Sturm-Liouville

Werbung
Mathematik für Physiker III — WS 2003
Sturm-Liouville-Probleme
Kai Gehrs
In Anlehnung an die Vorlesung “Mathematik für Physiker III” von
Walter Oevel
Adjungierte und selbstadjungierte Operatoren
Der adjungierte” ( transponierte”) Operator A∗ eines linea”
”
ren Operators A : L2w ([a, b]) → L2w ([a, b]) ist definiert durch
hA∗φ, ψiw = hφ, Aψiw
für alle φ, ψ ∈ L2w ([a, b]). Ein Operator mit A = A∗ heißt selbst”
adjungiert”.
Das Skalarprodukt ist dabei definiert über
Z b
hφ, ψiw :=
w(x) · φ(x) · ψ(x) dx
a
mit nichttrivialem Gewicht w 6≡ 1.
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 39* c)
Betrachte den Unterraum
(0)
L2 ([a, b]) = {f : [a, b] → C; f ist stetig diff’bar; f (a) = f (b) = 0}
des L2([a, b]). Es gilt:
Z b
hφ, Dψi =
φ(x) · ψ 0(x) dx
a
h
= φ(x) · ψ(x)
|
{z
=0
= −hDφ, ψi.
ix=b
x=a
}
−
Z
b
φ(x)0 · ψ(x) dx
a
und damit
hφ, −i · Dψi = −hφ, i · Dψi = −h−i · φ, Dψi
= (−1) · (−1) · hD(−i · φ), ψi = h−i · Dφ, ψi.
Eigenfunktionen und Eigenwerte eines Operators
(0)
Sei L ein auf einem dichten Unterraum L2w ([a, b]) des L2w ([a, b]) de(0)
finierter Operator. Ein ψ ∈ L2w ([a, b]), ψ 6= 0, mit Lψ = λ · ψ heisst
Eigenvektor“ oder auch Eigenfunktion“ von L zum Eigen”
”
”
wert“ λ ∈ C.
Für einen selbstadjungierten Operator auf L2w gilt:
a) Alle Eigenwerte sind reell.
b) Eigenfunktionen zu unterschiedlichen Eigenwerten sind orthogonal.
Selbstadjungiertheit von Differentialoperatoren
Es seien A(x), B(x), C(x) reelle, glatte Funktionen. Der Differentialoperator
d2
d
+ C(x)
L = −A(x) · 2 − B(x) ·
dx
dx
definiert auf dem Intervall [a, b] mit den Randbedingungen
α1 · ψ(a) + α2 · ψ 0(a) = 0,
β1 · ψ(b) + β2 · ψ 0(b) = 0
(mit αi, βi ∈ R, |α1| + |α2| =
6 0, |β1| + |β2| =
6 0) ist selbstadjungiert
Rb
bezüglich des Skalarprodukts hφ, ψiw = a w(x) · φ(x) · ψ(x) dx mit
der Gewichtsfunktion
Z x B(ξ) − A0(ξ) w(x) = exp
dξ .
A(ξ)
Transformation auf Sturm-Liouville-Form
Die Differentialgleichung
L̃ψ = −A · ψ 00 − B · ψ 0 + C · ψ = λ · ψ
ist äquivalent zum verallgemeinerten Eigenwertproblem“
”
Lψ = −(p · ψ 0)0 + q · ψ = λ · w · ψ
mit
w(x) = exp
Z
x
B(ξ) − A0(ξ) dξ ,
A(ξ)
d
Ein Operator der Form L = − dx
p
Operator“ genannt.
d
dx
p = w · A,
q = w · C.
+ q wird Sturm–Liouville–
”
Reguläre Sturm-Liouville-Probleme
Die Eigenwertgleichung
Lψ = −(p · ψ 0)0 + q · ψ = λ · w · ψ
mit glatten reellen Funktionen p, q, w zusammen mit Randbedingungen der Form
α1 · ψ(a) + α2 · ψ 0(a) = 0,
β1 · ψ(b) + β2 · ψ 0(b) = 0
(mit αi, βi ∈ R, |α1| + |α2| =
6 0, |β1| + |β2| =
6 0) nennt man ein re”
guläres Sturm–Liouville–Problem“ über dem Intervall [a, b],
wenn dieses Intervall endlich ist und
p(x) > 0 ∀x ∈ [a, b] sowie w(x) > 0 ∀x ∈ [a, b]
gilt.
Singuläre Sturm-Liouville-Probleme
Ist das Intervall unendlich oder gilt
p(x) > 0 ∀x ∈ (a, b) und p(a) = 0 und/oder p(b) = 0
oder verschwindet das Gewicht w(x) an einigen Punkten oder ersetzt
man eine oder beide der Randbedingungen durch
lim
ψ(x) existiert bzw.
x→a
x>a
lim ψ(x) existiert
x→b
x<b
(oder einer ähnlichen Bedingung), so spricht man von einem sin”
gulären Sturm–Liouville–Problem“.
Eigenschaften des Sturm-Liouville-Operators
d
d
Der Operator L = − dx
p dx
+ q ist selbstadjungiert bezüglich des
ungewichteten Skalarprodukts h., .i. Der Operator w1 · L ist selbstadjungiert bezüglich des gewichteten Skalarprodukts h., .iw . Mit
1
· Lψ = λ · ψ
Lψ = λ · w · ψ ⇐⇒
w
sind die Eigenfunktionen orthogonal bzgl. h., .iw .
Zu jedem Eigenwert λ eines regulären Sturm–Liouville–Problems
Lψ = λ · w · ψ mit den Randbedingungen
α1 · ψ(a) + α2 · ψ 0(a) = 0,
β1 · ψ(b) + β2 · ψ 0(b) = 0
(mit αi, βi ∈ R, |α1| + |α2| 6= 0, |β1| + |β2| 6= 0) gibt es genau eine
Eigenfunktion (bis auf Multiplikation mit einer Konstanten).
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 40*
Betrachte das Sturm–Liouville-Problem
Lψ(x) = −ψ 00(x) = λ · ψ(x),
ψ(0) = 0,
ψ(1) + ψ 0(1) = 0.
über dem Intervall [0, 1].
a) Zeige, dass hψ, Lψi > 0 gilt für alle Funktionen ψ 6≡ 0, die die
Randbedingungen erfüllen:
Z 1
h
ix=1 Z 1
hψ, Lψi =
ψ(x)·(−ψ 00(x)) dx = −ψ(x)·ψ 0(x)
+
ψ(x)0·ψ 0(x) dx.
x=0
0
0
Mit der linken Randbedingung ψ(0) = 0 folgt:
Z 1
hψ, Lψi = −ψ(1) · ψ 0(1) +
ψ(x)0 · ψ 0(x) dx.
0
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 40*
Mit der rechten Randbedingung ψ 0(1) = −ψ(1) folgt:
Z 1
hψ, Lψi = ψ(1) · ψ(1) +
ψ(x)0 · ψ 0(x) dx ≥ 0.
0
Der Wert 0 kann dabei nur angenommen werden, wenn ψ 0(x) = 0 auf
dem ganzen Intervall gilt, also ψ(x) konstant ist. Wegen der linken
Randbedingung folgt dann ψ ≡ 0.
b) Folgere, dass alle Eigenwerte λ positiv sein müssen.
Mit Lψ = λ · ψ, ψ 6≡ 0:
hψ, Lψi
λ=
> 0.
hψ, ψi
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 40*
c) Zeige, dass die Eigenwerte durch λk = µ2k (k = 1, 2, 3, . . . ) gegeben
sind, wo µk die k-te positive Lösung der Gleichung µ + tan(µ) = 0 ist.
Bestimme die Eigenfunktion ψk zu λk .
Die allgemeine Lösung von −ψ 00 = λ · ψ ist
√
√
ψ(x) = α · cos( λ · x) + β · sin( λ · x).
Aus der linken Randbedingung folgt ψ(0) = α = 0. Die rechte Randbedingung:
√
√
√
0
ψ(1) + ψ (1) = β · sin( λ) + β · λ · cos( λ) = 0.
Da β nicht verschwinden darf, ist λ durch die Gleichung
√
√
√
sin( λ) + λ · cos( λ) = 0
√
eingeschränkt, also sin(µ) + µ · cos(µ) = 0 für µ = λ.
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 40*
Die Lösung kann sicherlich nicht cos(µ) = 0 erfüllen, also kann die
bestimmende Gleichung auch als
tan(µ) = −µ
geschrieben werden. Da mit µ auch −µ eine Lösung ist, beide aber auf
den selben Eigenwert λ = µ2 führen, brauchen nur positive Werte von
µ betrachtet zu werden.
d) Benutze
1
µ0 · sin(µ) · cos(µ0) − µ · cos(µ) · sin(µ0)
sin(µ·x)·sin(µ ·x) dx =
,
02 − µ2
µ
0
um die Orthogonalität der Eigenfunktionen zu überprüfen.
Z
0
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 40*
Es gilt
hψk , ψk0 i =
Z
1
sin(µk0 · x) · sin(µk · x) dx
0
=
µk0 · sin(µk ) · cos(µk0 ) − µk · cos(µk ) · sin(µk )
.
2
2
µ k 0 − µk
Einsetzen von µk = − tan(µk ), µk0 = − tan(µk0 ), also
µk · cos(µk ) = − sin(µk ),
µk0 · cos(µk0 ) = − sin(µk0 )
im Zähler liefert
hψk , ψk0 i
− sin(µk0 ) · sin(µk ) + sin(µk0 ) · sin(µk )
=
=0
µ2k0 − µ2k
Beschränkung der Eigenwerte des Sturm-LiouvilleOperators
Für die Eigenwerte λ des (regulären oder singulären) Sturm–Liouville–
Problems
Lψ = −(p · ψ 0)0 + q · ψ = λ · w · ψ
über dem Intervall [a, b] mit p(x) > 0 und w(x) > 0 ∀x ∈ (a, b) und
mit einer der speziellen Randbedingungen
ψ(a) = 0,
ψ(b) = 0
(Dirichletsche Randbedingungen),
oder auch
ψ 0(a) = 0,
ψ 0(b) = 0 (Neumannsche Randbedingungen)
oder auch ψ(a) = 0, ψ 0(b) = 0 oder auch ψ 0(a) = 0, ψ(b) = 0 gilt:
q(x)
λ ≥ min
.
x∈[a,b] w(x)
Eigenschaften regulärer Sturm-Liouville-Probleme
Für reguläre SL–Eigenwertprobleme gilt:
a) Es gibt eine abzählbar unendliche Anzahl reeller diskreter Eigenwerte λk mit k = 0, 1, 2, . . . :
λ0 < λ 1 < λ 2 < . . . .
b) Diese Eigenwerte wachsen in der Form O(k 2) gegen ∞: es gibt
positive Konstanten c und C, sodass für alle hinreichend grossen k
gilt:
λk
c ≤ 2 ≤ C.
k
c) Die Eigenwerte sind einfach: zu jedem λk gibt es (bis auf Multiplikation mit einer Konstanten) genau eine Eigenfunktion ψk (x) mit
Lψk = λk · w · ψk .
Eigenschaften regulärer Sturm-Liouville-Probleme
d) Die Eigenfunktionen oszillieren“: die k-te Eigenfunktion hat ge”
nau k einfache Nullstellen im offenen Intervall (a, b) (und, je nach
Randbedingung, evtl. noch Nullstellen an den Rändern).
e) Die Eigenfunktionen bilden ein vollständiges Orthogonalsystem auf
L2w ([a, b]): für jedes f ∈ L2w ([a, b]) (welches nicht die Randbedingungen zu erfüllen braucht) konvergiert die Fourier–Reihe im
L2–Sinne gegen f :
∞
X
hψk , f iw
f=
ck · ψk mit ck =
.
hψk , ψk iw
k=0
Eigenschaften regulärer Sturm-Liouville-Probleme
f) Jede stückweise glatte Funktion f über [a, b], die den Randbedingungen genügt, läßt sich punktweise als Grenzwert der Fourier–
Reihe über die Eigenfunktionen darstellen. Es gilt:
n
X
f (x − 0) + f (x + 0)
ck · ψk (x) =
lim
,
n→∞
2
k=0
wo f (x ∓0) der links– bzw. rechtsseitige Limes der Funktion an der
Stelle x ist. Stetige Funktionen, die den Randbedingungen genügen,
werden damit überall durch ihre Fourier–Reihe dargestellt.
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 45*
Verifiziere, dass die parametrische Bessel–Gleichung
1
ν2
0
−ψ (x) − · ψ (x) + 2 · ψ(x) = µ2 · ψ(x)
x
x
durch ψ(x) = Jν (µ · x) gelöst wird. Anleitung: starte mit der Bessel–
DGL für Jν .
00
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 45*
Die Bessel–Funktion Jν (y) ist die bei y = 0 reguläre Lösung der DGL
−Jν00(y)
1 0
ν2
− · Jν (y) + 2 · Jν (y) = Jν (y).
y
y
Setze ψ(x) = Jν (y(x)) mit y(x) = µ · x, also ψ 0(x) = Jν0 (y) · µ,
ψ 00(x) = Jν00(y) · µ2. Es folgt:
2
2
1
ν
µ
ν
−ψ 00(x) − · ψ 0(x) + 2 · ψ(x) = −Jν00(y) · µ2 − · Jν0 (y) + 2 · Jν (y)
x
x
x
x
2
1
ν
= µ2 · − Jν00(y) −
· Jν0 (y) + 2 2 · Jν (y)
µ·x
µ ·x
2
1
ν
= µ2 · − Jν00(y) − · Jν0 (y) + 2 · Jν (y) = µ2 · Jν (y) = µ2 · ψ(x).
y
y
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 45*
Charakterisiere die Eigenwerte und bestimme die Eigenfunktionen der
parametrischen Bessel–Gleichung
1
ν2
0
−ψ (x) − · ψ (x) + 2 · ψ(x) = λ · ψ(x)
x
x
mit den Randbedingungen |ψ(0)| < ∞, ψ 0(1) = 0.
Anleitung: analog zu Beispiel 2.16 der Vorlesung. Benutze, dass es
neben der in a) gefundenen Lösung der parametrischen Bessel–DGL
keine weiteren bei x = 0 regulären Lösungen gibt, und dass zwischen
je zwei aufeinander folgenden positiven Nullstellen von Jν (x) jeweils
genau ein lokales Extremum von Jν (x) liegt.
00
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 45*
Die Lösung von
1
ν2
0
−ψ (x) − · ψ (x) + 2 · ψ(x) = µ2 · ψ(x)
x
x
zusammen mit der Regularitätsbedingung |ψ(0)| < ∞ ist nach a)
durch ψ(x) = Jν (µ · x) gegeben, wobei µ ∈ R beliebig ist. Die zweite
Randbedingung
ψ 0(1) = µ · Jν0 (µ) = 0
schränkt µ auf 0 oder eine der (positiven) reellen Nullstellen von Jν0
ein. Sei µνk die k-te reelle positive Nullstelle von Jν0 (k = 1, 2, . . . für
ν 6= 0 bzw. k = 0, 1, 2, . . . für ν = 0).
00
Ein Beispiel: Siehe Aufgabe 45*
Die Eigenwerte λ von
1
ν2
0
−ψ (x) − · ψ (x) + 2 · ψ(x) = λ · ψ(x)
x
x
sind damit λk = µ2νk mit den Eigenfunktionen
00
ψ0(x) = J0(0) = 1,
ψk (x) = J0(µ0k · x),
k = 1, 2, . . .
für ν = 0 bzw.
ψk (x) = Jν (µνk · x),
für ν 6= 0.
k = 1, 2, . . .
Anwendungen in der Quantenmechanik
In der Quantenmechanik sind der kleinste Eigenwert λ0 und die entsprechende Eigenfunktion ψ0 von besonderem Interesse: man spricht
von Grundenergie“ λ0 und Grundzustand“ ψ0.
”
”
Wähle eine (möglichst gute) Approximation µ von λ0, wähle eine
beliebige Startfunktion ψ (0), die keine Eigenfunktion von L ist. Ist die
Approximation µ hinreichend genau, so konvergiert die Iteration
1
ψ (j) = q
· ψ̃ (j) mit ψ̃ (j) = (L − µ · w)−1w · ψ (j−1)
hψ̃ (j), ψ̃ (j)iw
im L2–Sinn gegen ψ0 und
λ
(j)
hψ̃ (j), ψ (j−1)iw
hψ (j), Lψ (j)i
hψ̃ (j), (L − µ · w)ψ̃ (j)i
= (j) (j) = µ+
= µ+
(j)
(j)
hψ , ψ iw
hψ̃ , ψ̃ iw
hψ̃ (j), ψ̃ (j)iw
konvergiert gegen λ0 (vgl. Aufgabe 47).
Inverse Sturm-Liouville-Probleme
Betrachte wieder Lψ = w · f mit den üblichen Randbedingungen,
f ∈ L2w ([a, b]).
Wir zerlegen dazu ψ und f in eine Fourier–Reihe bzgl. der Eigenfunktionen ψk von L (was für reguläre SL–Probleme immer möglich
ist):
ψ=
∞
X
dk · ψk ,
k=0
f=
∞
X
k=0
ck · ψk ,
ck =
hψk , f iw
.
hψk , ψk iw
Aus Lψ = w · f folgt mit Lψk = λk · w · ψk die Gleichung
∞
∞
∞
X
X
X
dk · Lψk =
dk · λk · w · ψk = w · f =
ck · w · ψk .
Lψ =
k=0
k=0
k=0
Inverse Sturm-Liouville-Probleme
Durch Vergleich der einzelnen Terme folgt dk = ck /λk , d.h., man erhält
die Lösungsformel
∞
X
ck
hψk , f iw
· ψk , ck =
ψ=
λk
hψk , ψk iw
k=0
für das Problem Lψ = w · f . Solange keiner der Eigenwerte λk = 0
ist, erhält man so die Lösung.
Inverse Sturm-Liouville-Probleme
Startet man mit dem Operator
e = −A d − B d + C,
L
dx2
dx
e auf SL–Form L gebracht wird, so entspricht die
der durch L = w · L
e = f . Mit den Eigenfunktionen
Gleichung Lψ = w·f der Gleichung Lψ
e k = λ · ψk wird die Gleichung
Lψ
e =f
Lψ
auch für allgemeine Operatoren L̃ durch die Fourier–Entwicklung gelöst,
falls 0 kein Eigenwert von L̃ ist:
∞
X
ck
hψk , f iw
ψ=
· ψk , ck =
.
λk
hψk , ψk iw
k=0
Die Greensche Funktion
(0)
Sei L : L2w ([a, b]) → L2w ([a, b]) ein SL–Operator auf einem den Rand(0)
bedingungen entsprechenden Teilraum L2w ([a, b]) ⊂ L2w ([a, b]) mit
einem vollständigen Orthogonalsystem von Eigenfunktionen Lψk =
λk · w · ψk , k ∈ N0. Ist 0 nicht Eigenwert, so ist L invertierbar. Der
(0)
inverse Operator L−1 : L2w ([a, b]) → L2w ([a, b]) wirkt als Integraloperator:
Z b
∞
X
ψk (x) · ψk (y)
(L−1f )(x) =
g(x, y)·f (y) dy mit g(x, y) =
.
λk · hψk , ψk iw
a
k=0
Bezeichnung: L−1 heißt Greens–Operator“, der Integralkern g(x, y)
”
heißt Greensche Funktion“.
”
Die Greensche Funktion – ein konkretes Beispiel
2
d
Wir berechnen die Greensfunktion des SL–Operators L = − dx
2 mit
den Randbedingungen ψ(0) = ψ(1) = 0. Sei y ∈ (0, 1) vorgegeben.
2
∂
a) Die Lösung des homogenen Problems Lg(x, y) = − ∂x
2 g(x, y) =
0 ist g(x, y) = α(y) + β(y) · x. Wir machen also den Ansatz
(
α−(y) + β−(y) · x für x ∈ [0, y),
g(x, y) =
α+(y) + β+(y) · x für x ∈ (y, 1]
mit noch zu bestimmenden Funktionen α±(y), β±(y).
b) Aus der linken Randbedingung g(0, y) = 0 folgt α−(y) = 0.
c) Aus der rechten Randbedingung g(1, y) = 0 folgt α+(y)+β+(y) =
0.
Die Greensche Funktion – ein konkretes Beispiel
Der Ansatz hat sich damit auf
(
β−(y) · x
für x ∈ [0, y),
g(x, y) =
α+(y) · (1 − x) für x ∈ (y, 1]
reduziert.
d) Für x = y ergibt sich
β−(y) · y = α+(y) · (1 − y).
e) Es gilt
∂g
(x, y) =
∂x
(
β−(y) für x ∈ [0, y),
−α+(y) für x ∈ (y, 1].
(1)
Die Greensche Funktion – ein konkretes Beispiel
Für unseren Operator ist p(x) = 1. Die Sprungbedingung e) liefert
damit
1
= 1.
(2)
β−(y) + α+(y) =
p(y)
Aus den linearen Gleichungen (1) und (2) ergibt sich
α+(y) = y,
β−(y) = 1 − y.
Damit ist die Greens–Funktion bestimmt (wir lassen nun auch y = 0,
y = 1 sowie wegen der Stetigkeit auch x = y zu):
(
x · (1 − y) für 0 ≤ x ≤ y ≤ 1,
g(x, y) =
(1 − x) · y für 0 ≤ y ≤ x ≤ 1.
Die Greensche Funktion – ein konkretes Beispiel
Probe: Die Funktion
Z 1
Z
ψ(x) =
g(x, y)·f (y) dy =
0
= (1 − x) ·
x
g(x, y)·f (y) dy+
0
Z
0
x
y · f (y) dy + x ·
Z
1
g(x, y)·f (y) dy
x
Z
1
(1 − y) · f (y) dy
x
erfüllt in der Tat die Randbedingungen ψ(0) = ψ(1) = 0 sowie
d2
Lψ(x) = − 2 ψ(x) = f (x)
dx
für eine gegebene rechte Seite f (x).
Eine weitere Anwendung: Die Poisson-Gleichung
Wir betrachten die Poisson–Gleichung“
”
∆u = −f
mit einer in Polarkoordinaten gegebenen Funktion f (r, φ) und der
Randbedingung
u(r0, φ) = 0
(auf einem Kreis des Radius r0 soll die Lösung verschwinden). In Polarkoordinaten haben wir zu lösen:
∂ 2u 1 ∂u 1 ∂ 2u
∆u(r, φ) = 2 + ·
+ 2 · 2 = −f (r, φ),
∂r
r ∂r r ∂φ
Wir führen die dimensionslose Koordinate
r
ρ=
r0
u(r0, φ) = 0.
Eine weitere Anwendung: Die Poisson-Gleichung
ein, die den Radialbereich r ∈ [0, r0] auf den Standardbereich ρ ∈ [0, 1]
transformiert. Da sowohl f als auch die Lösung u in der Winkelkoordinate φ die Periode 2 · π haben muss, zerlegen wir f und u in
Fourier–Reihen bzgl. φ:
X
X
i·ν·φ
u(r, φ) =
Uν (ρ) · e , f (r, φ) =
Fν (ρ) · ei·ν·φ
ν∈Z
mit
1
Fν (ρ) =
·
2·π
ν∈Z
Z
0
2·π
f (ρ · r0, φ) · e−i·ν·φ dφ.
Eine weitere Anwendung: Die Poisson-Gleichung
Einsetzen in die Poisson–Gleichung liefert:
X ∂2
1 ∂
1 ∂2 i·ν·φ
∆u(r, φ) =
+
·
+
·
·
U
(ρ)
·
e
ν
∂r2 r ∂r r2 ∂φ2
ν∈Z
1 X ∂2
1 ∂
1 ∂2 i·ν·φ
= 2·
+
·
+
·
·
U
(ρ)
·
e
ν
r0
∂ρ2 ρ ∂ρ ρ2 ∂φ2
ν∈Z
1 X 00
1
ν2
0
= 2·
Uν (ρ) + · Uν (ρ) − 2 · Uν (ρ) · ei·ν·φ
r0
ρ
ρ
ν∈Z
X
=−
Fν (ρ) · ei·ν·φ = −f (r, φ).
ν∈Z
Vergleich der Fourier–Koeffizienten liefert, dass die Funktionen Uν (ρ)
Eine weitere Anwendung: Die Poisson-Gleichung
durch die Gleichung
1
ν2
0
− · Uν (ρ) + 2 · Uν (ρ) = r02 · Fν (ρ)
ρ
ρ
mit den Randbedingungen
−Uν00(ρ)
|Uν (0)| < ∞,
Uν (1) = 0
bestimmt sind. Dies ist die inhomogene Version der in Beispiel 2.16 betrachteten parametrischen Bessel–Gleichung über dem Intervall [0, 1],
zu der das Gewicht w(ρ) = ρ gehört.
Eine weitere Anwendung: Die Poisson-Gleichung
Entwicklung nach den bzgl. w orthogonalen Eigenfunktionen
ψνk (ρ) = J|ν|(λ|ν|,k · ρ),
ν∈Z
mit den Eigenwerten λ2|ν|,k (wo λ|ν|k die k-te positive Nullstelle von J|ν|
ist) liefert gemäß Bemerkung 2.23 unter Verwendung der Angaben in
Beispiel 2.16 die Lösung
X 1
hψνk , r02 · Fν iw
Uν (ρ) =
·
· ψνk (ρ)
λ2|ν|,k hψνk , ψνk iw
k∈N
X 2
hψνk , r02 · Fν iw
=
·
· ψνk (ρ).
2
2
λ|ν|,k J|ν|+1(λ|ν|,k )
k∈N
Eine weitere Anwendung: Die Poisson-Gleichung
X
Mit u(r, φ) =
Uν (ρ) · ei·ν·φ erhalten wir das
ν∈Z
Endergebnis: Die Lösung des Randwertproblems
∆u(r, φ) = −f (r, φ),
u(r0, φ) = 0
ist in Polarkoordinaten gegeben durch die Reihenentwicklung
XX 2
hψνk , r02 · Fν iw
r i·ν·φ
u(r, φ) =
·
· J|ν| λ|ν|,k ·
·e
2
2
λ|ν|,k J|ν|+1(λ|ν|,k )
r0
ν∈Z k∈N
Herunterladen