebswegeorganisation und Vertriebssteuerung i.w.S. relativ komplex. Die bisherigen Forschungsarbeiten haben sich mit diesen Abhängigkeiten noch zu wenig auseinander gesetzt.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an.
2. Zielsetzung der Arbeit
2.1 Zielsetzung und Nutzen
Ziel des Dissertationsprojektes ist die Erarbeitung einer Konzeption für ein integriertes Kennzahlensteuerungssystem. Dieses soll für die effiziente und effektive Steuerung des Mehrkanalvertriebs einer filialbasierten Retail-Bank geeignet sein und zu einer systematischen Steigerung des Vertriebserfolgs100 beitragen.
Abschnitt 1.1 zeigte die unterschiedlichen Problemstellungen und Abhängigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung einer filialzentrierten Mehrkanalvertriebsstrategie auf. Die Umsetzung dieser Strategie bzw. die zielgerichtete Steuerung des Mehrkanalvertriebs bedarf eines geeigneten Instrumentariums in Form eines Kennzahlensystems, welches die dargelegten Sachzusammenhänge und Abhängigkeiten berücksichtigt.
2.2 Herleitung der Forschungsfragen
Basierend auf der Zielsetzung der Arbeit werden in diesem Abschnitt die Forschungsfragen
definiert. Es wird dabei zwischen einer zentralen und zwei subsidiären Fragen unterschieden.
Zentrale Forschungsfrage
Wie muss ein integriertes Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb einer filialbasierten Retail-Bank konzeptionell erarbeitet und inhaltlich ausgestaltet werden, damit durch
100
Hesse/Huckemann 2002 definieren Erfolg generisch als den Grad der Zielerreichung. Eine genauere Definition von Vertriebserfolg erfolgt in Teil 2 dieser Arbeit.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
23
eine effiziente und effektive Steuerung des Vertriebssystems der Vertriebserfolg gesteigert
werden kann?
Subsidiäre Forschungsfragen
! Wie können die relevanten Ziel- und Steuerungsdimensionen eines integrierten Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb systematisch identifiziert werden (methodischer Aspekt)?
! Welches sind die relevanten Ziel- und Steuerungsdimensionen bzw. die zugehörigen
Messgrössen, welche für die integrierte Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems einer
filialbasierten Retail-Bank geeignet sind (inhaltlicher und struktureller Aspekt)?
2.3 Forschungsobjekt und Erkenntnisobjekt
Nachdem die Zielsetzung und die Forschungsfragen definiert sind, wird in diesem Abschnitt
kurz auf das Forschungs- und auf das Erkenntnisobjekt der Arbeit eingegangen. Abbildung 8
zeigt das Forschungsobjekt und Erkenntnisobjekt der vorliegenden Arbeit auf.
Forschungsobjekt:
=
Mehrkanalvertrieb von Retail-Banken
Erkenntnisobjekt:
=
Kennzahlensteuerungssystem
Abbildung 8: Forschungsobjekt und Erkenntnisobjekt
Quelle: Eigene Darstellung.
Ziel der Forschung ist die Erarbeitung eines integrierten Kennzahlensteuerungssystems für
den Mehrkanalvertrieb von Retail-Banken. Basierend auf dieser Zielsetzung ist das Forschungsobjekt der Mehrkanalvertrieb und das Erkenntnisobjekt ein Kennzahlensteuerungssystem.
2.4 Abhängige und unabhängige Variable
Die abhängige Variable einer wissenschaftlichen Arbeit ist jene Variable, an der die Wirkung
der Variation der unabhängigen Variable untersucht wird. Die unabhängige Variable ist jene
Variable, die variiert wird. Abbildung 9 zeigt die beiden Variablen im grösseren Kontext auf.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
24
Strategieaussagen zur Forcierung
von Produkten und Dienstleistungen
Erfolgsfaktor 1:
Einheitliche Aussagen
zur Vertriebsstrategie
Aussagen zur
Vertriebsstrategie
Strategieaussagen zu bearbeiteten
Marktsegmenten
Strategieaussagen über
Positionierungsziele
Strategieaussagen zur Zielerreichung von Vertriebsaktivitäten
Vertriebserfolg
Definition von
Verkaufsprozessen
Auf Erfolgsziffern aufbauendes,
detailliertes Vertriebscontrolling
Definition von Erfolgskennziffern
innerhalb der Verkaufsprozesse
Erfolgsfaktor 2:
Vertriebssteuerung/
-controlling
Erfassung von
Erfolgskennziffern
Unabhängige
Variable
Nutzung von
Erfolgskennziffern
Definition von Gütemassstäben zur
Erreichung von Erfolgskennziffern
Planung und Erfassung von
Kapazitätsbelastungen der
Prozesse
Abhängige Variable
Auf Erfolgsziffern aufbauendes,
detailliertes Vertriebscontrolling
Ableitung mitarbeiterindividueller
Anforderungsprofile aus den
Erfolgskennziffern
Abbildung 9: Abhängige und unabhängige Variablen des Dissertationsprojektes
Quelle: In Anlehnung an Hesse/Huckemann 2002, S. 86.
Ausgehend von der in Abschnitt 2.1 formulierten Zielsetzung ist der Vertriebserfolg die abhängige Variable der Forschungsarbeit. Die empirischen Untersuchungen von Hesse und
Huckemann101 zeigen auf, dass der Vertriebserfolg massgebend von zwei Erfolgsfaktoren
abhängig ist. Einerseits sind dies einheitliche Aussagen zur Vertriebsstrategie102 und andererseits zur Vertriebssteuerung/-controlling (Kennzahlensteuerungssystem). Letzteres stellt die
unabhängige Variable in dieser Arbeit dar.
2.5 Adressaten der Arbeit
Aufgrund der aktuellen Problemstellung richtet sich die vorliegende Dissertation sowohl an die
Wissenschaft wie auch an die Praxis. Die Hauptzielgruppe im Bereich der Wissenschaft sind
Forscher im Bereich der Marketingwissenschaft, welche sich mit dem Management von
Mehrkanalsystemen beschäftigen. Ferner sind die Forschungsergebnisse für Wissenschaftler
in den Bereichen Marketingplanung und –controlling sowie Performance-Management relevant.
Zur unmittelbaren Zielgruppe in der Praxis gehören die Verantwortlichen des Retail-Banking
Geschäftsbereichs innerhalb einer Bank, die Kanalverantwortlichen, Prozess-Management
Einheiten und zentrale Marketingeinheiten, die sich mit der Steuerung von Mehrkanalsystemen beschäftigen. In der Arbeit wird daher auf einen hohen Praxisbezug und die Realisierbarkeit der Konzepte grossen Wert gelegt.
101
102
Hesse/Huckemann 2002.
Eine genaue Definition von „einheitliche Aussagen zur Vertriebsstrategie“ erfolgt im Teil 2 dieser Arbeit.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
25
3. Aufbau der Arbeit
Anknüpfend an die bisherigen Überlegungen ist die Arbeit nach der Einführung in vier weitere
Teile gegliedert. Abbildung 10 stellt den Aufbau schematisch dar. Dieser Abschnitt beschreibt
das Ziel sowie den Inhalt jedes Teiles.
Teil 1:
Einführung
Teil 2:
Konzeptionelle Grundlagen
Teil 3:
Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem
Teil 4:
Idealtypische Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems
Teil 5:
Kritische Würdigung und Ausblick
Abbildung 10: Aufbau der Arbeit
Quelle: Eigene Darstellung.
Teil 2: Konzeptionelle Grundlagen
Im Teil 2 werden die konzeptionellen Grundlagen dieser Arbeit beschrieben. Ausgangspunkt
ist der theoretische Bezugsrahmen, welcher in Kapitel 1 beschrieben wird. Ziel dieses Teils
ist, die für die Entwicklung einer Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem relevanten
Ansätze vorzustellen und Implikationen herauszuarbeiten.
Teil 3: Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem
Nach der Erarbeitung der konzeptionellen Grundlagen werden in Teil 3 die Anforderungen an
ein Kennzahlensteuerungssystem herausgearbeitet. Dazu werden die in Teil 2 definierten
Implikationen konzeptionell verdichtet und strukturiert. Die Verdichtung und Strukturierung
erfolgt in Anlehnung an die in Teil 1 aufgeführten Problemstellungen.
Teil 4: Idealtypische Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems
Im Hauptteil dieser Arbeit wird eine idealtypische Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems entwickelt. Dies geschieht vor dem Hintergrund der in Teil 3 herausgearbeiteten Anforderungen und einer separaten103 Einzelfallstudie anhand des Segments Private Clients der
Credit Suisse.
Teil 5: Kritische Würdigung und Ausblick
Zum Abschluss der Arbeit werden die Forschungsergebnisse zusammengefasst und kritisch
gewürdigt. Dabei werden die Grenzen des Einsatzes von Kennzahlen und Kennzahlensystemen aufgezeigt sowie der weitere Forschungsbedarf konkretisiert.
103
Die Einzelfallstudie ist unter Verschluss und nur den Referenten und der Credit Suisse zugänglich.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
26
4. Theoretischer Bezugsrahmen
Anhand des theoretischen Bezugsrahmens wird in diesem Kapitel veranschaulicht, mit welchen wissenschaftlichen Disziplinen das Forschungsproblem gelöst und die Forschungsfragen beantwortet werden. Der Bezugsrahmen dient während des Forschungsprozesses als
Steuerungs- und Orientierungshilfe und bestimmt die theoretische Perspektive, mit welcher
die Realität betrachtet und sowohl gedanklich als auch sprachlich strukturiert wird.
Thema und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit weisen einen interdisziplinären Charakter auf,
da verschiedene betriebswirtschaftliche Forschungsgebiete, insbesondere der Marketingwissenschaft, der strategischen Managementforschung, der Organisationslehre sowie der Controllingwissenschaft vereint werden. In Abbildung 11 wird der theoretische Bezugsrahmen
skizziert.
Marketing
Strategisches Management
Dienstleistungsmarketing
Prozess des strategischen
Managements
Fachbereich
Teildisziplin
Betriebswirtschaftliche
Forschungsdisziplin
Distribution
Zielplanung und
Strategieimplementierung
Integrierte
Kennzahlensteuerungssysteme für den
Mehrkanalvertrieb
Kennzahlensysteme
Betriebswirtschaftliche
Kennzahlen
Controlling
Prozessmanagement
Ablauforganisation
Organisation
Abbildung 11: Theoretischer Bezugsrahmen – Übersicht der Forschungsdisziplinen
Quelle: Eigene Darstellung.
Der Bezugsrahmen wird in zwei Schritten dargelegt. Im ersten Schritt werden im Sinne eines
Überblicks die betriebswirtschaftlichen Forschungsdisziplinen sowie die relevanten Teildisziplinen und Fachbereiche durchleuchtet. Daraufhin werden die zentralen Aspekte und die konzeptionellen Ansätze innerhalb der jeweiligen Fachbereiche präsentiert.
1. Schritt: In der Disziplin Marketing wird aufgrund des Bankenfokus der Arbeit auf bestehende Konzepte der Teildisziplin Dienstleistungsmarketing zurückgegriffen. Innerhalb dieser Teildisziplin werden Ansätze aus dem Bereich Distribution im Hinblick auf ihren Lösungsbeitrag
zur vorliegenden Problemstellung analysiert.
Innerhalb der Disziplin strategisches Management ist die Teildisziplin Prozess des strategischen Managements relevant. Der Fokus liegt auf der Zielplanung und der Strategieimplementierung.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
27
Bei der Forschungsdisziplin Organisation sind zur Beantwortung der Forschungsfragen v.a.
Aspekte der Ablauforganisation relevant. Der Schwerpunkt liegt auf dem GeschäftsprozessManagement, welches vor dem Hintergrund der kanalübergreifenden Vertriebsprozesse ein
wichtiger Bezugspunkt ist.
In der Controllingwissenschaft stellt die Teildisziplin der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen
den theoretischen Bezug zum Forschungsproblem her. Eine einzelne, isoliert betrachtete
Kennzahl hat in komplexen Situationen nur eine sehr begrenzte Aussagefähigkeit. Im Hinblick
auf die vielschichtige Problemstellung dieser Arbeit liegt der Fokus daher auf Kennzahlensystemen.
2. Schritt: Schritt zwei erläutert pro Fachbereich die zentralen Aspekte und Ansätze, welche in
Abbildung 12 aufgeführt sind. Innerhalb der Distribution sind im Hinblick auf das Forschungsthema und –ziel zwei Aspekte relevant: die Konfiguration104 und die Koordination105 von
Mehrkanalsystemen im Vertrieb. Beide Aspekte wurden von Schögel106 in seinem Ansatz
bzw. Vorgehensmodell zum Management von Mehrkanalsystemen ausführlich erörtert und
werden in dieser Arbeit weiter vertieft.
Zielplanung und
Strategieimplementierung
Fachbereich
Distribution
Zentrale Aspekte:
Zentrale Aspekte:
! Konfiguration des Mehrkanalvertriebs
! Koordination des Mehrkanalvertriebs
! Zielplanung
! Implementierung von Strategien
Zentraler Ansatz:
Zentrale Ansätze:
! Management des Mehrkanalsystems
! Prozess des strategischen Managements
! Betriebswirtschaftliche Zielforschung
Zentrale Aspekte:
Zentrale Aspekte:
! Funktion, Zweck und Verwendung von
! Geschäftsprozessorientierung
! Effizienz und Effektivität von Prozessen
!
Kennzahlensystemen
Gütekriterien von Kennzahlensystemen
Zentraler Ansatz:
Zentraler Ansatz:
! Betriebswirtschaftliche Kennzahlenforschung
! Business-Process-Management
Kennzahlensysteme
Prozessmanagement
Abbildung 12: Theoretischer Bezugsrahmen – Zentrale Aspekte und Ansätze
Quelle: Eigene Darstellung.
Im Bereich Zielplanung und Strategieimplementierung bilden die Aspekte ManagementProzesse mit Fokus auf die Zielbildung und die Implementierung von Strategien Bezugspunkt
zum Forschungsproblem. Konzeptionelle Ansätze, welche für die Lösung des Forschungs-
104
105
106
Bei der Konfiguration des Absatzkanal-Mix steht die Kontingenz des Mehrkanalsystems mit der spezifischen
Markt- und Wettbewerbssituation des Herstellers im Mittelpunkt. Im einzelnen muss ein Unternehmen Entscheidungen über die Segmentierung im Distributionssystem, über das angestrebte Wettbewerbsverhalten,
die Form des Mehrkanalsystems und die Aufgabenverteilungen zwischen den Kanälen treffen. Vgl. Schögel
1997, S. 123 ff.
Vgl. Schögel 1997, S. 159 ff. Bei der Koordination steht die Frage im Vordergrund, wie das Mehrkanalsystem
erfolgreich gesteuert und die Kanäle aufeinander abgestimmt werden können.
Schögel 1997, S. 123-178.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
28
problems angewendet werden, sind der Prozess des strategischen Managements107 und die
betriebswirtschaftliche Zielforschung108 .
Die Geschäftsprozessorientierung sowie die Effizienz und die Effektivität von Prozessen sind
im Bereich Prozessmanagement zentrale Aspekte. Business-Process-Managements109 ist der
zentrale Ansatz, welcher diese Aspekte theoretisch fundiert. Im Bereich Kennzahlensysteme
sind die zentralen Aspekte die Funktion, der Zweck und die Verwendung von solchen Systemen. Eine Dimensionsanalyse dient dazu, diese Aspekte zu erläutern. Ferner gilt es, Gütekriterien für Kennzahlensysteme zu identifizieren. In diesem Bereich wird auf die Erkenntnisse
der traditionellen und modernen betriebswirtschaftlichen Kennzahlenforschung verwiesen.
5. Wissenschaftstheoretische Positionierung und Forschungsmethodik
Die Forschung in den im theoretischen Bezugsrahmen aufgeführten betriebswirtschaftlichen
Teildisziplinen erfolgt unterschiedlich. Dies ist v.a. auf die verschiedenen theoretischen und
anwendungsorientierten Ziele sowie auf die Basis verschiedener Forschungstraditionen zurückzuführen. Die Marketingwissenschaft ist beispielsweise durch eine starke Zersplitterung in
Teildisziplinen, durch eine unzureichende Verknüpfung mit Erkenntnissen des strategischen
Managements und z.T. durch eine äusserst starke (empirische) Methodenorientierung gekennzeichnet. Die strategische Managementforschung hingegen ist stärker theoriegeleitet als
die eher anwendungsorientierte Controllingwissenschaft, in der z.T. sogar eine unnötige
„Theoretisierung des Controllings“ kritisiert wird.110 Aufgrund dieser Unterschiede ist es unerlässlich, die wissenschaftstheoretische Grundkonzeption der vorliegenden Arbeit genauer
darzulegen. Dies ist Ziel und Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts.
5.1 Wissenschaftstheoretische Positionierung
Das Wissenschaftsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre wurde wesentlich von Ulrich
geprägt. Nach Ulrich handelt es sich bei ihr um eine anwendungsorientierte Sozialwissenschaft. Die betrachteten Probleme entstehen in der Praxis. Ihr Forschungsziel ist die Gestaltung der betrieblichen Wirklichkeit und ihr Fortschrittskriterium ist die praktische Problemlösungskraft ihrer Modelle und Handlungsempfehlungen.111
Die Betriebswirtschaftslehre als Realwissenschaft steht vor der Herausforderung, einerseits in
geeigneter Weise mit dem Subjektivitätsproblem112 und den damit verbundenen interessenbezogenen Werturteilen umzugehen. Andererseits soll sie das Kommunikationsproblem durch
präzise Sprache und Regeln für die Verallgemeinerungsfähigkeit von Aussagen lösen.113 Dies
107
108
109
110
111
112
113
Vgl. z.B. Diesch 1986; Johnson 1987; Hill/Jones 1992; Mockler 1993.
Vgl. z.B. Kirsch 1981; Kaluza 1979; Lerchner 1975.
Vgl. z.B. Aalst 2000; Hoch 1996; Hess/Brecht 1996; Born 1994; Harrington 1991.
Vgl. Reinecke 2004, S. 13.
Vgl. Ulrich/Dyllick/Probst 1984, S. 192.
Ulrich/Hill 1979, S. 164. Das Subjektivitätsproblem ergibt sich daraus, dass subjektiv wahrgenommene Wirklichkeitsausschnitte in der Betriebswirtschaftslehre expliziert und anschliessend generalisiert werden.
Vgl. Ulrich/Hill 1979, S. 164 f.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
29
sollte unter Berücksichtigung von drei Aspekten der Forschung erfolgen: dem Entdeckungs-,
dem Begründungs- und dem Verwendungszusammenhang.
In den nachfolgenden Abschnitten wird kurz auf diese drei Zusammenhänge vor dem Hintergrund der verschiedenen konkurrierenden Forschungspositionen innerhalb der betriebswirtschaftlichen Forschung eingegangen.114 Dadurch wird es möglich, das der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Forschungskonzept einzuordnen. Dieses bildet die Grundlage für die
in Abschnitt 4.2 beschriebene Forschungsmethodik.
5.1.1 Entdeckungszusammenhang
Unter dem Entdeckungszusammenhang versteht man den Anlass, der zu einem Forschungsprojekt geführt hat.115 Relativ unumstritten ist, dass die Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft bei einem in der Praxis bestehenden, relevanten Problem
ansetzen sollte. Strittig ist jedoch die Frage, aus welchem Bezugsrahmen solche Forschungsgegenstände stammen sollen. In diesem Zusammenhang wird zwischen Fragen aus
der betriebswirtschaftlichen Praxis und solchen auf einer theoretischen Ebene unterschieden.
Ulrich116 fordert, dass der Bezugsrahmen primär wahrgenommene Probleme der betriebswirtschaftlichen Praxis sind. Demgegenüber verneint Gutenberg117 eine Rolle der Praxis im Entdeckungszusammenhang eindeutig. Seiner Ansicht nach hängt der wissenschaftliche Wert
oder Unwert einer betriebswirtschaftlichen Untersuchung nicht von der praktischen Bedeutung
des zu untersuchenden Gegenstands ab.
Die Entscheidung über den jeweils gewählten Bezugsrahmen kann als vorwissenschaftlich
bezeichnet werden. Zentral ist jedoch die Anforderung, dass er zweckmässig sein muss. Die
Zweckmässigkeit ist dann gegeben, wenn der Bezugsrahmen für die jeweilige Forschungsaufgabe geeignet ist. Bisher hat sich in der Betriebswirtschaft jedoch kein Bezugsrahmen in
einer Form durchgesetzt, dass er die Anforderungen an ein allgemeines Paradigma erfüllt.118
Es ist allerdings möglich, vier jeweils unterschiedlich gewichtete Forschungsziele in der Betriebswirtschaftslehre zu erkennen: zu systematisieren, zu erklären, zu gestalten und gegebenenfalls zu werten.119
Systematisieren dient der Deskription. Im Vordergrund stehen phänomenale Erkenntnisinteressen und –theorien, d.h. Hypothesen und Thesen über das Erscheinungsbild des Erkenntnisobjektes. Beim Erklären geht es primär um kausale Erkenntnisinteressen und -theorien,
d.h. Hypothesen und Thesen über Ursachen des Erkenntnisobjektes. Bei der Gestaltung stehen aktionale Erkenntnisinteressen und –theorien im Vordergrund, d.h. Hypothesen und Thesen über Einwirkungsmöglichkeiten auf das Erkenntnisobjekt.120
114
115
116
117
118
119
120
Die nachfolgende Darstellung lehnt sich insbesondere an Ulrich/Hill 1976a, Ulrich/Hill 1976b und Ulrich/Hill
1979 an.
Vgl. Friedrichs 1990, S. 50.
Ulrich 1981, S. 5f.
Gutenberg 1953, S. 340.
Nach Kuhn 1973 zählen dazu die hohe Problemlösungskraft bzw. die heuristische Funktion, die Allgemeinheit,
die Präzision und die Integrationskraft.
Vgl. Hill 1995, S. 128.
Vgl. Eberhard 1999, S. 16.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
30
Ziele der vorliegenden Arbeit sind, die interdisziplinäre Problemstellung anhand des theoretischen Bezugsrahmens zu systematisieren und die relevanten Sachzusammenhänge zu erklären, um anschliessend Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen für die Steuerung des
Mehrkanalvertriebs einer Retail-Bank entwickeln zu können. Der Fokus liegt klar bei der Gestaltungsaufgabe.
5.1.2 Begründungszusammenhang
In welchem Zusammenhang werden Hypothesen, Thesen, Regeln, Modelle, Theorien und
Verfahren zur Beantwortung der leitenden Fragestellungen begründet? Diese zentrale Frage
unterstreicht die Relevanz der empirischen Fundierung gedanklicher Bezugsrahmen, welche
Ziel und Inhalt des Begründungszusammenhangs darstellt.
Der kritische Rationalismus121 ist der dominierende Ansatz, welcher die Auffassung ablehnt,
dass empirische Aussagen verifizierbar seien. Dabei wird das Verifikationsprinzip durch ein
Falsifikationsprinzip und ein deduktiv-nomologisches Vorgehen ersetzt.122 Erkenntnisfortschritt
wird durch eine zunehmende Annäherung theoretischer Aussagen an die Wirklichkeit angestrebt. Hierzu sind sowohl die logische Wahrheit von Aussagen (Widerspruchslosigkeit) als
auch die faktische Wahrheit (empirischer Gehalt) einer intersubjektiv nachvollziehbaren Prüfung zu unterwerfen.123
In der Betriebswirtschaftslehre wird die Bedeutung des Begründungszusammenhangs grundsätzlich in Frage gestellt. Dies hängt primär von der Zielsetzung der Forschungsarbeit ab.
Nach Ulrich124 kommt dem Begründungszusammenhang nicht die Funktion zu, Hypothesen
an der Realität zu überprüfen, um darauf aufbauend allgemeingültige Theorien aufzustellen.
Vielmehr soll festgestellt werden, ob die konzipierten Handlungsanweisungen und Gestaltungsempfehlungen dazu geeignet sind, nützliches und somit problemlösendes Wissen bereitzustellen.125 Da nicht die Wahrheit bestimmter Ist-Zustandsanalysen, sondern vielmehr die
Realisierbarkeit von Sollvorstellungen interessiert,126 bedarf es keines künstlichen Begründungszusammenhangs. Die Prüfung der Ergebnisse muss vielmehr im Verwendungszusammenhang erfolgen.
Die vorliegende Arbeit lehnt sich an Ulrichs anwendungsorientiertem Forschungsverständnis
der Betriebswirtschaftslehre an. Die praktische Erprobung der Gestaltungsempfehlungen und
der Handlungsanweisungen erfolgt in weniger rigoroser Weise als die experimentelle Überprüfung von Gesetzmässigkeiten. Im Mittelpunkt steht die Überprüfung der praktischen Nützlichkeit im Alltag, nicht die konsequente Falsifizierung von Hypothesen unter kontrollierten
ceteris-paribus-Bedingungen.
121
122
123
124
125
126
Vgl. z.B. Popper 1984; Kromrey 2000.
Vgl. Popper 1984, S. 4.
Vgl. Ulrich/Hill 1979, S. 175 f.
Ulrich 1981, S. 6 f.
Vgl. Ulrich/Krieg/Malik 1976, S. 136 f.
Vgl. Ulrich/Hill 1979, S. 179.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
31
5.1.3 Verwendungszusammenhang
Beim Verwendungszusammenhang stehen das Nutzenkriterium bzw. das Relevanzproblem
im Vordergrund. Hierbei stellt sich die Frage nach dem gesellschaftlichen Zweck oder der
Verwendung wissenschaftlicher Aussagen. Es geht hier somit um die praktische und ideologische Funktion von Wissenschaft.127 Bei anwendungsorientierten Wissenschaften sind sowohl
die Entstehung der Forschungsfrage als auch die Beurteilung der Forschungsergebnisse in
der Praxis angesiedelt. Entsprechend muss die Anwendung jederzeit Mittelpunkt und Hauptinteresse der anwendungsorientierten Forschung sein.
Nach Ulrich128 ist das Forschungsregulativ der Betriebswirtschaft die Nützlichkeit. Ziel der Betriebswirtschaftslehre ist es, der Praxis relevantes bzw. nützliches Wissen zur Verfügung zu
stellen, das sie für die Lösung von Gestaltungs- und Lenkungsproblemen benötigt. In diesem
Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Nützlichkeit so operationalisiert werden kann, dass
sie als Regulativ des Forschungsprozesses dienen kann. Thomas und Tymon129 haben dazu
fünf Anforderungen herausgearbeitet:
Gütekriterium
Beschreibung der Anforderung
Beschreibende Relevanz
Beziehen sich die Forschungsergebnisse auf Phänomene, welche Praktiker in ihrem Umfeld erfahren bzw. auffinden?
Zielrelevanz
Sind die abhängigen Variablen der Theorie jene, welche der
Praktiker beinflussen will?
Operationale Validität
Kann der Praktiker auch die unabhängigen Variablen durch
sein Handeln bzw. durch die Umsetzung von Handlungsanweisungen beeinflussen?
Nicht-Offensichtlichkeit
In welchem Ausmass übertrifft die Theorie das Alltagswissen,
das der Praktiker schon einsetzt?
Rechtzeitigkeit
Ist die Theorie zu jenem Zeitpunkt verfügbar, zu dem der Praktiker sie benötigt?
Abbildung 13: Operationalisierung von Nützlichkeit
Quelle: Thomas/Tymon 1982.
Die Kriterien in Abbildung 13 werden am Schluss der Arbeit zur Überprüfung der Nützlichkeit
der erarbeiteten Erkenntnisse verwendet.
5.2 Forschungsmethodik
Nach der Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen Positionierung dieser Arbeit geht es
im nächsten Schritt darum, ein geeignetes Forschungsdesign zu definieren. Dazu wird im Abschnitt 5.2.1 zunächst der Forschungsprozess im Überblick aufgezeigt. Anschliessend wird im
127
128
129
Vgl. Ulrich/Hill 1979, S. 167 f.
Ulrich/Krieg/Malik 1976, S. 136.
Thomas/Tymon 1982.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
32
Abschnitt 5.2.2 die Credit Suisse charakterisiert und beschrieben. Darauf aufbauend wird in
Abschnitt 5.2.3 die eingesetzte Forschungsmethodik eingehend erläutert und kritisch reflektiert.
5.2.1 Der Forschungsprozess im Überblick
In der wissenschaftstheoretischen Positionierung in Abschnitt 5.1 wurde dargelegt, dass der
vorliegenden Dissertation ein realitäts- und anwendungsorientiertes Forschungsverständnis130
zugrunde liegt. Es wurde gezeigt, dass das Ziel der Arbeit zu systematisieren, zu erklären und
zu gestalten ist. In Abbildung 14 werden diese Ziele schematisch im Forschungsprozess abgebildet und der theoretische und praktische Themen-Zugang gezeigt.
Phase 1: Beschreiben
! Erfassung und Strukturierung
der Problemstellungen
! Erarbeitung der inhaltlichen
Zugänge und der theoretischen
Grundlagen
! Definition der Forschungsziele
Phase 2: Verstehen und Erklären
! Entwicklung und laufende
Überprüfung des theoretischen
Bezugsrahmens
! Erarbeitung von Anforderungen
an ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb von Banken
Theoretischer Zugang:
! Desk-Research
! Wissenschaftlicher Diskurs
! Analogien
Phase 3: Gestalten
! Erarbeitung der Konzeption für
ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb von Banken
! Validierung der Konzeption im
Rahmen einer Fallstudie
Praktischer Zugang:
Erkenntnisobjekt:
! Einzelfallstudie Credit Suisse
Kennzahlensteuerungssysteme
Abbildung 14: Schematische Darstellung des Forschungsprozesses
Quelle: Eigene Darstellung.
Die drei Hauptphasen des Forschungsprozesses sind an die zentralen theoretischen Konstrukte der anwendungsorientierten Betriebswirtschaftslehre nach Ulrich131 – den Entdeckungszusammenhang (Beschreiben), den Begründungszusammenhang (Verstehen und
Erklären) und den Verwendungszusammenhang (Gestalten) – angelehnt.
Aus Abbildung 14 geht hervor, dass es durch das konzipierte Forschungsdesign gelingt, das
Erkenntnisobjekt sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht zu durchdringen.
Dadurch kann sichergestellt werden, dass der Erkenntnisfortschritt in Bezug auf Kennzahlensteuerungssysteme für den Mehrkanalvertrieb von Banken aus diesen beiden Perspektiven kontinuierlich kritisch reflektiert wurde. Diese Vorgehensweise trägt dazu bei, dass die
gewonnenen Erkenntnisse weder einseitig theoretisch noch einseitig pragmatisch verzerrt
werden. Die Nutz- bzw. Verwertbarkeit der Ergebnisse kann dadurch sowohl für die Wissenschaft als auch für die Bankpraxis sichergestellt werden.
130
131
Ulrich 1981; Tomczak 1992b.
Ulrich 1981.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
33
In den folgenden zwei Abschnitten 5.2.2 und 5.2.3 werden das zentrale Forschungsobjekt und
die gewählte Forschungsmethodik detailliert beschrieben. Dies ermöglicht dem Leser, die
Gründe für die Auswahl des Forschungsdesigns hinsichtlich ihrer Eignung zu beurteilen.
5.2.2 Der Mehrkanalvertrieb der Credit Suisse als Forschungsobjekt der
Einzelfallstudie
Die Informationen in diesem Abschnitt über das Forschungsobjekt Credit Suisse dienen dazu,
dem Leser die Hintergründe und Rahmenbedingungen dieser Dissertation aufzuzeigen. Die
Angaben sind v.a. für das Verständnis der Ausführungen von Teil 4 hilfreich und schlagen
zudem die Brücke zwischen der wissenschaftstheoretischen Positionierung und dem forschungsmethodischen Vorgehen dieser Arbeit. Mit diesem Abschnitt wird zudem das Ziel verfolgt, die Eignung des Untersuchungsobjekts Credit Suisse für die Erforschung der Themenstellung dieser Arbeit zu erörtern.
Charakterisierung des Forschungsobjekts
Die Beschreibung und Charakterisierung der Credit Suisse erfolgt in zwei Schritten. Zu Beginn
wird die Credit Suisse Group vorgestellt. Anschliessend wird das Segment Private Clients
(Retail Kunden) des Geschäftsbereichs Private-Banking porträtiert, welches Gegenstand der
Einzelfallstudie ist.
Unternehmensporträt der Credit Suisse Group132
Das Ziel des Porträts ist, Informationen über die Geschichte der Credit Suisse, die neue
Struktur sowie aktuelle strategische Stossrichtungen aufzuzeigen.
Die Geschichte: Die Geschichte der Credit Suisse Group geht auf die Schweizerische Kreditanstalt zurück, die im Jahr 1856 gegründet wurde. Die erste Geschäftsstelle wurde 1905 in
Basel eröffnet, die erste Niederlassung im Ausland 1940, in New York. 1978 begann die Zusammenarbeit mit der First Boston Inc., die 1990 in eine Mehrheitsbeteiligung mündete. 1990
wurde eine Mehrheitsbeteiligung an der Bank Leu, 1993 die Schweizerische Volksbank und
1994 die Neue Aargauer Bank erworben. 1997 fand die Übernahme der Winterthur statt. Eine
weitere Akquisition war der Kauf von Donaldson, Lufkin & Jenrette Inc. (DLJ) im Jahr 2000.
Am 13. Mai 2005 fusionierten die beiden Bank-Rechtseinheiten in der Schweiz, die Credit
Suisse und die Credit Suisse First Boston. Auf der Basis der daraus entstandenen Bank der –
Credit Suisse – wurden die Bankgeschäfte der Gruppe zusammengeführt. Die integrierte
Bank hat am 1. Januar 2006 unter der neuen Marke Credit Suisse ihre Tätigkeit aufgenommen.
Die Credit Suisse heute: Die Credit Suisse bietet ihren Kunden Dienstleistungen in den Bereichen Investment Banking, Private-Banking und Asset Management an. Sie offeriert Unternehmen, institutionellen Kunden und vermögenden Privatkunden weltweit sowie Retailkunden
in der Schweiz Beratung, umfassende Lösungen und innovative Produkte.
132
Alle Informationen für das Porträt stammen von der Internet Seite der Credit Suisse (www.credit-suisse.com).
Für das Porträt wurden folgende Dokumente benutzt: Geschäfts- und Jahresbericht 2005, Unternehmungsporträt.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
34
Die Credit Suisse ist in über 50 Ländern tätig und beschäftigt mehr als 44’000 Mitarbeitende
aus über 100 Nationen. Die Credit Suisse Group – die Muttergesellschaft der Credit Suisse –
ist ein führendes, global tätiges Finanzdienstleistungsunternehmen mit Hauptsitz in Zürich.
Die Namenaktien der Credit Suisse Group (CSGN) sind in der Schweiz – sowie in Form von
American Depositary Shares (CSR) – in New York kotiert.
Die Strategie: Mit der Ausrichtung auf ihre Kernkompetenz – das Bankgeschäft – will die Credit Suisse Group für ihre Aktionäre Mehrwert schaffen. Die Konzentration auf das Bankgeschäft und die Schaffung einer integrierten, globalen Bank erlaubt es der Gruppe, ihre Bankkunden in den Bereichen Investment Banking, Private-Banking und Asset Management besser zu betreuen.
Als integrierte Bank kann die Credit Suisse das Fachwissen und die bewährte Innovationskraft
aus allen Geschäftsbereichen und Regionen nutzen und ihren Kunden sämtliche Ressourcen
zur Verfügung stellen. Sie hat die Vision, eine der weltweit führenden Banken zu werden. Der
Name Credit Suisse soll für ihr unverwechselbares Know-How im Investment Banking, im Private-Banking und im Asset Management stehen. Die Credit Suisse will sich als Bank etablieren, die sich mit ihrer Beratung, ihrer Innovationskraft und den erzielten Ergebnissen allerhöchste Wertschätzung verdient.
Porträt des Segments Private Clients133
Das Bankengeschäft der Credit Suisse ist in die drei Geschäftsbereiche aufgeteilt. Im Geschäftsbereich Private-Banking werden vermögende Privatkunden (Bereich WealthManagement), Firmen und Retailkunden (Bereich Private Clients) betreut. Der Fokus der folgenden Ausführungen liegt auf dem Bereich Private Clients, in welchem die Credit Suisse
Retailkunden anspricht.
Kundensegmentierung und Produkte: Der Bereich Private Clients betreut ca. 1,6 Mio. Retailkunden in der Schweiz, welche über ein Vermögen von bis zu CHF 250'000 verfügen. Innerhalb dieses Segments wird wiederum zwischen Retail- (bis CHF 50'000) und Individualkunden (CHF 50'000 – 250'000) unterschieden.
Retailkunden steht eine breite Palette von Bankprodukten in den Kategorien Zahlen, Sparen,
Vorsorgen, Finanzieren und Anlegen zur Verfügung. Zudem können Kunden unterschiedliche
Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen. Die Credit Suisse verfügt über ein umfassendes Leistungsangebot im Internet-Bereich. Neben der zentralen Online-BankingApplikation Direct Net stehen den Kunden zahlreiche weitere Online-Tools zur Verfügung.134
Organisation und Vertrieb: Im Bereich Private Clients arbeiten rund 2'200 Mitarbeiter. Die
Schweiz ist in acht Regionen bzw. 40 Marktgebiete aufgeteilt. Die Credit Suisse vertreibt ihre
Produkte und Dienstleistungen über die Vertriebskanäle, welche in Abbildung 15 schematisch
dargestellt werden.
133
134
Die Informationen für das Porträt stammen sowohl von der Internet Seite der Credit Suisse (www.creditsuisse.com) als auch von einem internen Dokument. Für das Porträt wurden vom Internet folgende Dokumente benutzt: Geschäfts- und Jahresbericht 2005, Unternehmungsporträt. Die interne Dokumentation ist eine
Präsentation, welche Berater bei Gesprächen mit Neukunden verwenden.
Vgl. https://entry.credit-suisse.ch/csfs/p/rb/de/online/index.jsp.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
Credit Suisse
35
Geschäftsstelle
Retailkunden
Cash Service
!
!
!
!
!
!
Marktanteil ca. 10%
8 Regionen
Kundenberater
!
!
40 Marktgebiete
Ca. 1,6 Mio. Kunden
Vermögen bis zu CHF
250‘000
181 Geschäftstellen
5 Contact-Center
Contact-Center
2‘200 Mitarbeiter
Internet
ATMs
Abbildung 15: Vertriebskanäle im Bereich Private Clients
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an www.credit-suisse.com.
Retailkunden können ihre Bankgeschäfte über eine der 181 Geschäftsstellen, eines der fünf
Contact-Centers, via das Internet oder die ATMs135 abwickeln. Die einzelne Geschäftsstelle
wird dabei nicht als Vertriebskanal sondern als Hotel für die Kanäle Cash-Service und Kundenberater verstanden. Cash-Service steht für den Bankschalter.
Die Anzahl der Vertriebskanäle sowie das breite Produktangebot zeigen auf, dass die Credit
Suisse im Retailkundengeschäft über ein relativ komplexes Vertriebssystem verfügt. Bei der
Erarbeitung einer Mehrkanalvertriebsstrategie gilt es, zahlreiche Dimensionen zu berücksichtigen. Im Vordergrund steht v.a. die Frage, welchen Kunden welche Produkte über welche
Kanäle zu welchen Preisen angeboten werden sollen. Ist diese zentrale Fragestellung beantwortet, gilt es, mit Hilfe eines integrierten Kennzahlensystems den Mehrkanalvertrieb zu steuern.
Strategie136 : Das Retailkundengeschäft hat das Ziel, seine Marktstellung in der Schweiz weiter zu verbessern und die Rentabilität zu erhöhen. Die Credit Suisse will sich im RetailBanking als bevorzugte Bank für das obere Segment und für Hypotheken positionieren und im
Privatkreditbereich in der Schweiz bezüglich Kundenorientierung, Rentabilität und Wachstum
führend sein. Im Privatkundengeschäft will die Credit Suisse das Potenzial aus der Integration
der Bankgeschäfte voll ausschöpfen. Schwerpunkt ist die flexiblere Betreuung des Kundenstamms und die Intensivierung des Cross-Sellings zur Steigerung der Effizienz und des
Wachstums in allen Segmenten.
Die Credit Suisse will ihre Strategie im Retailkundengeschäft wie folgt umsetzen:
! Akquisition neuer Privatkunden mittels attraktiver Schlüsselprodukte;
! Bessere Verbreitung der Produkte durch Datenbankmarketing und Produktbündelung;
! Höhere Effizienz im Verkauf mittels gezielter Ausbildungs- und Anreizprogramme;
! Kontinuierliche Optimierung des Geschäftsstellennetzes und Ausbau der Vertriebskanäle
über Dritte;
135
136
Unter Automated Teller Machine wird ein Bancomat verstanden.
Vgl. Geschäftsbericht Credit Suisse Group 2005.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
36
! Verbesserung des Kundenservice durch Optimierung der internen Abläufe;
! Weitere Verschiebung von Ressourcen aus den Mid- und Back-Office-Funktionen hin zu
den Kundenteams (Rekrutierung von verkaufsorientierten Kundenberatern);
! Weitere Investitionen in Arbeitsinstrumente, Einsatz neuester Technologien und vermehrte
Nutzung von Fachkompetenz aus dem Wealth-Management:
! Systematische Nutzung von Cross-Selling-Möglichkeiten mit anderen Geschäftsbereichen
der Credit Suisse.
Die strategischen Stossrichtungen im Bereich Private Clients zeigen auf, dass viele der geplanten Massnahmen in Zusammenhang mit der weiteren Optimierung des Vertriebssystems
stehen. Diese Massnahmen unterstreichen die Notwendigkeit eines effektiven und effizienten
Vertriebssystems gerade im Volumengeschäft Retailbanking, in dem die Profitabilität der
Kunden eine zentrale Herausforderung darstellt. Ein schlagfertiges und integriertes System
von Vertriebskanälen hat daher einen massgeblichen Einfluss auf das Geschäftsergebnis.
In Teil 4 und v.a. in der separaten Einzelfallstudie137 werden die hier gemachten Angaben
weiter vertieft und ausführlich dargestellt. Dabei werden detaillierte Angaben zur Vertriebsstrategie, zur strategischen Positionierung der einzelnen Kanäle sowie zu den zentralen Vertriebsprozessen gemacht.
Eignung des Forschungsobjekts der Einzelfallstudie im Hinblick auf das Dissertationsprojekt
Vor der Beurteilung der Eignung des Forschungsobjekts der Einzelfallstudie für das Dissertationsprojekt wird an dieser Stelle kurz auf die Rolle des Forschers bzw. dessen Beziehung
zum Untersuchungsgegenstand hingewiesen. Der Autor arbeitet seit über sechs Jahren bei
der Credit Suisse und hatte die Möglichkeit, unterschiedliche Bereiche der Bank kennen zu
lernen.138 Derzeit arbeitet er mit einem Pensum von 60% im Bereich Channel-Management,
welcher sich mit der Integration und dem Management der segmentspezifischen Mehrkanalvertriebssysteme beschäftigt. Aufgrund seiner Aufgaben war es dem Forscher möglich, zahlreiche Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen kennen zu lernen. Ferner hatte er Zugang zu umfangreichen internen Dokumentationen. Die restlichen 40% konnte der Forscher
seiner Dissertation widmen, welche die Credit Suisse im Rahmen des Academic ResearchPrograms unterstützte.
Basierend auf den bisherigen Ausführungen kommt man zum Schluss, dass sich das ausgewählte Untersuchungsobjekt – der Bereich Private Clients der Credit Suisse Group – aus unterschiedlichen Gründen zur Erforschung der Problemstellung dieser Arbeit eignet:
! Der Bereich Private Clients verfügt über ein relativ komplexes Mehrkanalsystem mit unterschiedlichen Vertriebskanälen, welche dem Endkunden für die Interaktion mit der Bank zur
Verfügung stehen. Das Erarbeiten von ausgeklügelten Mehrkanalvertriebsstrategien und
deren erfolgreiche Umsetzung haben einen massgeblichen Einfluss auf das Geschäftsergebnis. V.a. bei der Implementierung von Strategien sind integrierte bzw. alle Kanäle um137
138
Die Einzelfallstudie stellt aufgrund der Vertraulichkeit der gemachten Angaben einen eigenständigen Teil der
Dissertation dar. Dieser Teil der Arbeit ist unter Verschluss und ist nur dem Referenten, dem Ko-Referenten
sowie der Credit Suisse zugänglich.
Vgl. Lebenslauf im Anhang.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
37
fassende Kennzahlensysteme für eine ganzheitliche Vertriebssteuerung von grosser Bedeutung.
! Durch die Rolle des Forschers konnte der notwendige intensive und v.a. direkte Zugang
zum Forschungsobjekt sichergestellt werden. Die Nähe und Vertrautheit zwischen Forscher und Forschungsobjekt ermöglichte massgeblich das Erlangen der gewonnenen Erkenntnisse der separaten Fallstudie und schliesslich der Dissertation.
! Es war dem Forscher durch die Unterstützung zahlreicher Experten der Credit Suisse möglich, die durch die Arbeit gewonnen Erkenntnisse in einem praktischen Kontext zu validieren und zu objektivieren. Mit Hilfe der kontinuierlichen, kritischen Reflektion der erarbeiteten Konzepte durch Experten konnte eine einseitige, subjektive Verzerrung der Ergebnisse
durch den Forscher vermieden werden. Dieser Umstand trägt schliesslich zur Erhöhung
der Validität und der Objektivität der in dieser Arbeit präsentierten Forschungsergebnisse
bei.
5.2.3 Die Einzelfallstudie als geeignete Forschungsmethode
In diesem Abschnitt soll beurteilt werden, ob sich die Einzelfallstudie zur Herleitung einer Konzeption für ein integriertes Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb einer
Bank eignet. Dazu wird zunächst auf die allgemeinen Möglichkeiten und Grenzen der Einzelfallstudienforschung eingegangen. Anschliessend werden spezifische Restriktionen in Bezug
auf die Credit Suisse erörtert.
Potential und Leistungsfähigkeit der Einzelfallstudienforschung
Dieser Arbeit liegt eine qualitative Forschungsmethodik zugrunde. Die zentralen Gründe für
die Eignung des gewählten Vorgehens basieren auf der Argumentation von Bonoma139 und
Yin140 an:
Komplexität des Untersuchungsgegenstandes: Durch das Hinzutreten alternativer Vertriebskanäle hat die Komplexität der Vertriebssysteme bei Banken in den letzten Jahren massiv
zugenommen. Anfänglich wurden alternative Kanäle wie das Internet als relativ autonome
Einheiten mit Ergebnisverantwortung geführt. In den letzten Jahren zeichnet sich bei Universalbanken der Trend in Richtung Mehrkanalsysteme ab. Dies bedeutet, dass die einzelnen
Vertriebskanäle als integrierte Systeme gegenüber dem Kunden auftreten. Die Integration
bezieht sich dabei v.a. auf eine differenzierte Aufgabenaufteilung zwischen den Vertriebseinheiten und dem Management von kanalübergreifenden Geschäftsprozessen.
Analyse eines konkreten Praxisproblems in seinem realen Kontext: Während die Integration
alternativer Vertriebskanäle schon relativ weit vorangetrieben ist, zeichnen sich Defizite in der
integrierten Vertriebssteuerung anhand von Kennzahlensystemen ab. In der Bankpraxis sind
solche Systeme, welche die Komplexität eines Mehrkanalvertriebssystems abbilden, erst in
der Entwicklungsphase.
139
140
Bonoma 1985a.
Yin 2003.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
38
Geringer theoretischer Kenntnisstand und Notwendigkeit nach Exploration der Problemstellung: Eine mögliche Ursache für den aktuellen Entwicklungsstand von integrierten Kennzahlensteuerungssystemen in der Praxis könnte der geringe theoretische Kenntnisstand141 sein.
Individuelles, unternehmensspezifisches Gestaltungsproblem: Mehrkanalvertriebssysteme
sind je nach Bank(typ) unterschiedlich konfiguriert. Die Anzahl und die Positionierung der einzelnen Vertriebskanäle können stark variieren. Die Vielfalt von möglichen Vertriebskonfigurationen hat einen Einfluss auf das Design und auf die inhaltliche Gestaltung eines Kennzahlensteuerungssystems.
Massgebliche Beeinflussung des Erkenntnisobjekts durch menschliches Verhalten: Kennzahlensteuerungssysteme für den Mehrkanalvertrieb werden in der Praxis von spezifischen
Fachstellen in Banken erarbeitet. Die Systeme werden aufgrund ihrer Funktion der strategischen Steuerung inhaltlich von der definierten Mehrkanalvertriebsstrategie abgeleitet. Das
Entwicklungsvorgehen solcher Systeme ist in der Praxis nicht immer ein vollständig objektiv
nachvollziehbarer Prozess.
Diese Erläuterungen legen nahe, dass das Erkenntnisobjekt dieser Arbeit – integrierte Kennzahlensteuerungssysteme – durch typische quantitative Erhebungsmethoden (z.B. standardisierte Fragebögen, Experimente im Labor etc.) kaum zugänglich gewesen wäre. Der Einsatz
einer qualitativen Forschungsmethodik schien somit als ergiebiger und effektiver. Der Entscheid für dieses Vorgehen wird durch eine Aussage von Henry Mintzberg142 gestützt, welcher für derartige Problemstellungen das Folgende empfiehlt:
„Measuring in real organizations terms means first of all getting out into the field, into real organizations. Questionnaires won’t do...“
Nach dem Entscheid für eine qualitative Forschungsstrategie galt es, in einem zweiten Schritt
zu definieren, wie eine solche Strategie in Bezug auf die geschilderte Problemstellung konkret
ausgestaltet werden sollte. Dem Forscher stand hierbei eine Vielzahl von möglichen Methoden zur Auswahl. In Bezug auf das vorliegende Forschungsprojekt nahm die so-genannte
Fallstudienforschung eine zentrale Rolle im Rahmen des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses ein.
Die Fallstudienforschung ist ein zentraler Ansatz der qualitativen Sozialforschung und zeichnet sich durch ihre Flexibilität aus. Im Rahmen der Fallstudienforschung wird stehts versucht,
während des gesamten Analyseprozesses die notwendige Offenheit zu gewährleisten, die für
die Suche nach relevanten Einflussfaktoren und zur Interpretation von Zusammenhängen
erforderlich ist.143 Im Mittelpunkt stehen somit primär Forschungsfragen, die sich mit dem
„Wie?“ und dem „Warum?“ eines wissenschaftlichen Problems auseinandersetzen. 144
Nach Yin145 ist die Fallstudie eine wissenschaftliche Untersuchung, welche ein zeitgemässes
Phänomen in seinem normalen Umfeld – d.h. unter nicht-experimentellen Bedingungen – un-
141
142
143
144
145
Vgl. Abschnitt 1.1.3.
Mintzberg 1979, S. 586.
Vgl. z.B. Stake 1995; Mayring 2002, S. 41ff.; Yin 2003, S. 1ff.
Yin 2003, S. 1ff.
Vgl. Yin 2003, S. 13.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
39
tersucht. Fallstudien befassen sich mit Situationen, in denen mehr Variablen als Datenelemente zur Verfügung stehen. Die wissenschaftliche Vorgehensweise zeichnet sich dadurch
aus, dass ein Phänomen aus möglichst verschiedenen Perspektiven – mittels unterschiedlicher Methoden und Datenquellen – betrachtet wird, die dann in einer Form der Triangulation
zusammengeführt werden.146
Die Stärken von Fallstudien begründen sich in ihrer Untersuchungstiefe und in einer unmittelbaren Verbindung von Theorie und Empirie, wodurch sie sich für praxisorientierte Studien in
Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie sehr gut eignen.147 Sie ermöglichen ein
Verständnis der Dynamiken einzelner Situationen und können zu neuen Ansätzen führen, die
durch die Nähe zur Empirie i.d.R. empirisch valide Hypothesen/Theorien bieten.
Die Schwächen der Fallstudienforschung liegen v.a. bei der Spezifität der Erkenntnisse. Da
die Ergebnisse meist sehr spezifisch sind, besteht trotz analytischer Tiefe die Gefahr einer zu
geringen synthetischen Höhe. Damit führt Fallstudienforschung leicht zu einem „atheoretischen, istanalytischen Empirismus“.148 Auch besteht die Gefahr, dass Hypothesen an dem
Material getestet werden, aus dem sie gewonnen wurden.
In der Einzelfallstudie – einem speziellen Anwendungsfall der Fallstudie – wird die Zielsetzung
verfolgt, ein ganzheitliches und damit realistisches Bild der sozialen Welt zu schaffen. Sie
zeichnet sich dadurch aus, dass sie während des ganzen Analyseprozesses den Rückgriff auf
den Fall in seiner Ganzheit und Komplexität behält. Dadurch ist es möglich, zu tiefgreifenderen und genaueren Ergebnissen zu gelangen. Vor diesem Hintergrund stellt die Einzelfallstudie eine entscheidende Hilfe bei der Suche nach relevanten Einflussfaktoren und bei der Interpretation von Zusammenhängen dar.149
Ein so induktives, auf einem Einzelfall basierendes Vorgehen birgt allerdings auch Gefahren
in Bezug auf die Validität und Generalisierbarkeit seiner Ergebnisse. Yin150 definiert daher
verschiedene Voraussetzungen, welche gegeben sein müssen, um die Wahl der Einzelfallstudie im Rahmen eines Forschungsprojekts zu rechtfertigen. Er unterscheidet zwischen fünf
möglichen Fällen:
! „Kritischer Fall“ (the critical case): Beim kritischen Fall sollen klar ausformulierte theoretische Aussagen in einem ausdrücklich bestimmten Umfeld auf ihren praktischen Gehalt hin
überprüft werden.
! „Extremfall“ (the case represents an extreme or an unique case): In einigen Situationen ist
es nur möglich, auf einen Fall zurückzugreifen, da die äusseren Umstände relativ selten
sind und nur eine einzelne Fallstudie zulassen.
! „Typischer Fall“ (the representative or typical case): In diesem wird das Ziel verfolgt, die
Gegebenheiten und Bedingungen einer alltäglichen Situation zu erfassen.
146
147
148
149
150
Vgl. Yin 2003, S. 13.
Vgl. Gassmann 1999, S. 55f.
Backhaus/Plinke 1977, S. 89.
Vgl. Mayring 2002, S. 41ff.
Vgl. Yin 2003, S. 38ff.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
40
! „Enthüllungfall“ (the revelatory case): Diese Form der Einzelfallstudie wird so bezeichnet,
da wissenschaftliche Einblicke in die zu erforschende Situation bisher nicht möglich waren
und nur für eine einzige Fallstudie genutzt werden können.
! „Langzeitfall“ (the longitudinal case): Hierbei wird derselbe Fall zu zwei oder mehreren verschiedenen Zeitpunkten untersucht, um Veränderungen im Zeitablauf bzw. Entwicklungen
des Untersuchungsobjekts erfassen zu können.
In Bezug auf die oben aufgeführte Differenzierung der Einzelfallstudien handelt es sich nach
Ansicht des Autors im vorliegenden Fall um den typischen Fall. Die grundlegenden Problemstellungen und Herausforderungen in Bezug auf eine integrierte Vertriebssteuerung sind zwar
bei allen Banken im Privatkundengeschäft nahezu identisch. Somit sind auch die Anforderungen bzw. die in dieser Arbeit entwickelte Konzeption generell für alle Banken im Privatkundengeschäft gültig. Die inhaltliche Ausgestaltung eines solchen Systems in Bezug auf die jeweiligen Kennzahlen ist aber unterschiedlich.
Es bleibt demnach festzuhalten, dass die notwendigen Voraussetzungen für einen sinnvollen
Einsatz der Einzelfallstudie im Rahmen dieses Forschungsprojekts gegeben sind. Das Ziel
der Dissertation – die Konzeption eines Kennzahlensystems für die Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems einer Bank zu erarbeiten – kann somit auf diesem Wege der Erkenntnisgewinnung grundsätzlich erreicht werden.
Grenzen der Einzelfallstudienforschung
Nach der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und der Eignung der Einzelfallstudienforschung in
Bezug auf die vorliegende Arbeit sollen auch die Grenzen dieser Forschungsmethodik erörtert
werden. Dadurch ist es dem Leser möglich, die Qualität der Forschungsergebnisse der Dissertation besser einschätzen und beurteilen zu können. Die nachfolgenden Ausführungen
unterscheiden dabei zwischen allgemeinen Grenzen und solchen, welche sich auf das vorliegende Forschungsprojekt beziehen.
Allgemeine Grenzen der Fallstudienforschung
In der Charakterisierung der Fallstudienforschung wurde in den Grundzügen auf Schwächen
der Fallstudienforschung hingewiesen. Dieser Abschnitt soll die drei zentralen Grenzen der
Fallstudienforschung etwas detaillierter aufzeigen.
Komplexität der aus einer Fallstudie abgeleiteten Modelle oder Theorien: In Fallstudien werden i.d.R. grosse Datenmengen erhoben und ausgewertet. Die daraus abgeleiteten Modelle
und Theorien neigen teilweise zu einer erheblichen Komplexität, da der Forscher bemüht ist,
möglichst alle von ihm entdeckten Beziehungen und Wirkungszusammenhänge zu berücksichtigen. Dies kann dazu führen, dass der erarbeitete Theorievorschlag einerseits sehr detailliert ist, andererseits jedoch nur über eine eingeschränkte allgemein gültige Aussagekraft verfügt.151 Die wissenschaftliche Literatur schlägt daher vor, die Fallstudienforschung v.a. in frühen Forschungsphasen innerhalb eines neuen Forschungsgebietes einzusetzen. Auf diese
Weise können erste, grundsätzliche Erkenntnisse generiert werden.152
151
152
Vgl. Eisenhardt 1991, S. 547.
Vgl. Eisenhardt 1991, S. 548.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
41
Geringere externe Validität (Generalisierbarkeit) der Erkenntnisse: An der Fallstudienforschung wird tendenziell die geringe externe Validität (Generalisierbarkeit, Repräsentativität)
ihrer Ergebnisse bemängelt. Dieses Argument ist v.a. darauf zurückzuführen, dass einzelne
Fälle – zumindest auf den ersten Blick – weniger repräsentativ als Stichproben grösseren Umfangs erscheinen. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass auf Fallstudien und
vergleichbare qualitative Untersuchungen sinnvollerweise nicht das Kriterium replikativer Repräsentativität angewendet werden sollte, um solchen Forschungsbemühungen adäquat
Rechnung zu tragen.153
Subjektive Verzerrung bzw. Beschönigung der gewonnenen Erkenntnisse: Bei der Erhebung
und Analyse von Daten können durch den interpretativen Spielraum Verzerrungen und Beschönigungen resultieren.154 Diesem Bias- bzw. Reaktivitätsproblem kann aber grundsätzlich
dadurch begegnet werden, dass die jeweiligen Aussagen und Erkenntnisse in ihrem spezifischen Interessens- und Motivkontext betrachtet werden.155 Zusätzlich können potentielle subjektive Verzerrungen auch identifiziert werden, indem darauf geachtet wird, inwieweit die
Schlussfolgerungen und Interpretationen des Forschers aufgrund von Sympathien mit den
Akteuren aus der Praxis („Go(ing) Native-Problematik)156 möglicherweise gefärbt wurden. Zur
Minderung der Gefahr der subjektiven Verzerrung empfiehlt Pettigrew, so genannte Reflexionsgespräche mit anderen Wissenschaftlern zu führen. Auf diese Weise können die Generalisierbarkeit und die Repräsentativität der Erkenntnisse von Fallstudien verbessert werden.
Fazit: Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass die Fallstudienforschung grundsätzlich mit
drei generellen Beschränkungen zu kämpfen hat, welche in gewissen Fällen die Aussagekraft
ihrer Forschungsergebnisse verringern können. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass diese
Restriktionen nicht für jeden Forschungskontext gelten müssen. Durch gezielte Massnahmen
kann die hohe Qualität der Erkenntnisse der Fallstudienforschung gewährleistet werden.
Spezifische Restriktionen der Fallstudienforschung in Bezug auf die Credit Suisse
Die spezifischen Restriktionen der Fallstudienforschung beziehen sich im vorliegenden Fall
auf die konkreten Gegebenheiten des untersuchten Forschungsobjekts sowie auf die vom
Forscher vorgenommenen Annahmen und Abgrenzungen, kurz, auf den so genannten Forschungskontext der Dissertation. Die Beschreibung der Beschränkungen soll dem Leser dazu
dienen, die Güte der Forschungserkenntnisse besser einschätzen zu können.
Eine zentrale Restriktion ist das (theoretische) Vorverständnis des Forschers. Durch die getroffenen Annahmen und Abgrenzungen wurde der untersuchte Realitätsausschnitt begrenzt.
Die Erkenntnisse entspringen somit einer spezifischen Perspektive, weshalb eine gewisse
Subjektivität der Forschungsresultate nicht ausgeschlossen werden kann. Während des Forschungsprozesses wurde jedoch stets versucht, die jeweiligen Zwischenergebnisse mit unterschiedlichen Experten aus verschiedenen Fachbereichen der Credit Suisse zu diskutieren,
kritisch zu reflektieren und zu validieren. Somit konnte die grösstmögliche Objektivität der Erkenntnisse sichergestellt werden.
153
154
155
156
Vgl. Trillitzsch 2004, S. 128.
Vgl. Trillitzsch 2004, S. 128.
Van de Ven 1992.
Vgl. Pettigrew 1990, S. 278.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
42
Durch die Einzelfallstudie konnte der Forscher die erarbeitete Konzeption für ein Kennzahlensystem zur Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems anhand eines real existierenden Finanzinstituts anwenden und auf seine Praxistauglichkeit überprüfen. Die Fallstudie diente somit gewissermassen der Überprüfung und der Verfeinerung der vorab erarbeiteten Konzeption.157 In Verbindung mit den in Teil 2 geschilderten theoretisch-konzeptionellen Grundlagen
und mit der Analyse bestehender Kennzahlensystemkonzeptionen in Teil 3 entstanden die
Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit. Aus den gewonnenen Erkenntnissen ist jedoch noch
keine endgültige und allgemeingültige Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem entstanden. Das erarbeitete Modell sollte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft weiter diskutiert und reflektiert werden. Zudem bedarf es weiterer Anwendungsfälle in der Praxis, um dessen Generalisierbarkeit zu verbessern.158 Trotz dieser Einschränkungen tragen die Ergebnisse zum besseren Verständnis der Thematik bei.
5.3 Forschungsansatz: Zielsetzung der Einzelfallstudie, realisierter
Forschungsprozess und Qualitätssicherung
Basierend auf den zuvor geschilderten grundsätzlichen forschungsmethodischen Entscheidungen und Gegebenheiten sollen in den folgenden Abschnitten zunächst die konkrete Forschungskonzeption sowie der realisierte Forschungsprozess dieses Dissertationsprojektes
betrachtet werden. Anschliessend werden die vom Forscher eingesetzten Methoden zur Qualitätssicherung im qualitativen Forschungsprozess dargelegt.
5.3.1 Forschungskonzeption
In der Forschungskonzeption wird zunächst auf die Zielsetzung der Einzelfallstudie eingegangen. Anschliessend werden die angewandten Forschungsmethoden für die Erhebung der Daten betrachtet.
Zielsetzung der Einzelfallstudie
Nachfolgend soll kurz auf die verschiedenen Typen von Fallstudien eingegangen werden. Die
Unterscheidung resultiert v.a. aus den unterschiedlichen Zielsetzungen. Die drei zentralen
Typen lassen sich in Anlehnung an Yin und Eisenhardt159 folgendermassen charakterisieren
und voneinander abgrenzen:
Beschreibende Fallstudie: Das Ziel einer solchen Fallstudie besteht darin, die realen Gegebenheiten und Besonderheiten eines spezifischen Forschungskontextes detailliert zu beschreiben. Dabei stehen i.d.R. Faktenfragen im Vordergrund. Die Bewertung der gewonnenen
Erkenntnisse wird typischerweise dem Leser überlassen, so dass beschreibende Fallstudien
meist zu didaktischen Zwecken in der Universitätslehre eingesetzt werden.160
Explorierende Fallstudie: Im Gegensatz zur beschreibenden Fallstudie wird in explorierenden
Fallstudien der in der Realität vorgefundene Kontext problematisiert, um dominierende Handlungsströme zu suchen. In explorierenden Studien werden ausserdem zumeist auch Hand-
157
158
159
160
Vgl. Eisenhardt 1991, S. 549
Osterloh/Grand 1994.
Vgl. Eisenhardt 1991; Yin 2003, S. 1ff.
Vgl. Bonoma 1985a.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
43
lungsmöglichkeiten mit aufgedeckt. Jedoch werden die Ursachen für den von Praxis-Akteuren
gewählten Weg meist nicht untersucht.
Erläuternde bzw. erklärende Fallstudien: Solche Fallstudien streben danach, auch die tiefer
liegenden Zusammenhänge und Besonderheiten des erforschten Falls zu durchdringen. Sie
verfolgen das Ziel, die individuellen Strukturen und Abhängigkeiten des jeweiligen Falles mit
aufzudecken, zu erschliessen und nachvollziehbar zu machen. Diese Fallstudien stellen typischerweise Motivations- und Begründungsfragen wie z.B. „Wie?“, „Warum?“ oder Wann?“.
Um dem Leser eine aktive Verfolgung des Weges der Erkenntnisgewinnung zu ermöglichen,
setzen sie eine klare Beschreibung des Falls voraus.161
Erläuternde bzw. erklärende Fallstudien beziehen auch alternative Erklärungsversuche mit
ein, um eine Plausibilisierung der vom Forscher gemachten Interpretationen zu ermöglichen.
Die Diskussion und Verdichtung alternativer Erklärungsansätze ergibt somit eine FallInterpretation, die aufgrund des vorhandenen Datenmaterials am plausibelsten erscheint.162
Schliesslich werden die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse systematisiert und als
(vorläufige) Erklärungsversuche – auch anhand zusätzlicher Fälle und anderer bereits existierender wissenschaftlicher Forschungsergebnisse – überprüft.163
Die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Einzelfallstudie verfolgt das Ziel, einen wissenschaftlichen Beitrag zum Thema integrierte Kennzahlensysteme zur strategischen Steuerung von Mehrkanalvertriebssystemen von Banken zu leisten. Der hauptsächliche Zweck dieser Einzelfallstudie besteht einerseits im Beschreiben, andererseits aber auch im Systematisieren und Erläutern des Erkenntnisobjekts. Zusammengefasst kann die hier vorgelegte Untersuchung daher insgesamt als eine erläuternde bzw. erklärende Fallstudie charakterisiert
werden.
Die Kombination verschiedener Forschungsmethoden
Die konkrete Vorgehensweise bei der Datenerhebung hat bei einer qualitativen Forschungsmethodik einen wesentlichen Einfluss auf das Potential und auf die Grenzen der Aussagekraft
der Forschungsergebnisse. Aufgrund dessen sollte die Datengenerierung mit den Forschungszielen und mit der Forschungsstrategie der Dissertation in Einklang stehen.
Dem Forscher stand für die vorliegende Arbeit eine Vielzahl verschiedener bewährter qualitativer Forschungsmethoden zur Verfügung (z.B. unterschiedliche Formen von Interviews, direkte und teilnehmende Beobachtungen, Dokumentenanalyse etc.). Bei der Auswahl der Methoden galt es darauf zu achten, dass sie für den spezifischen Forschungskontext geeignet
und angemessen sind. Dies deshalb, weil sich nur in den seltensten Fällen alle verschiedenen
Formen qualitativer Forschungsmethoden gleich gut eignen.164
Das Potential einer Einzelfallstudie kann am besten ausgeschöpft werden, wenn ein kombinierter Ansatz von Methoden zum Einsatz kommt. Dies ist besonders bei einer Einzelfallstudie
von grosser Bedeutung, da typischerweise keine direkten Vergleiche mit anderen Fällen so-
161
162
163
164
Vgl. Trillitzsch 2004, S. 139.
Vgl. Yin 1981, S. 61.
Vgl. Yin 2003, S. 1ff.
Mayring 2002; Yin 2003.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
44
wie keine statistischen Validierungstechniken durchgeführt werden (können).165 Der Einsatz
eines Forschungsmethoden-Mixes und die damit verbundene Möglichkeit der Triangulation
beheben jedoch diesen Nachteil, da das Erkenntnisobjekt auf diese Weise aus ganz verschiedenen Perspektiven durchdrungen werden kann.166 Aus diesem Grund wird die Untersuchung des Forschungsobjekts aus unterschiedlichen Perspektiven, unter Verwendung verschiedener Forschungsmethoden als ein wichtiges Merkmal zur Qualitätssicherung im qualitativen Forschungsprozess betrachtet.167 Der Autor versuchte, diesen Empfehlungen weitmöglichst zu folgen, um die Qualität und Validität seiner Forschungsergebnisse nicht zu gefährden.
5.3.2 Realisierter Forschungsprozess
In diesem Abschnitt werden zu Beginn der angewandte Methoden-Mix sowie anschliessend
der effektiv realisierte Forschungsprozess des Dissertationsprojekts beschrieben.
Überblick der angewandten Methoden
Abbildung 16 zeigt die einzelnen Forschungsmethoden auf, welche für die vorliegende Arbeit
im Rahmen der Einzelfallstudie verwendet wurden. Die Methoden und die jeweils damit verbundene Zielsetzung werden im Anschluss kurz erläutert.
Forschungsmethoden
! Desk-Research
! Expertengespräche
! Workshops mit Praktikern
! Informelle Gespräche
! Auswertung von Dokumenten
! Analogien
Abbildung 16: Übersicht der Forschungsmethoden
Quelle: Eigene Darstellung.
Desk-Research: Die Sekundärforschung bzw. der Desk-Research eignet sich grundsätzlich
zur Feststellung des Primärforschungsbedarfs, zur Erweiterung des Problemhorizonts, zur
Hypothesenbildung oder –festigung sowie zur Beurteilung der Relevanz einer Problemstellung. Er gilt als kostengünstig, da die Daten bereits erhoben wurden und er daher weniger
zeitaufwendig als die Primärforschung ist.
In der vorliegenden Arbeit wurde Desk-Research v.a. zur Erweiterung des Problemhorizonts
und zur Beurteilung der Praxis– und der Forschungsrelevanz der dieser Arbeit zugrunde liegenden Problemstellung eingesetzt. Er beinhaltete dabei das Studium zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen sowie populärwissenschaftlicher Veröffentlichungen aus Fach- und
Managementzeitschriften. Zudem wurden diverse Studien, Praxisberichte und Informationen
aus dem Internet analysiert. Der Desk-Research wurde analog zu den Expertengesprächen
zur Erfassung, Strukturierung und Beurteilung von Problemen aus der Bankpraxis verwendet.
165
Vgl. Leonard-Barton 1990.
Vgl. Jick 1979.
167
Vgl. Yin 2003, S. 83ff.
166
TEIL 1: EINFÜHRUNG
45
Expertengespräche: Der Verfasser führte in den unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses zahlreiche Gespräche mit Experten.168 Diese wurden insbesondere in den Phasen
2 (Verstehen und Erklären) und 3 (Gestalten)169 eingesetzt. Die Gespräche wurden mit Experten aus verschiedenen Fachbereichen der Credit Suisse geführt. Der theoretische Bezugsrahmen der Arbeit zeigte auf, dass die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Problemstellung zahlreiche Facetten hat bzw. dass unterschiedliche Fachbereiche der Betriebswirtschaft zur Problemlösung herangezogen werden müssen. Der Forscher war daher auch bei
der Auswahl der Experten bemüht, einen geeigneten „Mix“ an Gesprächspartnern zu erreichen, um alle relevanten Perspektiven des theoretischen Bezugsrahmens abdecken zu können.
Die Experten wurden jeweils auf die Gespräche vorbereitet, indem sie vorab einen situativ
erstellten Diskussionsleitfaden erhielten. Die Gespräche erfolgten i.d.R. offen und halbstandardisiert, teilweise fokussiert auf spezifische Problemstellungen.170 Die Gesprächsdauer war
meist zwischen ein bis zwei Stunden. Die Ergebnisse der Gespräche wurden i.d.R. in einem
Kurzprotokoll zusammengefasst und von den Experten korrigiert.
Workshops mit Praktikern: Die vom Forscher erarbeitete Konzeption eines Kennzahlensystems für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs wurde in Workshops mit unterschiedlichen
Experten der Credit Suisse überarbeitet und validiert. Es wurden bewusst keine Gruppenworkshops veranstaltet, sondern es wurde vielmehr Wert darauf gelegt, anhand der spezifischen Fachkenntnisse der einzelnen Experten die erarbeiteten Konzepte kritisch reflektieren
zu können. Auf diese Weise konnte der Forscher die Ergebnisse graduell verbessern und
präzisieren.
Informelle Gespräche: Zusätzlich zu den strukturierten Expertengesprächen und Workshops
fanden während des ganzen Forschungsprozesses zahlreiche persönliche Gespräche mit
Experten von der Credit Suisse sowie mit weiteren Fachvertretern statt. Diese eher kurzen
und informellen Gespräche dienten jeweils dazu, spezifische Zusammenhänge zu erschliessen oder die gewonnenen Erkenntnisse kommunikativ zu validieren.
Auswertung von Dokumenten: Grundlage für die Einzelfallstudie waren umfangreiche, Credit
Suisse-interne Dokumentationen und Informationsquellen. Zu den analysierten Quellen gehörten aktuelle Kennzahlensysteme, Strategie-Präsentationen, Protokolle und Informationen
aus dem Intranet. Diese Informationsquellen beinhalteten relevante Informationen in Bezug
auf die Vertriebsstrategie, auf die Messgrössen der aktuellen Steuerungssysteme, auf Kerngeschäftsprozesse sowie auf das Produkt- und Service-Angebot für das untersuchte Segment
Private Clients.
Analogien: Die Analogie ist eine der Methoden zur Untersuchung kausaler Zusammenhänge.
Sie geht davon aus, dass, falls zwei oder mehr Fälle einer der Untersuchung unterliegenden
Erscheinung nur einen Umstand gemeinsam haben, dieser Umstand die Ursache oder die
Folge dieser Erscheinung ist. Durch einen Analogieschluss kann man daher wahrscheinliches
168
169
170
Vgl. Anhang 2.
Vgl. Teil 1, Abbildung 14, S. 32.
Mayring 1990, S. 51 ff.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
46
Wissen erlangen. Dieses trägt etwas Neues in sich, das dem Forscher hilft, sich im umgebenden Forschungsfeld zurechtzufinden und die Entwicklungsrichtung einer bestimmten Erscheinung oder eines bestimmten Ereignisses vorauszusehen.171
Analogien dienten in der vorliegenden Arbeit dazu, bereits bestehende Erkenntnisse bzw.
Wissen aus den im theoretischen Bezugsrahmen aufgeführten Disziplinen auf das vorliegende Forschungsproblem zu übertragen. Diese Methode wurde sowohl für die Problemstrukturierung als auch zur Erarbeitung der Gestaltungs- und Handlungsempfehlungen verwendet.
Realisierter Forschungsprozess
In diesem Abschnitt sollen die im vorangehenden Abschnitt aufgeführten qualitativen Methoden detaillierter im Kontext des Forschungsprozesses bzw. der einzelnen Phasen aufgezeigt
werden.
Ziel des Forschungsprozesses ist die Entwicklung, empirische Überprüfung und Weiterentwicklung des zugrunde liegenden gedanklichen Bezugsrahmens. Der in dieser Arbeit realisierte Forschungsprozess leitet sich aus dem Forschungsziel ab und lehnt sich an Ulrich172
an. Gemäss diesem beginnt und endet der Forschungsprozess in der Praxis und fokussiert
auf die Untersuchung des Anwendungszusammenhangs. In Abbildung 17 werden der Entdeckungs-, Begründungs-, und Verwendungszusammenhang der vorliegenden Arbeit erläutert
und einen Überblick über die wichtigsten Inhalte mit den jeweils verwendeten Methoden gegeben.
Forschungsphase
Arbeitsinhalte: Theorie- und Praxisbezug
Erfassung und Typisierung des
praxisrelevanten Problems
! Vorverständnis: Beschäftigung mit den Herausforderungen der Vertriebssteuerung im Mehrkanalvertrieb
von Banken
! Erarbeitung von Forschungsprioritäten durch DeskResearch (z.B. Unterlagen Credit Suisse, Journals)
Expertengespräche
! Forschungsschwerpunkte des Instituts für Marketing
und Handel der Universität St.Gallen
! Verstehen der Problemzusammenhänge (Hermeneutik)
Problemauswahl und
-strukturierung
Entdeckungs- und Verwendungszusammenhang:
! Subjektive Auswahl eines relevanten Forschungsobjektes (Integrierte Kennzahlensteuerungssysteme für den
Mehrkanalvertrieb von Banken)
171
172
Vgl. http://www.phillex.de/analogie.htm.
Ulrich 1981, S. 192.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
47
Erfassung und Untersuchung
Fachbereiche und zentrale Ansätze:
problemrelevanter Theorien und ! Distribution: Management von Mehrkanalsystemen
Ansätze, Einordnen in vorhan! Zielplanung und Strategieimplementierung: Prozess
dene Erkenntnisse
des strategischen Managements, betriebswirtschaftliche Zielforschung
! Prozessmanagement: Business-Process-Management
! Kennzahlensysteme: Betriebswirtschaftliche Kennzahlenforschung
Erfassung und Untersuchung
des relevanten Verwendungszusammenhangs
! Definition und Operationalisierung von Begriffen
! Desk-Research und Auswertung bestehender Untersuchungen
! Standardisierte Expertengespräche und Workshops
Ableitung des Gestaltungsmodells, Handlungsanweisungen
und Beurteilungskriterien
! Herleitung der Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb von Banken
! Validierung der Anforderungen anhand von Expertengesprächen
! Erarbeiten einer Grundkonzeption für ein integriertes
Kennzahlensteuerungssystem für die Steuerung eines
Mehrkanalvertriebssystems einer Bank anhand der
hergeleiteten Anforderungen
! Validierung der Grundkonzeption anhand von Expertengesprächen und informellen Diskussionen innerhalb
der Credit Suisse
Prüfung des Gestaltungsmodells ! Einzelfallstudie: Herleitung eines Kennzahlensteueund der Handlungsanweisungen
rungssystems für das Segment Private Clients der
im Anwendungszusammenhang
Credit Suisse
! Validierung des entwickelten Kennzahlensystems
durch Expertengespräche und anhand von Workshops
! Wissenschaftlicher Diskurs
Induktion und Heuristik
! Konkretisieren des weiteren Forschungsbedarfs
Abbildung 17: Forschungsprozess der Arbeit
Quelle: In Anlehnung an Ulrich 1981 und Reinecke 2004.
Der Lernprozess173 war dabei iterativ im Sinne einer praxisbegleitenden Forschung, weil abwechselnd und mehrfach abstrahiert und im konkreten Anwendungsfall überprüft wurde. Die
Phasen wurden daher nicht streng sequentiell durchlaufen.
5.3.3 Qualitätssicherung für den qualitativen Forschungsprozess
Aufgrund der grundsätzlich geäusserten Bedenken gegenüber qualitativen Forschungsarbeiten gilt es zum Schluss von Teil 1 das Thema Qualitätssicherung in Bezug auf das vorliegende Dissertationsprojekt zu behandeln. In der einschlägigen Fachliteratur nimmt dieser Gegenstand einen entsprechend grossen Raum ein und soll daher auch an dieser Stelle betrachtet werden. Im Folgenden werden jeweils nur die – aus Sicht des Verfassers – wesentlichen Argumente zu diesem Thema berücksichtigt. Konkret handelt es sich dabei um diejeni-
173
Vgl. Tomczak 1992b, S. 84.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
48
gen Evaluationskriterien, die geeignet sind, Ergebnisse von Fallstudien angemessen zu beurteilen.
Übersicht der Evaluationskriterien
Zur adäquaten Beurteilung der Güte von qualitativen Studien wurden von verschiedenen Wissenschaftern174 zahlreiche Vorschläge zur Anpassung der traditionellen Evaluationskriterien175 vorgelegt. Yin hat für eine angemessene Beurteilung der Fallstudienforschung einen
Katalog von vier Haupt-Evaluationskriterien und dazugehörigen Methoden und Techniken
definiert, mit denen die Spezifika dieser Art qualitativer Forschung angemessen berücksichtigt
werden, indem sie v.a. die Plausibilität der Forschungsergebnisse überprüft wird.176
Yins vier Gütekriterien decken sich weitgehend mit denen anderer Forscher und stellen daher
die Grundlage für die vorliegende Dissertation dar. Konkret handelt es sich dabei um die Kriterien der Construct Validity (Konstruktvalidität), der Internal Validity (Interne Validität, der External Validity (Externe Validität) sowie der Reliability (Reliabilität). Bevor auf die einzelnen Punkte kurz eingegangen wird, zeigt Abbildung 18 diese im Überblick auf.
Evaluationskriterium
Empfohlene Techniken zur
Erfüllung des Evaluationskriteriums innerhalb der
Fallstudienforschung
Betroffene Forschungsphase innerhalb der Fallstudienforschung
Angewandte Techniken in der vorliegenden Einzelfallstudie
Konstruktvalidität
! Verwendung mehrerer
Datenquellen
! Aufbau logischer Beweisketten
! Reviews durch zentrale
Auskunftspersonen
! Datensammlung
! Einsatz eines Methoden-Mixes
! Vergleich mit der
Literatur
! Reviews durch
Experten der
Credit Suisse
Interne
Validität
174
175
176
! Datensammlung
! Aufbereiten der
Ergebnisse
! Durchführung von Muster- ! Datenanalyse
vergleichen
! Datenanalyse
! Bildung von Kausal- und
Erklärungsketten
! Datenanalyse
! Überprüfung alternativer
Erklärungsansätze
! Überprüfung und
Review durch Experten der Credit
Suisse
Vgl. z.B. Lincoln 1985; Strauss 1990; Miles 1994; Mayring 2002; Riege 2003; Yin 2003.
Objektivität, Reliabilität, Validität, Signifikanz, Wiederholbarkeit, Generalisierbarkeit sowie Kompatibilität von
Theorie und Beobachtung.
Vgl. Yin 2003, S. 33.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
Externe
Validität
Reliabilität
49
! Einsatz der Replikations! Entwurf des Forlogik bei Mehrfallstudien
schungsdesigns
! Offenlegung der Grenzen
der analytischen Generali- ! Entwurf des Forschungsdesigns
sierbarkeit der Forschungsergebnisse
! Vergleiche der Ergebnisse ! Datenanalyse
mit der existierenden wissenschaftlichen Literatur
! Validierung der
Ergebnisse durch
unterschiedliche
Experten der
Credit Suisse
! Datensammlung
! Offenlegung des
Forschungsprozesses
! Elektronische Dokumentation der
Expertengespräche
! Elektronische Datenspeicherung
! Verwendung eines Fallstudienprotokolls
! Datensammlung
! Möglichst detailgetreue
Aufzeichnung der Beobachtungen und Handlungen in der Praxis
! Einsatz einer Fallstudien- ! Datensammlung
datenbank
! Einsatz mehrerer Forscher ! Datensammlung
! Desk-ResearchAuswertungen
Abbildung 18: Evaluationskriterien für die Beurteilung der Qualität von Fallstudien
Quelle: In Anlehnung an Yin 2003, S. 34; Riege 2003, S. 78f.; Lincoln 1985.
Konstruktvalidität
Mit dem Kriterium der Konstruktvalidität soll sichergestellt werden, dass nur wirklich geeignete
und angemessene Datenerhebungsverfahren eingesetzt werden.177 Anhand dieses Kriteriums wird überprüft, ob sich die Befunde aus der empirischen Untersuchung tatsächlich aus
dem untersuchten Kontext ergeben und herleiten lassen oder ob sie nur das Resultat (verzerrter) Wahrnehmung des Forschers darstellen. Durch die Konstruktvalidität wird somit die
Neutralität und Objektivität der Untersuchungsergebnisse kontrolliert.
Um die Erfüllung des Kriteriums der Konstruktvalidität im Rahmen von Fallstudien sicherzustellen, werden in der Literatur178 v.a. die drei folgenden Techniken empfohlen:
! Verwendung mehrerer Datenquellen bei der Datensammlung;
! Aufbau logischer Beweisketten bei der Datensammlung;
! Durchführung von Reviews durch zentrale Auskunftspersonen.
In der vorliegenden Arbeit wurden die folgenden Methoden angewendet, um die Konstruktvalidität zu gewährleisten:
! Es wurde ein Mix aus verschiedenen Forschungsmethoden eingesetzt, der eine Triangulation der verschiedenen Forschungserkenntnisse ermöglichte.
177
178
Vgl. Yin 2003, S. 34.
Vgl. z.B. Yin 2003, S. 34; Riege 2003, S. 78f.; Lincoln 1985.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
50
! Die wesentlichen Einsichten und Erkenntnisse wurden jeweils in Form von Feldnotizen oder elektronischen Protokollen bzw. mit Hilfe von Audio-Aufzeichnungen festgehalten. Die
dadurch entstandenen Argumentations- und Beweisketten wurden mittels Rückgriff auf
vorhandene wissenschaftliche Literatur validiert.
! Schliesslich wurden durch Experten-Reviews und informelle Gespräche die zentralen Erkenntnisse der Fallstudie kontinuierlich kritisch reflektiert. Dies stellte sicher, dass Verzerrungen so weit wie möglich reduziert werden konnten.
Interne Validität
Die interne Validität dient dazu, die Glaubwürdigkeit der Schlussfolgerungen und Ergebnisse
zu kontrollieren. Es wird damit der Wahrheitsgehalt einer Untersuchung überprüft.179 Dieses
Kriterium spielt v.a. in der Phase der Datenanalyse und der Theoriebildung eine grosse Rolle
und thematisiert die grundsätzlichen Möglichkeiten von Schlussfolgerungen innerhalb qualitativer empirischer Untersuchungen.180
Um die interne Validität im Rahmen von Fallstudien zu gewährleisten, werden in der einschlägigen Literatur181 folgende Methoden und Techniken empfohlen:
! Durchführung von Mustervergleichen innerhalb einer Fallstudie;
! Bildung von Kausal- und Erklärungsketten;
! Überprüfung bzw. Berücksichtigung alternativer Erklärungsansätze.
In der vorliegenden Arbeit wurden die folgenden Methoden angewendet, um die interne Validität zu gewährleisten:
! Die in der Einzelfallstudie erarbeitete Konzeption wurde Experten aus verschiedenen
Fachbereichen der Credit Suisse zur Überprüfung bzw. zur kommunikativen Validierung
vorgelegt. Die kritische Reflexion der Ergebnisse mit Fachspezialisten aus unterschiedlichen Bereichen trug massgeblich dazu bei, dass auch aus Sicht der Credit Suisse unterschiedliche Sichtweisen eingebracht werden konnten.
! Ein weiteres Argument für die Sicherstellung der internen Validität ist die intensive Auseinandersetzung des Forschers mit dem Forschungs- und Erkenntnisobjekt während der gesamten Forschungsdauer. In Verbindung mit dem ausführlichen Studium der Fachliteratur
hat dies insgesamt zu einer höheren theoretischen Sensibilität des Forschers geführt. Diese ermöglichte dem Autor zu erkennen, was in den erhobenen Daten relevant ist. Schliesslich half die Sensibilität dem Forscher, einen theoretischen Beitrag zu entwickeln, welcher
der Wirklichkeit des untersuchten Phänomens gerecht wird und somit auch die interne Validität der Ergebnisse steigert.
Externe Validität
Mit dem Kriterium der externen Validität wird geprüft, inwieweit die Forschungsergebnisse
auch über den Kontext der eigentlichen Studie hinaus generalisierbar sind.182 Die externe Va-
179
180
181
182
Vgl. Yin 2003, S. 36.
Vgl. Yin 2003, S. 34.
Vgl. z.B. Yin 2003, S. 34; Riege 2003, S. 78f.; Lincoln 1985.
Yin 2003, S: 36.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
51
lidität ist grösser, wenn die gewonnenen Erkenntnisse und die erarbeiteten Konzepte auch auf
andere Forschungskontexte übertragbar sind. Mittels dieses Gütekriteriums wird also geprüft,
inwieweit sich die aufgestellten Arbeitshypothesen auf einen vergleichbaren Forschungskontext übertragen lassen und in ihm angewendet werden können.
In diesem Zusammenhang weist Yin darauf hin, dass es sich im Gegensatz zur quantitativen
Forschung bei Fallstudien nicht um die statistische Generalisierbarkeit, sondern um eine so
genannte analytische Generalisierbarkeit handelt.183 Dies bedeutet, dass von externer Validität einer Einzelfallstudie dann gesprochen werden kann, wenn sich ihre Forschungsergebnisse in anderen (vergleichbaren) Untersuchungen einordnen bzw. wieder finden lassen.
Um die externe Validität im Rahmen von Fallstudien zu gewährleisten, werden in der einschlägigen Literatur184 folgende Methoden und Techniken empfohlen:
! Einsatz der Replikationslogik bei Mehrfallstudien;
! Offenlegung der Grenzen der analytischen Generalisierbarkeit der Forschungsergebnisse;
! Vergleich der Ergebnisse mit der wissenschaftlichen Literatur.
Der Einsatz der Replikationslogik war für die vorliegende Untersuchung nicht möglich, da es
sich bekanntlich um eine Einzelfallstudie handelte und somit der Rückgriff auf verschiedene
Fälle nicht möglich war. Um diesem Evaluationskriterium trotzdem bestmöglich gerecht zu
werden, wurde hier versucht, im Rahmen von Validierungsgesprächen mit unterschiedlichen
Experten der Credit Suisse die Zwischenresultate jeweils zu validieren.
Reliabilität
Bei der Reliabilität handelt es sich schliesslich um ein Evaluationskriterium, mit welchem die
Zuverlässigkeit der Erkenntnisse überprüft wird. Dieses Kriterium gilt grundsätzlich dann als
erfüllt, wenn die verbleibenden inkonsistenten Interpretationen und Erklärungen nicht auf
Mess- und Beobachtungsfehler des Forschers zurück zu führen sind, sondern vielmehr auf
die Dynamik des jeweiligen sozialen Phänomens selbst.185 Eine Untersuchung mit hoher Reliabilität sollte demnach bei einer erneuten Erhebung unter gleichen Bedingungen zum gleichen Ergebnis führen. Somit soll im Kontext von Fallstudien die Reliabilität die Wiederholbarkeit und die logische Konsistenz der Untersuchungsergebnisse sicherstellen.186
Bei Einzelfallstudien bzw. bei qualitativen Untersuchungen ist diese Forderung jedoch nicht
ohne weiteres zu erfüllen. Dies ist v.a. deshalb schwierig, weil es oftmals keine Möglichkeit
gibt, sich dem Erkenntnisobjekt ein weiteres Mal in identischer Weise zu nähern. Aufgrund
dieses Umstandes wird in einigen Beiträgen auch das Kriterium der Nachvollziehbarkeit genannt,187 welches eine Anpassung des tendenziell objektivistischen Kriteriums der Reliabilität
an qualitative Forschungskontexte vornimmt. In der einschlägigen Literatur wird jedoch trotzdem in erster Linie das Gütekriterium der Reliabilität thematisiert.188
183
184
185
186
187
188
Yin 2003, S: 36.
Yin 2003, S. 34; Riege 2003, S. 78f.; Lincoln 1985.
Vgl. Nieschlag 2002, S. 427.
Vgl. Yin 2003, S. 37.
Vgl. z.B. Trillitzsch 2004, S. 181.
Vgl. Yin 2003, S. 37ff.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
52
Zur Erfüllung des Kriteriums der Reliabilität im Rahmen von Fallstudien wird u.a. die Verwendung der folgenden Techniken empfohlen189 :
! Verwendung eines Fallstudien-Protokolls;
! Möglichst detailgetreue Aufzeichnung der Beobachtungen und Handlungen in der Praxis;
! Einsatz einer Fallstudiendatenbank;
! Einsatz mehrerer Forscher.
Um für das vorliegende Forschungsprojekt das Kriterium der Reliabilität möglichst weitgehend
zu erfüllen, wurde jeweils versucht, die einzelnen Schritte des Vorgehens für den Leser so
transparent bzw. so nachvollziehbar wie möglich zu gestalten. Dies galt v.a. für die Offenlegung des Forschungsprozesses, welcher in Abschnitt 5.3.2 ausführlich erläutert wird.
Zusätzlich hat der Forscher versucht, durch den intensiven Austausch mit den Experten der
Credit Suisse sicher zu stellen, dass der Weg der Erkenntnisgewinnung plausibel erläutert
und aufgezeigt werden konnte. Fener wurden die zahlreichen Hinweise, die der Autor während der Expertengespräche erhielt, in die jeweils nachfolgenden Forschungsphasen integriert. Die zentralen Erkenntnisse des Forschungsprozesses wurden möglichst präzise dokumentiert und meist protokolliert.
Diese Massnahmen trugen dazu bei, dass die Reliabilität der in dieser Arbeit präsentierten
Ergebnisse tendenziell erhöht werden konnte. Es gilt trotzdem festzuhalten, dass Fallstudien
aufgrund ihres erläuterden Charakters grundsätzlich nicht die strenge Art von Reliabilität aufweisen können. Dieser Umstand ist jedoch vielmehr auf die Wahl eines spezifischen Forschungsdesigns, als auf die Qualität des jeweiligen wissenschaftlichen Vorgehens zurückzuführen.
5.3.4 Zusammenfassung und Fazit
Das Ziel von Abschnitt 5 war es u.a., den Leser mit der wissenschaftstheoretischen Positionierung und der gewählten Forschungsmethodik vertraut zu machen, um ihm hierdurch eine
Beurteilung der präsentierten Forschungsergebnisse zu ermöglichen. Folgende Punkte bilden
die zentralen Eckpfeiler der vorliegenden Arbeit:
Wissenschaftstheoretische Positionierung: Der Anlass der vorliegenden Dissertation sind
Problemstellungen aus der Bankpraxis, welche sich im Zusammenhang mit einer integrierten
Vertriebssteuerung eines Mehrkanalsystems ergeben (Entdeckungszusammenhang). Die
Arbeit lehnt sich an Ulrichs anwendungsorientiertem Forschungsverständnis der Betriebswirtschaftslehre an (Begründungszusammenhang). Im Mittelpunkt der Dissertation steht insbesondere die Überprüfung der praktischen Nützlichkeit der entwickelten Konzeption im Alltag
(Verwendungszusammenhang).
189
Vgl. z.B. Yin 2003, S. 34; Riege 2003, S. 78f.; Lincoln 1985.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
53
Forschungsmethodik: Die drei Hauptphasen des Forschungsprozesses dieser Dissertation
sind an die zentralen theoretischen Konstrukte der anwendungsorientierten Betriebswirtschaftslehre nach Ulrich190 angelehnt. Durch dieses Forschungsdesign gelang es, das Erkenntnisobjekt aus theoretischer wie auch aus praktischer Sicht zu durchleuchten.
Forschungsprozess und Qualitätssicherung: Vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieser Dissertation wurde eine qualitative Forschungsstrategie als sinnvoll und ergiebig beurteilt. Zur
Durchdringung des Erkenntnisobjekts wurde die Fallstudienforschung als zentrale Methode
gewählt, da die notwendigen Voraussetzungen für einen sinnvollen Einsatz im Rahmen dieses Forschungsprojekts gegeben sind. Damit das Potential und die Qualität der Einzelfallstudie ausgeschöpft werden können, wurde ein kombinierter Ansatz von Methoden (Forschungsmethoden-Mix) gewählt.
190
Ulrich 1981.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
54
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
1. Überblick und Einführung
Ziel und Gegenstand von Teil 2 ist die Beschreibung der für die vorliegende Arbeit relevanten
Begriffe, zentralen Aspekte und konzeptionellen Ansätze. Zu Beginn werden in Kapitel 2 die
relevanten Begriffe erläutert.
Zielplanung und
Strategieimplementierung
Fachbereich
Distribution
Zentrale Aspekte:
Zentrale Aspekte:
! Konfiguration des Mehrkanalvertriebs
! Koordination des Mehrkanalvertriebs
! Zielplanung
! Implementierung von Strategien
Zentraler Ansatz:
Zentrale Ansätze:
! Management des Mehrkanalsystems
! Prozess des strategischen Managements
! Betriebswirtschaftliche Zielforschung
Zentrale Aspekte:
Zentrale Aspekte:
! Funktion, Zweck und Verwendung von
! Geschäftsprozessorientierung
! Effizienz und Effektivität von Prozessen
!
Kennzahlensystemen
Gütekriterien von Kennzahlensystemen
Zentraler Ansatz:
Zentraler Ansatz:
! Betriebswirtschaftliche Kennzahlenforschung
! Business-Process-Management
Kennzahlensysteme
Prozessmanagement
Abbildung 19: Theoretischer Bezugsrahmen – Detail
Quelle: Eigene Darstellung.
Kapitel 3 bis 6 beschreiben die zentralen Ansätze des theoretischen Bezugsrahmens, welcher
im Teil 1 dieser Arbeit definiert wurde. Pro Fachbereich werden – unter Berücksichtigung der
jeweiligen zentralen Aspekte und Ansätze – die Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem herausgearbeitet.
2. Begriffsdefinitionen
Aufgrund der Zielsetzung und der Fragestellungen werden die folgenden Konstrukte als die
zentralen Begriffe der vorliegenden Arbeit verstanden: Integrierte Kennzahlensteuerungssysteme, filialzentrierte Mehrkanalbank, Retail-Bank und Vertriebserfolg. In den folgenden Abschnitten werden sie kurz umschrieben.
2.1 Integrierte Kennzahlensteuerungssysteme
In Kapitel 6 wird im Detail auf die Ziele, Funktionen und Aufgaben von Kennzahlen und Kennzahlensystemen eingegangen. Im Hinblick auf das Forschungsproblem werden an dieser
Stelle deshalb nur zwei zentrale Aspekte von Kennzahlensystemen beschrieben. Es handelt
sich dabei um deren Zweck und den Grad der Integration.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
55
Der Begriff Kennzahlensteuerungssysteme weist auf den Zweck bzw. die Funktion191 eines
Kennzahlensystems hin. In der vorliegenden Arbeit steht die Steuerungsfunktion192 im Vordergrund. Kennzahlensysteme werden häufig dazu eingesetzt, das Verhalten eines Systems
zu steuern. Voraussetzung ist hierbei, dass bestimmte Einzelkennzahlen zu Normen erhoben
werden.193 Die meisten unternehmensintern eingesetzten Systeme verfolgen diesen Zweck.
Unter System wird in der vorliegenden Arbeit das Mehrkanalvertriebssystem verstanden, welches in Abschnitt 2.2 und 3.2 näher beschrieben wird.
Der Aspekt der Integration bezieht sich auf die Fähigkeit eines Kennzahlensystems, den
Mehrkanalvertrieb koordiniert zu steuern. Koordiniert in diesem Kontext bedeutet, dass ein
Kennzahlensystem das gesamte Vertriebssystem unter Berücksichtigung der strategischen
Zielsetzungen kanalübergreifend und somit integriert steuern kann.
Im Kontext der vorliegenden Arbeit ist ein integriertes Kennzahlensteuerungssystem demnach
ein Instrumentarium, welches dazu geeignet ist, eine Mehrkanalvertriebsstrategie umzusetzen
bzw. ein Mehrkanalsystem im Bankvertrieb strategieorientiert zu steuern.
2.2 Filialzentrierte Mehrkanalbank
Das Konstrukt filialzentrierte Mehrkanalbank beinhaltet die Aspekte filialzentriert und Mehrkanal. Diese beiden Begriffe sollen kurz erläutert werden.
Unter einer Mehrkanalbank wird ein Finanzinstitut verstanden, dessen Vertriebssystem über
mehrere Kanäle verfügt. Unter Kanälen werden aus unternehmensinterner Sicht organisatorische Einheiten wie der stationäre Vertrieb (Filiale, Call-Center), das Internet oder der Aussendienst verstanden. Von diesen organisatorischen Kanälen unterscheiden sich mediale Kanäle
in Form von Zugangsmedien wie z.B. Telefon, PC oder anderen elektronischen Geräten.194
Im Folgenen werden unter Vertriebskanälen immer organisatorische Einheiten verstanden.
Eine filialzentrierte Mehrkanalbank ist ein Finanzinstitut, bei welchem die einzelnen Vertriebskanäle zu einem Mehrkanalvertriebssystem integriert wurden. Mehrkanalsysteme sind dabei
eine Kombination mehrerer Vertriebskanäle.195 Von einem System wird gesprochen, wenn die
Kanäle synergetisch vernetzt werden.
191
192
193
194
195
Kennzahlensysteme können je nach Zweck unterschiedliche Funktionen bzw. Aufgaben wahrnehmen. Die
unterschiedlichen Zwecke werden in Abschnitt 6.2 näher beschrieben.
Vgl. z.B. Kern 1971, S. 716ff.; Küting 1983, S. 239.
Vgl. Geiss 1986, S. 104.
Vgl. Schmid/Bach/Oesterle 2000, S. 45. Näher beschreiben lässt sich dies anhand des folgenden Beispiels:
Aus Sicht der Bank ist es relevant, ob der Kunde von der Filiale oder dem Call-Center bedient wird, also welchen Kanal bzw. welche organisatorische Einheit der Kunde nutzt. In diesem Zusammenhang spielt es aber
keine Rolle, ob der Kunde die Filiale persönlich besucht oder seinen Berater telefonisch kontaktiert. Aus Kundensicht ist hingegen die Wahl des Zugangsgerätes ausschlaggebend, d.h. ob man z.B. über Telefon oder
persönlich Kontakt mit der Bank aufnimmt. Ob der Telefonanruf nun von einem Mitarbeiter der Filiale oder
dem Call-Center entgegengenommen wird, ist für den Kunden unbedeutend, solange die Dienstleistung zur
Zufriedenheit erfüllt wird.
Vgl. Moriarty/Moran 1991, S. 98.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
Kanäle agieren als
selbständige Vertriebseinheit (Silos).
Call Center
56
Aussendienst
Filiale
Internet
Integration
Filialbasierte Mehrkanalbank
Filiale
Kanäle sind in einem
Mehrkanalvertriebssystem integriert.
Call Center
Internet
Aussendienst
Abbildung 20: Filialzentrierte Mehrkanalbank
Quelle: Eigene Darstellung.
Im Gegensatz dazu steht die separate Nutzung multipler Kanäle, die getrennt und eigenständig als „Silos“ fungieren. Filialzentriert wird eine Mehrkanalbank dann bezeichnet, wenn die
Filiale von der Bedeutung und Grösse her der zentrale Vertriebskanal ist.196 In Abbildung 20
wird der Unterschied einer Bank mit multiplen Vertriebskanälen und einer filialzentrierten
Mehrkanalbank graphisch aufgezeigt.
2.3 Retail Bank
Das Schweizer Bankensystem ist auf dem Modell der Universalbank aufgebaut. Dies bedeutet, dass alle Banken alle Bankdienstleistungen wie z.B. Kredit- bzw. Aktivgeschäft, Vermögensverwaltung und Anlageberatung, Zahlungsverkehr, Passivgeschäft, Wertschriftengeschäft oder andere Services anbieten können.197 Obwohl das Prinzip der Universalbank gilt,
haben sich einige Bankengruppen ganz oder teilweise spezialisiert. In der Schweiz wird zwischen den folgenden Bankengruppen unterschieden:
! Grossbanken (z.B. UBS, Credit Suisse);
! Kantonalbanken;
! Regionalbanken und Sparkassen;
! Raiffeisen-Gruppe;
! Privatbanken;
! Auslandbanken;
! Übrige Banken.
Unter Retail-Banking subsumiert man das standardisierte Massengeschäft mit Privatkunden,
die v.a. Basisleistungen beanspruchen und ein relativ geringes Beratungsbedürfnis haben.198
Gleichzusetzen ist das Retail-Banking mit dem in der Praxis bekannten Privatkunden- oder
Massenkundengeschäft. Diese Art des Bankgeschäfts stellt v.a. bei den Kantonalbanken, den
196
197
198
Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer 2004, S.22.
Vgl. http://www.swissbanking.org/home/fs-allgemein.htm.
Vgl. Swoboda 2004, S. 167.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
57
Raiffeisenbanken sowie den Regional-Banken und Sparkassen ein wichtiges Kerngeschäftsfeld dar.
2.4 Mehrkanalvertriebsstrategie
Eine Strategie kann grundsätzlich als ein sich an der strategischen Zielkonzeption des Unternehmens orientierender, mehrperiodischer Handlungsplan bezeichnet werden.199 Eine Vertriebsstrategie ist ein Plan, der sich an den aus den Unternehmenszielen abgeleiteten Rahmenstrategien des gesamten Unternehmens orientiert. Aus einer Vertriebsstrategie lassen
sich Aussagen über folgende Aspekte machen:
! verfolgte Produktpolitik;
! anzusprechende Kundengruppen;
! Positionierung;
! zu erreichende Ergebnisse.200
Im Kontext des Mehrkanalvertriebs beantwortet eine Mehrkanalvertriebsstrategie die Frage:
„Welchen Kunden(-gruppen) werden welche Leistungen über welche Vertriebskanäle zu welchen Preisen angeboten?".
2.5 Vertriebserfolg
Der Begriff Erfolg stammt aus der Finanzbuchhaltung und wird auf Unternehmensebene in
der Erfolgsrechnung aus der Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag ermittelt. Die Erfolgsrechnung hat zum Ziel, über die Unternehmenstätigkeit Rechenschaft abzulegen und den
Periodenerfolg zu ermitteln.201
In Anlehnung an die oben aufgeführte Definition wird der Erfolg im Funktionsbereich Vertrieb
eines bestimmten Geschäftsbereichs einer Bank verstanden. Im Gegensatz zur Finanzbuchhaltung wird der Erfolg hier jedoch nicht nur als die rein rechnerische Gegenüberstellung von
Aufwand und Ertrag definiert, sondern vielmehr als der Grad der Zielerreichung.202 Der Zielerreichungsgrad drückt aus, inwiefern die strategischen oder operativen Zielsetzungen des gesamten Mehrkanalvertriebssystems erreicht wurden.
3. Distribution
3.1 Einleitung und Überblick
Die Distribution als Teil der betriebswirtschaftlichen Disziplin Marketing nimmt in der vorliegenden Arbeit eine zentrale Rolle ein. Ziel und Gegenstand von Kapitel 3 ist die Erläuterung
der Grundlagen der Distribution und des Managements von Mehrkanalsystemen. Dabei wird
spezifisch auf die für die Zielsetzung dieser Arbeit relevanten Aspekte Konfiguration und Koordination des Mehrkanalvertriebs eingegangen. Am Ende des Kapitels werden die Implikati-
199
200
201
202
Vgl. Ahlert 1998, S. 3.
Vgl. Ahlert 2002, S. 73f.
Vgl. Schellenberg 1995, S. 63.
Vgl. Hesse/Huckemann 2002, S. 76ff.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
58
onen für die Vertriebssteuerung zusammengefasst. Diese werden analog zu den beschriebenen Problemstellungen bei Kennzahlensteuerungssystemen (Vertriebssteuerungssystemen
i.e.S.203 ) in die Kategorien Messmethode, Inhaltsdefinition und Entwicklungsprozess gegliedert.
3.2 Grundlagen der Distribution
Dieser Abschnitt zeigt die Aufgaben und Ziele der Distribution sowie das Wesen von Vertriebskanälen auf. Aufbauend auf der begrifflichen Definition des Mehrkanalvertriebs in Abschnitt 2.2 wird zusätzlich das Wesen desselben näher beschrieben.
3.2.1 Aufgaben und Ziele der Distribution
Die Aufgabe der Distribution besteht darin, die Markt- und Konsumreife der Unternehmensleistungen langfristig zu sichern. Markt- bzw. konsumreif sind Leistungen, wenn sie sich im
Beschaffungsbereich des Endkunden befinden und von ihm in der erwarteten Quantität und
Qualität erworben werden können.204
Die Distributionspolitik bezieht sich daher auf die Gesamtheit aller Entscheidungen und Handlungen, welche mit der Übermittlung von Dienstleistungen zum Endabnehmer im Zusammenhang stehen.205 Entscheidungen in der Distribution stehen in einer abgeleiteten Zweck-MittelBeziehung zu den übergeordneten Zielen der marktorientierten Unternehmensführung.206 Je
nach Ausprägung der quantitativen und qualitativen Vorgaben des Marketings werden unterschiedliche Anforderungen an die Distribution und an die Vertriebskanäle gestellt.207
Ausgehend von der Aufgabe der Distribution steht somit die Gestaltung der einzelnen Vertriebskanäle sowie des gesamten Vertriebssystems im Mittelpunkt. Für das Distributionsmanagement sind folgende Entscheidungs- und Gestaltungsbereiche wichtig:208
! die Selektion (Vertriebskanäle bewerten und die geeigneten auswählen);
! die Akquisition (die Beteiligten in den Vertriebskanälen zur Zusammenarbeit motivieren);
! die Koordination (die Vertriebskanäle bzw. das Vertriebssystem gemäss den Zielsetzungen
steuern und abstimmen).
Bei der Wahl der Vertriebswege kann zwischen den Grundformen eines direkten und eines
indirekten Vertriebsweges differenziert werden. Bei der direkten Distribution erfolgen die Verpflichtungserklärung sowie die Erbringung der Dienstleistung durch den gleichen Betrieb. Bei
der indirekten Distribution wird dagegen ein Absatzmittler zum Vertrieb der Leistungen eingesetzt. Ausser diesen Grundformen existieren Kombinationslösungen aus direkter und indirekter Distribution.209
203
204
205
206
207
208
209
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.2.3.
Vgl. Weinhold 1988, S. 335ff.
Vgl. Meffert 2000, S. 600.
Vgl. Haedrich/Tomczak 1990, S. 122ff.
Vgl. Tomczak 1992a, S. 15.
Vgl. Ahlert 1985, S. 151ff.
Vgl. Meffert/Bruhn 2003, S. 555.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
59
Eine zentrale Orientierungsfunktion der Entscheidungsprozesse innerhalb der Distributionspolitik kommt den distributionspolitischen Zielen zu. Diese sind konsistent aus den übergeordneten Unternehmens- und Marketingzielen abzuleiten und möglichst operationell zu formulieren.210 Marktgerechte und marktgerichtete Unternehmensführung heisst jedoch nicht nur, bedürfnisgerechte Leistungen zu entwickeln und zu produzieren, sondern in hohem Masse auch
deren Verfügbarkeit zu gewährleisten. Der Hersteller muss – orientiert an den Bedürfnissen
der Endkunden – bestimmte Ansprüche an sein Distributionssystem stellen, um einen bestimmten Grad der Markt- bzw. Konsumreife zu verwirklichen.211
Neben der Markt- und Konsumreife muss ein Unternehmen auch die horizontale und die vertikale Wettbewerbsposition in seine Bemühungen mit einbeziehen. Dies bedeutet, dass Distributionsziele nicht nur auf das Verhalten der eigenen Unternehmung, sondern auch auf jenes
der Konkurrenten, auf die Absatzmittler und auf die Endkunden ausgerichtet sein sollten.212
Basierend auf den Ausführungen von Gaitanides und Westphal213 definiert Schögel214 folgende Zieldimensionen:
! Markt- und Konsumreife: Ziele, die sich auf die Markt- und Konsumreife beziehen, betreffen
sowohl die Leistung des Herstellers als auch Aussagen über den Weg der Dienstleistung
zum Kunden.
! Horizontale Wettbewerbsposition: Die horizontale Wettbewerbsposition bezieht sich auf die
Stellung der Unternehmung gegenüber den Konkurrenten auf Industrieebene.
! Vertikale Wettbewerbsposition: Die vertikale Wettbewerbsposition beschreibt die Stellung
der Unternehmung zu ihren Absatzmittlern und Kunden. Abhängigkeiten von Umsatzkonzentrationen und Nachfragemacht beeinflussen die Markt- und Konsumreife der Leistungen.215
Horizontale und vertikale Konkurrenzziele dürfen nicht isoliert, sondern müssen im Verbund
mit der Markt- und Konsumreife verfolgt werden. Sie stehen in einer derivativen Beziehung
zur angestrebten Markt- und Konsumreife. Erst wenn es die quantitativen und qualitativen
Vorgaben der Marketingstrategie erfordern, treten Fragen der Wettbewerbsposition in den
Mittelpunkt des Distributions-Managements.216
210
211
212
213
214
215
216
Vgl. Meffert/Bruhn 2003, S. 555.
Vgl. Schögel 1997, S. 18.
Vgl. Specht 1992, S. 144.
Vgl. Gaitanides/Wesphal 1990, S. 139.
Vgl. Schögel 1997, S. 19.
Vgl. Gaitanides/Wesphal 1990, S. 137.
Vgl. Tomczak 1992a, S. 17f.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
60
Abbildung 21 zeigt auf, wie Schögel die drei Zieldimension für Mehrkanalsysteme konkretisiert.
Markt- und Konsumreife
Theorieund
Praxisbezug
! Gezielte
Distribution
an einzelne Zielgruppen
! Kunden Verbundwirkungen bieten
! Kunden neue Einkaufs- und Beschaffungsalternativen bieten
! Wirtschaftlichkeit der Distribution verbessern
! Neue Kunden gewinnen
! Neue Produkte einführen
Vertikale Wettbewerbsposition
Theorieund Praxisbezug
! Handlungsspielraum
in der Distribution erhöhen
! Selektive Kooperationen eingehen
Horizontale Wettbewerbsposition
Theorie! Marktabdeckung
und Praxisbezug
erhöhen
! Austauschbarkeit der Leistungen reduzieren
! Vertikale Kooperationen eingehen
Abbildung 21: Zielkatalog des Mehrkanalvertriebs
Quelle: Schögel 1997, S. 114.
3.2.2 Zum Wesen der Mehrkanalsysteme
Im Vertrieb nimmt die Bedeutung des Mehrkanalansatzes weiter zu.217 Ziel und Gegenstand
der folgenden Abschnitte ist, die grundlegenden Aufgaben von Vertriebskanälen, die spezifischen Eigenschaften, die Chancen und Risiken sowie den internen und externen Fit von
Mehrkanalsystemen aufzuzeigen.
Aufgaben von Vertriebskanälen
Vertriebskanäle übernehmen in der Distribution zwei grundlegende Aufgaben.218 Zum einen
soll die Leistung dem Kunden physisch zur Verfügung und am richtigen Ort zur richtigen Zeit
im richtigen Umfang und in der gewünschten Qualität angeboten werden. Zum anderen besitzen Vertriebskanäle eine akquisitorische Wirkung. Die Leistung wird durch ihre kommunikative Präsenz am Verkaufsort für den Endkunden profiliert.219
In einem Vertriebskanal kombiniert ein Dienstleister unterschiedliche wertschöpfende Aktivitäten und Aufgaben. Die distributive Gesamtaufgabe eines Kanals wird als Wertkette220 bezeichnet, in welcher die zur erfolgreichen Distribution notwendigen Aufgaben wahrgenommen
werden.
217
218
219
220
Vgl. Monnerat/Bernet 2004, S. 6.
Vgl. Ahlert 1985, S. 21f.
Vgl. Schögel 1997, S. 21.
Vgl. Porter 1998, S. 36ff.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
61
Abbildung 22 zeigt für einen Finanzdienstleister die grundlegenden Aufgaben, die in der Wertkette eines Vertriebskanals zu unterscheiden sind.
Information
Beratung
Abschluss-/
Vorbereitung
Transaktion
Verwaltung/
Service
Schliessung/
Abwicklung
Abbildung 22: Aufgaben eines Vertriebskanals in der Finanzdienstleistungsbranche
Quelle: In Anlehnung an Schwanitz 2001.
Die in der Abbildung aufgeführten Aufgaben werden von den Vertriebskanälen (Filiale, CallCenter, Aussendienst, Internet) einer Bank vollständig oder nur teilweise wahrgenommen.
Dies hängt insbesondere von der Mehrkanalvertriebsstrategie bzw. den Kundenbedürfnissen
ab. Kunden nutzen in der Interaktion mit ihrer Bank Kunden heute schon mehrere Kanäle.
Dies bedeutet, dass sie im Gegensatz zu früher je nach Geschäftsfall und persönlicher Präferenz unterschiedliche Kanalkombinationen für die Interaktion wählen. In Abbildung 23 wird der
traditionelle Vertriebsprozess in der Filiale einem kanalübergreifenden Prozess gegenübergestellt. Dies soll anhand eines Beispiels erläutert werden.
Abbildung 23: Das Mehrkanalvertriebssystem einer Bank
Quelle: Eigene Darstellung.
Ein Kunde möchte in die Altersvorsorge investieren und informiert sich im Internet über Investmentfonds. Zu ausgesuchten Fonds hat er noch Fragen. Er lässt sich deshalb von einem
Call-Center-Berater zurückrufen und geht mit ihm synchronisiert über Internet und Telefon
seine Fonds-Auswahl noch einmal durch. Der Berater erkennt weiteren Beratungsbedarf und
vereinbart für den Kunden einen Termin. In der Filiale wird der Kunde zunächst weiter beraten
und schliesst das Geschäft ab. Die mit diesem Geschäft verbundenen Transaktionen werden
nach einem erneuten Kanalwechsel im Internet vorgenommen. Für weitere Service-Dienste
wird das Call-Center in Anspruch genommen. Zur Auflösung des Fonds besucht er wieder die
Filiale.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
62
Eigenschaften von Mehrkanalsystemen
Mehrkanalsysteme in einer Bank sind eine Kombination mehrerer Vertriebskanäle.221 In der
Distribution werden gleichzeitig unterschiedliche Kanäle eingesetzt, um die Markt- und Konsumreife der Bankdienstleistungen sicherzustellen. Um den Vertrieb effizient und effektiv zu
gestalten, müssen die einzelnen Kanäle nicht nur ausgewählt, gestaltet und gesteuert werden, sondern auch wirksam abgegrenzt und koordiniert werden.
Klassische Ansätze des Distributions-Managements beschränken sich in ihren Empfehlungen
zumeist auf den einzelnen Vertriebskanal. Im Mittelpunkt steht die Gestaltung und Steuerung
einzelner Kanäle.222 Mit den Ansätzen werden auf einer Mikro-Ebene einzelne Dyaden betrachtet und z.B. die Effektivität des Internets oder des Call-Centers untersucht. Den Fragestellungen und Anforderungen von Mehrkanalsystemen werden diese Konzepte aber nicht
gerecht. Wechselwirkungen zwischen den Kanälen werden nicht berücksichtigt.223
Durch die Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen den Kanälen kann bei einer
kanalübergreifenden Steuerung der Vertriebserfolg gesteigert werden.224 Aus Kundensicht
können solche Wechselwirkungen durch Substitutions- oder Komplementäreffekte induziert
werden. So kann beispielsweise eine Überweisung über das Internet eine solche in der Filiale
substituieren. Ebenso kann einem Kauf von Fondsanteilen im Call-Center einer Bank die Informationseinholung über das Internet und über eine Filiale vorausgehen bzw. komplementieren.
Dienstleister stehen somit vor der Herausforderung, die Wechselwirkungen zwischen den Kanälen so zu verstehen, dass sie ihre begrenzten Ressourcen optimal allozieren können. Dies
kann jedoch nur geschehen, wenn die Präferenzen und das Verhalten der Kunden bekannt
sind. Ist dies der Fall, kann abgeschätzt werden, welche Konsequenzen Investitionen oder
Desinvestitionen in den einzelnen Kanälen in Bezug auf Aufwände und Erträge haben.
Schliesslich ist es dadurch möglich, den Vertriebserfolg mit den begrenzten Ressourcen zu
optimieren.
In Bezug auf das Management von Mehrkanalsystemen erfordern solche Wechselbeziehungen eine Makro-Ebene. Es ist ein „Blick von oben“ notwendig, der die Beziehungen zur Aufgabenumwelt und zwischen den Absatzkanälen explizit berücksichtigt.225 Wechselwirkungen
zwischen den Kanälen sind ganzheitlich zu betrachten und wirkungsvolle Handlungsanweisungen zum Management von Mehrkanalsystemen abzuleiten. Dies bedeutet, dass es im
Mehrkanalvertrieb nicht nur darum geht, neue Absatzkanäle zu erschliessen, sondern v.a.
auch darum, neue Kanäle mit den bestehenden Vertriebswegen abzustimmen und als Gesamtsystem erfolgreich zu gestalten.226
221
222
223
224
225
226
Moriarty/Moran 1991, S. 98.
Vgl. Ahlert 1985, S. 151.
Vgl. Schögel 1997, S. 24.
Vgl. Faisst et al. 2003.
Vgl. Tomczak/Schögel 1997, S. 191f.
Vgl. Schögel 1997, S. 24f.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
63
Chancen und Risiken von Mehrkanalsystemen
Unabhängig von der konkreten Markt- und Wettbewerbssituation in unterschiedlichen Branchen sind mit dem Vertrieb über Mehrkanalsysteme spezifische Chancen und Risiken verbunden.227
Die Chancen ergeben sich v.a. aus einer differenzierten, kundenorientierten Gestaltung der
Mehrkanalsysteme. Mit markt- und zeitnah agierenden Vertriebswegen ist das Unternehmen
in der Lage, proaktiv auf vielfältige Kundenbedürfnisse einzugehen. Durch die verbesserte
Kundenorientierung ergeben sich für Banken folgende Chancen:
Erhöhung der Kundenbindung: Ein kundenorientiertes Mehrkanalsystem erhöht die Kundenzufriedenheit und trägt zu mehr Kundenbindung bei. Zufriedene Kunden tendieren dazu, ihre
Bankbeziehung zu vertiefen und mehr Produkte zu kaufen bzw. mehr Transaktionen zu tätigen.
Verbesserung der Kundenprofitabilität: Kundenzufriedenheit und -bindung tragen dazu bei,
dass Banken erfolgreicher Cross-Selling betreiben können. Durch die Steigerung des Deckungsbeitrags pro Kunde kann die Profitabilität der Kundenbeziehung verbessert werden.
Erschliessung von Ertragspotentialen: In traditionellen Distributionskanälen werden viele der
angebotenen Bankdienstleistungen direkt oder indirekt den Kunden verrechnet. Dienstleistungen, die über den Online-Kanal angeboten werden, sind jedoch noch mehrheitlich kostenlos.
Die Verrechnung von solchen Dienstleistungen erweist sich als schwierig. Gelingt es Banken
jedoch, ihre Dienstleistungen konsequenter auf die individuellen Kundenbedürfnisse auszurichten, kann der Kundennutzen gesteigert werden. Bankdienstleistungen mit hohem Kundennutzen können dem Kunden einfacher verrechnet werden. Durch die Anwendung kanalübergreifender, integrierter Preiskonzepte können somit Ertragspotentiale erschlossen werden.
Steigerung der Effizienz der Distribution: Koordiniertes Vertriebswege-Management beseitigt
bestehende Lücken oder Überschneidungen der Marktbearbeitung und bündelt die vorhandenen Kräfte zur schnellen und besseren Ausschöpfung vorhandener Potentiale. Die knappen
Ressourcen werden gezielt auf ertragsversprechende Segmente ausgerichtet. Bei der Weiterentwicklung von Mehrkanalsystemen trägt eine konsequente Kundenorientierung dazu bei,
dass das Risiko von Fehlinvestitionen minimiert wird.
Verbesserung der Positionierung: Flexibel agierende Vertriebswege erlauben gerade in Zeiten
turbulenter Märkte und angesichts des von zunehmenden Fusionen erwarteten Kostenwettbewerbs eine der Konkurrenz überlegene Positionierung als die kundennähere Bank. Gerade
wenn es in attraktiven Marktsegmenten um den Aufbau von Vertrauen, Nähe, „Convenience“
und „One-to-one-Relations“ geht, stellt dies einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar.
Hier besteht für erfolgreich operierende Banken tatsächlich die Möglichkeit, der bevorzugte
Anbieter zu werden. Mit steigenden Erträgen und Umsätzen werden Skaleneffekte wirksam,
die zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition beitragen.
227
Vgl. Schögel 1997, S. 25ff.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
64
Den Chancen stehen jedoch nicht zu unterschätzende Risiken gegenüber. Ein Vorgehen
nach dem „Giesskannenprinzip“ lässt verflochtene Distributionsstrukturen entstehen. Im Kern
basieren die Risiken auf einer mangelhaften Abstimmung und Abgrenzung der Aufgaben und
Rollen der einzelnen Absatzkanäle. Z.T. handelt es sich um spiegelbildliche Argumente zu
den bereits dargestellten Chancen. Die folgenden spezifischen Risiken stellen einen Auszug
der aktuellen Problemstellungen von Banken dar:
Uneinheitliche Sicht vom Kunden: Grundlage für die effiziente und effektive Steuerung und
Koordination eines Mehrkanalsystems sind Angaben über das Verhalten und die Bedürfnisse
der Kunden. Den Kanälen müssen die entscheidenden Informationen zur Verfügung gestellt
werden. Zugleich muss die Rolle des einzelnen Kanals in der Distributionsstrategie des Unternehmens richtig gewichtet werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Leistungen nicht nur kunden- sondern auch unternehmungsgerecht eingesetzt werden. Unabhängig
davon, welchen Kanal ein Kunde für eine Interaktion mit seiner Bank bevorzugt, müssen die
in den jeweiligen Kanälen stattfindenden Aktivitäten und Transaktionen auch in anderen Kanälen zur Verfügung stehen.228
Verwirrung der Kunden: Durch den parallelen Einsatz mehrerer Kanäle sind die Kunden irritiert. Werden z.B. den selben Kunden verschiedene Leistungen durch unterschiedliche Kanäle angeboten, kann dies zu einer Überforderung der Kunden führen, indem sie nicht in der
Lage sind zu beurteilen, welches Angebot für sie den grösseren Vorteil bietet.
Passives Kundenmanagement: Mehrkanal-Management bedeutet den Aufbau alternativer
Distributionskanäle. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass es eine Sache ist, einen Kanal aufzunehmen, eine jedoch, auch erfolgreich darin zu agieren, Kunden zu akquirieren und
langfristig zu binden. Viele Unternehmen vergessen die notwendigen, aktiven Strategien für
die Kanäle festzulegen und umzusetzen. Sie wandeln sich oft zu passiven Stand-byOrganisationen, verharren hinter verschiedenen Kundenzugängen und warten, bis ein Kunde
den Kontakt sucht.229
Ineffektives Distributionssystem und Explosion der Distributionskosten: Viele Mehrkanalsysteme von Banken sind vom Internet-Boom gekennzeichnet. Unter dem Paradigma des "OneFits-All-Approaches" werden unterschiedlichen Kundensegmenten ähnliche Leistungen über
verschiedene Vertriebswege angeboten. Mögliche Differenzierungspotentiale werden dabei
nicht systematisch ausgenutzt. Die undifferenzierte Gestaltung der Kanäle führt dazu, dass
die Distribution nicht effektiv auf die realen Kundenbedürfnisse ausgerichtet ist. Viele Banken
haben daher ihre ursprünglichen Zielsetzungen bezüglich der e-Penetration noch nicht erreicht. Eine tiefe e-Penetration führt dazu, dass Kostensenkungspotentiale bzw. die Erhöhung
der Wirtschaftlichkeit der Distribution nicht realisiert werden können.
Interner und externer Fit von Mehrkanalsystemen
Vor dem Hintergrund der dargestellten Chancen und Risiken wird deutlich, dass das Problem
nicht in der isolierten Entscheidung für oder gegen einen Absatzkanal liegt, sondern dass die
Wechselwirkungen zwischen den Kanälen die kritischen Faktoren sind. Neben der primären
228
229
Vgl. Bartmann et al. 2003.
Vgl. Merx/Bachem 2004.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
65
Aufgabe, die Dienstleistungen den Kunden markt- und konsumreif zur Verfügung zu stellen,
müssen die Beziehungen zwischen den Kanälen im Distributionsmanagement berücksichtigt
werden. Die grundsätzliche Herausforderung besteht somit in der Gestaltung eines doppelten
Fits:
! Externer Fit: Abstimmung der Vertriebskanäle mit der Markt- und Wettbewerbssituation;
! Interner Fit: Abstimmung der unterschiedlichen Aktivitäten im Mehrkanalsystem.
Erfolgreiches Management des Mehrkanalvertriebs bedeutet, den Absatzkanal-Mix aktiv zu
gestalten. Gelingt es der Unternehmung, die zum Vertrieb an den Kunden geeigneten Kanäle
wirtschaftlich zu kombinieren und abzustimmen, so besteht die Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzugrenzen und Wettbewerbsvorteile aufzubauen.230
3.3 Management des Mehrkanalsystems
In Abschnitt 3.2 wurden die Ziele und Aufgaben der Distribution sowie die spezifischen Eigenschaften des Mehrkanalvertriebs beschrieben. Darauf aufbauend werden in diesem Abschnitt
die Grundzüge des von Schögel231 erarbeiteten Entscheidungsmodells für das Management
von Mehrkanalsystemen erörtert.
3.3.1 Grundlagen für ein erfolgreiches Management von Mehrkanalsystemen
Die erfolgreiche Gestaltung des Mehrkanalsystems erfordert ein segmentorientiertes Vorgehen im Vertrieb. Weinhold232 bezeichnet das Management von Mehrkanalsystemen auch als
differenzierte Distribution. Diese umfasst Entscheidungen der Unternehmung über:
! die Anzahl, Art und Kombination von Vertriebskanälen;
! den Vertrieb an ein bzw. an verschiedene Marktsegmente und
! die Verteilung der Aufgaben in den einzelnen Absatzkanälen.
Differenzierte Vertriebsstrukturen sollen dazu beitragen, den Vertrieb an Marktsegmenten –
und nicht am Gesamtmarkt – auszurichten. Die Vertriebsleistungen werden auf die Anforderungen einzelner Teilmärkte abgestimmt, um dadurch eine grössere Kongruenz zwischen der
Angebotsleistung und den Kundenbedürfnissen zu erreichen. Die Anbieter erbringen nicht
Durchschnittsleistungen für einen Durchschnittskunden, sondern die Bedürfnisse und Ansprüche unterschiedlicher Kundengruppen werden differenziert befriedigt.
Vor diesem Hintergrund knüpft der Mehrkanalvertrieb an den Grundgedanken der Marktsegmentierung an, die sich nach Freter233 in zwei Schritte unterscheiden lässt:
! Segmentierung: Einzelne Teilmärkte werden erfasst und Marktsegmente für den Vertrieb
analysiert.
! Differenzierung: Im zweiten Schritt werden die Vertriebsleistungen auf die Segmente ausgerichtet.
230
231
232
233
Vgl. Schögel 1997, S. 30.
Vgl. Schögel 1997.
Vgl. Weinhold 1988, S. 356.
Vgl. Freter 1983, S. 20ff.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
66
Beide Schritte sind iterativ miteinander verknüpft und lassen sich zumeist nur gedanklich trennen. Segmentierung und Differenzierung bilden die Voraussetzungen für einen erfolgreichen
externen Fit zwischen den Vertriebskanälen und den Marktsegmenten. Für den Vertrieb werden jeweils die Kanäle genutzt, die sowohl den Bedürfnissen der Kunden entsprechen als
auch die Leistungen im Wettbewerb differenzieren.234
3.3.2 Konfiguration und Koordination als zentrale Aufgaben
Im Mittelpunkt des Mehrkanalvertriebs steht die markt- und wettbewerbsorientierte Gestaltung
des Vertriebskanal-Mixes. Unternehmen müssen sich damit auseinander setzen, welche Leistungen in den Kanälen zu erbringen sind und wie die Kanäle untereinander verbunden
sind.235
Belz236 verweist auf das Spannungsfeld zwischen Differenzierungsvorteilen und damit einhergehenden Aufwendungen. Während Differenzierung Vorteile für die Kunden bietet, entstehen
durch Segmentierung Kosten, die sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung auswirken können. Es gilt daher, Lösungen zu entwickeln, die Kundennähe und Wirtschaftlichkeit zugleich unterstützen.
Neben der Forderung nach einer markt- und wettbewerbsorientierten Gestaltung des Vertriebskanal-Mixes tritt also die Notwendigkeit von Gestaltungsempfehlungen für die Abstimmung der Vertriebskanäle. Für eine erfolgreiche, differenzierte Distribution müssen demnach
Mittel und Wege zur Koordination des Mehrkanalsystems gefunden werden.237
Vor dem Hintergrund der geschilderten Chancen und Risiken von Mehrkanalsystemen und
der Forderung nach einem doppelten Fit definiert Schögel zwei zentrale Managementaufgaben: Die Konfiguration und die Koordination des Mehrkanalvertriebs. Der Inhalt und der Gegenstand der beiden Aufgaben sollen an dieser Stelle kurz erötert werden.
Konfiguration des Mehrkanalsystems: Die Vertriebskanäle müssen in einem Mehrkanalsystem auf die Markt- und Wettbewerbssituation abgestimmt sein. Damit ein externer Fit entsteht, müssen sie situationsspezifisch kombiniert werden. Bei der Konfiguration eines Mehrkanalsystems müssen folgende Fragen beantwortet werden:
! Segmentierung des Vertriebssystems: Wie soll der Markt durch das Mehrkanalsystem abgedeckt werden?
! Wettbewerbsposition des Unternehmens: Wie soll auf den Wettbewerbs- und Innovationsdruck in der Distribution reagiert werden?
! Art der eingesetzten Kanäle: Welche Absatzkanäle sollen im Mehrkanalsystem kombiniert
werden?
! Aufgabenverteilung im Mehrkanalsystem: Welche Aufgaben übernehmen die einzelnen
Absatzkanäle innerhalb des Mehrkanalsystems?
234
235
236
237
Vgl. Schögel 1997, S. 31ff.
Vgl. Moriarty/Moran 1991, S. 98.
Vgl. Belz 1995, S. 7ff.
Vgl. Schögel 1997, S. 40.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
67
Je nach Antwort auf diese Fragestellungen entstehen unterschiedliche Konfigurationen eines
Mehrkanalsystems. Die resultierende Ausgestaltung des Systems wiederum hat Auswirkungen auf die inhaltliche Form eines Kennzahlensteuerungssystems.
Koordination des Mehrkanalsystems: Während die Konfiguration dazu dient, den Absatzkanal-Mix zu bestimmen, steht bei der Koordination die Frage im Vordergrund, wie das Mehrkanalsystem erfolgreich gesteuert und die Kanäle aufeinander abgestimmt werden können.
Im Einzelnen muss ein Unternehmen Entscheidungen in Bezug auf die Dimensionen Zentralisierung, Führung und Adaption treffen. In diesem Zusammenhang sind folgende Fragen zu
beantworten:238
! Zentralisierung der Entscheidungen im Mehrkanalsystem: Wer übernimmt die Abstimmung
der Vertriebskanäle?
! Führung der Vertriebskanäle: Mit welchem Führungsstil soll das Mehrkanalsystem abgestimmt werden?
! Adaption des Mehrkanalsystems: Wie wird auf Veränderungen im Vertriebssystem reagiert?
Analog zur Konfiguration des Mehrkanalsystems hat auch die Koordination einen Einfluss auf
ein Kennzahlensteuerungssystem. Während bei der Konfiguration v.a. inhaltliche Aspekte im
Vordergrund stehen, hat die Koordination insbesondere einen Einfluss auf das Entwicklungsvorgehen.
Schögel239 betont in seinem Entscheidungsmodell, dass die beiden Aufgabenbereiche nicht
isoliert betrachtet werden sollten, da sie in einem engen Zusammenhang stehen. Vor dem
Hintergrund der Zielsetzung dieser Dissertation werden an dieser Stelle jedoch nur die Inhalte
der beiden Aufgaben als solches erläutert. Für eine vertiefte Betrachtung des Entscheidungsmodells wird an die Dissertation von Schögel verwiesen.
3.4 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems
In diesem Kapitel wurde der theoretischen Bezug im Fachbereich Distribution240 zu den Aspekten Konfiguration und Koordination des Mehrkanalvertriebs erläutert. Der Bezug wurde
anhand des Ansatzes Management des Mehrkanalsystems hergestellt. Zudem wurden allgemeine Aspekte zu den Zielen und zu den Aufgaben der Distribution erötert.
In Abbildung 24 werden die zentralen Implikationen für die Erarbeitung eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb zusammengefasst. Bei den Implikationen
handelt es sich hauptsächlich um jene der Kategorien241 Inhaltsdefinition und Entwicklungsprozess.
238
239
240
241
Vgl. Schögel 1997, S. 117.
Vgl. Schögel 1997, S. 41.
Vgl. theoretischer Bezugsrahmen Teil 1, Kapitel 3.
Vgl. Definition der Problemkategorien in den Fussnoten von Abschnitt 1.1.3 des Teils 1.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
Ansatz:
Management des Mehrkanalsystems
Aspekt:
Ziele und Aufgaben des Mehrkanalvertriebs
68
Implikationen: Die Hauptaufgaben und Ziele des Mehrkanalvertriebs sind die Sicherstellung der Markt- und der Konsumreife der Unternehmensleistungen (Inhaltsdefinition)
Aspekt:
Wechselwirkungen in Mehrkanalsystemen
Implikationen: Die Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen Vertriebskanälen
(z.B. kanalübergreifende Prozesse) in einem Kennzahlensteuerungssystem
trägt zur Steigerung des Vertriebserfolgs bei (Inhaltsdefinition)
Aspekt:
Konfiguration (Gestaltung des Vertriebskanal-Mixes)
! externer
Fit
Implikationen: Die
Konfiguration
eines Mehrkanalvertriebssystems beeinflusst die inhaltliche Gestaltung eines Kennzahlensteuerungssystems (Inhaltsdefinition)
Aspekt:
Koordination (Abstimmung und Steuerung)
Fi! externer Fit
Implikationen: !
Derinterner
Koordinationsansatz
des Mehrkanalvertriebssystems hat einen Einfluss
auf das Entwicklungsvorgehen (Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition)
Abbildung 24: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem
Quelle: Eigene Darstellung.
4. Zielplanung und Strategieimplementierung
4.1 Einleitung und Überblick
Die Disziplin strategisches Management ist die zweite Forschungsdisziplin, welche einen
zentralen Bezugspunkt zum Forschungsproblem der vorliegenden Arbeit darstellt. Die empirische Forschung zum strategischen Management kann in zwei Kategorien eingeteilt werden.
Zum einen ist der Strategieinhalt Mittelpunkt der Forschung. Hierbei wird vorwiegend die Strategie als Ergebnis des Strategieprozesses untersucht. Zum anderen ist der Strategieprozess
selber Mittelpunkt der Forschung. Hier werden die Aktivitäten innerhalb der Unternehmung
untersucht, die in der Folge zu Strategien führen. 242
Das Ziel in diesem Kapitel ist die Erläuterung ausgewählter Aspekte des Strategieprozesses.
Zu Beginn wird in Abschnitt 4.2 anhand der unterschiedlichen Strategieprozessmodelle aufgezeigt, wie sich Strategien in Unternehmen überhaupt formieren. In den Abschnitten 4.3 und
4.4 werden zwei für die vorliegende Arbeit zentrale Schritte des strategischen Managementprozesses erläutert: die strategische Zielplanung sowie die Implementierung und Kontrolle
von Strategien. Am Ende des Kapitels werden die Implikationen für die Vertriebssteuerung
zusammengefasst.
4.2 Prozessmodelle des strategischen Managements
Für das Phänomen der Strategieformierung gibt es mehrere Erklärungsansätze. Grundsätzlich wird dabei zwischen präskriptiven und deskriptiven Modellen unterschieden. Beide Ansätze werden im Folgenden kurz erläutert.
242
Vgl. Welge/Al-Laham 1992, S.5.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
69
4.2.1 Präskriptive Prozessmodelle
Präskriptive Modelle vermitteln eine normative Sicht, wie Strategien entwickelt werden sollten.
Unter den präskriptiven Modellen ragen zwei besonders heraus: das Strategiemodell der Harvard Business School sowie die damit eng verbundenen Ansätze der strategischen Planung.
Beide Modelltypen werden im Anschluss vorgestellt.243
Das Strategiemodell der Harvard Business School
Eines der ersten Modelle, das sich mit Strategieprozessen beschäftigte, wurde von Learned,
Christensen, Andrews und Guth – Mitgliedern der General Management Group der Harvard
Business School – im Jahre 1965 vorgelegt.244 Kernstück des Modells ist die Aufspaltung des
Strategieprozesses in zwei zeitlich aufeinander folgende Phasen, von denen die erste „Formulierung“ und die zweite „Implementierung“ genannt werden.
Bei der Formulierung steht das Treffen strategisch wichtiger Entscheidungen im Vordergrund.
Faktoren wie die Einschätzung von Chancen und Risiken der Umwelt, der Ressourcen des
Unternehmens, der persönlichen Wertvorstellungen des Top-Managements sowie der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft beeinflussen die zu fällenden Grundsatzentscheidungen.
Ist die Formulierung der Strategie erfolgt, kommt der Implementierung die Aufgabe zu, die
jeweiligen Entscheidungen in administrative Tätigkeiten zu überführen und Ergebnisse zu
produzieren. Dazu gilt es, die organisatorische Struktur, die Beziehungen, die Prozesse, das
Verhalten und den Führungsstil adäquat anzupassen. Je besser dies getan wird, desto höher
sind die Chancen, dass eine Strategie erfolgreich umgesetzt wird.
Das Modell der Harvard Business School hat die Entwicklung des strategischen Managements geprägt. Nach wie vor basieren Lehre und Praxis in weiten Teilen auf dessen Fundamenten. Das Modell basiert auf den folgenden Annahmen:
! Entscheidungen sind in diesem Modell das Entscheidende: Die Bildung einer Strategie ist
ein Entscheidungsprozess, in dessen Verlauf richtungsweisende Vorgaben getroffen werden, die das Verhalten und die Entwicklung des Unternehmens prägen.
! Strategien sind das Resultat eines wohl überlegten und bewussten Denkvorgangs: Wenn
Strategien Entscheidungen sind, müssen sie explizit formulierbar sein. Dies ist nur dann
der Fall, wenn es sich um einen aktiven, zielgerichteten Prozess logischen Denkens handelt.
! Strategien sind einzelfallspezifisch zu entwerfen: Sie haben zur individuellen Situation eines Unternehmens zu passen und entstehen in einem rational geprägten Akt, der die jeweiligen Umstände berücksichtigt. Allgemein gültige Leitlinien, die den Inhalt von Strategien betreffen, gibt es nicht. Vielmehr gilt es, die Einzigartigkeit einer Situation zu berücksichtigen und darauf aufbauend Entscheidungen zu fällen.
! Die Verantwortung für die Formulierung von Strategien liegt bei der Unternehmensspitze:
Da Strategien für die Zukunft des Unternehmens richtungsweisend sind, fallen sie in den
243
244
Für eine kritische Diskussion der Modelle siehe Müller-Stewens 2005, S. 61ff.
Learned et al. 1965.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
70
Aufgabenbereich des obersten Managers. Als der Stratege schlechthin verkörpert er die Intelligenz des Unternehmens. Von ihm gehen richtungsweisende Impulse aus. Er kontrolliert
die Umsetzung der Entscheidungen. Die Restorganisation führt diese lediglich aus.
! Der strategische Prozess ist eine sequenzielle Abfolge klar definierter Phasen: Erst wenn
Strategien formuliert und damit kommunizierbar sind, können sie auch implementiert werden. Die Implementierung folgt dabei zeitlich und inhaltlich der Formulierung.
Betrachtet man diese Annahmen, so wird unmittelbar deutlich, dass das Strategiemodell der
Harvard Business School nicht deskriptiv, sondern präskriptiv argumentiert. Es hat eine eigenständige Sichtweise über die Bildung von Strategien, gibt Ratschläge, wie man dabei vorgehen sollte und begründet diese mit Plausibilitätsargumenten. Es liefert nicht nur ein Denkschema, wie der Prozess konzeptionell zu verstehen ist, sondern bietet gleichzeitig normative
Gestaltungsempfehlungen.245
Strategische Planung
Vom Strategiemodell der Harvard Business School ist der Weg zu einer strategischen Planung nicht weit. Was hinzukommt, ist die deutliche Ausdifferenzierung der beiden Phasen
Formulierung und Implementierung, ihre Zerlegung und Formalisierung in eine Vielzahl von
Arbeitsschritten und deren Unterlegung mit ausführlichen Frage- und Checklisten. Trotz der
kaum noch zu überblickenden Varianten folgen die meisten Planungsmodelle einer einheitlichen Logik, die folgendermassen vorgeht: Man setzt sich unternehmerische Ziele, analysiert
systematisch die Umwelt und das Unternehmen, generiert Strategiealternativen, evaluiert sie,
wählt eine aus, plant mit Hilfe von Massnahmenplänen, Budgets und Zeitplänen ihre Umsetzung und kontrolliert den Fortschritt und die Ergebnisse. Ob man dabei in sieben, neun oder
elf Schritten vorgeht und ob man die einzelnen Etappen dabei nur leicht oder tief untergliedert,
ist letztlich unerheblich, solange sich die einzelnen Ansätze in der gleichen Grundlogik bewegen. Die strategische Planung wird damit zu einem formell dokumentierten Prozess, der die
Formulierung, Implementierung und Kontrolle von Strategien systematischen Kriterien und
einer rigorosen Prüfung unterwirft. Hohe Rationalität ist dabei entscheidend.
Mit diesem Vorgehen entfernt sich die strategische Planung teilweise vom Strategiemodell der
Harvard Business School. Während letztere eine einfache, informelle Vorgehensweise zur
Entwicklung von Strategien empfiehlt, die von der obersten Führungskraft ausgeht, wird der
Prozess bei erstere schon von Beginn an umfassend formalisiert, in detaillierte Einzelschritte
zerlegt und in den Zuständigkeitsbereich strategischer Planer und ausgefeilter Planungssysteme verlagert.246 In Abbildung 25 wird eine vereinfachte Darstellung des Modells der strategischen Planung in Anlehnung an Byars247 gezeigt.
245
246
247
Vgl. Müller-Stewens 2005, S. 62ff.
Vgl. Müller-Stewens 2005, S. 64f.
Byars 1984, S. 16.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
Vision
71
Unternehmensleitbild
Strategische Zielplanung
Strategisches Feedback & Lernen
Umfeldanalyse
Konkurrenzanalyse
Unternehmensanalyse
Strategische
Planung
Definition kurz- und langfristiger Ziele
Strategieauswahl
Definition alternativer Strategien
Evaluation und Selektion der Strategie
Strategieimplementierung und Kontrolle
Abstimmung von Strategie und Organisation
Funktionsbereichstrategien, Budgetierung und Leadership
Strategie
Implementierung
Strategische Kontrolle
Abbildung 25: Prozess des strategischen Managements
Quelle: In Anlehnung an Byars 1984, S. 16.
Nach Byars wird der Prozess in die zwei Phasen strategische Planung und Strategieimplementierung eingeteilt. Innerhalb der strategischen Planung werden Entscheide zu den folgenden Aspekten getroffen:
! Definition der Vision und des Unternehmensleitbildes;
! Festlegung der kurz- und der langfristigen Ziele, um Vision und Unternehmensleitbild umzusetzen;
! Auswahl der Strategie, mit welcher die Ziele erreicht werden können.
Bei der Strategieimplementierung werden folgende Entscheide getroffen:
! Definition der notwenigen Organisationsstruktur, um die Strategie umsetzen zu können;
! Definition der Funktionsbereichsstrategien und der notwendigen Budgets;
! Kontrolle der Effektivität der Strategie im Hinblick auf die strategischen Ziele.
Für die vorliegende Arbeit stehen v.a. die Schritte der strategischen Zielplanung sowie der
Strategieimplementierung und -kontrolle im Vordergrund. Beide Schritte werden in den Abschnitten 4.3 und 4.4 detaillierter erläutert.
4.2.2 Deskriptive Prozessmodelle
Ein anderer Zugang zu einem Verständnis strategischer Initiativen ergibt sich, wenn man nicht
präskriptiv, sondern deskriptiv an das Phänomen der Strategieformierung herangeht. Ziel ist
es dann, Erklärungsmodelle zur tatsächlichen Bildung von Strategien vorzulegen und aus diesen Gestaltungsempfehlungen abzuleiten. Auch dieser Weg wurde seit ca. 1970 bestritten. In
der Folge entstanden meist auf detaillierten Längsschnittanalysen basierende Prozessmodelle. Abbildung 26 beschreibt die wichtigsten Modelle.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
Modell
Beschreibung
Strategieformierung
als Prozess der Ressourcenallokation
! Die Strategische Planung wird dominiert durch den Prozess der
Investitionsplanung.
! Der Prozess wird durch das mittlere Management getrieben.
! Das Top-Management hat nur indirekt Einfluss auf die Strategie.
72
Strategieformierung
! Strategien werden vom mittleren Management unter Berücksichtizwischen induziertem
gung der Vorgaben des Top Managments entwickelt (induziertes
Verhalten).
und autonomem Verhalten
! Das mittlere Management entwickelt Strategien ausserhalb der
vorgegebenen Grenzen des Top Managments (autonomes Verhalten).
Strategieformierung
! Strategien werden nicht in einem analytisch geprägten Prozess
formuliert und dann implementiert.
zwischen emergenten
und beabsichtigten
! Realisierte Strategien stimmen oft nicht mit den ursprünglich beStrategien
absichtigten Strategien überein.
Strategieformierung
als logischer Inkrementalismus
! Strategische Initiativen entstehen in unterschiedlichen Subsystemen einer Unternehmung (z.B. Vertrieb, Produktion, Entwicklung).
! Die realisierte Strategie emergiert aus dem Zusammenfluss von
internen Entscheidungen und externen Ereignissen.
! Das Top-Management entscheidet nicht, sondern wirkt nur als
treibende Kraft.
Strategieformierung
als erklärungsbedürftiges Phänomen
! Es gibt Situationen in Unternehmen, in welchen bewusst oder unbewusst keine Strategien vorhanden sind.
Abbildung 26: Deskriptive Prozessmodelle
Quelle: In Anlehnung an Müller-Stewens 2005.
Ziel in diesem Abschnitt ist nicht, eine eingehende Diskussion aller aufgeführten Modelle zu
führen. Vielmehr soll auf die beiden folgenden Ansätze eingegangen werden, welche vor dem
Hintergrund der Zielsetzung dieser Dissertation interessant sind:
! Strategieformierung zwischen emergenten und beabsichtigten Strategien;
! Strategieformierung als erklärungsbedürftiges Phänomen.
Strategieformierung zwischen emergenten und beabsichtigten Strategien
Ein weiteres, empirisch gestütztes Modell wurde von der Forschergruppe um Henry Mintzberg248 vorgelegt. Im Rahmen mehrerer Fallstudien gelangten sie zur Einsicht, dass die letztlich realisierten Strategien eines Unternehmens oft nicht mit den ursprünglich intendierten übereinstimmen. Dies widersprach der im präskriptiven Modell getroffenen Annahme, wonach
Strategien zuerst in einem analytisch geprägten Prozess formuliert und dann implementiert
werden.
248
Mintzberg 1987.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
73
Insgesamt unterscheiden Mintzberg und sein Kollegen – wie in Abbildung 27 dargestellt –
zwischen mehreren Arten von Strategien: So gibt es erstens Strategien, die beabsichtigt („intended“) und anschliessend vollständig realisiert („realized“) werden. Diese Strategien werden
als „deliberate strategies“249 bezeichnet und entsprechen dem Gedanken des klassischen
(präskriptiven) Strategiemodells. Zweitens treten Situationen auf, in denen Strategien zwar
intendiert sind, sich jedoch bei ihrer Umsetzung als nicht durchführbar erweisen und in der
Folge aufgegeben werden. Sie enden als „unrealized strategies“. Drittens – und dies ist vielleicht die interessanteste Erkenntnis – gibt es Strategien, die, ohne dass sie explizit formuliert
werden, sich zu einem kohärenten, strategischen Muster fügen. Einzelne, nicht zusammenhängende Handlungen verdichten sich über die Zeit zu einer unbeabsichtigten Ordnung. Die
Strategien dieses Typs erhalten den Namen „emergent strategy“250 . In seiner reinsten Form
lässt sich der letzte Strategietyp mit einem – wie Mintzberg es metaphorisch nennt – Graswurzel-Modell251 vergleichen. Emergente Strategien wachsen dabei – analog zu Gräsern – in
einem Garten und bilden bottom-up getriebene Muster. Sie können überall dort entstehen, wo
Menschen über die Fähigkeit verfügen zu lernen und ihre Erkenntnis mit Hilfe von Ressourcen auch nutzen können.
intendierte Strategie
deliberate Strategie
nicht realisierte Strategie
realisierte Strategie
emergente Strategie
Abbildung 27: Die Formierung von Strategien
Quelle: Mintzberg/Waters 1985, S. 259.
In Widerspruch zum präskriptiven Prozessmodell erachten Mintzberg et al. die empirische
Relevanz der „deliberate strategies“ als deutlich überbewertet. Dazu müssten Strategien nämlich nicht nur präzise artikuliert, sondern auch von allen Mitgliedern der Unternehmens kollektiv geteilt und ungeachtet aller externen und internen Restriktionen umsetzbar sein. Dies sind
Bedingungen, die in ihren Augen relativ selten vorzufinden sind. Vielmehr gehen sie davon
aus – und unterlegen dies mit empirischen Arbeiten – dass in der Realität v.a. Mischformen
anzutreffen sind, die zwischen den beiden Extrempolen emergenter und intendierter Strategien liegen. Diese nennen sie unternehmerische, ideologische, Regenschirm-, Prozess-, oder
Konsensstrategien. Wie sich der Formierungsprozess im Einzelfall vollzieht, hängt von den
Faktoren wie dem Ausmass zentraler Kontrolle und kollektiv geteilter Intentionen, der Spezifizierung der Intentionen und der Prognostizierbarkeit der Umwelt ab.
249
Mintzberg/Waters 1985.
Mintzberg/Waters 1985.
251
Mintzberg/Waters 1985.
250
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
74
Mintzberg kommt der Verdienst zu, als einer der Ersten die Diskrepanz zwischen expliziten
Strategieformulierungen einerseits und den schlussendlich realisierten Strategien andererseits
erkannt und theoretisch ausgearbeitet zu haben. Sein Konzept der emergenten Strategien,
die spontan in Unternehmen auftauchen und unbeabsichtigt Ordnung schaffen, hat grosse
Beachtung gefunden252 .
Strategieformierung als erklärungsbedürftiges Phänomen
Wurde bislang stillschweigend davon ausgegangen, dass es so etwas wie die Strategie eines
Unternehmens tatsächlich gibt, so soll diese Annahme nun hinterfragt werden. Ab wann kann
man überhaupt von der Strategie des Unternehmens sprechen? Genügt es, wenn der oberste
Manager seine Entscheidungen bekannt gibt, wenn einzelne strategische Initiativen auftreten,
wenn sie operativ wirksam werden oder sind auch Situationen denkbar, in denen es keine
Strategien gibt?
Eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Abwesenheit von Strategien wird u.a. von
Inkpen und Choudhury253 gefordert. Sie gehen von Situationen aus, in denen Unternehmen
über keine Strategie verfügen und bieten dafür drei Interpretationsmöglichkeiten an.
! Man kann das Management für diesen Zustand verantwortlich machen und es als Unterlassung bemängeln. Die Abwesenheit wird dann zu einem negativen Konzept.
! Es kann sich um eine Übergangsphase handeln, während dieser Strategien erst noch im
Entstehen sind. Zum Ende dieser Phase haben sich dann explizite Strategien formiert, die
handlungsleitend wirken.
! Das Phänomen kann auch positiv bewertet werden. Nach dieser Leseart ist die Abwesenheit von Strategien ein von der Unternehmensleitung bewusst herbeigeführter Versuch,
mehr Flexibilität und Innovation zu schaffen und sich gezielt einer vorschnellen Verengung
zu entziehen.
Kirsch254 geht noch einen Schritt weiter. Für ihn ist zunächst die Existenz von Strategien des
Unternehmens ein erklärungsbedürftiges Phänomen, das nicht ohne weiteres als gegeben
vorausgesetzt werden kann. Was eine Führungskraft als Strategie verfolgt, muss nicht mit der
Sichtweise und den Handlungen anderer Führungskräfte oder Gruppierungen, geschweige
denn mit der Restorganisation übereinstimmen. Kirsch unterscheidet deshalb zwischen Strategien des Individuums (mit inhaltlichem Bezug auf das Unternehmen) und Strategien des
Unternehmens. Um von einer Strategie des Unternehmens sprechen zu können, müssen vier
Bedingunen erfüllt sein:
! So haben Handlungsorientierungen vorzuliegen, die den Charakter von Prinzipien haben.
! Diesen muss ein politischer Wille zukommen.
! Sie haben implizit oder explizit die Fähigkeiten bzw. die Entwicklung von Fähigkeiten zu
betreffen.
252
253
254
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S.69f.
Inkpen/Choudhury 1995.
Kirsch 1997.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
75
! Bei den Hauptleistungsträgern bzw. den Mitgliedern muss der dominierenden Koalition ein
gemeinsames Wissen über die ersten drei Punkte bestehen. Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, ist es angebracht, von der Strategie des Unternehmens –
verstanden als kollektive Einheit – zu sprechen.255
4.3 Strategische Zielplanung
Im vorangehenden Abschnitt wurden verschiedene präskriptive und deskriptive Strategieprozessmodelle beschrieben. In Anlehnung an das Modell von Byars256 wird in diesem Abschnitt
der Schritt der strategischen Zielplanung erörtert. Zu Beginn werden dazu Ziele im Managementprozess eingeordnet. Vor diesem Hintergrund wird erläutert, was der Begriff Management bedeutet und welche Funktion Ziele in einer Unternehmung haben. Im zweiten Teil dieses Abschnitts werden inhaltliche und formale Aspekte von Zielen thematisiert.
4.3.1 Ziele im Management Prozess
Notwendigkeit von Zielen
Management bzw. Führung kann in zweifacher Weise betrachtet werden. Zunächst werden
institutional unter diesem Begriff alle Instanzen gefasst, die Entscheidungs- und Anordnungskompetenz besitzen. Bezüglich der Unternehmenshierarchie lässt sich das Management daher in die Teilebenen Top-, Middle- und Lower-Management aufspalten.257 Funktional betrachtet beinhaltet Management alle Funktionen, die zur zielgerichteten Gestaltung und Steuerung des Unternehmens gehören.258 Zur Steuerung dieser Prozesse werden im Führungssystem singuläre Imperative erzeugt, die als Entscheidungen die Grundlage einer zielsystemgerechten Führung darstellen und Freiheitsgrade in der Ausführung der getroffenen Entscheidungen aufweisen.
Die Zielsystemorientierung des Managements kommt in der Bedeutung des betrieblichen
Zielsystems als Entscheidungsmassstab für betriebliche Führungsentscheidungen zum Ausdruck. Führungsprozesse grenzen sich von güterlichen und geldlichen Realisationsprozessen
in der Leistungserstellung und -verwertung des Ausführungssystems insofern ab, als letztere
nur rein exekutiven Charakter haben. Damit wird deutlich, dass der Begriff Management über
die reine personenbezogene Menschenführung hinausgeht, da nicht nur die in der Unternehmung259 vorhandenen Menschen, sondern der gesamte Betrieb als zielgerichtetes, offenes,
soziotechnisches System-Objekt des Managements ist.260
In der Offenheit kommen die Beziehungen zur Umwelt zum Ausdruck und damit auch die
Einbettung des Betriebes in sie einschliessende Umsysteme, deren Element sie wiederum
sind. Soziotechnisch sind Betriebe, weil als Elemente sowohl Menschen als auch technische
Faktoren vorhanden sind. Das Vorhandensein von Menschen bedingt die Existenz von Unter-
255
256
257
258
259
260
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S.71f.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.2.1.
Vgl. Schierenbeck 1993, S. 81.
Vgl. Ulrich 1987, S. 13.
Der Begriff Betrieb wird als Synomym für Unternehmung verstanden.
Ulrich 1987, S. 183.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
76
nehmenszielen. Deren Kenntnis lässt sich als Ansatzpunkt zur Erklärung des Verhaltens des
Unternehmens nutzen.261
Begriff und Funktion von Zielen
Unter einem Ziel ist ein angestrebter Zustand zu verstehen, der sich auf das Verhalten des
Systems selbst oder auf Zustände irgendwelcher Outputgrössen bezieht. Da Unternehmen
künstliche, vom Menschen geschaffene Systeme sind, werden die Ziele des Unternehmens
von den angestrebten Zuständen der am System beteiligten Menschen bestimmt. Als Zielbildungsbeteiligte sind auf der einen Seite Systemmitglieder zu nennen (Eigentümer als Unternehmer, das Management und die Mitarbeiter des Unternehmens). Auf der anderen Seite
gehören dazu auch Gruppen des Umsystems wie Lieferanten von Ressourcen (z.B. Eigentümer als Kapitalgeber), Abnehmer von Leistungen (z.B. Kunden) und regulatorische Gruppen
wie staatliche Institutionen als Vertreter öffentlicher Interessen. In Unternehmen liegt also eine
mehrzentrige Zielbildung vor.262 Diese verstärkt die Annahme, dass nicht nur ein Ziel existiert,
sondern die Gesamtheit aller Ziele zusammen das Zielsystem des Unternehmens bilden.
Die Bedeutung von Zielen ergibt sich aus ihrem Charakter als Beurteilungsmassstab. Wirtschaftliches Handeln ist Wählen zwischen verschiedenen Möglichkeiten.263 Es kann bei Vorliegen objektiver Rationalität als das ökonomische Prinzip in den folgenden Formulierungen
ausgedrückt werden: mit gegebenen Mitteln den maximalen Nutzen oder mit minimalen Mitteln einen gegebenen Nutzen erzielen.264 Das ökonomische Prinzip kann aufgrund der
Knappheit der Mittel als Leitmaxime wirtschaftlicher Betätigung jedes Unternehmens angesehen werden. Weil diese Knappheit für jedes soziale System Gültigkeit besitzt, ist das ökonomische Prinzip auch für jede institutionell abgrenzbare Einheit anwendbar, die durch Kombination produktiver Faktoren ihre Leistungen hervorbringt, unabhängig vom Wirtschaftssystem,
von der Eigentümerstruktur und vom Grad des staatlichen Interesses am Unternehmen.265
Werden menschliche Wahlhandlungen bewusst vollzogen, spricht man von Entscheidungen.266 Aus Zielen lassen sich Kriterien zur Bewertung der Entscheidungsalternativen und zur
Messung der Konsequenzen, der durch die Entscheidung herbeigeführten Verhaltensweisen
ableiten. Dabei lassen sich betriebswirtschaftlich bedeutsame Charakteristika bzw. Funktionen von Zielen herausstreichen:267
! Selektionsfunktion: Das Setzen von Zielen ist Voraussetzung betrieblichen Entscheidens.
Ziele stellen Kriterien für die Bewertung von Alternativen dar. Im Prozess des strategischen
Managements sind Ziele die Grundlage für die Evaluation bzw. Selektion von Strategien.
! Kontrollfunktion: Mit der Selektions- bzw. Entscheidungsfunktion ist die Funktion als Kontrollmassstab verbunden. Ziele sind die Basis für Soll-Ist-Vergleiche.
261
Vgl. Kirsch 1969, S. 665.
Vgl. Bidlingsmaier 1976, S. 246ff.
263
Vgl. Heinen 1966b, S. 18.
264
Vgl. Gäfgen 1963, S. 102.
265
Vgl. Hauschildt 1977, S. 203.
266
Vgl. Heinen 1966b, S.18.
267
Vgl. Stelling 2002, S. 53.
262
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
77
! Koordinationsfunktion: Ziele haben bei dezentralen Entscheidungen daher die Aufgabe,
diese Entscheidungen aufeinander abzustimmen und zu koordinieren.
! Motivationsfunktion: Ziele stellen Vorgaben dar, die von den Mitarbeitern zu erfüllen sind
(WIR-Gefühl in Verbindung mit der Koordinationsfunktion).
! Informationsfunktion: Ziele informieren Mitarbeiter und Umwelt (insbesondere Investoren)
über künftige Aktivitäten einer Unternehmung.
Prozess der Zielbildung
In Abschnitt 4.2 wurde der Prozess des strategischen Managements im Überblick aufgezeigt.
In der ersten Phase der strategischen Planung werden kurz- und langfristige Ziele definiert,
welche dazu dienen, die Mission einer Unternehmung umzusetzen. Der generische Prozess
der Zielbildung wird in sieben Schritte unterteilt, welche iterativ durchlaufen werden:268
! Zielsuche: Basis für die Suche und Auswahl von Zielen sind die Erkenntnisse aus den Analysen des Umfelds, der Konkurrenz und der Unternehmung. Aus der Umfeldanalyse werden Chancen und Gefahren für die Unternehmung abgeleitet. Die Ergebnisse werden mit
einer Stärken-Schwächen-Analyse der Unternehmung kombiniert. Unter Einbezug der Erkenntnisse über die Konkurrenz werden anschliessend Ziele für die Unternehmung abgeleitet.
! Operationalisierung von Zielen: Nach der Auswahl der Ziele werden die konkreten Zielinhalte (Was?), das Ausmass (Wieviel?), der zeitliche (Wann?) und der personelle Bezug
(Wer?) sowie die notwendigen Ressourcen (Womit?) definiert.
! Zielanalyse und –ordnung: Die bisher ausgewählten und operationalisierten Ziele werden
zwecks Priorisierung in ein Rangverhältnis gesetzt.
! Prüfung auf Realisierbarkeit: Ziele sollten gerade noch erreichbar sein. Daher sollten sie
nicht zu hoch oder zu niedrig gesetzt werden. Die Mitarbeiter sollten passende Kompetenzen haben. Ferner sind die Umwelteinflüsse zu beachten. Darüber hinaus sollte die zeitliche Machbarkeit ihre Beachtung finden.
! Zielentscheidung (Selektion): Die Selektion sollte sich auf die wesentlichen Ziele beschränken. Diese sollten den einzelnen Organisationsbereichen zugeordnet werden. Es sollte sichergestellt werden, dass die zuständigen Einheiten bzw. Personen sich mit den Zielen identifizieren können.
! Durchsetzung der Ziele: Die Verantwortlichen für die Durchsetzung der Ziele sollten informiert und die Betroffenen der Ziele und Massnahmen identifiziert werden.
! Zielüberprüfung und –revision: Die Ziele sollten immer wieder überprüft und bei Notwendigkeit neu definiert werden.
Der oben aufgeführte Ablauf zeigt den methodischen Prozess für die Zielbildung auf. Dieser
Prozess ermöglicht jedoch noch keine Aussagen über die hierarchische Beziehung zwischen
den Zielen. Analog zur Konkretisierung von Strategien werden Unternehmensziele hierarchisch operationalisiert. Je nach Hierarchieebene, für die das Ziel gelten soll, sind andere
268
Vgl. Wild 1974, S. 75.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
78
Massstäbe der Konkretisierung und Signifikanz an das Ziel anzulegen. Aufschlüsse darüber
gibt die in Abbildung 28 dargestellte Hierarchie der Ziele.
Abbildung 28: Zielhierarchie im strategischen Management
Quelle: Bea/Haas 2001, S. 68.
! Vision: An der Spitze der Zielhierarchie steht eine allgemein und grundsätzlich gehaltene
Vorstellung der künftigen Rolle des Unternehmens. In diesem Zusammenhang wird oft
auch auf die Unternehmensphilosophie verwiesen.269 Auf dieser Ebene werden Ziele ausschliesslich qualitativ umschrieben.
! Unternehmensleitbild: Unternehmensleitbilder oder Führungsgrundsätze sind Orientierungshilfen für das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber den Partnern des Unternehmens.
Sie liefern Grundsätze für die Verwirklichung der Vision. Die Ziele auf dieser Ebene werden
ausschliesslich qualitativ umschrieben.
! Unternehmensziele: Unternehmensziele sorgen für eine Präzisierung der bewusst vage
gehaltenen Vision. Auf dieser Ebene werden Ziele sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Form formuliert.
! Geschäftsbereichsziele: Geschäftsbereichsziele stellen eine weitere Konkretisierung der
strategischen Vorgaben für einzelne Geschäftsbereiche dar. Die Operationalisierung wird
i.d.R. quantitativ mit Kennzahlen wie z.B. dem Return on Investment (ROI) vorgenommen.
! Funktionsbereichsziele: Innerhalb der Geschäftsbereiche werden für die einzelnen betriebswirtschaftlichen Funktionsbereiche (Beschaffung, Produktion, Marketing, Personale
etc.) Zielvorgaben erarbeitet.
Nach der Definition der Ziele für die einzelnen Funktionsbereiche gilt es, diese weiter bis auf
die Stufe der Mitarbeiter zu konkretisieren. Dies wird im Rahmen der Mitarbeiterführung anhand stellenspezifischer bzw. personenspezifischer Zielvereinbarungen gemacht.
Bei der hierarchischen Operationalisierung gilt es sicherzustellen, dass Ziele sowohl vertikal
als auch horizontal konsistent sind. Vertikal konsistent bedeutet, dass die Ziele der jeweils
269
Vgl. Byars 1984, S. 9.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
79
nächst tieferen Ebene inhaltlich so gewählt werden, dass sie jene der nächst höheren inhaltlich reflektieren. Horizontal konsistent bedeutet, dass beispielsweise die Ziele der einzelnen
Funktionsbereiche so gewählt werden, dass jene des jeweiligen Geschäftsbereichs erreicht
werden können.
Bisher wurden die Notwendigkeit, der Begriff und der Prozess zur Herleitung von Zielen aufgezeigt. Im nächsten Schritt geht es darum, inhaltliche und formale Aspekte von Zielen zu
erläutern.
4.3.2 Dimensionen betrieblicher Ziele
Für eine operationale Zielformulierung sind neben dem Inhalt der Ziele verschiedene Aspekte
oder Dimensionen zu beachten. Von den folgenden Fragen ausgehend, sollen deshalb vier
wesentliche Zieldimensionen unterschieden werden:
! Zielinhalt: Was ist der Inhalt eines Ziels bzw. was wird angestrebt?
! Zielausmass und Zielmassstab: Welches ist der Umfang des zu erreichenden Ziels und wie
kann die Erreichung eines Ziels gemessen werden?
! Zeitlicher Bezug: Auf welchen Zeitraum bezieht sich die Formulierung eines Ziels?
! Organisatorischer Bezug: Auf welche Organisationseinheiten beziehen sich die Ziele?
In Abbildung 29 werden zeigt alle Dimensionen mit den möglichen Ausprägungen im Überblick aufgezeigt.
Zieldimensionen
Zielinhalt
Formalziele:
! Ökonomisches Prinzip
! Produktivität
! Wirtschaftlichkeit
! Gewinn/Rentabilität
Sachziele:
! Leistungsziele
! Finanziele
! Führungs-/
Organisationsziele
! Soziale/ökologische Ziele
Zielausmass und
-massstab
Zielausmass:
! Satisfizierung
! Extremal oder
Maximierung
Zeitlicher Bezug
! kurzfristig
! mittelfristig
! langfristig
Organistorischer Bezug
! Unternehmensziele
! Bereichsziele
! Mitarbeiterziele
Zielmassstab:
! Kardinalskala
! Ordinalskala
! Nominalskala
Abbildung 29: Dimensionen betrieblicher Ziele
Quelle: In Anlehnung an Thommen 2002, S. 158ff.
Vor dem Hintergrund der identifizierten Problemkategorien270 Inhaltsdefinition und Entwicklungsprozess für Kennzahlensteuerungssysteme werden im Anschluss ausschliesslich die
Dimensionen Zielinhalt und Organisatorischer Bezug erläutert.271
270
271
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.1.3.
Thommen 2002, S. 158.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
80
Zielinhalt
Als eine Möglichkeit der Kategorisierung von Zielen existiert die Unterscheidung in Formalund Sachziele. Diese Einteilung wird von Kosiol272 nach dem Gesichtspunkt der gesamt- und
einzelwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung getroffen. Abbildung 30 zeigt eine zusammenfassende Übersicht über die verschiedenen Kategorien und Zielinhalte.
Produktivität
Wirtschaftlichkeit
Rentabilität/Gewinn
Formalziele (Erfolgsziele)
Sachziele
Leistungsziele
! Marktziele
! Produktziele
Finanzziele
Ziele in Bezug auf:
! Liquidität
! Kapitalversorgung
! Kapital- und
Vermögensstruktur
Führungs- und
Organisationsziele
Ziele in Bezug auf:
! Problemlösungsprozess
! Führungsfunktionen
! Führungsstil
! Arbeitsteilung
Soziale und
ökologische Ziele
! Mitarbeiterbezogene Ziele
! Gesellschaftsbezogene
Ziele
Betriebliche Tätigkeiten
Abbildung 30: Übersicht Zielkategorien
Quelle: Thommen 2002, S. 156.
A. Formalziele
Formalziele sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich am Erfolg der betrieblichen Tätigkeiten ausrichten, d.h. sie zeigen das Resultat des güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozesses. Sie sind deshalb den Leistungs-, Finanz-, Führungs- und Organisations- sowie den
sozialen Zielen übergeordnet.
Ökonomisches Prinzip: Ausgangspunkt der Formalziele ist die Frage nach dem optimalen
Einsatz der Produktionsfaktoren, denn diese stellen immer eine knappe Ressource dar. Deshalb versucht jedes Unternehmen, sich nach dem ökonomischen Prinzip auszurichten, das in
drei Ausprägungen vorkommt:
! Maximalprinzip: Mit einem gegebenen Input an Produktionsfaktoren soll ein möglichst hoher Output erzielt werden.
! Minimalprinzip: Ein vorgegebener Output soll mit einem möglichst kleinen Input an Produktionsfaktoren realisiert werden.
! Optimal bzw. Extremumprinzip: Input und Output sollen so aufeinander abgestimmt werden, dass das ökonomische Problem nach den festgelegten Kriterien optimal gelöst wird.
Somit sind weder Input noch Output vorgegeben.
272
Vgl. Kosiol 1972, S. 54.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
81
Wegen ihrer grossen Bedeutung für die Praxis stehen bei der Verfolgung des ökonomischen
Prinzips die drei Erfolgsziele Produktivität, Wirtschaftlichkeit und Rentabilität bzw. Gewinn im
Vordergrund.
Produktivität: Als Produktivität bezeichnet man das mengenmässige Verhältnis zwischen Input und Output des Produktionsprozesses. Da sich bei der Messung der Produktivität Probleme ergeben, werden meistens Teilproduktivitäten ermittelt. Diese beziehen sich dann auf
einzelne Produktionsfaktoren, so dass als Einsatzmengen Arbeitsstunden, Maschinenstunden
und Materialeinsatz in Frage kommen.
Ausbringungsmenge der Faktorkombination
Produktivität =
* 100
Einsatzmenge an Produktionsfaktoren
Wirtschaftlichkeit: Mit der Wirtschaftlichkeit wird – im Gegensatz zur Produktivität – ein Wertverhältnis zum Ausdruck gebracht. Als Wertgrössen dienen die aus dem Güter- und dem Finanzprozess abgeleiteten Grössen Aufwand und Ertrag. Die Wirtschaftlichkeit ist somit eine
dimensionslose Zahl. Beträgt sie genau eins, so wird weder ein Verlust noch ein Gewinn erzielt.
Ertrag
Wirtschaftlichkeit =
Aufwand
Gewinn und Rentabilität: Das Gewinnziel kann entweder absolut als Differenz zwischen Ertrag und Aufwand oder relativ als Relation zwischen dem Gewinn und dem zur Erwirtschaftung des Gewinnes eingesetzten Kapitals formuliert werden. Im letzteren Fall unterscheidet
man zwischen Gesamt- und Eigenkapitalrentabilität.
Gewinn
Eigenkapitalrentabilität =
* 100
Ø Eigenkapital
Gewinn + Fremdkapitalzinsen
Gesamtkapitalrentabilität =
* 100
Ø Gesamtkapital
Im Zusammenhang mit der Rentabilität auf dem eingesetzten Kapital (auch als Return on Investment bezeichnet) wird oft die Umsatzgewinnrate bzw. der Kapitalumschlag genannt. Diese ergeben sich bei einer Erweiterung der Rentabiltität mit dem Umsatz.273
Umsatz
Gewinn
Rentabilität =
*
Umsatz
273
Vgl. Thommen 2002, S. 155f.
* 100
Ø Kapital
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
82
B. Sachziele
Sachziele legen die zu erstellenden Leistungen des Unternehmens nach Art, Menge und
Zeitpunkt fest. Sie kennzeichnen damit die Leistungen, das Leistungsprogramm und die Märkte für die Leistungen. Sachziele geben an, was Aufgabe des Unternehmens ist und gelten
juristisch als Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes.274 Sie dienen damit der gesamtwirtschaftlichen Aufgabe der Bedarfsdeckung als Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.275 Allerdings ist die Erstellung von Leistungen zur Bedarfsdeckung ein Effekt, der sich aus
der Befolgung anderer Ziele ergibt.276 Sachziele beziehen sich daher auf das konkrete Handeln bei der Ausübung der verschiedenen betrieblichen Funktionen und somit auf die Steuerung des güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozesses.277
Geht man bei der Zielformulierung vom güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozess sowie dessen Steuerung aus, können unter Berücksichtigung der Menschen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens vier Bereiche von Sachzielen unterschieden werden, nämlich
Leistungs-, Finanz-, Führungs- und Organisationsziele sowie soziale und ökologische Ziele.
Leistungsziele: Leistungsziele beziehen sich auf den leistungswirtschaftlichen Umsatzprozess. Es handelt sich dabei um Ziele, die mit der Leistungserstellung und -verwertung direkt
zusammenhängen. Im Vordergrund stehen die Markt- und Produktziele, die aus den Bedürfnissen abgeleitet werden können, welche das Unternehmen befriedigen will. Insbesondere
geht es um die:
!
Märkte und Marktsegmente, die bearbeitet werden sollen;
!
Feststellung der Marktstellung in diesen Märkten oder Marktsegmenten;
!
Bestimmung des mengen- und geldmässigen Umsatzvolumens;
!
Umschreibung der Art der zu erstellenden Produkte und Dienstleistungen;
!
Festlegung des Qualitätsniveaus, das erreicht werden soll.
Daneben sind aber alle anderen betrieblichen Funktionen mit einzubeziehen, welche in den
leistungswirtschaftlichen Prozess eingeschlossen sind, also insbesondere die Materialwirtschaft, die Produktion und das Marketing.
Finanzziele: Die Finanzziele lassen sich aus dem finanzwirtschaftlichen Umsatzprozess ableiten. Im Vordergrund stehen deshalb:
!
die Versorgung des Unternehmens mit genügend Kapital. D.h., es sollte soviel Kapital zur
Verfügung stehen, dass der angestrebte leistungswirtschaftliche Prozess ermöglicht wird.
!
die Aufrechterhaltung der Zahlungsbereitschaft, um jederzeit den finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können. Eine ausreichende Liquidität ist ein Basisziel jedes Unternehmens.
!
eine optimale Kapital- und Vermögensstruktur.
274
275
276
277
Vgl. Andrä 1975, S. 36.
Vgl. Kubicek 1981, S. 460.
Vgl. Bidlingsmaier 1964, S.43.
Vgl. Thommen 2002, S. 151.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
83
Führungs- und Organisationsziele: Mit den Führungs- und Organisationszielen soll eine optimale Gestaltung und Steuerung des güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozesses erreicht werden. Im Vordergrund stehen Ziele in Bezug auf:
!
die Gestaltung des Problemlösungsprozesses mit seinen verschiedenen Phasen;278
!
die einzusetzenden Führungsfunktionen wie Planung, Entscheidung, Anordnung und Kontrolle;
!
den anzuwendenden Führungsstil;
!
die Arbeitsteilung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen und
Stellen innerhalb eines Unternehmens.
Soziale und ökologische Ziele: Jedes Unternehmen ist ein soziales Gebilde. Es ist Teil der
Gesellschaft und in ihm arbeiten Menschen mit vielfältigen individuellen Zielen und Bedürfnissen. Dies bedeutet, dass implizit oder explizit soziale und ökologische Ziele im Zielsystem des
Unternehmens Eingang finden müssen. Wie stark diese Berücksichtigung im Einzelnen ausfällt, kann nicht allgemein gesagt werden, da dies von verschiedenen Faktoren abhängt. Dazu
gehören z.B. die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, der persönlichen Einstellung der
Eigentümer oder Führungsgruppe des Unternehmens oder die gesamtwirtschaftlichen Situation.
Grundsätzlich kann man dabei zwischen mitarbeiter- und gesellschaftsbezogenen Zielen unterscheiden:
!
Mittels mitarbeiterbezogenen Zielen wird versucht, die Bedürfnisse und Ansprüche der
Mitarbeiter zu erfassen und zu berücksichtigen. Als Beispiele für solche Ziele können u.a.
gerechte Entlöhnung, Gewinnbeteiligung, gute Arbeitsplatzbedingungen, Mitbestimmungsund Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Sozialleistungen genannt werden. Mit diesen Zielen beschäftigt sich v.a. der Personalbereich.
!
Gesellschaftsbezogene Ziele beruhen auf der Erkenntnis, dass Unternehmen als Teil der
Gesellschaft einen Beitrag zu Lösung gesellschaftlicher Probleme zu leisten haben. In diesem Zusammenhang ist v.a. die Forderung nach Wahrnehmung ökologischer Verantwortung durch das Unternehmen hervorzuheben.279
Organisatorischer Bezug der Ziele
Ziele können sich auf unterschiedliche organisatorische Einheiten des Unternehmens beziehen.280 Grundsätzlich können drei verschiedene Bereiche unterschieden werden:
!
Unternehmensziele beziehen sich auf das Unternehmen als Ganzes. Es handelt sich um
die obersten Ziele, auf die sich sämtliche unternehmerische Tätigkeiten auszurichten haben. Typische Beispiele sind
–
278
279
280
der Gewinn als Erfolgsziel, wobei der Gewinn oft auch in Beziehung zum Kapital gesetzt wird (Rentabilität).
Vgl. Abschnitt 4.2.
Thommen 2002, S. 152ff.
Vgl. dazu die Ausführungen zur Zielhierarchie in Abbildung 30 in Abschnitt 4.3.1.3.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
84
–
das Wachstum des Unternehmens, wobei sich dieses meistens auf den Umsatz bezieht.
–
die Marktstellung, die häufig mit dem Marktanteil gemessen wird.
–
die Erhaltung und Verbesserung des unternehmensspezifischen Know-Hows, das mit
den angebotenen Produkten verbunden ist.
–
die Befriedigung der Ansprüche verschiedener Interessensgruppen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens.
!
Bereichsziele beziehen sich nur auf bestimmte Teilbereiche des Unternehmens. Je nach
Grösse des Unternehmens handelt es sich um grössere oder kleinere organisatorische
Einheiten wie beispielsweise den Marketingbereich, die Marktforschungsabteilung oder die
Stelle Informationsauswertung. Als Beispiele für solche Ziele aus dem Bereich Produktion
können genannt werden: Kapazitätsauslastung, technischer Fortschritt, Qualität der Produkte und Kostensenkung.
!
Bei den Mitarbeiterzielen handelt es sich um Ziele, die dem einzelnen Mitarbeiter vorgegeben oder gemeinsam mit ihm erarbeitet werden. Die Art der Zielformulierung hängt stark
vom jeweiligen Aufgabenbereich und von der Führungsstufe ab.281
4.4 Strategieimplementierung und Kontrolle
In diesem Abschnitt wird die Implementierung der Strategie, d.h. der zweite für die vorliegende Arbeit relevante Schritt des strategischen Management Prozesses, erläutert. Dieser Schritt
beinhaltet gemäss Abbildung 25 die Subprozesse Abstimmung von Strategie und Organisation, Definition von Funktionsbereichsstrategien und strategische Kontrolle. Die Vertriebsstrategie als Funktionsbereichsstrategie wurde schon im Abschnitt 2.4 und im Kapitel 3 beschrieben. Es wird an dieser Stelle daher nicht weiter darauf eingegangen.
Zu Beginn werden in Abschnitt 4.4.1 die allgemeinen Voraussetzungen für eine erfolgreiche
Strategieimplementierung sowie die notwendigen Massnahmen im Überblick aufgezeigt. In
Abschnitt 4.4.2 werden die Abstimmung von Strategie und Organisation erläutert. Im Kapitel 3
wurden organisatorische Aspekte im Mehrkanalvertrieb schon beschrieben.282 An dieser Stelle wird daher ausschliesslich auf die notwendige Konformität zwischen Vertriebsstrategie und
Organisationstyp eingegangen.283 Im dritten Abschnitt 4.4.3. wird auf das Thema der strategischen Kontrolle eingegangen.
4.4.1 Voraussetzungen und Massnahmen für die Strategieimplementierung
Viele erfolgsversprechende Strategien scheitern deshalb, weil ihre Umsetzung in der Realität
nicht gelingt. Es ist daher wichtig, die mit einer neuen Strategie verbundenen Veränderungen
zu erkennen und sorgfältig vorzunehmen.
281
Vgl. Thommen 2002, S. 159f.
Im Rahmen der Koordination eines Mehrkanalsystems wurden anhand der Entscheidungsdimensionen Zentralisierung, Führung und Adaption drei unterschiedliche Managementsysteme hergeleitet. Diese Systeme bilden die Grundlage für die organisatorische Gestaltung des Vertriebs. Vgl. dazu 3.3.3.3.
283
Vgl. dazu die Erläuterungen in Abschnitt 1.1.1.
282
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
85
In Anlehnung an Pümpin284 können folgende allgemeine Voraussetzungen für das Gelingen
der Umsetzung einer Unternehmensstrategie285 genannt werden:
!
Die Führungskräfte sind von Anfang an in die Strategie-Entwicklung einzubeziehen, um
die Identifikation mit der neuen Strategie zu erhöhen.
!
Die oberen Führungskräfte müssen aufgrund ihrer Vorbildfunktion geschlossen hinter der
neuen Strategie stehen und dies durch ihr Verhalten klar zum Ausdruck bringen.
!
Es sind alle Mitarbeiter in die Umsetzung der geplanten Strategie einzubeziehen, da die
Realisierung nicht allein Aufgabe der oberen und der mittleren Führungskräfte ist. Dies erfordert eine stufengerechte interne Kommunikation. Durch die Auseinandersetzung mit der
neuen Strategie und den damit verbundenen Konsequenzen werden die Motivation und
das Engagement gefördert.
!
Alle Teilbereiche des Unternehmens müssen einen Beitrag zur Realisierung einer Strategie leisten. Eine Unternehmensstrategie umfasst das ganze Unternehmen, auch wenn
einzelne Abteilungen (z.B. Marketing oder Produktion) stärker betroffen sein können als
andere.
!
Es braucht konkrete Massnahmen, um den gewünschten Wandel herbeizuführen.
Bei den Massnahmen zur Realisierung des gewünschten Wandels im Zusammenhang mit
der Implementierung einer neuen Strategie kann zwischen direkten und indirekten Massnahmen unterschieden werden. Mit direkten Massnahmen soll unmittelbar in die betrieblichen
Tätigkeiten eingegriffen werden. Es handelt sich insbesondere um:
!
Aktions- und Projektpläne, um die geplante Veränderung herbeizuführen.
!
Planung und Budgetierung, um die Entwicklung in einem mehrperiodischen Plan bzw. in
den Budgets abzubilden.
! die Organisation, welche der neuen Strategie angepasst werden muss.
! Informations- und Führungssysteme286 , welche zu einer integrierten Steuerung der Strategieumsetzung entsprechend zu gestalten sind. Zu erwähnen sind insbesondere
" die Führung durch klare Zielsetzungen sowie
" das Belohnungs- und Anreizsystem, das konsequent auf ein strategiegerechtes Verhalten ausgerichtet sein muss.
! Managementeinsatz, indem die fähigsten Führungskräfte dort eingesetzt werden, wo ein
strategischer Durchbruch erzielt werden soll.
284
285
286
Pümpin/Geilinger 1988.
In der vorliegenden Arbeit ist der Fokus die Umsetzung einer filialzentrierten Mehrkanalvertriebsstrategie. Die
Vertriebsstrategie ist dabei eine Funktionsbereichsstrategie (vgl. dazu Abschnitte 2.4 und 4.3.1.3). Die Voraussetzungen nach Pümpin beziehen sich auf die Unternehmensstrategie und nicht konkret auf eine Funktionsbereichsstrategie. Seine Aussagen sind jedoch generisch formuliert und können daher auch auf die Vertriebsstrategie angewendet werden.
Vgl. dazu Abschnitt 3.3.3.3.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
86
Daneben ist eine Reihe von indirekten Normen/Regeln zu beachten, die als flankierende
Massnahmen zu den direkten gesehen werden können. Es handelt sich dabei um die Information der Mitarbeiter, die Corporate-Identitiy, die Ausbildung und die Unternehmenskultur.
In den folgenden Abschnitten werden die für diese Arbeit zentralen Massnahmen Organisation (Subprozess Abstimmung von Strategie und Organisation) und Informations- und Führungssysteme (Subprozess strategische Kontrolle) erläutert.
4.4.2 Abstimmung von Strategie und Organisation
Die Abstimmung von Strategie und Organisation hat über alle Stufen einer Unternehmung zu
erfolgen. Dies bedeutet, dass bei der Implementierung einer neuen Strategie die einzelnen
Funktionsbereiche gegebenenfalls reorganisiert werden müssen. In diesem Abschnitt wird
nicht der ganze Prozess einer Reorganisation über alle Funktionsbereiche erläutert. Es wird
spezifisch auf den Bereich Vertrieb bzw. auf die Abstimmung der Vertriebsstrategie und der
Vertriebsorganisation eingegangen. Zudem wird direkt Bezug auf die Bankbranche genommen.
Mit dem Hinzutreten neuer Vertriebsmöglichkeiten ausserhalb der Filialen gilt es, bei der Abstimmung von Strategie und Organisation zwei Punkte zu klären:
!
Welche Vertriebswege können als eigenständige Organisationseinheiten bestimmt werden?
!
Wie werden diese Vertriebswege in bestehende Profit-Center-Strukturen integriert?
Aus Controlling-Sicht sind als eigenständige Vertriebseinheiten nur solche Vertriebskanäle zu
bestimmen, die organisatorisch klar voneinander abgegrenzt sind. Dafür gibt es keine festen
Richtlinien, aber bestimmte Kriterien, die für die Bildung einer selbstständigen Organisationseinheit sprechen. Dies ist dann der Fall, wenn Vertriebswege über eigene Kundenschnittstellen verfügen sowie dezentrale Entscheidungskompetenz und spezifisches Personal vorhanden sind. Weniger von Bedeutung sind Kriterien wie eigene Räumlichkeiten oder spezifische
Produkte.
Nach dieser Definition scheinen auf den ersten Blick bestimmte Vertriebswege wie Internet
oder Selbstbedienungsautomaten nicht zwangsläufig selbstständige Kanäle darzustellen.
Dennoch sind auch für den Vertrieb über diese Kanäle in den Instituten häufig bestimmte Personen verantwortlich. Bei kleineren Banken sind diese direkten Vertriebswege häufig unter
"alternative Vertriebswege" oder "Direktvertrieb" zusammengefasst. In diesen Fällen wären
aus Steuerungsgründen diese als eine einzige zusammenhängende Vertriebseinheit zu
bestimmen. Relativ problemlos können Filialen, Aussendienst (wenn es sich nicht um Filialmitarbeiter handelt) und Call-Center als selbstständige Vertriebswege definiert werden. Beim
Handy-Banking z.B. handelt es sich meist um keinen eigenen Vertriebsweg, sondern lediglich
um ein besonderes Endgerät bzw. Medium für den Vertriebsweg Internet.287
Im Anschluss daran ist für diese Vertriebswege eine Mehrkanal-Profit-Center-Organisation
aufzubauen. Dabei können neben dem Organisationstyp des Profit-Centers auch die Organi-
287
Vgl. Abschnitt 2.2. Endgeräte wie Mobiltelefone oder Personal Digital Assistants (PDAs) werden in dieser
Arbeit als mediale Kanäle oder Zugangsmedien verstanden.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
87
sationstypen eines Service- und eines Cost-Centers in Frage kommen, wie sie in internen
Bankbereichen z.B. für interne Technik-Dienstleister, die Marktfolge oder die Abwicklung bereits Verwendung finden. Für die Ableitung des richtigen Organisationstyps ist die spezifische
vertriebsstrategische Positionierung des jeweiligen Vertriebswegs heranzuziehen. Dies kann
durch ein zweistufiges Vorgehen erfolgen:
Auf der ersten Stufe ist die Positionierung eines einzelnen Vertriebswegs innerhalb der Vertriebsstrategie zu bestimmen. Hierbei kann gemäss Abbildung 31 zwischen Customer-, Salesund Support-Channels unterschieden werden.
CustomerChannel
SalesChannel
! Schwerpunkt: Bedeutung der Kundenberatung und Kundenbindung steht im Vordergrund
! Bedeutung der Kundenbindung steht im Vordergrund/klare und umfassende Kundenverantwortung
durch direkte Zuordnung
! Erzielt erfolgswirksame Geschäftsabschlüsse
! Breites Produkt- und Leistungsangebot
! Schwerpunkt: Vertrieb von Produkten und Leistungen
! Bedeutung der Kundenbindung steht im Hintergrund/keine umfassende Kundenverantwortung,
höchstens für ausgewählte Produkte und Services
! Erzielt erfolgswirksame Geschäftsabschlüsse
! Beschränktes Produkt- und Leistungsangebot
! Schwerpunkt: Vertriebsunterstützende Informations-, Beratungs- und Abwicklungsleistungen für
SupportChannel
Customer Channel
! Keine Kundenverantwortung
! Erzielt keine erfolgswirksame Geschäftsabschlüsse
! Bedeutung der Kundenbindung steht im Hintergrund
Abbildung 31: Überblick über die verschiedenen Channel-Typen
Quelle: Wild/Wimmer 2004, S. 36.
Aufgrund ihrer intensiven Vertriebsorientierung sind Customer- und Sales-Channels bei den
meisten Banken als Profit-Center organisiert. Support-Channels im Falle einer bewertungstechnisch durchführbaren und wirtschaftlich sinnvollen Möglichkeit der Weiterverrechnung von
Leistungen an andere Vertriebswege als Service-, im anderen Fall als Cost-Center (vgl.
Abbildung 32).
Die Einordnung eines Vertriebskanals in diese dreistufige Typologie ist auf der zweiten Stufe,
d.h. für die Wahl des passenden Kanalorganisationstyps (Profit-, Service- oder Cost-Center)
wichtig. Durch eine geeignete Zuordnung kann sichergestellt werden, dass die organisatorischen Vorgaben mit der vertriebsstrategischen Ausrichtung einer Mehrkanalbank in Einklang
gebracht werden. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass durch die Wahl der Erfolgsmassstäbe (Kennzahlen) für die dezentralen Organisationstypen und ihre Anreizsysteme eine
Zielkomplementarität zwischen den Vertriebseinheiten und der Gesamtbank erreicht wird.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
88
Vertriebswege
Bankschalter
Bankomat
Mobiler
Berater
Call
Center
Internet
Vertriebsstrategische Positionierung des Kanals?
CustomerChannel
SupportChannel
SalesChannel
ProfitCenter
ServiceCenter
CostCenter
Vertriebsstrategiekonforme bzw. mittelbare Wahl
des Organisationstyps
Abbildung 32: Abstimmung von Vertriebsstrategie und Organisationstyp
Quelle: Wild/Wimmer 2004, S. 36.
Nach dem Aufbau der Mehrkanal-Vertriebsorganisation ist es möglich, durch die Gestaltung
des Produktangebots und der Kundenzuordnung die Ziele der filialzentrierten Mehrkanalbank
auch organisatorisch umzusetzen. Dies erfolgt durch eine differenzierte Kunden- und Produktzuordnung. Auf diese Weise können ausgewählte Kundensegmente (z.B. PrivateBanking-Kunden) direkt bestimmten Vertriebskanälen zugeordnet werden, etwa mobilen Vertriebsmitarbeitern oder besonders qualifizierten Filialberatern.
Wettbewerb
Klare
Verantwortung
Bei anderen Kundensegmenten ist auch Wettbewerb um die Kunden denkbar (z.B. Mengenkunden). Insofern ist die differenzierte Kunden- und Produktzuordnung unmittelbar mit der
Klärung der Frage des Ausmasses des Wettbewerbs zwischen den Kanälen verknüpft.288
Kunden
Produkte
Bestimmung der Kundensegmente mit klarer
Zuordnung der Kunden zu bestimmten
Vertriebswegen, z.B.
Bestimmung der Produkte, die nur über bestimmte
Vertriebswege abgesetzt werden, z.B.
Private Banking-Kunden
Gehobene Privatkunden
mobiler Berater
Basisfiliale
Bestimmung der Kundensegmente bei denen
Wettbewerb zwischen den Kanälen um die Kunden
herrscht, z.B.
Mengenkunden
Immobilienfinanzierung
Bestimmung der Produkte, bei denen Wettbewerb
zwischen den Vertriebswegen herrscht, z.B.
Kartengeschäft
Konsumentenkredit
keine spezielle Kanalzuordnung
Abbildung 33: Zuordnungsaufgaben im Wettbewerb der Vertriebskanäle
Quelle: Wild/Wimmer 2004, S. 37.
288
Vgl. Wild/Wimmer 2004, S. 36ff.
Filiale
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
89
4.4.3 Strategische Kontrolle
Zur Sicherstellung des Erfolgs der Strategieimplementierung ist eine Überprüfung der Strategieumsetzung289 bzw. der daraus resultierenden Ergebnisse notwendig. Überlegungen zur
strategischen Kontrolle haben ihren Ursprung im Rahmen präskriptiver Strategieprozessmodelle und hier insbesondere der strategischen Planung. Die Kontrolle wird als letzte Phase
gesehen, die sich an die Formulierung von Strategien und ihre Implementierung über Massnahmenpläne und Budgets anschliesst. Es geht um die Frage, ob das strategisch Intendierte
auch realisiert werden konnte. Im Allgemeinen werden drei verschiedene Formen der strategischen Kontrolle unterschieden:290
!
Prämissenkontrolle,
!
Durchführungskontrolle,
!
Wirksamkeitskontrolle.
In Abbildung 34 werden die drei Formen mit dem jeweiligen Zweck und den zentralen Fragestellungen aufgezeigt.
Prämissenkontrolle
(Input)
Zweck
! Beurteilung der
Durchführungskontrolle
(Throughput)
! Beurteilung der
! Beurteilung der
Umsetzung der
Konzepte durch
Aktionen
direkten
Ergebnisse der
Aktionen
erstellten Konzepte
Zentrale
Fragestellungen
! Können die hinter den
!
Konzepten stehenden
Annahmen aufrecht
erhalten bleiben?
Ist das, worauf die
Konzepte ausgerichtet
werden, noch richtig?
Wirksamkeitskontrolle
(Output und Outcome)
! Wie wirkungsvoll war
!
!
der Prozess der
Strategieentwicklung?
Konnte die Umsetzung
wie geplant realisiert
werden?
Gibt es unerwartete
Widerstände beim der
Umsetzung?
! Konnte man die
!
Ziele wie
vorgesehen
erreichen?
Hatte man die
richtigen
Strategien?
! Beurteilung der
Auswirkungen
auf die
Zufriedenheit der
Stakeholder
! Konnte man die
!
Stakeholder wie
vorgesehen
zufrieden
stellen?
Entsprechen die
Auswirkungen
unseren
Normen?
Abbildung 34: Formen der strategischen Kontrolle
Quelle: In Anlehnung an Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 739.
In den folgenden Abschnitten werden diese drei Formen kurz erläutert.
Prämissenkontrolle
Der Zweck der Prämissenkontrolle ist die Beurteilung der erstellten Konzepte bzw. des Inputs
für die Strategien. Wenn ein strategisches Programm verabschiedet wird, legt man sich auf
ein bestimmtes Vorgehen fest. Man wählt also aus der Vielzahl möglicher Gestaltungsoptionen eine eindeutige Lösung aus. Die Prämissenkontrolle dient nun dazu, sich der Risiken, die
mit dem Selektionsprozess verbunden sind, bewusst zu werden und die dabei getroffenen
Annahmen fortlaufend zu überprüfen.
289
290
Pümpin nimmt hier Bezug auf die Implementierung einer Unternehmensstrategie. Die zu überprüfenden Bereiche sind jedoch generisch formuliert und können daher auch spezifisch für die Vertriebsstrategie angewendet werden.
Vgl. Goold/Quinn 1990; Schreyögg/Steinemann 1985, S. 391ff.; Pümpin/Geilinger 1988, S. 55.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
90
Bei der Prämissenkontrolle wird also hinterfragt, ob das „Warum?“ der Strategie nach wie vor
gegeben ist: Gelten die bisherigen Annahmen noch, auf denen die Strategien aufbauen? Dabei kann es sich auch um die Hinterfragung ganzer Szenarien handeln. Prämissenkontrolle
kann aber auch als Sollkontrolle verstanden werden, bei der hinterfragt wird, ob das, wonach
die Strategien ausgerichtet sind und über das auch der Selektionsprozess gesteuert wird, überhaupt noch richtig ist (Vision, Mission, Normen, Ziele, Bewertungskriterien etc.).
Eine Prämissenkontrolle steht in engem Zusammenhang mit der strategischen Frühaufklärung, die schwache Signale zu melden hat. Man versucht, Hinweise darauf zu erhalten, ob
bestimmte dritte Variable die bisher unterstellten Zusammenhänge stören könnten, d.h. ob an
der Gültigkeit bestehender Annahmen zu zweifeln ist.
Voraussetzung einer Prämissenkontrolle ist es, dass im Selektionsprozess zur Auswahl eines
strategischen Programms auch die Annahmen festgehalten und den umsetzenden Organen
transparent gemacht wurden. Ansonsten haben diese keine Kontrolle über die Richtigkeit ihres Handelns und können den Strategieverantwortlichen auch kein Feedback geben, ob aus
ihrer Sicht bestimmte Annahmen in Frage gestellt werden müssen. Die Führung würde sich
damit eine Chance zu einer umfassenden Nutzung der in der Organisation vorhandenen Intelligenz entgehen lassen. Beobachtungen an der Kundenfront verlieren dann ihren Bezugspunkt, was dazu führen kann, dass Strategien für das Alltagsverhalten bedeutungslos werden.
Denn nur wer keine Eigenverantwortung zu tragen hat, wird sich auf einen „Blindflug“ einlassen.291
Durchführungskontrolle
Der Zweck der Durchführungskontrolle ist die Beurteilung der Umsetzung der Konzepte durch
Aktionen. Bei der Durchführungskontrolle- bzw. Umsetzungskontrolle geht es – im Sinne einer
Planungsfortschrittskontrolle – um das „Wie?“ der Strategieumsetzung: In welchem Ausmass
konnten die Massnahmen zur Implementierung der intendierten Strategie umgesetzt werden?
Wurden die geplanten Aktivitäten innerhalb der gesetzten Zeiträume umgesetzt? Wurden die
Budgets im Sinne ihrer Allokation zu den jeweiligen Strategien eingesetzt? Wo und warum
gab es unerwartete Widerstände? Was hatten diese zur Folge?292
Wirksamkeitskontrolle
Der Zweck der Wirksamkeitskontrolle ist die Beurteilung der direkten Ergebnisse der umgesetzten Aktionen und der Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Stakeholder. Sie steht komplementär zur Prämissenkontrolle: Auch wenn Annahmen als weiterhin richtig betrachtet werden, kann es sein, dass bei der Herleitung der strategischen Programme inhaltlich die falschen Schlüsse gezogen wurden. Hier geht es also um das „Was?“ der Strategie: Konnten
mit den gewählten Strategien die Ziele erreicht werden? Folgt die Unternehmung überhaupt
noch den richtigen Zielen? Ist die Unternehmung der Vision/Mission ausreichend näher gekommen? Hat man auf die richtigen Erfolgsfaktoren gesetzt? Wurden die relevanten Fähigkeiten erkannt? Hat man das Wettbewerbsverhalten richtig in den Strategien berücksichtigt? Wo
nicht? Was hat dies zur Folge?
291
292
Vgl. Müller-Stewens 2005, S. 695f.
Vgl. Müller-Stewens 2005, S. 696f.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
91
Die Wirksamkeitskontrolle kann verschiedene Formen annehmen: Sie kann als Performancekontrolle gesehen werden, in der anhand definierter Messgrössen überprüft wird, ob Output
und Outcome den Erwartungen (Ziele etc.) entspricht (Messung von Soll-Ist-Abweichungen).
Sie kann aber auch als Normenkontrolle verstanden werden, bei der überprüft wird, ob die
Auswirkungen der Strategien noch den Werten und Normen des Unternehmens entsprechen
oder ob sich die Prozesse durch Eigendynamik von diesen entfernt haben.
4.5 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems
In diesem Kapitel wurde der theoretische Bezug im Fachbereich Zielplanung und Strategieimplementierung293 zu den Aspekten Zielplanung und Implementierung von Strategien hergestellt. Der Bezug erfolgte anhand der Ansätze Prozess des strategischen Managements und
der betriebswirtschaftlichen Zielforschung.
In Abbildung 35 werden die zentralen Implikationen für die Erarbeitung eines Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb zusammengefasst. Bei den Implikationen
handelt es sich hauptsächlich um jene der Kategorie294 Entwicklungsprozess und Inhaltsdefinition.
Ansatz:
Aspekt:
Betriebswirtschaftliche Zielforschung/Prozess des strategischen Managements
Zielplanung
Implikationen: ! An der Zielplanung bzw. -bildung sind unterschiedliche Systemmitglieder295 beteiligt. Dies führt zu einer mehrzentrigen Zielbildung, welche ein System von Zielen mit unterschiedlichen Dimensionen zur Folge
hat. Diese Mehrdimensionalität der Ziele auf der Stufe der Gesamtunternehmung sollte auch in der Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem entsprechend abgebildet sein (Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition).
! Inhaltlich kann zwischen Formal- und Sachzielen unterschieden werden.
Erstere zeigen das Resultat des güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozesses (d.h. Sachziele). Ein Kennzahlensteuerungssystem sollte
diese Strukturierung in einer geeigneten Form entsprechend berücksichtigen (Inhaltsdefinition).
! Die hierarchische Operationalisierung von Zielen stellt sicher, dass sich
alle Unternehmensbereiche bzw. Systemmitglieder zielgerichtet verhalten. Die Ziele für den Vertriebsbereich sollten prozessual nach und inhaltlich von den Unternehmens- bzw. Geschäftsbereichzielen abgeleitet
werden (Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition).
293
294
295
Vgl. theoretischer Bezugsrahmen Teil 1, Kapitel 3.
Vgl. Definition der Problemkategorien in den Fussnoten von Teil 1, Abschnitt 1.1.3.
Systemmitglieder sind die Eigentümer als Unternehmer, das Management, Mitarbeiter, Lieferanten von Ressourcen (z.B. Eigentümer als Kapitalgeber), Abnehmer von Leistungen (z.B. Kunden) und regulatorische
Gruppen wie staatliche Institutionen als Vertreter öffentlicher Interessen.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
92
! Bei der hierarchischen Operationalisierung (vertikale Konsistenz) muss
im Funktionsbereich Vertrieb sichergestellt werden, dass die Ziele auch
horizontal konsistent sind. Für das Kennzahlensteuerungssystem bedeutet dies, dass die Ziele der einzelnen Vertriebskanäle aufeinander abgestimmt sein sollten (Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition).
Ansatz:
Prozess des strategischen Managements
Aspekt:
Planung und Strategieimplementierung
Implikationen: ! Es gibt kein allgemeingültiges Modell zur konzeptionellen Erfassung der
Strategieformierung. Präskriptive Modelle vermitteln eine normative
Sicht, wie Strategien entwickelt werden. Deskriptive Ansätze sind Erklärungsmodelle zur tatsächlichen Bildung von Strategien. Diese Tatsache
sollte bei der Entwicklung eines Kennzahlensteuerungssystem berücksichtigt werden (Entwicklungsprozess).
! Die Planung und die Implementierung bilden im strategischen Management eine Einheit. Kennzahlensysteme als Informations- und Führungssysteme dienen zur Implementierung wie auch zur Planung von Strategien. Ein Kennzahlensteuerungssystem sollte daher in den gesamten
Managementprozess eingebunden werden (Entwicklungsprozess).
Aspekt:
Implementierung von Strategien
Implikationen: ! Für die erfolgreiche Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie muss
die Wahl des Organisationstyps eines Vertriebskanals unter Berücksichtigung seiner vertriebsstrategischen Positionierung erfolgen. Der Organisationstyp hat dabei einen Einfluss auf die relevanten Kennzahlendimensionen. Im Kennzahlensteuerungssystem müssen die unterschiedlichen
Organisationstypen bzw. Positionierungen konzeptionell abgebildet werden (Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition).
! Bei der strategischen Kontrolle wird zwischen Prämissen-, Durchführungs- und Wirksamkeitskontrolle unterschieden. Um eine umfassende
Kontrolle im Rahmen der Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie
zu gewährleisten, sollte ein Kennzahlensystem diese drei Formen konzeptionell abbilden (Messmethode, Inhaltsdefinition).
Abbildung 35: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem
Quelle: Eigene Darstellung.
5. Prozessmanagement
5.1 Einleitung und Überblick
Das Thema Unternehmensorganisation rückt vor dem Hintergrund des intensiven Wettbewerbs im Bankenbereich verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses. Im dynamischen Umfeld,
in welchem sich Finanzdienstleister bewegen, hängt die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere
davon ab, ob und wie schnell sie ihre Strukturen und Abläufe den wechselnden Anforderungen anpassen können. Als wesentliche Neuerung wird die Abkehr von der als statisch angesehenen vertikalen Betrachtung von Banken herausgehoben. Um dem dynamischen Wandel
gewachsen zu sein, müssen sich auch die Unternehmensstrukturen kontinuierlich anpassen.
Damit rücken die hierarchischen Strukturen zunächst in den Hintergrund und die dynami-
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
93
schen Elemente eines Unternehmens – d.h. die Geschäftsprozesse – gewinnen an Bedeutung.296
Im Rahmen eines umfassenden Managements von Geschäftsprozessen sind die zentralen
Prozesse einer Bank auf die wettbewerbskritischen Erfolgsfaktoren hin auszurichten. Dabei
wird die Auffassung vertreten, dass nur aus der Optimierung von Geschäftsprozessen radikale und nachhaltige Rationalisierungs- und Leistungssteigerungseffekte zu erwarten sind. Dies
gilt umso mehr, als man sich der isolierten Betrachtung und Optimierung einzelner Einheiten,
Funktionen oder Abteilungen bereits umfassend gewidmet hat. In diesen Bereichen ist daher
auch kaum noch Potential für weitere Leistungssteigerungen zu erwarten. Im Gegensatz dazu
wurden die Schnittstellen zwischen den einzelnen Einheiten, Funktionen oder Abteilungen
bislang kaum beachtet.297
Im Hinblick auf das Forschungsproblem und die –zielsetzung dieser Arbeit werden in diesem
Kapitel die Aspekte der Geschäftsprozessorientierung und der Effektivität298 und Effizienz299
von Geschäftsprozessen thematisiert. Für ein erfolgreiches Management des Mehrkanalvertriebs ist es zentral, kundenkritische Prozesse effizient managen zu können. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Kapitel der Ansatz des Business-Process-Managements vorgestellt.
Am Ende des Kapitels werden die Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems zusammengefasst.
5.2 Business-Process-Management
Ziel dieses Abschnitts ist, den Ansatz Business-Process-Management300 (BPM) in seinen
Grundzügen zu beschreiben. BPM ist ein umfassender Ansatz, welcher relevant ist in Bezug
auf die Aspekte Effizienz und Effektivität von Geschäftsprozessen.
5.2.1 Begriffe und Definitionen
Der Terminus Business-Process-Management beinhaltet die Begriffe Business Process und
Management. Beide Ausdrücke sollen an dieser Stelle definiert werden.
In der Literatur existiert eine Fülle von Definitionsansätzen für den Begriff Prozess, wobei je
nach Zielsetzung und Ausrichtung unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden.301 Neben
der Bezeichnung Prozess findet man häufig auch den Terminus Geschäftsprozess.302 Da
grundsätzliche inhaltliche Unterschiede nicht bestehen, werden im Folgenden die Wörter Prozess und Geschäftsprozess synonym verwendet. Für die vorliegende Arbeit wird mit der folgenden Definition von Geschäftsprozessen gearbeitet:
296
Vgl. Heilmann 1996, S. 1
Vgl. Heilmann 1996, S. 2.
298
Unter Effektivität (=das Richtige tun) wird hier die Zweck- oder Zielorientierung der Geschäftsprozess verstanden. Prozesse sind dann zweckorientiert, wenn sie einen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leisten.
299
Unter Effizienz (=etwas richtig tun) wird hier das Nutz-/Kostenverhältnis von Geschäftsprozessen verstanden.
300
Business-Process-Management und Geschäftsprozess Management werden in dieser Arbeit als Synonyme
betrachtet.
301
Vgl. Hammer/Champy 1993, S. 35; Melan 1993, S. 15; Davenport 1993, S. 5; Brimson 1991, S. 56.
302
Vgl. Scheer 1994, S. 10f.
297
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
94
„Ein Geschäftsprozess ist ein am Kerngeschäft orientierter Arbeits-, Informations- und Entscheidungsprozess mit einem für den Unternehmenserfolg relevanten Resultat. Der Prozessoutput steht entweder in Verbindung mit einem konkreten Kundennutzen oder liefert einen
nachvollziehbaren Beitrag zum Zielsystem des Unternehmens insgesamt.“303
Für den Terminus Prozessmanagement findet man in der Literatur auch zahlreiche Begriffsbestimmungen.304 Für diese Arbeit wird mit der folgenden Definition gearbeitet:
„Prozessmanagement umfasst planerische, organisatorische und kontrollierende Massnahmen zur zielorientierten Steuerung der Wertschöpfungskette eines Unternehmens hinsichtlich
Kundenzufriedenheit, Qualität, Zeit und Kosten.“305
Somit ist Business-Process-Management ein Ansatz, bei dem durch planerische, organisatorische und kontrollierende Massnahmen sicherstellt wird, dass die Wertschöpfungskette effektiv und effizient gestaltet und gesteuert wird und dadurch einen nachvollziehbaren Beitrag
zum Zielsystem einer Unternehmung leistet.
Diese Definition weist auf die Ziele und den Inhalt des Business-Process-Managements hin.
Die für die vorliegende Arbeit relevanten Aspekte werden im nächsten Abschnitt detaillierter
erläutert.
5.2.2 Ziele und Aufgaben des Business-Process-Managements
Die Bedeutung des Business-Process-Managements hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Während früher ausschliesslich die Dokumentation von Prozessen im Vordergrund
stand, gilt es heute, Prozesse aktiv zu steuern und zu verbessern. Aus betriebswirtschaftlicher
Sicht verfolgt BPM verschiedene Ziele und Aufgaben.306 Die Hauptziele von BPM sind die:
! Effektivität der Prozesse als Grad der Zielerreichung;
! Effizienz der Prozesse als Nutzen-/Kosten-Verhältnis der Zielerreichung.
Um diese Zielsetzungen erreichen zu können, umfassen die Hauptaufgaben von BPM die
Planung, Steuerung und Kontrolle von inner- und überbetrieblichen Prozessen.
Geschäftsprozesse werden darauf untersucht, ob sie zur Wertschöpfung (Effektivität) des Unternehmens am Markt beitragen. Leistet ein Prozess keinen Beitrag zum Kundennutzen, so
verursacht er lediglich Kosten und sollte eliminiert werden. Ansonsten sind Prozesse unter
dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz zu gestalten und einzuführen.
5.2.3 Phasen des Business-Process-Managements
Business-Process-Management ist ein kontinuierlicher und ein auf die Unternehmensziele
gerichteter Prozess, welcher sechs Phasen umfasst: Abbildung 36 zeigt den Prozess in Abhängigkeit von den Unternehmenszielen bzw. der Unternehmensstrategie auf.
303
304
305
306
Roos 2005, S. 5.
Vgl. Österle 1995, S. 8; Ferk 1996, S. 13; Knöbel 1995, S. 11.
Gaitanides 1994, S. 3.
Vgl. Gaitanides 1994, S. 15.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
95
Unternehmensziele
Unternehmensstrategie
Geschäftsprozessmanagement
Identifikation
Kerngeschäftsprozesse
IstModellierung
SollModellierung
Prozessorientierte
Ablauforganisation
ProzessRoll-out
Messung
Abbildung 36: Phasen des Business-Process-Managements
Quelle: In Anlehnung an Becker 2000, S. 55.
! In der ersten Phase gilt es, Kerngeschäftsprozesse zu identifizieren. Jedes Unternehmen
hat eigene, spezielle Prozesse. Kernprozesse sind dabei solche, welche im Hinblick auf die
Erreichung Unternehmensziele bzw. auf die Umsetzung der Unternehmensstrategie massgebend sind. Zusätzlich zur Identifizierung der strategischen Prozesse werden pro Prozess
Messgrössen (KPIs) definiert, welche von der Unternehmensstrategie bzw. von den Unternehmenszielen abgeleitet werden.
! In der zweiten Phase erfolgt die Aufnahme und Bewertung der Ist-Prozesse. Die Bewertung der Ist-Prozesse erfolgt anhand der definierten KPIs. Auf diese Weise werden
Schwachstellen in der Ablauforganisation systematisch identifiziert.
! Anschliessend werden in der dritten Phase auf Basis der Schwachstellen Soll-Prozesse
modelliert und Soll-Werte für die Messgrössen festgelegt.
! In der vierten Phase wird – basierend auf den modellierten Prozessen – eine prozessorientierte Ablauforganisation gestaltet.
! Im Rahmen der prozessorientierten Ablauforganisation werden in der fünften Phase die
Prozesse eingeführt. Ziel ist, durch die Implementierung der Soll-Prozesse die Effektivitätsund Effizienzgewinne zu realisieren.
! Nach der Realisierung des Soll-Prozess-Szenarios wird in der sechsten Phase der Implementierungserfolg über ein permanentes Prozess-Leistungs-Controlling sichergestellt. Dazu werden die KPIs der strategischen Prozesse kontinuierlich gemessen.
Bei einer Änderung der Unternehmensziele bzw. der Unternehmensstrategie müssen die strategischen Prozesse von neuem identifiziert, beurteilt und – falls notwendig – optimiert werden.
Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die strategischen Prozesse nachhaltig effektiv und effizient gestaltet sind.
Im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Arbeit ist v.a. die erste Phase zentral. Ihr Ergebnis sind
die Identifizierung der Kerngeschäftsprozesse und die Bestimmung von Kennzahlen bzw.
KPIs. Der erste Schritt wird im nächsten Abschnitt daher detaillierter erläutert.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
96
5.3 Identifikation von Kerngeschäftsprozessen
In den meisten Unternehmen ist die Anzahl interner Prozesse nahezu unüberschaubar. Durch
die Beziehungen zu den unterschiedlichen Geschäftspartnern ergeben sich zusätzliche Prozesse. Um die hohe Komplexität beherrschen zu können, ist zunächst eine Selektion erforderlich.307
Als Methoden für die Durchführung einer Prozessausgrenzung werden zahlreiche Techniken
vorgeschlagen. Dazu gehören beispielsweise die folgenden Verfahren: kritische Erfolgsfaktorenanalyse, Schwachstellenanalyse, Wertanalyse und Stärken-/Schwächen-Analyse.308 Harrington schlägt vor, für das Auffinden der zentralen Geschäftsprozesse in einem Unternehmen
die folgenden Kriterien zu beachten:
! Hohe Bedeutung für die Problemlösung oder Zufriedenheit der Geschäftspartner;
! Hohe Bedeutung für die Problemlösung oder Zufriedenheit interner Kunden;
! Hohe Bedeutung für das Erreichen oder Halten eines Wettbewerbsvorteils;
! Hohe Kostenintensität bzw. hohe Kapitalbindung;
! Hohe Bedeutung für die Produktqualität und die Sicherheit der Produktion;
! Lange Prozessdauer;
! Neue oder andere Formen der Prozesskonfiguration sind bekannt.309
Welche der Methoden schliesslich zur Anwendung gelangt, hängt in hohem Masse von unternehmensspezifischen Gegebenheiten ab. Häufig werden im praktischen Einsatz keine der
genannten Methoden verwendet, sondern Prozesse lediglich auf der Basis von Mutmassungen ausgewählt. Das Fehlen einer grundlegenden Vorgehensweise führt oftmals dazu, dass
Prozesse im Nachhinein neu definiert werden müssen, da die Verbindung zu den Markttendenzen und zu den Wettbewerbsparametern fehlt.310 Hinzu kommt, dass die gegenseitigen
Beziehungen der Prozesse untereinander nicht beachtet werden.311 Durch dieses Vorgehen
degeneriert die Idee einer Prozessorientierung zu einem blossen Rationalisierungs- und Kontrollinstrument, bei dem die grundlegende Kunden- und Kompetenzorientierung des Ansatzes
verloren geht.312
Für den hier gewählten Ansatz zur Identifikation der relevanten Geschäftsprozesse soll explizit die Verbindung zur strategischen Grundausrichtung des Unternehmens hergestellt werden.
Ein Ansatzpunkt hierfür ist die Konzentration auf die wettbewerbskritischen Kerngeschäftsprozesse, die hinsichtlich ihres Stellenwerts für das Unternehmen und für seinen Erfolg im Wettbewerb von ausschlaggebender Bedeutung sind. Das Ziel der Prozessidentifikation besteht
somit in der Bestimmung und gegenseitigen Abgrenzung der wettbewerbsrelevanten Kernge-
307
308
309
310
311
312
Vgl. Heilmann 1996, S. 108ff.
Vgl. u.a. Elgass/Krcmar 1994, S. 75; Guha/Kettinger/Teng 1993, S. 15f.
Vgl. Harrington 1991, S. 36f.
Vgl. Elgass/Krcmar 1994, S. 75f.
Vgl. Davenport 1993, S. 30.
Vgl. Talwar 1993, S. 23.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
97
schäftsprozesse. Grundlage für die Identifikation dieser Geschäftsprozesse bildet das Konzept der kritischen Erfolgsfaktoren313 in Abbildung 37.
Ableitung der kritischen
Erfolgsfaktoren
! Durchführung einer Analyse
– des Unternehmens
– des Umfeldes
– des Leistungsprogramms
! Ermittlung der Grunddaten
– Technologietrends
– Marktentwicklung
– usw.
! Selektion der kritischen
Verknüpfung von
Geschäftsprozessen und
Erfolgsfaktoren
Bestimmung des
Leistungsniveaus
! Durchführung einer
!
Benchmarking-Analyse für die
kritischen Erfolgsfaktoren
Festlegung der eigenen Position
relativ zu den Wettbewerbern
Erfolgsfaktoren unter
Berücksichtigung der
Kundenperspektive
! Definition und Abgrenzung
!
!
allgemeiner Geschäftsprozesse
(Grundmodell)
Ermittlung der Korrelationen
zwischen den kritischen
Erfolgsfaktoren und den
Geschäftsprozessen
Gewichtung der ermittelten
Kerngeschäftsprozesse im
Hinblick auf Dringlichkeit
Abbildung 37: Ermittlung wettbewerbskritischer Kerngeschäftsprozesse
Quelle: Heilmann 1996, S. 109.
Die Vorgehensweise wird in drei Schritte eingeteilt. Vor dem Hintergrund der identifizierten
Problemkategorie Inhaltsdefinition werden im Anschluss der erste und der dritte Schritt kurz
dargelegt.
5.3.1 Ableitung der kritischen Erfolgsfaktoren
Die grundlegenden Ursachen für den Erfolg eines Unternehmens sind vielfältiger Natur und
stehen in interdependenten Beziehungen. Diese im Allgemeinen als Erfolgsfaktoren bezeichneten Ursachen ergeben sich aus dem Zusammenwirken von Einflüssen der Umwelt, der Unternehmen und der Unternehmensführung.314 Da die Einflüsse oftmals eher einen qualitativen
Charakter aufweisen, lassen sie sich weder vollständig erfassen, noch lassen sich die interdependenten Beziehungen ausreichend konkretisieren.
Beim Konzept der kritischen Erfolgsfaktoren wird davon ausgegangen, dass es nur einige
wenige Stellhebel gibt, die einen entscheidenden Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben
und daher als kritische Erfolgsfaktoren bezeichnet werden315 . Diese übernehmen somit eine
Selektions- und Orientierungsfunktion, indem sie die als relevant eingestuften Betrachtungsfelder eingrenzen. Vgl. dazu Abbildung 38.
313
314
315
Vgl. zum Konzept der kritsichen Erfolgsfaktoren als Ausgangspunkt für die Identifikation der Kerngeschäftsprozesse Gaitanides 1994, S. 8; Sommerlatte/Wedekind 1989, S. 30f; Hardaker/Ward 1987, S. 114.
Die Einflüsse lassen sich als Quellen von Erfolgsfaktoren bezeichnen. Vgl. dazu Adrian 1989, S. 21f.
Die Annahme einer begrenzten Anzahl von Faktoren, die den Unternehmenserfolg bestimmen, wurde erstmalig von Daniel 1961 formuliert und empirisch untersucht. Er konzentrierte sich auf Branchen. Weiterführende
Untersuchungen haben schliesslich zum Ergebnis geführt, dass diese Annahme nicht nur für Branchen gilt,
sondern auch auf bestimmte Unternehmen anzuwenden ist. Vgl. Anthony/Dearden/Vancil 1972, S. 148ff. So
verschieden die inhaltlichen Schwerpunkte sein können, so unterschiedlich sind auch die verwendeten und
z.T. synonymen Bezeichnungen (z.B. kritischer Erfolgsfaktor, strategischer Erfolgsfaktor, strategic factors, key
success factors, major strategic direction).
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
98
Erfolgsfaktoren
Unternehmen
Umwelt
Unternehmensführung
Selektion
Kundensicht
Kritische Erfolgsfaktoren
Unternehmensführung
Unternehmen
Umwelt
Ausrichtung
Faktoren der
Leistungsnachfrage
(Kaufentscheidung)
Beherrschung
Kerngeschäftsprozesse
Abbildung 38: Bezugsrahmen für die Identifikation von Kerngeschäftsprozessen
Quelle: Heilmann 1996, S. 112.
Die Ermittlung bzw. die Kenntnis der kritischen Erfolgsfaktoren sind von entscheidender Bedeutung für die Grundausrichtung des Unternehmens, da diese die Potentiale reflektieren,
aus denen sich Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen ergeben können. Der Erfolg des
Unternehmens lässt sich somit darauf zurückzuführen, dass es dem Unternehmen möglich
ist, die für seine Branche oder für sich selbst geltenden kritischen Erfolgsfaktoren günstig zu
beeinflussen bzw. zu beherrschen.
Auf der Basis kritischer Erfolgsfaktoren lassen sich auch Anhaltspunkte für Massnahmen ableiten, mit denen ein effizientes Ausrichten auf die für ein Unternehmen relevanten Erfolgsfaktoren vorgenommen werden kann. Gemäss der prozessorientierten Vorstellung sind die
Kerngeschäftsprozesse Ansatzpunkte für die Beeinflussung von Erfolgsfaktoren. Die Kerngeschäftsprozesse zeichnen sich nämlich u.a. dadurch aus, dass sie eine direkte Wirkung auf
einen oder mehrere wettbewerbskritische Erfolgsfaktoren ausüben316 . Dies bedeutet, dass
eine Korrelation zwischen bestimmten Geschäftsprozessen und den kritischen Erfolgsfaktoren
besteht, die es aufzudecken gilt.
Wenn das Unternehmen in der Lage ist, seine Kerngeschäftsprozesse wirkungsvoll auf die
kritischen Erfolgsfaktoren hin auszurichten, resultiert daraus die Möglichkeit zum Beherrschen
der kritischen Erfolgsfaktoren (vgl. Abbildung 38). Somit wird es dem Unternehmen möglich
sein, sich im Wettbewerb hervorzutun bzw. sich positiv zu differenzieren.
Als Grundsatz für die Ableitung kritischer Erfolgsfaktoren aus der Gesamtmenge der Erfolgsfaktoren gilt, dass man sich primär an der Sichtweise seiner Kunden orientieren sollte.317 Die
Frage „Wie sehen wir unsere Kunden?” muss durch die Frage „Wie sieht der Kunde unsere
Leistungen?” ersetzt werden. Denn es tritt häufig der Fall ein, dass zwischen den Einschätzungen von den an Prozessen beteiligten Mitarbeitern und den Kundenerwartungen Differenzen auftreten.
316
317
Zur Korrelation zwischen Kerngeschäftsprozessen und kritischen Erfolgsfaktoren vgl. z.B. Hammer/Champy
1993, S. 128; Sommerlatte/Wedekind 1989, S. 28f.
Vgl. Wildemann 1994, S. 51.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
99
5.3.2 Verknüpfung von Geschäftsprozessen und Erfolgsfaktoren
In einem weiteren Analyseschritt sind die kritischen Erfolgsfaktoren mit den Geschäftsprozessen des Unternehmens zu verbinden. Dabei tritt zunächst das Problem auf, dass man zumindest eine rudimentäre Vorstellung über die verschiedenen Geschäftsprozesse eines Unternehmens haben muss. Ein möglicher Ansatzpunkt hierfür ist die Vorstellung von einem idealtypischen Unternehmen, das eine Reihe von Standardgeschäftsprozessen aufweist. Hier
kann man auf den Prozesswürfel in Abbildung 39 zurückgreifen.
Allerdings ist darauf zu achten, dass man bei der Prozessdefinition nicht einfach bereits vorhandene Abteilungen, die nach funktionalen Gesichtspunkten gebildet wurden, in Geschäftsprozesse umtauft. In der Praxis werden oft bestimmte Funktionsbereiche einfach als Geschäftsprozesse definiert. So könnte z.B. die Funktion Einkauf, die vielleicht als Abteilung und
Kostenstelle geführt wird, als Geschäftsprozess identifiziert werden. Dabei wird jedoch die
eigentliche Zielsetzung des Ansatzes ausser Acht gelassen. Es geht letztlich um die transparente Darstellung von Heterogenitäten, die aufgrund verschiedenartiger Abläufe und Objekte
zu verzeichnen sind. Nur in den seltensten Fällen bzw. nur auf einem sehr allgemeinen Niveau kann mit solch einer simplen Prozessdefinition die Wirklichkeit abbildungstreu modelliert
werden.318
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Supply Chain Prozesse
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Service Prozesse
Wertschöpfungsprozesse
(Primärprozesse)
Abbildung 39: Prozesswürfel
Quelle: Veasey 1994, S. 128.
Im Anschluss an die Definition und Abgrenzung der unternehmensspezifischen Geschäftsprozesse gilt es, die Korrelationen zwischen den Geschäftsprozessen und den kritischen Erfolgsfaktoren aufzudecken und zu bewerten.319 Da man bereits im Rahmen der Erfolgsfaktorenanalyse ermittelt hat, bei welchen Erfolgsfaktoren Schwächen bzw. Stärken bestehen, lassen sich diese Vor- oder Nachteile auf die Konfiguration der Geschäftsprozesse zurückführen.
318
319
Vgl. Heilmann 1996, S. 117.
Vgl. Sommerlatte/Wedekind 1989, S. 31.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
100
5.4 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems
Im vorangehenden Abschnitt wurde der theoretische Bezug im Fachbereich Prozessmanagement320 zu den zentralen Aspekten Geschäftsprozessorientierung und Effektivität und Effizienz von Prozessen erläutert. Der Bezug wurde anhand des Ansatzes Business-ProcessManagement hergestellt.
In Abbildung 40 werden die zentralen Implikationen für die Erarbeitung eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb zusammengefasst. Bei den Implikationen
handelt es sich hauptsächlich um jene der Kategorien321 Entwicklungsprozess und Inhaltsdefinition.
Ansatz:
Business-Process-Management
Aspekt:
Geschäftsprozessorientierung
Implikation:
Bei der Umsetzung einer Strategie gilt es, Kerngeschäftsprozesse zu identifizieren und aktiv zu steuern, weil sie einen nachvollziehbaren Beitrag zum
Zielsystem einer Unternehmung leisten. In der Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems sollten daher Kerngeschäftsprozesse eines Mehrkanalsystems abgebildet werden (Inhaltsdefinition).
Aspekt:
Effektivität von Prozessen
Implikation:
Die Steuerungsdimensionen eines Kennzahlensteuerungssystems sollten
von den kritischen Erfolgsfaktoren abgeleitet werden und Aussagen über
die Effektivität (=das Richtige tun) von Geschäftsprozessen ermöglichen
(Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition).
Aspekt:
Effizienz von Prozessen
Implikation:
Neben der Ausrichtung am Kundennutzen (Effektivität) ist in Mehrkanalvertriebssystemen die Effizienz ein weiterer zentraler Aspekt, der in den Steuerungsdimensionen eines Kennzahlensteuerungssystems berücksichtigt
werden sollte (Inhaltsdefinition).
Abbildung 40: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem
Quelle: Eigene Darstellung.
6. Kennzahlensysteme
6.1 Einleitung und Überblick
In diesem Kapitel wird der vierte und letzte Teil des theoretischen Bezugsrahmens erläutert.
Dieser Teil stellt zur vorliegenden Arbeit den theoretischen Bezug aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Disziplin Controlling her. Die Teildisziplin betriebswirtschaftliche Kennzahlen hat
dabei einen engen Bezug zum Forschungsziel der Arbeit. Vor diesem Hintergrund sind v.a.
die Aspekte Operationalisierungs- und Steuerungsfunktion von Kennzahlensystemen zentral.
320
321
Vgl. theoretischer Bezugsrahmen Teil 1, Kapitel 3.
Vgl. Definition der Problemkategorien in den Fussnoten von Abschnitt 1.1.3 im Teil 1.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
101
Im zweiten Abschnitt werden anhand einer Dimensionsanalyse die Funktionen, die Aufgaben,
und die unterschiedlichen Verwendungszwecke von Kennzahlensystemen dargelegt. Im dritten Abschnitt werden die Implikationen für die Vertriebssteuerung zusammengefasst.
6.2 Betriebswirtschaftliche Kennzahlensysteme322
In diesem Abschnitt wird zu Beginn auf den Begriff, die Aufgaben und die Ziele von Kennzahlen eingegangen. Anschliessend werden der Zweck und die Verwendung von Kennzahlensystemen beurteilt.
6.2.1 Betriebswirtschaftliche Kennzahlen
Begriff
In der betriebswirtschaftlichen Literatur fehlt eine einheitliche Definition des Begriffs Kennzahl.323 Häufig werden Ausdrücke wie Kennziffern, Kontrollgrössen, Kontrollzahlen, Kontrollziffern, Messzahlen, Messziffern, Ratios, Richtzahlen, Schlüsselgrössen und Schlüsselzahlen
synonym verwendet.324 Die folgenden Ausführungen übernehmen die klassische Begriffsbestimmung von Staehle: „Betriebswirtschaftliche Kennzahlen [...] sind Zahlen, die in konzentrierter Form über einen zahlenmässig erfassbaren betriebswirtschaftlichen Tatbestand informieren“.325
Nach Siegwart gelten gewisse Anforderungen an betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Von
Kennzahlen darf nur die Rede sein, wenn sie:
! der Beurteilung der Leistungswirksamkeit von Führungsentscheidungen und
! der Analyse der ökonomischen Situation dienen sowie
! entsprechende Folgerungen hinsichtlich Ursachen und deren Folgen für die Erhaltung der
Unternehmung und für ihre Zielverwirklichung erlauben.326
Grundsätzlich erlangen Kennzahlen nur durch Vergleiche Aussagekraft:327 Dies sind entweder innerbetriebliche Zeitvergleiche (Vergleich von Istzahlen eines Unternehmens zu verschiedenen Zeitpunkten bzw. aus verschiedenen Zeiträumen), Soll-Ist-Vergleiche (Vergleich
von Istzahlen eines Unternehmens mit Sollwerten; Letztere sind Standard- oder Plankennzahlen) oder Objektvergleiche, bei denen verschiedene Geschäftsbereiche oder Unternehmen
zum gleichen Zeitpunkt oder Zeitraum bezüglich der gleichen Kennzahlen untersucht werden.328
322
323
324
325
326
327
328
Die Ausführungen in Abschnitt 6.2 lehnen sich an die Habilitation von Reinecke 2004 an.
Eine umfassende Diskussion zum Terminus Kennzahl siehe Geiss 1986, S. 29 ff.
Vgl. Siegwart 1998, S. 5; Meyer 1994, S. 9.
Staehle 1967, S. 62.
Vgl. Siegwart 1998, S. 4.
Scheuning 1967, S. 31.
Vgl. Küting 1983, S. 239.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
102
Zweck von Kennzahlen
Kennzahlen sind hervorragende Instrumente, um notwendige Entscheidungen des Managements vorzubereiten, zu fundieren und zu erleichtern – und in vielen Fällen überhaupt erst zu
ermöglichen.329 Folgende Funktionen lassen sich im klassischen Führungszyklus unterscheiden: 330
! Anregungsfunktion: Laufende Erfassung von Kennzahlen, um Auffälligkeiten und Veränderungen zu erkennen;
! Operationalisierungsfunktion: Bildung von Kennzahlen zur Operationalisierung und Evaluation von Zielen und Zielerreichung;
! Priorisierungs- und Vorgabefunktion: Ermittlung kritischer Kennzahlenwerte als Zielgrössen
für unternehmerische Teilbereiche;
! Kommunikations- und Steuerungsfunktion: Verwendung von Kennzahlen zur Vereinfachung von Kommunikations- und Steuerungsprozessen;
! Kontroll- und Überwachungsfunktion: Laufende Erfassung von Kennzahlen, um Soll-IstAbweichungen zu erkennen bzw. Massnahmen zu überwachen.
Indem in Kennzahlen betriebswirtschaftliche Tatbestände komprimiert ausgedrückt werden,
reduziert sich die Gefahr technischer und semantischer Kommunikationsstörungen auf dem
Weg vom Sender zum Empfänger der Information auf ein Minimum.331 Daher kommt ihnen im
Rahmen des Controllings eine hohe Bedeutung zu, welches u.a. die Aufgabe der Informationskoordination übernimmt.
6.2.2 Dimensionsanalyse von Kennzahlensystemen
Aufgrund der Funktionsvielfalt von Kennzahlen wird deutlich, dass eine einzelne, isoliert betrachtete Kennzahl nur eine sehr begrenzte Aussagefähigkeit haben kann332 . Sie kann letztlich immer nur einen Aspekt repräsentieren. Für komplexe Situationen sind daher zwangsläufig mehrere Kennzahlen zu bilden.333
Eine Kennzahlenvielfalt ist insbesondere dann von hohem Nutzen, wenn sie regelmässig und
nach einem gezielt festgelegten Gerüst erhoben und analysiert wird.334 Ein solches Gerüst
stellt ein Kennzahlensystem dar, d.h. eine geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen
denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können.335 Der Begriff
System ist allerdings inhaltsleer. Er sagt noch nichts aus über die Art der Elemente oder ihre
Beziehungen, über den Zweck des Systems, über die Art der Anordnung der Elemente sowie
329
330
331
332
333
334
335
Vgl. Wolf 1977, S. 15.
Vgl. Weber 1999, S. 202; Wolf 1977, S. 16; Siegwart 1998, S. 16ff.
Vgl. Staehle 1967, S. 223.
Vgl. Wolf 1977, S. 36.
Vgl. Oeller 1979, S. 124.
Vgl. Bürgi 1991, S. 161.
Vgl. Ulrich 1968, S. 105.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
103
über Sinn und Bedeutung des momentanen Systemverhaltens. 336 Daher ist es grundsätzlich
möglich, unendlich viele verschiedene Kennzahlensysteme zu bilden.
Ausgewählte Dimensionen von Kennzahlensystemen
nach Funktion, Zweck
und Verwendung
Analyse
Dokumentation
Steuerung
diagnostisch
aktionsorientiert
interaktiv
wissensvermehrend
affektiv
nach ihrer Entwicklung
induktiv abgeleitet
deduktiv abgeleitet
nach der Elementverknüpfung
Rechensystem
Ordnungssystem
kausal
nicht kausal
deterministisch
heuristisch
allgemeingültig
situativ
eindimensional
mehrdimensional
monetär
nicht monetär
funktionsübergreifend
funktionsspezifisch
stellenübergreifend
stellenspezifisch
strategisch
operativ
produktbezogen
kundenbezogen
strukturbezogen
prozessbezogen
potentialbezogen
instrumentbezogen
geschlossen
offen
temporär
dauerhaft
diskontinuierlich
stetig
statisch
dynamisch
Planung (Planzahlen)
Kontrolle (Istzahlen)
IT-unterstützt
Nicht IT-unterstützt
nach dem Bezugsobjekt
nach der Abgeschlossenheit
nach der zeitlichen
Dimension
nach der ITUnterstützung
Abbildung 41: Dimensionsanalyse von Kennzahlensystemen
Quelle: Reinecke 2004, S. 72.
In Abbildung 41 werden Kennzahlensysteme in Form einer Dimensionsanalyse systematisiert.
In den folgenden Abschnitten werden im Hinblick auf die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit
die Systematisierungsmerkmale Funktion und Zweck sowie die Verwendung von Kennzahlensystemen kurz erläutert.
Funktionen von Kennzahlensystemen
Zahlreiche Autoren ordnen dem Systembegriff eine finale Komponente zu, d.h. eine Zweckorientiertheit.337 Dies ist für Kennzahlensysteme hochrelevant, weil sich ihre Strukturen je
nach Verwendungszweck und Funktion stark unterscheiden.
336
Vgl. Ulrich 1968, S. 106.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
104
Ähnlich wie Einzelkennzahlen erfüllen betriebswirtschaftliche Kennzahlensysteme primär Informationsaufgaben.338 Dabei lassen sich drei Funktionen bzw. Zwecke asumachen:339
! Analysefunktion: Dient ein Kennzahlensystem der Analyse, so soll es den Anwender dabei
unterstützen, auf der Basis quantitativ erfasster Sachverhalte zu einem Urteil zu kommen.
Diese Urteilsbildung kann einerseits intuitiv erfolgen, andererseits aber auch durch Reduktionsverfahren unterstützt werden. Bei diesen Verfahren unterscheidet man zwischen der
Indexkonstruktion (Zusammenfassung mehrerer Kennzahlen in einer Zahl) und der Mustererkennung (Kennzahlen als quantitative Merkmale in einem Mustererkennungsprozess).340 Die Analysefunktion überwiegt beispielsweise bei Kennzahlensystemen der Bilanzanalyse.
! Dokumentationsfunktion: Kennzahlensysteme können Plan- und Istgrössen der Vergangenheit dokumentieren und speichern. Die Dokumentationsfunktion ist allerdings nicht
selbstständig, sondern unterstützt lediglich die Analyse- oder die Steuerungsfunktion. Die
dokumentierten Grössen werden zu Zeit- oder Objektvergleichen eingesetzt.
! Lenkungs- bzw. Steuerungsfunktion: Kennzahlensysteme werden häufig auch dazu eingesetzt, das Verhalten eines Systems zu steuern. Voraussetzung ist, dass bestimmte Einzelkennzahlen (beispielsweise ROI, Marktanteil oder Kundenzufriedenheit) zu Normen erhoben werden.341 Die meisten unternehmensintern eingesetzten Systeme verfolgen diesen
Zweck.
Fast alle Kennzahlensysteme erfüllen mehrere Funktionen gleichzeitig, sind allerdings meistens speziell aus dem Blickwinkel einer der Funktionen konstruiert.
Verwendung von Kennzahlensystemen
Unabhängig davon, zu welchem Zweck Kennzahlensysteme ursprünglich aufgestellt wurden,
ist die Art und Weise relevant, wie das Management die Informationen tatsächlich einsetzt.
Menon und Varadarajan342 unterscheiden hierbei drei Arten:
! Aktionsorientierte Nutzung: Die Informationen bewirken Verhaltensänderungen oder lösen
Handlungen aus. Sie können instrumentell (z.B. um Entscheidungen zu treffen) oder symbolisch verwendet werden. Letzteres ist dann der Fall, wenn Informationen eingesetzt werden, um Entscheidungen zu rechtfertigen, nachdem sie bereits gefallen sind.
! Wissensverbessernde Nutzung: Hierbei verbessern die Informationen das Wissen und
Verständnis. Sie lösen Denkprozesse aus.
! Affektive Nutzung: Informationen werden genutzt, um sich bezüglich einer Entscheidung
wohl zu fühlen und zwar entweder aufgrund des Informationsinhalts oder einfach aufgrund
der Tatsache, dass überhaupt Informationen vorliegen.
337
338
339
340
341
342
Vgl. Staehle 1967, S. 6.
Vgl. Geiss 1986, S. 104.
Vgl. Geiss 1986, S. 104; Caduff 1981, S. 45.
Vgl. Mertens 1977; Geiss 1986, S. 111.
Vgl. Geiss 1986, S. 105.
Vgl. Menon/Varadarajan 1992, S. 61f.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
105
Diese Unterscheidung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn man Kennzahlensysteme hinsichtlich ihres konkreten Nutzens in der Praxis untersucht. So zeigt beispielsweise eine Studie
bei 143 deutschen Industrieunternehmen, dass bei Kostenrechnungsinformationen die symbolische Nutzung genauso wichtig ist wie die instrumentelle.343
Definition von Kennzahlensystemen
Im Weiteren werden Kennzahlensysteme wie folgt definiert: „Kennzahlensysteme sind eine
zweckorientierte Gliederung betriebswirtschaftlicher Kenngrössen. Es handelt sich um eine
logische und/oder rechnerische Verknüpfung mehrerer Kennzahlen, die zueinander in einem
Abhängigkeitsverhältnis stehen und sich gegenseitig ergänzen. Kennzahlensysteme erfüllen
in einer schlecht strukturierten Problemsituation Informationsaufgaben, insbesondere zur Analyse und Steuerung.“ 344
Diese Definition:
! unterstreicht die Bedeutung des Zwecks als primäres Gliederungsmerkmal,
! verzichtet auf eine normative Festlegung eines bestimmten Skalenniveaus,
! hebt Analyse und Steuerung als wichtigste Funktionen hervor,
! stellt klar, dass eine rechnerische Verknüpfung von Kennzahlen kein notwendiges Kriterium ist. Wohl aber wird eine logische Abhängigkeit gefordert, um die Informationsfunktion
erfüllen zu können.
Die Definition gibt noch keinerlei Hinweise auf die Güte eines Kennzahlensystems. Auf letztere wird im Anschluss kurz eingegangen.
6.3 Allgemeine Gütekriterien für Kennzahlensysteme
In diesem Abschnitt werden allgemeine Gütekriterien für Kennzahlensysteme nur in Form einer Übersicht dargestellt. Die Kritierien werden in Teil 3 eingehender erläutert und in eine umfassende Betrachtung hinsichtlich der Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem
eingebunden.
Zahlreiche Wissenschaftler haben sich mit den Anforderungen an betriebswirtschaftliche
Kennzahlensysteme beschäftigt.345 Dabei handelt es sich i.d.R. um induktiv ermittelte Kritierien, weil eine Theorie der Kennzahlen nicht existiert und es somit auch nicht möglich ist, Systemanforderungen deduktiv abzuleiten.346 In Abbildung 42 wird der derzeitige Stand von Wissenschaft und Praxis in Bezug auf allgemeine Gütekriterien zusammengefasst.
343
344
345
346
Vgl. Homburg et al. 2000, S. 251.
Diese Definition stammt von Reinecke 2004, S. 76. Er übernimmt Merkmale von Staehle 1967, S. 74; Küting
1983, S. 238; Geiss 1986, S. 100 und Siegwart 1998, S. 27.
Diller 1976; Reichmann/Lachnit 1976; Caduff 1981; Geiss 1986; Simons 1995; Siegwart 1998; Reinecke
2004.
Vgl. Geiss 1986, S. 86.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
106
Ein nützliches Kennzahlensystem ist:
problemgerecht
! Kennzahlen entsprechen zeitlich und sachlich dem verfolgten Ziel
als Diagnose- oder Steuerungsinstrument.
! Richtiger Informationsgrad (Aggregationsgrad, Aktualität, Periodizität)
! Angemessene Informationsqualität (Validität und Reliabilität)
! Schutz vor Manipulation und unerwünschten Suboptima (Robustheit)
konsistent
!
!
!
!
flexibel
! Dynamisierbarkeit des Systems, Anpassungsfähigkeit an Veränderungen (Möglichkeit, Kennzahlen zu ergänzen und zu eliminieren)
! Integrationsmöglichkeit externer Daten
! Modularität
benutzer- und organisationsgerecht
! Kompatibilität mit Organisationsstruktur
! Wahrgenommene Nützlichkeit des Systems für die Benutzer bzw.
Stakeholder (subjektiver Sinngehalt, Betroffenheit, Informationsgehalt)
! Glaubwürdigkeit des Systems (Realitätsbezug, Vollständigkeit,
Spezifität)
! Standardisierung
! Einbindung in Führungs- und Controllingprozesse
! Kompaktheit, Transparenz
wirtschaftlich
! Aufwand der Datenerhebung und –verarbeitung
! Automatisierung, Grad der Unterstützung mit Hilfe von Informationstechnologien
Ursache-Wirkungszusammenhang, Frühwarnung
Widerspruchsfreiheit
Ausgewogenheit
Eindeutige Operationalisierung
Abbildung 42: Allgemeine Anforderungen an Kennzahlensysteme
Quelle: Reinecke 2004, S. 77.
6.4 Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems
Im vorangehenden Kapitel wurde der theoretische Bezug im Fachbereich Kennzahlensysteme347 zu den zentralen Aspekten Aufgaben, Ziele, Zweck und Verwendung von Kennzahlensystemen und Gütekriterien von Kennzahlensystemen erläutert. Der Bezug wurde anhand der
Erkenntnisse aus der traditionellen und modernen betriebswirtschaftlichen Kennzahlenforschung hergestellt.
347
Vgl. theoretischer Bezugsrahmen Teil 1, Kapitel 3.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
107
In Abbildung 43 werden die zentralen Implikationen für die Erarbeitung eines Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb zusammengefasst. Bei den Implikationen
handelt es sich hauptsächlich um jene der Kategoriem348 Inhaltsdefinition und Messmethode.
Ansatz:
Betriebswirtschaftliche Kennzahlenforschung
Aspekt:
Funktion, Zweck und Verwendung von Kennzahlensystemen
Implikationen: ! Funktion und Zweck: Betriebswirtschaftliche Kennzahlensysteme können
unterschiedliche Funktionen (Analyse, Steuerung und Dokumentation)
wahrnehmen. Ein Kennzahlensteuerungssystem trägt instrumental zur
Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie und zur strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalsystems bei. Vor diesem Hintergrund
nimmt es primär eine Steuerungsfunktion wahr. Die Konzeption eines
solchen Systems sollte dafür zweckmässige Kennzahlendimensionen
enthalten (Inhaltsdefinition, Messmethode).
! Verwendung: Bei der Verwendung von Kennzahlensystemen werden
drei Arten unterschieden, wie das Management die Informationen tatsächlich einsetzt (aktions-, wissensbasierte und affektive Nutzung). Ein
Kennzahlensteuerungssystem sollte so gestaltet werden, dass es aktionsorientiert verwendet wird, um einen Beitrag zur Umsetzung einer
Mehrkanalvertriebsstrategie bzw. zur strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems zu leisten (Inhaltsdefinition, Messmethode).
Aspekt:
Gütekriterien von Kennzahlensystemen
Implikation:
Ein nützliches Kennzahlensystem ist problemgerecht, benutzer- und organisationsadäquat, konsistent, flexibel und wirtschaftlich. Es sollte konzeptionell so ausgestaltet sein, dass es diese allgemeinen Anforderungen erfüllt
(Inhaltsdefinition, Messmethode).
Abbildung 43: Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem
Quelle: Eigene Darstellung.
7. Zusammenfassung und Fazit
Das Ziel im Teil 2 war, anhand des theoretischen Bezugsrahmens Implikationen für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb herzuleiten. Die Implikationen wurden pro Fachbereich (Distribution, Zielplanung und Strategie-implementierung,
Prozessmanagement, Kennzahlensysteme) unter Berücksichtigung der in Teil 1349 identifizierten Problemkategorien (Inhaltsdefinition, Messmethode, Entwicklungsvorgehen) bei Kennzahlensteuerungssystemen im Mehrkanalvertrieb herausgearbeitet. Ziel und Gegenstand dieses
abschliessenden Kapitels ist die Implikationen zusammenzufassen.
348
349
Vgl. Definition der Problemkategorien in den Fussnoten von Abschnitt 1.1.3 im Teil 1.
Vgl Teil 1, Abschnitt 1.1.3.
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
108
Distribution
! Die Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs ist die Sicherstellung der Markt- und Konsumreife der Unternehmensleistungen. Dieser Aspekt sollte durch geeignete Kennzahlendimensionen in einem Kennzahlensteuerungssystem berücksichtigt werden (Inhaltsdefinition).
! Mehrkanalsysteme sind „vernetzt“ und es bestehen Wechselwirkungen zwischen den Vertriebskanälen (z.B. kanalübergreifende Prozesse). Diese haben einen Einfluss auf den Vertriebserfolg und sollten in einem Kennzahlensteuerungssystem konzeptionell erfasst werden (Inhaltsdefinition).
! Mit der Konfiguration eines Mehrkanalvertriebssystems werden Entscheidungen über die
Gestaltung des Absatzkanal-Mixes getroffen. Die Konfiguration eines Mehrkanalsystems
sollte in einem Kennzahlensteuerungssystem entsprechend abgebildet sein, um eine strategieorientierte Steuerung zu ermöglichen (Inhaltsdefinition).
! Im Rahmen der Koordination wird definiert, wie ein Mehrkanalsystem erfolgreich gesteuert
und die Kanäle aufeinander abgestimmt werden können. Der Koordinationsansatz eines
Mehrkanalsystems hat einen Einfluss auf das Entwicklungsvorgehen eines Kennzahlensteuerungssystems (Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition).
Zielplanung und Strategieimplementierung
! Inhaltlich können Ziele in Formal- und Sachziele unterteilt werden. Formalziele zeigen das
Ergebnis des güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozesses. Der Umsatzprozess wiederum wird in Form von Sachzielen erfasst. In einem Kennzahlensteuerungssystem sollte
diese Strukturierung in einer geeigneten Form entsprechend berücksichtigt werden (Inhaltsdefinition).
! Es gibt kein allgemeingültiges Modell zur konzeptionellen Erfassung der Strategieformierung. Präskriptive Modelle vermitteln eine normative Sicht, wie Strategien entwickelt werden
sollten. Deskriptive Ansätze sind Erklärungsmodelle zur tatsächlichen Bildung von Strategien. Die Planungsrationalität sollte in der Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem
berücksichtigt werden.
! Die Planung und die Implementierung bilden im Prozess des strategischen Managements
eine Einheit. Kennzahlensysteme als Informations- und Führungssysteme dienen der Implementierung als auch der Planung von Strategien. Ein Kennzahlensteuerungssystem sollte
daher in den gesamten Managementprozess eingebunden werden.
! Bei der strategischen Kontrolle wird zwischen Prämissen-, Durchführungs- und Wirksamkeitskontrolle unterschieden. Um eine umfassende Kontrolle im Rahmen der Umsetzung
einer Mehrkanalvertriebsstrategie zu gewährleisten, sollte ein Kennzahlensystem diese drei
Formen konzeptionell abbilden.
Prozessmanagement
! Bei der Umsetzung einer Strategie gilt es, Kerngeschäftsprozesse zu identifizieren und aktiv zu steuern, weil sie einen nachvollziehbaren Beitrag zum Zielsystem einer Unternehmung leisten. In der Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems sollten daher Kerngeschäftsprozesse eines Mehrkanalsystems abgebildet werden (Inhaltsdefinition).
TEIL 2: KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
109
! Die Steuerungsdimensionen eines Kennzahlensteuerungssystems sollten von den kritischen Erfolgsfaktoren abgeleitet werden und Aussagen über die Effektivität und die Effizienz von Geschäftsprozessen ermöglichen (Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition).
Kennzahlensysteme
! Ein Kennzahlensteuerungssystem trägt instrumental zur Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie und zur strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalsystems bei. Vor
diesem Hintergrund nimmt es primär eine Steuerungsfunktion wahr. Die Konzeption eines
solchen Systems sollte dafür zweckmässige Kennzahlendimensionen enthalten (Inhaltsdefinition, Messmethode).
! Ein Kennzahlensteuerungssystem sollte so gestaltet werden, dass es aktionsorientiert verwendet wird, um einen Beitrag zur Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie bzw. zur
strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems zu leisten (Inhaltsdefinition, Messmethode)
Fazit: Im Teil 2 dieser Arbeit wurden aus Sicht der vier relevanten Forschungsdisziplinen bzw.
der jeweiligen Ansätze unterschiedliche Implikationen herausgearbeitet. In jeder Disziplin gibt
es Implikationen zu einer oder mehreren der eingangs identifizierten Problemkategorien. Als
Folge überschneiden oder ergänzen sich diese Implikationen. Im nächsten Schritt gilt es, losgelöst von der jeweiligen Forschungsdisziplin diese Implikationen zu verdichten und konkrete
Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem abzuleiten.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
110
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
1. Überblick und Einführung
Ziel und Gegenstand von Teil 3 ist das Herausarbeiten von konzeptionellen Anforderungen
bzw. Gestaltungsprinzipien für ein Kennzahlensteuerungssystem. Dies geschieht unter Berücksichtigung der in Teil 1 beschriebenen Problemstellungen und der in Teil 2 abgeleiteten
fachbereichsspezifischen Implikationen. Teil 3 ist somit als Synthese der bisherigen Erkenntnisse zu verstehen. In Abbildung 44 wird der Zusammenhang zwischen den Teilen 1 bis 3
nochmals im Überblick aufgezeigt.
Problemstellungen aus der Bankpraxis im Zusammenhang mit Mehrkanalvertriebsstrategien
Vertriebsorganisation
Vertriebssteuerungssystem i.w.S.
Vertriebssteuerungssystem i.e.S.
Identifikation von Problemkategorien
Teil 1
Ableitung relevanter Aspekte
Ableitung des theoretischen Bezugs: Identifikation der zentralen Ansätze
Teil 2
Ableitung der zentralen Implikationen unter Berücksichtigung der Problemkategorien
Abstrahierung der Problemkategorien in Anforderungsdimensionen
Ableitung von Anforderungen pro Anforderungsdimension
Teil 3
Evaluation bestehender Konzeptionsvorschläge
Konzeptionelle Rahmenbedingungen
Abbildung 44: Vorgehensweise zur Ableitung von Anforderungen
Quelle: Eigene Darstellung.
Nach der Einführung werden in Kapitel 2 die konzeptionellen Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem hergeleitet. Dazu werden die Implikationen aus den Fachbereichen
Distribution, Zielplanung und Strategieimplementierung, Prozessmanagement und Kennzahlensysteme verdichtet und in zentrale Anforderungsdimensionen überführt.
Die konzeptionellen Anforderungen von Kapitel 2 werden in Kapitel 3 mit der Evaluation bestehender Konzeptionsvorschläge von Kennzahlensystemen ergänzt. Die Beurteilung verfolgt
im Sinne einer Metaanalyse das Ziel, Aspekte zu identifizieren, die Vorbildcharakter oder
exploratives Potential für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems haben.
Im Kapitel 4 werden anschliessend die zentralen Erkenntnisse im Sinne konzeptioneller Rahmenbedingungen für ein Kennzahlensteuerungssystem zusammengefasst.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
111
2. Konzeptionelle Anforderungen
In diesem Kapitel werden die im Teil 2 hergeleiteten fachbereichsspezifischen Implikationen in
zentrale Anforderungsdimensionen eines Kennzahlensteuerungssystems transformiert. Die
Dimensionen dienen dabei der inhaltlichen Strukturierung zentraler Anforderungen. Die drei
Dimensionen sowie die darin enthaltenen Kernanforderungen wurden im Rahmen von standardisierten Interviews mit Experten350 verifiziert.
2.1 Ableitung von Anforderungsdimensionen
In Teil 2 wurden die für die vorliegende Arbeit relevanten Aspekte und die gewählten Ansätze
anhand des theoretischen Bezugsrahmens erläutert. Unter Berücksichtigung der Problemkategorien wurden pro Fachbereich bzw. pro Ansatz spezifische Implikationen hergeleitet. In
den einzelnen Fachbereichen wurden jeweils Erkenntnisse für mehrere Problemkategorien
gewonnen. In Teil 3 wird von der fachbereichsspezifischen Perspektive zurück in die problemkategorieorientierte Perspektive gewechselt. Die Implikationen pro Fachbereich werden somit
wieder aus Sicht der Problemkategorien351 bei der Vertriebssteuerung i.e.S. betrachtet. Mit
dem Perspektivenwechsel geht zugleich eine Abstrahierung bzw. Überführung der Problemkategorien in Anforderungsdimensionen einher. In Abbildung 45 wird die Herleitung der Anforderungsdimensionen schematisch aufgezeigt.
Implikationen pro Fachbereich anhand der
Problemkategorien
Distribution
Zielplanung und
Strategieimplementierung
! Entwicklungs-
! Entwicklungs-
!
! Inhaltsdefinition
! Messmethode
prozess
Inhaltsdefinition
Problemkategorien
bei der Vertriebssteuerung i.e.S.
Anforderungsdimensionen
Kernanforderung
Entwicklungsprozess
Prozess
(situativ)
Strategieprozess- und
organisationskonformes
Entwicklungsvorgehen
Inhalt
Kontext
(situativ)
Kontextspezifische
Kennzahlen
Messmethode
Messkonzeption
(normativ)
Messkonzeptionsgerechtes
Kennzahlensystemdesign
prozess
Kennzahlensysteme
Prozessmanagement
! Inhaltsdefinition
! Messmethode
! Entwicklungsprozess
! Inhaltsdefinition
Abbildung 45: Ableitung der Anforderungsdimensionen
Quelle: Eigene Darstellung.
350
351
Vgl. Expertengespräche I-1 bis I-8. Die Experten stammen aus unterschiedlichen Bereichen der Credit Suisse.
Die Auswahl der Experten erfolgt dabei unter Zuhilfenahme des theoretischen Bezugsrahmens. Ziel bei der
Auswahl war, Experten mit der fachlichen Kompetenz aus einer oder mehreren betriebswirtschaftlichen Forschungsdisziplinen (Marketing, strategisches Management, Organisation und Controlling) gemäss theoretischem Bezugsrahmen zu interviewen.
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.2.3.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
112
Die Problemkategorie Entwicklungsprozess wird in die Anforderungsdimension Prozess352
überführt. Die Kernanforderung dieser Dimension lautet, dass das Entwicklungsvorgehen eines Kennzahlensteuerungssystems strategieprozess- und organisationskonform sein sollte.
Dies bedeutet, dass beim Herleiten eines Kennzahlensteuerungssystems strategieprozessuale und organisatorische Aspekte berücksichtigt werden sollten. Strategieprozesse und Aufbauorganisationen können in Unternehmen unterschiedlich ausgestaltet sein. Die Dimension
Prozess hat daher situativen Charakter, da die darin enthaltenen Anforderungen353 bzw. Einflussfaktoren unterschiedliche Ausprägungen annehmen können. Das in der Dimension Prozess erfasste Entwicklungsvorgehen wird demnach durch unterschiedliche Ausprägungen der
Anforderungen beeinflusst.
Die Problemkategorie Inhalt wird in die Anforderungsdimension Kontext überführt. Die Kernanforderung dieser Dimension lautet, dass Kennzahlen kontextspezifisch354 sein sollten, damit
sie im konkreten Verwendungszweck nützlich355 sein können. Dies bedeutet, dass die Identifikation der relevanten Kennzahlen für ein Kennzahlensteuerungssystem vom Kontext abhängig ist. Die Dimension Kontext hat daher auch situativen Charakter, da die darin enthaltenen
Anforderungen356 unterschiedliche Ausprägungen annehmen können. Die jeweiligen Ausprägungen haben somit einen Einfluss auf die Auswahl der „richtigen“ Kennzahlen.
Die Problemkategorie Messmethode wird in die Anforderungsdimension Messkonzeption überführt. Die Kernanforderung dieser Dimension lautet, dass das Kennzahlensystemdesign
messkonzeptionsgerecht ausgestaltet sein sollte. Das Grunddesign357 des Kennzahlensystems sollte daher für den Zweck der Vertriebssteuerung geeignet sein. Die Dimension beinhaltet i.w.S. messkonzeptionstechnische Aspekte, welche bei der Entwicklung eines Kennzahlensteuerungssystems berücksichtigt werden sollten. Die Dimension Messkonzeption hat
normativen Charakter, weil die darin enthaltenen Anforderungen spezifisch für die Vertriebssteuerung sind und keine unterschiedlichen Ausprägungen annehmen.
2.2 Notwendige Anforderungen
Nach der konzeptionellen Herleitung der drei Anforderungsdimensionen wird eine weitere
Strukturierungshilfe eingeführt. Sinn dieses zusätzlichen Strukturierungsmerkmals ist die Un-
352
353
354
355
356
357
Reinecke weist in seiner Habilitation auch darauf hin, dass bei der Erarbeitung eines Kennzahlensystems
prozessuale Aspekte berücksichtigt werden sollten. Eine seiner zentralen Anforderungen ist die Notwendigkeit
der Einbindung des Kennzahlensystems in den Führungszyklus (vgl. Reinecke 2004, S. 400ff).
Vgl. Abschnitte 2.2 und 2.3.
Siegwart fordert, dass Kennzahlensysteme situationsabhängig zu gestalten sind und somit an den spezifischen Kontext angepasst werden sollten (vgl. Siegwart 1998, S. 147). Reinecke weist in seiner Habilitation
empirisch nach, dass die inhaltliche Ausgestaltung von Kennzahlensystemen und somit die Wahl der jeweils
relevanten Kennzahlen von zahlreichen exogenen (Branche, Konkurrenz, Umfeld) und endogenen Faktoren
(Unternehmensstrategie, Unternehmenskultur, Organisationsform, Führungsstil etc.) abhängig ist (vgl.
Reinecke 2004, S. 388ff.). Die Forderungen von Siegwart und Reinecke werden in der vorliegenden Arbeit
konzeptionell in der Dimension Kontext berücksichtigt.
Reinecke definiert die Nützlichkeit eines Kennzahlensystems wie folgt: „Ein Kennzahlensystem ist dann nützlich (=zweckgerecht), wenn es dem jeweiligen Problem angemessen, konsistent, flexibel, benutzer- und organisationsgerecht sowie wirtschaftlich ist.“ (Reinecke 2004, S. 77f.). Diese Definition der Nützlichkeit wird im
Abschnitt 2.2 in den notwendigen Anforderungen im Detail erläutert.
Vgl. Abschnitte 2.2 und 2.3.
Unter dem Design wird in dieser Arbeit die Grundkonzeption eines Kennzahlensystems verstanden (vgl.
Reinecke 2004, S. 84ff.).
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
113
terscheidung zwischen notwendigen und hinreichenden Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem.
Die notwendigen Anforderungen basieren auf den allgemeinen Gütekriterien358 für Kennzahlensysteme. Durch diese Gütekriterien bzw. Anforderungen wird der derzeitige Stand359 von
Wissenschaft und Praxis zusammengefassst. Diese Anforderungen sind als allgemein gültige
Ansprüche zu interpretieren, welche für alle Arten von Kennzahlensystemen zutreffen. Für ein
Kennzahlensteuerungssystem im Mehrkanalvertrieb können sie daher nur als notwendige
Anforderungen berücksichtigt werden.
Anforderungsdimensionen
Notwendige Anforderungen an ein
Kennzahlensteuerungssystem
Prozess
(situativ)
"
Strategieprozess- und
organisationskonformes
Entwicklungsvorgehen
! Einbindung in den gesamten Managementprozess
– Kennzahlensystem als umfassender Handlungsrahmen zur Planung,
Kontext
(situativ)
"
Kontextspezifische
Kennzahlen
Messkonzeption
(normativ)
"
Messkonzeptionsgerechtes
Kennzahlensystemdesign
Implementierung und Kontrolle von Strategien
! Konformität mit dem Strategieprozessmodell
– Berücksichtigung der Planungsrationalität des strategischen
Managements
! Problemangemessenheit
– Kennzahlen entsprechen inhaltlich dem Zweck der Steuerung und
verfügen über einen geeigneten Informationsgrad
– Angemessene Informationsqualität und Robustheit
! Benutzer- und Organisationsadäquanz
– Kompatibilität mit der Organisationsstruktur
– Wahrgenommene Nützlichkeit für Stakeholder
– Glaubwürdigkeit (Realitätsbezug, Spezifität)
! Konsistenz
– Ursache-Wirkungszusammenhang
– Widerspruchsfreiheit
– Eindeutige Operationalisierung der Messung
! Flexibilität
– Dynamisierbarkeit des Systems
– Modularität
! Wirtschaftlichkeit
– Aufwand der Datenerhebung und -verarbeitung
– Hoher Automatisierungsgrad
Abbildung 46: Übersicht über die notwendigen Anforderungen
Quelle: Eigene Darstellung.
In den folgenden Abschnitten werden die notwendigen Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem pro Dimension beschrieben.
2.2.1 Dimension Prozess
In der vorliegenden Arbeit wird ein Kennzahlensystem erarbeitet, welches instrumental der
Implementierung einer Mehrkanalvertriebsstrategie und somit der strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems dient. Die Kernanforderung dieser Dimension lautet,
dass das Entwicklungsvorgehen strategieprozess- und organisationskonform sein sollte. Weil
358
359
Vgl. Teil 2, Abschnitt 6.3.
Zahlreiche Wissenschaftler haben sich bereits mit den Anforderungen an Kennzahlensysteme beschäftigt (vgl.
Diller 1976, S. 101; Reichmann/Lachnit 1976, S. 705f.; Caduff 1981, S. 29ff.; Küting 1983; Geiss 1986, S.
112). Dabei handelt es sich i.d.R. um induktiv ermittelte Kriterien, weil eine Theorie der Kennzahlen nicht existiert.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
114
das Entwicklungsvorgehen einen Einfluss auf die im Kennzahlensystem abgebildeten Kennzahlen hat, ist diese Anforderung ist eine Grundvoraussetzung für die Herleitung eines nützlichen Kennzahlensystems mit dem Zweck der strategischen Steuerung.
Aus der Kernanforderung lassen sich zwei spezifische notwendige Anforderungen ableiten.
Das Entwicklungsvorgehen für ein Kennzahlensystem mit dem Zweck360 der strategischen
Steuerung sollte in den gesamten Managementprozess eingebunden werden. Ferner sollte es
mit dem unternehmungsspezifischen Strategieprozessmodell361 konform sein.
Diese beiden notwendigen Anforderungen stellen Ansprüche dar, welche nicht in den allgemeinen Gütekriterien enthalten sind. Für die Erarbeitung eines nützlichen Kennzahlensteuerungssystem erscheint die Erweiterung der allgemeinen Gütekriterien um diese beiden notwendigen Anforderungen jedoch sinnvoll und notwendig.
Einbindung in den gesamten Managementprozess
Eine notwendige Bedingung für die Nützlichkeit eines Kennzahlensystems mit dem Zweck der
strategischen Steuerung362 ist dessen Einbindung in den gesamten Management- bzw. Führungsprozess. Die Nützlichkeit und Akzeptanz eines derartigen Kennzahlensystems in einer
Unternehmung ist am höchsten, wenn es als umfassender Handlungsrahmen zur Planung,
Implementierung und Kontrolle von Strategien angewandt wird:
! Strategische Zielplanung: Ausgehend von den Ergebnissen bzw. Istwerten der Kennzahlen
der letzten Geschäftsperiode werden Ziele für die kommende(n) Periode(n) festgelegt.
Durch die Einbindung des Kennzahlensystems in die Zielplanung können Ergebnisse der
vergangenen Geschäftsperiode zur Formulierung und Plausibilisierung neuer Ziele herangezogen werden. Dadurch werden strategische Feedback- und Lernprozesse363 initiiert.
! Strategieauswahl: Ein strategisches Kennzahlensteuerungssystem sollte nach der Zielplanung die Auswahl der geeigneten Strategie unterstützen. Dies ist dann möglich, wenn mit
dem Kennzahlensystem Strategiealternativen operationalisiert und die jeweils zu erwartenden Ergebnisse analysiert werden können.
! Strategieimplementierung: Nach der Auswahl der geeigneten Strategie sollten anhand des
Kennzahlensteuerungssystems Ziele und Messgrössen für die unterschiedlichen Unternehmensbereiche formuliert werden. Schliesslich ist die Anbindung des Kennzahlensystems an ein Anreizsystem364 notwendig, um die Implementierung einer Strategie sicherzustellen.
! Strategische Kontrolle: Das Kennzahlensteuerungssystem soll in diesem Schritt als Instrumentarium zur Analyse von Soll- und Istabweichungen dienen. Die in diesem Schritt gewonnenen Erkenntnisse sind wiederum die Basis für die strategische Zielplanung.
360
361
362
363
364
Vgl. dazu die verschiedenen Funktionen und Zwecke von Kennzahlensystem in Teil 2, Abschnitt 6.2.2.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.2.
Vgl. die unterschiedlichen Zwecke und Funktionen von Kennzahlensystemen Teil 2, Abschnitt 6.2.2.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.2.1.
Vgl. Probleme bei der Implementierung von Mehrkanalvertriebsstrategien in Teil 1, Abschnitt 1.1.2.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
115
Strategische Zielplanung
Strategieauswahl
Kennzahlensystem zur
integrierten Steuerung
des Mehrkanalvertriebs
Strategische Kontrolle
Strategieimplementierung
Abbildung 47: Einbindung in den gesamten Managementprozess
Quelle: In Anlehnung an Kaplan/Norton/Horvath 1997, S. 10.
In Abbildung 47 wird die Einbindung des Kennzahlensteuerungssystems in den Managementprozess schematisch dargestellt.
Konformität mit dem Strategieprozessmodell
Müller-Stewens argumentiert, dass im Rahmen des strategischen Managements neben dem
Inhalt von Strategien auch der Prozess, durch den sie sich formieren, intensiver Aufmerksamkeit bedarf.365 Er argumentiert, dass die Weichenstellung, die durch den Prozess getroffen
wird, erheblichen Einfluss auf die inhaltliche Qualität von Strategien sowie deren operative
Wirksamkeit und Ergebnisse hat.
Die Feststellung, dass es unterschiedliche präskriptive und deskriptive Strategieprozessmodelle gibt, ist in der Dimension Prozess für das Entwicklungsvorgehen eines Kennzahlensteuerungssystems von zentraler Bedeutung.366 Die Anforderung in der Dimension Prozess ist
somit die Konformität des Entwicklungsvorgehens mit dem jeweiligen Strategieprozessmodell
einer Unternehmung.
Für die zu erarbeitenden Gestaltungsempfehlungen sind v.a. die deskriptiven Prozessmodelle
kritisch. Empirische Untersuchungen von Mintzberg367 belegen, dass Strategien in der Realität eher selten gemäss präskriptiven368 Prozessmodellen in einem formell dokumentierten,
sequenziellen Prozess formuliert, implementiert und kontrolliert werden.369 Mintzberg stellte
fest, dass die letztlich realisierten Strategien eines Unternehmens oft nicht mit den ursprüng-
365
Vgl. Müller-Stewens 2005, S. 60ff.
Vgl. die verschiedenen Strategieprozessmodelle in Teil 2, Abschnitt 4.2.
367
Vgl. Mintzberg/Waters 1985.
368
Vgl. dazu das Strategieprozessmodell der Harvard Business School (Andrews 1971, S. 41).
369
In den Expertengesprächen wurde diese Feststellung mehrmals bestätigt. Zahlreiche Massnahmen, welche in
die Praxis umgesetzt werden, sind oft nicht auf explizit formulierte Strategien zurückzuführen. Initiativen mit
strategischem Charakter werden oft eher opportunistisch und unterjährig entworfen und umgesetzt. Vgl. I-05;
I-06; I-07; I-08.
366
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
116
lich intendierten übereinstimmen.370 Die Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem
sollte derart ausgestaltet sein, dass sie mit unterschiedlichen Strategieformierungsansätzen
bzw. –Prozessmodellen kompatibel ist.
2.2.2 Dimension Kontext
Die Kernanforderung in der Dimension Kontext ist die kontextspezifische und zweckgebundene Auswahl von Kennzahlen. Kennzahlensysteme sind umso nützlicher, je spezifischer sie
inhaltlich ausgestaltet sind.371 Aus dieser Kernanforderung lassen sich die beiden folgenden
notwendigen Anforderungen372 ableiten: Kennzahlensteuerungssysteme müssen problemangemessen sowie benutzer- und organisationsadäquat sein.
Problemangemessenheit
Die Problemangemessenheit ist das wichtigste Gütekriterium für ein Kennzahlensteuerungssystem, weil es sich dabei um eine inhaltliche und nicht um eine formale Anforderung handelt.
Ein Kennzahlensteuerungssystem kann noch so konsistent, flexibel, benutzergerecht und
wirtschaftlich sein: Wenn es dem eigentlichen Zweck nicht gerecht wird, entfaltet es keinen
Nutzen.373
Ein Kennzahlensteuerungssystem ist problemangemessen, wenn die verwendeten Kennzahlen zeitlich und sachlich dem verfolgten Zweck der Steuerung entsprechen.374 Es muss somit
die Anforderung der Wesentlichkeit erfüllen.375
Problemangemessenheit bedeutet ferner, dass die Daten jeweils auf dem richtigen Informationsgrad zur Verfügung stehen. Je nach Fragestellung werden unterschiedliche Forderungen
bezüglich Vollständigkeit, Wahrheit, Aktualität, Genauigkeit und Objektivität der Informationen
gestellt.376 Daraus können wiederum unterschiedliche Anforderungen an Validität und Reliabilität der Kennzahlenmessung abgeleitet werden. Zur Steuerung der Liquidität eines Unternehmens benötigt man beispielsweise andere Informationen (insbesondere auf einem anderen Aggregationsgrad) als zur Absatzplanung.
Ein wichtiger Teilaspekt der Problemangemessenheit ist die Robustheit: Wie schwierig ist es,
vom Kennzahlensystem abwegige, vielleicht sogar manipulierte Ergebnisse zu erhalten?377
Benutzer- und Organisationsadäquanz
Die Forderung nach Benutzer- und Organisationsadäquanz basiert auf den kybernetischen
Grundsätzen der Rekursivität. Diese beruhen auf dem Prinzip der Homologie, das besagt,
370
371
372
373
374
375
376
377
Vgl. Abbildung 27.
Vgl. Siegwart 1998, S. 147; Reinecke 2004, S. 388.
Die Anforderungen in der Dimension Kontext basieren auf den von Reinecke erarbeiteten Gütekriterien
(Reinecke 2004, S. 76ff.).
Vgl. Reinecke 2004, S. 78f.
Vgl. Geiss 1986, S. 119.
Vgl. Blankenburg 1999, S. 66.
Vgl. Heinrich 1999, S. 221.
Vgl. Caduff 1981, S. 31.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
117
dass sich in Organisationen Systeme und Strukturen aller Art entsprechen müssen, um dauerhaft lebensfähig zu sein.378
Ein Kennzahlensystem erfüllt Informationsaufgaben. Aus anwendungsorientierter Sicht stellt
sich damit die Frage, ob und wann eine Person eine Informationsquelle wie ein Kennzahlensystem tatsächlich verwendet. Dies hängt einerseits von der wahrgenommenen Nützlichkeit,
andererseits von der Glaubwürdigkeit der Informationen ab. Die wahrgenommene Nützlichkeit
von Informationen ist umso höher,
! je höher der subjektive Sinngehalt („meaningfulness“379 )für den Anwender ist,;380
! je höher die Zielrelevanz für den Anwender (Betroffenheit) ist;
! je besser der Anwender die Informationen anwenden kann. D.h. je stärker er konkret auf
die bereitgestellten Informationen reagieren kann, um bestimmte Sachverhalte zu beeinflussen;
! je höher der Innovationsgehalt der Informationen ist, d.h. der Grad nicht offenkundiger Informationen.381
Die Glaubwürdigkeit von Informationen hängt von zahlreichen Eigenschaften des Informationsangebots ab: Dazu gehören der Realitätsbezug, der Umfang und der Grad an Vollständigkeit und Genauigkeit, der Grad an Spezifität, mit der ein Problem behandelt wird, die Konsistenz sowie die Validität in theoretischer und methodischer Hinsicht.382 Bei der Glaubwürdigkeit
handelt es sich somit um eine sehr subjektive Einschätzung, die von der wahrgenommenen
Nützlichkeit keineswegs unabhängig ist.
Je spezifischer ein Kennzahlensystem auf die Anforderungen der Benutzer eingehen kann,
desto höher wird sein Nutzen eingeschätzt und desto intensiver wird das System eingesetzt:
„In general, the closer the information display is to the point of decision, in a form that permits
easy comparison of alternatives, the greater the effectiveness of the information.“383
Dient ein Kennzahlensystem zur Steuerung, so richtet es sich in den meisten Fällen an mehrere Benutzer bzw. Stellen. Diese haben i.d.R. unterschiedliche Informationsbedürfnisse, weil
sie andere – vorgegebene oder selbst gesetzte – Ziele verfolgen und einen anderen aufbauorganisatorischen, sachlichen und zeitlichen Bezugsrahmen haben.384 So benötigt ein Verkäufer aus einem Managementinformationssystem konkrete und zeitgerechte Verkaufsinformationen, während beispielsweise der Finanzleiter Informationen über Rentabilität und Liquidität sucht. In Abbildung 48 werden die drei Komponenten einer Informationssituation verdeutlicht:
! Der Informationsbedarf umfasst alle Informationen, die notwendig sind, um eine Aufgabe
zu erfüllen, bzw. damit verbundene Entscheidungen zu treffen.
378
379
380
381
382
383
384
Vgl. Schwaninger 1994, S. 299.
Vgl. Seghezzi 1996, S. 38.
Vgl. Forson 1997, S. 24.
Vgl. Shrivastava 1987.
Vgl. John/Martin 1984, S. 45.
Day 1976, S. 47.
Vgl. Gritzmann 1991, S. 47.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
118
! Das Informationsangebot entspricht den zur Verfügung stehenden Informationen.
! Die Informationsnachfrage bezeichnet jene Menge an Informationen, die tatsächlich zur
Aufgabenerfüllung gewünscht wird.385
Nimmt man an, dass der objektive Informationsbedarf einer Stelle gegeben sei, ist es erforderlich, beim Informationsangebot anzusetzen, damit ein Kennzahlensystem Nutzen hat. Es
muss somit die objektiv benötigten Informationen zur Verfügung stellen (Situationen 3 und 4 in
Abbildung 48).386
Informationsbedarf
Informationsangebot
3
4
2
1
Informationsnachfrage
Abbildung 48: Die Komponenten einer Informationssituation
Quelle: Reinecke 2004, in Anlehnung an Berthel 1975.
Somit gilt zunächst: Je stellenspezifischer ein Kennzahlensystem ist, desto grösser ist der
jeweilige Nutzen, weil Informationsangebot und -nachfrage besser aufeinander abgestimmt
sind.
Ein Kennzahlensystem sollte zudem möglichst kompakt und transparent sein. Es sollte sich
auf das Wesentliche konzentrieren,387 d.h. nur jene Entscheidungstatbestände und Massnahmen widerspiegeln, die für den Erfolg des betrachteten Kontrollbereichs wirklich relevant
sind.388 Daher sollte sich ein Kennzahlensystem auf wenige Zahlen beschränken.389 Soweit
möglich, sollte jedem planungs- und kontrollrelevanten Sachverhalt nur eine Kennzahl zugeordnet werden.390 Eine Maximalanzahl an „erlaubten“ Kenngrössen eines Systems lässt sich
allerdings nicht nennen. Diese hängt sehr stark von Zweck und Verwendung des Kennzahlensystems ab.
Einige Autoren sehen eine Abhängigkeit von Konsistenz391 und Kennzahlenanzahl: Wenn ein
System konsistent aufgebaut ist und Ursache-Wirkungszusammenhänge abbildet, dann könne es auch mehrere Kenngrössen enthalten. Sind die Kennzahlen dagegen vollkommen von-
385
Vgl. Berthel 1975, S. 27; Gritzmann 1991, S. 26ff.
Gritzmann 1991, S. 30.
387
Vgl. Reichmann/Lachnit 1976, S. 710.
388
Bentz 1983, S. 26; Bürgi 1991, S.161.
389
Reichmann/Lachnit 1976, S. 707.
390
Palloks-Kahlen 2001, S. 523.
391
Vgl. Abschnitt 2.2.3.
386
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
119
einander unabhängig, so führen zu viele Grössen lediglich zur Verwirrung.392 Reduziert man
die Anzahl Kenngrössen allerdings zu sehr und konzentriert sich auf aggregierte Globalgrössen, besteht die Gefahr, dass das Kennzahlensystem seine Frühaufklärungsfunktion verliert.
Die aggregierten Kenngrössen in einem solchen System können dann unter Umständen zu
langsam auf Situationsänderungen reagieren.393
2.2.3 Dimension Messkonzeption
Die Kernanforderung der Dimension Messkonzeption ist die Wahl eines messkonzeptionsgerechten Kennzahlensystemdesigns. Dies bedeutet, dass in Abhängigkeit vom Zweck und der
Funktion eines Kennzahlensystems die ihm zugrunde liegende Messkonzeption unterschiedlich zu wählen ist. Je nach Messkonzeption gilt es wiederum, ein geeignetes Kennzahlensystemdesign zu wählen, welches dem Zweck und der Funktion des Kennzahlensystems gerecht
wird.
Die notwendigen Anforderungen394 in der Dimension Messkonzeption sind die Konsistenz, die
Flexibilität und die Wirtschaftlichkeit von Kennzahlensystemen.
Konsistenz
Mit Konsistenz ist gemeint, dass ein Kennzahlensystem möglichst dem „Prinzip der Widerspruchsfreiheit“395 gerecht werden sollte. Die einzelnen Kennzahlen sollten sich möglichst
ergänzen und nicht zueinander in Konflikt stehen. Dadurch wird eine Analyse von UrsacheWirkungszusammenhängen erleichtert. Ein hierarchischer Aufbau fördert i.d.R. die Konsistenz, ist allerdings keine Voraussetzung. Konsistenz ist eine idealtypische Anforderung. Sie
lässt sich in schlecht strukturierten Situationen396 und bei mehrdimensionalen Zielen kaum
gewährleisten.
Flexibilität
Der erforderliche Grad an Flexibilität hängt von der jeweiligen Problemstellung ab. Kennzahlensysteme in der Buchhaltung sollten i.d.R. nicht flexibel sein, während strategische Performance Measurement-Systeme immer wieder der jeweiligen Situation anzupassen sind397 .
Ein flexibles Kennzahlensystem erleichtert situative Anpassungen, die einen An- und Abbau
von Kennzahlen ermöglichen.398 Dadurch wird das Kennzahlensystem dynamisiert und es
kann sich entwickeln. Wichtig ist insbesondere auch, dass nicht mehr erforderliche Kennzahlen eliminiert werden.399 Ferner erhöht ein modularer Aufbau nach dem Baukastenprinzip die
Flexibilität.400
392
393
394
395
396
397
398
399
400
Vgl. Eccles/Nohria/Berkley 1992, S. 148; Kaplan/Norton/Horvath 1997, S. 156f.
Vgl. Krystek/Müller-Stewens 1993, S. 57.
Die Anforderungen in der Dimension Messkonzeption basieren auf den von Reinecke erarbeiteten Gütekriterien (Reinecke 2004, S. 76ff.).
Küting 1983, S. 240.
Vgl. Geiss 1986, S. 116.
Vgl. Eccles/Nohria/Berkley 1992, S. 156.
Vgl. Caduff 1981, S. 31.
Vgl. Eccles/Nohria/Berkley 1992, S. 163.
Vgl. Schwaninger 1994, S. 300.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
120
Wirtschaftlichkeit
Wie alle betriebswirtschaftlichen Instrumente unterstehen auch Kennzahlensysteme dem Gebot der Wirtschaftlichkeit.401 Der Aufwand für Konstruktion, Umsetzung und Einsatz sowohl
des gesamten Kennzahlensystems als auch für Gewinnung und Verarbeitung der einzelnen
Kennzahlen muss dem Nutzen gegenübergestellt werden.402 Leider kann die Wirtschaftlichkeit zumeist nur grob beurteilt werden, weil der Nutzen schwer zu operationalisieren ist. So
lässt sich beispielsweise im Voraus kaum quantifizieren, welchen ökonomischen Wert eine
bessere Entscheidungsfindung haben wird.
2.3 Hinreichende Anforderungen
Die notwendigen Anforderungen beschrieben die allgemeinen Ansprüche an ein Kennzahlensystem mit dem Zweck der Steuerung. Für die Herleitung eines nützlichen Kennzahlensystems für die strategische Steuerung des Mehrkanalvertriebs von Banken sind die notwendigen Anforderungen nicht genügend spezifisch. Gemäss Abbildung 49 sind weitere hinreichende Anforderungen notwendig, welche spezifische Aspekte des Mehrkanalvertriebs einer
Bank berücksichtigen. Im Folgenden werden diese pro Dimension beschrieben.
Anforderungsdimensionen
Prozess
(situativ)
"
Strategieprozess- und
organisationskonformes
Entwicklungsvorgehen
Kontext
(situativ)
"
Kontextspezifische
Kennzahlen
Hinreichende Anforderungen an ein
Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb einer Bank
! Berücksichtigung des Koordinationsansatzes und der
Organisation des Mehrkanalvertriebs
– Entwicklungsvorgehen, welches die Art und Weise, wie das
Mehrkanalvertriebssystem koordiniert wird und wie es organisiert
ist, berücksichtigt
! Abbildung der kundensegmentspezifischen Vertriebskonfiguration
– Kennzahlen, welche den segmentspezifischen Absatzkanalmix
!
(Anzahl und Art der Kanäle, Aufgabenverteilung zwischen den
Kanälen) abbilden
Abbildung kanalübergreifender Geschäfts- und
Wertschöpfungsprozesse
– Kennzahlen, welche zentrale Prozesse und Aktivitäten im
Mehrkanalsystem abbilden
! Zweckmässiges Kennzahlensystemdesign zur strategischen
Messkonzeption
(normativ)
"
Messkonzeptionsgerechtes
Kennzahlensystemdesign
!
!
Durchführungs- und Ergebniskontrolle
– Kennzahlensystemdesign, welches zur Messung der
Umsetzungsqualität und der Ergebnisse einer
Mehrkanalvertriebsstrategie geeignet ist
Ausrichtung des Kennzahlensystemdesigns an einer
wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption
– Kennzahlensystemdesign, welches sich konzeptionell an der
Wertorientierung als oberstes Steuerungsziel einer Bank orientiert
Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign für eine integrierte
Vertriebssteuerung
– Kennzahlensystemdesign, welches durch eine umfassende
Messkonzeption eine integrierte Vertriebssteuerung ermöglicht
Abbildung 49: Übersicht über die hinreichenden Anforderungen
Quelle: Eigene Darstellung.
401
402
Vgl. Forson 1997, S. 23.
Vgl. Pümpin 1973, S. 88; Diller 1976, S. 101.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
121
2.3.1 Dimension Prozess
Die Kernanforderung der Dimension Prozess ist ein strategieprozess- und organisationskonformes Entwicklungsvorgehen. In den notwendigen Anforderungen wurde definiert, dass ein
Kennzahlensteuerungssystem in den gesamten Managementprozess eingebunden werden
sollte. Zudem sollten beim Entwicklungsvorgehen unterschiedliche Strategieprozessmodelle
berücksichtigt werden. Diese Anforderungen sind generell gültig und nicht spezifisch auf den
Mehrkanalvertrieb von Banken ausgerichtet.
In der Dimension Prozess gilt es, eine zusätzliche, bankvertriebsspezifische Anforderung zu
berücksichtigen. Im Entwicklungsvorgehen für ein Kennzahlensteuerungssystem sollten der
Koordinationsansatz und die Organisation des Mehrkanalvertriebs berücksichtigt werden.
Berücksichtigung des Koordinationsansatzes und der Organisation des Mehrkanalvertriebs
Diese Anforderung ist notwendig, weil der Koordinationsansatz sowie die Organisation des
Mehrkanalvertriebssystems einen Einfluss auf das zu wählende Entwicklungsvorgehen haben. Je nach Koordinationsansatz und Aufbauorganisation des Mehrkanalvertriebs erfolgt die
Herleitung eines Kennzahlensystems unterschiedlich. Die Unterschiede manifestieren sich
v.a. hinsichtlich der im Entwicklungsvorgehen involvierten Organisationseinheiten sowie deren
Rollen und Kompetenzen.
Der Grundgedanke der unterschiedlichen Koordinationsansätze im Mehrkanalvertrieb stammt
von Schögel.403 Er argumentiert, dass Mehrkanalvertriebssysteme mit unterschiedlichen Ansätzen bzw. Managementsystemen koordiniert werden können. Schögels Grundüberlegung
der verschiedenen Koordinationsansätze kann auch im Bankenbereich angewendet werden.
Der Ansatz muss jedoch auf den Bankenkontext angepasst werden und es steht die Frage im
Vordergrund, wie das Mehrkanalsystem erfolgreich gesteuert und die Kanäle aufeinander abgestimmt werden sollen. Vor diesem Hintergrund gilt es in Banken zu klären, welche Rollen
und Kompetenzen die einzelnen Stakeholders bei der Steuerung des Mehrkanalvertriebssystems haben.
Bei der Steuerung und Abstimmung der einzelnen Vertriebskanäle sind i.d.R. unterschiedliche
Stakeholder404 involviert, welche im Kontext des Mehrkanalvertriebs unterschiedliche Interessen und Perspektiven vertreten.
! Segmente: Mit Segmenten sind die unterschiedlichen Kundensegmente bzw. Geschäftsbereiche einer Bank gemeint. Grundsätzlich wird in Banken zwischen Privat-, Firmen- und institutionellen Kunden unterschieden. Innerhalb der Privatkunden wird in Abhängigkeit des
Vermögens zwischen Retail- und Private-Banking-Kunden unterschieden. Diese Segmente
bzw. Geschäftsbereiche werden meist organisatorisch als selbstständige Profit-Centers geführt. Im Mehrkanalvertrieb bestimmen i.d.R. die Geschäftsbereichsverantwortlichen, welche Produkte zu welchen Preisen über welche Kanäle vertrieben werden.
403
404
Vgl. Schögel 1997, S. 159ff.
Die zentralen Stakeholder können im konkreten Fall so unterschiedlich sein, dass sie massgeblich durch die
Organisation und die Führungsstrukturen einer Bank determiniert werden.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
122
! Produkte: Unter Produkte werden die Produktentwicklungseinheiten verstanden, welche für
die verschiedenen Kundensegmente Produkte entwickeln oder einkaufen. Im Mehrkanalvertrieb verfolgen diese Einheiten das Ziel, den Absatz zu maximieren. Dazu versuchen
sie, die Produkte über möglichst viele Segmente und Vertriebskanäle an den Endkunden
zu distribuieren.
! Kanäle: Mit dem Terminus Kanäle werden die verschiedenen organisatorischen Vertriebseinheiten405 bezeichnet, welche die Bankprodukte für die verschiedenen Kundensegmente
vertreiben. Im Mehrkanalvertrieb verfolgen die einzelnen Vertriebskanäle das Ziel, bei möglichst geringen Vertriebskosten ihre Wertschöpfung zu maximieren.
Die in Abbildung 50 aufgeführten Stakeholders sind bei Banken in der Entwicklung und Umsetzung von Mehrkanalvertriebsstrategien involviert. Je nach Koordinationsansatz sind die
Entscheidungskompetenzen der einzelnen Stakeholder unterschiedlich. Je nach Ausgestaltung dieser Kompetenzen bzw. je nach Zentralisierungsgrad und Art der Führung des Mehrkanalsystems resultiert ein unterschiedliches Entwicklungsvorgehen.
Segmente
Lead???
Kanäle
Produkte
Abbildung 50: Stakeholder bei der Koordination von Mehrkanalsystemen bei Banken
Quelle: Eigene Darstellung.
Ein weiterer Aspekt ist die Organisation des Mehrkanalvertriebs. Mit zunehmender Grösse
einer Bank nimmt die Komplexität der Aufbauorganisation zu. Aus Effizienzgründen baut nicht
jeder Geschäftsbereich seine Kanäle separat auf. Im Kontext des Mehrkanalvertriebs bedeutet dies i.d.R., dass einzelne Kanäle für mehrere Geschäftsbereiche eine Vertriebsleistung
erbringen. Organisatorisch sind in diesem Zusammenhang unterschiedliche Setups möglich,
welche in Abbildung 51 vereinfacht dargestellt sind.
405
Vgl. Teil 1, Abschnitt 2.2
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
123
Abbildung 51: Organisation des Mehrkanalvertriebs
Quelle: Eigene Darstellung.
! Direkte Führungsverantwortung: In diesem organisatorischen Setup sind führungsmässig
alle Vertriebskanäle direkt dem Segmentsverantwortlichen unterstellt. Dieser ist für alle von
den Kanälen erwirtschafteten Erträge und die damit verbundenen Kosten verantwortlich.
Sein Ziel ist es, alle ihm unterstellten Kanäle aufeinander abzustimmen, um ein möglichst
effektives und effizientes Mehrkanalvertriebssystem betreiben zu können.
! Direkte und indirekte Führungsverantwortung: In dieser Konstellation ist nur ein Teil aller
Vertriebskanäle führungsmässig dem Segmentsverantwortlichen direkt unterstellt. Dieser
ist daher nur teilweise für alle von den Kanälen erwirtschafteten Erträge und die damit verbundenen Kosten verantwortlich. Sein primäres Ziel ist es, nur die ihm unterstellten Kanäle
aufeinander abzustimmen.
Die Anzahl der einem Segmentsverantwortlichen führungsmässig direkt unterstellten Kanäle
hat somit einen Einfluss auf das Entwicklungsvorgehen für ein Kennzahlensteuerungssystem.
Je mehr Kanäle dem Segmentsverantwortlichen verantwortungsmässig direkt unterstellt sind,
desto expliziter und aktiver werden sie in die Erarbeitung und Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie einbezogen.
2.3.2 Dimension Kontext
Die Kernanforderung der Dimension Kontext ist die Auswahl kontextspezifischer und zweckgebundener Kennzahlen. In den notwendigen Anforderungen wurde erläutert, dass ein Kennzahlensteuerungssystem bzw. die darin enthaltenen Kennzahlen problemangemessen sein
sollten. Diese Anforderungen sind generell gültig und nicht spezifisch auf den Mehrkanalvertrieb von Banken ausgerichtet.
In der Dimension Kontext sollten daher zusätzliche, bankvertriebsspezifische Anforderungen
definiert werden. Ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb von Banken
sollte insbesondere die kundensegmentspezifische Vertriebskonfiguration sowie kanalübergreifende Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse abbilden.
Abbildung der kundensegmentspezifischen Vertriebskonfiguration
Die Notwendigkeit dieser Anforderung ist darauf zurückzuführen, dass die Konfiguration des
Mehrkanalvertriebs einer Bank einen Einfluss auf die jeweils relevanten Kennzahlen hat. Je
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
124
nach Vertriebskonfiguration sind somit unterschiedliche Kennzahlen relevant bzw. für die strategische Steuerung des Mehrkanalvertriebssystems geeignet.
Der Grundgedanke verschiedener Konfigurationen von Mehrkanalsystemen stammt von
Schögel406 . In Bezug auf den Bankkontext sollte ein Kennzahlensteuerungssystem den im
Rahmen einer Mehrkanalvertriebsstrategie definierten Vertriebskanal-Mix anhand von geeigneten Kennzahlendimensionen realitätsgetreu abbilden. In diesem Zusammenhang sollten in
der Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems folgende Aspekte berücksichtigt werden:
! Vertriebsstrategische Positionierung der Kanäle (Customer-, Sales-, Support-Channel)407
! Vertriebsstrategisch relevante Aufgaben der einzelnen Kanäle (Welche Dienstleistungen
werden von den Kanälen erbracht? Welche Produkte werden über die einzelnen Kanäle
vertrieben?)
Beide Aspekte haben einen Einfluss auf die Identifikation von geeigneten Kennzahlendimensionen und Steuerungsgrössen. Ein Kennzahlensteuerungssystem sollte schliesslich geeignet
sein, die zentrale Aussage einer Mehrkanalvertriebsstrategie anhand von Kennzahlen abzubilden: Welchen Kunden werden welche Bankprodukte und Services über welche Kanäle angeboten?
Abbildung kanalübergreifender Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse
In Mehrkanalvertriebssystemen mit interdependenter Aufgabenverteilung zwischen den Kanälen verlaufen Geschäfts- und somit Wertschöpfungsprozesse kanalübergreifend. Ein Kennzahlensystem für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs sollte diese systembedingte Vernetztheit zwischen den Kanälen abbilden. Erst durch die konzeptionelle Abbildung der kanalübergreifenden Prozesse kann das Mehrkanalvertriebssystem realitätsgetreu gesteuert werden. In Abbildung 52 wird dieser Grundgedanke schematisch aufgezeigt.
Die in Abbildung 52 aufgezeigten Geschäftsprozesse sind sehr vereinfacht dargestellt. In der
Praxis ist ein umfassendes Abbilden von Geschäftsprozessen komplex. Einer der zentralen
Gründe sind die zahlreichen und teilweise sehr verschiedenen Bankprodukte. Die Komplexität
der Produkte variiert stark und hat auf Kundenseite unterschiedliche Informations- und Beratungsbedürfnisse zur Folge. Die Konsequenz daraus sind produkt- bzw. produktgruppenspezifische Geschäftsprozesse.
Zwecks Komplexitätsreduktion sollte ein Kennzahlensteuerungssystem nur die in der Mehrkanalvertriebsstrategie identifizierten Kerngeschäftsprozesse408 abbilden. Auf diese Weise
wird sichergestellt, dass der Steuerungsfokus bei Prozessen liegt, welche eine direkte Wirkung auf wettbewerbskritische Erfolgsfaktoren und somit auf das Vertriebsergebnis ausüben.
406
407
408
Schögel 1997, S. 123ff.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.4.2.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 5.3.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
125
Abbildung 52: Kanalübergreifende Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse
Quelle: Eigene Darstellung.
2.3.3 Dimension Messkonzeption
Die Kernanforderung der Dimension Messkonzeption ist die Wahl eines messkonzeptionsgerechten Kennzahlensystemdesigns, um dem Zweck bzw. der Funktion der Steuerung gerecht
zu werden. In den notwendigen Anforderungen wurde erklärt, dass die Messkonzeption eines
Kennzahlensteuerungssystems konsistent, flexibel und wirtschaftlich sein sollte. Diese Anforderungen sind generell gültig und nicht spezifisch auf den Zweck der Steuerung des Mehrkanalvertriebs von Banken ausgerichtet.
In der Dimension Messkonzeption gilt es, eine zusätzliche, bankvertriebsspezifische Anforderung zu berücksichtigen. Ein Kennzahlensystem für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs
sollte auf einem zweckmässigen Kennzahlensystemdesign basieren, welches:
! für die strategische Durchführungs- und Wirksamkeitskontrolle geeignet ist;
! sich nach einer wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption ausrichtet;
! eine integrierte Vertriebssteuerung ermöglicht.
Die drei folgenden Abschnitte beschreiben diese hinreichenden Anforderungen.
Zweckmässiges Kennzahlendesign zur strategischen Durchführungs- und Ergebniskontrolle
Ein Kennzahlensteuerungssystem übernimmt im Prozess des strategischen Managements409
die Funktion der strategischen Kontrolle. Bei der strategischen Kontrolle wird im Allgemeinen
409
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.2.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
126
zwischen drei verschiedenen Formen410 unterschieden, welche in Abbildung 53 dargestellt
sind:
Führungsarbeit
Zeit
Feedback
Konzept
(Strategie)
Bausteine
Umsetzung
der Strategie
Ergebnis
der Strategie
Schwerpunkt für das
Kennzahlensteuerungssystem
Abbildung 53: Formen der strategischen Kontrolle
Quelle: In Anlehnung an Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 739.
Vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieser Arbeit soll das zu entwickelnde Kennzahlensteuerungssystem instrumental zur Implementierung411 einer Mehrkanalvertriebsstrategie und zur
strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalsystems beitragen. Diese beiden Formen der
strategischen Kontrolle sollten im konzeptionellen Design eines Kennzahlensteuerungssystems berücksichtigt werden. Die Anforderung ist daher, ein zweckmässiges Kennzahlensystemdesign zu erarbeiten, welches für die Durchführungs- und Ergebniskontrolle geeignet ist.
Ausrichtung an einer wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption
Die Unternehmenssteuerung wird seit mehreren Jahren dominiert vom Gedanken der Wertorientierung. Anfänglich im Industriebereich angewendet, findet sie zunehmend auch im Bankensektor Verbreitung.412 In Abbildung 54 wird im Überblick die Entwicklung der Management-Paradigmen bei Banken aufgezeigt.
Neuansatz
1960
ManagementParadigmen
in Banken
Typische
Kennzahlen
heute
Volumen- und
Verkaufsorientierung
!
!
!
!
!
!
Gewinn
Anzahl der
Mitarbeiter
Anzahl der Filialen
Umsatz
Wachstumsrate
Bilanzsumme
Ertragsorientierung
!
!
!
!
!
!
Ertrag
Marge
DB
RoE
CIR
ROI
Risikoorientierung
!
!
!
RoR
RoRaC
VaR
Wertorientierung
!
!
!
Übergewinn
EVA
Segment Profit
Abbildung 54: Entwicklung der Management-Paradigmen bei Banken
Quelle: In Anlehnung an Hanft 2003, S. 11.
410
411
412
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.4.3.
Vgl. Teil 1, Kapitel 1.
Wild 2005, S. 181.
Werthebelorientierung
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
Kundenprofitabilität
Produkteprofitabilität
Kundenbindung
Kundenausschöpfung
Cross-Selling
Verkaufsstärke
Mitarbeiterprofitabilität
Betreuungsintensität
Betreungsqualität
etc.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
127
Die grundlegende Idee ist, bei der Steuerung eines Unternehmens das Ziel der langfristigen
Steigerung des Unternehmenswertes in den Mittelpunkt zu stellen.413 Für die Unternehmenssteuerung hat dies zur Folge, dass die Werttreiber414 analysiert und möglichst umfassend
durch geeignete Steuerungskennzahlen erfasst und beobachtet werden sollten.
Die Wertorientierung ist jedoch nicht nur auf Stufe Gesamtbank oder Geschäftsbereich einzuführen. Die Wirksamkeit dieser Steuerungsphilosophie entfaltet sich erst dann vollständig,
wenn sie in der ganzen Hierarchie einer Bank eingeführt wird. In Abbildung 55 wird die Notwendigkeit der Operationalisierung der Wertorientierung bis auf Stufe Funktionsbereich dargestellt.
Hierarchiestufen
Gesamtbank
Operationaliserung der
Wertorientierung
Unternehmung
Geschäftsbereich
Segment X
Funktionsbereich
Vertriebskanal
Vertrieb
Kanal 1
Kanal 2
Kanal n
Mitarbeiter
Abbildung 55: Wertorientierung im Vertrieb
Quelle: Eigene Darstellung.
Ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb einer Bank sollte daher konzeptionell auf einem Design basieren, welches die wert- bzw. werthebelorientierte Steuerungsphilosophie auf Stufe Gesamtbank widerspiegelt.
Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign für eine integrierte Vertriebssteuerung
Defizite des traditionellen Accountings haben in den letzten Jahren zu einem neuen Forschungs- und Anwendungsgebiet der Betriebswirtschaftslehre geführt, dem so genannten
Performance-Measurement415 . Dies kann auch als Antwort auf die häufig diskutierten Mängel
des klassischen strategischen Planungsansatzes verstanden werden. Die Prognostizierbarkeit von Entwicklungen wird überschätzt, qualitative Sachverhalte ungenügend quantifiziert
bzw. zumindest unzureichend empirisch fundiert, strategische Umsetzungskontrolle und
Feedback ungenügend berücksichtigt bzw. auf eine Ex-Post-Kontrolle reduziert.416
413
414
415
416
Groll 2003, S 71ff.; Hörter 1998, S. 76ff.; Rappaport 1986, S. 56.
Unter Werttreiber sind alle quantitativen und qualitativen Faktoren zu verstehen, die zu einer Steigerung des
Unternehmenswerts beitragen können.
Der Begriff Performance-Measurement ist nicht neu und wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Vgl.
dazu Reinecke 2004, S. 49 sowie die dort zitierte Literatur.
Blankenburg 1999, S. 22 sowie die dort zitierte Literatur.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
128
Beim Performance-Measurement handelt es sich somit um eine Weiterentwicklung des häufig
eher eindimensionalen, rückwärtsgerichteten und schwerpunktmässig auf dem Accounting
beruhenden Steuerungskonzepts. Ein wichtiges Ziel des Performance-Measurements besteht
darin, traditionelle finanzwirtschaftliche Kennzahlensysteme durch umfassende strategische
Steuerungssysteme abzulösen, um die Gesamtleistung eines Systems umfassend zu regeln.
Das in der vorliegenden Arbeit herzuleitende Kennzahlensteuerungssystem dient instrumental
der Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie bzw. der strategischen Steuerung des
Mehrkanalvertriebssystems. Damit es diesem Zweck gerecht werden kann, sollte es sich konzeptionell nach einer umfassenden bzw. ausgewogenen Messkonzeption ausrichten. Durch
sie können Ursache-Wirkungsbeziehungen417 aufgezeigt werden. Das Verständnis von Ursache-Wirkungsbeziehungen im Mehrkanalvertriebssystem ist dabei eine wichtige Voraussetzung für eine effektive Steuerung. Es gilt daher, die Ursachen bzw. Einflussfaktoren des Vertriebsergebnisses in der Messkonzeption abzubilden und zu steuern.
Anreizbezug
Planungsbezug
Zeit
Verbesserung
strategisch
ex ante
Abweichung
operativ
qualitativ
Format
ex post
quantitativ
intern
monetär
nicht
monetär
Dimension
extern
Ausrichtung
gering
kurzfristiges
Suboptimum
langfristiges
Gesamtoptimum
hoch
Aggregationsgrad
Steuerungsziel
Abbildung 56: Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign
Quelle: Reinecke 2004, S. 48.
Im Folgenden soll die hinreichende Anforderung der Ausgewogenheit des Kennzahlensystemdesigns auszugsweise erläutert werden:
! Zeit: Für die Steuerung des Mehrkanalvertriebssystems sollte die Messkonzeption neben
der dominierenden ex-post- auch eine ex-ante-Perspektive im Sinne einer Frühwarnung
beinhalten. Erst der Einbezug einer ex-ante Betrachtung ermöglicht eine effektive Steuerung des Vertriebssystems.
417
Vgl. Abschnitt 2.2.3.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
129
! Ausrichtung: Die Messkonzeption sollte den Fokus von den internen, accounting-basierten
Kennzahlen auf externe Messgrössen erweitern. Grundsätzlich ist es dabei wichtig, unterschiedliche Angaben über den Kunden und das allgemeine Marktgeschehen zu erfassen.
Solche Messgrössen dienen der Erklärung von Ursache-Wirkungsbeziehungen.
! Dimension: Für eine strategische Durchführungs- und Ergebniskontrolle418 sollte die Messkonzeption auch nicht-monetäre Kennzahlen beinhalten. Die Umsetzung von Strategien erfolgt auf operativer Stufe anhand konkreter Vertriebstätigkeiten der einzelnen Kanäle. Diese Tätigkeiten gilt es, in Form von qualitativen Messgrössen zu erfassen, da sie als Frühindikatoren für das resultierende Vertriebsergebnis dienen.
! Format: In der Vertriebssteuerung sollten vermehrt auch qualitative Kennzahlen (Qualität
der kanalübergreifenden Geschäftsprozesse, Kompetenz der Vertriebsmitarbeiter etc.) berücksichtigt werden, da sie einen massgebenden Einfluss auf die Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie und auf das Vertriebsergebnis haben.
2.4 Der Umgang mit den Anforderungen
Zwischen den aufgeführten Anforderungen bestehen teilweise konfliktäre Beziehungen. So
konkurriert beispielsweise die Problemangemessenheit mit der Flexibilität und der Kompaktheit oder der Wirtschaftlichkeit. Die Anforderungsliste basiert auf umfassenden Analysen419
und zahlreichen Expertengesprächen420 . Sie deckt somit die wesentlichen Anforderungen ab,
sollte aber dennoch eher als Heuristik sowie als Kontrollliste verwendet werden.421
Es existiert kein Kennzahlensystem, das sich als allgemein gültig erwiesen hat.422 Daher werden im nächsten Abschnitt einige betriebswirtschaftliche Kennzahlensysteme hinsichtlich der
erörterten Anforderungen analysiert.
3. Beurteilung ausgewählter betriebswirtschaftlicher Kennzahlensysteme
3.1 Einleitung und Überblick
Die Betriebswirtschaftslehre setzt sich seit langem mit Kennzahlensystemen auseinander, so
dass zahlreiche Konzeptionsvorschläge vorliegen. Ziel der Analyse ist nicht etwa eine umfassende Bewertung. Vielmehr soll aufgezeigt werden, welchen inhaltlichen Erkenntnisbeitrag
diese Kennzahlensysteme für ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb
einer Bank leisten. Die zu analysierenden Systeme wurden anhand folgender Kriterien
bewusst ausgewählt:
! Stellung der Kennzahlensysteme in der Wissenschaft;
! Verbreitung und Akzeptanz in der Praxis;
418
419
420
421
422
Vgl. Abschnitt 2.3.3.
Vgl. Teil 1 und Teil 2.
Vgl. Anhang 2, I-01 bis I-08.
Vgl. Geiss 1986, S. 118.
Vgl. Bürgi 1991, S. 16.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
130
! besondere konzeptionelle Grundzüge;
! Bezug zur Strategieimplementierung.
Die Beurteilung423 der Kennzahlensysteme erfolgt anhand der notwendigen und hinreichenden Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem. Sie verfolgt – im Sinne einer Metaanalyse – das Ziel, Aspekte zu identifizieren, die Vorbildcharakter oder ein exploratives Potential für die Konzeption eines Vertriebssteuerungssystem i.e.S. haben.
Aufgrund dieser Zielsetzung werden die aufgeführten Kennzahlensysteme nicht umfassend
anhand aller einzelnen notwendigen und hinreichenden Anforderungen beurteilt. Für die Beurteilung werden insbesondere die notwendigen Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem herangezogen. Die hinreichenden Anforderungen werden fallweise in die Untersuchung einbezogen. Bei den Anforderungsdimensionen werden v.a. die Dimensionen Kontext
und Messkonzeption berücksichtigt. Die Dimension Prozess wird vernachlässigt, da in der
Literatur bei den meisten Kennzahlensystemen das Entwicklungsvorgehen nicht oder nur sehr
rudimentär beschrieben wird.
Die Kennzahlensysteme wurden in zwei Grundkategorien eingeteilt. Die finanzwirtschaftlich
geprägten Konzeptionen sind solche, bei welchen die Messkonzeption hauptsächlich auf finanziellen Kennzahlen basiert. Die integrierten Ansätze sind solche, die neben finanzwirtschaftlichen Messgrössen auch weitere Kennzahlendimensionen424 berücksichtigen.
3.2 Finanzwirtschaftlich orientierte Kennzahlensysteme
3.2.1 DuPont-System of Financial Control
Konzept und Zielsetzung
Das DuPont System of Financial Control wurde 1919 vom amerikanischen Chemiekonzern E.
I. DuPont de Nemours and Company unter der Leitung von Donaldson Brown entwickelt. DuPont war eines der ersten divisionalisierten Unternehmen.
Beim Kennzahlensystem handelt es sich um ein mathematisches Rechensystem mit dem
ROI als Spitzenkennzahl, die auf der nächsten Ebene in die Grössen Umsatzrentabilität und
Kapitalumschlag zerlegt wird (vgl. Abbildung 57).
423
424
Reinecke 2004 hat in seiner Habilitation eine umfassende Beurteilung von Kennzahlensystemen gemacht. Die
Evaluation in der vorliegenden Arbeit lehnt sich an seine theoretischen und empirischen Erkenntnisse an.
Vgl. Abschnitt 2.3.3.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
Umsatz
:
Kapitalumschlag
Gesamtvermögen
Return on
Investment
(ROI)
131
Vorräte
Umlaufvermögen
+
Forderungen
Liquide Mittel
Anlagevermögen
x
Umsatz
Umsatzrentabilität
Gewinn
-
:
Kosten
Umsatz
Vorräte
Forderungen
Liquide Mittel
Abbildung 57: DuPont-System of Financial Control
Quelle: In Anlehnung an Siegwart 1998, S. 31.
Beurteilung anhand der Anforderungen
Mittels des DuPont-Systems sollen Geschäftsbereiche in einem diversifizierten Konzern geführt werden. Bezüglich der notwendigen Anforderungen kann Folgendes festgestellt werden:
Das Kennzahlensystem kann als durchaus problemangemessen bezeichnet werden. Die
Spitzenkennzahl informiert komprimiert über den relevanten Sachverhalt. Diese Stärke bewirkt allerdings gleichzeitig zwei Schwächen: Erstens führt die Monozielausrichtung dazu,
dass andere relevante finanzwirtschaftliche Aspekte ausgeklammert werden.425 Zweitens verleitet sie zu Manipulationen. So kann der Return on Investment beispielsweise (kurzfristig)
durch den Aufschub von notwendigen Investitionen für Produktneuentwicklungen erhöht werden.
Die Konsistenz des Kennzahlensystems ist aufgrund seiner Rechensystemeigenschaft hoch.
Durch die hierarchische Zerlegung einer eindeutigen Spitzenkennzahl kommt es nicht zu Widersprüchen; Ursache-Wirkungszusammenhänge sind eindeutig. Relativierend ist allerdings
hinzuzufügen, dass diese systembildenden, rechnerischen Zusammenhänge dazu führen,
dass wichtige nichtquantitative Interdependenzen ausgeschlossen werden. Ausserdem arbeitet das System mit sehr vielen absoluten Kennzahlen, welche die Informationsfunktion einschränken.
Kehrseite der hohen Konsistenz ist die niedrige Flexibilität: Anpassungen des Systems sind
lediglich auf den unteren Kennzahlenebenen möglich.
Die Benutzer- und Organisationsadäquanz ist allenfalls für obere Führungsebenen gegeben.
Die einseitige Ausrichtung erlaubt keine Differenzierung nach betrieblichen Subsystemen und
reicht daher zur Steuerung von Unternehmensbereichen nicht aus.426 Dies gilt insbesondere
für die leistungswirtschaftlichen Bereiche (z.B. Vertrieb).
425
426
Vgl. Reichmann/Lachnit 1976, S. 710.
Vgl. Weber 1999, S. 206.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
132
Bei den hinreichenden Anforderungen kann festgestellt werden, dass das DuPont-System
keine geeignete Konzeption für die Implementierung einer Mehrkanalvertriebsstrategie bzw.
für eine strategische Durchführungs- und Ergebniskontrolle ist. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass es durch die Erfolgskennzahlen und die Struktur des Systems nicht möglich ist,
den Mehrkanalvertrieb einer Bank zweckmässig abzubilden. Die spezifischen Vertriebskonfigurationen sowie die kanalübergreifenden Geschäftsprozesse können mit dem System nicht
kontextspezifisch gesteuert werden.
Fazit: Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich betriebswirtschaftliche Sachverhalte
aufgrund ihrer Komplexität nicht als rein mathematische Zusammenhänge darstellen lassen.
Dennoch nimmt das DuPont-System427 aufgrund der formalen Vorzüge rechenbarer Verbindungen bei der Klärung von Ursache-Wirkungsbeziehungen eine Leitfunktion an.428
3.2.2 Vertriebscontrolling-Kennzahlensystem nach Reichmann/Palloks429
Konzept und Zielsetzung
Viele kundenbezogene Informationen, denen in Vertrieb und Marketing zentrale Bedeutung
zukommt, sind in den unternehmensbezogenen Informationssystemen zwar grundsätzlich
vorhanden, doch werden sie nur selten zielbezogen bereitgestellt.430 Das VertriebsControlling-Kennzahlensystem nach Reichmann und Palloks431 soll dem Vertriebsmanagement eine aussagefähige Informationsgrundlage bieten, um Vertriebstätigkeiten kunden- und
zielorientiert zu planen, zu koordinieren und zu kontrollieren. Das Kennzahlensystem besteht
aus Vertriebskennzahlen, die einen schnellen und konzentrierten Überblick geben und sachlogisch verknüpft werden.
Neben einer klassischen Wirtschaftlichkeitsanalyse liefert das System432 Informationen über
die strukturellen Vertriebsbedingungen sowie über die allgemeine Lage- und Umfeldentwicklung.
Vertriebs-Controlling-Kennzahlensystem
Strukturanalyse
Zielplanung
VertriebsVertriebskostenstruktur: variable Vertriebskosten/Vertriebskosten insgesamt
struktur
427
* 100
Umsatzstruktur: Umsatz je Artikelgruppe/Gesamtumsatz * 100
Auftragsstruktur: Auftragseingänge je Artikelgruppe/Auftragseingänge ingesamt
Rabattstruktur: Rabatt vom Umsatz A-Artikel/Umsatz A-Artikel * 100
Neben dem DuPont-System existieren zahlreiche weitere ROI-Systeme (vgl. Wolf 1977, S. 39ff.). Dabei handelt es sich i.d.R. um Weiter- oder Parallelentwicklungen zum ursprünglichen DuPont-System. Hervorzuheben
sind hierbei die „Ratios au Tableau de Bord“ (= betriebswirtschaftliches Armaturenbrett), die in Frankreich entwickelt wurden und dort vielfach eingesetzt werden (vgl. Staehle 1967, S. 103f.).
428
Reinecke 2004, S. 84f.
429
Reichmann/Palloks 1997.
430
Reichmann/Palloks 1997, S. 451.
431
Reichmann/Palloks 1997.
432
Für detailliertere Informationen zur Definition der einzelnen Kennzahlen siehe Reichmann/Palloks 1997.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
Marktstruktur
133
Marktanteil: eigener Umsatz/Branchenumsatz * 100
Kundenstruktur: Neukunden-, Inlands- bzw. Auslandskunden/Kunden ingesamt * 100
Konkurrenzstruktur: Marktvolumen der Konkurrenten/Gesamtmarktpotential
* 100
Preiselastizität des Marktes: Umsatzdifferenz/Preisdifferenz
Wirtschaftlichkeitsanalyse
Zielplanung
Erfolg der
Verkaufsergebnis: Nettoverkaufsgewinn/Umsatz * 100
Vertriebsaktivitäten
Deckungsbeitrag am Umsatz: Deckungsbeitrag A-Artikel/Umsatz A-Artikel
* 100
Verkaufsförderung: Umsatzdifferenz/Differenz der Verkaufsförderungskosten
Werbeerfolgskontrolle: Werbekostendifferenz/Umsatzdifferenz
Effizienz der Personaleffizienz: Umsatz/eingesetzte Mitarbeiter
VertriebsAuftragseffizienz: Umsatz/eingesetzte Akquisitionskosten * 100
organisation
Budget/Kapitaleffizienz: Umsatz/eingesetztes Budget/Kapital * 100
Key Account Effizienz: Netto-Auftragssumme/Akquisitionskosten * 100
Erfolgsträger
(Segment)
produktgruppenbezogene Umsatzanteile: Umsatz A-Artikel/Gesamtumsatz
* 100
kundengruppenbezogene Umsatzanteile: Umsatz A-Kunde/Gesamtumsatz
* 100
regionenbezogene Umsatzanteile: Umsatz Verkaufsgebiet X/Gesamtumsatz
* 100
betriebsformbezogene Umsatzanteile: Umsatz Fach-, Einzel- bzw. Grosshandel/Gesamtumsatz * 100
Lageanalyse
Lageanalyse
Marktanteilsentwicklung: Marktanteil der Periode t/Marktanteil der Basisperiode * 100
Umsatzentwicklung: Umsatz der Periode t/Umsatz der Basisperiode * 100
Auftragsentwicklung: Auftragseingänge Periode t/Auftragseingänge Basisperiode * 100
Entwicklung der strategischen Geschäftseinheiten: relatives Marktwachstum (%), relativer Marktanteil (%), Deckungsbeitragsvolumen
Abbildung 58: Struktur eines Vertriebs-Controlling-Kennzahlensystems
Quelle: Vereinfacht durch Reinecke 2004, in Anlehnung an Reichmann/Palloks 1997, S. 469.
Beurteilung anhand der Anforderungen
Das Kennzahlensystem von Reichmann und Palloks ist in erster Linie ein Analysesystem. Es
bietet einen schnellen Überblick über die wichtigsten betriebswirtschaftlich relevanten Entwicklungen im Vertriebsbereich und richtet sich damit in erster Linie an Marketing- und Verkaufsführungskräfte. Der Schwerpunkt liegt auf Analysen interner Daten aus dem Rechnungswesen, die durch einige Marktinformationen ergänzt werden. Auf eine Integration qualitativer Informationen wie beispielsweise Kundenzufriedenheit und Personalqualifikation wird
im Rahmen dieses Systems (bewusst) verzichtet.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
134
Die Konsistenz des Systems ist differenziert zu bewerten. Das Kennzahlensystem ist klar aufgebaut. Die drei unterschiedlichen Analysebereiche sind problemgerecht. Ferner werden die
Kennzahlen eindeutig definiert. Die Kennzahlenauswahl wird argumentativ gut untermauert,
kann allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit geltend machen. Interdependenzen zwischen den einzelnen Kennzahlen werden nicht aufgezeigt, wodurch die Analyse von UrsacheWirkungszusammenhängen erschwert wird. Daum kritisiert, dass dem Kennzahlensystem
Oberziele fehlen, die sich in ein Gesamtunternehmens-Kennzahlensystem integrieren lassen.433
Das System richtet sich primär an die Ebene Marketing- und Vertriebsleiter und ist dadurch für
diese Funktionsbereiche insgesamt benutzergerechter als allgemeine finanzwirtschaftliche
Kennzahlensysteme. Allerdings sind einer weiteren, organisationskongruenten Zuordnung
von finanzwirtschaftlichen Kenngrössen immer enge Grenzen gesetzt. Beispielsweise führen
Grössen wie der Produktumsatz immer zu einem Verantwortungspooling zwischen dem Produktmanagement, dem Verkauf, einem etwaigen Key-Account-Management und weiteren
Marketingteilfunktionen434 .
Der Nutzen des Systems wird ferner dadurch eingeschränkt, dass hochrelevante externe
Grössen wie die Kundenzufriedenheit nicht berücksichtigt werden.
Das Kennzahlensystem ist nicht als allgemeingültiges System zu verstehen. Vielmehr handelt
es sich um eine sinnvolle Zusammenstellung wohldefinierter Kennzahlen, die je nach Branchen- und Unternehmenssituation zu konkretisieren oder zu ergänzen ist. Hierfür bietet das
System eine ausreichende Flexibilität.
Das Kennzahlensystem ist wirtschaftlich, weil es primär auf Daten des Rechnungswesens
zurückgreift und somit kaum einen nennenswerten Zusatzaufwand verursacht.
Im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen lässt sich bei den hinreichenden Anforderungen
feststellen, dass das System von Reichman und Palloks spezifisch für den Vertrieb ausgestaltet wurde. Das Kennzahlensystem ist als Analysesystem konzipiert und daher als Instrument
für die Implementierung einer Mehrkanalvertriebsstrategie bzw. für die strategische Kontrolle
nicht geeignet. Die vertriebsspezifischen Informationen in den Bereichen Struktur-, Wirtschaftlichkeits- und Lageanalyse sind im Grundsatz wertvoll, im Rahmen der Umsetzung einer
Mehrkanalvertriebsstrategie aber nur bedingt zweckmässig. Die aufgeführten Erfolgskennzahlen und die Struktur des Systems ermöglichen es nicht, den Mehrkanalvertrieb einer Bank
abzubilden. Die spezifischen Vertriebskonfigurationen und die Geschäftsprozesse können mit
dem System nicht kontextspezifisch gesteuert werden.
Fazit: Das Vertriebskennzahlensystem nach Reichmann/Palloks ist ein wertvolles Analyseund Unterstützungssystem, das allerdings für eine umfassende Steuerung eines Mehrkanalvertriebsystems nicht geeignet ist. Vielmehr muss es um qualitative und strategische Informationen ergänzt werden, wie dies auch die Autoren selbst vorschlagen.435
433
434
435
Vgl. Daum 2001, S. 47.
Vgl. hierzu Kiener 1980, S. 170f. und die dort zitierte Literatur.
Vgl. Reichmann/Palloks 1997, S. 470ff.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
135
3.2.3 Shareholder Value-Ansätze
Konzept und Zielsetzung des Shareholder Value-Ansatzes nach Rappaport
Der Shareholder Value-Ansatz nach Rappaport436 verfolgt das Ziel einer Steigerung des Unternehmenswerts, indem die Gesamtorganisation auf das Ziel der Wertmaximierung ausgerichtet wird. Ferner liefert der Ansatz die „richtige“ rechentechnische Methode zur Projekt- und
Unternehmensbewertung: Wie kann man unter mehreren Konzern- bzw. Geschäftsbereichsstrategien jene ausfindig machen, die den höchsten Unternehmens- und somit Aktionärswert
verspricht?
Rappaport verwendet die Kapitalwertmethode unter Berücksichtigung des Zeitwerts des Geldes, der Risikoausprägung des Konzerns bzw. des Geschäftsbereichs sowie eines zugehörigen Residualwerts (Wert des über den Planungszeitraum hinaus anfallenden Cash-Flows)437 .
Er bietet auch eine Methode an, mit der die entscheidenden Werttreiber (Value Driver) identifiziert und analysiert werden können. Unter Werttreibern versteht er Grössen des operativen
Geschäfts, die den Aktionärswert beeinflussen (vgl. Abbildung 59). Diese dienen dazu, die
Berechnung des Barwerts eines Projekts nach der Kapitalwertmethode zu vereinfachen.
Unternehmensziel
Bewertungskomponenten
Werttreiber
Managemententscheidungen
Wertschöpfung für
den Aktionär
Shareholder-Ertrag
! Dividenden
! Kurssteigerungen
betrieblicher
Cash-Flow
Diskontrate
Planungshorizont
! Umsatzwachstum
! Umsatz!
überschussrate
Cash-Flow-Steuer
Verschuldung
Bruttoinvestitionen
! Anlagen
! Umlaufvermögen
operativ
investiv
gewichtete
Kapitalkosten
Finanzierung
Abbildung 59: Shareholder Value-Ansatz nach Rappaport
Quelle: Rappaport 1995; Übersetzung durch Reinecke 2004, S. 95.
Der Ansatz liefert zwei Führungsregeln:438
! Eine Strategievorauswahl erfolgt durch die Frage: „Wird Wert geschaffen oder vernichtet?“
Grundsätzlich sollten nur Strategien verfolgt werden, die Werte schaffen.
! Eine weitergehende Performancesteigerungsregel legt fest, dass die wertmaximierenden
Strategien weiterverfolgt werden sollten.439
436
Rappaport 1986; Rappaport 1998.
Für weitere Erläuterungen zum Konzept siehe Fickert 1992, S. 55ff.
438
Rappaport 1986; Rappaport 1998.
439
Vgl. Reinecke 2004, S. 94f.
437
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
136
Konzept und Zielsetzung des Value Added-Konzepts
Verwandt mit dem Ansatz von Rappaport ist das Economic Value Added-Konzept (EVA). In
diesem wird der wirtschaftliche Wertzuwachs einer Investition gemessen. Der EVA-Ansatz
geht von der Grundprämisse aus, dass nur dann zusätzlicher wirtschaftlicher Wert geschaffen
wird, wenn über die Kapitalkosten für Eigen- und Fremdkapital hinaus Geld verdient wird.440
Die Mindestrenditeanforderungen für Unternehmen bzw. Geschäftsbereiche werden somit
von den Opportunitätskosten (=Marktkosten) für Eigen- und Fremdkapital bestimmt. Der EVA
entspricht dem NOPAT (Net operating profit after tax, also dem operativen Geschäftsergebnis
nach Steuern) abzüglich der gewichteten, risikogerechten Kapitalkosten für Fremd- und Eigenkapital.
Der Gesamtmarktwert eines Geschäftsbereichs besteht aus dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Kapital zuzüglich der Summe aller zukünftigen, abdiskontierten EVA-Beträge (=Market
Value Added, MVA).
Letztlich nimmt der EVA eine Mittelstellung ein zwischen der traditionellen Gesamtkapitalrendite und dem Shareholder Value nach Rappaport. Er ist direkt auf eine periodische Wertzuwachsmessung ausgerichtet. Dadurch werden die systematische Überprüfung der Zielerreichung sowie die daran geknüpfte allfällige erfolgsorientierte Vergütungsberechnung erleichtert. Befürworter des EVA führen zahlreiche Vorteile dieser „neuen“ finanzwirtschaftlichen
Kennzahl an:441 Aufgrund eines engen Bezugs zwischen dem EVA und dem Aktienkurs eigne
sich diese Grösse, um die Interessen der Manager mit jenen der Unternehmenseigner abzustimmen, beispielsweise mit Hilfe von EVA-orientierten Motivationssystemen. Ferner wird angeführt, dass der EVA eine sehr einfache und eindeutige Grösse sei, die auf allen Ebenen –
von der strategischen Planung bis zur Budgetierung – kommuniziert werden könne: Mehr
EVA sei immer besser als weniger EVA.
In Abbildung 60 werden die Merkmale unternehmenswertorientierter Ansätze zusammengefasst.
Charakteristikum
Art und Weise der Umsetzung
Zukunftsbezug
Durch Berücksichtigung des aus dem Bewertungsobjekt (z.B.
aus einer Geschäftseinheit) fliessenden zukünftigen CashFlows und durch den unendlichen Betrachtungszeitraum
Mehrperiodigkeit
Durch Diskontierung eines Stroms zukünftiger Cash-Flows
Berücksichtigung des Zeitwerts des Geldes
Durch Abdiskontierung nominaler Cash-Flows mit einem
nominalen Diskontierungsfaktor
Zahlungsorientierung
Durch Berücksichtigung von Cash-Flows anstatt z.B. von
Gewinnen
Berücksichtigung von Risiken Durch Abdiskontierung mit einem risikoangepassten Zinssatz
440
441
Für eine ausführlichere Darstellung des Ansatzes siehe Hahn/Hungenberg 2001, S. 202ff.
Vgl. Ehrbar 1998, S. 6.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
137
Marktorientierung
Durch Verwendung von Zahlungsgrössen statt Buchgrössen.
Durch Bezug auf Marktwerte statt auf Buchwerte (z.B. beim
eingesetzten Vermögen)
Berücksichtigung des Finanzierungsbedarfs zukünftigen
Wachstums
Durch Abzug der Investition in das Anlagevermögen und in
das Working-Capital der Cash-Flows
Abbildung 60: Merkmale eines unternehmenswertorientierten Controllings
Quelle: Günther 1997, S. 204.
Beurteilung anhand der Anforderungen
Shareholder Value-Ansätze sind moderne Analyseverfahren, deren Stärke darin liegt, dass
dadurch Führungskräfte gezwungen sind, alle Einflussfaktoren einer Strategie- oder Projektbewertung transparent zu machen und die finanziellen Auswirkungen aller Tätigkeiten konsequent zu erfassen. Sie fordern vom Management, sich auf das – aus der Sicht des Shareholders – Wesentliche zu fokussieren. Dennoch weisen diese Verfahren auch Defizite und Gefahren auf, die nachfolgend skizziert werden sollen.442
Problemangemessenheit: Ziel von Shareholder Value-Ansätzen ist es, Unternehmensführung
und Kapitalmärkte besser zu verbinden. Ein Hauptproblem des EVA- und der Shareholder
Value-Ansätze liegt darin, dass man nicht zwangsläufig von einer Symmetrie zwischen Management- und Kapitalmarktperspektive ausgehen kann. Das Management kann zwar das Unternehmen direkt steuern, nicht aber unmittelbar die Bewertung seiner Tätigkeiten durch den
Kapitalmarkt. Letztere hängt sehr stark von Erwartungen miteinander kommunizierender Individuen ab, die keineswegs homogen und normalverteilt sind.443 So ist es unwahrscheinlich,
dass Management einerseits sowie Aktionäre und Analysen andererseits die Verlässlichkeit
von Informationen, den Wert intangibler Assets und den Nutzen von Synergien immer identisch einschätzen.444 Ebenso dürfte i.d.R. die Risikoeinschätzung differieren, zumal häufig der
Informationsstand von Management und Aktionären unterschiedlich ist. Die künftige Akzeptanz und die Problemadäquanz dieser Ansätze hängen somit stark von den Kursentwicklungen an den Kapitalmärkten ab.445
Konsistenz: Die Konsistenz dieser Systeme ist hoch. Shareholder Value-Ansätze weisen
durch den hierarchischen Ableitungsbezug eine hohe Geschlossenheit auf. Bei der wertorientierten Planung besteht jedoch grundsätzlich die Gefahr von Scheingenauigkeit (die aufgrund
der quantifizierten Darstellung suggerierte Genauigkeit bezüglich Detaillierung und Sicherheit
ist höher als die tatsächliche) sowie von Scheinreflexivität (intuitive Urteile werden quantifiziert).446 Dies kann zur illusionären, nicht ungefährlichen Annahme verleiten, dass sich Strategien mit Werttreiberhierarchien mehr oder weniger vollständig in Zahlen erfassen liessen.447
442
Eine umfassende Diskussion der Vor- und Nachteile einzelner Verfahren siehe VCI 1998.
Vgl. VCI 1998, S. 96.
444
Vgl. Day/Fahey 1988, S. 54.
445
Vgl. VCI 1998, S. 96.
446
Vgl. Weber/Knorren 1998, S. 115.
447
Vgl. Weber 2000, S. 30.
443
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
138
In der Praxis herrscht selten Übereinstimmung darüber, welche Faktoren den Shareholder
Value beeinflussen. Ursache-Wirkungszusammenhänge können nur ansatzweise abgebildet
werden. Ferner hängt die Quantifizierung der zukünftigen Geldflüsse von zu vielen Annahmen
und Grundsatzentscheidungen ab. So lassen sich beispielsweise bei der Anwendung des
EVA die gesamten Zinskosten (Total Cost of Capital) eines Unternehmens nicht auf einfache
Weise ermitteln. Dazu muss entschieden werden, ob Investitionen in Forschung, Entwicklung,
Werbung und Mitarbeiterschulungen traditionell als Aufwand behandelt oder vielmehr als Kapital aufgefasst werden.448 Shareholder Value-Ansätze sind somit manipulationsanfällig: Letztlich kann man jedes strategische Projekt so rechnen, dass es prinzipiell die jeweils definierten
Genehmigungsgrundsätze erfüllt. Ferner existieren in der Praxis mehrere Varianten der EVAKennzahl (beispielsweise als absolute oder als prozentuale Grösse). Auch berechnen viele
Unternehmen den EVA vor Steuern, was den Bezug zum Unternehmenswert beeinträchtigt,
weil die Wertbeiträge dadurch zu hoch eingeschätzt werden.449
Diese kritischen Anmerkungen bezüglich der wertorientierten Methoden beziehen sich allerdings eher auf die Anwendung der Verfahren, weniger auf die Grundprinzipien.450 So lassen
sich die Probleme der Scheinobjektivität und -reflexivität sowie der Manipulationsmöglichkeit
durch folgende Massnahmen reduzieren:451
! Vorschalten einer ausführlichen qualitativen Analyse;
! Betonen der Bedeutung der Prämissen für das Ergebnis der wertorientierten Planung;
! Sicherstellen einer Dokumentation aller Prämissen und verwendeten Methoden.
Ferner können Sensitivitätsanalysen das schwierige Problem der Prognose gewisser finanzieller Grössen wie beispielsweise des Cash-Flows eindämmen.452
Problematischer sind für den Vertrieb allerdings systematische Fehlbeurteilungen strategischer Optionen,453 die sich dadurch ergeben, dass Shareholder Value-Analysen zeitpunktbezogen erfolgen und die Dynamik durch Abzinsung berücksichtigen:454
! Unterbewertung: Investitionen in Zukunftsoptionen und Kundenbindung werden systematisch unterbewertet. Diese langfristigen Investitionen werden häufig zurückgewiesen, weil
aufgrund der Unsicherheit ein hoher Zuschlag auf die Kapitalkosten kalkuliert wird. Dem
Modell liegt die Annahme zugrunde, dass Entscheidungen einer Periode in späteren Perioden rückgängig gemacht werden können bzw. dass es möglich ist, Investitionen zu verschieben. Diese Prämisse widerspricht aber einigen Grundannahmen des strategischen
Marketings: Häufig müssen strategische Fenster (beispielsweise temporäre Schwächen
der Konkurrenz) genutzt werden, um das Unternehmen mit Optionen bzw. mit Wahlmöglichkeiten auszustatten.
448
Vgl. Slater/Olson 1996, S. 49.
Vgl. Afra/Aders 2001, S. 102.
450
Vgl. Day/Fahey 1990, S. 156.
451
Vgl. Weber/Knorren 1998, S. 16.
452
Vgl. Müller-Stewens 2001, S. 252.
453
Vgl. Doyle 2000, S. 65.
454
Siehe hierzu insbesondere Day/Fahey 1990 und 1998, S. 52ff.
449
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
139
! Überbewertung: Andere Strategien werden dagegen systematisch überbewertet. Gelegentlich wird ohne Begründung das vorhandene Absatzniveau als gegeben angenommen. Dieses muss aber i.d.R. mit einer Vielzahl von Massnahmen zunächst einmal gehalten werden. Ferner erscheinen Gewinnmöglichkeiten meist in jenen Bereichen höher, in denen
das Management weniger Erfahrungen hat und somit die Risiken (und den entscheidenden
Risikozuschlag) nicht richtig einschätzen kann.455
Aufgrund dieser Verzerrungen sollten strategische Entscheidungen niemals ausschliesslich
auf Shareholder Value-Analysen beruhen.456
Day und Fahey sehen das Hauptproblem wertorientierter Ansätze darin, dass sie unter Umständen strategisches Denken unterdrücken können oder dazu führen, andere attraktive Strategien zu übersehen.457 Werttreiberhierarchien seien ein anderer Blickwinkel. Sie ersetzen
strategisches Denken und das Suchen nach einer ausreichenden Zahl strategischer Optionen
keinesfalls. Auch fokussieren sie häufig stärker auf das Reduzieren von Kosten als auf das
Generieren realen Wachstums.458 Doyle sieht daher Shareholder Value-Analysen ohne Marketingstrategie als Tautologie an.459 Empirische Ergebnisse stützen diese Erkenntnis: Selbst
bei Unternehmen, die mit wertorientierten Kennzahlenansätzen erfolgreich waren, wirkten sich
diese kaum auf die Innovationsfähigkeit aus.460
Flexibilität sowie Benutzer- und Organisationsadäquanz: Die Flexibilität der Shareholder Value-Ansätze ist eher gering, auch wenn die Werttreiberhierarchien unternehmensspezifisch
angepasst werden können. Grundidee und eingesetzte Bewertungsverfahren sind rigide. Im
Gegensatz zum Top-Management hält sich der Enthusiasmus des operativen Managements
bezüglich wertorientierter Konzepte aufgrund der Komplexität und der restriktiven Annahmen
der Ansätze in Grenzen.461
Ähnlich wie beim DuPont-System ist die Benutzer- und Organisationsadäquanz allenfalls für
die oberen Unternehmensebenen gegeben. Letztlich hängt sie jedoch von der Umsetzung
des Systems im Unternehmen ab. Aufgrund des häufig negativen Images des Shareholder
Value-Ansatzes stossen solche Ansätze in Deutschland bei der Implementierung auf grössere
Widerstände als andere.462 Den Systemen liegt die vereinfachte Annahme zugrunde, dass sie
umfassend umgesetzt werden, wenn die Anreizsysteme auf den Shareholder Value bzw. auf
EVA ausgerichtet sind. Allerdings birgt dies die Gefahr, dass nichtfinanzielle Aspekte bei der
Gestaltung der Anreizsysteme vernachlässigt werden.463
455
456
457
458
459
460
461
462
463
Vgl. Day/Fahey 1988, S. 53.
Vgl. Reinecke 2004, S. 98.
Day/Fahey 1988, S. 55f.
Vgl. Slater/Olson 1996, S. 52.
Vgl. Doyle 2000, S. 20.
Vgl. Haspelslagh/Noda/Boulos 2001, S. 58.
Vgl. Day/Fahey 1990, S, 156.
Vgl. Weber 2000, S. 32.
Vgl. Brunner 1999, S. 32.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
140
Die Berechnungsverfahren benötigen häufig Informationen in einer Aufbereitung, die in der
Praxis nur schwer zu gewährleisten464 und häufig mit grossem Aufwand verbunden ist.465
Dies führt zu grosser Unsicherheit bei der operativen Konzeptumsetzung.466
Bei den hinreichenden Anforderungen kann festgestellt werden, dass die wertorientierten
Steuerungsansätze im Mehrkanalvertrieb von Banken erst ansatzweise entwickelt wurden.467
Es gilt daher zu prüfen, inwiefern die Wertorientierung in ein Kennzahlensteuerungssystem
sinnvoll eingebunden werden kann. Die Berücksichtigung wertorientierter Ansätze in der Vertriebssteuerung bei Banken erscheint jedoch sinnvoll, da diese Konzepte schon auf Stufe Gesamtbank eingesetzt werden.468 Vertriebskanäle sind in Mehrkanalsystemen als Wertketten
zu verstehen, die wertschöpfende Aufgaben erfüllen.469 Die Wertschöpfung des gesamten
Systems bzw. der einzelnen Kanäle gilt es, in einer geeigneten Form abzubilden.
Wie die Anforderung der Wertorientierung mit kontextspezifischen Kennzahlen im Mehrkanalvertrieb von Banken operationalisiert werden kann, sollte im Detail geklärt werden. In den bisher entwickelten Konzepten werden kundensegmentspezifische Vertriebskonfigurationen oder
kanalübergreifende Geschäftsprozesse nur teilweise zweckmässig abgebildet. Ferner sollte
geklärt werden, welche Kennzahlen in einem Kennzahlensteuerungssystem geeignet sind,
eine strategische Durchführungs- und Ergebniskontrolle zu ermöglichen.
Fazit: Ähnlich wie klassische ROI-Systeme haben die „modernen“ finanzwirtschaftlichen
Kennzahlensysteme zwei wesentliche Nachteile: Zum einen wird die Sachzieldimension ungenügend berücksichtigt, zum anderen werden Markt-, Kunden- und insbesondere Konkurrenzorientierung vernachlässigt.470 Shareholder Value-Systeme lösen die Herausforderung,
betriebswirtschaftliche Ursache-Wirkungszusammenhänge abzubilden, nur scheinbar. Insbesondere sind sie keine Alternative für eine einsichtige Prüfung der strategischen Positionierung471 und deshalb kein Ersatz für das Entwickeln und Durchspielen möglichst zahlreicher
strategischer Optionen. Ohne ein strategisches Fundament sind wertorientierte Kenngrössen
bedeutungslos.472
Wenn sich Führungskräfte bei der Anwendung wertorientierter Verfahren allerdings deren
Grenzen bewusst sind und versuchen, diese Unzulänglichkeiten zu reduzieren (Stichworte:
Sensitivitätsanalysen, Prämissenkontrolle, sorgfältige Dokumentation der eingesetzten Techniken), so sind diese Verfahren auch für den Vertrieb sehr wertvoll. Shareholder ValueVerfahren sind moderne Analyseverfahren, die einen wichtigen Beitrag zur dynamischen
464
465
466
467
468
469
470
471
472
Afra und Aders (Afra/Aders 2001, S. 104) fordern, dass unternehmensweit bis auf die Ebene der operativen
Einheiten die Spitzenkennzahlen zu ermitteln sind. Dies unabhängig davon, ob eine entsprechende Standardsoftware derzeit noch nicht existiert.
Die Akzeptanz des EVA-Ansatzes ist in der Praxis zwar etwas grösser, weil er stärker als der Shareholder
Value-Ansatz auf dem bilanziellen Zahlenwerk aufbaut. Dadurch werden allerdings die Stärken von CashGlow-Grössen nicht genutzt (VCI 1998, S. 79).
Vgl. Horvath/Kaufmann 1998, S. 39.
Vgl. Wild 2005, S. 181ff.
Vgl. Hanft 2003, S. 11.
Vgl. Schögel 1997, S. 21.
Vgl. Horvath 1998, S. 516.
Vgl. Day/Fahey 1988, S. 46.
Vgl. Day/Fahey 1990, S, 162.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
141
Quantifizierung und somit zur Bewertung von Strategien leisten. Damit werden Führungskräfte dazu gebracht, alle Tätigkeiten konsequent auf ihre finanzwirtschaftlichen Implikationen zu
überprüfen. Solche Ansätze sind daher eine wichtige Basis für eine weitergehende Strategiediskussion.473
3.3 Integrierte Kennzahlensysteme
Nachfolgend werden ausgewählte integrierte Kennzahlensysteme dargestellt. Unter integrierten Systemen werden solche verstanden, die versuchen, finanz- und leistungswirtschaftliche
Aspekte474 zu integrieren.
3.3.1 Balanced Scorecard
Konzept und Zielsetzung
Die Entwicklung der Balanced Scorecard durch Kaplan und Norton475 und eine Reihe von
Vertretern US-amerikanischer Grossunternehmen (Apple, KPMG, Peat Marwick etc.) geht auf
den Anfang der neunziger Jahre zurück. Zielsetzung des Ansatzes ist, die Strategie einer Geschäftseinheit in materielle Ziele und dazugehörige Messgrössen zu übersetzen. Neue Strategien implizieren damit immer auch eine Anpassung der Kriterien, über die Leistung gemessen wird. Der Anspruch der Ausgewogenheit bezieht sich auf:
! die gleichzeitige Berücksichtigung der Interessen unternehmensexterner Anspruchsgruppen wie auch der internen Erfordernisse für Geschäftsprozesse, Innovationen, Lernfähigkeit und Wachstum;
! die Berücksichtigung kurz- und langfristig ausgerichteter strategischer Ziele;
! die Verwendung objektiver und subjektiver (auch nicht-monetärer) Indikatoren.
In Abbildung 61 wird der grundsätzliche Aufbau der Balanced Scorecard gezeigt. Jedes Geschäft ist aus vier Perspektiven heraus zu evaluieren, wobei im Bedarfsfall diese Perspektiven
auch verändert bzw. ergänzt werden können. Dem liegt eine einfache Kausallogik zugrunde,
die eng an den Wertsteigerungsansatz angelehnt ist: Um eine Gesamtkapitalproduktivität zu
erreichen (finanzielle Perspektive ! Outcomeorientierung), bedarf es der entsprechenden
Mitarbeiterfähigkeiten (Lernen und Wachstum ! Inputorientierung). Diese findet ihren Ausdruck in einer hohen Prozessqualität und in geringen Durchlaufzeiten (Prozessperspektive !
Prozess-/Throughputorientierung). Dies führt wiederum zu einer zeitgerechten Versorgung
des Kunden mit den geschaffenen und nachgefragten Leistungen bindet den Kunden auch
(Kundenperspektive ! Outputorientierung).
473
474
475
Vgl. Day/Fahey 1988, S. 56.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.3.2.
Kaplan/Norton 1992, Kaplan/Norton 1996.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
142
Finanzielle Perspektive
Was muss erreicht werden, um
für die Stakeholder erfolgreich
zu sein?
Kunden-Perspektive
Was muss für die Kunden
geleistet werden, um die
Strategie durchzusetzen?
Prozess-Perspektive
Vision und Strategie
Wie müssen Ablaufprozesse
gestaltet sein, um Kunden
zufrieden zu stellen?
Lernen & Wachstum
Wie kann die Fähigkeit zu Wandel,
Innovation und Verbesserung
laufend gesteigert werden?
Abbildung 61: Perspektiven der Balanced Scorecard
Quelle: Kaplan/Norton 1996, S. 25.
In den vier Perspektiven sind auch die Haupttreiber des Wertsteigerungsansatzes476 erkennbar (Umsatzwachstum und -zusammensetzung, Kostenreduktion und Produktivitätsverbesserung, Nutzung der Vermögenswerte), die je nach Portfolio-Strategie (ernten, halten, wachsen)
unterschiedlich zu bedienen sind.477
Die Arbeitslogik der Balanced Scorecard zielt auf die Übersetzung der Vision in konkrete Aktivitäten ab, was in der Abbildung 62 verdeutlicht wird. Aus der Vision und Unternehmensstrategie müssen pro Perspektive die strategischen Ziele abgeleitet und – man vergleiche dazu
das Beispiel in Abbildung 62 – schlüssig zueinander in Beziehung gesetzt werden. Danach
gilt es, die Variablen zu identifizieren, die als kausal zur Erreichung der Ziele betrachtet werden. Sie werden hier als Treiber genannt. Um diese Treiber in ihrer Entwicklung beurteilen zu
können, bedarf es der Messgrössen. Da die Ausprägungen dieser Messgrössen die Chance
zur Unterstützung der Umsetzung ambitionierter Strategien bieten sollen, ist bei ihrer Auswahl
zu bedenken, dass sie möglichst einem Benchmarking zugänglich sein sollten.
476
477
Der Wertsteigerungsansatz ist derjenige Ansatz, welcher dem DuPont-System zugrunde liegt. Vgl. Abschnitt 3
und 3.2.1.
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 708.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
Vision und Strategie
Ziele
Finanzielle
Perspektive
Perspektiven
Feedback
143
Kundenperspektive
Prozessperspektive
Lernen
Wachstum
Treiber / KEFs
!
!
....
....
!
!
....
....
!
!
....
....
!
!
....
....
Messgrössen
!
!
....
....
!
!
....
....
!
!
....
....
!
!
....
....
Aktivitäten
!
!
....
....
!
!
....
....
!
!
....
....
!
!
....
....
Operative Umsetzung
Abbildung 62: Arbeitslogik der Balanced Scorecard
Quelle: In Anlehnung an Kaplan/Norton/Horvath 1997, S. 23.
In Abbildung 63 wird am Beispiel des „Strategiebaums“ eines Telekommunikationsunternehmens gezeigt, wie die einzelnen Strategieelemente ineinander greifen, weshalb man
auch sagt, dass mit der Balanced Scorecard ein integrativer Strategieansatz verfolgt wird.478
Outcome
Finanzielle
Perspektive
Verbesserung
der Ertragssituation
Umsatzwachstum
Risikodiversifikation
Output
Kundenperspektive
Altkundenstamm
reduzieren
Marktpräsenz
erhöhen
Mit neuen
Diensten MarktAnteile
gewinnen
Throughput
Prozessperspektive
Task-ForceGruppe
aufbauen
Input
Wachstum
Lernen
Verbesserung
des Produktmixes
Qualifikation der
Mitarbeiter in
den CallCenters
Akquisitionsprozess
entwickeln
Wissenstransfer
von den
Partnern
PR-Aktionen
intensivieren
Innovationsleistung
aufrechterhalten
Cross-SellingAktionen
ausführen
Motivation
sichern
Abbildung 63: Strategiebaum eines Unternehmens aus der Telekommunikationsindustrie
Quelle: Kaplan/Norton/Horvath 1997, S. 35.
Beurteilung anhand der Anforderungen
Die Idee, finanzwirtschaftliche und nicht-monetäre Kennzahlen zu kombinieren, ist nicht neu
und wurde bereits vor der Entwicklung des Balanced Scorecard-Konzepts mehrfach gefor-
478
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 708.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
144
dert479 und realisiert480 . Auch die Forderung nach Ausgewogenheit ist nicht neu481 , wohl aber
die Unterscheidung der vier Perspektiven in Form einer Ursache-Wirkungskette482 .
Der Balanced Scorecard-Ansatz von Kaplan und Norton schreibt kein spezifisches Kennzahlensystem vor. Er gibt vielmehr Anleitungen, wie Führungskräfte ein System entwickeln sollen,
um betriebswirtschaftliche Strategien umzusetzen. Der Ansatz wird der notwendigen Anforderung gerecht, dass ein Kennzahlensteuerungssystem in den gesamten strategischen Managementprozess eingebunden wird.
Zahlreiche Erfahrungsberichte bescheinigen daher der Balanced Scorecard eine ausgesprochen hohe Problemadäquanz: Sie ist sowohl ein effektives als auch ein effizientes Instrument,
zumal nicht nur das Kennzahlensystem selbst, sondern auch der Entwicklungsprozess und
die Implementierung im Mittelpunkt der Überlegungen stehen.
Die Benutzer- und Organisationsadäquanz der Balanced Scorecard ist unterschiedlich zu bewerten. Das Konzept ist ein Instrument, mit dem Strategien „top-down“ implementiert werden.
Die generische Balanced Scorecard wird daher insbesondere den Informationsanforderungen
des Top-Managements gerecht. Eine einzige Balanced Scorecard kann keinesfalls die Informationsbedürfnisse aller organisatorischen Stellen erfüllen. Wird der Strategieumsetzungsprozess allerdings im Rahmen einer Wasserfallstrategie stufenweise bis zu den operativen
Ebenen durchgängig gestaltet, kann die Balanced Scorecard abteilungs- und stellenspezifische Ausprägungen annehmen. Beispielsweise können Bereiche oder Abteilungen auf der
Basis strategischer Kennzahlenvorgaben eigene Scorecards erstellen. In diesem Fall erfüllt
die Balanced Scorecard die Funktion eines Kommunikationsinstruments, das unterschiedliche
Planungsebenen miteinander verbindet.
Die Balanced Scorecard ist ein ausgewogenes Kennzahlensystem und gewährleistet dadurch
eine gewisse Konsistenz. Das Kennzahlensystem ist durch die Perspektiven umfassend, klar
gegliedert und übersichtlich. Überschneidungen werden allerdings nicht vermieden. Sie sind
vielmehr systemimmanent und wegen der zugrundeliegenden Wirkungszusammenhänge
sogar erwünscht. Weil die Balanced Scorecard ein Ordnungssystem ist, ist die Konsistenz
somit zwangsläufig geringer als bei Rechensystemen wie dem DuPont-System. Zu kritisieren
ist daher weniger die Tatsache, dass die strategischen Ziele sowie die angenommenen Ursache-Wirkungszusammenhänge nicht eindeutig quantifiziert werden können. In der Realität
lassen sich analytische, rechnermässig erfass- und verdrahtbare Zusammenhänge zumeist
ohnehin nicht ermitteln.483 Allerdings ist zu beklagen, dass beim Konzept der Balanced Scorecard kein echter Methodenvorschlag vorliegt, der hilft, die Konsistenz sicherzustellen.484
Auch wenn die vier Perspektiven der Balanced Scorecard auf einem rudimentären Ursache-
479
480
481
482
483
484
Vgl. Drucker 1985, S. 403; Johnson/Kaplan 1987, S. 259; Eccles 1991.
So umfasst das Zielsystem von General Electric aus dem Jahr 1957 bereits acht „Key Result Areas“: Profitabilität, Marktposition, Produktivitäten, Produktführerschaft, Personalentwicklung, Einstellung des Personals, Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit, Balance zwischen lang- und kurzfristigen Zielen (Lewis 1959, S.
598).
Vgl. Eccles/Nohria/Berkley 1992, S. 147.
Vgl. Kaplan/Norton/Horvath 1997, S. 29.
Weber 2000, S. 8f.
Vgl. Ahn 2001, S. 458.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
145
Wirkungszusammenhang beruhen, fehlen jegliche Hinweise, wie beispielsweise Beziehungsstärke, Zeitverzögerungen, kumulative Effekte und Rückkoppelung zu berücksichtigen sind.485
Diese Forschungsfrage delegieren Kaplan und Norton an die Praxis zurück.
Die Defizite im Rahmen der Konsistenz wirken sich allerdings positiv auf die Flexibilität des
Systems aus. Weder die Anzahl noch die Dimensionen der Perspektiven, geschweige denn
einzelne Kennzahlen, werden vorgeschrieben. Ferner wird unterstrichen, dass die Balanced
Scorecard unternehmensindividuell anzupassen ist und im Laufe der Zeit regelmässig überprüft und überarbeitet werden sollte.
Die Wirtschaftlichkeit des Balanced Scorecard-Konzepts hängt davon ab, wie konsequent das
System eingesetzt wird. Der hohe Aufwand für Kennzahlenaufbau und -pflege sowie die umfassende Operationalisierung der Kenngrössen erscheinen nur dann gerechtfertigt, wenn das
System tatsächlich zur Strategieumsetzung verwendet wird.486
Die Beurteilung anhand der hinreichenden Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem fällt grundsätzlich positiv aus. Die Balanced Scorecard ist ein Ordnungssystem, welches
nur allgemeine Strukturierungsvorschläge enthält. Die Auswahl kontextspezifischer Kennzahlen wird von Kaplan und Norton dabei bewusst an die Praxis delegiert. Im Mehrkanalvertrieb
von Banken müsste somit im konkreten Anwendungsfall geprüft werden, mit welchen Kennzahlen die Kundensegmentspezifische Vertriebskonfiguration in einer geeigneten Form abgebildet werden könnte.487 Dabei stellt sich v.a. die Frage, wie die Konfiguration (Art, Anzahl und
Aufgaben der Kanäle) zweckmässig mit der Grundstruktur der verschiedenen Perspektiven in
Einklang gebracht werden könnte.
Die Balanced Scorecard bildet in der Prozessperspektive Aktivitäten (Throughput) ab, welche
auf der Kundenseite zu einem bestimmten Output führen. Durch den Einbezug dieser Perspektive ist die Balanced Scorecard konzeptionell dazu geeignet, kanalübergreifende Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse abzubilden.
Defizite werden bei der Balanced Scorecard im Bereich der strategischen Kontrolle aufgeführt.488 Diese umfasst nach Müller-Stewens489 die Prämissen-, Durchführungs- und Wirksamkeitskontrolle490 . Die Durchführungskontrolle als eigentlicher Zweck der Balanced Scorecard wird umfassend und detailliert gewährleistet. Ebenso wird anhand der Finanzperspektive
eine Ergebniskontrolle vorgenommen. Eine Prämissenkontrolle fehlt allerdings. Dies bedeutet,
dass die Basisannahmen und damit auch die Qualität der zu implementierenden Strategie
nicht überprüft werden. Müller-Stewens sieht in dieser Kluft eine Gefahr: Weil mit Hilfe der
Balanced Scorecard Strategien sehr wirksam durchgesetzt werden können, erhöhen sie das
Risiko der Realisierung unzweckmässiger Strategien.491 Ohne Balanced Scorecard werden
485
486
487
488
489
490
491
Vgl. Steinle/Thiem/Lange 2001, S. 34. Die Methodik des vernetzten Denkens (Gomez 1995) könnte hier entscheidend weiterhelfen.
Vgl. Gleich 2001, S. 89.
Vgl. Wild 2005, S. 204.
Vgl. Reinecke 2004, S. 111.
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 694.
Bei der Wirksamkeitskontrolle spricht man auch von Ergebniskontrolle.
Vgl. zum Thema Umsetzung von Marketingstrategien Bonoma 1984/Bonoma 1985b, 1986.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
146
Strategiefehler des Top-Managements häufig durch die Organisation abgefedert und gemildert. Werkzeuge wie die Balanced Scorecard setzen dagegen nicht nur „gute“, sondern auch
„schlechte“ Strategien besonders wirkungsvoll um.492
Die Prämissenkontrolle im Rahmen der Balanced Scorecard kann bei der Umsetzung dadurch verbessert werden, dass die Kennzahlenauswahl umfassend diskutiert und überprüft
wird. Weber und Schäffer stellen allerdings fest, dass sich die erforderliche kritische Distanz
zu den ausgewählten Kennzahlen im Zeitverlauf reduziert.493 Sie schlagen daher vor, auch
Scorecards für die wichtigsten Konkurrenten, Lieferanten und Kunden aufzustellen, um die
eigene Engstirnigkeit zu überwinden. Ferner sollten die ausgewählten Kenngrössen um solche ergänzt werden, die auf die Prämissen der Planung gerichtet sind.494 Diese Massnahmen
verringern die Defizite der Prämissenkontrolle. Sie sind jedoch aufwendig und führen dazu,
dass noch mehr Kennzahlen evaluiert werden müssen.
Der Anforderung einer Ausrichtung des Kennzahlensystemdesigns auf eine
wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption wird die Balanced Scorecard grundsätzlich
gerecht. Die einzelnen Perspektiven wurden von Kaplan und Norton ursprünglich allgemein
definiert495 und lassen genügend Spielraum offen, um wert(treiber)orientierte Steuerungsgrössen einzubinden.
Die geforderte Ausgewogenheit eines Kennzahlensteuerungssystems wird von einer Balanced Scorecard konzeptionell erfüllt. Die Ausgewogenheit manifestiert sich dabei in verschiedenen Aspekten.496
Fazit: Die Balanced Scorecard ist ein sehr zweckmässiger Ansatz, der in der Praxis auf grosse Resonanz stösst. Methodische Defizite wie die fehlende Konkurrenzorientierung sind durch
Weiterentwicklungen des Konzepts lösbar, solange der Einsatz der Balanced Scorecard auf
die Durchführungskontrolle beschränkt bleibt. Aus Marketingsicht interessiert insbesondere
die Frage, wie eine Weiterentwicklung des Konzepts der Balanced Scorecard sicherstellen
könnte, dass es den stellenspezifischen Informationsanforderungen von Marketing und Verkauf gerecht wird. Ferner wäre eine solche Scorecard mit klassischen Marketinginformationssystemen zu koppeln, um Ursache-Wirkungszusammenhänge transparenter darzustellen.
Soll die Balanced Scorecard tatsächlich zur Strategieumsetzung eingesetzt werden, ist es
erforderlich, die Ressourcenallokation und somit die Budgetierung mit diesem Instrument zu
koppeln.
3.3.2 Intellectual Capital-Ansätze
Konzept und Zielsetzung
Intellectual Capital-Ansätze basieren auf der so genannten „knowledge-based view of the
firm“, welche eine eigenständige Weiterentwicklung der ressourcenorentierten Ansatzes ist.
Bei diesen Ansätzen wird Wissen als nichttangible, unerschöpfliche Ressource, die unsicht-
492
493
494
495
496
Vgl. Müller-Stewens/Fontin 1998, S. 205.
Vgl. Weber 2000, S. 21.
Vgl. Weber 2000, S. 19.
Vgl. Kaplan/Norton 1996, S. 44.
Vgl. Abschnitt 3.3.1.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
147
bar497 und nicht greifbar498 ist, herangezogen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erklären.499 Wissen wird durch Gebrauch weder verändert noch vernichtet. Sein Einsatzwert wird
durch die Anwendung sogar vergrössert.500
Intellectual Capital-Ansätze beschäftigen sich mit drei Aspekten:
! Wissensentwicklung: Wie wird unternehmerisches Wissen entwickelt?
! Wissensanwendung: Wie wird Wissen in relevante Handlungen umgesetzt?
! Wissensmessung und –bewertung: Wie wird der Beitrag des Wissens für die Erreichung
operativer und strategischer Ziele gemessen, überwacht und verbessert?
Beim Aspekt der Wissensmessung und –bewertung wird auf Kennzahlen und Kennzahlensysteme zurückgegriffen, welche das Wissenskapital eines Unternehmens operationalisieren.
Bei der Messung und Bewertung von Wissen wird zwischen zwei Ansätzen unterschieden:
deduktiv-summarische und induktiv-analytische Ansätze. Erstere drücken den Unterschied
zwischen Markt- und Buchwert eines Unternehmens mit Hilfe einer Kennzahl wie beispielweise Markt-Buchwert-Relationen501 oder Tobins Q502 aus. Bei solchen Ansätzen handelt es sich
um einzelne Kennzahlen, nicht aber um umfassende Kennzahlensysteme. Durch induktivanalytische Ansätze werden unterschiedliche Komponenten des immateriellen Vermögens
beschrieben und bewertet.503 I.d.R. streben sie danach, mit Hilfe von wissensorientierten
Kennzahlen die Weiterentwicklung der Wissensbasis einer Unternehmung in die strategische
und operative Planung und Steuerung zu integrierten.
Intellectual Capital-Ansätze unterscheiden zwischen Human- und Strukturkapital (vgl.
Abbildung 64). Dies wird dadurch begründet, dass Unternehmenseigner über keinerlei Eigentumsrechte am Humankapital verfügen, während sie über Strukturkapital weitergehende
Rechte haben.504
497
498
499
500
501
502
503
504
Vgl. Itami 1987, S. 89.
Vgl. Hall 1992, 134.
Von Krogh/Venzin 1995; Nonaka/Toyama/Konno 2000.
Vgl. Reinhardt 1998, S. 149f.
Vgl. Capraro/Srivastava 1997.
Vgl. Stewart 1997, S. 225.
Vgl. North 1998, S. 188.
Vgl. Reinhardt 1998, S. 153.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
148
Wissenskapital
(Intellectual Capital)
Humankapital
(Wissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter)
Kompetenz
(Können)
! Wissen
!
(explizites),
das gelernt
werden
kann/muss
Fertigkeiten
(Fähigkeit,
Wissen in
Handlungen
umsetzen)
Lernfähigkeit/
Flexibilität
(Wollen)
! Motivation
! Verhalten
! Werte
Strukturkapital
(immaterielle Werte, unabhängig von Mitarbeiter)
Beziehungen
(nach aussen)
Bereitschaft
! Innovations!
!
!
fähigkeit
Imitationsfähigkeit
Anpassungsfähigkeit
Umsetzungsfähigkeit
! Kunden
! Lieferanten
! Netzwerk-
Organisation
(nach innen)
! Infrastruktur
! Prozesse
partner
! Eigner
! andere
Bezugsgruppen
!
(Übertragung
von Humanin Strukturkapital)
Kultur
Erneuerung/
Innovation
! Finanzielle
Investitionen,
deren Rendite
erst in Zukunft
sichtbar wird
Abbildung 64: Strukturierung von Wissenskapital
Quelle: In Anlehnung an Reinhardt 1998, S. 154ff.
Im Rahmen des Intellectual Capital-Ansatzes von Eddinson und Malone505 werden Humanund Strukturkapital folgende Teilaspekte zugeordnet:
! Humankapital: Hierzu zählen das Wissen bzw. die Fähigkeiten einzelner Arbeitnehmer, um
Kunden mit kundengerechten Problemlösungen zu versorgen.
! Strukturkapital: Darunter fallen alle immateriellen Werte, die unabhängig von den Arbeitnehmern als Personen sind. Strukturkapital ist das, was übrig bleibt, wenn alle Organisationsmitglieder das Unternehmen verlassen haben.
Intellectual Capital-Ansätze dienen nicht nur dazu, den Status Quo des Wissenskapitals anhand von Indikatoren zu analysieren und zu beschreiben, sondern auch dazu, den Prozess
der Transformation von Human- in Strukturkapital einerseits und von Humankapital der Vorgesetzten in das Humankapital der Mitarbeiter andererseits zu gestalten.506 Nachfolgend sollen zwei Ansätze erläutert werden, welche diesen Grundgedanken anhand von Kennzahlen
operationalisieren.
Intellectual Capital-Navigator
Der Intellectual Capital-Navigator zerlegt den Marktwert einer Unternehmung in die drei Komponenten Kunden, Organisation und Mitarbeiter und weist diesen folgende Indikatoren zu:
! Kundenkapital: Kundenbindungsrate, Wert der Marke, Kundenzufriedenheit
! Strukturelles Kapital: Verhältnis von Umsatz zu Verkaufs- und Administrationskosten, Umschlagsgrad des Umlaufvermögens, Wiederbeschaffungswert der Datenbasis
505
506
Vgl. Edvinsson/Malone 1997, S. 12.
Vgl. Reinhardt 1998, S. 159.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
149
! Humankapital: Fluktuationsrate der Wissensmitarbeiter, Umsatzanteil neuer Produkte, Mitarbeiterverhalten/-einstellungen
Skandia Navigator
Ein weiterer induktiv-analytischer Ansatz ist der Skandia Navigator. Er ist eng mit der Balanced Scorecard507 verwandt und verbindet sie mit dem Wissensmanagement. Der von dem
skandinavischen Versicherungskonzern eingesetzte Navigator unterscheidet allerdings fünf
Perspektiven: finanzieller Fokus, Kunden-, Mitarbeiter-, Prozess- sowie Erneuerungs- und
Entwicklungsfokus. Das dem Skandia Navigator zugrunde liegende Konzept ist mit jenem der
Balanced Scorecard fast identisch: Eine Strategie wird anhand von Schlüsselerfolgsfaktoren
und Indikatoren operationalisiert. Mit diesen Kenngrössen werden unterschiedliche Kategorien des Intellectual Capitals gemessen. In den fünf Perspektiven werden die folgenden
Kennzahlen verwendet:
! Finanzieller Fokus: Prämienvolumen (absolut), Prämienvolumen pro Mitarbeiter
! Kundenfokus: Telefonische Erreichbarkeit, Anzahl Individualpolicen, Kundenzufriedenheitsindex, schwedisches Kundenbarometer
! Mitarbeiterfokus: Durchschnittsalter, Mitarbeiterzahl, Weiterbildungszeit (Tage pro Jahr)
! Prozessfokus: Anteil IT-Mitarbeiter an allen Mitarbeiter
! Erneuerungs- und Entwicklungsfokus: Anstieg des Prämienvolumens in Prozent, Werte im
Schadenbewertungsverfahren, Anzahl der registrierten Ideen
Beurteilung anhand der Anforderungen
Die Grundidee induktiv-analytischer Ansätze der Wissensbewertung ist insofern innovativ, als
sie neue Konzepte des Performance-Measurements auf das Wissensmanagement übertragen. Mit den beiden vorgestellten Ansätze wird danach gestrebt, mit Hilfe wissensorientierter
Kennzahlen die Weiterentwicklung der Wissensbasis einer Unternehmung in die strategische
und operative Planung und Steuerung zu integrieren. Sie sind somit grundsätzlich derart konzipiert, dass sie in den gesamten Managementprozess eingebunden werden können.
Für die Wissensmessung und –bewertung scheinen beide Ansätze grundsätzlich geeignet,
obwohl es in Bezug auf die Problemangemessenheit folgende Punkte zu hinterfragen gilt:
! Die Robustheit beider Systeme ist unzureichend, weil die Messung des Wissenskapitals
immer nur sehr indirekt mit Hilfe von Indikatoren möglich ist. In der Praxis sind allerdings
widersprüchliche Entwicklungen zu erwarten, die die Interpretation erschweren und dadurch den Einsatz der Kennzahlensyteme für Steuerungszwecke beeinträchtigen.
! Um tatsächlich als Steuerungsinstrument zu dienen, müssen die Ansätze es auch ermöglichen, die Effizienz der Transformation von Intellectual Capital in Finanzwerte einerseits und
von Finanzwerten in Intellectual Capital andererseits zu messen.508
507
508
Vgl. Abschnitt 3.3.1.
Vgl. Roos et al. 1998, S. 79.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
150
Allerdings stellt sich die Frage, ob die Kennzahlensysteme den Anforderungen der Benutzer
und der betroffenen Organisation gerecht werden. Intellectual Capital-Ansätze stossen häufig
auf Akzeptanzprobleme:509 Viele Anwender sehen die Indikatoren als nutzlos an. Auch sind
die klassischen Rechnungslegungssysteme für Zwecke der Berichterstattung über das Wissenskapital relativ ungeeignet. Selbst Skandia als Pionier eines solchen Reportings hat diese
öffentliche Form der Berichterstattung lediglich bis 1998 aufrechterhalten.
Wissen ist ein weiches Konstrukt. Die grösste Herausforderung für ein Kennzahlensystem zur
Wissensmehrung und -steuerung besteht darin, eine gewisse Konsistenz sicherzustellen.
Aufgrund seiner engen Verwandschaft mit der Balanced Scorecard ist der Skandia Navigator
in Bezug auf seine Konsistenz ebenso wie diese zu bewerten.510 Der konkrete Einsatz durch
das schwedische Versicherungsunternehmen scheint in mehreren Aspekten fragwürdig: Es
werden beispielsweise Kennzahlen unterschiedlicher Aggregationsniveaus und unterschiedlichen Bedeutungsgehalts isoliert nebeneinander gestellt. Zudem werden zweifelhafte Messgrössen wie Durchschnittsalter eingesetzt.
Der Aufwand für Intellectual Capital-Ansätze erscheint relativ hoch, zumal die meisten Aspekte schwer operationalisiert und kaum automatisiert erfasst werden können. Die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme muss daher im Einzelfall genau geprüft werden.
Die Intellectual Capital-Ansätze können in Bezug auf die hinreichenden Anforderungen nicht
umfassend beurteilt werden, weil aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung grosse Unterschiede
zu einem Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb bestehen. Hinsichtlich der
Anforderungen der Dimension Messkonzeption können zusammenfassend folgende Gedanken aufgeführt werden: Der Grundidee induktiv-analytischer Ansätze ist dazu geeignet, wichtige Aspekte im Rahmen einer integrierten Vertriebssteuerung zu berücksichtigen und somit
zu einem ausgewogenen Kennzahlensystemdesign beizutragen. Das Messen von Wissen als
weicher Faktor und Komponente des Unternehmenswerts stellt zudem sicher, dass ein Kennzahlensteuerungssystem im Mehrkanalvertrieb wert(treiber)orientiert ausgestaltet werden
kann.
Fazit: In einer zusammenfassenden Beurteilung der induktiv-analytischen Ansätze zur Bewertung und Steuerung des Intellectual Capitals ist festzuhalten, dass diese insofern innovativ
sind, als sie neue, häufig als wettbewerbsentscheidend angesehene Aspekte in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Ferner wird versucht, diese systematisch zu analysieren und
erste Ansätze zur Steuerung zu geben. Eine weitere Stärke der Ansätze ist die gute theoretische Fundierung. Diese unterscheidet sie deutlich von den meisten PerformanceMeasurement-Systemen. Dennoch hat die Würdigung der Intellectual Capital-Ansätze offenbart, dass derzeit noch deutliche methodische Schwächen vorhanden sind. Insbesondere fehlen anwendungsorientierte Anweisungen für die häufig noch abstrakten Ansätze.
509
510
Reinhardt 1998, S. 173.
Vgl. Abschnitt 3.3.1.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
151
3.3.3 Performance-Messung im St.Galler General Management Navigator
Konzept und Zielsetzung
Die Performance-Messung entlang des General Management Navigator (GMN) von MüllerStewens511 besteht aus den drei Bausteinen Konzept, Umsetzung und Ergebnis. Ziel ist es,
die strategischen Initiativen und ihre Auswirkungen von Anfang an zu beobachten und zu beurteilen. Den Bausteinen liegen folgende Annahmen zu Grunde:
! Am Anfang stehen Konzepte bezüglich wichtiger, strategischer Initiativen. Wer also in der
Lage ist, professionell Konzepte für eine strategische Positionierung und die zu ihrer Wirksamkeit notwendigen Veränderungsprozesse zu generieren, hat gewissermassen die erste
Hürde genommen.
! Die zweite Hürde ist die Umsetzung dieser Konzepte bzw. die Wirksamkeit der lancierten
Initiativen. Dabei interessieren v.a. die Stellen im Prozess, in dem Ausmass und Auswirkungen der Umsetzung beobachtet werden können: Wurde das auch getan, was man vorhatte zu tun (Kontrolle)? Welche Auswirkungen hatte dies auf die Beobachtungsgrössen?
! Zuletzt geht es um die Auswirkungen der eingeleiteten Initiativen auf das finanzielle Ergebnis, also darum, ob eine Wertsteigerung erzielt wurde. Dabei gilt, sich Klarheit darüber zu
schaffen, ab wann und inwieweit die Zahlen aus dem Controlling Ausdruck des finanziellen
Ergebnisses der eingeleiteten Initiativen sind.
Führungsarbeit
Zeit
Feedback
Baustein
Konzept
(Strategie)
Umsetzung
der Strategie
Ergebnis
der Strategie
Ansatz zur
Performancemessung
GMN-Audit
GMN-Scorecard
Financial Controlling
Abbildung 65: Beurteilung der Führungsarbeit
Quelle: Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 713.
Die Bewertung der konzeptionellen Qualität nennt Müller-Stewens „Konzept-Audit“512 (GMNAudit), die Bewertung der Implementierung „Umsetzungs-Scorecard“513 (GMN-Scorecard)
und die Auswirkungen auf das Betriebsergebnis „Financial Controlling“514 . Zusammenfassend
ergibt sich aus ihnen eine Kausalkette entlang der Zeitachse, durch die erstens so früh als
möglich Feedback eingeholt wird und die zweitens nach verschiedenen Perspektiven und Indikatoren misst. In Abbildung 66 wird eine graphische Aufbereitung der GMN-PerformanceMessung anhand eines Beispiels aus der Praxis gezeigt.
511
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 713.
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 713.
513
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 713.
514
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 713.
512
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
GMN-Audit
(Audit der Konzepte)
Initiierung
4.0
Positionierung
5.25
GMN-Scorecard
(Scorecard der Umsetzung)
Initiierung
2.0
152
Controlling der
Finanzergebnisse
Positionierung
2.8
RONA Ist:
RONA Soll:
14.0%
15.5%
3.4
PM
Umsatzwachstum Ist:
Umsatzwachstum Soll:
Veränderung
2.25
4.2
(20%)
Wertschöpfung
5.25
Veränderung
1.8
2.1
(30%)
Wertschöpfung
2.7
6.1%
8.0%
3.0
3.2
(50%)
Ampel-Legende:
Skala
1-6 (6=beste Bewertung)
„dunkel“
„mittel“
„weiss“
Bewertung 1.0 - 2.4
Bewertung 2.5 - 4.4
Bewertung 4.5 - 6.0
3.1
Soll für laufendes Jahr:
Soll Vorjahr:
3.5
2.3
Abbildung 66: Performance-Messung im GMN
Quelle: Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 714.
Um zum Gesamtergebnis von 3.1 zu gelangen, wurde eine Gewichtung der Ergebnisse der
drei Bausteine515 nach dem Schlüssel 2:3:5 vorgenommen. Es stellt sich im vorliegenden Beispiel die Frage, ob das finanzielle Ergebnis schon Ausdruck der gegenwärtigen Führungsarbeit ist oder ob sich letztere darom erst noch durchschlagen wird. Es ist von letzterem auszugehen, wenn man die schlechte Beurteilung der Umsetzung heranzieht.516
Beurteilung anhand der Anforderungen
Der GMN ist ein weiterer Ansatz, welcher prozessuale Anforderungen an die Herleitung eines
Kennzahlensteuerungssystems hervorhebt. Das Arbeitsfeld Performance-Messung legt dar,
dass strategische Initiativen vom Entstehen bis zum Wirksamwerden beobachtet und gemessen werden sollten. Dies bedeutet, dass der GMN konzeptionell die Anforderung der Einbindung eines Kennzahlenssteuerungssystems in den gesamten Managementprozess untermauert. Zudem zeigt der Ansatz auf, dass es in der Praxis unterschiedliche Strategieprozessmodelle gibt und dass die Planungsrationalität des strategischen Managements unterschiedlich ist.
Die Performance-Messung im GMN ist darauf ausgerichtet, möglichst frühzeitig Feedback zur
Qualität der geleisteten Strategie- und Wandelarbeit zu erhalten, um schnell reagieren zu
können. Ziel des GMN ist somit, strategische Initiativen und ihre Auswirkungen von Anfang an
beobachten und beurteilen zu können. Die Performance-Messung im GMN wird dabei weni515
516
Der General Management-Navigator besteht aus fünf Arbeitsfeldern (Initiierung, Positionierung, Wertschöpfung, Veränderung, Performance-Messung), durch welche die Disziplin strategisches Management aus einer
Arbeitsprozesssicht strukturiert wird. Im Arbeitsfeld „Initiierung“ werden strategische Initiativen gestartet. Bei
der Positionierung wird das Verhältnis gegenüber den (externen) Stakeholdern bestimmt. Beim Feld Wertschöpfung wird das Innenleben einer Unternehmung (z.B. Fähigkeiten, Prozesse) ausgestaltet. Nachdem es
bei der Positionierung und Wertschöpfung um den Inhalt strategischer Initiativen ging, behandelt das Feld
Veränderung, ob und wie sie operative Wirksamkeit erlangen. Unter Performance-Messung werden alle Arten
von Ansätzen verstanden, welche den Verlauf von strategischen Initiativen vom Entstehen bis zum Wirksamwerden beobachten und messen (Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 28f.).
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 713.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
153
ger als Kontrollinstrument begriffen, sondern mehr als Möglichkeit zur Beschleunigung organisatorischer Prozesse.517 Die Problemangemessenheit des GMN ist für eine derart umfassende Beurteilung als hoch einzustufen.
Die Benutzer- und Organisationsadäquanz des GMN ist unterschiedlich zu bewerten. Der Ansatz ist ein Instrument, mit dem die Strategie- und Wandelarbeit aller Hierarchiestufen einer
Unternehmung bewertet werden kann. Um die Informationsbedürfnisse aller organisatorischen Stellen zu erfüllen, müssten die drei Konzepte (GMN-Audit, GMN-Scorecard, Financial
Controlling) abteilungs- und stellenspezifische Ausprägungen annehmen. Bereiche und Abteilungen müssten anhand strategischer Kennzahlenvorgaben eigene Ansätze entwickeln.
Aggregiert wie in Abbildung 66 dargestellt, ist der GMN ein Rechensystem. Die Qualität der
Strategie- und Wandelarbeit erfolgt durch die Beurteilung der Konzepte (GMN-Audit), der
Umsetzung (GMN-Scorecard) und deren Ergebnisse (Controlling der Finanzergebnisse). Die
Beurteilung der drei Bereiche wird in einer Spitzenkennzahl aggregiert. Durch diese rechnerische Verknüpfung ist der GMN auf diesem Aggregationsniveau ein konsistenter Ansatz, welcher Ursache-Wirkungsbeziehungen entlang des strategischen Managementprozesses aufzeigt.
Die Flexibilität des GMN ist relativ hoch. Im GMN wird – analog zur Balanced Scorecard –
kein Kennzahlensystem vorgeschrieben. Er beinhaltet vielmehr strukturelle Gestaltungshinweise.
Die Wirtschaftlichkeit der Performance-Messung im GMN ist differenziert zu beurteilen. Der
Nutzen der integrierten und umfassenden Beurteilung der Strategie- und Wandelarbeit ist
gross. Der Ansatz erlaubt eine konzeptionell umfassende Diagnose der Führungsarbeit im
Rahmen des strategischen Managements. Der Aufwand für eine derart umfangreiche Beurteilung ist jedoch hoch. Die qualitativen Beurteilungen (v.a. GMN-Audit) sind insbesondere bei
grösseren Unternehmen zeitintensiv.
Müller-Stewens entwickelte die Performance-Messung im GMN nicht mit dem Ziel, ein klassisches, kennzahlenbasiertes Steuerungsinstrumentarium zu entwerfen. Vielmehr wurde beabsichtigt, mit der Performance-Messung organisatorische Prozesse zu beschleunigen. Auf die
detaillierte Beurteilung des GMN anhand der hinreichenden Anforderungen wird daher an dieser Stelle verzichtet.
Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass der GMN wertvolle Gestaltungshinweise für eine strategische Durchführungs- und Ergebniskontrolle gibt. Der Ansatz fordert grundsätzlich eine wertorientierte Steuerungskonzeption, welche insbesondere im Bereich Controlling des Finanzergebnisses abgebildet sein sollte. Der GMN ist insgesamt ein ausgewogener
Ansatz, welcher finanz- und leistungswirtschaftliche Aspekte integriert, eine ex-ante- und expost-Beurteilung der Strategiearbeit ermöglicht und dabei qualitative wie auch quantitative
Aspekte einbezieht.
Fazit: Die Performance-Messung im GMN ist ein zweckmässiger Ansatz, dessen Nützlichkeit
sich aufgrund seiner Neuartigkeit in der Praxis noch beweisen muss. Der Ansatz vermag in
517
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 741.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
154
einer innovativen Weise, Konzepte, welche sich in der Praxis bewährt haben, zu integrieren.
Er ermöglicht eine umfassende Beurteilung der Strategie- und Wandelarbeit von Unternehmen, eignet sich jedoch weniger als Grundlage für ein kennzahlenbasiertes Kennzahlensteuerungssystem. Trotzdem beinhaltet er wertvolle konzeptionelle Grundzüge.
3.3.4 Marketing Performance-Management nach Reinecke
Konzept und Zielsetzung
Der von Reinecke518 entwickelte Performance-Management-Ansatz beinhaltet ein integriertes
Marketing-Kennzahlensystem, welches auf den im aufgabenorientierten Ansatz519 definierten
Kernaufgaben des Marketings basiert. Ziel des Systems ist die Verbesserung der Effektivität
und Effizienz von Marketing- und Verkaufsmassnahmen. Ferner kann mit dem Kennzahlensystem unterschiedlichen Anspruchsgruppen aufgezeigt werden, zu welchem finanziellen Ergebnis diese Massnahmen geführt haben.
Das System ist zum einen in die drei Hauptebenen Potential, Prozess (=Kernaufgabe) und
Ergebnis gegliedert, zum anderen ist die zweite Ebene – Aufgabensubsystem – analog gegliedert: Hier wird zwischen Input, Prozess und Ergebnis unterschieden.
Formalökonomische Ergebniskennzahlen
Gewinn, Wachstum, Sicherheit
Dynamische Wertgrössen
Finanzwirtschaftliche
Ergebnisse
Potentiale
Kernaufgabenprofil und Marktpositionierung
Kundenakquisition
Kundenbindung
Leistungsinnovation
Leistungspflege
Ergebnis
Ergebnis
Ergebnis
Ergebnis
Prozess
Prozess
Prozess
Prozess
Input
Input
Input
Input
Finanzkapital
Kundenpotentiale
Strukturkapital
Marktpotentiale
Kernaufgaben
(Umgang mit
Marktpotentialen)
Humankapital
Leistungspotentiale
Marktpotentiale
Abbildung 67: Idealtypische Struktur des aufgabenorientierten Marketingkennzahlensystems
Quelle: Reinecke 2004, S. 242.
518
519
Reinecke 2004.
„Der aufgabenorientierte Ansatz rückt mit den so genannten Kernaufgaben des Marketings die zentralen
Wachstums- und Gewinngeneratoren eines Unternehmens bzw. Geschäftsbereichs sowie das Management
der dazu erforderlichen Kompetenzen in den Mittelpunkt der strategischen Marketingplanung. Unternehmen
können ihre Wachstums- und Gewinnziele erreichen, indem sie neue Kunden akquirieren und/oder Preisbereitschaft, Kauffrequenz und -intensität sowie Verbundkäufe (Cross-Selling) von aktuellen Kunden erhöhen.
Zudem können sie versuchen, neue Leistungen in den Markt einzuführen und/oder den Lebenszyklus bestehender Leistungen zu verlängern und zu optimieren.“ Vgl. dazu Tomczak/Reinecke 1996;
Tomczak/Reinecke/Mühlmeier 2002.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
155
1. Ebene: Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen (Ergebnis)
Die erste Ebene des Gesamtkennzahlensystems umfasst die zentralen finanzwirtschaftlichen
Ergebniskennzahlen. Diese messen, inwiefern die festgelegten Gewinn-, Wachstums- und
Sicherheitsziele eines Unternehmens bzw. Geschäftsbereichs erreicht wurden. Dabei erscheint eine Verbindung zu finanzwirtschaftlichen Werttreiberkonzepten erstrebenswert, um
sowohl Dynamik als auch eine bestmögliche Koppelung mit den gesamtunternehmerischen
Zielen sicherzustellen. Die ökonomischen Ergebniskennzahlen werden im Rahmen des Kernaufgabenprofils konkretisiert: Dabei wird definiert und gemessen, in welchen Aufgabenbereichen profitables Wachstum anzustreben ist bzw. erzielt wurde.
2. Ebene: Umgang mit Marktpotentialen (Prozess)
Da finanzielle Kenngrössen allein weder inhaltliche Marketingresultate wiedergeben noch
Strategien operationalisieren können, wird auf der zweiten Stufe der Umgang mit Kundenund Leistungspotentialen (=Marktpotentiale) operationalisiert. Dabei sind insbesondere die
Schlüsselkennzahlen der Marktpositionierung als qualitative Ziel- und Ergebnisgrössen von
Bedeutung.
Die aufgabenbezogene Ebene definiert und konkretisiert die Marketingstrategie. Die Gliederung orientiert sich am grundsätzlichen Planungs- und Steuerungsprozess sowie an der Unterscheidung von Input, Prozess und Ergebnis:
! Je Kernaufgabe müssen die spezifischen finanziellen, materiellen und strukturellen Inputs
bzw. Voraussetzungen operationalisiert und gemessen werden. Hierzu zählt insbesondere
auch das Humankapital.
! In der Prozessebene wird versucht, grundsätzliche Ursache-Wirkungszusammenhänge
sowie Eingriffsmöglichkeiten zu erfassen.
! Das Ergebnis jeder Kernaufgabe zeigt sich im Erreichen sowohl aufgabenspezifischer finanzwirtschaftlicher als auch differenzierter nichtfinanzwirtschaftlicher Zielgrössen.
3. Ebene: Marktpotentiale (Potentiale)
In der dritten Ebene des Kennzahlensystems werden die für das Marketing zentralen Marktpotentiale bewertet. Diese können aus Kunden- oder aus Leistungssicht erfasst werden.
Der Umgang mit Marktpotentialen (2. Ebene) schlägt sich nicht nur in den finanzwirtschaftlichen Ergebnissen (1. Ebene) nieder, sondern wirkt sich auch auf die Potentiale selbst (3. Ebene) aus. Diese Auswirkungen sind zu berücksichtigen, um die langfristige Effektivität und
Effizienz einer marktorientierten Unternehmensführung sicherzustellen.520 Marketingmassnahmen und -ausgaben sind somit sowohl „asset-based” als auch “asset-creating“.521
Alle drei Ebenen sind für eine ausgewogene Steuerung des Marketings zu berücksichtigen.
Durch die Berücksichtigung von Marktpotentialen einerseits und Human-, Struktur- und Finanzkapital andererseits werden die klassischen strategischen Perspektiven einer Inside-outund einer Outside-in-Orientierung kombiniert.
520
521
Vgl. Ambler 2000, S. 7; Maul 2000, S. 530.
Vgl. Piercy 1986, S. 5.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
156
Der Ergebnisebene kommt aufgrund des Controllingziels der Sicherstellung von Effektivität
(Wirksamkeit) eine herausragende Rolle zu. Das Ergebnis kann jedoch nicht ohne eine Beeinflussung der Potential- und Prozessdimension verbessert werden.522
Beurteilung anhand der Anforderungen
Das integrierte Kennzahlensystem von Reinecke soll einerseits zur Steigerung der Effizienz
und Effektivität von Marketing-Massnahmen beitragen und andererseits deren Beitrag zu den
finanziellen Ergebnisgrössen aufzeigen. Es zeichnet sich durch eine konsequente Verknüpfung der strategischen mit der operativen Marketingplanung aus. Somit handelt es sich um ein
echtes Performance-Management-System, das Management- und Controllingaspekte integriert. Das System eignet sich aufgrund seiner Konzeption523 sowohl als Diagnose- als auch
als Steuerungsinstrument. Es beinhaltet eine ausgewogene Mischung aus finanzwirtschaftlichen und marketingspezifischen Kennzahlen. Zudem zeichnet es sich durch eine ausgeprägte Potential- und Wettbewerbsorientierung aus. Seine Problemadäquanz ist hoch zu bewerten.
Reineckes System ist als allgemeines Cockpit für Geschäftsbereichsleiter oder den Leiter von
Marketing und Verkauf ausgerichtet. Für diese Zielgruppe ist die Benutzer- und Organisationsadäquanz hoch, bedingt aber eine enge Einbindung in die inhaltliche Marketingplanung und
die situativen Anpassungen. Die Nützlichkeit ist für die Benutzer hoch, wenn stellenspezifische Perspektiven realisiert und die Kompaktheit und Transparenz sichergestellt werden
(Kombination von Top-down- und Bottom-up-Ansatz).
Die Konzeption des Kennzahlensystems ist durch einen mehrstufigen Aufbau (Potentiale,
Prozesse, Ergebnisse) gekennzeichnet. Ursache-Wirkungszusammenhänge je Kernaufgabe
stellen eine grundsätzliche Logik und Widerspruchsfreiheit sicher. Obwohl Reineckes Ansatz
nicht als Rechensystem konzipiert ist, kann die Konsistenz als relativ hoch eingestuft werden.
Die Flexibilität ist aufgrund seiner Modularität und der Möglichkeit, bei Strategieänderungen
Anpassungen vorzunehmen relativ hoch. Die Integration externer Daten ist möglich und sinnvoll.
Der Aufwand der Datenerhebung und –verarbeitung hängt stark vom Fokus des Systems und
von den ausgewählten Kennzahlen und ihrer Operationalisierung ab. Die Wirtschaftlichkeit ist
somit differenziert zu betrachten und hängt schliesslich auch von den jeweiligen Möglichkeiten
zur informationstechnischen Unterstützung ab.
Bei den hinreichenden Anforderungen kann festgestellt werden, dass Reineckes Ansatz wertvolle konzeptionelle Gestaltungshinweise für ein Kennzahlensteuerungssystem enthält. In der
zweiten Ebene wird sichergestellt, dass für das Marketing kontextspezifische Kennzahlen anhand der Kernaufgabenprofile identifiziert werden können. Diese Vorgehensweise kann konzeptionell als Analogie zur Anforderung der Abbildung der Kundensegmentspezifischen Vertriebskonfiguration gesehen werden. Bei einem Kennzahlensteuerungssystem geht es im
522
523
Vgl. Reinecke 2004, S. 238 ff.
Bei der Konzeption des Kennzahlensystems strebte Reinecke danach, jene Aspekte anderer bestehender
Systeme zu übernehmen, die sich in Theorie und Praxis besonders bewährt haben: Konzept selektiver Kennzahlen, Balanced Scorecard, Managerial Control-System, DuPont-System, Total Quality ManagementModelle, Performance-Measurement in Dienstleistungsunternehmen und Intellectual Capital-Ansätze.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
157
Kern schliesslich auch darum, die Kennzahlen basierend auf den Aufgaben524 der unterschiedlichen Kanäle herzuleiten.
Pro Kernaufgabe werden in der zweiten Ebene Prozesse erfasst, um UrsacheWirkungsbeziehungen aufzuzeigen. Somit wird konzeptionell die Notwendigkeit der Abbildung
von Geschäfts- und Wertschöpfungsprozessen hervorgehoben.
Die Grundstruktur des Ansatzes bildet Marktpotentiale, Kernaufgaben und finanzwirtschaftliche Ergebnisgrössen ab. Implizit werden somit Input, Throughput/Output und Outcome abgebildet. Diese Strukturierung trägt – analog zu den Ansätzen von Kaplan und Norton525 und
Müller-Stewens526 – dazu bei, dass das konzeptionelle Design sich durch eine Zweckmässigkeit für die strategische Durchführungs- und Ergebniskontrolle auszeichnet.
In der ersten Ebene werden finanzwirtschaftliche Ergebnisgrössen abgebildet. Reinecke stellt
fest, dass eine Verbindung zu finanzwirtschaftlichen Werttreiberkonzepten erstrebenswert ist,
um sowohl Dynamik als auch eine bestmögliche Koppelung an die gesamtunternehmerischen
Ziele sicherzustellen. Somit wird die Anforderung der Ausrichtung an einer
wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption ebenfalls berücksichtigt.
Durch die Grundstruktur mit den drei Ebenen wird sichergestellt, dass der Ansatz der Anforderung der Ausgewogenheit des Kennzahlensystemdesigns gerecht wird.
Fazit: Das aufgabenorientierte Kennzahlensystem von Reinecke ist ein innovativer Ansatz für
ein integriertes System im Bereich Marketing. Der Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er
die Vorteile von bestehenden Konzepten konsequent ausnutzt und diese zu einem zweckmässigen Steuerungs- und Diagnoseinstrument für das Marketing integriert. Für die Gestaltung eines Kennzahlensteuerungssystems bietet dieser Ansatz zahlreiche konzeptionelle
Hinweise, welche es zu berücksichtigen gilt.
3.3.5 ibi-Vertriebscockpit
Konzept und Zielsetzung
Das ibi-Vertriebscockpit von Wild527 ist ein integriertes und wertorientiertes Vertriebskennzahlensystem, welches zur Steuerung des Bankvertriebs entwickelt wurde. Das Cockpit basiert
im Kern auf der klassischen Vertriebsergebnisanalyse, welche drei Erfolgsfaktoren beurteilt:
Kunden, Produkte und Vertriebskanäle.528
Der Ansatz wurde von Wild weiterentwickelt. Direkte und indirekte Werttreiber sollen die Ursachen des Vertriebsergebnisses aufzeigen. Bei den Werttreibern handelt es sich einerseits
um weiche, nicht finanzbuchhalterisch erfasste Faktoren wie z.B. Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Andererseits sind dies Faktoren, die Wirkungszusammenhänge zwischen den drei
Betrachtungsdimensionen (Kunden, Produkte, Vertriebskanäle) im klassischen Modell be-
524
525
526
527
528
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.4.2.
Vgl. Abschnitt 3.3.1.
Vgl. Abschnitt 3.3.2.
Vgl. Wild 2005.
Vgl. Schierenbeck 2003, S. 386ff.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
158
schreiben. In Abbildung 68 wird das ibi-Wertdreieck529 aufgezeigt, welches einen erweiterten
Analyserahmen mit sechs Werttreiberdimensionen darstellt.
Die von Wild zusätzlich berücksichtigten Werttreiber sind Betreuungsstärke, Potentialsauschöpfung und Verkaufsstärke. Die Betreuungsstärke beschreibt dabei die Interaktion zwischen Kunden und Vertriebsmitarbeitern, die Potentialausschöpfung die Relation zwischen
Kunden und Produkten und die Verkaufsstärke den Zusammenhang zwischen Produkten und
Vertriebseinheiten.
Vertriebsergebnis
(traditionelle Erfolgsdimensionen)
Kunden
Vertriebskanäle
Produkte
Indirekte Werttreiber
(Einfluss nicht quantifizierbar)
Direkte Werttreiber
(Einfluss quantifizierbar)
Werttreiber im Vertrieb
Potentialausschöpfung
Kunden
Betreuungsstärke
Produkt
Verkaufsstärke
Vertriebseinheit/
Mitarbeiter
Klassische Werttreiber
Abbildung 68: ibi-Wertdreieck
Quelle: Wild 2005, S. 210.
Die sechs Betrachtungsdimensionen dienen der Clusterung zahlreicher, unterschiedlicher
Werttreiber. In Abbildung 70 werden die Dimensionen mit den entsprechenden Werttreibern
im ibi-Vertriebscockpit aufgezeigt.
529
Das ibi-Wertdreieck selber wurde von ibi research entwickelt. Vgl. www.ibi.de.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
VE/Mit
B
re
et
u
g
un
t
ss
är
arbeite
r
Verka
VEPotential
Betreuungsqualität
Pr
Abschlussorientierung
Kun
den
te
Prozesseffizienz
Produktqualität
Mitarbeiterprofitabilität
Kundenpotential
uk
Kundenprofitabilität
Produktprofitabilität
Produktnutzung
Kundenausschöpfung
ial- g
n
ent
Pot höpfu
sc
aus
Kundenbindung
od
Produktstruktur
Verkaufseffizienz
Betreuungsintensität
Kundenveränderung
ufsstä
rke
ke
Mitarbeiterzufriedenheit
159
Vertriebseinheitprofitabilität
Finanzen
Abbildung 69: Struktur des ibi-Vertriebscockpits
Quelle: Wild 2005, S. 218.
Für jede Werttreiberdimension bzw. für jeden einzelnen Werttreiber erarbeitet Wild generische
Kennzahlen. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Funktionstypen von Vertriebskanälen schlägt er vor, ein vertriebswegspezifisches Customizing der Kennzahlen vorzunehmen. Bei den Funktionstypen unterscheidet er zwischen den drei Typen Customer-, Salesund Support-Channel530 .
Beurteilung anhand der Anforderungen
Das Vertriebscockpit von Wild ist von allen bisher vorgestellten Konzeptionen der neueste
Ansatz, welcher zudem spezifisch für den Bankvertrieb entwickelt wurde. Im Mittelpunkt des
Ansatzes steht die Entwicklung eines Analyserahmens, das ibi-Wertdreieck, welches eine
formalisierte und umfassende Kennzahlenanalyse bei filialzentrierten Mehrkanalbanken ermöglicht. Besonderes Merkmal ist, dass neben den klassischen Erfolgsdimensionen Kunden,
Produkte und Vertriebswege die Dimensionen Betreuungsstärke, Potentialausschöpfung und
Verkaufstärke hinzugenommen werden. Sie sind das Ergebnis einer genauen Betrachtung
des Zusammenwirkens der klassischen Dimensionen bei jeder Vertriebseinheit.531
Das ibi-Vertriebscockpit wurde für das Erfolgscontrolling im Mehrkanalvertrieb einer Bank
entwickelt. Der Ansatz berücksichtigt die spezifischen Herausforderungen des Mehrkanalvertriebs und zeichnet sich deshalb durch eine hohe Problemadäquanz aus.
Anhand des allgemeinen Kennzahlenkatalogs und der drei Funktionstypen Customer-, Salesund Support-Channel können vertriebswegspezifische Cockpits abgeleitet werden. Mit diesem
Vorgehen wird eine hohe Nützlichkeit der kanalspezifischen Kennzahlensets erreicht. Auf-
530
531
Vgl. dazu Teil 2, Abschnitt 4.4.2.
Wild 2005, S. 230.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
160
grund dieser Überlegungen kann die Benutzer- und Organisationsadäquanz grundsätzlich als
hoch eingestuft werden.
Das ibi-Vertriebscockpit basiert auf dem ibi-Wertdreieck, welches als Analyserahmen auf
sechs Erfolgsfaktoren bzw. Werttreibern basiert. Der Ansatz berücksichtigt – ähnlich zu anderen integrierten Ansätzen – neben quantitativen auch qualitative Faktoren. Der in Abbildung
69 dargestellte Strukturierungsvorschlag verdeutlicht, dass der Ansatz als Ordnungssystem
konzipiert ist. Ursache-Wirkungsbeziehungen können nur qualitativ aufgezeigt werden. Die
Konsistenz des Ansatzes ist somit eingeschränkt.
Die Flexibilität des ibi-Vertriebscockpits ist hoch. Wild schlägt innerhalb der einzelnen Werttreiberdimensionen generische Werttreiber vor. Pro Werttreiber stehen zahlreiche Kennzahlen
zur Verfügung, welche in Abhängigkeit von den verschiedenen Funktionstypen ausgewählt
werden.
Die Wirtschaftlichkeit des Ansatzes hängt stark von der Anzahl ausgewählter Kennzahlen pro
Werttreiber ab. Der Kennzahlenkatalog beinhaltet nahezu 100 verschiedene Messgrössen,
welche für die unterschiedlichen Funktionstypen ausgewählt werden können.
Bei den hinreichenden Anforderungen gelingt es im Ansatz die kundensegmentsspezifische
Vertriebskonfiguration in den Gründzügen abzubilden. Durch die funktionstypenabhängige
Auswahl von Kennzahlen können die Aufgaben der unterschiedlichen Kanäle vereinfacht abgebildet werden. Mittels des ibi-Vertriebscockpits ist jedoch nicht möglich, die Aufgabenteilung
in Mehrkanalvertriebssystemen bzw. die Schwerpunkte der einzelnen Vertriebskanäle innerhalb des Vertriebsprozesses532 anhand von Kennzahlen zu skizzieren. Ferner ist unklar, wie
sich segmentsspezifische Unterschiede in der Vertriebskonfiguration den Kennzahlen niederschlagen.
Durch das von Wild vorgeschlagene vertriebswegspezifische Customizing gelingt es, die
Kennzahlen pro Kanal kontextspezifisch abzubilden. Mehrkanalsysteme sind durch eine hohe
Vernetztheit der Kanäle gekennzeichnet. Durch die hohe Arbeitsteilung im Vertriebssystem
verlaufen Geschäftsprozesse kanalübergreifend. Die Wertschöpfung gegenüber dem Kunden
wird somit von verschiedenen Kanälen im Verbund erbracht. Das ibi-Vertriebscockpit vermag
jedoch kanalübergreifende Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse nicht aufzuzeigen.
Wild entwickelte das ibi-Vertriebscockpit für das Erfolgscontrolling und zur Umsetzung von
Mehrkanalvertriebsstrategien. Die in Abbildung 69 vorgeschlagene Grundstruktur ermöglicht
von der Konzeption her eine umfassende Ergebniskontrolle533 . Diese ist v.a. darum möglich,
weil der Ansatz auf dem ibi-Wertdreieck basiert, welches einen erweiterten Analyserahmen
der klassischen Ergebnisanalyse darstellt. Aufgrund dieser Konzeption ist der Ansatz jedoch
nur bedingt zweckmässig für eine Durchführungskontrolle. Für eine effektive Durchführungsund Ergebniskontrolle fehlt dem Ansatz eine geeignete Verbindung prozessualer Aspekte
bzw. von Aktivitäten (Throughput und Output) mit Ergebnisgrössen (Outcome).
532
533
Im Vertriebsprozess werden i.d.R. sechs unterschiedliche Schritte unterschieden: Information, Beratung, Vertragsabschluss, Transaktion, Verwaltung/Service, Schliessung/Abwicklung. Vgl. Schwanitz/Ahr 2002.
Vgl. Abschnitt 2.3.3.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
161
Der Anforderung, das Kennzahlensystemdesign an einer wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption auszurichten, wird der Ansatz von Wild gerecht. Das ibi-Wertdreieck gewährleistet eine umfassende Wertorientierung. Die Konzeption ermöglicht eine umfassende Analyse des Vertriebsergebnisses anhand der sechs Werttreiberdimensionen.
Das Kennzahlensystemdesign des ibi-Vertriebscockpits ist relativ ausgewogen, da sowohl
harte als auch weiche Faktoren zur Erklärung des Vertriebsergebnisses herangezogen werden.
Fazit: Das ibi-Vertriebscockpit ist ein neuer und innovativer Ansatz, welcher den Anforderungen für ein Kennzahlensteuerungssystem mehrheitlich gerecht wird. Die kritische Auseinandersetzung mit den notwendigen und hinreichenden Anforderungen zeigte jedoch, dass der
Ansatz einige konzeptionelle Schwächen aufweist. Für die vorliegende Arbeit bietet es dennoch viele wertvolle Gestaltungshinweise, welche es für die Entwicklung eines Kennzahlensteuerungssystems zu berücksichtigen gilt.
3.4 Implikationen bestehender Kennzahlensysteme für ein Kennzahlensteuerungssystem
Die Diskussion und Beurteilung bestehender Kennzahlensysteme in den vorangehenden zwei
Abschnitten hat gezeigt, dass es kein allgemein gültiges betriebswirtschaftliches Kennzahlensystem gibt. Jedoch lassen sich aus den diskutierten Systemen zahlreiche Grundprinzipien
ableiten, die wertvolle Implikationen für ein Kennzahlensteuerungssystem darstellen.
Finanzwirtschaftlich orientierte Kennzahlensysteme berücksichtigen Sachzieldimensionen
ungenügend und vernachlässigen Markt-, Kunden- und insbesondere Konkurrenzorientierung. Zudem weisen sie bei den allgemeinen Anforderungen Flexibilität sowie Benutzer- und
Organisationsadäquanz Schwächen auf. Finanzwirtschaftliche Kennzahlensysteme zeichnen
sich aber i.d.R. durch eine hohe Konsistenz aus, weil sie meist als Rechensysteme ausgestaltet sind. Folgende konzeptionelle Aspekte der einzelnen Kennzahlensysteme sollten beim
Design eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb einer Bank berücksichtigt werden:
! Das DuPont-System of Financial Control ist in Bezug auf die Konsistenz eines Kennzahlensystems durch seine hierarchisch-mathematische Struktur und durch eine Spitzenkennzahl vorbildlich.
! Reichmann und Palloks zeigen in ihrem Vertriebskennzahlensystem die Möglichkeiten von
Analysesystemen auf und betonen auch die Bedeutung einer stellenspezifischen Informationsaufbereitung.
! Shareholder-Value-Ansätze zeigen auf, dass dynamische Quantifizierungen in ein Kennzahlensystem einzubeziehen und alle Strategien und Massnahmen konsequent auf ihre finanzwirtschaftlichen Implikationen zu überprüfen sind.
Integrierte Kennzahlensysteme weisen für die Distribution eine höhere Problemangemessenheit auf. Trotz geringerer Konsistenz solcher Systeme offenbaren sie bezüglich der anderen
Anforderungen wichtige Grundprinzipien, welche für eine integrierte Vertriebssteuerung berücksichtigt werden sollten:
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
162
! Die Balanced Scorecard ist ein Vorbild für ein ausgewogenes und mehrdimensionales
Steuerungssystem zur Strategieumsetzung. Die BSC ist ein integrierter Ansatz, welcher als
umfassender Handlungsrahmen zur Planung, Implementierung und Kontrolle von Strategien dient.
! Intellectual Capital-Ansätze sind insbesondere dafür geeignet, den Beitrag des Wissens für
die Erreichung operativer und strategischer Ziele zu messen. Das Wissen sollte in einem
Kennzahlensteuerungssystem als eine zentrale Determinante für die effektive und effiziente Abwicklung von Vertriebsprozessen in einem Mehrkanalsystem betrachtet werden.
! Die Konzeption der Performance-Messung im St.Galler General Management Navigator
zeigt auf, wie die Strategiearbeit – von den Konzepten (Input) über die Umsetzung
(Throughput und Output) bis zu den finanzwirtschaftlichen Ergebnissen (Outcome) – von
Unternehmen umfassend beurteilt werden kann.
! Das Marketing-Performance-Management von Reinecke unterstreicht, dass bei Kennzahlensystemen die ausschliessliche Orientierung am finanzwirtschaftlichen Wertgedanken
nicht ausreicht, weil wertorientierte Kenngrössen ohne ein strategisches Fundament bedeutungslos sind. Dieses Fundament wird in seinem Ansatz anhand der Kernaufgaben operationalisiert und dient als Bindeglied zwischen finanzwirtschaftlichen Ergebnisgrössen
(Outcome) und Marktpotentialen.
! Im ibi-Vertriebscockpit gelingt es durch die Definition von verschiedenen Funktionstypen,
denkbare vertriebsstrategische Positionierungen im Mehrkanalvertrieb aufzuzeigen. Durch
die unterschiedlichen Positionierungsansätze wird die systematische Identifikation kanalspezifischer Kennzahlen erleichtert.
Die Analyse der Konzeptionsvorschläge bestehender Kennzahlensysteme diente dazu, Aspekte zu identifizieren, die Vorbildcharakter oder ein exploratives Potential für die Konzeption
eines Kennzahlensteuerungssystems haben. Die aufgeführten Implikationen sollen im Sinne
von „Best Practice“-Hinweisen für die Gestaltung eines Kennzahlensteuerungssystems berücksichtigt werden.
4. Konzeptionelle Rahmenbedingungen für ein Kennzahlensteuerungssystem
Zweck dieses abschliessenden Kapitels ist die Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse
von Teil 3. Sie bilden die konzeptionellen Rahmenbedingungen für die Gestaltung eines
Kennzahlensteuerungssystems in Teil 4.
Die Grundlage für Teil 3 waren die theoretischen Implikationen, welche unter Berücksichtigung der Problemkategorien534 hergeleitet wurden. Zu Beginn von Teil 3 wurden die Problemkategorien in die Anforderungsdimensionen Prozess, Kontext und Messkonzeption überführt.
534
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.1.3.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
163
Im Anschluss wurden pro Dimension notwendige und hinreichende Anforderungen definiert.
Diese basierten auf den allgemeinen Gütekriterien für Kennzahlensysteme535 und beziehen
sich unabhängig deren Zweck536 auf alle Arten537 von Kennzahlensystemen. Die Anforderungen wurden daher um spezifische Aspekte für Systeme mit dem Zweck der strategischen
Steuerung des Mehrkanalvertrieb von Banken ergänzt.
Kennzahlensysteme sollten situationsabhängig entwickelt werden, um hohe Nützlichkeit für
die Benutzer zu gewährleisten.538 Die notwendigen Anforderungen waren daher noch nicht
ausreichend, weil sie generell für Systeme mit dem Zweck der strategischen Steuerung aber
unabhängig von Branche oder Funktionsbereich gültig sind. Zur weiteren Präzisierung der
Anforderungen wurden daher hinreichende Kriterien definiert, um spezifische Aspekte des
Mehrkanalvertriebs539 von Banken zu berücksichtigen.
In Abbildung 70 werden die notwendigen und die hinreichenden Anforderungen pro Dimension im Überblick gezeigt, welche im Rahmen von Expertengesprächen540 auf ihre praktische
Relevanz überprüft wurden.
535
536
537
538
539
540
Vgl. Teil 2, Abschnitt 6.3.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 6.2.2.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 6.2.2.
Vgl. Siegwart 1998, S. 147; Reinecke 2004, S. 388; Wild 2005, S. 211.
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.1.
Vgl. Anhang 2.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
Anforderungsdimensionen
164
Hinreichende Anforderungen an ein
Kennzahlensteuerungssystem für den
Mehrkanalvertrieb einer Bank
Notwendige Anforderungen an ein
Kennzahlensteuerungssystem
! Einbindung in den gesamten ManagementProzess
(situativ)
"
Strategieprozessund organisationskonformes
Entwicklungsvorgehen
!
prozess
– Kennzahlensystem als umfassender
Handlungsrahmen zur Planung,
Implementierung und Kontrolle von
Strategien
Konformität mit dem
Strategieprozessmodell
– Berücksichtigung der Planungsrationalität
des strategischen Managements
! Problemangemessenheit
– Kennzahlen entsprechen inhaltlich dem
Kontext
(situativ)
"
Kontextspezifische
Kennzahlen
!
Zweck der Steuerung und verfügen über
einen geeigneten Informationsgrad
– Angemessene Informationsqualität und
Robustheit
Benutzer- und Organisationsadäquanz
– Kompatibilität mit der
Organisationsstruktur
– Wahrgenommene Nützlichkeit für
Stakeholder
– Glaubwürdigkeit (Realitätsbezug,
Spezifität)
! Berücksichtigung des Koordinationsansatzes
und der Organisation des Mehrkanalvertriebs
– Entwicklungsvorgehen, welches die Art und
Weise, wie das Mehrkanalvertriebssystem
koordiniert wird und wie es organisiert ist,
berücksichtigt
! Abbildung der kundensegmentspezifischen
!
Vertriebskonfiguration
– Kennzahlen, welche den
segmentspezifischen Absatzkanalmix (Anzahl
und Art der Kanäle, Aufgabenverteilung
zwischen den Kanälen) abbilden
Abbildung kanalübergreifender Geschäftsund Wertschöpfungsprozesse
– Kennzahlen, welche zentrale Prozesse und
Aktivitäten im Mehrkanalsystem abbilden
! Zweckmässiges Kennzahlensystemdesign
Messkonzeption
(normativ)
"
Messkonzeptionsgerechtes
Kennzahlensystemdesign
! Konsistenz
– Ursache-Wirkungszusammenhang
– Widerspruchsfreiheit
– Eindeutige Operationalisierung der
Messung
!
-verarbeitung
!
! Flexibilität
– Dynamisierbarkeit des Systems
– Modularität
! Wirtschaftlichkeit
– Aufwand der Datenerhebung und
– Hoher Automatisierungsgrad
zur strategischen Durchführungs- und
Ergebniskontrolle
– Kennzahlensystemdesign, welches zur
Messung der Umsetzungsqualität und der
Ergebnisse einer Mehrkanalvertriebsstrategie
geeignet ist
Ausrichtung des Kennzahlensystemdesigns
an einer wert(treiber)orientierten
Steuerungskonzeption
– Kennzahlensystemdesign, welches sich
konzeptionell an der Wertorientierung als
oberstes Steuerungsziel einer Bank orientiert
Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign für
eine integrierte Vertriebssteuerung
– Kennzahlensystemdesign, welches durch
eine umfassende Messkonzeption eine
integrierte Vertriebssteuerung ermöglicht
Abbildung 70: Übersicht der Anforderungen
Quelle: eigene Darstellung.
Anhand der notwendigen und der hinreichenden Anforderungen wurden bestehende Konzeptionsvorschläge von betriebswirtschaftlichen Kennzahlensystemen evaluiert. Die Evaluation
verfolgte – im Sinne einer Metaanalyse – das Ziel, Aspekte zu identifizieren, die für die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems beachtet werden müssen.
Die folgenden zentralen Erkenntnisse von Teil 3 stellen die konzeptionellen Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines Kennzahlensteuerungssystems dar:
Berücksichtigung inhaltlicher und formaler Anforderungen: Für die Entwicklung eines nützlichen Kennzahlensystems für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs einer Bank gilt es, inhaltliche und formale Anforderungen zu berücksichtigen. Der Inhalt eines Kennzahlensystems
wird primär von den Dimensionen Prozess und Kontext massgebend beeinflusst.
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
165
! In der Dimension Prozess lautet die Kernanforderung, dass das Entwicklungsvorgehen
eines Kennzahlensteuerungssystems strategieprozess- und organisationskonform sein
sollte. Dies bedeutet, dass beim Herleiten eines Kennzahlensteuerungssystems strategieprozessuale und organisatorische Aspekte berücksichtigt werden sollten. Die Dimension
Prozess hat daher situativen Charakter, da die darin enthaltenen Anforderungen bzw. Einflussfaktoren unterschiedliche Ausprägungen annehmen können.
! In der Dimension Kontext lautet die Kernanforderung, dass Kennzahlen kontextspezifisch541 sein sollten, damit sie im konkreten Verwendungszweck nützlich sein können. Dies
bedeutet, dass die Identifikation der relevanten Kennzahlen für ein Kennzahlensteuerungssystem vom Kontext abhängig ist. Die Dimension Kontext hat daher auch situativen Charakter, da die darin enthaltenen Anforderungen unterschiedliche Ausprägungen annehmen
können. Die jeweiligen Ausprägungen haben somit einen Einfluss auf die Auswahl der
„richtigen“ Kennzahlen.
! In der Dimension Messkonzeption lautet die Kernanforderung, dass das Kennzahlensystemdesign messkonzeptionsgerecht ausgestaltet sein sollte. Dies bedeutet, dass das
Grunddesign542 des Kennzahlensystems für den Zweck der Vertriebssteuerung geeignet
sein sollte. Die Dimension beinhaltet i.w.S. messkonzeptionstechnische Aspekte, welche
bei der Entwicklung eines Kennzahlensteuerungssystems berücksichtigt werden sollten.
Die Dimension Messkonzeption hat normativen Charakter, weil die darin enthaltenen Anforderungen keine unterschiedlichen Ausprägungen annehmen.
Berücksichtigung notwendiger und hinreichender Anforderungen: Kennzahlensteuerungssysteme sollten den notwendigen und den hinreichenden Anforderungen in Abbildung 71 gerecht
werden, um Wirksamkeit und Nützlichkeit zu entfalten. Allerdings wurde dargelegt, dass kein
Kennzahlensystem alle Anforderungen optimal erfüllen kann, weil zwischen den Kriterien Zielkonflikte bestehen.
Notwendigkeit der Weiterentwicklung bestehender Konzeptionen: Eine kritische Analyse ausgewählter betriebswirtschaftlicher Kennzahlensysteme hat neben mehr oder weniger ausgeprägten konzeptionellen Defiziten gezeigt, dass die meisten der dargestellten Kennzahlensysteme wertvolle Erkenntnisse bieten. Diese gilt es, bei der Konstruktion eines spezifischen
Kennzahlensystems für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs einer Bank zu nutzen. So
zeichnen sich einige Kennzahlensysteme durch eine mustergültige Konsistenz (DuPont System of Financial Control) oder Quantifizierung (Werttreiberhierarchien) aus, während andere
instrumental zur Strategieumsetzung (Balanced Scorecard, Marketing-PerformanceManagement, St.Galler Management-Navigator) beitragen, oder schon erste Ansätze für die
541
542
Siegwart fordert, dass Kennzahlensysteme situationsabhängig auszugestalten sind und an den spezifischen
Kontext angepasst werden sollten (vgl. Siegwart 1998, S. 147). Reinecke weist in seiner Habilitation empirisch
nach, dass die inhaltliche Ausgestaltung von Kennzahlensystemen und somit die Auswahl der jeweils relevanten Kennzahlen von zahlreichen exogenen (Branche, Konkurrenz, Umfeld) und endogenen Faktoren (Unternehmensstrategie, Unternehmenskultur, Organisationsform, Führungsstil etc.) abhängig ist (vgl. Reinecke
2004, S. 388ff.). Die Forderungen von Siegwart und Reinecke werden in der vorliegenden Arbeit konzeptionell
in der Dimension Kontext berücksichtigt.
Unter dem Design wird in dieser Arbeit die Grundkonzeption eines Kennzahlensystems verstanden (vgl.
Reinecke 2004, S. 84ff.).
TEIL 3: ANFORDERUNGEN AN EIN KENNZAHLENSTEURUNGSSYSTEM
166
Herleitung spezifischer Kennzahlen für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs einer Bank (ibiVertriebscockpit) darstellen.
Die Analyse der verschiedenen betriebswirtschaftlichen Kennzahlensysteme hat auch gezeigt, dass diese i.d.R. kaum einen spezifischen Bezug zu Mehrkanalvertriebssystemen von
Banken aufweisen: Traditionelle Kennzahlensysteme und Werttreiberhierarchien sind meist
primär finanzwirtschaftlich ausgerichtet, während es sich bei moderneren Kennzahlensystemen wie der Balanced Scorecard, der Performance-Messung im St.Galler ManagementNavigator, dem Marketing-Performance-Management nach Reinecke zwar um integrierte Ansätze handelt, allerdings zumeist ohne differenzierten Bezug zur strategischen Steuerung von
Mehrkanalsystemen in der Bankbranche.
Der bisher einzige spezifische und zugleich neuste Ansatz ist das ibi-Vertriebscockpit,543 welches erste wertvolle Gestaltungshinweise liefert. Kern des Ansatzes ist die Einführung unterschiedlicher Funktionstypen im Mehrkanalvertrieb und die darauf basierende Herleitung kanalspezifischer Kennzahlen. Die kritische Gegenüberstellung des Ansatzes mit den notwendigen und den hinreichenden Anforderungen wies jedoch auf Defizite hin. Die Funktionstypen
machen nur relativ allgemeine Aussagen über die vertriebsstrategische Positionierung von
Kanälen. Welche Aufgaben die Funktionstypen544 im Vertriebsprozess545 übernehmen und
welche Auswirkungen dies auf die relevanten Kennzahlen hat, wird nicht im Detail geklärt.
Zudem wird nicht aufgezeigt, wie einzelne Vertriebskanäle in Abhängigkeit von den Kundensegmenten unterschiedlich positioniert werden können. Eine der zentralen Anforderungen –
die der Abbildung von kanalübergreifenden Geschäfts- und Wertschöpfungsprozessen – erfüllt der Ansatz nicht. Dadurch wird eine der massgebenden Eigenschaften eines Mehrkanalvertriebssystems – die Interaktion oder Vernetztheit von Kanälen – nicht mit Kennzahlen wiedergegeben. Das Ausbleiben solcher Kennzahlen führt zu erheblichen Nachteilen bei der
Steuerung von Geschäftsprozessen in Mehrkanalsystemen.
543
544
545
Das ibi-Vertriebscockpit wurde erstmals in der Dissertation von Wild 2005 im November 2005 vorgestellt.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.4.2.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 3.2.2.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 167
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS
1. Überblick und Einführung
In Teil 4 wird die Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem erarbeitet, welches für die
Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems einer Bank geeignet ist. Beim Entwurf der Konzeption bzw. der idealtypischen Struktur wurde danach gestrebt,
!
die in Teil 3 erläuterten notwendigen und hinreichenden Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem zu berücksichtigen,
!
die Erkenntnisse und Implikationen aus der Beurteilung bestehender Konzepte einzubeziehen,
!
die aus der Fallstudie Credit Suisse Private Clients gewonnenen Hinweise aus der praktischen Anwendung zu integrieren.
Durch die theoretische Fundierung der Konzeption unterscheidet sich der Entwurf grundlegend von den meisten bisherigen Kennzahlensystemen, welche für die Vertriebssteuerung in
Banken eingesetzt werden. Aufgrund der engen Koppelung an die Mehrkanalvertriebsstrategie und -planung wird versucht, nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Handlungsanweisungen abzuleiten. Beim Entwurf der idealtypischen Struktur handelt es sich daher nicht lediglich um ein Konzept einer Scorecard, das dazu dient, eine definierte Strategie umzusetzen.
Vielmehr dient der Ansatz auch als inhaltlicher Rahmen zur Definition von Mehrkanalvertriebsstrategien.
Teil 4 ist in vier Kapitel unterteilt. Nach diesem einführenden Kapitel wird in Kapitel 2 die idealtypische Struktur des Kennzahlensteuerungssystems erläutert. Die theoretische Beschreibung
der einzelnen Ebenen wird jeweils mit den praktischen Erkenntnissen aus der separaten Einzelfallstudie ergänzt. In Kapitel 3 werden zentrale Aspekte beim Einsatz des Kennzahlensteuerungssystems im Rahmen einer integrierten Vertriebssteuerung beschrieben. Im letzten Kapitel werden die zentralen Erkenntnisse schliesslich zusammengefasst.
2. Idealtypische Struktur eines Kennzahlensteuerungssystems
2.1 Grundkonzept und Aufbau des Kennzahlensteuerungssystems
In den beiden folgenden Abschnitten werden das Grundkonzept und die Grundstruktur des
Kennzahlensteuerungssystems beschrieben. Mittels des Grundkonzepts wird insbesondere
erläutert, wie die notwendige Anforderung der Konsistenz im Kennzahlensteuerungssystem
berücksichtigt wurde. Im Hinblick auf die Grundstruktur ist diese Anforderung ein Kernbestandteil. Im Anschluss wird die Grundstruktur des Systems im Überblick erläutert.
2.1.1 Der Bezug zu Potentialen, Prozessen und Ergebnissen
In den notwendigen Anforderungen an ein Kennzahlensystem in Teil 3 wurde die Bedeutung
eines konsistenten Aufbaus hervorgehoben. Die Konsistenz hängt eng mit dem Wissen über
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 168
die zu beschreibenden Faktoren zusammen. Je mehr Wissen vorhanden ist, desto eher lassen sich eindeutige Ursache-Wirkungsmechanismen im Sinne eines Rechensystems aufzeigen. Bei geringem Wissensstand sind jeweils nur logische Ordnungssysteme oder sogar lediglich deskriptive Systeme möglich.546
Vorgang völlig
verstanden
Einflussfaktoren
bekannt
Einflussgrössen
messbar
Kontrolle der
Einflussgrössen
(Stabilisierung)
vollständiges Wissen
über alle UrsacheWirkungsbeziehungen
Verständnis der
Gesetze, denen der
Prozess folgt
(know why)
Prognose der
Outputveränderungen
bei Inputvariierung
Kontrolle der Varianz
(Rezeptbuch)
Abbildung 71: Evolutionsmodell des Wissens
Quelle: Probst 1997, S. 330.
In Abbildung 71 wird ein Evolutionsmodell des Wissens skizziert. Anhand des Modells lässt
sich zeigen, dass der Stand Wissens in der Unternehmenspraxis stark variieren kann: Vollständige Kenntnis über Ursache-Wirkungsbeziehungen ist ausser bei mathematischen Zusammenhänge bei den finanzwirtschaftlichen Kenngrössen eher selten. I.d.R. sind jedoch
lediglich einzelne Einflussgrössen messbar oder auch nur bekannt. Gewisse Ungenauigkeiten
bzw. Unwägbarkeiten sind somit bei Kennzahlensystemen in der Distribution immanent.
Aufgrund der Vielzahl möglicher Ursache-Wirkungsbeziehungen stellt sich die Frage, wie die
Grundstrukturierung eines Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb aussehen
könnte. Für die vorliegende Arbeit wird auf einen prozessorientierten Ansatz zurückgegriffen,
welcher sich an die Argumentationskette der resource-based View (vgl. Abbildung 72) anlehnt: Wenn ein Input als wertvoll gilt, wird er als Ressource bezeichnet. Die Kombination unterschiedlicher Ressourcen führt zu Kompetenzen, welche im Rahmen von Prozessen eingesetzt werden. Dies wiederum führt zu einem gewissen Effekt, welcher als Ergebnis gemessen
werden kann.
Input
Ressourcen
Veredelung
Kompetenzen
grundsätzliche
Aktivierbarkeit
Prozesse
konkrekte
Aktivierung
Ergebnis
Effekt
Abbildung 72: Argumentationskette der resource-based View
Quelle: Freiling 2001, S. 87.
Diese prozessorientierte Grundstruktur ermöglicht insbesondere eine Analogie zum Qualitätsund Dienstleistungsmanagement. Hilke hat hierzu eine phasenbezogene Integration vorgenommen und die folgende Dreiteilung entwickelt:547
! Potentialorientierung: Fähigkeiten und Bereitschaft des Anbieters;
! Prozessorientierung: Tätigkeiten während der Leistungserstellung bzw. Bedarfsdeckung;
546
547
Vgl. Reinecke 2004, S. 238.
Vgl. Hilke 1984, S. 17ff.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 169
! Ergebnisorientierung: Ergebnis in Form einer nutzenstiftenden Wirkung bzw. Grad der Erreichung der Leistungsziele.
Eine Dreiteilung nach dieser Logik findet man v.a. beim Management und Controlling intangibler Marketingassets548 und in der Argumentationskette der resource-based View.549 Diese
Struktur ist verwandt (wenn auch nicht identisch) mit klassischen Kontrollkonzepten, die zwischen Ergebnis-, Tätigkeits- und Prämissenkontrollen unterscheiden.550 Die zentrale Herausforderung dieser Dreiteilung besteht in der Abgrenzung der Prozesse. Beispielsweise ist es
nicht trivial, zwischen Ergebnissen und Ergebnistreibern zu unterscheiden: Ist Kundenzufriedenheit ein Resultat oder lediglich ein Zwischenergebnis, um Käufe zu generieren? Da jeder
Prozess in mehrere Teilprozesse zerlegt werden kann, führt dies zu definitorischen Ungenauigkeiten und zu einer verwirrenden Terminologie:551 Ergebniskennzahlen werden in der Literatur beispielsweise auch bezeichnet als Lagging Indicators, Outputmassgrössen, Primary
Measures, Outputmasse, Ergebnisleistungsmasse, End-of-Process-Measures oder Outcome
Measures. Für Ergebnistreiberkennzahlen finden sich Begriffe wie Leading Indicators, Performance Drivers, Prozessmassgrössen, Secondary Measures, Determinants, ProzessLeistungsmasse, In-Process Measures und Proactive Measures.
Ob eine Grösse Ergebnis oder Ergebnistreiber ist, hängt primär von der Abgrenzung des Systems ab. So können dieselben Kennzahlen für den Mehrkanalvertrieb Ergebnisse und für das
Gesamtunternehmen Ergebnistreiber sein. Die Herausforderung bei solchen komplexen Mittel-Zweck-Beziehungen besteht darin, dass ein und dieselben Ziele sowohl Zweck als auch
Mittelcharakter besitzen können. Dies bedeutet, dass jedes nachgeordnete Ziel zugleich das
Mittel für das übergeordnete Ziel darstellt. Es ist aber selbst wiederum Zweck (Ziel), welcher
aufgrund ihm nachgeordneter Ziele (Mittel) realisiert werden soll. Ein mechanistisches Ableiten von Zielen ist daher häufig nicht möglich. Es können lediglich plausible Zweck-MittelVermutungen aufgestellt werden.552
2.1.2 Grundstruktur des Kennzahlensteuerungssystems
In Abbildung 73 wird die idealtypische Struktur dargestellt, auf deren Basis für eine Bank ein
Kennzahlensteuerungssystem entworfen werden kann, das für die strategieorientierte Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems geeignet ist. In Anlehnung an das prozessorientierte
Grundkonzept (Potentiale, Prozesse, Ergebnisse) ist das Kennzahlensystem in die drei Ebenen Ressourcen und Marktpotentiale, Vertriebsaufgaben und –prozesse und Finanzwirtschaftliche Ergebnisse gegliedert. Abbildung 73 skizziert die Struktur im Überblick:
548
Vgl. Guilding/Pike 1990, S. 45f.
Vgl. Freiling 2001, S. 87.
550
Vgl. Böcker 1991, S. 106.
551
Siehe hierzu den Vergleich von Begriffsdefinitionen unterschiedlicher Autoren bei Gleich 2001, S. 221.
552
Vgl. Becker 2001, S. 87.
549
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 170
Form der
strategischen
Kontrolle
Ebenen und Zieldimensionen
Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen
Outcome:
Ergebniskontrolle
Gewinn, Rentabilität, Risiko, Wachstum
Dynamische Wertgrössen
Finanzwirtschaftliche
Ergebnisse
Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen
Output:
Wirksamkeitskontrolle
Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs
Kundenwert
Produkt-/Serviceerfolg
Vertriebssystemeffizienz
Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie
Throughput:
Durchführungskontrolle
Aufgabenprofil
Kanal A
Aufgabenprofil
Kanal B
Aufgabenprofil
Kanal C
Aufgabenprofil
Kanal D
Output
Output
Output
Output
Prozess
Prozess
Prozess
Prozess
Input
Input
Input
Input
Vertriebsaufgaben
und -prozesse
(Umgang mit Marktpotentialen und Ressourcen)
Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen
Unternehmungsressourcen
Input:
Inputkontrolle
Finanzkapital
Strukturkapital
Kundenpotentiale
Produkt-/Servicepotentiale
Humankapital
Ressourcen und
Marktpotentiale
Marktpotentiale
Vertriebssystempotentiale
Abbildung 73: Idealtypische Struktur des Kennzahlensteuerungssystems
Quelle: Eigene Darstellung.
Ebene 1: Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen (Ergebnis)
Die erste Ebene des Kennzahlensystems beinhaltet die zentralen finanzwirtschaftlichen Ergebniskennzahlen. Mit diesen wird gemessen, inwiefern die festgelegten Gewinn-, Rentabilitäts-, Risiko- und Wachstumsziele einer Bank bzw. eines Geschäftsbereichs erreicht wurden.
In dieser Ebene erscheint die Verbindung zu finanzwirtschaftlichen Werttreiberkonzepten erstrebenswert, um sowohl Dynamik als auch eine bestmögliche Koppelung an die gesamtunternehmerischen Ziele sicherzustellen. Die finanzwirtschaftlichen Ergebniskennzahlen werden
anhand der Vertriebsaufgaben und -prozesse der Ebene 2 konkretisiert. Dabei wird definiert
und gemessen, in welchen kanalübergreifenden Hauptaufgaben bzw. in welchen Vertriebskanälen welche Wertschöpfungsbeiträge realisiert wurden.
Ebene 2: Vertriebsaufgaben und -prozesse (Prozess)
Finanzielle Kenngrössen haben den Nachteil, dass sie weder inhaltliche Resultate eines
Mehrkanalsystems noch die Strategien operationalisieren können. In der zweiten Ebene wird
daher der Umgang mit Marktpotentialen und Unternehmungsressourcen anhand konkreter
Vertriebsaufgaben und -prozesse operationalisiert. Es wird dabei zwischen kanalübergreifenden Hauptaufgaben des gesamten Mehrkanalvertriebs und kanalspezifischen Aufgaben unterschieden.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 171
Mittels kanalübergreifenden Hauptaufgaben und kanalspezifischen Aufgabenprofilen wird die
Mehrkanalvertriebsstrategie einer Bank definiert und operationalisiert. Die Gliederung der kanalspezifischen Aufgaben orientiert sich in den Grundzügen am Prozess des strategischen
Managements und an der weiteren Unterscheidung von Input, Prozess und Ergebnis:
! Pro Kanal müssen die finanziellen, strukturellen und personellen Inputs bzw. Voraussetzungen operationalisiert und gemessen werden.
! Die Prozessebene dient dazu, grundsätzliche Ursache-Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen, um Steuerungseingriffe zu ermöglichen.
! Der Output jeder Kanals zeigt sich im Erreichen der Zielgrössen in Bezug auf die in der
Mehrkanalvertriebsstrategie definierten Aufgabenprofile.
Ebene 3: Ressourcen und Marktpotentiale (Potential)
Die dritte Ebene des Kennzahlensystems bewertet die für den Mehrkanalvertrieb zentralen
Unternehmungsressourcen und Marktpotentiale in einem mittel- bis langfristigen Kontext. Diese Ebene übernimmt somit die Funktion eines strategischen Radars für das Monitoring kritischer Voraussetzungen und Determinanten für den Mehrkanalvertrieb. Ein Teil dieser strategischen Grössen wird in der zweiten Ebene als Input berücksichtigt.
Der Umgang mit Marktpotentialen und Unternehmungsressourcen in Ebene 2 schlägt sich
nicht nur in den finanzwirtschaftlichen Ergebnissen der Ebene 1 nieder, sondern hat auch
Auswirkungen auf die Ebene 3. Diesen Grundgedanke gilt es zu berücksichtigen, um die langfristige Effektivität und Effizienz eines Mehrkanalvertriebssystems sicherzustellen. Analog zu
Marketingmassnahmen sind auch Vertriebsmassnahmen sowohl „asset-based“ als auch „asset-creating“553 .
Die drei Ebenen sind die Basis für ein ausgewogenes Kennzahlensystemdesign einer integrierten Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems. Durch die Berücksichtigung von Marktpotentialen einerseits und Finanz-, Struktur- und Humankapital andererseits werden die klassischen strategischen Perspektiven einer Inside-out- und einer Outside-in-Orientierung kombiniert.
Die Ergebnisebene nimmt in Bezug auf das Controllingziel – die Sicherstellung von Effektivität
– eine herausragende Rolle ein. Das Ergebnis kann jedoch nicht ohne eine Beeinflussung der
Potential- und Prozessdimension verbessert werden.
Gemäss dem Evolutionsmodell des Wissens (vgl. Abbildung 71) sind das verfügbare Wissen
sowie die Beherrschbarkeit der Prozesse in den einzelnen Ebenen des Kennzahlensystems
unterschiedlich. Insbesondere kann in der Ebene 3 eventuell keine Messung, sondern lediglich eine Bewertung oder Beurteilung erfolgen.
2.2 Ebene 1: Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen
Bei der Herleitung eines Kennzahlensystems steht meistens die Komplexitätsreduktion im
Vordergrund. Dies kann durch das Festlegen eines Formalziels, durch Grobformulieren eines
generellen Anspruchsniveaus oder durch das Verringern der Informationsmenge auf ent553
Piercy 1986, S. 5.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 172
scheidungsrelevante Informationen mit Hilfe von Kennzahlen erfolgen.554 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem übergeordneten Unternehmensziel einer Bank. Wählt
man die Perspektive der Unternehmenseigner, kommt dem Gewinn in seiner dynamischen
Betrachtung als Shareholder-Value sicherlich Priorität zu. Wählt man dagegen die Perspektive
des Unternehmens als System, steht die Erhaltung des Unternehmens555 und somit dessen
Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit556 im Zentrum. Banken verfolgen aufgrund ihres erwerbswirtschaftlichen Charakters die Gewinn- bzw. Shareholder-Value-Maximierung. Die
Ausrichtung der nachfolgenden Ausführungen auf den Unternehmensgewinn scheint daher
angemessen und gerechtfertigt.
Vor der Herleitung und Erläuterung finanzwirtschaftlicher Ergebniskennzahlen soll an dieser
Stelle auf deren Funktion eingegangen werden. Neben der Funktion der Komplexitätsreduktion wird mittels finanzwirtschaftlichen Schlüsselkennzahlen das Zielsystem einer Mehrkanalvertriebsstrategie operationalisiert und verdichtet. Die Kennzahlen übernehmen zudem die
Verbindungsfunktion zu den Zielen und den Steuerungssystemen auf Stufe Gesamtbank.
Im Anschluss werden die Kennzahlendimensionen für die Ebene der finanzwirtschaftlichen
Ergebniskennzahlen systematisch hergeleitet. Dazu wird die Vertriebssteuerung vor dem Hintergrund der Gesamtbanksteuerung betrachtet, um die relevanten Steuerungsobjekte des
Mehrkanalvertriebs abzugrenzen. Anschliessend werden die verschiedenen Kennzahlendimensionen beispielhaft anhand möglicher Kennzahlen operationalisiert.
2.2.1 Die Vertriebssteuerung als Teil der Gesamtbanksteuerung
Die Herleitung geeigneter Kennzahlen für die Ebene 1 muss im Rahmen des Konzepts der
Gesamtbanksteuerung erfolgen.557 Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die
Kennzahlen die eingangs erwähnte Verbindungs- und Komplexitätsreduktionsfunktion wahrnehmen können.
Der duale Charakter der Gesamtbanksteuerung
Die Ausgestaltung eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb leitet sich
aus dem (dualen) Wesen der Banksteuerung ab, das im dualen Steuerungsmodell seinen
Niederschlag findet. Der Begriff der Dualität kennt dabei die folgenden Dimensionen, die auch
als Grundpfeiler des Bankcontrollings betrachtet werden:
! Potentialorientierte Globalsteuerung vs. aktionsorientierte Feinsteuerung;
! Rentabilitätssteuerung und -management vs. Risikosteuerung und -management;
! Geschäftssteuerung vs. Struktursteuerung;
! Zentrale vs. dezentrale Steuerung.558
554
555
556
557
558
Vgl. Palloks-Kahlen 2001, S. 114f.
Vgl. Hahn/Hungenberg 2001, S. 272.
Vgl. Bleicher 1999, S. 19.
Vgl. Schierenbeck 2001a, S. 87.
Vgl. Schierenbeck 2001a, S. 88; Schierenbeck 2001b, S. 293.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 173
Die Unterscheidung zwischen potentialorientierter Globalsteuerung (strategisches Controlling)
und aktionsorientierter Feinsteuerung (operatives Controlling) richtet sich v.a. nach der zeitlichen Reichweite der betrachteten Entscheidungsprobleme. Dabei zielt die Globalsteuerung
ausschliesslich auf die Entwicklung, Strukturierung und Sicherung des Gesamtbank und ihrer
Geschäftsfelder ab, während die Feinsteuerung stärker an der Entscheidungsunterstützung
einzelner Geschäfte und Geschäftsarten innerhalb einer relativ kurzen Periode559 ausgerichtet
ist. Als Beispiele können hier die Konditionsentscheidungen im Vertrieb und konkrete Refinanzierungsentscheidungen genannt werden.560
Unter Rentabilitätssteuerung wir das Bestreben verstanden, durch den Vertrieb von Bankleistungen und durch interne Entscheidungen positive Erfolgsbeiträge zu erwirtschaften. Zunehmend in den Mittelpunkt der Banksteuerung und damit des Controllings rückt aber die Notwendigkeit, neben der reinen Rentabilitätsbetrachtung auch verstärkt die Risikowirkungen
einzelner unternehmerischer Entscheidungen zu berücksichtigen (Risikosteuerung)561 Weil
bankpolitische Entscheidungen – wie unternehmerische Entscheidungen generell562 – stets
von Unsicherheit gekennzeichnet sind, ist das Risiko rentabilitätsbeeinträchtigender Entwicklungen wie z.B. von Marktpreisschwankungen (Marktrisiko), Insolvenz des Vertragspartners
(Gegenparteirisiko) oder Ausfall von IT-Systemen (operationelles Risiko) bis zum endgültigen
Abschluss bzw. bis zur Abwicklung von Geschäften gegeben. Der Risikoaspekt spielt bei
Banken eine deutlich grössere Rolle als bei Unternehmen aus anderen Branchen. Dies liegt
an den aufsichtsrechtlichen Vorschriften, an den besonderen Eigenschaften von Finanzprodukten, bei welchen das Risiko eine eigenständige Produktdimension darstellt sowie am hohen Schadensfall und der Volatilität der Finanzprodukte.563
Eine weitere Dimension des dualen Steuerungsmodells ist die Unterscheidung zwischen Geschäftssteuerung und Struktursteuerung. Unter letzterer wird die zentrale Aufgabe verstanden, aus Gesamtbanksicht die Geschäftsstruktur unter integrierten Rendite-/RisikoGesichtspunkten zu steuern. Dabei handelt es sich zum einen um das Portfoliomanagement
der zentralen Geschäftsfelder unter besonderer Berücksichtigung der Marktchancen und risiken. Zum anderen umfasst die Struktursteuerung auch das Bilanzstrukturmanagement unter besonderer Berücksichtigung bilanzieller Risiken im Aktiv- und Passivbereich der Bilanz
sowie unter rentabilitätsorientierter Betrachtung der einzelnen Bilanzpositionen. Bei der Geschäftssteuerung dagegen geht es um das Erreichen globaler Ziele der Geschäftsstruktur
durch konkrete – nah am Marktgeschehen ausgerichtete – geschäftspolitische (Einzel-) Entscheidungen. Zentrales Instrument bildet das Budget-Management, durch welches globalorientierte Zielgrössen in operative Einzelziele zerlegt und die Soll-Ist-Kontrolle der betrachteten
Einheiten ermöglicht.564
559
560
561
562
563
564
I.d.R. werden Entscheidungen mit einer Reichweite innerhalb einer Geschäftsperiode (höchstens bis zu einem
Jahr) der operativen Steuerung zugerechnet.
Vgl. Wild 2005, S. 24.
Vgl. Hartmann-Wendels 2000, S. 553ff.; Schierenbeck 2001a, S. 88.
Vgl. Saliger 2003.
Vgl. Hartmann-Wendels 2000, S. 540ff.
Vgl. Wild 2005, S. 26.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 174
Die Unterscheidung zwischen zentraler und dezentraler Steuerung orientiert sich eng an der
Zuordnung der Entscheidungskompetenz und Verantwortlichkeit im Bankenmanagement.
Aufgaben der zentralen Steuerung ergeben sich aus den Problemstellungen, die nur aus Gesamtbanksicht gelöst werden können wie z.B. zentrale Produktentscheidungen oder Einstieg
in neue Geschäftsfelder oder Märkte. Der dezentralen Markt(bereichs)steuerung werden im
Gegensatz dazu alle Entscheidungen zugewiesen, welche eng mit dem Kundengeschäft vor
Ort verbunden sind.565 Dies beinhaltet die Akquisition von Kundengeschäften mit ausreichenden Margen bzw. Deckungsbeiträgen. Dazu sind den Marktbereichen die notwendigen Kompetenzen (z.B. Personalkompetenzen und Konditionenkompetenzen innerhalb zentral vorgegebener Grenzen) zuzuweisen, damit diese den von ihnen zu verantwortenden Akquisitionsund Betreuungsaufgaben gerecht werden können.566 Der Dualismus zwischen zentraler und
dezentraler Steuerung bedingt, dass mit der Delegation von Ergebnisverantwortung in gewissem Umfang auch Entscheidungskompetenz von zentralen an dezentrale Einheiten weitergegeben wird.
Die einzelnen Dimensionen der dualen Banksteuerung sind nicht unabhängig voneinander.
Es bestehen zahlreiche Verknüpfungen und Abhängigkeiten. Strategische Entscheidungen
der Globalsteuerung werden meist von zentralen Einheiten getroffen, während operative Entscheidungsprobleme der Feinsteuerung i.d.R. von dezentralen Bereichen behandelt werden.
Trotz dieser z.T. engen und evidenten Zusammenhänge liegt keine inhaltliche Identifikation
bei den einzelnen Dimensionen vor. Es handelt sich um unterschiedliche Sachverhalte und
Betrachtungswinkel. So lässt sich die Geschäftssteuerung über ein operatives Budgetmanagement tendenziell zwar eher dem operativen Controlling zuordnen, trotzdem können die
Gestaltung und Bestimmung der Budgets sowie einzelne Geschäftsentscheidungen aber
auch eine explizite strategische Komponente aufweisen.567 Die zentrale Aufgabe des Bankcontrollings besteht darin, die unterschiedlichen Dimensionen in einem einheitlichen Controlling-Ansatz zu verbinden. In der folgenden Übersicht sind die verschiedenen Dimensionen der
dualen Steuerung und ihrer Zusammenhänge dargestellt.
Das duale Steuerungsmodell ist die Grundlage für die Herleitung der relevanten Dimensionen
eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb. Im nachfolgenden Abschnitt
werden die zentralen Steuerungsdimensionen anhand des dualen Steuerungsmodells abgegrenzt.
565
566
567
Vgl. Hartmann-Wendels 2000, S. 719ff.
Vgl. Schierenbeck 2001a, S. 297.
Vgl. Schierenbeck 2001b, S. 296.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 175
Rentabilitätsmanagement
Zentrale
Steuerung
Risikomanagement
Portfolio- und
Bilanzstrukturmanagement
Struktursteuerung
Integration =
Zentrale Aufgabe
des Bankcontrollings
Dezentrale
Steuerung
Geschäftssteuerung
Budgetmanagement
Strategisches
Controlling =
Potenzialorientierte
Globalsteuerung
Operatives
Controlling =
Aktionsorientierte
Feinsteuerung
Abbildung 74: Dimensionen des dualen Steuerungsmodells im Bankcontrolling
Quelle: Schierenbeck 2001b, S. 294.
Abgrenzung der Steuerungsobjekte der dezentralen Vertriebssteuerung
Ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb verbindet verschiedene Ausprägungen der Dimensionen des dualen Steuerungsmodells. An dieser Stelle werden jene Dimensionen kurz erörtert, welche in der Ebene der finanzwirtschaftlichen Ergebniskennzahlen
berücksichtigt werden.
Im Mehrkanalvertrieb eines Geschäftsbereichs geht es sowohl um die Rentabilitäts- als auch
um die Risikosteuerung. Bei der Rentabilität steht die Erwirtschaftung positiver Erfolgsbeiträge
im Vordergrund, welche sich aus der Differenz zwischen Erlös und Kosten als Kalkulationsergebnis des internen betrieblichen Rechungswesens ergeben.568 Beim Risiko gilt es, Aspekte
welche die Rentabilität beeinträchtigen zu berücksichtigen. Für die vorliegende Arbeit werden
v.a. Markterfolgsrisiken berücksichtigt, welche sich auf die Unbestimmtheit des Absatzes der
Bankleistungen beziehen. Diese Unsicherheit kann sowohl die Preis- als auch die Mengenkomponente betreffen.
In Bezug auf die Geschäfts- vs. Struktursteuerung liegt der Schwerpunkt im Mehrkanalvertrieb
bei ersterer. Es geht darum, durch das Budgetmanagement globalorientierte Zielgrössen in
operative Einzelziele für den Mehrkanalvertrieb zu zerlegen.
Bei der letzten Dimension steht für den Mehrkanalvertrieb die dezentrale Steuerung klar im
Vordergrund. Die Steuerung bezieht sich hier v.a. auf Dimensionen, welche eng mit dem
Kundengeschäft vor Ort in Verbindung stehen. Zentrale Aspekte sind dabei v.a. die Akquisition von Kundengeschäften mit ausreichenden Margen bzw. Deckungsbeiträgen.
Zusammenfassend lassen sich aus diesen Überlegungen folgende Schlussfolgerungen ziehen: Bei einem Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb handelt es sich um
ein Instrumentarium, welches grundsätzlich der dezentralen Geschäftssteuerung dient und
sowohl Aspekte des Rentabilitäts- als auch solche des Risikomanagements berücksichtigt. In
568
Vgl. Scherrer 1999, S. 538.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 176
Bezug auf die relevanten Kennzahlendimensionen der Ebene Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen bedeutet dies, dass die folgenden Aspekte berücksichtigt werden sollten:
! Gewinn (Aufwand, Ertrag)/Erfolg (Kosten, Erlös);569
! Rentabilität;
! Risiko (Fokus bzw. Eingrenzung auf Markt- bzw. Absatzrisiken).
Im Sinne der Triade des ertragsorientierten Bankmanagements (vgl. Abbildung 76) werden
diese Dimensionen um einen Aspekt erweitert. In Bezug auf die Rentabilität gilt es zudem,
das Kalkül des Geschäftswachstums zu berücksichtigen, weil dies ein Mittel zur Rentabilitätsmehrung und –sicherung ist.570 Somit ist das Wachstum eine weitere Dimension, welche
in der Ebene 1 berücksichtigt wird.
Primat der
Rentabilität
Ertragsorientierte
Wachstumspolitik
Ertragsorientierte
Risikopolitik
Abbildung 75: Triade des ertragsorientierten Bankmanagements
Quelle: Schierenbeck 2003, S. 1.
Die Kennzahlendimension Erfolg/Gewinn lässt sich durch die Dimension Wirtschaftlichkeit
ergänzen, indem die wertmässigen Erträge/Erlöse den wertmässigen Aufwänden/Kosten gegenüber gestellt werden. Diese wird jedoch nicht separat aufgeführt, sondern ist implizit in der
Dimension Gewinn enthalten.
2.2.2 Operationalisierung der Kennzahlendimensionen
Nach der grundsätzlichen Abgrenzung der Steuerungsobjekte der dezentralen Steuerung
werden in diesem Abschnitt die identifizierten Kennzahlendimensionen anhand konkreter Beispiele operationalisiert. Die Operationalisierung erfolgt unter Berücksichtigung wertorientierter
Steuerungskonzepte.571
Wertorientierte Steuerungskonzepte als Grundlage der Operationalisierung
In der Praxis haben sich auf Unternehmungsebene verschiedene wertorientierte Steuerungskonzepte durchgesetzt. Sie können danach klassifiziert werden, mit welcher zentralen Kennzahl der Beitrag unternehmerischer Aktivitäten zum Unternehmenswert gemessen wird. Gemeinsam ist allen Konzepten, dass sie als Massstab für den positiven Beitrag zum Unternehmenswert einen an den Kapitalkosten orientierten Renditemassstab festlegen, ab dem ein –
569
570
571
Mit Erfolg werden Zahlen aus dem internen Rechnungswesen (Management-Accounting) verstanden. Gewinn
ist eine Grösse, welche aus dem externen Rechnungswesen stammt. Siehe mehr dazu unter Abschnitt 2.2.2.
Vgl. Grimmer 2003, S. 13.
Vgl. dazu Teil 3 Abschnitt 2.3.3. Eine der hinreichenden Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem
ist die Ausrichtung des Kennzahlensystemdesigns nach einer wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 177
unterschiedlich definierter – Übergewinn entsteht. Erreicht ein Unternehmen diesen Übergewinn, erhöht sich in der betrachteten Periode der Unternehmenswert. Dies ist dann der Fall,
wenn der Gewinn eine bestimmte, durch die Kapitalkosten definierte Grenze überschreitet.572
Die Klassifikation kann danach vorgenommen werden, ob sich die ermittelten Werte auf nur
eine Periode (periodische Betrachtungsweise; i.d.R. auf das laufende bzw. vergangene Kalender- oder Wirtschaftsjahr) beziehen oder ob sie auch die Wirkungen in zukünftigen Perioden berücksichtigen (mehrperiodische Betrachtungsweise). In der einperiodischen Betrachtung kann darüber hinaus unterschieden werden, ob die Steuerungskennzahlen mit Zahlen
des externen Rechnungswesens (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) berechnet oder ob
sie für die Steuerungszwecke eigens ermittelt wurden und deshalb dem internen Rechnungswesen zuzuordnen sind.
Die Steuerung auf Basis des externen Rechnungswesens wird in der Praxis in Form von ROIKonzepten angewendet.573 Dabei wird eine bilanzielle Ergebnisgrösse (z.B. Bilanzgewinn,
Jahresüberschuss) in Beziehung zum eingesetzten Kapital (z.B. Eigenkapital, Fremdkapital)
gesetzt. Zu den daraus abgeleiteten wertorientierten Steuerungskonzepten gehört z.B. das
von der Unternehmensberatung Stern Steward & Co. entwickelte Konzept des Economic Value Added (EVA). Eine gegenwärtig ebenfalls verbreitete, aber stärker am internen Rechnungswesen orientierte Methode der wertorientierten Steuerung ist z.B. das Konzept des
Cash-Flow Return-on-Investment (CFROI) der Unternehmensberatung Boston Consulting
Group (BCG).
Periodenorientierte
Betrachtung
Gewinn- und
Verlust-orientiert:
Zielgrössen
! Gewinn
! Eigenkapitalrendite
Übergewinn-orientiert:
! Economic Value Added (EVA)
! CFROI
Mehrperiodische
Betrachtung
Barwert-orientiert:
! Market Value Added (MVA)
! CFROI (Barwertbasis)
Abbildung 76: Abgrenzung verschiedener wertorientierter Steuerungskonzepte
Quelle: Wild 2005, S. 187.
Beide Konzepte können sowohl in einperiodischer als auch in mehrperiodischer Betrachtung
angewendet werden. Bei mehrperiodischen Zielvorgaben handelt es sich zwangsläufig um
barwertige Grössen, welche durch die Abzinsung von Wertbeiträgen zukünftiger Perioden (in
Form von Cash-Flows) ermittelt werden. Da Zahlen der Gewinn- und Verlustrechnung zukünftiger Jahre noch nicht vorliegen, kommt bei mehrperiodischer Betrachtung ein Rückgriff auf
das externe Rechnungswesen nicht in Betracht. Beim EVA-Konzept ist deshalb für die mehrperiodische Betrachtung eine Schätzung zukünftiger Bilanzgewinne notwendig. In der mehrperiodischen Form tritt an die Stelle der Zielgrösse EVA der MVA.
572
573
Vgl. Groll 2003, S. 1ff.; Hörter 1998, S. 70ff.
Vgl. Groll 2003, S. 6f; Wimmer 2004a, S. 343ff.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 178
Vor der Einführung eines wertorientierten Steuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb ist zu
klären, ob die Auswahl der Steuerungskennzahlen und die Gestaltung des Kennzahlensystems zwangsläufig davon abhängig sind, welches Konzept der wertorientierten Steuerung auf
Gesamtbankebene verwendet wird. Denn dieses bestimmt, welche zentrale Kennzahl (periodisch oder barwertig, intern oder extern) an den jeweiligen Geschäfts- bzw. Vertriebsbereich
als Zielvorgabe weitergegeben wird.
In den beiden folgenden Abschnitten werden die Kennzahlendimensionen in der peridodenorientierten und mehrperiodischen Betrachtung anhand von Beispielen operationalisiert.
Periodenorientierte Grössen: Rentabilität, Gewinn, Risiko und Wachstum
In Abbildung 77 werden die Steuerungsobjekte anhand möglicher periodenorientierter Kennzahlen operationalsiert, welche in Anlehnung an das duale Steuerungsmodell und an die Triade des ertragsorientierten Bankmanagements für den Mehrkanalvertrieb abgegrenzt wurden. Dadurch sollen die Steuerungsobjekte veranschaulicht und erläutert werden. Die Operationalisierung erfolgt nicht anhand mathematischer Formeln, sondern vielmehr durch eine inhaltliche Beschreibung. Auf diese Weise wird die Interpretation der Kennzahlen erleichtert.
In Abbildung 77 werden einige zentrale Kenngrössen der vier Dimensionen zusammengefasst. Dabei wurde insbesondere auf jene Spitzenkennzahlen zurückgegriffen, die in der
Bankpraxis häufig zum Einsatz kommen. Für eine vertiefte Betrachtung dieser Kennzahlen
wird auf die bereits bestehenden Erkenntnisse verwiesen.574
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Rentabilitätsorientierte
Kennzahlen
Return on Investment (ROI): Rentabilität des eingesetzten
Gesamtkapitals
Return on Equity (ROE): Rentabilität des Eigenkapitals
Return on Asses (ROA): Rentabilität des eingesetzten Gesamtkapitals bereinigt durch Fremdkapitalzinsen
Cash-Flow Return on Investment (CFROI): Brutto Cash-Flow
abzüglich ökonomische Abschreibungen im Verhältnis zur Bruttoinvestitonsbasis
Gewinn- und erfolgsorientierte Kennzahlen
Erfolg (externes Rechnungswesen): Erträge minus Aufwände
Kalkulatorischer Gewinn (internes Rechnungswesen): Erlöse minus Kosten
Bruttogewinnmarge: Prozentualer Anteil des Bruttogewinns
am Umsatz
Deckungsbeitrag I: Erlöse abzüglich variable Kosten
Cash-Flow Value Added (CVA): CFROI abzüglich Weighted
average Cost of Capital (WACC) in Relation zur Bruttoinvestitionsbasis
Economic Value Added (EVA): EVA entspricht dem Net- operating-profit after tax (NOPAT) abzüglich der gewichteten, risikogerechten Kapitalkosten für Fremd- und Eigenkapital
Cost-Income-Ratio: Betriebliche Aufwände in Prozent der be-
574
Vgl. dazu die einschlägige Literatur: Schierenbeck 2001b; Groll 2003/Schierenbeck 2001c; Scherrer 1999;
Djukanov et al. 2004; Wild 2005.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 179
trieblichen Erträge (wertmässige Betrachtung)
Risikoorientierte Kennzahlen (Markterfolgsrisiko)
Die Unsicherheit bzw. das Risiko kann sowohl die Preis- (erzielte Marktpreise) als auch die Mengenkomponente (Anzahl abgesetzter Bankprodukte) betreffen. Im einzelnen können folgende
Faktoren eintreten:
! Unterschreiten der kontrahierten von den geplanten Konditionsbeiträgen im Neugeschäft (Preiskomponente)
! Nichterreichen geplanter Kundengeschäftsvolumina (Mengenkomponente)
Die Operationalisierung der Preis- und Mengenkomponente
kann z.B. anhand folgender Grössen vorgenommen werden:
Deckungsbeitrag (Preiskomponente): Abweichung der geplanten von den erzielten Deckungsbeiträgen pro Produkt(kategorie)
Absatzvolumina (Mengenkomponente): Abweichung der geplanten von den erzielten Absatzvolumina pro Produkt(kategorie)
Wachstumsorientierte
Kennzahlen
Ertragswachstum: Wachstum der erzielten Erträge (wertmässige Betrachtung)
Absatzwachstum: Wachstum des erzielten Absatzes (mengenmässige Betrachtung)
Abbildung 77: Operationalisierung ausgewählter periodenorientierter Kennzahlen
Quelle: In Anlehnung an Schierenbeck 2003; Grimmer 2003; Rappaport 1998.
Mehrperiodische Grössen: Dynamische Wertgrössen
Die Kennzahlen der Dimensionen Rentabilität, Gewinn, Risiko und Wachstum werden nicht
zuletzt aufgrund ihres statischen Charakters häufig kritisiert. Insbesondere die Aussagefähigkeit des Periodenerfolgs bzw. -gewinns als Steuerungs- und Kontrollgrösse wird durch die
zeitliche Periodenabgrenzung stark eingeschränkt.
Wie im Zusammenhang mit der Diskussion der Werttreiberhierarchien sowie des Konzepts
des Shareholder-Values575 bereits dargestellt, hat sich in der Theorie der Cash-Flow als
Gradmesser sowohl für die Beurteilung der Finanz- als auch der Ertragslage durchgesetzt.576
Mittels des diskontierten Cash-Flows werden mehrere Perioden betrachtet und die finanzwirtchaftliche Ergebniszielorientierung ausgedrückt. Es wird nicht nur der geldwertmässige Erfolg
gemessen, sondern gleichzeitig die Wachstumskraft wiedergegeben. Ferner wird – im Gegensatz zum Periodengewinn – auch etwas über die Liquidität des Unternehmens bzw. eines
Geschäftsbereichs ausgesagt.577
Der Cash-Flow integriert somit verschiedene Dimensionen in einer dynamischen Betrachtung:
die Dimensionen Gewinn, Wachstum und Risiko sowie den Faktor Zeit. Er ist fokussiert auf
einen abdiskontierten Überschuss (Übergewinn), berücksichtigt dabei aber das Wachstum als
Werttreiber. Das Ziel der Risikominimierung bzw. der Sicherheit wird insbesondere im gewähl-
575
576
577
Vgl. Teil 3, Abschnitt 3.2.3.
Vgl. Horvath 1998, S. 443.
Vgl. Horvath 1998, S. 443.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 180
ten Zinssatz sowie in den Wahrscheinlichkeiten der zugrundeliegenden Basisannahmen berücksichtigt. In Abbildung 78 wird die Operationalisierung anhand möglicher Kenngrössen
beispielhaft gezeigt, welche die mehrperiodische Betrachtung wiedergeben.
Kennzahlen (Beispiele)
Operationaliserung
Rentabilitätsorientierte
Kennzahlen
Cash-Flow Return on Investment (CFROI): Brutto Cash-Flow
abzüglich ökonomische Abschreibungen im Verhältnis zur Bruttoinvestitionsbasis (auf Barwertbasis)
Gewinn und erfolgsorientierte Kennzahlen
Market Value Added (MVA): Summe der abgezinsten EVAs
Abbildung 78: Operationalisierung mehrperiodischer Kennzahlen
Quelle: In Anlehnung an Rappaport 1986; Horvath 1998.
Die Aufzählung in Abbildung 78 ist nicht abschliessend und dient lediglich zur Veranschaulichung dynamischer bzw. mehrperiodischer Grössen. Für die Vertiefung dieser Kennzahlen
wird ebenfalls an die einschlägige Literatur578 verwiesen.
2.2.3 Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung
Vor der Einführung eines wertorientierten Steuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb im
Privatkundengeschäft sind mehrere wichtige Grundsatzfragen zu klären. Dies ist erforderlich,
um die Einbindung eines Kennzahlensteuerungssystems in die Steuerung der Gesamtbank
sicherzustellen und operative Handlungsvorgaben an die im Markt tätigen Kanäle und Mitarbeiter ableiten zu können. An dieser Stelle ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die
nachfolgend aufgeführten Fragestellungen nicht ausschliesslich auf die Ebene 1, sondern
auch auf die Ebene 2 beziehen. Da die Abrenzung der Ebenen nicht immer scharf ist, werden
diese Aspekte hier erläutert und später wieder aufgegriffen.
! Soll der Vertrieb mit periodischen oder barwertigen (mehrperiodischen) Zielvorgaben gesteuert werden?
! Wie ist die geeignete Schlüsselungsmethode zur Ableitung von Zielvorgaben für nachgelagerte Hierarchiestufen im Privatkundengeschäft (Vertriebskanäle in der Ebene 2)?
! Wie soll der Zusammenhang zwischen finanzieller Ergebnisplanung (auf Ebene 1) und operativer Vertriebssteuerung (auf Ebene 2) hergestellt werden? Insbesondere: Wie und auf
welchen Ebenen soll eine Überleitung der finanziellen Zielgrössen in barwertige und aktivitätenbezogene Steuerungsgrössen erfolgen?
! Wie können die Faktoren, die das Vertriebsergebnis (auf Ebene 1) beinflussen (Werttreiber) und deren Wirkungszusammenhänge in übersichtlicher Form in so genannten Wertebäume dargestellt und analysiert werden?
Diese zentralen Fragen wurden von Wild579 eingehend erörtert. Antworten und alternative
Handlungsanweisungen werden in dieser Arbeit daher nur zusammenfassend aufgezeigt. Für
eine vertiefte Betrachtung dieser Aspekte wird auf seine Dissertation580 verwiesen.
578
Schierenbeck 2001b; Groll 2003/Schierenbeck 2001c; Scherrer 1999; Djukanov et al. 2004; Wild 2005;
Rappaport 1986; Horvath 1998.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 181
Periodische vs. barwertorientierte (mehrperiodische) Zielvorgaben
Aufgrund der häufig mehrjährigen Laufzeit von Finanzprodukten hat sich in der Bankkalkulation auf Einzelgeschäftsebene eine barwertige Profitabilitätsrechnung durchgesetzt. Zur Bestimmung des Vertriebsergebnisses werden die mit einem Finanzgeschäft über mehrere Perioden verbundenen Zahlungszu- und Abflüsse mit Hilfe des Barwertkonzepts auf den Abschlusszeitpunkt diskontiert und auf Basis der Marktzinsmethode von anderen Ergebnisbereichen (z.B. Treasury, Risikomanagement) abgegrenzt.581 Diese mehrperiodische Betrachtung
ist notwendig, da die Zahlungswirkungen bei Finanzgeschäften nicht mit dem Vertragsabschluss beendet sind, sondern zum überwiegenden Teil erst nach diesem Zeitpunkt erfolgen
(vgl. Abbildung 80).
Diese Betrachtungsweise spiegelt sich auf der Ebene der Gesamtbank nicht wider. Hier dominieren u.a. aufgrund des Informationsinteresses der Anteilseigner und Analysten an kurzfristigen und jahresabschlussbezogenen Erfolgszahlen fast ausschliesslich periodische Kenngrössen wie der Gewinn vor Steuern (Earning before Tax) oder ROI der Unternehmenssteuerung.582 Dadurch entstehen bei Banken zwei grundlegend unterschiedliche Konzeptionen von
Erfolgsrechnungen. Für die Vertriebssteuerung, die hierarchisch zwischen der Ebene des
Einzelgeschäfts und der Gesamtbankebene anzusiedeln ist, wird es deshalb notwendig zu
entscheiden, ob sie mit Hilfe periodischer oder barwertiger Zielgrössen erfolgen soll. Dazu ist
eine Abwägung der Vor- und Nachteile der beiden Steuerungsformen notwendig (vgl.
Abbildung 79). Für eine eingehende Diskussion über die Vor- und Nachteile dieser beiden
Konzepte wird an die Dissertation von Wild583 verwiesen.
579
580
581
582
583
Wild 2005.
Wild 2005, S. 188ff.
Vgl. Wimmer 2004b, S. 105ff.
Vgl. Groll 2003, S. 17ff; Coenenberg 1997, S. 1040ff.
Wild 2005, S. 190ff.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 182
Periodische Vertriebssteuerung
Barwertige Vertriebssteuerung (mehrperiodisch)
Beispiel: Periode t2
t0
t1
Beispiel: Periode t2
t2
t3
t4
t0
Geschäft 1
Geschäft 1
Geschäft 2
Geschäft 2
Geschäft 3
Geschäft 3
“Rente” aus
früheren Abschlüssen
(Perioden t0, t1)
Neugeschäftsbeitrag
(nur Periode t2)
t1
“Rente” entfällt
t2
t3
t4
Neugeschäftsbeitrag
(Perioden t2 und t3)
Vorteile:
! Analysten und Kapitalmarkt orientieren sich an
periodischen Grössen (z.B. Gewinn vor Steuern)
! Periodische Grössen sind leicht aus dem
Rechnungswesen zu generieren bzw. abzuleiten
! Gleiche Steuerungslogik und Zieldimensionen auf
Gesamtbank- und Vertriebsebene
Vorteile:
! Kapitalmarktorientierte Messung des Wertbeitrags eines
Abschlusses
! Förderung der Aktivitäten- und Abschlussorientierung
! Abschwächung des Vorgänger-Nachfolger-Problems
Nachteile:
! Vermischung von Beständen („Rente“) und Neugeschäften
im Ergebnisausweis
! Vorgänger-Nachfolger-Problem durch „Renteneffekt“
! Einzelgeschäftsbezogene Profitabilitäts- und
Rentabilitätsbetrachtung erfolgt bei mehrperiodischen
Geschäften nicht
Nachteile:
! Eigene, aufwendige und z.T. komplexe
Berechnungsmethodik
! Unterschiedliche Zieldimensionen zwischen periodischer
und barwertiger Steuerung; exakte Überführung ist
aufwendig
Abbildung 79: Periodische vs. barwertorientierte (mehrperiodische) Vertriebssteuerung
Quelle: Wild 2005, S. 190.
Fazit: Barwertige Kennzahlen betonen die gegenwärtigen Leistungen des Vertriebs und ermöglichen auf diese Weise eine aktivitätsorientierte Vertriebssteuerung. Die Leistung wird nur
anhand der aktuellen Aktivitäten gemessen. Vertriebliche Defizite werden früher erkannt, da
Erfolgsgrössen aus Geschäften vergangener Perioden diese nicht überdecken können. Deshalb ist es grundsätzlich vorteilhaft, wenn barwertige Kennzahlen im Mittelpunkt der Vertriebssteuerung stehen. Dies trifft auf alle Ebenen innerhalb des Vertriebsbereichs zu.
Schlüsselung der Zielvorgaben entlang der Vertriebshierarchie
Unabhängig davon, ob die Vertriebsplanung in einem rein Top-Down-geprägten Verfahren
oder in einer Mischform aus Top-Down- und Bottom-up-Ansatz erfolgt, ist es notwendig, aus
den Gesamtbankzielen Vorgaben für den Vertriebsbereich abzuleiten. Aus diesen zentralen
Zielvorgaben müssen in weiteren Schritten die Ziele für die einzelnen Organisationseinheiten
im Mehrkanalvertrieb (z.B. Vertriebskanäle, Regionen etc.) abgeleitet werden. Hierfür ist ein
geeigneter Verteilschlüssel notwendig. Damit muss die zentrale Zielvorgabe für den Vertriebsbereich, die bereits in barwertiger Form erfolgen sollte, auf die einzelnen Organisationseinheiten aufgeteilt werden. In der Praxis werden meist volumen-, ertrags- und kostenorientierte Schlüsselungsmethoden verwendet. An dieser Stelle werden die einzelnen Methoden
kurz mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt. Eine vertiefte Diskussion findet sich bei Wild.584
584
Vgl. Wild 2005, S. 194f.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 183
Volumenorientierte Schlüsselung: Bei der volumenorientierten Schlüsselung erfolgt die Verteilung der globalen Zielvorgabe für den Vertrieb im Verhältnis zu Volumengrössen (z.B. Anzahl
der Kunden, Anzahl Mitarbeiter oder Höhe des Bestandesvolumen der Kunden der jeweiligen
Vertriebseinheit), die den einzelnen Organisationseinheiten zugeordnet werden können. Kosten- und Erlösinformationen bleiben unberücksichtigt. Dieser Ansatz bietet folgende Vor- und
Nachteile:
Vorteile
Nachteile
! Einfache Anwendbarkeit aufgrund der
! Fehlerhafte Anreizwirkungen: Werbung
Verfügbarkeit von Volumenzahlen auf alvon Neukunden wird durch erhöhte Ziellen Hierarchieebenen
vorgaben in der nächsten Periode „bestraft“.
! Relativ hohe Genauigkeit der Methode
mit geringem Aufwand aufgrund der Mög- ! Unterschiedliche Kosten- und Erlösstruklichkeit einer einfachen Gewichtung von
turen der einzelnen Kanäle werden nicht
Zielvorgaben
berücksichtigt.
! Vernachlässigung des Potentials bzw.
der Potentialausnutzung eines Marktgebietes (bei den Bezugsgrössen Mitarbeiterzahl, Bestandesvolumen)
Abbildung 80: Vor- und Nachteile der volumenorientierten Schlüsselung
Quelle: Wild 2005, S. 194f.
Ertragsorientierte Schlüsselung: Bezugsgrössen bilden Ertragsgrössen vergangener Perioden, die in Form von Brutto- oder Nettoerträgen ohne grossen Aufwand dem Rechnungswesen entnommen werden können. Durch die Bildung mehrjähriger Durchschnittswerte kann
eine empirische Fundierung dieser Bezugsgrössen erreicht werden. Dieser Ansatz bietet folgende Vor- und Nachteile:
Vorteil
Nachteile
! Bessere Orientierung an der Ertragskraft
einer Vertriebseinheit
! Vernachlässigung des Potentials durch
Orientierung an Erträgen der Vergangenheit
! Unterdurchschnittliche Vertriebsleistungen werden in der nächsten Periode
durch tiefere Vorgaben „belohnt“.
! Fehlende erfolgsorientierte Betrachtung
der Vernachlässigung der Kosten
Abbildung 81: Vor- und Nachteile der ertragsorientierten Schlüsselung
Quelle: Wild 2005, S. 195.
Kostenorientierte Schlüsselung: Bei der kostenorientierten Schlüsselung dienen der Kostenblock im Vertrieb, die Personalkosten oder die Summe aus Personal- und Sachkosten als
Bezugsgrössen für die Verteilung der Zielvorgaben. Dieser Ansatz hat folgende Vor- und
Nachteile:
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 184
Vorteile
Nachteile
! Leichte Ermittelbarkeit der Bezugsgrössen auf unterschiedlichen Hierarchiestufen
! Möglichkeit der empirischen Fundierung
durch mehrjährige Durchschnittswerte
! Anreize zur Kostensenkung
! Teilweise (indirekte) Berücksichtigung
des Potentials der Mitarbeiter
! Keine Berücksichtigung des Marktpotentials
! Fehlende erfolgsorientierte Betrachtung
der Vernachlässigung der Erträge
Abbildung 82: Vor- und Nachteile der kostenorientierten Schlüsselung
Quelle: Wild 2005, S. 195.
Die Diskussion der Eignung der drei erläuterten Schlüsselungsmethoden für die Anwendung
im Rahmen einer wertorientierten Vertriebssteuerung hat zwei zentrale Kritikpunkte hervorgebracht. Die Vertriebsplanung orientiert sich zu wenig am Vertriebspotential, das an erster Stelle durch das Potential der bestehenden Kundenverbindungen, durch das Potential des zu bearbeitenden Markts und durch das verkäuferische Geschick und Beratungswissen (verkäuferisches Potential) der Vertriebsmitarbeiter bestimmt wird. Der zweite Punkt ist die mangelnde
Berücksichtigung von Profitabilitätsgrössen, die unmittelbar in Wertgrössen umgerechnet
werden können. Dazu sind den Erlösen, die durch vertriebliche Aktivitäten erzielt werden können, die entsprechenden Kostengrössen der Vertriebseinheiten gegenüberzustellen. Nur
wenn diese beiden Kritikpunkte bei der Suche nach einer geeigneten Schlüsselungsmethode
berücksichtigt werden, wird die Bildung wertorientierter Ergebnisvorgaben möglich.
Potentialorientierte Schlüsselung: Für eine wertorientierte Vertriebssteuerung ist deshalb nur
eine potentialorientierte Schlüsselung sinnvoll, die sich am Erlöspotential des Kunden und des
Marktes oder der Mitarbeiter orientiert und gleichzeitig die Kosten der jeweiligen Vertriebsebene bzw. der Vertriebseinheit berücksichtigt. Das Kundenpotential kann z.B. über die Hilfsgrösse „durchschnittlicher Nettoertrag pro Kunde“ bestimmt werden. Für das Mitarbeiterpotential ergeben sich jedoch erhebliche Messprobleme, welche nur über individuelle Einschätzungen der Vorgesetzten behoben werden können.
Das darüber hinaus mittelbar realisierbare Potential liegt in der Möglichkeit der Neukundengewinnung und sollte durch einen ergänzenden Faktor in der Planung berücksichtigt werden.
Dieser muss insbesondere die gegenwärtige Ausschöpfung des Teilmarkts und gegebenenfalls die Möglichkeiten einer Steigerung des Marktanteils unter Berücksichtigung regionaler
Besonderheiten und der Wettbewerbssituation beachten. Die potentialorientierte Schlüsselung kann durch eine segmentspezifische Vorgehensweise nicht nur – wie die volumen-, ertrags- oder kostenorientierte Schlüsselung – an Genauigkeit gewinnen, sondern ist nur in dieser Form sinnvoll anzuwenden. Dies liegt an der Tatsache, dass das Erlöspotential der Kunden bzw. der Kundensegmente sehr unterschiedlich ist und deshalb eine undifferenzierte
Vorgehensweise bei dieser Methode zu inadäquaten Zielvorgaben führt.585
585
Vgl. Wild 2005, S. 196f.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 185
Zusammenhang finanzieller Ergebnisplanung mit operativer Vertriebssteuerung
In der wertorientierten Unternehmenssteuerung kommt es zwangsläufig zu einem Nebeneinander finanzieller und periodenorientierter Ergebnisplanung und -steuerung, die auf Stufe Gesamtbankebene dominiert, und operativer Vertriebsplanung und -steuerung.586
Da die Leistung der Bankleitung in der Praxis an Ergebnisgrössen des externen Rechnungswesens beurteilt wird, orientiert sich die finanzielle Ergebnisplanung auf der obersten Ebene
sehr stark an den von bilanzrechtlichen Vorschriften bestimmten Grössen des externen
Rechnungswesens der laufenden Geschäftsperiode.587 Um die Ziele auf der Gesamtbankebene zu erreichen, müssen die Vorgaben auf die einzelnen Geschäftsbereiche (z.B. Privatkunden-, Firmenkunden-, Handelsgeschäft) und in weiteren Schritten auf die jeweils nachfolgenden Hierarchiestufen (z.B. Vertriebskanäle) heruntergebrochen werden. Zur verfeinerten
Ergebnisplanung und -analyse sowie zur Prüfung der Realisierbarkeit von Zielvorgaben bzw.
zur Buttom-up-Planung werden Ergebnissystematiken in Form so genannter Wertebäume588
herangezogen.
Demgegenüber orientiert sich die operative Vertriebssteuerung für die einzelnen Vertriebseinheiten (Vertriebskanäle) im Idealfall an barwertigen und aktivitätsbezogenen Steuerungsgrössen.589 Letztere stellen eine wichtige Ergänzung der barwertigen Grössen dar, da sie deren
Zustandekommen erklären. Die Grössen der Vertriebssteuerung sind grundsätzlich anderer
Art und Herkunft als die Grössen der finanziellen Ergebnisplanung auf Gesamtbankebene.
Trotzdem müssen sie – im Sinne eines konsistenten und zielgerichteten Planungsvorgehens
– aus den Vorgaben der finanziellen Ergebnisplanung abgeleitet werden.
Damit stellt sich die Frage, wie der Zusammenhang zwischen der finanziellen Ergebnisplanung und der operativen Vertriebssteuerung hergestellt werden kann. Im Kern geht es darum,
wie und auf welcher hierarchischen Ebene eine Überleitung der finanziellen periodischen
Grössen in barwertige Erfolgsvorgaben und aktivitätenbezogene Steuerungsgrössen für den
Vertrieb erfolgen soll. Dazu bieten sich grundsätzlich zwei alternative Vorgehensweisen an,
die für die Belange der Vertriebssteuerung kurz erläutert werden.
Alternative 1: Exakte Überleitung periodischer und barwertiger Steuerungsgrössen auf allen
Hierarchieebenen
Bei dieser Alternative werden auf allen Hierarchiestufen und für alle Organisationseinheiten
des Vertriebs parallel sowohl periodische als auch barwertorientierte Zielvorgaben bestimmt.
Diese müssen auf jeder Stufe aufeinander abgestimmt werden. Diese Alternative hat folgende
zentrale Vor- und Nachteile:
586
587
588
589
Vgl. Wimmer 2004b, S. 3f.
Vgl. Büschgen 2001, S. 535ff.
Vgl. Abschnitt 2.2.3.
Vgl. Auschner 2004, S. 281.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 186
Vorteile
Nachteile
! Hohe Konsistenz zwischen finanzieller Gewinn-/Verlustplanung und barwertiger Vertriebsplanung
! Notwendigkeit permanter Überleitungsrechnungen (für jedes Geschäft müsste umgehend der Einfluss auf den Gewinn/Verlust errechnet werden)
Abbildung 83: Vor- und Nachteile der Alternative 1
Quelle: Wild 2005, S. 198.
Alternative 2: Zusammenführung finanzieller Ergebnisplanung und barwertiger Steuerung auf
einer ausgewählten Ebene
Um den Aufwand einer exakten Überleitung auf allen Ebenen zu vermeiden, kann der Weg
gewählt werden, die finanzielle Ergebnisplanung nur bis zu einer bestimmten hierarchischen
Ebene anzuwenden und auf dieser Ebene zur barwertigen Steuerungsform zu wechseln. Diese Alternative hat folgende zentrale Vor- und Nachteile:
Vorteile
Nachteile
! Erhebliche Reduktion der Komplexität und der
Anzahl notwendiger Umrechungen
! Verlagerung auf eine langfristige Planung von
Erträgen durch den Verzicht auf periodische
Grössen
! Voraussetzung ist ein regelmässiger Planungsabgleich zwischen
Gewinn-/Verlust- und barwertiger
Planung auf der Ebene Geschäftsbereich Privatkunden
Abbildung 84: Vor- und Nachteile der Alternative 2
Quelle: Wild 2005, S. 199.
Strukturelle Gestaltung der Wertebäume
Zur ex-ante-Planung finanzieller Ziele und zur ex-post-Analyse finanzieller Ergebnisse werden
in der wertorientierten Steuerung Wertebäume angewendet. Darunter versteht man eine systematische Zusammenstellung von Faktoren, die über finanzielle Ergebnisgrössen (z.B. Gewinn, Kosten, Jahresüberschuss) den Wert des Unternehmens beeinflussen. Diese Faktoren
werden im Wertmanagement als Werttreiber („Value Driver“) bezeichnet590 . Wertebäume sind
umso besser zur Ergebnisplanung und -analyse geeignet, je umfassender sie die Werttreiber
darstellen, die das Bankergebnis und damit den Unternehmenswert der Bank beeinflussen.
Bei der Erfassung und Zusammenstellung von Faktoren kann zwischen harten und weichen
Grössen unterschieden werden.
Bei harten Faktoren handelt es sich um Werttreiber, deren Wirkung auf die Ergebnisgrösse
(barwertig und periodisch) quantifiziert werden kann (z.B. Anzahl Abschlüsse, Deckungsbeitrag etc.). Demgegenüber sind weiche Werttreibern Faktoren, die zwar in kausalem Zusammenhang mit Ergebnisgrössen stehen, aber deren Einfluss nicht oder nicht eindeutig qualifiziert werden kann (z.B. Kundenzufriedenheit, Beratungskompetenz der Verkaufsmitarbeiter
etc.). Wertebäume können für alle Unternehmensbereiche und auf allen Hierarchiestufen zum
Einsatz kommen, für die finanzielle Ergebnisgrössen ermittelbar sind. Für die Steuerung des
590
Ries/Scheuplein 2004, S. 49f.; Frank/George/Narasimhan 2004.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 187
Vertriebs ist die finanzielle Ergebnisgrösse, für deren Analyse und Planung ein Wertebaum
zusammengestellt wird, der Erfolg bzw. der Erfolgsbeitrag des Vertriebs zum Gesamtbankergebnis.
Vor der eigentlichen Ermittlung und systematischen Zusammenstellung der Werttreiber ist die
Frage zu klären, ob der Wertebaum nur harte oder auch weiche Faktoren enthalten soll. Diese beiden Alternativen sind vor der Anforderung gegeneinander abwägen, dass durch den
Wertbaum eine konsistente Herleitungslogik des Vertriebsergebnisses für die Planung und
Analyse zur Verfügung gestellt werden muss.
Wertebaum mit harten Faktoren
! Enthält nur Faktoren, die Ergebnisgrössen direkt
beeinflussen und deren Wirkung auf das Ergebnis
quantifiziert werden kann
! Durch die Auswahl der wichtigsten Faktoren kann
eine Baumstruktur mit kausalen und
quantifizierbaren Zusammenhängen erreicht
werden.
Wertebaum mit weichen Faktoren
! Enthält sowohl Faktoren, die das Ergebnis direkt als
auch indirekt beeinflussen
! Bei einem Teil der Faktoren kann ausschliesslich ein
qualitativer, nicht quantifizierbarer Einfluss ermittelt
werden
! Es entsteht aufgrund mehrdimensionaler
Wirkungszusammenhänge eine Netzstruktur.
Abbildung 85: Vergleich alternativer Gestaltungsformen für Wertebäume
Quelle: Wild 2005, S. 202.
In der Vertriebssteuerung ist die Verwendung von harten und weichen Faktoren sinnvoll. Für
die Ergebnisplanung eignen sich ausschliesslich Wertebäume mit harten Faktoren, da aus
Alternative 2 keine quantifizierbaren Zielvorgaben abgeleitet werden können. Trotzdem sollten
Informationen über weiche Faktoren in die Vertriebssteuerung einfliessen, insbesondere um
über Frühindikatoren rechtzeitig Gegenmassnahmen bei unerwünschten Entwicklungen ergreifen zu können. Darüber hinaus liefern weiche Faktoren einen zusätzlichen Erklärungswert
für das Zustandekommen des Vertriebsergebnisses, auf den insbesondere bei der Ableitung
von Handlungsanweisungen nicht verzichtet werden kann.
2.3 Ebene 2: Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen
Ebene 2 beinhaltet aus einer Controlling-Perspektive zwei zentrale Aufgaben: Einerseits soll
der Output des Mehrkanalvertriebssystems anhand der kanalübergreifenden Hauptaufgaben
des Mehrkanalvertriebs verdichtet werden. Damit die Ursachen des Ergebnisses analysiert
werden können, müssen andererseits die Wertschöpfungs- bzw. Erfolgsbeiträge der einzelnen Kanäle aufgezeigt werden. Dies erfolgt durch die Betrachtung des Throughput, welcher
die kanalspezifischen Vertriebsaktivitäten operationalisiert und misst. Zwischen Throughput
und Output besteht somit eine Ursache-Wirkungs-Beziehung. Im Output wird die Wirkung der
Vertriebsaktivitäten aller Kanäle aggregiert und gemessen. Umgekehrt dient der Throughput
dazu, die Ursachen des kanalübergreifenden Outputs aufzuzeigen.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 188
Damit der Output und der Throughput der Vertriebsaktivitäten differenziert betrachtet werden
können, wird die Ebene 2 in zwei Sub-Ebenen aufgeteilt. In den folgenden Abschnitten werden die konzeptionellen Überlegungen erläutert und die jeweiligen Kennzahlendimensionen
beispielhaft anhand möglicher Kennzahlen operationalisiert.
2.3.1 Sub-Ebene Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs
Diese Sub-Ebene ist ein zentrales Verbindungsstück zwischen den finanziellen Schlüsselkennzahlen der Ebene 1 und den hauptsächlich aktivitätenorientierten Kennzahlen der SubEbene Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie. Die Funktion der
Kennzahlendimensionen dieser Sub-Ebene sind folgende:
! Kanalübergreifende Operationalisierung der Mehrkanalvertriebsstrategie;
! Direkte Analyse und Erklärung der finanziellen Ergebniskennzahlen (Ebene 1) durch das
Kundengeschäftsergebnis anhand der harten Faktoren des Bankcontrollings591 (Erfolgsdimensionen Kunden, Produkte, Vertriebseinheit);
! Indirekte Analyse und Erklärung der finanziellen Ergebniskennzahlen (Ebene 1) durch weiche Faktoren in Form von Effizienzgewinnen eines Mehrkanalvertriebssystems.
Aus den beiden letzten Funktionen geht hervor, dass in dieser Sub-Ebene der Output der Vertriebsaktivitäten und somit die Verbindung zu Ebene 1 bewusst anhand von harten und weichen Faktoren gemessen wird. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass im Rahmen einer
wertorientierten Vertriebssteuerung die finanziellen Ergebnisgrössen der Ebene 1 umfassender erklärt werden können.592 Die harten und die weichen Faktoren werden in dieser SubEbene konzeptionell durch die kanalübergreifenden Hauptaufgaben eines Mehrkanalvertriebssystems operationalisiert. Diese Aufgaben werden in den nachfolgenden Abschnitten
hergeleitet und durch Kennzahlendimensionen konkretisiert.
Herleitung der kanalübergreifenden Hauptaufgaben
Die Herleitung der kanalübergreifenden Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs erfolgt in zwei
Schritten: Zuerst werden die Erfolgsdimensionen des klassischen Bankcontrollings betrachtet,
anschliessend werden die grundsätzlichen Ziele der Distribution593 erläutert. Aufgrund der
Integration dieser beiden Aspekte werden die kanalübergreifenden Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs hergeleitet.
Erfolgsdimensionen des Bankcontrollings: Im klassischen Bankcontrolling werden die Ergebnisse der Einzelgeschäfte anhand der drei Dimensionen Kunden, Produkte und Vertriebseinheiten zum Kundengeschäftsergebnis verdichtet. Diese Dimensionen erlauben gemäss Abbildung 87 eine detaillierte Analyse der Zusammensetzung des Kundengeschäftsergebnisses
(Output). So kann z.B. aufgezeigt werden, wie viele Erträge ein bestimmter Vertriebskanal mit
einer bestimmten Produktgruppe erzielt hat. Diese Analyse ist jedoch ausschliesslich für sol-
591
592
593
Vgl. Schierenbeck 2001c.
Vgl. Abschnitt 2.2.3.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 3.2.1.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 189
che Kanäle möglich, welche vertriebsstrategisch als Profit-Center594 positioniert sind und somit auch Markterlöse erzielen.
Kunden,
Kundengruppen
Ergebnisbeitrag durch den Verkauf
eines bestimmten Produktes über
einem bestimmten Vertriebsweg für
eine bestimmte Kundengruppe
Produkte,
Produktarten,
Produktbündel
Vertriebseinheiten,
Vertriebskanal,
Regionen
Abbildung 86: Erfolgsdimensionen des klassischen Bankcontrollings
Quelle: Schierenbeck 2003.
Mehrkanalvertriebssysteme von Banken sind heute durch eine differenzierte Aufgabenteilung
zwischen den Kanälen gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass neben den traditionellen Vertriebskanälen (z.B. Bankfiliale, Kundenberater) auch alternative Kanäle (z.B. Internet, CallCenter) wichtige Vertriebsaufgaben wahrnehmen. Oft sind diese Vertriebseinheiten vertriebsstrategisch als Support-Channel positioniert, welche jedoch keine direkten Markterlöse erzielen. Der Erfolgsbeitrag dieser Kanäle kann somit nicht direkt anhand der Dimensionen des
Bankcontrollings erklärt werden. Um jedoch die Wirksamkeit der Vertriebsaktivitäten aller Kanäle analysieren zu können, müssen die klassischen Erfolgsdimensionen durch zusätzliche
Aspekte erweitert werden.
Ziele der Distribution: Die Erweiterung der klassischen Erfolgsdimensionen erfolgt anhand der
grundsätzlichen Ziele der Distribution. Diese bestehen darin, die Markt- und Konsumreife der
Unternehmensleistungen langfristig zu sichern. Markt- bzw. konsumreif sind Leistungen, wenn
sie sich im Beschaffungsbereich des Endkunden befinden und von ihm in der erwarteten
Quantität und Qualität erworben werden können.595 Um diese grundsätzliche Aufgabe erfüllen
zu können, gilt es, zahlreiche Entscheidungen zu treffen. In Abbildung 88 werden die Ziele
und die sich daraus ergebenden Entscheidungsfelder der Distribution skizziert.
Im Rahmen der Mehrkanalvertriebsstrategie einer Bank bedeutet dies, dass eine geeignete
Konfiguration596 des Mehrkanalsystems definiert werden muss. Diese muss klare Aussagen
darüber enthalten, welchen Kunden(segmenten) welche Bankprodukte und -services über
welche Kanäle angeboten werden sollen. Diese Entscheidung erfolgt im Bankensektor unter
Anwendung einer wertorientierten Betrachtungsweise. Dies bedeutet, dass die Konfiguration
594
595
596
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.4.2.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 3.2.1.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 3.2.2.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 190
derart zu gestalten ist, dass Kundenwert geschaffen werden kann. Dieser ist ein zentraler
Werttreiber, welcher einen Einfluss auf den Unternehmenswert einer Bank bzw. eines Geschäftsbereichs hat.
Marktreife:
Konsumreife:
! Produkte, Dienstleistungen und Services dort
anbieten, wo sie für das Unternehmen das
grösste Potenzial bieten
! Produkte, Dienstleistungen und Services dort
anbieten, wo sie vom Kunden erwartet werden
und den grössten Nutzen stiften
Exemplarische Zielgrössen:
Exemplarische Zielgrössen:
! Umsatz
! Kundenzufriedenheit
! Deckungsbeitrag
! Kundenloyalität
Entscheidungsfelder:
! Wo der Kunde die Leistungen beziehen kann
! Wie die Leistungen präsentiert werden sollen
! Wer für die Präsentation zuständig ist
! Welche Leistungen vor, während und nach dem Kauf angeboten werden
Abbildung 87: Ziele der Distribution
Quelle: In Anlehnung an Weinhold 1988, S. 336f.
Kundenwert als Orientierungsgrösse im wertorientierten Vertrieb wird gemäss Abbildung 88 in
zwei Aspekte unterteilt:
! Unter Kundenvorteil597 wird der Wert und Nutzen der Unternehmensleistung für den Kunden verstanden. Im Kontext des Mehrkanalvertriebs einer Bank bedeutet dies, dass die
Konfiguration des Mehrkanalsystems für den Kunden einen Mehrwert bieten sollte. Der
Mehrwert ergibt sich durch eine für den Kunden geeignete Ausgestaltung des Angebots
über die einzelnen Vertriebskanäle. Geeignet ist die Konfiguration v.a. dann, wenn die
Bankprodukte und -dienstleistungen dort angeboten werden, wo sie vom Kunden erwartet
werden und somit den grössten Nutzen stiften (Ziel Konsumreife).
! Beim Aspekt Kundenwert598 erfolgt ein Perspektivenwechsel. Hier steht nicht der Kunde,
sondern vielmehr das Unternehmen im Vordergrund. Unter Kundenwert wird der Wert des
Kunden für das Unternehmen verstanden. Ein Mehrkanalvertriebssystem schafft dabei
Kundenwert, indem mit den richtigen Kanälen die richtigen Kunden angesprochen und gebunden werden können. Dies bedeutet, dass eine optimale Konfiguration des Mehrkanalvertriebssystem idealerweise dazu beiträgt, die Vertriebsaufwendungen einer Bank zu senken und die Erlöse zu steigern. Die Konfiguration ist dann optimal, wenn es einer Bank gelingt, die Marktreife der Bankprodukte und -dienstleistungen mit möglichst geringem Aufwand zu sichern. Anders ausgedrückt werden auf diese Weise durch ein Mehrkanalvertriebssystem Effizienz- bzw. auch Effektivitätsgewinne realisiert. Diese stellen im Rahmen
der Vertriebssteuerung weiche Faktoren dar, welche zur indirekten Erklärung der finanziellen Ergebnisgrössen der Ebene 1 herangezogen werden können.
597
598
Belz 2006, S. 84ff.
Belz 2006, S. 99ff.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 191
Unternehmenswert
Kundenwert
Kundenvorteil
Wert und Nutzen der Unternehmensleistungen für den
Kunden
Kundenwert
Wert des Kunden für das Unternehmen
Beitrag zum Kundenvorteil
Mehrwert durch die Absatzkanäle bieten
Beitrag zum Kundenwert
Mit den richtigen Absatzkanälen die richtigen Kunden
ansprechen
Verringerung der Aufwendungen vs. Erhöhung des
Nutzwertes
Verringerung der Aufwendungen vs. Steigerung der
Erlöse
Mehrkanalvertriebssystem
Abbildung 88: Kundenwert als zentrale Orientierungsgrösse im Mehrkanalvertrieb
Quelle: In Anlehnung an Schögel 2005, S. 20.
In Abbildung 89 wird beispielhaft anhand der Kundenbetreuung gezeigt, wie unter Berücksichtigung der Kosten/Beratungskompetenz der Vertriebskanäle und der Komplexität von
Bankprodukuten Effektivitäts- und Effizienzgewinne in einem Mehrkanalvertriebssystem realisiert werden können.
Ineffiziente
Beratung
Effiziente
und effektive
Beratung
Ineffiziente
Beratung
Effizienzsteigerung
mittel
(z.B. Call Center)
Partiell
ineffiziente
Beratung
Effiziente
und effektive
Beratung
tief
(z.B. Internet)
Effiziente
und effektive
Beratung
Ineffektive
Beratung
tief
mittel
Effektivitätssteigerung
Beratungskompetenz/
Kosten des Vertriebskanals
hoch
(z.B. Berater)
Partiell
ineffektive
Beratung
Ineffektive
Beratung
hoch
Komplexität des Bankprodukts/Kundenbedürfnisses
Abbildung 89: Effizienz und Effektivität der Kundenbetreuung
Quelle: Eigene Darstellung.
Die Grundüberlegung ist, dass in einem Mehrkanalsystem mit differenzierter Aufgabenteilung
einfache Bankprodukte mit geringem Erklärungs- und Beratungsbedarf vermehrt über kostengünstige Kanäle wie z.B. dem Internet vertrieben werden. Komplexe Bankprodukte, die eine
umfassendere und persönliche Beratung erfordern, werden hingegen weiterhin hauptsächlich
über kostenintensivere Kanäle wie z.B. einem Kundenberater in einer Filiale angeboten. Die
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 192
zunehmende Integration alternativer Vertriebswege (z.B. Internet, Contact-Center) in die Vertriebsprozesse ermöglicht somit eine wertorientierte Differenzierung der Aufgabenverteilung
zwischen den Kanälen. Diese Entwicklung wird auch durch das sich ändernde Kundenverhalten unterstützt. Dieses kennzeichnet sich dadurch, dass alternative Vertriebskanäle (v.a. das
Internet) vom Kunden vermehrt genutzt werden. Die daraus resultierenden Effizienzsteigerungen und -gewinne gilt es, als weiche Faktoren zu berücksichtigen.
Durch die integrierte Betrachtung der Erfolgsdimensionen des Bankcontrollings599 und der
grundsätzlichen Ziele der Distribution600 können drei Hauptaufgaben eines Mehrkanalvertriebssystems abgeleitet werden:
! Kundenwerte schaffen;
! Produkte-/Serviceerfolge erzielen;
! Effizienzgewinne im Vertriebssystem realisieren.
In den folgenden Abschnitten werden diese drei Dimensionen anhand von Treibergrössen
und möglichen Kennzahlen beispielhaft operationalisiert.
Operationalisierung der Dimension Kundenwert
Ein Mehrkanalvertriebssystem leistet einen Beitrag zum Kundenwert, indem mit den richtigen
Kanälen die richtigen Kunden angesprochen und gebunden werden. Die Definition dieser
Hauptaufgabe impliziert, dass der Erfolgsbeitrag dieser Dimension grundsätzlich anhand der
Treibergrössen Kundenakquisition und Kundenbindung operationalisiert werden kann. Kundenwert wird jedoch nicht ausschliesslich durch eine mengenmässige Erhöhung des Kundenbestandes oder durch die langfristige Bindung von Kunden erreicht. Erfolge in der Kundenakquisition und -bindung müssen auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit betrachtet
werden. Diese Anforderung kann durch die Treibergrösse Kundenprofitabilität berücksichtigt
werden. Die Treibergrösse Kundenbindung kann durch eine potentialorientierte Betrachtungsweise ergänzt werden. Kundenwert wird daher nicht nur durch die langfristige Bindung
von Kunden geschaffen, sondern v.a. auch durch gezieltes Cross-Selling. Auf diese Weise
werden Potentiale bestehender Kunden erschlossen. Dieser Aspekt kann durch die Treibergrösse Kundenpotentialausschöpfung ergänzt werden.
Diese vier Treibergrössen operationalisieren die Dimension Kundenwert. Alle tragen dazu bei,
dass das Kundengeschäftsergebnis bzw. die finanzwirtschaftlichen Ergebnisse der Ebene 1
durch weiche und harte Faktoren erklärt werden können. In Abbildung 90 werden die einzelnen Treibergrössen beispielhaft anhand möglicher Kennzahlen vorgestellt.
599
600
Schierenbeck 2003.
Weinhold 1988, S. 335ff.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 193
Treibergrösse
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Kundenakquisition
Anzahl Neukunden
Anzahl der akquirierten Neukunden in
einer definierten Periode
Wert Neukunden
Wert der von den neuen Kunden eingebrachten Vermögenswerte in einer definierten Periode (Net New Asset)
Ertrag Neukunden
Erwirtschaftete Erträge durch den Verkauf von Bankprodukten an Neukunden
Neukundenquote
Anzahl der Neukunden/Anzahl aller
Kunden
Asset under Management
Wert der Vermögenswerte bestehender
Kunden
Abgewanderte Kunden
Anzahl der abgewanderten Kunden in
einer definierten Periode
Kundenbeziehungsdauer
Durchschnittliche Dauer der Kundenbeziehung zur Bank
Hauptbankverbindungsanteil
Anteil der Kunden, für welche die Bank
die Hauptbankverbindung darstellt
Kundenbindung
Kundenprofitabilität Durchschnittlicher Deckungsbeitrag pro Kunden
Kundenpotentialausschöpfung
Durchschnittliche Differenz der Erlöse
abzüglich der zurechenbaren Kosten
Durchschnittliche Kundenrentabilität
Durchschnittlicher Deckungsbeitrag pro
Kunde/durchschnittlich notwendiges
Kapital pro Kunde
Kosten pro Neukunde
Durchschnittliche Kosten für Kundenwerbung/Anzahl Neukunden
Durchschnittlicher Umsatz pro Kunde
Erwirtschafteter Ertrag/Anzahl Kunden
(Neukunden, Bestandeskunden)
Share of Wallet
Anteil der durch die Bank verwalteten
Vermögen/Gesamtvermögen der Kunden
Inaktive Kunden
Anteil der Kunden, welche inaktiv sind
und keine Transaktionen tätigen
Abbildung 90: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Kundenwert
Quelle: Eigene Darstellung, z.T. in Anlehnung an Wild 2005.
Die Aufzählung in Abbildung 90 ist als Hilfestellung zu verstehen und keinesfalls abschliessend. Bei der Umsetzung eines Kennzahlensystems sind je nach Zielsetzung gemäss Mehrkanalvertriebsstrategie und Informationslage einer Bank die geeigneten Kennzahlen zu wählen.
Operationalisierung der Dimension Produkt-/Serviceerfolg
Ein Mehrkanalvertriebssystem leistet ebenfalls einen Beitrag zum Kundenwert, wenn es gelingt, mit den richtigen Kanälen den richtigen Kunden die richtigen Produkte anzubieten.601
601
Die Definition von Schögel wurde hier um den Aspekt Produkte erweitert. Vgl. Schögel 2005, S. 23.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 194
Dies bedeutet, dass durch den effektiven und effizienten Vertrieb von Bankprodukten und services Produkterfolge erzielt werden können. Die Hauptaufgabe Produkt-/Serviceerfolg versucht daher, den Erfolgsbeitrag aus Sicht der Bankprodukte und -services zu messen. Diese
Betrachtungsweise lehnt sich an die Erfolgsdimension Produkt des klassischen Erfolgscontrollings an.602
Produkt- und Serviceerfolge können anhand unterschiedlicher Treibergrössen operationalisiert werden. Grundsätzlich sind der Absatz (Menge) und der Umsatz (Wert) von Produkten
Indikatoren für den Produkterfolg. Diese mengen- oder wertmässige Betrachtung greift im
Sinne einer umfassenden Analyse und Erklärung des Kundengeschäftsergebnisses jedoch zu
kurz. Analog zur Dimension Kundenwert gilt es, den Aspekt der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Dies ist wichtig, weil Produktumsätze- oder Absatzziele im Vertrieb zu Lasten der
Profitabilität „erkauft“ werden können.
Eine weitere mögliche Treibergrösse ist die Produktnutzung. Banken definieren im Rahmen
von Mehrkanalvertriebs- bzw. Produktstrategien, welche Bankprodukte und -services welchen
Kundensegmenten angeboten werden. Mittels der Treibergrösse Produktnutzung wird versucht, den Erfolg dieser Produktstrategien zu messen. Es geht hier v.a. um die Frage, ob die
für das Zielsegment vorgesehen Bankprodukte und -services auch effektiv genutzt werden
bzw. verkauft werden konnten. Die Treibergrösse Produktnutzung kann auch durch eine potentialorientierte Betrachtungsweise ergänzt werden. Hierbei steht jedoch nicht die effektiv
erreichte sondern vielmehr die potentiell mögliche Produktnutzung im Vordergrund.
Diese Treibergrössen operationalisieren die Dimension Produkt-/Serviceerfolg. Alle tragen
dazu bei, dass das Kundengeschäftsergebnis bzw. die finanzwirtschaftlichen Ergebnisse der
Ebene 1 sowohl durch weiche als auch durch harte Faktoren erklärt werden können.
In Abbildung 91 werden die einzelnen Treibergrössen beispielhaft anhand möglicher Kennzahlen konkretisiert.
Treibergrösse
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Produktumsatz/absatz
Umsatz
Erzielter Umsatz in Geldeinheiten pro
Produkt(gruppe) innerhalb einer definierten Periode
Absatz
Absatz in Mengeneinheiten pro Produkt(gruppe) innerhalb einer definierten
Periode
Durchschnittliche Marge
Durchschnittlicher Deckungsbeitrag pro
Produkt
Sonderkonditionenquote
Anteil der Produktverkäufe mit Preisnachlässen
Produktprofitabilität
602
Vgl. Schierenbeck 2003.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 195
Produktnutzung
Produktnutzung
Anteil der Kunden, welche ein bestimmtes Produkt bei der Bank benutzen
Produktmarktanteil
Erzielter Marktanteil der Bank pro Produkt(gruppe)
Abbildung 91: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Produkt-/Serviceerfolg
Quelle: Eigene Darstellung, z.T. in Anlehnung an Wild 2005.
Die Aufzählung ist als Hilfestellung zu verstehen und keinesfalls abschliessend. Bei der Umsetzung eines Kennzahlensystems sind je nach Zielsetzung gemäss Mehrkanalvertriebsstrategie und Informationslage einer Bank die geeigneten Kennzahlen auszuwählen.
Operationalisierung der Dimension Vertriebssystemeffizienz
Bei der letzten Dimension stehen Effektivitäts- und Effizienzgewinne im Vordergrund, welche
durch ein Mehrkanalvertriebssystem realisiert werden können. Im Gegensatz zu den Dimensionen Kundenwert und Produkterfolg handelt es sich hier mehrheitlich um weiche Faktoren,
mittels welchen das Kundengeschäftsergebnis bzw. die finanziellen Ergebniskennzahlen der
Ebene 1 nur indirekt erklärt werden.
Die Dimension bzw. Hauptaufgabe der Vertriebssystemeffizienz leistet einen Beitrag zum
Kundenwert und -vorteil. Eine optimale Vertriebskonfiguration trägt zum Wert des Kunden bei,
weil es der Bank gelingt, mit den richtigen Kanälen die richtigen Kunden anzusprechen. Praktisch bedeutet dies, dass Kunden die unterschiedlichen Bankprodukte und -services über jene
Kanäle beziehen, wie es in der Mehrkanalvertriebsstrategie vorgesehen ist. Die Banken versuchen die Distribution ihrer Produkte und Services effizient zu gestalten. Dies gelingt dadurch, dass kostenintensive Kanäle (z.B. Berater) in einer Filiale sich auf den Vertrieb komplexerer Produkte fokussieren, während günstigere Kanäle (z.B. Internet) sich auf standardisierte und einfachere Produkte konzentrieren. Gelingt es, diese Differenzierung im Rahmen
der Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie erfolgreich umzusetzen, wird Kundenwert
geschaffen. Der Erfolg einer differenzierten Vertriebskonfiguration ist jedoch stark von den
Kunden und deren Präferenzen abhängig. Die Differenzierung muss somit für Kunden einen
klaren Mehrwert (Kundenvorteil) schaffen. Dies kann entweder durch finanzielle Anreize (z.B.
günstigere Preise für standardisierte Produkte im Internetkanal) und/oder durch einen höheren Nutzwert (z.B. Zeitersparnis bei Abwicklung von Zahlungsverkehrstransaktionen über den
Internetkanal) erfolgen.
Durch eine differenzierte Konfiguration des Mehrkanalvertriebssystems können somit Effizienzgewinne realisiert werden, welche sich aus Sicht einer Bank auf der Kosten- und Ertragsseite niederschlagen. Die Vertriebssystemeffizienz kann daher durch die Treibergrössen
Kosten- und Ertragsstruktur operationalisiert werden. Ist der differenzierte Vertrieb von Produkten erfolgreich, hat dies auch einen Einfluss auf das Nutzungsverhalten der Kunden. Dieser Aspekt kann durch die Treibergrösse Nutzungsstruktur konkretisiert werden.
Die drei Treibergrössen Kosten-, Ertrags- und Nutzungsstruktur operationalisieren die Dimension Vertriebssystemeffizienz. Alle tragen dazu bei, dass das Kundengeschäftsergebnis bzw.
die finanzwirtschaftlichen Ergebnisse der Ebene 1 durch zusätzlich weiche Faktoren erklärt
werden können. In Abbildung 92 werden die einzelnen Treibergrössen beispielhaft anhand
möglicher Kennzahlen aufgezeigt.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 196
Treibergrösse
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Kostenstruktur
Struktur der Vertriebssystemkosten
Entwicklung der Kosten pro Vertriebskanal
Kosteneinsparungen
Zahlungsverkehr
Realisierte Kosteneinsparungen durch
die Erhöhung des Anteils Zahlungsverkehrstransaktionen, die über den Internetkanal abgewickelt werden (e-Share)
Berechnung: Standardtransaktionskosten Berater-Kanal abzüglich Standardtransaktionskosten Internet-kanal
multipliziert mit Erhöhung des e-Shares.
Kosteneinsparungen
Wertschriften
Operationalisierung analog zu Zahlungsverkehr
Struktur der Vertriebssystemerträge
Entwicklung der Erträge pro Vertriebskanal (Kanäle mit Markterlösen)
Deckungsbeiträge Online
Banking-Kunden603
Vergleich der durchschnittlichen Deckungsbeiträge von Online BankingKunden mit Kunden, die kein Online
Banking nutzen
Share of Wallet Online
Banking-Kunden
Vergleich des durchschnittlichen Share of
Wallet von Online Banking Kunden mit
Kunden, die kein Online Banking nutzen
e-Share Transaktionen
Entwicklung des Anteils Transaktionen
(Zahlungsverkehr, Wertschriften), welche
über den Internetkanal abgewickelt werden
e-Penetration
Entwicklung der Anzahl Kunden pro
Segment, welche über einen Online
Banking-Vertrag verfügen
Activity Level
Entwicklung der Anzahl Kunden, welche
das Online Banking aktiv nutzen
Ertragsstruktur
Nutzungsstruktur
Abbildung 92: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Vertriebssystemeffizienz
Quelle: Eigene Darstellung, z.T. in Anlehnung an Wild 2005.
Die in Abbildung 92 aufgezählten Kennzahlen dienen nur als Hilfestellung und sind keinesfalls
abschliessend. Bei der Umsetzung eines Kennzahlensystems sind je nach Mehrkanalvertriebsstrategie und Informationslage die geeigneten Kennzahlen zu wählen.
2.3.2 Sub-Ebene Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie
Diese Sub-Ebene stellt die Verbindung zwischen der Sub-Ebene Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs und der Ebene 3 Ressourcen- und potentialorientierten
Kennzahlen her. Die Funktion der Kennzahlendimensionen dieser Sub-Ebene sind folgende:
603
Unter Online Banking-Kunden werden solche verstanden, welche standardisierte Bankgeschäfte (z.B. Zahlungsverkehr, Wertschriftentransaktionen, Devisenhandel etc.) über eine Online Banking-Lösung abwickeln.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 197
! Operationalisierung der Mehrkanalvertriebsstrategie durch kanalspezifische Hauptaufgaben und kanalübergreifende Vertriebsprozesse;
! Direkte/indirekte Analyse und Erklärung des Ergebnisses der kanalübergreifenden Hauptaufgaben durch kanalspezifische Hauptaufgaben und -aktivitäten;
! Messung der kanalspezifischen Wirtschaftlichkeit und Produktivität unter Berücksichtigung
der Unternehmungsressourcen und Marktpotentiale.
In der Sub-Ebene Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs stand die
Wirksamkeitskontrolle des Outputs des gesamten Mehrkanalvertriebssystems im Vordergrund. In dieser Sub-Ebene erfolgt ein Perspektivenwechsel hin zu einer kanalspezifischen
Betrachtung. Das Ziel ist, die Durchführung der Vertriebsaktivitäten (Throughput) in den einzelnen Kanälen zu kontrollieren. Dies erfolgt anhand der Aufgabenprofile, welche in der Mehrkanalvertriebsstrategie definiert wurden. Neben dieser kanalspezifischen Betrachtung gilt es,
auch kanalübergreifende Vertriebsprozesse zu analysieren. Dies ist notwendig, um das Funktionieren einer differenzierten Aufgabenverteilung in einem Mehrkanalvertriebssystem sicherzustellen.
Die Kontrolle der kanalspezifischen Vertriebsaufgaben und kanalübergreifenden Vertriebsprozesse erfolgt primär anhand der In- und Outputs der Prozesse. Zudem sollten idealerweise
auch die Prozesse selber in Bezug auf die Qualität gemessen werden. In den beiden folgenden Abschnitten wird aufgezeigt, wie kanalspezifische Aufgaben und kanalübergreifende Vertriebsprozesse in einem Mehrkanalvertriebssystem kontrolliert und gesteuert werden können.
Operationalisierung kanalspezifischer Vertriebsaufgaben
In einer Mehrkanalvertriebsstrategie wird definiert, welchen Kunden welche Bankprodukte und
-services über welche Kanäle angeboten werden. Die Strategie ermöglicht somit eine Aussage über die Konfiguration des Mehrkanalvertriebs bzw. über die vertriebsstrategischen Aufgaben der einzelnen Kanäle. In Mehrkanalvertriebssystemen wird i.d.R. eine differenzierte Aufgabenverteilung angestrebt. Diese erfolgt einerseits unter Berücksichtigung unterschiedlicher
Kostenstrukturen und Kompetenzen der einzelnen Vertriebskanäle, andererseits hinsichtlich
der Komplexität der einzelnen Produktkategorien. Unter Kompetenzen wird nicht nur die bisher erwähnte Beratungskompetenz verstanden. Vielmehr geht es darum, grundsätzliche Eigenschaften der Kanäle zu berücksichtigen. Beispielsweise wird über das Internet im Vergleich zu einem Kundenberater eine effiziente Abwicklung von standardisierten Zahlungsverkehrtransaktionen besser gewährleistet. Hingegen kann das Internet weder eine effektive Beratung noch eine effiziente Abwicklung für komplexere Finanzgeschäfte sicherstellen.
In Abbildung 94 werden fiktive Aufgabenprofile einer Bank gezeigt, deren Mehrkanalvertriebssystem aus den Kanälen Internet, Call-Center, Kundenberater und Bankschalter besteht. Aus
der Abbildung geht hervor, welche Kanäle für welche Produkte in welchen Vertriebsprozessen604 (Bank- und Kundensicht) welche Haupt- und Nebenaufgaben erfüllen. Basierend auf
einer solchen konzeptionellen Darstellung gilt es, in der Praxis geeignete Kennzahlen für die
Steuerung der Vertriebsaufgaben der einzelnen Kanäle abzuleiten.
604
Vgl. Teil 2, Abschnitt 3.2.2.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 198
Vertriebskanäle
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Bankschalter
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Kundenberater
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Call-Center
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Internet
Produktgruppen
Information
Beratung
Vertriebsprozess
Vertriebsaufgaben
der
Kanäle
Verkauf
Abwicklung
After Sales
Hauptaufgaben
Nebenaufgaben
Keine Aufgaben
Produktkomplexität: Gruppe 1 > Gruppe 2 > Gruppe 3 > Gruppe 4 > Gruppe 5
Abbildung 93: Kanalspezifische Aufgabenprofile im Mehrkanalvertriebssystem
Quelle: Eigene Darstellung.
Weil die Konfiguration eines Mehrkanalvertriebssystems sehr stark von der jeweiligen Strategie und dem Kundensegment (Retailkunden, Private-Banking-Kunden, Firmenkunden) abhängig ist, können keine allgemeingültigen Kennzahlen angeführt werden. Um die Operationalisierung kanalspezifischer Aufgabenprofile zumindest konzeptionell zu konkretisieren, werden für die fiktiven Aufgabenprofile der Kanäle Internet (vgl. Abbildung 94) und Kundenberater
(vgl. Abbildung 95) einige Beispiele gebracht. Dabei wird auf die eingangs erwähnte Struktur
Input, Prozess und Output zurückgegriffen. Sie dient v.a. dazu, UrsacheWirkungsbeziehungen besser aufzeigen zu können. Auf diese Weise kann das Ergebnis der
kanalübergreifenden Hauptaufgaben605 besser analysiert und erklärt werden.
Die Strukturierung der Beispiele anhand Input, Prozess und Output verdeutlicht an dieser
Stelle die Verbindungsfunktion dieser Sub-Ebene. Der Aspekt Input bezieht sich auf die Unternehmungsressourcen und auf die Markpotentiale der Ebene 3. Der Output stellt den Bezug
zu den kanalübergreifenden Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs her. Die Inputfaktoren
der Ebene 3 für die Vertriebsaufgaben und -prozesse dieser Sub-Ebene werden erst in Abschnitt 2.4 detailliert erläutert. Um die enge Verzahnung dieser beiden Ebenen aufzeigen zu
können, wird der Aspekt Input in den nachfolgenden Abbildungen trotzdem berücksichtigt.
605
Vgl. Abschnitt 2.3.1.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 199
Aspekt
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Input
Benutzungshäufigkeit der Kontaktformulare606 der Produktgruppe 5 (Prozess Information)
Anzahl Page-Views607 für die Kontaktformulare
Systemverfügbarkeit des Privatkredit-Online-Tools (Prozess Information)
Verfügbarkeit der Internet-Applikation, mit
welcher die Raten für einen Privatkredit gerechnet werden können
Qualität der Kontaktformulare der
Produktgruppe 5 (Prozess Information)
Anteil der Kontaktformulare, welche eine
gültige Adresse enthalten und durch die
Bank verwertet werden können
Qualität der Finanzierungsanfragen für Privatkredit (Prozess Information)
Anteil der Finanzierungsanfragen, welche
korrekt durchgeführt wurden und eine gültige Adresse zur Kontaktaufnahme enthalten
Anzahl Kontaktformulare der
Produktgruppe 5 (Prozess Information)
Gesamttotal der ausgefüllten Kontaktformulare
Prozess
Output
Anzahl Finanzierungsanfragen für Gesamttotal der durch das Online-Tool geHypotheken (Prozess Informatinerierten Finanzierungsanfragen.
on)
Abbildung 94: Kennzahlenbeispiele für Internet (Information)
Quelle: Eigene Darstellung.
Aspekt
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Input
Verfügbarkeit zentraler CRMApplikationen (Prozesse Information, Beratung)
Verfügbarkeit der zentralen Anwendungen,
welche der Kundenberater für die Erfüllung
seiner Vertriebsaufgaben benötigt
Kundenstamm (Prozesse Information, Beratung)
Durchschnittliche Anzahl der zu betreuenden Kunden
Anzahl Kundenkontakte (Prozess
Information)
Anzahl der Kunden, welche durch die Kundenberater zur Bedürfnisanalyse und Potentialerkennung telefonisch kontaktiert wurden
Anzahl Terminvereinbarungen
(Prozess Information)
Anzahl der Terminvereinbarungen, welche
durch die telefonische Kontaktaufnahme
erzielt wurden
Anzahl Beratungsgespräche
(Prozess Beratung)
Anzahl der Beratungsgespräche, die nach
den Terminvereinbarungen effektiv stattgefunden haben.
Anzahl Offerten (Prozess Beratung)
Anzahl der Offerten, die aus den Beratungsgesprächen resultieren.
Prozess
Output
Abbildung 95: Kennzahlenbeispiele für Kundenberater (Information/Beratung)
Quelle: Eigene Darstellung.
606
607
Banken benutzen heute oft Kontaktformulare, um mit dem Kunden via Internet in Kontakt zu treten. Kunden,
die z.B. zusätzliche Informationen über ein bestimmtes Produkt wünschen, können durch das Ausfüllen eines
Kontaktformulars mit der Bank in Verbindung treten.
Page-Views geben an, wie oft eine Internet-Seite besucht wird.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 200
In den Abbildungen 94 und 95 wird versucht, für ausgewählte Prozesse und Aufgaben
beispielhaft die Kanalaufgabenprofile der Kanäle Internet und Kundenberater anhand
möglicher Kennzahlen zu operationalisieren. Die Kennzahlen sind als Hilfestellung zu
verstehen und keinesfalls abschliessend. Bei der Umsetzung eines Kennzahlensystems sind
je nach Vertriebskonfiguration und Informationslage geeignete Kennzahlen zu wählen.
Operationalisierung kanalübergreifender Vertriebsprozesse
Im vorangehenden Abschnitt wurde die differenzierte Aufgabenverteilung der fiktiven Bank
nur insofern betrachtet, als die Kanäle unterschiedliche Aufgaben haben. Diese kanalspezifische Betrachtung gilt es, durch eine kanalübergreifende Perspektive zu ergänzen. Dies ist
notwendig, weil sich aufgrund der differenzierten Aufgabenteilung kanalübergreifende Prozesse ergeben. Diese gilt es, ebenfalls anhand von Kennzahlen zu kontrollieren und zu steuern. In Abbildung 96 werden beispielhaft mögliche kanalübergreifende Prozesse dargestellt.
Vertriebskanäle
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Bankschalter
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Kundenberater
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Call-Center
Gruppe 5
Gruppe 4
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 1
Internet
Produktgruppen
Information
Beratung
Vertriebsprozess
Vertriebsaufgaben
der Kanäle
Verkauf
Abwicklung
After Sales
Hauptaufgaben
Nebenaufgaben
Keine Aufgaben
kanalübergreifende
Prozesse
Produktkomplexität: Gruppe 1 > Gruppe 2 > Gruppe 3 > Gruppe 4 > Gruppe 5
Abbildung 96: Kanalübergreifende Vertriebsprozesse im Mehrkanalvertriebssystem
Quelle: Eigene Darstellung.
Der Abbildung 96 ist zu entnehmen, dass das Internet dazu eingesetzt wird, Kunden mit Informationen zu allen Produktkategorien zu versorgen, um den Vertriebsprozess zu initialisieren. Der Internet-Kanal ist in der fiktiven Bank so positioniert, dass er beispielsweise durch
Produktinformationen und Online-Rechner608 neue Geschäftsmöglichkeiten generieren soll.
Gemäss Aufgabenprofil ist das Internet jedoch nicht für die Verwertung dieser Leads zuständig. Je nach Produktgruppe ist hierfür ein anderer Kanal zuständig.
608
Heutzutage verwenden Banken zahlreiche Online-Rechner, bei welchen der Kunde z.B. einen Hypothekarzins
berechnen und durch ein elektronisches Kontaktformular mit der Bank in Verbindung treten kann.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 201
In der fiktiven Bank erfolgt die Verwertung dieser Leads durch die Beratungsleistung anderer
Kanäle. Für die Produktegruppen 1 bis 3 ist der Kundenberater zuständig, für die Gruppe 4
das Call-Center. In Abbildung 97 wird beispielhaft einer dieser kanalübergreifenden Prozesse
zwischen dem Internet und dem Kundenberater operationalisiert. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass der Output des Prozesses Information im Internet-Kanal den Input für den Prozess Beratung des Kundenberaters darstellt.
Aspekt
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Input
Anzahl generierter Finanzierungsanfragen
Gesamttotal der durch einen OnlineHypotheken-Rechner generierten Anfragen
für ein Beratungsgespräch
Prozess
Kontaktaufnahmedauer
Durchschnittliche Anzahl Tage bis zur Kontaktaufnahme mit dem Kunden
Output
Verwertungsquote der Finanzierungsanfragen
Anteil der Finanzierungsanfragen, welche im
Rahmen eines Beratungsgesprächs abgearbeitet wurden
Abbildung 97: Kennzahlenbeispiele für kanalübergreifende Prozesse (Information/Beratung)
Quelle: Eigene Darstellung.
Sowohl die Darstellung als auch die Operationalisierung kanalübergreifender Prozesse erfolgten in diesem Abschnitt beispielhaft und vereinfacht. Zweck dieser Erläuterung war, das Konzept der Operationalisierung kanalspezifischer Aufgabenprofile und kanalübergreifender Geschäftsprozesse zu beschreiben.
2.3.3 Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung
In diesem Abschnitt wird auf einige zentrale Herausforderungen eingegangen, welche sich bei
der praktischen Umsetzung in Bezug auf die Operationalisierung kanalspezifischer Aufgabenprofile und kanalübergreifender Geschäftsprozesse ergeben können. Hierbei wird v.a. auf die
Erkenntnisse zurückgegriffen, welche im Rahmen der Fallstudie Credit Suisse Private Clients
gewonnen werden konnten.
Abgrenzung der relevanten Vertriebskanäle: Grundvoraussetzung für eine umfassende Steuerung der Vertriebsaktivitäten im Mehrkanalvertrieb ist die Abgrenzung der relevanten Vertriebskanäle für den betrachteten Geschäftsbereich. In grösseren Banken mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen (Retail-Banking, Private-Banking, Firmenkunden) können in Abhängigkeit der Organisationsform Abgrenzungsprobleme auftreten. Die Folge ist, dass die
meisten Kanäle für mehrere Geschäftsbereiche tätig sind. Aus Sicht des Geschäftsbereichsverantwortlichen ergibt sich das Problem, dass nicht alle für seinen Bereich relevanten Vertriebskanäle direkt gesteuert werden können. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass je
nach Koordinationsansatz609 des Mehrkanalvertriebssystems nicht alle Kanäle einem Geschäftsbereich direkt unterstellt sind.
Die Tatsache, dass nicht alle Kanäle von einem Geschäftsbereich führungsmässig direkt gesteuert werden können, hat auch einen Einfluss auf die Abgrenzung und Allokation der Kos-
609
Vgl. Teil 3, Abschnitt 2.3.1.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 202
ten dieser Kanäle. Will man im Rahmen eines Kennzahlensteuerungssystems die Wirtschaftlichkeit oder Produktivität solcher Kanäle im Sinne von Input-Output-Relationen ausweisen,
kann dies aufgrund der schwierigen Kostenabgrenzungen schwierig sein.
Die Lösung der Abgrenzungsproblematik ist gerade in grösseren Banken mit hoch integrierten
und dadurch vernetzten Mehrkanalvertriebssystemen nicht trivial. Für eine umfassende Analyse und Erklärung des Kundengeschäftsergebnisses erscheint es sinnvoll, auch die nur indirekt steuerbaren Vertriebskanäle in ein Kennzahlensteuerungssystem einzubeziehen. Die
Abgrenzung der Kosten dieser Kanäle muss über geeignete Verfahren der internen Leistungsverrechnung erfolgen.
Prozesslandkarten als Grundlage für das Management von Vertriebsprozessen: Die Grundlage für ein integriertes Management von Prozessen im Mehrkanalvertrieb ist die Definition einer Prozesslandkarte. Diese dient auf aggegierter Ebene dazu, den Vertriebsprozess (z.B.
Information, Beratung, Verkauf, Abwicklung, After-Sales) eines Geschäftsbereichs systematisch zu definieren und zu strukturieren. Darauf basierend gilt es, die zentralen Prozesse und
Aufgaben der einzelnen Vertriebskanäle zu identifizieren. Das Ausbleiben einer Prozesslandkarte erschwert eine systematische Definition kanalspezifischer Aufgabenprofile. Dies wiederum erschwert eine strukturierte Herleitung geeigneter Kennzahlen für eine aufgabenorientierte
Steuerung der einzelnen Vertriebskanäle.
In der Fallstudie Credit Suisse Private Clients konnten die Kennzahlen einfach anhand der
aktuellen Prozesslandkarte der Division Private-Banking strukturiert werden. In Kombination
mit den Erkenntnissen aus Kundenzufriedenheitsstudien konnten bei der Auswahl von Kennzahlen gezielt Schwerpunkte auf solche Prozesse gelegt werden, welche einen grossen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben.
Fokus auf relevante Hauptaufgaben der Vertriebskanäle: Mittels der Aufgabenprofile wird definiert, welche Aufgaben die einzelnen Kanäle im Vertriebsprozess (Information, Beratung,
Verkauf, Abwicklung, After-Sales) für welche Produktgruppen erfüllen. Die Profile dienen nicht
nur der Abgrenzung der Aufgaben der einzelnen Kanäle, sondern auch der Herleitung geeigneter Kennzahlen. Je nach Detaillierungsgrad der formulierten Aufgabenprofile stellt sich bei
der Operationalisierung die Herausforderung, in einem Kennzahlensteuerungssystem die Anzahl der Messgrössen einzugrenzen.
Diese Problemstellung kann durch eine konsequente Fokussierung auf die strategisch relevanten Hauptaufgaben610 der einzelnen Vertriebskanäle gelöst werden. Zusätzliche Nebenaufgaben können in weiterführenden (kanalspezifischen) Kennzahlenanalysesystemen611
erfasst werden.
Aufwand zur Auswertung von Prozesskennzahlen: Die Erhebung und Auswertung von Prozesskennzahlen kann in der Praxis mit grösserem Aufwand verbunden sein. Eine Ursache ist
die Anzahl unterschiedlicher dezentraler Informationssysteme, welche die notwendigen Daten
für die Prozesskennzahlen enthalten. Eine weitere Herausforderung ist zudem die geschäfts-
610
611
Vgl. Teil 2, Abschnitt 5.3.1.
Vgl. Teil 2, Abschnitt 6.2.2.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 203
bereichsspezifische Abgrenzung der Kennzahlen. Diese Problemstellung ergibt sich aus der
Tatsache, dass einzelne Kanäle für unterschiedliche Bereiche Dienstleistungen erbringen.
Grössere Banken verfügen i.d.R. über komplexe Systemarchitekturen mit zahlreichen dezentralen Systemen. Der Aufwand für die Auswertung von Prozesskennzahlen kann jedoch durch
übergeordnete Management-Informationssysteme reduziert werden, indem in diesen die Daten dezentraler Systeme zusammengefasst und agreggiert werden.
2.4 Ebene 3: Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen
In der Ebene 2 wurde der Umgang mit Marktpotentialen und Unternehmungsressourcen anhand von Vertriebsaufgaben der einzelnen Kanäle beschrieben. In der Ebene 3 geht es darum, diese zentralen Inputfaktoren im Rahmen einer Inputkontrolle zu erfassen und zu bewerten. In herkömmlichen Konzeptionen von Kennzahlensystemen612 werden solche ressourcenund potentialorientierte Grössen mehrheitlich vernachlässigt. Die Berücksichtigung dieser
Faktoren erscheint jedoch aus mehreren Gründen erstrebenswert.
Die idealtypische Struktur basiert bewusst auf einer Prozesslogik, welche die Abbildung von
Ursache-Wirkungsbeziehungen ermöglicht und damit zur integrierten Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems geeignet ist. Damit die Ursachen des Throughputs analysiert und erklärt werden können, ist die Berücksichtigung der Inputfaktoren für die Vertriebsaufgaben und
-prozesse notwendig. Dies ermöglicht schliesslich eine gezielte Steuerung jener Faktoren,
welche das Vertriebsergebnis massgeblich – positiv oder negativ – beeinflussen.
Eine weitere Überlegung ist, dass Ebene 3 in unterschiedlicher Weise zu einem ausgewogenen Design613 des Kennzahlensystems beiträgt. Im Gegensatz zu den Ebenen 1 und 2 ist die
zeitliche Reichweite der Kennzahlendimensionen mittel- bis langfristig. Dies rührt daher, dass
Veränderungen der Unternehmungsressourcen und Marktpotentiale nicht (immer) eine unmittelbare Auswirkung auf die Durchführung der Vertriebsaufgaben haben. In Bezug auf die Dimension Zeit werden über alle Ebenen hinweg somit kurz- bis langfristige Aspekte berücksichtigt. Auch in Bezug auf die Ausrichtung des Kennzahlensystems trägt Ebene 3 zu einem ausgewogenen Design bei. Das Einbeziehen von Marktpotentialen erweitert den sonst eher internen Blickwinkel der Kennzahlen um eine externe Perspektive.
Ebene 3 trägt auch dazu bei, im Rahmen der strategischen Planung Potentiale systematisch
zu erheben. Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen tragen nicht nur zur Erklärung
des Vertriebsergebnisses vergangener Perioden bei, sondern geben Anhaltspunkte für Steuerungseingriffe in zukünftigen Geschäftsperioden. Die konzeptionelle Berücksichtigung der Ebene 3 trägt somit dazu bei, dass die idealtypische Struktur des Kennzahlensystems nicht nur
zur Implementierung, sondern auch zur Planung von Mehrkanalvertriebsstrategien dient.614
Das System deckt dadurch den gesamten Prozess des strategischen Managements ab.
Ebene 3 ist in die zwei Sub-Ebenen Unternehmungsressourcen und Marktpotentiale unterteilt.
Die folgenden zwei Abschnitte erläutern die konzeptionellen Überlegungen beider Sub-
612
613
614
Vgl. Teil 3.
Vgl. Teil 3, Abschnitt 2.3.3.
Vgl. Teil 3, Abschnitt 2.2.1.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 204
Ebenen und operationalisieren die jeweiligen Kennzahlendimensionen beispielhaft anhand
möglicher Kennzahlen.
2.4.1 Sub-Ebene Unternehmungsressourcen
In der idealtypischen Struktur des Kennzahlensystems gilt es, Unternehmungsressourcen zu
berücksichtigen, da deren Entwicklung und kanalspezifische Allokation einen massgeblichen
Einfluss auf das erzielte Vertriebsergebnis haben. Die Funktion dieser Sub-Ebene ist daher
die Erfassung und Bewertung von Unternehmungsressourcen als Voraussetzungen und Determinanten für die effiziente und effektive Erfüllung der Vertriebsaufgaben bzw. zur Ausschöpfung von Marktpotentialen.
Als Unternehmungsressourcen werden in dieser Arbeit neben dem Finanzkapital auch das
Wissenskapital berücksichtigt. Wissen wird in Anlehnung an die Intellectual Capital-Ansätze615
in Human- (Kompetenz, Bereitschaft, Lernfähigkeit) und Strukturkapital (Beziehungen, Organisation) unterteilt. Finanz-, Struktur- und Humankapital werden berücksichtigt um zu klären,
warum eine Bank die Vertriebsaufgaben gemäss Mehrkanalvertriebsstrategie besonders erfolgreich erfüllen kann bzw. welche Massnahmen geeignet sein könnten, um die Aufgaben
erfolgreich bewältigen zu können. Allen Dimensionen haben somit Input- bzw. Potentialcharakter.
In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Dimensionen beispielhaft anhand möglicher Kennzahlen operationalisiert.
Operationalisierung der Dimension Finanzkapital
Finanzkapital wird in der Sub-Ebene Unternehmungsressourcen nicht als Komponente des
Unternehmenswerts, sondern vielmehr als Produktionsfaktor verstanden. Als Inputfaktor hat
Finanzkapital einen operative und einen strategischen Aspekt.
Damit ein Mehrkanalvertriebssystem insgesamt bzw. die einzelnen Vertriebskanäle ihre operativen Aufgaben effektiv und effizient erfüllen können, müssen sie entsprechend mit finanziellen Ressourcen ausgestattet werden. Finanzkapital dient in den einzelnen Kanälen z.B. dazu,
die Personen- und Sachkosten der einzelnen Kanäle während einer Geschäftsperiode zu decken. Die Höhe des Finanzkapitals kann daher einen wesentlichen Einfluss auf die Ausübung
der operativen Vertriebsaufgaben haben.
Mehrkanalvertriebssysteme von Banken sind dadurch gekennzeichnet, dass viele der Geschäftsprozesse digitalisiert sind. Dies bedeutet, dass Vertriebskanäle bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben durch zahlreiche IT-Systeme bzw. Applikationen unterstützt werden. Diese Applikationen werden laufend weiterentwickelt (z.B. neue Funktionen), um die Effektivität und Effizienz der Vertriebskanäle zu steigern. Andererseits gilt es, die bestehenden Applikationen mit
ihren Funktionalitäten zu unterhalten. Die Weiterentwicklung und Pflege hat i.d.R. jedoch
meist erst mittel- bis langfristig eine Auswirkung auf die effektive und effiziente Erfüllung von
Vertriebsaufgaben. Dem Finanzkapital kommt somit insofern eine strategische Aufgabe zu,
als die Weiterentwicklung und Pflege solcher Systeme finanziert werden muss.
615
Vgl. Teil 3, Abschnitt 3.3.2.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 205
In Abbildung 98 werden strategische und operative Aspekte von Finanzkapital anhand möglicher Kennzahlen operationalisiert.
Aspekt
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Operativ
Aufwand Sachmittel
Finanzwirtschaftliche Budgets (Investitionssicht) für die Sachmittel pro Vertriebskanal oder
für den gesamten Mehrkanalvertrieb
Aufwand Mitarbeiter
Finanzwirtschaftliche Budgets (Investitionssicht) für die Mitarbeiter pro Vertriebskanal oder
für den gesamten Mehrkanalvertrieb
Strategisch IT-System-Entwicklung
Budgetierte Investitionen in Neuentwicklungsprojekte zur Implementierung neuer Funktionalitäten in zentralen Applikationen
IT-System-Unterhalt
Budgetierte Investitionen in den Unterhalt bestehender Applikationen
Verhältnis IT-System Entwicklung vs. Unterhalt
Budgetierte Investitionen für Neuentwicklungen
geteilt durch Investitionen in den Unterhalt
Abbildung 98: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Finanzkapital
Quelle: Eigene Darstellung.
Um mögliche Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen dem Finanzkapital und den Vertriebsaufgaben besser aufzeigen zu können, gilt es, im praktischen Anwendungsfall zu prüfen,
wie die ausgewählten Kennzahlen auf die einzelnen Vertriebskanäle heruntergebrochen werden können.
Die Operationalisierung der Dimension Finanzkapital erfolgte in diesem Abschnitt beispielhaft
und vereinfacht und ist daher als Hilfestellung zu verstehen. Geeignete Kennzahlen müssen
im spezifischen Kontext einer Bank und in Abhängigkeit verfügbarer Informationen identifiziert
werden.
Operationalisierung der Dimension Strukturkapital
Unter Strukturkapital fallen alle immateriellen Werte, die unabhängig von den Arbeitnehmern
als Personen sind, beispielsweise Infrastruktur (Systeme, Datenbanken) oder organisatorische Strukturen und Prozesse. Als Inputfaktor für die effektive und effiziente Abwicklung von
Vertriebsprozessen hat somit auch das Strukturkapital im Mehrkanalvertrieb eine bedeutende
Aufgabe.
Im vorangehenden Abschnitt wurde aus Sicht des Inputfaktors Finanzkapital argumentiert,
dass IT-Systeme funktional weiterentwickelt und unterhalten werden müssen. Dabei standen
v.a. die finanziellen Investitionen in solche Systeme im Vordergrund. In diesem Abschnitt geht
es vielmehr um das durch das Finanzkapital geschaffene Strukturkapital in Form von Systemen und Prozessen. Diese tragen massgebend dazu bei, dass die Abwicklung von Vertriebsprozessen effektiv und effizient erfolgen kann. Sind zentrale Applikationen für FrontMitarbeiter öfters nicht verfügbar, kann dies einen erheblichen Einfluss auf die Erfüllung ihrer
Vertriebsaufgaben (z.B. Abwicklung von Wertschriftenaufträgen, Zinsgeschäfte) und schliesslich auf das Vertriebsergebnis haben.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 206
Mitarbeiter im Vertrieb können umso effektiver und effizienter arbeiten, je mehr Geschäftsprozesse bzw. Work Flows durch entsprechende Systeme und Applikationen abgedeckt sind.
Dies führt zu Zeitersparnis und damit zu einer effizienteren Arbeitsweise. Neben der Zeit als
wichtige Einflussgrösse ist die Qualität von Geschäftsprozessen ebenso zentral. Unter Qualität kann hierbei die Fehlerfreiheit von Prozessen gemäss der Six Sigma-Methode616 verstanden werden.
Aspekt
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
ITSysteme
Verfügbarkeit von Applikationen
Eine Applikation wird als verfügbar bezeichnet,
wenn sie die Aufgaben erfüllt, für die sie vorgesehen ist. Die Verfügbarkeit wird als Verhältnis
aus Down- und Uptime eines Systems bemessen (Verfügbarkeit = Uptime/(Uptime + Downtime).617
Performance von Applikationen
Unter Performance wird die durchschnittliche
Antwortzeit von Applikationen verstanden; Je
kürzer die Antwortzeit, desto besser die Performance.
Anzahl Applikationen
Anzahl der Applikationen, welche die Vertriebsmitarbeiter zur Erfüllung der einzelnen
Vertriebsaufgaben benötigen618
Systemunterstützung von
Vertriebsprozessen und
-aufgaben
Abdeckungsgrad von zentralen Vertriebsaufgaben durch Applikationen.
Durchlaufzeiten zentraler
Vertriebsprozessen
Durchschnittliche benötigte Zeit für die Abwicklung zentraler Vertriebsprozesse und –
aufgaben.
Qualität zentraler Vertriebsprozesse
Messung zentraler Vertriebsprozess und Aufgaben nach der Six Sigma-Methode619 .
Prozesse
Abbildung 99: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Strukturkapital
Quelle: Eigene Darstellung.
In Abbildung 99 wird die Dimension Strukturkapital anhand der Aspekte IT-Systeme und Prozesse operationalisiert. Für beide Aspekte werden beispielhaft einige Kennzahlen aufgeführt.
Analog zur Dimension Finanzkapital gilt es, im praktischen Anwendungsfall zu prüfen, wie die
ausgewählten Kennzahlen auf die einzelnen Vertriebskanäle „heruntergebrochen“ werden
können. Auf diese Weise können mögliche Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen
dem Strukturkapital und den Vertriebsaufgaben besser aufzeigt werden.
616
Vgl. Magnusson/Kroslid/Bergman 2004; Harry/Schroeder 2000; Töpfer 2004.
http://www.techchannel.de
618
Eine hohe Anzahl von Applikationen ist hierbei aus verschiedenen Gründen eher negativ zu verstehen. Müssen Vertriebsmitarbeiter für unterschiedliche Aufgaben viele verschiedene Applikationen benützen, wirkt sich
dies eher negativ auf die Effizienz der Mitarbeiter aus. Gerade bei der Einarbeitung von neuen Mitarbeitern
führt dies tendenziell zu mehr Aufwand. Viele unterschiedliche Applikationen führen auch zu höheren ITKosten.
619
Vgl. Magnusson/Kroslid/Bergman 2004; Harry/Schroeder 2000; Töpfer 2004.
617
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 207
Die Kennzahlen in Abbildung 99 sind ausgewählte Beispiele und keinesfalls abschliessend.
Zweck der Beispiele war, die Dimension Strukturkapital anhand von zwei zentralen Aspekten
und möglichen Kennzahlen zu konkretisieren. Im konkreten Anwendungsfall gilt es, die für
eine spezifische Bank geeigneten Messgrössen zu identifizieren.
Operationalisierung der Dimension Humankapital
Unter Humankapital werden das Wissen bzw. die Fähigkeiten einzelner Arbeitnehmer verstanden.620 Dieser Inputfaktor ist neben dem Finanz- und dem Strukturkapital eine weitere
Determinante, welche für die effiziente und effektive Erfüllung der kanalspezifischen Aufgaben
zentral ist. Im Rahmen der Idealstruktur des Kennzahlensystems wird Humankapital jedoch
nicht zur Erklärung des Unternehmenswertes herangezogen, sondern vielmehr als Ressource
bzw. Inputfaktor für die Vertriebsaufgaben in den einzelnen Kanälen verstanden.
Damit ein Mehrkanalvertriebssystem die Vertriebsprozesse in der gewünschten Qualität und
Quantität abwickeln kann, müssen in den einzelnen Kanälen Mitarbeiter mit den notwendigen
Fähigkeiten und Qualifizierungen vorhanden sein. Diese Mitarbeiter gilt es ihren Kompetenzen entsprechend in den einzelnen Kanälen einzusetzen und weiter zu bilden.
Aspekt
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Personalbestand
Mitarbeiterfähigkeiten
Anteil der Mitarbeiter mit spezifischem
Fähigkeitsprofil pro Kanal
Mitarbeiterqualifizierung
Anteil der Mitarbeiter mit spezifischen
Qualifizierungen pro Kanal
Einsatzplanung
Anteil der Soll-Ist-Analysen von benötigten und gezeigten Fähigkeiten der Mitarbeiter pro Kanal
Umsetzungsfähigkeit
Zeitspanne zwischen Erwerb und Anwendung neuen Wissens pro Kanal
Personaleinsatz
PersonalInvestitionen in Weiterbildung
entwicklung
Motivation
Anzahl/Kosten der jährlichen Weiterbildungsmassnahmen pro Mitarbeiter/pro
Führungskraft (pro Kanal).
Gezielte Weiterbildung
Anteil der Mitarbeiter, die nach Soll-IstAnalyse ihrer benötigten und gezeigten
Fähigkeiten bedarfsorientiert weitergebildet wurden (pro Kanal)
Mitarbeiterzufriedenheitsindex
Anteil der Mitarbeiter, die mit ihrer Arbeitsstelle zufrieden oder sehr zufrieden
sind (pro Kanal)
Mitarbeiterfluktuationsquote
Summe von Mitarbeiterzu- und abgängen
im Verhältnis zu allen Mitarbeitern (pro
Kanal)
Abbildung 100: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Humankapital
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fredersdorf 2003.
620
Vgl. Edvinsson/Malone 1997, S. 12.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 208
In Abbildung 100 wird die Dimension Strukturkapital anhand der Aspekte Personalbestand, einsatz und -entwicklung sowie Motivation operationalisiert. Für diese Aspekte werden beispielhaft einige Kennzahlen aufgeführt.
Die angeführten Kennzahlen sind nur ausgewählte Kennzahlen und als Hilfestellung zu verstehen. Im Bereich Human-Capital-Portfolio-Management gibt es zahlreiche wertvolle Beiträge621 , welche in der praktischen Umsetzung zur Identifikation weiterer Kennzahlen herangezogen werden sollten.
2.4.2 Sub-Ebene Marktpotentiale
In der zweiten Sub-Ebene werden die Marktpotentiale der idealtypischen Struktur des Kennzahlensystems betrachtet. Sie haben – analog zu den Unternehmungsressourcen – sowohl
Ergebnis- als auch Potentialcharakter. Dies beutet, dass die im Anschluss erläuterten Kennzahlendimensionen zugleich Ergebnis und Input (Potentiale) für die Vertriebsprozesse eines
Mehrkanalsystems sind. Die Funktion dieser Sub-Ebene ist daher die Erfassung und Bewertung von Marktpotentialen als Voraussetzungen und Determinanten für die Erfüllung der kanalübergreifenden Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs (Ebene 2) und zur Erreichung der
finanzwirtschaftlichen Ergebnisse (Ebene 1).
Da Marktpotentiale in der idealtypischen Struktur sowohl Ergebnis- als auch Potentialcharakter haben, wurden die Kennzahlendimensionen bewusst in Anlehnung an jene der ersten
Sub-Ebene Output (Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs) von Ebene
2 gewählt: Kundenpotentiale, Produkt-/Servicepotentiale und Vertriebssystempotentiale. Dies
bedeutet, dass der Output des Mehrkanalvertriebssystems einer bestimmten Periode wiederum als Input bzw. als zu erschliessendes Potential für nachfolgende Perioden zu betrachten
ist. Der einzige konzeptionelle Unterschied zwischen diesen beiden Sub-Ebenen ist der Betrachtungszeitraum. Während die Sub-Ebene Output zeitlich eine Geschäftsperiode abbildet,
veranschaulicht die Sub-Ebene Marktpotentiale mehrere Perioden. Diese Betrachtungsweise
trägt dazu bei, dass die Entwicklung strategischer Ziele und Kennzahlen über mehrere Jahre
veranschaulicht werden können. Dies ist sinnvoll und notwendig, um den Erfolg einer Mehrkanalvertriebsstrategie, welche über mehrere Jahre implementiert wird, anhand konkreter
Kennzahlen messen zu können.
In Bezug auf die Kennzahlendimensionen Kunden-, Produkt-/Service- und Vertriebssystempotentiale bedeutet dies, dass in der Sub-Ebene Marktpotentiale grundsätzlich die gleichen
oder zumindest ähnliche Kennzahlen gewählt werden können. In der praktischen Anwendung
kann zwischen den beiden Sub-Ebenen jedoch eine differenzierte Betrachtungsweise eingebracht werden, indem bei den Marktpotentialen solche Kennzahlen ausgewählt werden, die
nur ein- oder zweimal pro Geschäftsperiode erhoben werden oder die sich erfahrungsgemäss
nur mittel- bis langfristig verändern. Solche Kennzahlen wären für die operative Steuerung
bzw. zur Abbildung des Outputs der Vertriebsaufgaben und -prozesse sicherlich nicht geeignet, da aufgrund der Verfügbarkeit der Daten die Möglichkeiten für Steuerungseingriffe während einer Geschäftsperiode sehr beschränkt wären.
621
Huselid 2005; Fitz-enz 2003; Böhnisch 2003; Kienle 2000.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 209
In den nachfolgenden Abschnitten werden die einzelnen Dimensionen beispielhaft anhand
möglicher Kennzahlen operationalisiert. Die Erläuterungen werden bewusst kurz gehalten, da
diese Sub-Ebene konzeptionell an die Sub-Ebene Output angelehnt ist. Pro Dimension wird
beispielhaft anhand weniger Kennzahlen verdeutlicht, welche Kennzahlen grundsätzlich geeignet wären.
Operationalisierung der Dimension Kundenpotentiale
In Abbildung 101 werden beispielhaft für die Treibergrössen Kundenzufriedenheit, -bindung, profitabilität und -potentialausschöpfung mögliche Kennzahlen gezeigt.
Treibergrösse
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Kundenzufriedenheit
Relative Kundenzufriedenheit
Eigener Kundenzufriedenheitsindex in
Relation zum Kundenzufriedenheitsindex der Konkurrenten
Absolute Kundenzufriedenheit
Anteil der Kunden, die mit der Bank
(sehr) zufrieden sind
Kundenbeziehungsdauer
Durchschnittliche Dauer der Kundenbeziehung zur Bank
Hauptbankverbindungsanteil
Anteil der Kunden, für welche die Bank
die Hauptbankverbindung darstellt
Durchschnittliche Kundenrentabilität
Durchschnittlicher Deckungsbeitrag pro
Kunde/durchschnittlich notwendiges Kapital pro Kunde
Kundenbindung
Kundenprofitabilität
Durchschnittlicher Umsatz Erwirtschafteter Ertrag/Anzahl Kunden
pro Kunde
(Neukunden, Bestandeskunden)
Kundenpotentialausschöpfung
Share of Wallet
Anteil der durch die Bank verwalteten
Vermögen/Gesamtvermögen der Kunden
Marktanteil
Anzahl der Bankkunden/Anzahl möglicher Kunden in einem Segment oder
Marktgebiet
Abbildung 101: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Kundenpotentiale
Quelle: Eigene Darstellung.
Die aufgeführten Kennzahlen sind als Hilfestellung für den praktischen Anwendungsfall gedacht. Je nach Strategie und Verfügbarkeit von Informationen gilt es, die für einen Geschäftsbereich geeigneten Kennzahlen zu identifizieren.
Operationalisierung der Dimension Produkt-/Servicepotentiale
In Abbildung 102 werden mögliche Kennzahlen für die Treibergrössen Produktnutzung und marktanteil aufgeführt.
Treibergrösse
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Produktnutzung
Produktnutzung
Anteil der Kunden, welche ein bestimmtes Produkt bei der Bank benutzen
Produktmarktanteil
Aktueller Marktanteil der Bank pro Produkt(gruppe)
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 210
Produktpotentialausschöpfung
Produktpotentialausschöpfung
Anteil der Kunden der Bank, welche ein
Produkt grundsätzlich nutzen, jedoch bei
einer anderen Bank
Abbildung 102: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Produkt-/Servicepotentiale
Quelle: Eigene Darstellung, z.T. in Anlehnung an Wild 2005
Die Kennzahlen in Abbildung 102 sind im praktischen Anwendungsfall je nach Strategie und
Verfügbarkeit von Informationen für einen Geschäftsbereich einer Bank zu ergänzen.
Operationalisierung der Dimension Vertriebssystempotentiale
In Abbildung 103 werden beispielhaft mögliche Kennzahlen für die Treibergrössen Kostenund Ertragsstruktur, Wirtschaftlichkeit und Nutzungsstruktur aufgezeigt.
Treibergrösse
Kennzahlen (Beispiele)
Operationalisierung
Kostenstruktur
Struktur der Vertriebssystemkosten
Entwicklung der Kosten pro Vertriebskanal
Ertragsstruktur
Struktur der Vertriebssystemerträge
Entwicklung der Erträge pro Vertriebskanal (Kanäle mit Markterlösen)
Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit
Cost-/Income-Ratio pro Vertriebskanal
(Kanäle mit Markterlösen)
Nutzungsstruktur
e-Share Transaktionen
Entwicklung des Anteils Transaktionen
(Zahlungsverkehr, Wertschriften), welche
über den Internet-Kanal abgewickelt
werden
e-Penetration
Entwicklung der Anzahl Kunden pro
Segment, welche über einen OnlineBanking-Vertrag verfügen
Abbildung 103: Kennzahlenbeispiele für die Dimension Vertriebssystempotentiale
Quelle: Eigene Darstellung, z.T. in Anlehnung an Wild 2005
Je nach Konfiguration des Mehrkanalvertriebssystems und der Positionierung der Vertriebskanäle gilt es auch hier, im konkreten Anwendungsfall geeignete Kennzahlen zu identifizieren.
2.4.3 Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung
In diesem Abschnitt wird auf einige der zentralen Herausforderungen eingegangen, welche im
praktischen Anwendungsfall bei der Operationalisierung von Unternehmungsressourcen und
Marktpotentialen anzutreffen sind. Es wird zudem versucht aufzuzeigen, mit welchen Ansätzen diese Problemstellungen gelöst werden können. Bei diesen Erläuterungen wird v.a. auf
die Erkenntnisse der Fallstudie Credit Suisse Private Clients zurückgegriffen oder auf andere
Quellen verwiesen.
Begrenzte Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmungsressourcen: Das entwickelte Kennzahlensystem dient der strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems. Die
im System abgebildeten Kennzahlen sollten daher grundsätzlich vom jeweiligen Geschäftsbereich direkt steuerbar sein. In grösseren Banken mit komplexeren Organisationen kann diese
Anforderung jedoch nicht immer erfüllt werden. Dies soll anhand eines Beispiels erläutert
werden.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 211
Die Dimension Finanzkapital wurde u.a. anhand der Investitionsbudgets für die Entwicklung
und den Unterhalt von IT-Systemen operationalisiert. In grösseren Banken werden ITSysteme von unterschiedlichen Geschäftsbereichen benutzt und finanziert. Diese Bereiche
haben teilweise geschäftsspezifische Anforderungen an die Weiterentwicklung solcher ITSysteme. Oft können aus Kapazitäts- oder technischen Gründen nicht alle Anforderungen
aller Bereiche wie gewünscht implementiert werden, obwohl das notwendige Finanzkapital
dafür vorhanden wäre. Aufgrund dieser Überlegung sind Investitionsbudgets in manchen Fällen zwar steuerbar, erklären den Vertriebserfolg eines Geschäftsbereichs aber nur teilweise.
Es muss davon ausgegangen werden, dass diese Problemstellung grundsätzlich in allen
grossen Banken anzutreffen ist. Die Schwierigkeit könnte umgangen werden, indem die Dimension Finanzkapital anders operationalisiert würde. Dies scheint jedoch keine geeignete
Lösung zu sein, weil die Weiterentwicklung und der Unterhalt von IT-Systemen wichtige Erfolgsfaktoren darstellen.
Identifikation relevanter Treibergrössen in der Sub-Ebene Unternehmungsressourcen: Die
idealtypische Struktur des Kennzahlensystems basiert auf einer Prozess-Logik und soll zwischen den drei Ebenen Ursache-Wirkungszusammehänge herstellen. Bei der Konkretisierung
solcher Zusammenhänge zwischen der Ebene 2 und der Sub-Ebene Unternehmungsressourcen müssen relevante Treibergrössen identifiziert werden. Während der grundsätzliche
Einfluss von Unternehmungsressourcen auf die effektive und effiziente Ausübung von Vertriebsaufgaben nahe liegend ist, müssen im konkreten Anwendungsfall Annahmen über vermutete Ursache-Wirkungsbeziehungen getroffen werden. Sind jedoch Daten über mehrere
Jahre vorhanden, können Hypothesen überarbeitet und das Kennzahlensystem entsprechend
angepasst werden.
Auswertung geschäftsbereichs- und kanalspezifischer Kennzahlen: In grösseren Banken
kann die Beschaffung und Auswertung geschäftsbereichs- und kanalspezifischer Kennzahlen
Schwierigkeiten bereiten. Die Ursache dieser Problemstellung ist auf den Umstand zurückzuführen, dass gewisse Informationen nicht in der Struktur oder Granularität vorliegen, welche
für ein Kennzahlensteuerungssystem geeignet wären. So kann die Berechnung beispielsweise geschäftsbereichsspezifischer IT-Investitionen für die einzelnen Kanäle mit grösserem
Aufwand verbunden sein.
Diese Problemstellung könnte in der Praxis so angegangen werden, dass im Rahmen des
Projektportfolio-Managements versucht wird, IT-Investitionen vermehrt unter Berücksichtigung
der einzelnen Geschäftsbereiche und Vertriebskanäle zu betrachten.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 212
3. Einsatz des Kennzahlensteuerungssystems im Rahmen einer
integrierten Vertriebssteuerung
3.1 Anforderungen an die Selektion geeigneter Kennzahlen
Die Operationalisierung der drei Ebenen hat gezeigt, dass grundsätzlich eine unüberblickbare
Anzahl an Kennzahlen denkbar ist, um ein Mehrkanalvertriebssystem integriert zu steuern.
Während sich bei den finanzwirtschaftlichen Ergebniskennzahlen i.d.R. ein Konsens herstellen lässt, ist dies aufgrund der Anzahl der Vertriebskanäle und -aufgaben in der Ebene 2 deutlich schwieriger. Ebenso verhält sich dies in der Ebene 3.
Formal muss ein Kennzahlensystem daher zumindest drei Funktionen übernehmen, damit es
selber den Controllinganforderungen von Effizienz und Effektivität622 gerecht wird: die Priorisierung, die Strukturierung und die Operationalisierung von Kennzahlen. Die ersten beiden
Aufgaben bilden immer ein Wechselspiel: Einerseits erfolgt eine Strukturierung eines übergeordneten Ziels, also einer Priorisierung. Andererseits ist es ohne Struktur kaum möglich zu
priorisieren.623
3.1.1 Strukturierung
Um mit der hohen Komplexität der Vertriebssteuerung im Bankvertrieb umgehen zu können,
ist eine gewisse Strukturierung von Kennzahlen erforderlich. Drei grundsätzliche Strukturierungsdimensionen wurden dargestellt:
! Prozessorientierung: Die aus dem Dienstleistungs- und Qualitätsmanagement stammende
Dreiteilung von Potentialen, Prozessen und Ergebnissen624 erlaubt eine grundsätzliche,
wenn auch stark vereinfachte Darstellung der Ursache-Wirkungszusammenhänge über die
drei Ebenen hinweg.
! Ausrichtung an den Formen der strategischen Kontrolle: Die idealtypische Struktur wurde
mit den unterschiedlichen Formen der strategischen Kontrolle (Input, Throughput, Output
und Outcome)625 in Verbindung gebracht. Dieses Strukturierungsmerkmal konkretisiert die
vereinfachte Prozessorientierung durch etablierte Konzepte der strategischen Kontrolle.
! Ausrichtung an den kanalübergreifenden Hauptaufgaben und Aufgabenprofilen: Gemäss
den Erkenntnissen aus der Fallstudie Credit Suisse Private Clients sind beide Konzepte in
der Praxis leicht anwendbar. Während die kanalübergreifenden Hauptaufgaben die zentralen Aufgaben eines Mehrkanalvertriebssystems verdichten, strukturieren die Aufgabenprofile die kanalspezifischen Aktivitäten anhand der Dimensionen Vertriebsprozess, Kundensegmente und Produkte.
Eine solche Strukturierung ist zwar zwangsläufig stark vereinfachend, aber dennoch als
Grundgerüst geeignet, um keine unstrukturierten „Kennzahlenwüsten“ zu generieren.
622
Vgl. Teil 3, Abschnitt 2.2.3.
Vgl. Reinecke 2004, S. 327.
624
Vgl. Abschnitt 2.1.1.
625
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.4.3.
623
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 213
3.1.2 Priorisierung
Eine der schwierigsten Aufgaben im Zusammenhang mit Kennzahlensystemen besteht darin,
die geeigneten Grössen zu wählen. Im Rahmen der Diskussion der Anforderungen626 an ein
Kennzahlensteuerungssystem wurden notwendige und hinreichende Kriterien anhand der
Dimensionen Prozess, Kontext und Messkonzeption identifiziert. Die notwendigen und die
hinreichenden Anforderungen der Dimensionen Kontext und Messkonzeption haben einen
Einfluss auf die Auswahl geeigneter Kennzahlen. Die folgenden Überlegungen zeigen auf, wie
diese Anforderungen bei der praktischen Umsetzung zur Priorisierung der Kennzahlen herangezogen werden können.
Die notwendigen und die hinreichenden Anforderungen der Dimension Kontext (Auswahl kontextspezifischer Kennzahlen) beziehen sich insbesondere auf folgende Aspekte:
! Die Problemangemessenheit hängt eng mit dem Zweck des Kennzahlensystems zusammen. Ein Kennzahlenssystem mit dem Zweck der Steuerung sollte i.d.R. weniger Kennzahlen umfassen als eines, welches als vertieften Analyse des Vertriebserfolgs dient. Soll das
Kennzahlensystem der Steuerung dienen, so muss es sich an der Mehrkanalvertriebsstrategie orientieren. Die kanalübergreifenden Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs sowie
die kanalspezifischen Aufgabenprofile sind in diesem Fall die Leitplanke für die Auswahl
und die Priorisierung der relevanten Kennzahlen.
! Benutzer- und Organisationsadäquanz heisst im Zusammenhang mit einem Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb, dass nur solche Kenngrössen auszuwählen sind, die für die Nutzer des Systems nachvollziehbar sind und von ihnen akzeptiert
werden. Ferner müssen die Zahlen für sie Relevanz und somit Handlungsbezug aufweisen. Die bisherigen Ausführungen gehen implizit davon aus, dass der Adressat bzw. Benutzer des Kennzahlensystems der Geschäftsbereichsleiter eines bestimmten Kundensegments ist. Andere Benutzer (z.B. Segmentmanagement, Produktmanagement, Kanalverantwortliche) benötigen die Informationen in einer anderen bzw. detaillierteren Aufbereitung.
! Kundensegmentspezifische Vertriebskonfiguration bedeutet, dass solche Kennzahlen ausgewählt werden, welche für die Operatonalisierung der zentralen Aufgaben gemäss Mehrkanalvertriebsstrategie geeignet sind.
! Kanalübergreifende Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse heisst, dass die ausgewählten Prozesskennzahlen fokussiert die strategisch relevanten Prozesse abbilden sollten, bei
welchen mehrere Kanäle im Verbund die Wertschöpfung erbringen.
Bei der Dimension Messkonzeption (messkonzeptionsgerechtes Kennzahlendesign) haben
die folgenden notwendigen und hinreichenden Anforderungen eine Auswirkung auf die Priorisierung:
! Konsistenz bedeutet, dass die gewählte Strukturierung sich auch in der Kennzahlenpriorisierung widerspiegelt. Somit sollten z.B. in der Sub-Ebene Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie pro Vertriebskanal Input-, Prozess- und Outputgrössen
626
Vgl. Teil 3, Abschnitt 2.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 214
in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Nur so können sie UrsacheWirkungszusammenhänge abbilden und Frühwarnfunktionen übernehmen.
! Wirtschaftlichkeit heisst, dass bei der Auswahl geeigneter Kennzahlen darauf geachtet
werden muss, dass die Datenerhebung grundsätzlich möglich und dem Nutzen entsprechend verhältnismässig sein sollte.
! Wert(treiber)orientierte Steuerungskonzeption hat insofern einen Zusammenhang mit der
Priorisierung, als in der Ebene 2 (Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen)
solche Kennzahlen bzw. Treibergrössen ausgewählt werden sollten, die einen direkt oder
zumindest indirekt messbaren Einfluss auf den Vertriebserfolg haben.
! Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign bedeutet, dass Kennzahlen aller drei Ebenen
derart ausgewählt werden, dass das resultierende Kennzahlensystem ausgewogen ist.
Dies bedeutet, dass die unterschiedlichen Ausprägungen innerhalb der Dimensionen (Zeit,
Ausrichtung, Planungsbezug, Format etc.) eines Performance-Measurement-Systems
kombiniert werden.
3.1.3 Operationalisierung
Unter der Operationalisierung eines Begriffs ist die Angabe derjenigen Vorgehensweisen zu
verstehen, mit deren Hilfe entscheidbar wird, ob und in welchem Ausmass der mit dem Begriff
bezeichnete Sachverhalt in der Realität vorliegt.627 Jede Kenngrösse aus einem Kennzahlensystem entspricht einem Begriff. Somit ist es zwingend erforderlich, dass die Messinstrumente
eindeutig festgelegt und die Vorgehensweisen präzise definiert sind, die vorgeben, wie die
Kennzahlen erhoben und gemessen werden, um intersubjektiv-überprüfbare Ausprägungen
zu erhalten.
So ist beispielsweise bei der Kennzahl Kundenzufriedenheit genau zu definieren, zu welchem
Zeitpunkt sie in welcher Situation bei welchen Kunden mit welchen Verfahren und welchen
Messinstrumenten erhoben wird. Die Operationalisierung ist bei allen Kennzahlen konsequent
einzuhalten, um die Validität der Erhebungen zu optimieren. Dies gilt insbesondere, wenn die
Kenngrössen für Objekt- oder Zeitvergleiche herangezogen werden. Im Rahmen der Operationalisierung und Messung sind folgende Spannungsfelder zu bewältigen:628
! Ein-Methoden- vs. Multi-Methoden-Messung: Je mehr Messmethoden eingesetzt werden,
desto valider wird die gemessene Ausprägung einer Kennzahl.
! Komplexität vs. Einfachheit und Akzeptanz: Häufig werden mehrere oder komplexere
Kenngrössen benötigt, um einen Sachverhalt zu operationalisieren. Einzelne, einfach verständliche Kenngrössen lassen sich dagegen besser kommunizieren und werden auch eher akzeptiert.
! Messgenauigkeit vs. Nutzen: Die Messgenauigkeit kann mit zusätzlichem Aufwand erhöht
werden. Dies sollte jedoch im Verhältnis zum erzielten Grenznutzen stehen, der durch die
höhere Präzision erzielt wird.
627
628
Vgl. Kromrey 2000, S. 178.
Siehe hierzu insbesondere Guldin 2000, S. 107.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 215
! Inhaltsgültigkeit vs. Anpassung an Veränderungen: Je kontinuierlicher und einheitlicher ein
Messinstrument eingesetzt wird, desto besser lassen sich Aussagen aufgrund von Zeitreihenanalysen treffen. Häufig muss jedoch das Messinstrument weiterentwickelt und angepasst werden, um seine Validität zu erhöhen.
! Vorhandene Daten nutzen versus neue Daten erheben: Können vorhandene Daten genutzt werden, reduziert dies den Aufwand. Solche Daten sind aber nicht immer in der erforderlichen Aktualität und im gewünschten Detaillierungsgrad verfügbar.
Alle Kenngrössen sind somit bezüglich Inhalt, Ausmass (Merkmalsausprägung) und Zeitbezug629 eindeutig festzulegen. Wenn möglich, sollten sie auch konkurrenzorientiert definiert
werden, weil der Wettbewerb immer eine zentrale Bezugsgrösse für den Vertrieb ist. Ausserdem erhöhen solche selbstadjustierenden, relativen Kenngrössen (z.B. Marktanteil) im Vergleich zu fixen, absoluten Grössen (z.B. Umsatz) die Flexibilität von Planung, Budgetierung
und Controlling.630
Ein Ziel kann dann als „operational“ gelten, wenn die Zielerfüllung messbar ist. Staehle betont
ausdrücklich, dass insbesondere die Verständlichkeit aus Sicht der betroffenen Stelle Teil der
Operationalisierung ist.631
Wie bei jeder Messung müssen dabei gewisse Kompromisse eingegangen werden. Dies gilt
insbesondere für die weichen Aspekte des Wissens und der Kompetenzen. Weil jede Beobachtung kontextbezogen ist, ist eine objektiv richtige Messung immaterieller Ressourcen
prinzipiell auszuschliessen. Wissen kann nur über den Preis der Verdinglichung quantifiziert
und somit immer nur mittelbar und daher unscharf gemessen werden.632 Dabei sind insbesondere die „Tacitness“633 (Nicht-Offensichtlichkeit) und die „Stickiness“634 (Organisationsund Situationsgebundenheit) zu berücksichtigen. Universelle Messgrössen für Wissenskapital
exisiteren nicht.635
Aufgrund der Vielzahl möglicher Kenngrössen kommt einer geeigneten Strukturierung, einer
klaren Priorisierung und einer angemessenen Operationalisierung von Kennzahlen besondere
Bedeutung zu. Dadurch ist es grundsätzlich möglich, Ursache-Wirkungszusammenhänge im
Kennzahlensteuerungssystem darzustellen und zu analysieren sowie geeignete Massnahmen
abzuleiten und zu initiieren. Messtechnisch bedingte Kompromisse sind jedoch unausweichlich.
3.2 Sicherstellen der Wirksamkeit im Führungszyklus
In den vorangehenden Abschnitten wurden die einzelnen Ebenen der idealtypischen Struktur
sowie die Selektion geeigneter Kennzahlen erläutert. Implizit waren dabei hauptsächlich die
Anforderungen der Dimensionen Kontext und Messkonzeption Gegenstand der Erklärungen.
629
Vgl. Heinen 1966a, S. 59ff.
Vgl. Gleich/Kopp 2001, S. 431.
631
Vgl. Staehle 1967, S. 51.
632
Vgl. North 1998; Müller-Stewens 2001.
633
Nonaka/Takeuchi 1995.
634
Teece 1998.
635
Vgl. Reinhardt et al. 2001, S. 801.
630
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 216
Nachfolgend gilt es aufzuzeigen, wie die Anforderungen der Dimension Prozess636 berücksichtigt werden können. Hierzu soll v.a. erläutert werden, wie in der praktischen Anwendung
sichergestellt werden kann, dass das Kennzahlensystem seine Wirksamkeit voll entfalten
kann. Drei zentrale Aspekte werden erörtert:
! Ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb dient nicht ausschliesslich der
Kontrolle. Es entfaltet seine volle Wirksamkeit v.a. dann, wenn es in die strategische Planung und Budgetierung eingebunden wird.637
! Das Informations- und Berichtwesen sollte an das Kennzahlensystem geknüpft sein und
die Kenngrössen in adäquater Weise aufbereiten.
! Motivations- und Anreizsysteme sind mit dem Kennzahlensystem abzustimmen.
3.2.1 Anbindung des Kennzahlensystems an die Vertriebsplanung und budgetierung
Planung ist eine Voraussetzung für Controlling.638 Die Wirksamkeit eines Kennzahlensystems
als Teilaspekt des Controllings ist eingeschränkt, wenn dieses ausschliesslich zur Kontrolle,
nicht aber zur Planung eingesetzt wird. Die Bestimmung der Konfiguration eines Mehrkanalvertriebssystems639 im Rahmen der Mehrkanalvertriebsstrategie und ein Kennzahlensteuerungssystem hängen somit eng zusammen. Die jeweiligen Kennzahlen (Hauptaufgaben des
Mehrkanalvertriebs, kanalspezifische Aufgabenprofile) müssen situationsspezifisch geplant
und festgelegt werden. Sie dienen der Informationsversorgung, der Zieldiskussion, vereinbarung und -durchsetzung sowie der Kontrolle. Die definierten Kennzahlen des Systems sind Ziel- und Orientierungslinie für die operative Vertriebsplanung, in welcher konkrete
Massnahmen und Aktionsprogramme festgelegt werden, mit denen die strategischen Ziele
erreicht werden sollen.640
Die Planung muss wiederum eng mit der Vertriebsbudgetierung abgestimmt werden. Empirische Ergebnisse aus Studien zur generellen Marketingplanung641 haben gezeigt, dass dies in
der Realität relativ selten der Fall ist: Die Marketingbudgetierung stützt sich überwiegend auf
Managementerfahrung oder basiert auf fragwürdigen Methoden, ist aber selten an konkreten
Marketingzielen oder angestrebten Ereignissen orientiert. Häufig sind operative Budgetierung
und strategische Planung vollständig voneinander losgelöst.642 Daher fehlt eindimensionalen,
rein finanziellen Budgets in der Realität oft die erforderliche Verbindlichkeit, weil sie aufgrund
einer fehlenden Autorisierung durch das Management als reine Controllerpläne angesehen
werden.643
636
Vgl. Teil 3, Abschnitt 2.2.1.
Vgl. Teil 3, Abschnitt 2.2.1.
638
Vgl. Weber 1999, S. 45ff.
639
Vgl. Abschnitt 2.3.2.
640
Vgl. Kaplan/Norton/Horvath 2001, S. 259.
641
Vgl. Reinecke 2004, S. 134ff.
642
Vgl. Weber/Goeldel/Schäffer 1997, S. 273f.
643
Vgl. Gleich/Kopp 2001, S. 430.
637
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 217
Die Budgetierung kann jedoch deutlich stärker prozess- und outputorientiert gestaltet werden
und somit eine rein finanzielle Inputorientierung644 überwinden, wenn sie mit den auf der Basis des Kennzahlensystems definierten Zielen verbunden wird. Eine Verknüpfung von Vertriebszielen, -massnahmenplanung und -budgetierung645 ist daher erstrebenswert, damit Planung und Kontrolle eine Einheit bilden. Wenn ein Kennzahlensystem zur Operationalisierung
einer Mehrkanalvertriebsstrategie und somit zur strategischen Planung aufgefasst wird, ist es
im Sinne eines integrierten Performance-Managements zweckmässig, es mit der operativen
Planung und somit insbesondere mit der Budgetierung zu verknüpfen.
3.2.2 Verwendung des Kennzahlensystems als Kontroll- und Reportinginstrument
In Abbildung 104 werden verschiedene mögliche Unternehmensberichte gezeigt, gegliedert
nach Berichtszweck, -gegenstand, -inhalt, -auslöser sowie nach der Aufbereitungsart. Ein
Mangel an Berichten und Reports besteht aus der Sicht der Führungskräfte nicht.646 Dennoch
bleiben viele wichtige Ergebnisse unberücksichtigt, weil sie unzweckmässig aufbereitet sind:
Berichte entstehen häufig absender- und nicht empfängerorientiert. Ihr Inhalt spiegelt lediglich
das wider, was den Berichtsproduzenten relevant erscheint.647 Oft entstehen sie auch dann
noch regelmässig, wenn sie eigentlich niemand mehr benötigt: Es ist weniger aufwendig, sie
zu ignorieren, als sie zu eliminieren.648
Berichtszwecke
Dokumentation
Berichtsgegenstand
Unternehmen
Berichtsinhalt
Istdaten
Inhaltsdarstellung
absolute Werte
Auslöser
Planung
Geschäftsbereich
Plandaten
Zeitablauf
Kontrolle
Funktionsbereich
Vergangenheitsdaten
Abweichungsdaten
Prozess
Trenddaten
Kostenstelle
Prognosedaten
Kennzahlen
relative Werte
akkumulierte Werte
Toleranzwertüberschreitung
Individueller Bedarf
Erstellungsart
IT-Unterstützung
Darstellungsform
verbal
graphisch
tabellarisch
Standardbericht
Abweichungsbericht
Bedarfsbericht
Berichtsform
Erscheinungsweise
644
645
646
647
648
regelmässig
keine IT-Unterstützung
unregelmässig
Zur dieser Herausforderung der Budgetierung siehe Gleich/Kopp 2001, S. 431.
Zum Stand von Wissenschaft und Praxis bezüglich Marketingbudgetierung siehe Reinecke/Fuchs 2003.
Vgl. McKinnon 1992, S. 127.
Vgl. Horvath 1998, S. 597.
Vgl. McKinnon 1992, S. 128.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 218
Detaillierungsgrad
Detaillinformationen
Überblickinformationen
Berichtstermin
aktuelle Berichte
nicht-aktuelle Berichte
Abbildung 104: Merkmale des Berichtswesens
Quelle: Reinecke 2004, S. 415.
Aus einer umfassenden Analyse von Berichten leiteten McKinnon und Burns folgende Kriterien für nützliche Berichte ab: 649
! Sie enthalten Daten in einem für den Empfänger geeigneten Aggregationsniveau.
! Sie weisen aus Sicht des Empfängers eine hohe Verlässlichkeit auf.
! Sie beschränken sich auf eine einfache Darstellung einer beschränkten Anzahl Daten.
! Sie werden zeitgerecht zur Verfügung gestellt.
! Sie beziehen sich direkt auf den Verantwortungsbereich der jeweiligen Führungskraft.
! Sie sind übersichtlich und somit für Analysen und zur Entscheidungsfindung geeignet.
Diese Kriterien unterstreichen zwei zentrale Aufgaben des Berichtswesens: eine geeignete
Verdichtung sowie eine adäquate Präsentation der Informationen.650 Ferner ist eine ausreichende Kommentierung sicherzustellen, um die Berichte als dialogfördernde Instrumente
wahrzunehmen. Eine weiterführende Diskussion der beiden Aufgaben hat Reinecke651 geführt.
3.2.3 Kopplung mit den Anreizsystemen
Als Anreizsysteme652 werden alle aufeinander abgestimmten Massnahmen bezeichnet, die
dazu dienen, Dritte zu einem für den Anreizgewährer förderlichen Verhalten zu veranlassen.653 Sie umfassen intrinsische und extrinsische Faktoren, nicht lediglich die Entlöhnungssysteme. Ziel der folgenden Ausführungen zu Anreizsystemen ist nicht, eine umfassende Diskussion von Für und Wider solcher Ansätze zu geben. Vielmehr stehen zwei Fragen im Zentrum:
! Was ist der Nutzen der Koppelung von Kennzahlen- an Anreizsysteme?
! Was sind die Elemente erfolgsorienierter Vergütungssysteme?
Die Umsetzung der Ziele einer wertorientierten Vertriebssteuerung kann nicht allein dadurch
sichergestellt werden, dass die wertorientierten Steuerungskennzahlen Eingang in die Steuerungssysteme der Controller und der Geschäftsbereichsverantwortlichen finden. Die angestrebten wertorientierten Ziele müssen auch durch die Aktivitäten und das Handeln der Vertriebsmitarbeiter verfolgt werden. Dazu müssen geeignete Anreize für den Vertrieb geschaffen
werden, was eine Integration wertorientierter Steuerungskennzahlen in die erfolgsorientierten
649
Vgl. McKinnon 1992, S. 133.
Vgl. Horvath 1998, S. 597.
651
Vgl. Reinecke 2004, S. 416ff.
652
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.1.2.
653
Vgl. Drumm 2000, S. 525.
650
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 219
Anreizsysteme erfordert. Dies gilt sowohl für die harten Finanzkennzahlen als auch für die
weichen (Früh-)Indikatoren.654 Anreize können sowohl immaterieller als auch materieller Art
sein und insbesondere aus:
! Ausstattung des Arbeitsplatzes und Dienstwagen;
! dem Festgehalt;
! Einmal- bzw. Sonderzulagen;
! variablen, jedoch nicht vom individuellen Erfolgsbeitrag abhängigen Zahlungen (z.B. Bonus, Tantieme als Erfolgsbeteiligung am Gesamtbankergebnis) und
! variablen, von individuellen erfolgsbeitragabhängigen Zahlungen resultieren.
Bei der Umsetzung eines wertorientierten Steuerungskonzepts in die Praxis stellt v.a. die
letztgenannte Komponente eine nicht triviale Herausforderung dar.655 Beim überwiegenden
Teil der Vertriebsmitarbeiter bei Banken handelt es sich um Angestellte, deren Gehalt sich
aus einem fixen und einem variablen Bestandteil zusammensetzt. Der variable Teil der Vergütung wird berechnet, indem an eine bestimmte Bemessungsgrundlage (BMG) eine Prämienfunktion angesetzt wird. Die Bemessungsgrundlage leitet sich aus den Bankzielen ab und
kann aus finanziellen (z.B. erwirtschaftete Margenbarwerte, prozentuale Margen) und nichtfinanziellen Zielen (z.B. Zahl der Neugeschäftsabschlüsse, Anzahl akquirierter Neukunden)
oder aus einer Kombination von beiden zusammengesetzt werden. Letzteres erfordert eine
Gewichtung der einzelnen Ziele im Rahmen eines Scoring-Modells (vgl. Abbildung 106).
Gesamtbankziele
Subziele auf der Ebene eines Geschäftsbereichs
Subziele auf der Ebene der Vertriebskanäle
(Voraussetzung der Beeinflussbarkeit)
BMG 1:
Erwirtschaftete
Margenbarwerte
BMG 2:
Prozentuale
Margen
[...]
BMG 3:
Anzahl Neugeschäftsabschlüsse
Finanzielle Ziele
Kontrolle:
Soll-Ist-Abgleich und
Messung des
Zielerreichungsgrades
BMG 4:
Anzahl
Neukunden
Nichtfinanzielle Ziele
Scoring Modell:
Gewichtung der
Zielerreichung bei den
einzelnen BMG
Prämienfunktion:
Festlegung der Konsequenzen für die
variable Vergütung und Bestimmung
ihrer Höhe
Abbildung 105: Elemente erfolgsorientierter Vergütungssysteme
Quelle: In Anlehnung an Wimmer 2004b, S. 264.
Um eine Koppelung der wertorientierten Steuerung mit den erfolgsorientierten Anreizsystemen von Vertriebsmitarbeitern zu erreichen, ist es notwendig, ausgewählte Steuerungskennzahlen in die Bemessungsgrundlage einzuarbeiten. Bei den finanziellen Kennzahlen sind keine spezifischen Anpassungen notwendig, sofern eine barwertorientierte Vertriebssteuerung
654
655
Vgl. Wild 2005, S. 225.
Vgl. Reinecke 2004 zur kritischen Diskussion von Anreizsystemen.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 220
eingesetzt wird. Der Schwerpunkt der Integrationsaufgaben wird deshalb in der Einarbeitung
weicher Steuerungskennzahlen liegen, die z.B. auf der Basis des ibi-Wertdreiecks656 ermittelt
werden können. Dabei sollte es sich um – aus Sicht der Vertriebssteuerung – besonders
wichtige Kennzahlen handeln, die gleichzeitig von den Vertriebsmitarbeitern beeinflusst werden können (z.B. Cross-Selling-Rate, Abschlussquote). Nicht beeinflussbare Kennzahlen
(z.B. Mitarbeiterzufriedenheit, Anzahl betreuter Kunden) bilden die Grundlage für die Entscheidungen der Vertriebssteuerung, verursachen aber keine geeigneten Anreizwirkungen bei
den Vertriebsmitarbeitern. Die in die Bemessungsgrundlage aufgenommenen Kennzahlen
sollten auch im für die jeweilige Hierarchiestufe entworfenen Kennzahlensystem enthalten
sein. Auf diese Weise werden sowohl wertorientierte Finanzgrössen (harte Faktoren) als auch
wichtige und von den Vertriebsmitarbeitern beeinflussbare (Früh-)Indikatoren (weiche Faktoren) in die Motivation und Handlung der Mitarbeiter einbezogen.657
3.3 Vorgehen zur Einführung eines Kennzahlensteuerungssystems
Wie bei jedem Konzept entscheidet auch bei Kennzahlensystemen die Art und Weise, wie sie
eingeführt wurden und wie das Management mit ihnen umgeht, über ihren späteren Nutzen.658 Aufgrund der Aktualität des Themas Integrierte Kennzahlensysteme659 liegen zahlreiche Vorschläge vor, wie die Einführung eines solchen Systems erfolgen kann. Ähnlich wie der
Ansatz von Kaplan und Norton660 orientieren sich die meisten Vorschläge an klassischen Planungsmodellen: Strategie und Zielsetzung basieren auf einer umfassenden Analyse. Darauf
aufbauend werden Kennzahlen anhand von Ursache-Wirkungszusammenhängen ausgewählt, operationalisiert und schliesslich in den Planungs- und Steuerungsprozess integriert.
Der Konkretisierungsgrad dieser Implementierungsmodelle ist sehr unterschiedlich. Differenzierte Phasenmodelle zeigen beispielsweise Töpfer661 sowie die Unternehmensberatung Horvath & Partner662 .
Da die Einführung eines Kennzahlensystems nicht einfach als Projekt mit definiertem Anfang
und Ende charakterisiert werden kann, sind alle Phasenmodelle letztlich starke Vereinfachungen.663 Empirische Untersuchungen und Berichte664 zu Erfolgsfaktoren bei der Einführung
von Kennzahlensystemen zeigen evidente Parallelen zu Forschungen im Bereich des Change-Managements.665 So offenbart eine Studie von Günther und Grüning, dass die fünf zentralen Erfolgsfaktoren die folgenden sind:666
656
657
658
659
660
661
662
663
664
665
666
Vgl. Teil 3, Abschnitt 3.3.5.
Vgl. Wild 2005, S. 226f.
Vgl. Müller-Stewens 2001, S. 558.
In der Wissenschaft wird in diesem Zusammenhang oft auch der Begriff Performance Measurement verwendet.
Kaplan/Norton/Horvath 2001.
Töpfer 2000, S. 95.
Horvath 2000, S. 56.
Siehe analog zu organisatorischen Wandelprozessen Rüegg-Stürm 2002, S. 358.
Vgl. z.B. Schwetz 1998; Ahn 2001.
Vgl. hierzu ausführlich Müller-Stewens 2001, S. 416ff.
Vgl. Günther/Grüning 2000, S. 21.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 221
! Mitarbeiterbeteiligung/Kommunkation;
! Art der Messkonstruktion;
! Managementunterstützung;
! IT-Unterstützung;
! Anreizsystem.
Auch andere Autoren betonen mit kleinen Abweichungsnuancen diese Aspekte.667 Mitarbeiter
müssen vom Nutzen des Systems überzeugt sein, damit sie es aktiv verwenden.668 Im Zusammenhang mit der Einführung von Kennzahlensystemen669 ist auf Erkenntnisse des Change-Managements zurückzugreifen.670 Müller-Stewens und Lechner haben einen Bezugsrahmen zur Gestaltung eines solchen Wandelprozesses entwickelt, der auf ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb übertragen werden kann.671
In Abbildung 106 werden die idealtypischen Phasen zur Einführung eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb gezeigt. Dieser Vorschlag lehnt sich an das von
Reinecke geschilderte Prozessmodell an, setzt aber spezifische Schwerpunkte:
! Die Phase der Zielsetzung wird relativ stark gewichtet. Hier muss v.a. sichergestellt werden, dass die zentralen Vertreter aus den unterschiedlichen Bereichen involviert werden.
Dabei gilt es, den Koordinationsansatz und die Organisation des Mehrkanalvertriebssystems zu berücksichtigen.672 Aspekte des Change-Managements sind möglichst bereits zu
Beginn und nicht erst am Ende des Entwicklungs- bzw. Einführungsprozesses zu berücksichtigen. Die Definition kanalspezifischer Kennzahlen basiert einerseits auf inhaltlichen
Überlegungen und andererseits dient sie insbesondere auch dazu, die Mitarbeiter stärker in
den Prozess zu integrieren und an der Entwicklung zu beteiligen.
! Der Einführungsprozess erfolgt stufenweise: Das Kennzahlensystem sollte i.d.R. zunächst
als begleitendes Reportinginstrument und erst später für Steuerungszwecke eingesetzt
werden. Dadurch lassen sich anfängliche Kontrollängste reduzieren sowie Schwierigkeiten
bei der Messung einiger Konstrukte lösen.
667
668
669
670
671
672
McCunn 1998, S. 35.; Brunner 1999, S. 229ff.
Vgl. Günther/Grüning 2000, S. 23.
Eine anwendungsorientierte Checkliste für die Einführung von Kennzahlensystemen bietet Töpfer 2000, S. 97.
Vgl. Schwetz 1998.
Vgl. Müller-Stewens 2001, S. 416ff.
Vgl. dazu die hinreichende Anforderung der Dimension Prozess „Berücksichtigung des Koordinationsansatzes
und der Organisation des Mehrkanalvertriebs“ in Teil 3, Abschnitt 2.3.1.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 222
Vorgaben
und Zieldefinition
Definition
der Mehrkanalvertriebsstrategie
Vorgaben des Geschäftsbereichsverantwortlichen als Rahmenbedingungen
für die Vertriebsplanung und –kontrolle (z.B. Wertreiberhierarchien, Balanced Scorecard)
Analyse des bisherigen Planungs- und Controllingsystems für den Mehrkanalvertrieb (insbesondere hinsichtlich des derzeitigen Umfangs mit Kennzahlen)
Festlegen der Ziele des Kennzahlensystems
! Angestrebter Grad einer kanalspezifischen Konkretisierung
! Angestrebter Grad der Integration in den Führungszyklus (Strategie- und
Zieloperationalisierung, Budgetierung, Anreizsysteme, Controlling und
Überwachung des Mehrkanalvertriebs)
! Angestrebter Grad der informationstechnischen Unterstützung
Change- und Projektmanagement
! Zusammenstellen eines ausgewogenen Projektteams (Vertreter aus
zentralen Controlling-Abteilungen, Kanalverantwortliche, SegmentsManagement, evtl. Produkt-Management)
! Planung finanzieller und personeller Ressourcen, des Realisierungszeitraums, der erforderlichen Kommunikations- und Schulungsmassnahmen
sowie eines etwaigen Pilotprojekts
Analyse und Audit der bisherigen Mehrkanalvertriebsstrategie und Konfiguration des Mehrkanalsystems
Strukturieren und Festlegen der finanzwirtschaftlichen Ergebnisziele
Mehrkanalvertriebsstrategie: Konkretisieren der kanalübergreifenden
Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs und der kanalspezifischen Aufgabenprofile
Identifikation Analyse der relevanten Ursache-Wirkungsbeziehungen anhand von Werterelevanter
bäumen (in Abhängigkeit der kanalübergreifenden Hauptaufgaben und der
Kennkanalspezifischen Aufgabenprofile)
zahlen
Strukturierung und Visualisierung kanalspezifischer Treibergrössen
Ermitteln der Datenverfügbarkeit und –qualität potentieller Messgrössen
Auswahl zentraler Treiber- und Kenngrössen für die kanalübergreifenden
Hauptaufgaben und für die kanalspezifischen Aufgabenprofile
Eindeutige Operationalisierung der gewählten Kennzahlen; Festlegen von
Messhäufigkeit und –verantwortlichkeit sowie der Datenquellen
Definition von Kenngrössen zur mittel- bis langfristigen Erfassung und Beurteilung von Unternehmungsressourcen und Marktpotentialen
Integration
in den Führungszyklus
Festlegen einer geeigneten Visualisierung des Kennzahlensystems
Integration des Kennzahlensystems in das Berichtswesen und Abstimmung
mit dem bankweiten Reporting- und Controllingsystem
Integration des Kennzahlensystems in die Vertriebsplanung und –
budgetierung
Abstimmung des Kennzahlensystems mit den Anreizsystemen
Permanentes Überprüfen und Verbessern des Kennzahlensteuerungssystems
Abbildung 106: Idealtypische Phasen zur Einführung eines Kennzahlensteuerungssystems
Quelle: In Anlehnung an Reinecke 2004, S. 430.
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 223
Die Art, wie ein Kennzahlensteuerungssystem eingeführt wird, bestimmt massgeblich dessen
Nutzen und somit dessen Erfolg. Empirisch belegte Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren zeigen
deutliche Parallelen zu Forschungen aus dem Bereich des Change Managements: Erfolgsentscheidend sind insbesondere kommunikative Aspekte, die Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter und ausreichendes Top-Management-Commitment. Die einzige wesentliche inhaltliche Erfolgsvoraussetzung ist die Notwendigkeit einer systematischen und eindeutigen Struktur für die Kennzahlendefinition und -operationalisierung. Die in dieser Arbeit vorgestellt idealtypische Struktur ist dafür eine mögliche Grundlage.
4. Zusammenfassung und Fazit
In Teil 4 wurden die idealtypische Struktur (vgl. Abbildung 107) eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb präsentiert und zentrale Aspekte erörtert, welche es bei
der Einführung eines solchen Systems in der Bankpraxis zu berücksichtigen gilt.
Die idealtypische Struktur (vgl. Abbildung 107) des Kennzahlensystems ist in drei Ebenen
aufgeteilt. Der dreistufige Aufbau des Systems orientiert sich in den Grundzügen an bestehenden Konzeptionen des Qualitätsmanagements, an ressourcenorientierten Ansätzen und
an den unterschiedlichen Formen der strategischen Kontrolle.
Form der
strategischen
Kontrolle
Ebenen und Zieldimensionen
Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen
Outcome:
Ergebniskontrolle
Gewinn, Rentabilität, Risiko, Wachstum
Dynamische Wertgrössen
Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen
Output:
Wirksamkeitskontrolle
Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs
Kundenwert
Produkt-/Serviceerfolg
Vertriebssystemeffizienz
Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie
Throughput:
Durchführungskontrolle
Aufgabenprofil
Kanal A
Aufgabenprofil
Kanal B
Aufgabenprofil
Kanal C
Aufgabenprofil
Kanal D
Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen
Input:
Inputkontrolle
Finanzkapital
Unternehmungsressourcen
Strukturkapital
Humankapital
Kundenpotentiale
Marktpotentiale
Produkt-/Servicepotentiale
Vertriebssystempotentiale
Abbildung 107: Idealtypische Struktur eines Kennzahlensteuerungssystems
Quelle: Eigene Darstellung, vereinfacht nach Abbildung 73.
Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen (Ebene 1): In der ersten Ebene wird anhand von
statischen (einperiodischen) und dynamischen (mehrperiodischen) Ergebnisgrössen das Zielsystem eines Geschäftsbereichs einer Bank operationalisiert. Ferner wird der Outcome der
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 224
Vertriebsaufgaben und -prozesse anhand finanzwirtschaftlicher Ergebniskennzahlen gemessen. Der Vertriebserfolg eines Geschäftsbereichs wird anhand der Zielerreichung der festgelegten Gewinn-, Rentabilitäts-, Risiko- und Wachstumsziele beurteilt.
Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen (Ebene 2): In der zweiten Ebene wird
die Mehrkanalvertriebsstrategie eines Geschäftsbereichs operationalisiert und aufgezeigt, wie
effektiv und effizient der Mehrkanalvertrieb mit Marktpotentialen und Unternehmungsressourcen umgeht. Diese Ebene dient ferner dazu, die finanzwirtschaftlichen Ergebniskennzahlen
der Ebene 1 anhand harter und weicher Faktoren zu erklären. Mittels kanalübergreifender
Hauptaufgaben wird das Zielsystem für den gesamten Mehrkanalvertrieb operationalisiert und
der Output der Vertriebsaktivitäten der einzelnen Kanäle aggregiert gemessen. Die kanalspezifischen Aufgabenprofile konkretisieren die Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs und operationalisieren das Zielsystem für die einzelnen Kanäle. Unter Berücksichtigung kanalübergreifender Vertriebsprozesse wird der Throughput der Vertriebskanäle gemessen. Die Vertriebsaufgaben und –prozesse schlagen sich dabei nicht nur auf die finanzwirtschaftlichen
Ergebnisse (Ebene 1) nieder, sondern haben auch einen Einfluss auf Ressourcen und Marktpotentiale (Ebene 3).
Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen (Ebene 3): Die dritte Ebene umfasst die Inputfaktoren als zentrale Determinanten und Voraussetzungen für eine effektive und effiziente
Erfüllung der Vertriebsaufgaben der Ebene 2. Hierzu werden Unternehmungsressourcen und
Marktpotentiale betrachtet, weil diese das Vertriebsergebnis und die Erreichung strategischer
Ziele massgebend beeinflussen.
Eine der grössten Herausforderungen bei der Umsetzung eines Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb ist die Komplexitätsreduktion. Es gibt eine Vielzahl möglicher
Kennzahlen, welche für ein derartiges Kennzahlensystem verwendet werden können. Dies
unterstreicht die Notwendigkeit eines begründeten Systems und einer gezielten Auswahl von
Kennzahlen. Ein effektives und effizientes Kennzahlensystem muss somit drei Funktionen
übernehmen: Strukturierung, Priorisierung und Operationalisierung. Auf diese Weise lassen
sich Ursache-Wirkungsbeziehungen darstellen und „Kennzahlenwüsten“ vermeiden.
Die praktische Umsetzung von Kennzahlensystemen ist durch Kompromisse und Unschärfen
geprägt. Ausschlaggebend für die Nützlichkeit ist insbesondere, ob es gelingt, das Kennzahlensystem in den Führungszyklus zu integrieren und die Anbindung an Mitarbeiteranreizsysteme sicherzustellen. Diesbezüglich wurden folgende Aspekte herausgearbeitet:
! Integrierte Betrachtung von Planung und Kontrolle: Ein Kennzahlensteuerungssystem für
den Mehrkanalvertrieb dient der Operationalisierung einer Mehrkanalvertriebsstrategie und
der umfassenden Kontrolle der Implementierung. Die Wirksamkeit des Kennzahlensystems
ist jedoch eingeschränkt, wenn dieses ausschliesslich zur Kontrolle, nicht aber zur operativen Planung eingesetzt wird.
! Verwendung als Reporting- und Kontrollinstrument: Im Sinne einer integrierten Vertriebssteuerung sollten Reporting- und Kontrollsysteme an das Kennzahlensteuerungssystem
geknüpft werden. Berichtsystemen oder Reportings kommt die Funktion zu, die relevanten
Informationen verständlich und adressatengerecht zu verdichten. Dabei kann eine graphi-
TEIL 4: IDEALTYPISCHE KONZEPTION EINES KENNZALENSTEUERUNGSSYSTEMS 225
sche Aufbereitung helfen, Entwicklungen und Ursache-Wirkungsbeziehungen schneller zu
erfassen.
! Kopplung mit Anreizsystemen: Die Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie kann
nicht alleine durch die Einführung eines integrierten Kennzahlensteuerungssystems sichergestellt werden. Die angestrebten Ziele müssen auch durch die Aktivitäten und das Handeln der Vertriebsmitarbeiter verfolgt werden. Die erfordert die Kopplung des Kennzahlensteuerungssystems an die etablierten Anreizsysteme einer Bank.
Die Einführung eines Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb beeinflusst
massgeblich den Nutzen und somit den Erfolg dieses Instruments. Wichtig sind insbesondere
kommunikative Aspekte, das Einbeziehen der relevanten Stakeholder sowie ein TopManagement-Comittment. Diesbezüglich zeichnen sich Parallelen zu Forschungen aus dem
Bereich Change Management ab. Die wichtigste inhaltliche Erfolgsvoraussetzung ist die Notwendigkeit einer systematischen und eindeutigen Struktur für die Kennzahlendefinition und –
operationalisierung. Die in dieser Arbeit vorgestellte idealtypische Struktur bildet dafür eine
mögliche Basis.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
226
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
Im Teil 5 werden zunächst die zentralen Forschungsergebnisse der Arbeit im Überblick zusammengefasst. Anschliessend werden die entwickelten Gestaltungsempfehlungen und
Handlungsanweisungen für ein integriertes Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb von Banken kritisch gewürdigt. Dies erfolgt einserseits anhand der Grenzen von
Kennzahlensystemen im Mehrkanalvertrieb und andererseits anhand der entwickelten Anforderungen. Im Anschluss wird der weitere Forschungsbedarf abgeleitet. Teil 5 schliesst mit
einem kurzen Fazit und einem Ausblick.
1. Wissenschaftlicher Beitrag der Arbeit
1.1 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse
Zu Beginn der Arbeit wurde hervorgehoben, dass sich erfolgreiches Multi-ChannelManagement mit der Integration neuer Vertriebskanäle, mit der Konfiguration des Vertriebskanal-Mixes und mit der Koordination des Mehrkanalsystems auseinander setzt.673 Zu den
Aufgaben des Multichannel-Managements gehört es, nicht nur Entscheidungen674 über die
Gestaltung und Koordination des Vertriebskanal-Mixes zu treffen, sondern auch, die konzeptionellen Überlegungen erfolgreich umzusetzen675 . Es wurde gezeigt, dass im Rahmen von
Mehrkanalvertriebsstrategien spezifische Problemstellungen in den Bereichen Vertriebswegeorganisation und Vertriebssteuerungssysteme bestehen.676 Bei letzterem wurden insbesondere konzeptionelle Defizite bei Kennzahlensteuerungssystemen identifiziert, welche eine
integrierte Steuerung eines Mehrkanalsystems erschweren.
Zur konzeptionellen Gestaltung von Kennzahlensteuerungssystemen im Mehrkanalvertrieb
gab es bislang nur wenige wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse. Ziel des Forschers der
vorliegenden Arbeit war es deshalb, Gestaltungs- und Handlungsempfehlungen für die Konzeption eines integrierten Kennzahlensteuerungssystems zu erarbeiten, welches für die Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems einer Bank geeignet ist und zu einer Steigerung des
Vertriebserfolgs beiträgt. Die Herleitung einer theoretisch fundierten und in der Bankpraxis
anwendbaren Konzeption erforderte eine strukturierte Vorgehensweise und eine geeignete
Forschungsmethodik. Anschliessend werden die wichtigsten Forschungsergebnisse anhand
der drei zentralen Schritte innerhalb des Forschungsprozesses erläutert.
Schritt 1: Strukturierte Analyse und interdisziplinärer Zugang zur Problemstellung
Zu Beginn der Arbeit wurden die relevanten Problemstellungen im Zusammenhang mit Kennzahlensteuerungssystemen im Mehrkanalvertrieb von Banken analysiert. Aufgrund der Vielfalt
der Problemstellungen war zunächst eine Abstrahierung und Strukturierung notwendig. Die
identifizierten Problemkategorien legten den Schluss nahe, dass ein interdisziplinärer Bezug
673
674
675
676
Vgl. Schögel/Sauer/Schmidt 2004, S. 13 ff.
Vgl. Schögel 1997, S. 108 ff.
Vgl. Schögel 1997, S. 180.
Vgl. Wild/Wimmer 2004.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
227
zum Forschungsproblem notwendig ist, um geeignete Gestaltungs- und Handlungsempfehlungen entwickeln zu können.
Die zentralen Ergebnisse von Schritt 1 können wie folgt zusammengefasst werden:
! Strukturierung der Probleme anhand der Kategorien Entwicklungsprozess, Inhaltsdefinition
und Messmethode;677
! Definition des theoretischen Bezugs zum Forschungsproblem durch die Disziplinen Marketing (Fachbereich Distribution), strategisches Management (Fachbereich Zielplanung und
Strategieimplementierung), Organisation (Fachbereich Prozessmanagement) und Controlling (Fokus Kennzahlensysteme).678
Schritt 2: Herleitung der Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem
Die theoretischen Ansätze des Bezugsrahmens bildeten die Basis für die Herleitung der Anforderungen an die Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystems. Um deren praktische
Relevanz sicherzustellen, wurden sie im Rahmen von Expertengeprächen679 validiert und
verfeinert. Die Synthese der theoriebasierten Anforderungen und der praktischen Erkenntnisse aus den Expertengesprächen führten zu notwendigen und hinreichenden Anforderungen.
Diese wurden anschliessend in die Anforderungsdimensionen Prozess, Kontext und Messkonzeption abstrahiert.
Die zentralen Ergebnisse von Schritt 2 sind zusammengefasst die folgenden:
! Die Hauptanforderung in der Dimension Prozess ist ein strategieprozess- und organisationskonformes Vorgehen bei der Entwicklung und Einführung eines Kennzahlensteuerungssystems.
! In Bezug auf die Auswahl geeigneter Kennzahlen wurde in der Dimension Kontext herausgearbeitet, dass ein Kennzahlensteuerungssystem kontextspezifische Kennzahlen enthalten sollte.
! In der Dimension Messkonzeption wurde definiert, dass das konzeptionelle Design des
Kennzahlensystems zum Zweck der strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalsystems geeignet sein sollte.
! Diese Hauptanforderungen wurden pro Dimension durch notwendige (branchenunabhängig) und hinreichende (spezifisch für Mehrkanalsysteme im Bankvertrieb) Anforderungen
konkretisiert. In Abbildung 109 werden die Anforderungen im Überblick gezeigt.
677
678
679
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.1.3.
Vgl. Teil 1, Kapitel 4.
Vgl. Anhang 2 (Expertenverzeichnis) und Anhang 3 (Gesprächsleitfäden).
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
Anforderungsdimensionen
228
Hinreichende Anforderungen an ein
Kennzahlensteuerungssystem für den
Mehrkanalvertrieb einer Bank
Notwendige Anforderungen an ein
Kennzahlensteuerungssystem
! Einbindung in den gesamten ManagementProzess
(situativ)
"
Strategieprozessund organisationskonformes
Entwicklungsvorgehen
!
prozess
– Kennzahlensystem als umfassender
Handlungsrahmen zur Planung,
Implementierung und Kontrolle von
Strategien
Konformität mit dem
Strategieprozessmodell
– Berücksichtigung der Planungsrationalität
des strategischen Managements
! Problemangemessenheit
– Kennzahlen entsprechen inhaltlich dem
Kontext
(situativ)
"
Kontextspezifische
Kennzahlen
!
Zweck der Steuerung und verfügen über
einen geeigneten Informationsgrad
– Angemessene Informationsqualität und
Robustheit
Benutzer- und Organisationsadäquanz
– Kompatibilität mit der
Organisationsstruktur
– Wahrgenommene Nützlichkeit für
Stakeholder
– Glaubwürdigkeit (Realitätsbezug,
Spezifität)
! Berücksichtigung des Koordinationsansatzes
und der Organisation des Mehrkanalvertriebs
– Entwicklungsvorgehen, welches die Art und
Weise, wie das Mehrkanalvertriebssystem
koordiniert wird und wie es organisiert ist,
berücksichtigt
! Abbildung der kundensegmentspezifischen
!
Vertriebskonfiguration
– Kennzahlen, welche den
segmentspezifischen Absatzkanalmix (Anzahl
und Art der Kanäle, Aufgabenverteilung
zwischen den Kanälen) abbilden
Abbildung kanalübergreifender Geschäftsund Wertschöpfungsprozesse
– Kennzahlen, welche zentrale Prozesse und
Aktivitäten im Mehrkanalsystem abbilden
! Zweckmässiges Kennzahlensystemdesign
Messkonzeption
(normativ)
"
Messkonzeptionsgerechtes
Kennzahlensystemdesign
! Konsistenz
– Ursache-Wirkungszusammenhang
– Widerspruchsfreiheit
– Eindeutige Operationalisierung der
Messung
!
-verarbeitung
!
! Flexibilität
– Dynamisierbarkeit des Systems
– Modularität
! Wirtschaftlichkeit
– Aufwand der Datenerhebung und
– Hoher Automatisierungsgrad
zur strategischen Durchführungs- und
Ergebniskontrolle
– Kennzahlensystemdesign, welches zur
Messung der Umsetzungsqualität und der
Ergebnisse einer Mehrkanalvertriebsstrategie
geeignet ist
Ausrichtung des Kennzahlensystemdesigns
an einer wert(treiber)orientierten
Steuerungskonzeption
– Kennzahlensystemdesign, welches sich
konzeptionell an der Wertorientierung als
oberstes Steuerungsziel einer Bank orientiert
Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign für
eine integrierte Vertriebssteuerung
– Kennzahlensystemdesign, welches durch
eine umfassende Messkonzeption eine
integrierte Vertriebssteuerung ermöglicht
Abbildung 108: Notwendige und hinreichende Anforderungen
Quelle: Eigene Darstellung.
Schritt 3: Entwurf einer idealtpyischen Struktur für ein Kennzahlensteuerungssystem
Im dritten Schritt wurde – basierend auf diesen Anforderungen – die idealtypische Struktur
(vgl. Abbildung 109) für ein Kennzahlensteuerungssystem hergeleitet. Anhand von Expertengesprächen680 wurde die Struktur validiert und anschliessend durch die gewonnenen Erkenntnisse der Einzelfallstudie verfeinert. Die Konzeption mit den aufgeführten Kennzahlendimensionen basiert insbesondere auf den hinreichenden Anforderungen der Dimensionen
Kontext und Messkonzeption. Die Anforderungen der Dimension Prozess haben nur einen
geringen Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung des Systems. Vielmehr werden in dieser
Dimension zentrale Aspekte berücksichtigt, welche es bei der Entwicklung und Einführung zu
berücksichtigen gilt.
680
Vgl. Anhang 2 (Expertenverzeichnis) und Anhang 3 (Gesprächsleitfäden).
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
Form der
strategischen
Kontrolle
229
Ebenen und Zieldimensionen
Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen
Outcome:
Ergebniskontrolle
Gewinn, Rentabilität, Risiko, Wachstum
Dynamische Wertgrössen
Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen
Output:
Wirksamkeitskontrolle
Kanalübergreifende Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs
Kundenwert
Produkt-/Serviceerfolg
Vertriebssystemeffizienz
Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie
Throughput:
Durchführungskontrolle
Aufgabenprofil
Kanal A
Aufgabenprofil
Kanal B
Aufgabenprofil
Kanal C
Aufgabenprofil
Kanal D
Ressourcen- und potentialorientierte Kennzahlen
Input:
Inputkontrolle
Finanzkapital
Unternehmungsressourcen
Strukturkapital
Humankapital
Kundenpotentiale
Marktpotentiale
Produkt-/Servicepotentiale
Vertriebssystempotentiale
Abbildung 109: Idealtypische Struktur eines Kennzahlensteuerungssystems
Quelle: Eigene Darstellung, vereinfacht nach Abbildung 73.
Die Konzeption wurde im letzten Kapitel von Teil 4681 zusammenfassend beschrieben. An
dieser Stelle wird daher auf eine erneute Erläuterung verzichtet. Nachfolgend soll vielmehr auf
die zentralen Eckpfeiler der entwickelten Konzeption und auf wichtige Aspekte bei der Einführung eines solchen Kennzahlensteuerungssystem eingegangen werden.
Erweiterung des klassischen Bankcontrollings mit vertriebsaufgaben-, ressourcen- und potentialorientierten Kennzahlen: Im herkömmlichen Erfolgscontrolling von Banken liegt der
Schwerpunkt bei finanzwirtschaftlichen Ergebniskennzahlen.682 Während das Vertriebsergebnis anhand unterschiedlicher Dimensionen (Kundensegmente, Produktegruppen, Vertriebskanäle) detailliert aufgeschlüsselt werden kann, fehlen Angaben über das Zustandekommen
des Ergebnisses. Die Ursachen des Vertriebsergebnisses sind darauf zurückzuführen, wie
erfolgreich die einzelnen Vertriebskanäle im Rahmen ihrer Aktivitäten mit Marktpotentialen
und Unternehmungsressourcen umgehen. Das finanzwirtschaftlich geprägte Bankcontrolling
wurde somit konzeptionell um vertriebsaufgaben-, ressourcen- und potentialorientierten
Kennzahlendimensionen erweitert.
Integration der unterschiedlichen Formen der strategischen Kontrolle: Das entwickelte Kennzahlensteuerungssystem dient der Implementierung einer Mehrkanalvertriebsstrategie und
der strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems. Um diesen Anforderung genügen zu können, wurden die unterschiedlichen Formen der strategischen Kontrolle
konzeptionell in die idealtypische Struktur des Kennzahlensystems integriert. Die Berücksich-
681
682
Vgl. Teil 4, Abschnitt 4.
Vgl. Schierenbeck 2001c
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
230
tigung der Durchführungs- und der Inputkontrolle ermöglicht die Steuerung der strategischen
Vertriebsprozesse in einem Mehrkanalsystem.
Wertorientierung als zentraler Zugang für die Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems:
Die strategische Zielsetzung von Banken, den Unternehmenswert zu steigern, manifestiert
sich in einer wertorientierten Unternehmensführung. Unter dem Primat der Wertorientierung
konfigurieren Banken ihre Mehrkanalvertriebssysteme derart, dass diese geeignet sind, sowohl den Wert des Kunden für die Unternehmung (Kundenwert) als auch den Wert und Nutzen der Vertriebsleistung für den Kunden (Kundenvorteil) zu erhöhen. Die Wertschöpfung
(Kundenwert, Kundenvorteil) eines Mehrkanalvertriebssystems wurde in die klassischen Erfolgsdimensionen des Bankcontrollings integriert und anhand der kanalübergreifenden Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs operationalisiert.
Kanalspezifische Aufgabenprofile und kanalübergreifende Vertriebsprozesse zur Operationalisierung der Mehrkanalvertriebsstrategie: Die strategieorientierte Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems erfordert die Identifikation zentraler Vertriebsprozesse und -aufgaben. Die
Durchführungskontrolle bildet daher das Herz des entwickelten Kennzahlensteuerungssystems. Die kanalspezifischen Aufgabenprofile und die kanalübergreifenden Prozesse bilden die
Grundlage für die kontextspezifische Auswahl geeigneter Kennzahlen und somit zur strategieorientierten Steuerung eines Mehrkanalsystems. Die Aufgabenprofile und die kanalübergreifenden Prozesse tragen durch ihre Strukturierungs- und Priorisierungsfunktion683 auch zur
Vermeidung von einer übermässigen und ungeordneten Anhäufung von Kennzahlen bei.
Wirksamkeit des Kennzahlensteuerungssystems durch die Einbindung in den Führungszyklus: Die Entwicklung und Einführung eines konzeptionell überzeugenden und stringenten
Kennzahlensteuerungssystems ist nur eine Determinante für den Vertriebserfolg.684 Das Potential eines Kennzahlensteuerungssystems wird erst dann vollkommen ausgeschöpft, wenn
es in den Führungszyklus eingebunden wird.685 Die Integration erfolgt durch unterschiedliche
Aspekte. Das System sollte nicht nur der Kontrolle dienen, sondern auch in die strategischen
Planungs- und Budgetierungsprozesse eingebunden werden. Zudem sollte es die Grundlage
für das interne Informations- und Berichtswesen einer Bank sein. Schliesslich gilt es, auch die
Motivations- und Anreizsysteme mit dem System zu koppeln.
1.2 Integration und Erweiterung bestehender Forschungsarbeiten
Ein wesentliches Charaktertistikum dieser Dissertation ist, bestehende Ansätze aus verschiedenen Forschungsdisziplinen zu integrieren und zu erweitern. Vor diesem Hintergrund wurden
zentrale Erkenntnisse aus diesen herangezogen, um die Problemstellung umfassend und
erkenntnisfördernd zu durchdringen. Dies war v.a. notwendig, um dem interdisziplinären Charakter der Problemstellung bzw. des Erkenntnisobjekts gerecht zu werden. Die nachfolgende
Beurteilung des wissenschaftlichen Beitrags der Arbeit erfolgt daher in Bezug auf die verschiedenen Forschungsdisziplinen bzw. auf die jeweiligen Fachbereiche.686
683
684
685
686
Vgl. Teil 4, Abschnitt 3.1.
Vgl. Hesse/Huckemann 2002.
Vgl. Teil 4, Abschnitt 3.2.
Vgl. Teil 1, Kapitel 4.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
231
Integration und Erweiterung vorhandener Beiträge zum Management von Mehrkanalsystemen im Rahmen der Distribution
Im Bankvertrieb nimmt die Bedeutung von Mehrkanalsystemen ständig zu. Verschiedene Autoren687 haben in den letzten Jahren wertvolle Beiträge über das Wesen und das Management von Mehrkanalsystemen verfasst. Bislang gab es aber nur wenige Erkenntnisse zur
Problematik der integrierten Vertriebssteuerung im Mehrkanalvertrieb. Es mangelte insbesondere an konzeptionellen Gestaltungshinweisen für die Entwicklung eines integrierten Kennzahlensteuerungssystems, welches spezifische Aspekte von Mehrkanalsystemen (v.a. Wechselwirkungen zwischen den Kanälen) berücksichtigt. Basierend auf den bestehenden Erkenntnissen der genannten Autoren gelang es in der entwickelten Konzeption, diese Aspekte
zu integrieren. Durch den erzielten Erkenntnisfortschritt konnten die vorhandenen Beiträge
zum Management von Mehrkanalsystemen erweitert werden.
Integration und Konkretisierung bestehender Erkenntnisse aus der Zielplanung, der
Strategieimplementierung und der Wertorientierung im Mehrkanalvertrieb
In der vorliegenden Arbeit wurden die bestehenden Erkenntnisse der Zielplanung, der Strategieimplementierung und der betriebswirtschafltichen Zielforschung sowie die Forderung nach
einer Wertorientierung im Mehrkanalvertrieb integriert. Diese Aspekte wurden durch die idealtypische Struktur des Kennzahlensystems und die herausgearbeiteten Rahmenbedingungen
zur Entwicklung und Einführung eines solchen Systems berücksichtigt. Zentrale Anknüpfungspunkte waren in diesem Zusammenhang der General-Management-Navigator (GMN)
von Müller-Stewens und Lechner688 und die von Schögel689 entwickelten Konstrukte Kundenvorteil und Kundenwert.
Integration und Erweiterung bestehender Beiträge zum Management von Geschäftsprozessen
Geschäftsprozesse rücken vor dem Hintergrund des intensiven Wettbewerbs im Bankenbereich verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses. Im Business-Process-Management (BPM)
stehen insbesondere die Optimierung und das Sicherstellen der Effektivität und Effizienz von
Geschäftsprozessen im Vordergrund. Die Hauptaufgaben des BPM bestehen somit in der
Planung, Steuerung und Kontrolle von Prozessen.690 In der vorliegenden Arbeit werden die
prozessorientierte Denkweise sowie die Notwendigkeit einer gezielten Planung, Steuerung
und Kontrolle von zentralen Geschäftsprozessen betrachtet. Die entwickelte Konzeption erweitert die bestehenden Erkenntnisse insofern, als diese im Kontext eines Mehrkanalsystems
die Determinaten (siehe Input in Abbildung 107) und Auswirkungen (siehe Output und Outcome in Abbildung 107) von Vertriebsprozessen integriert betrachtet.
687
688
689
690
Vgl. z.B. Wild 2005; Schwanitz 2003; Schögel 1997; Moriarty/Moran 1991; Schwanitz 2002.
Müller-Stewens/Lechner 2005.
Schögel 2005.
Vgl. Gaitanides 1994.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
232
Integration und Erweiterung bestehender Erkenntnisse über die Anforderungen von
Kennzahlensystemen
Zahlreiche Wissenschaftler haben sich mit den Anforderungen an betriebswirtschaftliche
Kennzahlensysteme beschäftigt.691 Bei den Erkenntnissen handelt es sich v.a. um induktiv
ermittelte Kriterien, weil eine Theorie nicht existiert und es somit auch nicht möglich ist, Systemanforderungen deduktiv abzuleiten.692 Die Anforderungen oder Gestaltungsempfehlungen
der einzelnen Autoren sind i.d.R. dadurch gekennzeichnet, dass sie sehr generisch und eher
unstrukturiert sind. Für die Entwicklung eines nützlichen693 (=zweckgerechten) Kennzahlensystems für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs waren sie daher nur beschränkt geeignet.
Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen wurde im Rahmen dieser Arbeit ein umfassendes und insbesondere strukturiertes Konzept entwickelt, welches notwendige und hinreichende Anforderungen an ein Kennzahlensystem mit dem Zweck der Steuerung definiert. Obwohl
dieses Konzept spezifisch für Kennzahlensteuerungssysteme für den Mehrkanalvertrieb von
Banken hergeleitet wurde, kann es aus Sicht des Verfassers grundsätzlich auch für andere
Branchen verwendet werden.
Fazit: Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass es in der vorliegenden Arbeit durch einen
interdisziplinären Bezugsrahmen gelungen ist, das Erkenntnisobjekt Kennzahlensteuerungssysteme umfassend zu durchdringen. Durch die Integration unterschiedllicher Ansätze aus
den Forschungsdisziplinen Marketing, strategisches Management, Organisation und Controlling gelang es nicht nur einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen, sondern auch bestehende Erkenntnisse in den einzelnen Disziplinen zu erweitern und zu vertiefen.
2. Kritische Würdigung der entwickelten Konzeption und zukünftiger Forschungsbedarf
Im Anschluss an die Diskussion des wissenschaftlichen Beitrags der Arbeit gilt es, die Grenzen der Untersuchung in methodischer, inhaltlicher und theoretischer Hinsicht zu erörtern und
den Forschungsbedarf für zukünftige Dissertationsprojekte abzuleiten. In Teil 1 wurden die
allgemeinen und konkreten Einschränkungen der Fallstudienforschung bereits herausgearbeitet.694 Ferner wurde erläutert, welche Qualitätssicherungsmethoden der Autor eingesetzt hat,
um diese Restriktionen auf ein wissenschaftlich angemessenes Mass zu beschränken.695 Um
Redundanzen in der Darstellung zu vermeiden, werden die methodischen Einschränkunden
hier nicht wiederholt. Im Anschluss an die Restriktionen wird die entwickelte Konzeption hinsichtlich der entwickelten Anforderungen kritisch gewürdigt und der zukünftige Forschungsbedarf abgeleitet.
691
692
693
694
695
Vgl. z.B. Diller 1976; Reichmann/Lachnit 1976; Caduff 1981; Geiss 1986; Simons 1995; Siegwart 1998;
Reinecke 2004.
Vgl. Geiss 1986.
Zur Definition von Nützlichkeit siehe Teil 1, Abschnitt 5.1.3.
Vgl. Teil 1, Abschnitte 0 - 0.
Vgl. Teil 1, Abschnitt 5.3.3.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
233
2.1 Restriktionen und Gefahren von Kennzahlensystemen im Mehrkanalvertrieb
In Anlehnung an Hesse und Huckemann696 wurde zu Beginn dieser Arbeit697 hervorgehoben,
dass ein Kennzahlensystem im Rahmen der Vertriebssteuerung eine zentrale Determinante
für den Vertriebserfolg ist. Es wurde zudem herausgearbeitet, dass ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb seine volle Wirksamkeit erst durch die Integration in
den Führungszyklus entfaltet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass solche Systeme lediglich eines von vielen Planungs- und Kontrollhilfsmitteln sind. Auch wenn sie sich zu umfassenden Managementsystemen entwickeln lassen, ist ihre Anwendung erheblichen inhaltlichen
und theoretischen Einschränkungen unterworfen und zudem sehr anspruchsvoll. In der Realität stösst man bei Verwendung von Kennzahlensystemen aufgrund formaler Fehler und Unzulänglichkeiten an deren Grenzen.698 Diese Restriktionen werden im Anschluss erläutert.
Inhaltliche und theoretische Restriktionen von Kennzahlensystemen im Mehrkanalvertrieb
Neben Kennzahlensteuerungssystemen gibt es andere wichtige Determinanten des Vertriebserfolgs: Hesse und Huckemann699 haben in ihrer empirischen Analyse zwei zentrale
Erfolgsfaktoren für die Erklärung des Vertriebserfolgs identifiziert. In dieser Arbeit wurde einer
der beiden Faktoren – die Vertriebssteuerung anhand eines geeigneten Kennzahlensystems
– eingehend diskutiert. Eine ebenso wichtiger Erfolgsfaktor sind gemäss ihren Erkenntnissen
einheitliche Aussagen zur Vertriebsstrategie. Diese Erkenntnis wird auch von Bonoma700 gestützt, welcher sagt, dass die geplanten (Vertriebs-)Erfolge nur durch die Kombination einer
geeigneten Strategie mit einer konsequenten Umsetzung errreicht werden können. Er hebt
jedoch auch hervor, dass im Falle einer „schlechten“ Strategie eine wirkungsvolle Implementation verheerend sein kann. Wild und Wimmmr701 haben im Zusammenhang mit der Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie weitere Problemstellungen702 herausgearbeitet: Eine
kanalübergreifende Preispolitik oder mehrkanalfähige Kostenrechnungssysteme sind ebenso
zentrale Einflussgrössen für den Vertriebserfolg.
Alle diese zusätzlichen Aspekte wurden in der Problemanalyse zwar erfasst, konnten aber
aufgrund des Fokus dieser Arbeit nur am Rande berücksichtigt werden.
Massgebliche Vereinfachung der Realität durch die Vermutung von Kausalzusammenhängen:
Im Zusammenhang mit Kennzahlenssystemen sollte man sich immer der Tatsache bewusst
sein, dass diese absichtlich reduktionistisch sind, um sich nur auf wenige Messgrössen fokussieren zu können.703 Unschärfen und Unwägbarkeiten sind nicht zu vermeiden. Bei einem
Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb ist diese Einschränkung insbeson-
696
697
698
699
700
701
702
703
Hesse/Huckemann 2002.
Vgl. Teil 1, Abschnitt 2.4.
Vgl. Reinecke 2004, S. 433.
Hesse/Huckemann 2002.
Bonoma 1984.
Wild/Wimmer 2004.
Vgl. Teil 1, Abschnitt 1.1.
Vgl. Müller-Stewens 2001, S. 559.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
234
dere auf die enge Vernetzung der Vertriebskanäle zurück zu führen.704 Die Aufgabenteilung
im Mehrkanalvertrieb führt zu komplexen Wechselwirkungen, deren Erfassung und Beurteilung anhand von Kennzahlen sehr schwierig ist. Die meisten unterstellten Kausalitäten zwischen Zielen, Treibern und Messgrössen haben daher oft hypothetischen Charakter und
müssten empirisch überprüft werden.705
Die Diskussion zur Balanced Scorecard brachte hervor, dass eine weitere natürliche Grenze
von Kennzahlensystemen darin besteht, dass sie eine ungerichtete strategische Überwachung bzw. eine Frühaufklärung nicht oder lediglich unzureichend gewährleisten können.
Kennzahlen müssen i.d.R. im Voraus definiert werden, um sinnvoll interpretiert werden zu
können. Auch wenn eine gerichtete strategische Überwachung durch eine Ausrichtung auf
Marktpotentiale und Bedürfnisse möglich ist, so lassen sich schwache Signale selten nur über
Zahlen vermitteln.706 Eine wirksame Frühaufklärung benötigt ergänzend qualitative Indikatoren und Informationen.
In Kennzahlensteuerungssystemen werden keine Entscheidungen getroffen. Die Systeme
müssen richtig interpretiert werden: In der operativen Vertriebssteuerung wirkt ein Kennzahlensteuerungssystem häufig lediglich unterstützend. Kennzahlen tragen massgeblich dazu
bei, in konzentrierter Form über einen zahlenmässig erfassbaren betriebwirtschaftlichen Tatbestand zu informieren.707 Die grosse Schwierigkeit besteht jedoch darin, die gewonnenen
Daten geeignet zu interpretieren, um allenfalls notwendige Entscheidungen zu treffen und
Massnahmen zur Behebung eines Problems einzuleiten. Hierzu dienen in der Praxis v.a. SollWerte, welche für die einzelnen Kennzahlen definiert werden. Die Definition solcher ZielWerte erweist sich als meist sehr schwierig.
In der Praxis werden inhaltliche Grenzen durch unterschiedllche Kompromisse hervorgerufen:
Schliesslich sind jedem Kennzahlensystem aufgrund von Kompromissen bezüglich Aktualität,
Geltungsbereich, Operationalität und Wirtschaftlichkeit inhaltliche Grenzen gesetzt.708 Es ist
somit lediglich ein Baustein eines umfassenden Informationssystems – wenn auch ein zentraler.
Formale Fehler bei der Anwendung von Kennzahlensystemen im Mehrkanalvertrieb
Neben den inhaltlichen Einschränkunen in Bezug auf die Reichweite von Kennzahlensystemen gilt es auch, auf typische Gefahren und Fehler hinzuweisen, die sich bei der Arbeit mit
Kennzahlen ergeben. Der Einsatz von Kennzahlen ist durch individuelle Vorbehalte, unterschiedliche Qualifikationen und psychosoziale Phänomene gekennzeichnet. Falsche Schlüsse, die aus methodisch fragwürdigen oder unklaren Zahlenkombinationen gezogen wurden,
führen oft zur Ablehnung von Kennzahlen.709
704
705
706
707
708
709
Vgl. Faisst et al. 2003, S. 6.
Vgl. Müller-Stewens 2001, S. 560.
Vgl. Müller-Stewens 2001, S. 525.
Vgl. Staehle 1967, S. 62.
Vgl. Radke 1968, S. 148.
Vgl. Radke 1968, S. 148.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
235
Bei formalen Fehlern kann zwischen verschiedenen Gruppen unterschieden werden.710 Diese
sollen nachfolgend kurz erläutert werden.
Konzeptionelle Konstruktionsmängel: Solche Mängel liegen vor, wenn eine Kennzahlensystem falsch oder unzweckmässig ist. Ein System kann als falsch bezeichnet werden, wenn
beispielsweise mathematische Zusammenhänge inkorrekt abgebildet werden oder formale
Ursache-Wirkungsbeziehungen nicht zutreffen. Ein Kennzahlensystem ist unzweckmässig,
wenn es der jeweiligen Entscheidungssituation nicht gerecht wird (z.B. wenn eine Firma ein
Kennzahlensystem einer anderen Firma unreflektiert übernimmt) oder die verwendeten Indikatoren die zu messenden Kennzahlendimensionen oder Konstrukte nicht in einer geeigneten
Form abdecken.
Fehler bei der Datenerhebung und -verarbeitung: Bei solchen Mängeln handelt es sich um
Probleme im Zusammenhang mit der Validität sowie um Rechen- und Verdichtungsfehler.711
Diese Fehler sind meistens auf ungenügende Qualifikationen oder auf mangelnde Sorgfalt
zurück zu führen. Ein Kennzahlenbericht mit solchen Fehlern ist nutzlos.
Mängel bei der Anwendung und Interpretation: Anwendungsmängel zeigen sich oft an disfunktionalen Seiteneffekten und Manipulationen wie z.B.:
! Im Rahmen der Planung werden „Spielräume“ in die Kennzahlen eingesetzt, so dass Ziele
auf jeden Fall erreicht werden können.
! Kennzahlenabweichungen werden „geglättet“, indem Berichte hinsichtlich Zeitpunkt und raum angepasst werden, ohne dass sich die Beobachtung verändert.
! Berichte werden manipuliert, indem Vorkommnisse nicht mitgeteilt (Unterdrücken von Kundenbeschwerden) oder „einseitig beeinflusst“ (einseitiges Melden positiver, nicht aber negativer Kundenreaktionen) werden.712
Die Gefahr von Manipulationen steigt, wenn Kennzahlensysteme mit Anreizsystemen gekoppelt werden. Dabei erfolgt unter Umständen eine Konzentration auf die Kennzahlen als
Selbstzweck und nicht auf die zu erfassenden Aspekte.713 Die Komplexitätsreduktionsfunktion
wird bewusst opportunistisch ausgenutzt.714 Beispielsweise kann die Kennzahl „Prozentsatz
von Kundenanfragen, die innerhalb von 90 Sekunden erledigt werden können“ dazu führen,
dass nicht die Leistung verbessert wird, sondern dass Kunden nach 90 Sekunden nicht mehr
bedient werden, wenn ihr Problem nicht gelöst werden kann.
Anwendungsfehler können auch bei der Interpretation von Kennzahlen enstehen. Messgrössen bestechen durch Operationalität und quantitative Exaktheit und verleiten daher zu Überinterpretationen. Sie führen zu einer „Paralyse durch Analyse“ oder dazu, dass man Kennzahlen als getreue Abbilder der Realität sieht, ohne die notwendige kritische Distanz zu wahren.715 In solchen Fällen wird vernachlässigt, dass Kennzahlen definitionsgemäss einen rele-
710
Vgl. Wissenbach 1967, S. 89ff.; Galler 1969, S. 48 ff.; Staehle 1973, S. 228
Vgl. Staehle 1967, S. 71f.; Wolf 1977, S. 57f.
712
Vgl. Simons 1995, S. 81ff.
713
Vgl. Ambler 2000, S. 149.
714
Vgl. Weber 1999, S. 232.
715
Vgl. Quelch 1992, S. 4.
711
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
236
vanten Sachverhalt verdichten716 und somit niemals die Wahrheit vollständig abbilden. Kennzahlensysteme schwächen das Problem der isolierten Anwendung von Kennzahlen zwar ab,
bleiben aber immer interpretationsbedürftig.717 Die Diskussion der verschiedenen Kennzahlensysteme hat gezeigt, dass Ursache-Wirkunsbeziehungen i.d.R. nicht umfassend abgebildet
werden können. Dies setzt gründliche Kenntnisse des Anwenders in Bezug auf Wirkungszusammenhänge, -intensitäten, -schwellen und -verzögerungen voraus.
Fazit: Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Kennzahlensysteme grundsätzlich wirkungsvolle Instrumente für die Unternehmensführung sind. Die erfolgreiche Anwendung eines
Kennzahlensteuerungssystems für den Mehrkanalvertrieb ist aber von verschiedenen inhaltlichen und formellen Restriktionen geprägt. Diese Einschränkungen gilt es bei der Entwicklung,
Einführung und Anwendung, stets zu berücksichtigen und zu reflektieren, um einen bewussteren Umgang mit einem solchen System zu gewährleisten.
2.2 Würdigung der Konzeption hinsichtlich der entwickelten Anforderungen
Im Anschluss wird die entwickelte Konzeption anhand der hergeleiteten Kriterien der beiden
Dimensionen Kontext und Messkonzeption beurteilt. Die Dimension Prozess hat keinen Einfluss auf die Konzeption selber, sondern vielmehr auf das Entwicklungsvorgehen und die Einführung eines Kennzahlensteuerungssystems. Die Würdigung anhand der Anforderungen
dient dazu, die Güte und Nützlichkeit der entwickelten Konzeption zu beurteilen.
Beurteilung anhand der notwendigen Anforderungen
Problemangemessenheit (Dimension Kontext): Die Konzeption eignet sich aufgrund ihrer
Grundstruktur718 (Potentiale, Prozesse, Ergebnisse) und durch die Integration der verschiedenen Formen der strategischen Kontrolle als Instrument für eine umfassende und integrierte
Steuerung eines Mehrkanalsystems im Bankvertrieb.
Benutzer- und Organgisationsadäquanz (Dimension Kontext): Die idealtypische Struktur stellt
ein geeignetes Cockpit für einen Geschäftsbereichsleiter einer Bank dar, welcher sowohl das
finanzwirtschaftliche Ergebnis sowie dessen Zustandekommen umfassend erklären und durch
gezielte Steuerungseingriffe beinflussen möchte. Die Konzeption ist insofern organisationsadäquat, als sie die einzelnen Vertriebskanäle (=Organisationseinheiten) eines Geschäftsbereichs in der Sub-Ebene Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie
abbildet.
Konsistenz (Dimension Messkonzeption): Die Grundstruktur (Prozesse, Potentiale, Ergebnisse) stellt Ursache-Wirkungszusammehänge zwischen den drei Ebenen her. Das Kennzahlensystem ist in den Gründzügen eher ein Ordnungssystem, beinhaltet an gewissen Stellen jedoch auch Aspekte eines Rechensystems. Der erzielte Gewinn in der Ebene Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen kann beispielsweise durch die Dimensionen Kundenwert und
Produkt-/Serviceerfolg der Ebene Vertriebsaufgaben und prozessorientierte Kennzahlen diffe-
716
717
718
Vgl. Weber 1999, S. 205.
Vgl. Wolf 1977, S. 55.
Vgl. Teil 4, Abschnitt 2.1.1.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
237
renziert erklärt werden. Der Faktor Zeit (Leading vs. Lagging Indicators719 ) muss über die drei
Ebenen konsequent berücksichtigt werden720 .
Flexibilität (Dimension Messkonzeption): Aufgrund seines modularen Aufbaus mit drei Ebenen
und der nicht streng mathematischen Verbindungen ist die Konzeption relativ flexibel. Bei Änderungen der Mehrkanalvertriebsstrategie können die gemessenen Kennzahlen angepasst
werden. Eine stufenweise Einführung des Systems ist möglich.
Wirtschaftlichkeit (Dimension Messkonzeption): Das System beinhaltet mit den drei Ebenen
viele unterschiedliche Aspekte und Themenbereiche. Aufgrund der Erkenntnisse aus der Einzelfallstudie kann vermutet werden, dass die Daten für ein solches System in einer Bank
grundsätzlich vorhanden sind, sie jedoch aus unterschiedlichen Systemen oder Funktionsbereichen (z.B. zentrales Controlling, einzelne Vertriebskanäle, Marketing, Human Ressources
etc.) zusammengetragen werden müssen. Bei der Einführung eines solchen Systems sollte
daher geprüft werden, wie mit einer geeigneten informationstechnischen Unterstützung die
Datenerhebung und -verarbeitung automatisiert werden kann.
Beurteilung anhand der hinreichenden Anforderungen
Abbildung der kundensegmentspezifischen Vertriebskonfiguration (Dimension Kontext): Die
Konzeption ist geeignet, die spezifische Konfiguration des Mehrkanalvertriebssystems eines
Geschäftsbereiches abzubilden. In der Sub-Ebene Kanalspezifische Aufgabenprofile der
Mehrkanalvertriebsstrategie werden alle für einen Bereich relevanten Vertriebskanäle mit ihren Aufgaben erfasst. Die Aufgabenprofile differenzieren dabei, welche Kanäle welchen Kunden welche Bankprodukte/-services vertreiben und welche spezifischen Vertiebsaufgaben
(z.B. Information, Beratung, Verkauf, Abwicklung, Customer Service) die einzelnen Vertriebseinheiten wahrnehmen.
Abbildung kanalübergreifender Geschäfts- und Wertschöfpungsprozesse: In der Sub-Ebene
Kanalspezifische Aufgabenprofile der Mehrkanalvertriebsstrategie werden kanalübergreifende
Prozesse berücksichtigt. Zusammen mit den Aufgabenprofilen gelingt es mit der entwickelten
Konzeption, die Wechselwirkungen zwischen den Vertriebskanälen zu erfassen und anhand
von Kennzahlen zu operationalisieren.
Zweckmässiges Kennzahlensystemdesign zur strategischen Durchführungs- und Ergebniskontrolle: Die idealtypische Struktur integriert die unterschiedlichen Formen der strategischen
Kontrolle. In der Konzeption erfolgt die Messung der Umsetzungsqualität und der Ergebnisse
in der Ebene Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen. In dieser Ebene wird
anhand von Kennzahlen die Durchführung der kanalspezifischen Vertriebsaufgaben gemessen und kontrolliert. Die Wirkung der Tätigkeiten wird in der Sub-Ebene Kanalübergreifende
Hauptaufgaben des Mehrkanalvertriebs gemessen. In der Ebene Finanzwirtschaftliche Ergebniskennzahlen wird der Outcome anhand finanzwirtschaftlicher Schlüsselgrössen ausgewiesen.
719
720
Vgl. Teil 4, Abschnitt 2.1.1.
Vgl. Teil 4, Abschnitt 2.4.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
238
Ausrichtung des Kennzahlensystemdesigns an einer wert(treiber)orientierten Steuerungskonzeption: In der idealtypischen Struktur ist es gelungen, die Wertorientierung konzeptionell in
den einzelnen Ebenen zu verankern. In der Ebene Finanzwirtschaftliche Ergebnisgrössen
werden ein- und mehrperiodische Schlüsselkennzahlen in Form von harten Faktoren erfasst,
welche eine Aussage über den Wertbeitrag eines Geschäftsbereichs zum Gesamtbankergebnis erlauben. In der Ebene Vertriebsaufgaben- und prozessorientierte Kennzahlen wird
anhand von harten und weichen Treibergrössen das erzielte Vertriebsergebnis erklärt. In der
Ebene Ressourcen- und potentialorienterte Kennzahlen wird insofern eine
Wert(treiber)orientierung sichergestellt, als diese Kennzahlen Erklärungsgrössen bzw. Determinanten für die Wertschöpfungsprozesse der vorgelagerten Ebene darstellen.
Ausgewogenes Kennzahlensystemdesign für eine integrierte Vertriebssteuerung: Die Konzeption ist in mehrfacher Weise ausgewogen bzw. „balanced“. Durch die Grundstruktur Potentiale, Prozesse und Ergebnisse werden sowohl „leading“ (Potentiale, Prozesse) als auch
„Lagging Indicators“ (Ergebnisse) abgebildet. Das System ist dadurch auch dazu geeignet
strategische und operative Aspekte in der Vertriebssteuerung zu integrieren. In Bezug auf die
Kennzahlendimensionen gelingt es im System, sowohl harte als auch weiche Faktoren zu
berücksichtigen. Die Ebene Ressourcen- und potentialorientierte stellt sicher, dass die Konzeption nicht nur nach innen, sondern auch nach aussen gerichtet ist.
Fazit: In der entwickelten Konzeption ist es gelungen, die theoretisch hergeleiteten und in der
Praxis validierten Anforderungen der Dimensionen Kontext und Messkonzeption umzusetzen.
Die Nützlichkeit eines solchen umfassenden System hängt letztlich massgeglich von den Anforderungen der Dimension Prozess ab: Ein Kennzahlensteuerungssystem muss in geeigneter Form eingeführt und konsequent in den Führungszyklus integriert werden.
2.3 Weiterer Forschungsbedarf
In diesem Abschnitt wird aus den Ergebnissen dieser Arbeit und den erläuterten Restriktionen
der weitere Forschungsbedarf für zukünftige Dissertationsprojekte abgeleitet. Dabei wird auf
die praktischen Erkenntisse zurückgegriffen, welche der Autor während der Einzelfallstudie
gewinnen konnte.
Entwicklung von mehrkanalfähigen Kostenrechnungssystemen
Zu Beginn der Arbeit wurden unterschiedliche Problembereiche (Vertriebsorganisation, Vertriebssteuerung) im Rahmen der Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie aufgezeigt. In
der vorliegenden Dissertation lag der Fokus auf der Vertriebssteuerung i.e.S. Hierzu wurde
eine Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem entwickelt. Die strategieorientierte
Steuerung und das Erfolgscontrolling in einem derart komplexen System sind jedoch auch
massgeblich von den internen Kostenrechnungssystemen abhängig. Solche Systeme tragen
grundsätzlich dazu bei, dass Kosten und Erträge zwischen den unterschiedlichen Vertriebskanälen alloziert werden können. Dies wiederum ermöglicht eine verursachergerechte und
transparente Erfolgsanalyse sowie Steuerungseingriffe.
In der Bankpraxis erweist sich die Kosten- und Leistunsverrechnung im Mehrkanalvertrieb als
hoch komplex. Die Bestimmung von „fairen“ Verrechnugspreisen zwischen Profit-Centern und
Service-Centern erweist sich als sehr schwierig, weil Kunden kanalübergreifend aktiv werden
und daraus eine asymmetrische Kosten- und Erlösverteilung resultiert. Trotz Fortschritten in
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
239
der Prozesskostenrechnung sollten sich zukünftige Forschungsprojekte damit befassen, wie
die bestehenden Kosten- und Leistungsrechungssysteme mehrkanalfähig gemacht werden
können.
Verbesserung der Messung der Wertschöpfungsbeiträge von Support-Channels (z.B.
Internet)
Integrierte Mehrkanalvertriebssysteme sind davon geprägt, dass die einzelnen Kanäle vertriebsstrategisch unterschiedlich positioniert werden (z.B. Customer-, Sales-, SupportChannel)721 und über unterschiedliche Aufgaben im Vertriebsprozess wahrnehmen. Der Internet-Kanal wird bei vielen Banken als Support-Channel ohne Kunden- und Ergebnisverantwortung positioniert. Obwohl das Internet massgeblich zur Steigerung der Effizienz und Effektivität eines Mehrkanalvertriebssystems beitragen kann, ist der Nachweis der Wertschöpfung
in der Bankpraxis oft sehr schwierig. Der Internet-Kanal wird tendenziell eher als Kostenverursacher wahrgenommen und nicht als Möglichkeit zur Steigerung der Effizienz und Effektivität
eines Mehrkanalvertriebssystems.
Eine Herausforderung für zukünftige Projekte besteht darin, geeignete Ansätze zu entwicklen,
welche eine bessere Quantifizierung des Wertschöpfungsbeitrags des Internet-Kanals ermöglichen. Hierzu müssten geeignete Vorgehensweisen und Kennzahlen identifiziert werden.
Implementierung einer kanalübergreifenden Preispolitk im Mehrkanalvertrieb
Anhand der kanalspezifischen Aufgabenprofile wurde in dieser Arbeit gezeigt, dass im Mehrkanalvertrieb Produkte und Services über unterschiedliche Vertriebskanäle distribuiert werden. Die Entscheidung, welche Kanäle auf welche Produkte und Services fokussieren, erfolgt
anhand der Kompetenzen und Kostenstrukturen der einzelnen Kanäle sowie der Komplexität
der Bankprodukte. Ungeachtet dessen, werden in der Bankpraxis viele Produkte gleichzeitg
über unterschiedliche Kanäle vertrieben. Hierbei stehen Banken vor der Herausforderung zu
definieren, ob die Einführung einer kanalübergreifenden Preisdifferenzierung sinnvoll ist. Diese Entscheidung gilt es, insbesondere vor dem Hintergrund zu betrachten, dass kanalspezifische Preise einen erheblichen Einfluss auf das Kundenverhalten und somit auch auf den Vertriebserfolg haben können.
Im Rahmen der Vertriebssteuerung ist die Preisdifferenzierung im Mehrkanalvertrieb ein sehr
wirksames aber auch gefährliches Mittel, um die Verhaltensweise von Kunden zu beeinflussen und zu steuern. Eine grosse Herausforderung für zukünftige Forschungsprojekte besteht
darin, geeignete Modelle zur Preisdifferenzierung zu entwickeln, welche einen Beitrag zur
Umsetzung einer Mehrkanalvertriebsstrategie sowie zur Steigerung des Vertriebserfolgs einer
Bank leisten.
Berücksichtigung von Kundenwert und Kundvorteile bei der Entwicklung einer Mehrkanalvertriebsstrategie
In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass ein geeignetes Kennzahlensteuerungssystem nur eine
von verschiedenen Einflussgrössen für den Vertriebserfolg darstellt. Ein weiterer zentraler
Erfolgsfaktor sind einheitliche Aussagen (z.B. Einbezug aller Vertriebskanäle) zu einer Mehr-
721
Vgl. Teil 2, Abschnitt 4.4.2.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
240
kanalvertriebsstrategie. Dies bedeutet, dass die zentrale Frage, welchen Kunden welche Produkte über welche Kanäle zu welchen Preisen angeboten werden sollen, zuerst klar beantwortet werden muss. Bei dieser Frage müssen zwei zentrale Punkte reflektiert werden: Wie
gelingt es einer Bank durch eine geeignete Ausgestaltung eines Mehrkanalvertriebssystems
sowohl Kundenwert für die Unternehmung als auch Kundenvorteile für den Kunden zu schaffen?
Zukünftige Forschungsprojekte sollten diese beiden Punkte aufgreifen und anhand empirischer Analysen aufzeigen, wie sich Kunden in Mehrkanalvertriebssystemen verhalten. Diese
Erkenntnis würde die Erarbeitung von geeigneten Vertriebsstrategien und die Konfiguration
von effektiven und effizienten Mehrkanalsystemen im Bankvertrieb massgeblich erleichtern.
Die Wertschöpfung eines Geschäftsbereichs und damit auch der Beitrag zum Gesamterfolg
der Bank könnten dadurch gesteigert werden.
Erweiterte Perspektive durch die Integration von Prozessen von Back-Office-Einheiten
Die vorliegende Arbeit fokussierte insbesondere auf die Vertriebsprozesse von Vertriebskanälen und somit Einheiten, welche im direkten Kundenkontakt stehen. In der Bankpraxis gibt es
zahlreiche Back-Office-Einheiten (z.B. interne Dienstleistungszentren, Operations), welche die
Vertriebskanäle bei der Abwicklung von Prozessen unterstützen. Damit die Prozesse in einem
Mehrkanalvertriebssystem reibungslos abgewickelt werden können, müssen diese SupportProzesse in einer erweiterten Perspektive ebenso berücksichtigt werden. Eine Herausforderung für zukünftige Arbeiten ist daher zu klären – wie im Rahmen eines umfassenden Prozessmanagements einer Bank – die erarbeitete Konzeption mit anderen vorhandenen Kennzahlensystemen integriert werden kann.
Anwendung der Konzeption auf andere Geschäftbereiche einer Bank
Die in dieser Arbeit hergeleitete Konzeption wurde spezifisch für Banken entwickelt, welche im
Privatkundengeschäft bzw. Retail-Banking tätig sind. Solche Institute verfügen meist über
komplexe Vertriebssysteme mit verschiedenen miteinander vernetzten Kanälen. Mehrkanalvertriebssysteme gibt es jedoch auch in anderen Geschäftsbereichen einer Bank, insbesondere im Firmenkundengeschäft. Die spezifischen Problemstellungen in diesem Bereich konnten aufgrund des festgelegten Fokus dieser Arbeit nicht betrachtet werden.
Zur Vertiefung und weiteren Festigung der gewonnenen Erkenntnisse sollten zukünftige Forschungsprojekte die erarbeitete Konzeption vor dem Hintergrund anderer Geschäftsbereiche
weiterentwickeln und ergänzen.
3. Fazit und Ausblick
In der vorliegenden Untersuchung wurde eine Konzeption für ein Kennzahlensystem erarbeitet, welches dazu geeignet ist, die Mehrkanalvertriebsstrategie einer Bank sowie die strategieorientierte Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems zu steuern. Die Konzeption wurde
anhand von Anforderungen hergeleitet, welche im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion
herausgearbeitet wurden. Bei der Entwicklung wurde darauf Wert gelegt, konzeptionelle
Grundzüge von bestehenden und etablierten Kennzahlensystemen zu integrieren.
TEIL 5: KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK
241
Mit Hilfe einer umfassenden Einzelfallstudie wurde die Konzeption im konkreten Anwendungsfall erläutert. Das Hauptergebnis der Fallstudie war der Entwurf eines Kennzahlen-Reportings
für den Bereich Private Clients der Credit Suisse. Anhand der Fallstudie konnte gezeigt werden, dass die entwickelte Konzeption geeignet ist, ein Mehrkanalvertriebssystem integriert
anhand eines Kennzahlensystems zu steuern.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde allerdings auch betont, dass Kennzahlensysteme
weder Selbstzweck noch Allheilmittel sind. Ein konzeptionell fundiertes und an die Vertriebsstrategie ausgerichtetes Kennzahlensteuerungssystem ist nur einer von verschiedenen Faktoren, welche Einfluss auf den Vertriebserfolg haben. Seine volle Wirksamkeit als effektives und
effizientes Instrumentarium zur integrierten Vertriebssteuerung entfaltet sich es erst dann,
wenn es in den Führungszyklus eingebunden wird. Es ist notwendig, die Vertriebsplanung
und -kontrolle als Einheit zu betrachten, die insbesondere mit Kennzahlen sichergestellt wird:
Die entwickelte Konzeption trägt dazu bei, Vertriebsziele strategieorientiert zu definieren,
Massnahmen bei Zielabweichungen verursachergerecht einzuleiten und erzielte Ergebnisse
zu überprüfen.
Mit Hilfe dieses Dissertationsprojektes konnte folglich ein Beitrag zur Lösung des vorhandenen wissenschaftlichen und praktischen Problemlösungsbedarfs hinsichtlich der integrierten
Vertriebssteuerung im Mehrkanalvertrieb von Banken geleistet werden. Die untersuchte Thematik ist nicht nur im Privatkundengeschäft von Banken eine relevante Problemstellung. Aus
Sicht des Autors wäre es wünschenswert, wenn die hier vorgelegten Erkenntnisse intensiv
auch in anderen Geschäftsbereichen oder sogar anderen Branchen verwendet und durchdrungen würden, um hierdurch eine inhaltliche Vertiefung zu erreichen.
ANHANG
242
ANHANG
Anhang 1: Verwendete Datenquellen
Im nachfolgenden Verzeichnis sind im Überblick die verschiedenen Arten von Datenquellen
aufgeführt, welche für die Erstellung der Einzelfallstudie verwendet wurden.
Art der Datenquelle
Zugang zur Datenquelle
Zeitraum
Teilnehmende und
direkte Beobachtung
Zugang zum Forschungsobjekt durch
Festanstellung in den Bereichen Internet
Banking (November 2004 – Januar
2006) und Channel Management (ab
Februar 2006)
November 2004 - Abschluss des Dissertationsprojekts
Expertengespräche
und Interviews
Direkter persönlicher Kontakt zu zentralen Fachpersonen an vereinbarten Terminen
Januar 2004 - Abschluss
des Dissertationsprojekts
Informelle Gespräche Spontaner persönlicher Kontakt zu verschiedenen Fachpersonen in der Unternehmenspraxis (z.B. Veranstaltungen,
Mittagessen)
Januar 2004 - Abschluss
des Dissertationsprojekts
Sitzungsprotokolle
und E-Mail-Verkehr
Direkter persönlicher Zugang im Zuge
der Festanstellung beim Forschungsobjekt
November 2004 - Abschluss des Dissertationsprojekts
Firmeneigene Dokumente
Direkter persönlicher Zugang zu Akten,
Präsentationen, Intranet-Seiten etc. im
Zuge der Festanstellung beim Forschungsobjekt
November 2004 - Abschluss des Dissertationsprojekts
Öffentlich zugängliche Dokumente
Zugang über elektronische Datenbanken, April 2004 - Abschluss
wissenschaftliche Zeitschriften, Fachma- des Dissertationsprojekts
gazine, Pressetexte, Newsletter etc.
Wissenschaftliche
Fachliteratur (DeskResearch)
Zugang über elektronische Zeitschriften- April 2004 - Dezember
Datenbanken, Universitäts- und Fachbib- 2004
liotheken, Internet-Recherchen etc.
ANHANG
243
Anhang 2: Interviewverzeichnis (standardisierte Expertengespräche)
Das Interviewverzeichnis enthält die zentralen Expertengespräche, welche zur Validierung
von Konzepten (Teil 1 – 3) oder während der Fallstudie mit der Credit Suisse (Teil 5) geführt
wurden. Die Leitfäden für die Gespräche sind im Anhang 3 augeführt.
Name/Firma/Bereich/Fachkompetenz722
Interview
Datum/Ort/Zeit
I-01
15.11.2005/08.12.2005 ! Daniel Koller
Zürich
! Credit Suisse
! IT Performance Controlling and Reporting
! Fachkompetenzen:
! Controlling
! Strategisches Management
I-02
09.12.2005/12.12.2005 ! Markus Beeler
Zürich
! Credit Suisse
! Controlling Corporate & Retail-Banking
! Fachkompetenzen:
! Controlling
! Strategisches Management
I-03
19.12.2005
Horgen
!
!
!
!
Stefan Affolter
Credit Suisse
Front Support (Contact-Center)
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Controlling
! Strategisches Management
I-04
20.12.2005
Horgen
!
!
!
!
Heinz Brägger
Credit Suisse
Internet Business Solutions
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Organisation
722
Die aufgeführten Fachkompetenzen basieren auf dem theoretischen Bezugsrahmen (vgl. Teil 1, Kapitel 3).
Die Beurteilung, welcher Experte über welche Fachkompetenzen verfügt, hängt von dessen Aufgabenbereich
sowie von der subjektiven Einschätzung des Interviewers ab.
ANHANG
244
I-05
27.12.2005
Zürich
!
!
!
!
Stefan Schnyder
Credit Suisse
MIS Tools & Methods
Fachkompetenzen:
! Controlling
! Strategisches Management
I-06
20.01.2006
Horgen
!
!
!
!
Damian Zech
Credit Suisse
Business Planning (Retail-Banking)
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Controlling
! Strategisches Management
! Organisation
I-07
27.01.06/30.01.2006
Zürich/Horgen
!
!
!
!
Thomas Langenegger
Credit Suisse
Sales Management (Retail-Banking)
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Organisation
I-08
27.01.2005
Zürich
!
!
!
!
Stefan Ehrat
Credit Suisse
Channel and Process Management
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Strategisches Management
! Organisation
I-09
04.04.2006
Zürich
!
!
!
!
Daniel Koller
Credit Suisse
IT Performance Controlling and Reporting
Fachkompetenzen:
! Controlling
! Strategisches Management
I-10
12.04.2006
Horgen
!
!
!
!
Stefan Affolter
Credit Suisse
Front Support (Contact-Center)
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Controlling
! Strategisches Management
ANHANG
245
I-11
26.04.2006
Horgen
!
!
!
!
Heinz Brägger
Credit Suisse
Internet Business Solutions
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Organisation
I-12
27.04.06
!
!
!
!
Marco Hahn
Credit Suisse
Workplace Management/CRM
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Strategisches Management
! Organisation
I-13
05.05.05
Zürich
!
!
!
!
Stefan Ehrat
Credit Suisse
Channel and Process Management
Fachkompetenzen:
! Marketing
! Strategisches Management
! Organisation
I-14
24.05.06
Zürich
!
!
!
!
Daniel Koller
Credit Suisse
IT Performance Controlling and Reporting
Fachkompetenzen:
! Controlling
! Strategisches Management
I-15
02.06.06
Zürich
!
!
!
!
Dirk Kleinalstede
Credit Suisse
Process Management
Fachkompetenzen:
! Controlling
! Strategisches Management
! Organisation
ANHANG
246
Anhang 3: Interview-Leitfäden (standardisierte Expertengespräche)
Gesprächsleitfaden zu den Interviews I-01 bis I-08
Themen
! Integrierte Kennzahlensteuerungssysteme für den Mehrkanalvertrieb von
Banken
! Anforderungen an ein Kennzahlensteuerungssystem aus Sicht Praxis
Zielsetzung
! Beurteilung des integrierten Anforderungskonzeptes für ein Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb von Banken
Fragen
1. Anforderungen an ein Kennzahlensystem für die Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems einer Bank
! Wie könnten die grundlegenden Anforderungen an ein solches Kennzahlensystem aus Sicht der Praxis umschrieben werden?
! Wie könnten die genannten Anforderungen aus Sicht der Praxis sinnvoll
strukturiert bzw. gruppiert werden?
2. Entwicklungsvorgehen
! Was muss beim Entwicklungsvorgehen für ein Kennzahlensystem
grundsätzlich berücksichtigt werden?
! Gibt es bei der Entwicklung eines Kennzahlensystems für den Mehrkanalvertrieb spezifische Faktoren zu berücksichtigen?
– Ja: Von welchen Faktoren hängt das Entwicklungsvorgehen eines
Kennzahlensystems ab?
– Nein: Warum ist das Vorgehen immer generisch?
3. Auswahl der Kennzahlen
! Wie können die relevanten Kennzahlen für die Steuerung des Mehrkanalvertriebs identifiziert werden?
! Von welchen Faktoren hängt die Auswahl der relevanten Kennzahlen
ab?
4. Konzeption des Kennzahlensystems
! Welches sind die Anforderungen an das konzeptionelle Design für ein
Kennzahlensystem für den Mehrkanalvertrieb?
! Gibt es ein „richtiges“ Design oder situativ unterschiedliche Designs?
– Ein „richtiges“ Design: Wie könnte dieses aussehen?
– Situatives Design: Von welchen Faktoren hängt dieses ab?
ANHANG
247
5. Integriertes Anforderungskonzept: Strukturierung der Anforderungsdimensionen
! Sind die Anforderungsdimensionen intuitiv nachvollziehbar und verständlich?
! Gibt es weitere Dimensionen, welche man berücksichtigen sollte?
! Gibt es Abhängigkeiten zwischen den Dimension?
– Ja: Welche?
– Nein: Warum nicht?
! Sind die spezifischen Anforderungen pro Dimension intuitiv nachvollziehbar und verständlich?
! Gibt es weitere Anforderungen, welche man in den jeweiligen Dimensionen berücksichtigen sollte?
Gesprächsleitfaden zu den Interviews I-09 bis I-15
Themen
! Konzeption eines Kennzahlensteuerungssystem für den Mehrkanalvertrieb von Banken
Zielsetzung
! Beurteilung der Konzeption für ein Kennzahlensteuerungssystem für den
Mehrkanalvertrieb von Banken aus Sicht Praxis
Fragen
1. Beurteilung der Grundkonzeption und der idealtypischen Struktur
! Erfüllt die Grundkonzeption des Kennzahlensteuerungssystems die definierten Anforderungen (siehe Anforderungskonzept)?
! Ist die idealtypische Struktur mit den drei Ebenen und die damit verbundene Messkonzeption nachvollziehbar und verständlich?
! Ist die Messkonzeption für die Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems in der Praxis geeignet?
2. Beurteilung der drei Ebenen und der Kennzahlendimensionen
! Ist die Funktion der einzelnen Ebenen verständlich und nachvollziehbar?
! Sind die Kennzahlendimensionen der drei Ebenen anhand der beispielhaft aufgeführten Kennzahlen nachvollziehbar und sinnvoll?
! Sind die Kennzahlendimensionen für die Steuerung eines Mehrkanalvertriebssystems in der Praxis geeignet?
ANHANG
248
Anhang 4: Konferenzen und Vorträge
In der nachfolgenden Übersicht sind die Konferenzen und Vorträge enthalten, die vom Forscher im Verlauf seines Dissertationsprojektes besucht wurden. Die Erkenntnisse dieser Veranstaltungen wurden jeweils zur Diskussion sowie zur Reflexion der Forschungsergebnisse
herangezogen.
Veranstaltung
Titel des Vortrags/Redner (Funktion)
Datum/Ort
Wertorientierte Vertriebssteuerung
! Wo steht die Vertriebssteuerung der Banken heute?
(Dr. M. Foit, ibi research)
! Wertorientierte Vertriebssteuerung: Konzeption und Umsetzung in der Praxis
(Prof. Dr. K. Wimmer, msg systems)
! Erfahrungsbericht: erfolgsorientierte Vergütung im System der wertorientierten
Vertriebssteuerung
(Hubert Platzer, Sparkasse Schwandorf)
! Wertorientierte Vertriebssteuerung und
Benchmarking: Steigerung der Vertriebsstärke von Retail-Banken
(Marco Nirschl, ibi research)
21.11.2005
Frankfurt am Main
Finance Forum
! Das Internet als erfolgreicher Verkaufska- 01./02.11.2005
nal
Zürich
(Dr. T. Dührkoop, namics AG)
! Private-Banking – Quo vadis?
(R. Altorfer, IBM Consulting)
! Systemunterstützte Vertriebsführung einer
Bank
(Bernard Kobler, Luzerner Kantonalbank)
! Retailbanken in der Schweiz – auf dem
Weg zu profitablem Wachstum
(J. Meier, Credit Suisse)
LITERATURVERZEICHNIS
249
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Lebenslauf
Von Manuel Thomet, geboren am 26.09.1974 in Zürich, Schweiz
Beruflicher Werdegang
Ab Februar 2006
Credit Suisse, Channel Management, Zürich:
- Business Analyst
2004-2006
Credit Suisse, Internet Banking Services, Horgen:
- Business Projektleiter
2003-2004
Credit Suisse, IT International Management Services, Horgen:
- Projektportfolio Manager
2001-2003
Credit Suisse, TOP Corporate Center, Zürich:
- Management Assistant
2001
Credit Suisse, IT Management Europe, Zürich/Madrid:
- Management Assistant
- Assistant Testing Manager
2000-2001
Credit Suisse Group, Release Management youtrade, Oerlikon
- Business Projektleiter
Ausbildung
2003-2006
Universität St. Gallen HSG, IMH, St. Gallen:
- Doktorandenstudium
1995-2000
Universität St. Gallen HSG, St. Gallen:
- Lizenziat der Wirtschaftswissenschaften (lic. oec. HSG)
1999
Universität Lausanne HEC, Lausanne:
- Austauschsemester “CH-Mobil”
1990-1994
Kantonsschule, Baden
- Maturität Typ E (Wirtschaft)
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