4. Isomerie von Komplexverbindungen 4. Isomerie bei Koordinationsverbindungen Grundsätzlich unterscheidet man Konstitutionsisomerie Strukturisomerie) und Stereoisomerie (Konfigutationsisomerie). Konstitutionsisomerie: gleiche stöchiometrische Zusammensetzung, unterschiedliche Verknüpfung der Atome. Butan Ionisationsisomerie Hydratationsisomerie Koordinationsisomerie Bindungsisomerie 2-Methylpropan Stereoisomerie: gleiche Konstitution, aber unterschiedliche räumliche Anordnung von Atomen und Atomgruppen Geometrische Isomerie Optische Isomerie 4.1 Ionisationsisomerie Ionisationsisomerie bedeutet den Austausch eines Liganden zwischen der inneren und äußeren Komplexsphäre. Dies ist oft mit deutlichen Farbwechseln verbunden. trans-[CoCl2(en)2]NO2 grün trans-[CoCl(NO2)(en)2]Cl orange 4.2 Hydratationsisomerie Sonderfall der Ionisationsisomerie, bei der neutrale SolvatMoleküle beteiligt sind. Die Wassermoleküle sind entweder als Liganden gebunden oder sie liegen im Kristallgitter als Solvatmoleküle vor. CrCl3·6H2O kann in Lösung in drei Isomeren auftreten: [Cr(H2O)6]Cl3 [CrCl(H2O)5]Cl2·H2O [CrCl2(H2O)4]Cl·2H2O violett blassgrün dunkelgrün 4.3 Koordinationsisomerie Salze, die komplexe Anionen und komplexe Kationen enthalten, können Koordinationsisomere bilden, indem Liganden zwischen Kation und Anion vertauscht werden. [Co(NH3)6] [Cr(CN)6] [Cr(NH3)6] [Co(CN)6] [Cu(NH3)4] [PtCl4] [Pt(NH3)4] [CuCl4] 4.4 Bindungsisomerie Klassisches Beispiel ist der Komplex [Co(NH3)5(NO2)]Cl2, der in den Farben gelb und rot vorkommt. Die Farbe wird durch die Art der Bindung des Nitrit-Ions an das Cobalt-Atom bestimmt: hn [Co(NO2) (NH3)5 ]2+ Pentaammin(nitrito-k-N)-cobalt(III) D [Co(ONO)(NH3)5]2+ Pentaammin(nitrito-k-O)-cobalt(III) [Co(NO2)(NH3)5]2+ [Co(ONO)(NH3)5]2+ Bindungsisomerie tritt auf für Liganden, die asymmetrisch sind und über mehrere freie Elektronenpaare an verschiedenen Atomen verfügen: z.B. NO2-, SCN-, CN-, SO2 CN- im Berliner Blau: +II +III Fe2+ ist C-gebunden und Fe3+ ist N-gebunden Hohlräume sind mit K+Ionen und H2O-Molekülen besetzt Berliner Blau - Kristallgitter: 4.5. Stereoisomere (Konfigurationsisomere) - gleiche Atomverkettung, unterschiedliche räumliche Anordnung der Atome Enatiomere (optische Isomere): -verhalten sich wie Bild und Spiegelbild zueinander (chirale Moleküle) -gleiche physikalische und chemische Eigenschaften, aber unterschiedliche Reaktionen mit optisch aktiven Verbindungen, unterschiedliche Kristallformen und physiologische Eigenschaften Diastereomere (geometrische Isomere): -Stereoisomere, die nicht Enatiomere sind, nennt man Diastereomere oder geometrische Isomere. -unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften 4.5.1 Diastereomere (geometrische Isomere) Koordinationszahl 4 Für tetraedrische Komplexe gibt es keine geometrischen Isomeren. Qadratisch-planare Komplexe: Für Komplexe des Typs [MA2B2] unterscheidet man cis- und trans-Isomere; typisches Beispiel ist [PtCl2(NH3)2]. Diese Komplexe unterscheiden sich bezüglich des Dipolmomentes (C2v für cis, D2h für trans). cis trans Das [PtCl4]2- Anion reagiert mit NH3 zu zwei unterschiedlichen Isomeren, die chemisch unterscheidbar sind. Die Bildung unterschiedlicher Isomere wird durch den trans-Effekt verursacht. Genaue Untersuchungen zeigen: Chlorid übt einen stärkeren transEffekt aus als Ammoniak. Peyrone: Liebigs Annalen 1845, 51, 1 Joergensen J. prakt. Chem. 1886, 33, 489 Trans-Effekt-Reihe CN- > CO > C2H4 ~ NO > PR3 > SR2 > S=C(NH2) > NO2- > SCN- > I- > Cl- > NH3 > Pyridin > RNH2 > OH- > H2O Cancerostatisch Störung der DNA-Struktur, Absterben der Krebszellen Pt cis-[PtCl2(NH3)2], Peyrones Salz orangegelb 0.252 g/100 ml H2O Pt trans-[PtCl2(NH3)2] hellgelb 0.037 g/100 ml H2O Mit zweizähnigen Liganden (en, acac) lässt sich die cis-Geometrie erzwingen. O H3 N OCCOOH Pt HOOCCO O NH 3 Koordinationszahl 4 Für Komplexe mit drei verschiedenen Liganden [MA2BC] gibt es zwei geometrische Isomere. Quadratisch-planare Komplexe mit 4 verschiedenen Liganden können drei geometrische Isomere bilden. cis trans Koordinationszahl 6 Es sind am Oktaeder zwei einfache Arten von cis-trans-Isomerie möglich. Bei Komplexen des Formeltyps MA4B2 kannte schon A. Werner zwei Möglichkeiten, z. B bei CoCl3×4NH3 [Co(NH3)4Cl2]Cl, das als grüner „Praseo-Komplex“ und als violetter „Violeo-Komplex“ vorkommt. cis-[CoCl2(NH3)4]+ violett trans-[CoCl2(NH3)4]+ grün Dichloridodiethylendiamincobalt(III) CH3OH Wärme [CoCl2(en)2]Cl cis- Form blauviolett [CoCl2(en)2]Cl trans- Form fahlgrün Koordinationszahl 6 Ebenso bei [MA3B3]/[ML3ABC]: die drei Liganden derselben Art können jeweils die Ecken einer Oktaederfläche besetzen („faciale“ Anordnung von facies[lat.] = Gesicht) oder einen Meridian („meridionale“ Anordnung) Für das mer-Isomere existieren, je nach Anordnung der Liganden A, B und C (trans A-B oder trans A-C) fac-[CoCl3(NH3)3] mer -[CoCl3(NH3)3] fac-Isomer mer-Isomer 4.5.2 Enantiomere (Optische Isomerie) Voraussetzung für Enantiomorphie ist Chiralität, die erfüllt ist, wenn im Molekül weder eine Spiegelebene noch ein Symmetriezentrum (Inversionszentrum) vorhanden ist. Koordinationszahl 4 Optische Isomere sind typisch für tetraedrische Komplexe mit vier unterschiedlichen Liganden. Koordinationszahl 6 Einfachster Fall (bereits von Werner untersucht Ber. Dt. Chem. Ges. 1911, 44, 1887): Dichlorodiethylendiamincobalt(III) [CoCl2(en)2]+ trans-Isomer weist drei aufeinander senkrecht stehende Spiegelebenen auf, ist optisch inaktiv (kein Enantiomer) cis-Isomer hat keine Spiegelebenen, es existieren zwei Enantiomere Die Chiralität in den Etylendiamin-Komplexen wird nicht durch Kohlenstoffatome verursacht. Erstes Beispiel für einen Kohlenstoff-freien, chiralen Metallkomplex von Werner: {[(NH3)4Co(μ-OH)2]3Co}6+ Ber. Dt. Chem. Ges. 1914, 47, 3087). Heute sind zahlreiche weitere Beispiele für Komplexe mit drei zweizähnigen Liganden bekannt: L/D-Nomenklatur gibt direkt Auskunft über die Koordinationsgeometrie des betrachteten Zentrums. J. Am. Chem. Soc. 1961, 83, 3908; Inorg. Chem. 1970, 9, 1. Zur Bestimmung der D oder L-Konfiguration wird das Oktaeder entlang der dreizähligen Achse betrachtet: rechtshändige Schrauben werden als D-, linkshändige Schrauben als L-Isomer bezeichnet. L[Co(en)3]3+ D[Co(en)3]3+