Serienverbkonstruktionen im Chinesischen und ihre Darstellung im Formalismus der HPSG Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin am Ostasiatischen Seminar, Fach: Sinologie eingereicht von Janna Lipenkova 1. Gutachter: Dr. Andreas Guder 2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Stefan Müller 1 Einleitung ….......................................................................................................................4 I. Grundlagen zum chinesischen Verb 8 I.1 Klassifizierung chinesischer Verben ...........................................................................8 I.2 Die chinesische Verbalphrase …................................................................................21 I.2.1 Transitive und ditransitive Verbalphrasen …............................................................21 I.2.2 Aspektsystem ….........................................................................................................26 I.3 Komplexe Verbkonstruktionen …..............................................................................33 I.3.1 Verbale Grammatikalisierung und Lexikalisierung …................................................33 I.3.2 Eingebettete Sätze und Kontrollverben …..................................................................39 II. Beschreibungen von SVCs in der Literatur 43 II.1 Chao: Verbal expressions in series (Chao 1968: 325-349) …..................................43 II.2 Li & Thompson: „Serial Verb Constructions“ (LT 594-622) ….............................53 II.3 Baker / Chang: „shared object“ und „shared reference“ …...................................58 II.3.1 Baker: “Object sharing and projection in serial verb constructions“....................... .58 II.3.2 Chang: Koreferenz und „Temporal Sequence“ …....................................................64 III. Syntaktische und semantische Analyse chinesischer SVCs 67 III.1 Einleitung: Motivation und Funktion von SVCs …...............................................68 III.2 Die SVC als Satzkonstituente …..............................................................................74 III.2.1 SVC als komplexer Satz …......................................................................................75 III.2.2 SVC als Kontraktionssatz ….....................................................................................79 III.2.3 SVC als Kompositum................................................................................................ 81 III.2.4 SVC als komplexes Prädikat ….................................................................................82 III.3 Syntaktische und semantische Zusammenhänge in der SVC …............................82 III.3.1 Semantische Ausdrucksmöglichkeiten …..................................................................83 III.3.2 Entambiguisierung durch Aspektmarkierung ….......................................................90 III.3.3 Argumentstruktur und thematische Beziehungen ….................................................98 III.4 Semantische und lexikalische Zusammensetzung von SVCs …............................105 III.4.1 Asymmetrische SVCs …...........................................................................................106 III.4.2 Symmetrische SVCs................................................................................................. 110 IV. Darstellung chinesischer SVCs im Rahmen von HPSG 113 IV.1Einführung in die HPSG..........................................................................................113 IV.1.1 Aufbau der Merkmalstruktur in HPSG...................................................................114 IV.1.2 Prinzipien und Grammatikregeln ….......................................................................121 IV.2Darstellung der chinesischen SVC in HPSG – eine Konstruktion zwischen Subordination und Koordination....................................................................................126 IV.2.1 Allgemeine Beschränkungen für den Obertyp svc..................................................127 IV.2.2 Die sequentielle SVC: Asymmetrie, Asyndese, Iterativität …................................129 IV.2.3 Modifikationsbeziehungen in der binären SVC.......................................................134 IV.3 Alternative HPSG-Analysen: SVCs in Ga, Thai und Akan..................................140 IV.3.1 SVCs in Ga (Dakubu/Hellan/Beermann 2007)........................................................140 IV.3.2 SVCs in Akan (Hellan / Beermann / Andenes 2003)...............................................144 IV.3.3 Direktionale SVCs in Thai (Muansuwam 2000)......................................................150 Zusammenfassung und Ausblick ….................................................................................155 Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Serienverbkonstruktionen (SVCs) im Chinesischen und ihrer Darstellung im Rahmen von Head-driven Phrase Structure Grammar (HPSG). Die SVC ist eine syntaktische Struktur, in der mehrere Verbalphrasen ohne eine Markierung ihrer Beziehung zueinander aneinander gereiht werden. SVCs kommen in bestimmten Sprachen vor, die in der Literatur entsprechend als „serialisierende Sprachen“ eingeordnet werden; dies sind in der Regel Sprachen eingrenzbarer geografischer Gebiete – v. a. Westafrika, Südostasien, Neuguinea, Ozeanien, Zentralamerika – sowie Kreol- und Pidginsprachen. Vergleicht man die vielfältigen Beschreibungen von SVCs, so lassen sich folgende allgemeine, sprachübergreifend gültige Eigenschaften ableiten: Die SVC besteht aus zwei oder mehr Verbalphrasen, die ohne syntaktische Markierung aneinandergereiht sind. Die SVC beschreibt ein einziges Ereignis. Die Verben einer SVC haben mindestens ein gemeinsames Argument. Die SVC hat nur ein Subjekt bzw. externes Argument . SVCs sind oft Gegenstand von Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozessen. Wenn man sich mit Abhandlungen zu SVCs in der Literatur auseinandersetzt, wird schnell die terminologische Unbestimmtheit dieses Begriffs deutlich. Definitionsversuche, die über eine allgemeine Charakterisierung hinausgehen, sind höchst heterogen: es entsteht der Eindruck, dass der Begriff SVC eher zur Bezeichnung einer intuitiv aufgefassten Struktur denn einer deutlich definierten und formal analysierbaren Konstruktion verwendet wird. Die serielle „Konstruktion“ verbleibt in mehreren Hinsichten zweideutig: durch die Anwendung unterschiedlicher Grammatiktheorien sowie eine oft einseitige Analyse mit ausschließlich syntaktischen, semantischen oder morphologischen Kriterien kommen die Autoren zu entsprechend divergierenden Ergebnissen. Bedeutende Differenzen entstehen auch infolge der Fokussierung der meisten Autoren auf bestimmte Sprachen bzw. Sprachgruppen – die so entwickelten Definitionen können oft nicht mehr universell auf andere serialisierenden Sprachen angewendet werden. Schließlich zeigt die SVC auch in einer einzelnen Sprache häufig verschiedene semantische und syntaktische Variationen auf, die nicht einheitlich analysiert werden können. Die SVC bildet also keine klar abgrenzbare grammatische Kategorie; der Begriff bezieht sich vielmehr auf eine Reihe von Strukturen, die vor allem in ihrer Oberflächenstruktur Gemeinsamkeiten aufweisen. Indessen versuchen die meisten Autoren, eine auf alle SVC-Formen einer Sprache oder womöglich gar universell auf alle serialisierenden Sprachen anwendbare Beschreibung zu liefern. Im Chinesischen weist die SVC eine homogene syntaktische Form auf: sie besteht aus einer Folge von Verbalphrasen, die mit Aspektpartikeln markiert sein können: (a) Wo3 qu4 tu2shu1guan3 xue2xi2. Ich Bibliothek lernen. gehen Ich gehe zum Lernen in die Bibliothek. (b) Wo3 zuo4 che1 qu4 tu2shu1guan3. Ich Auto gehen Bibliothek. sitzen Ich fahre mit dem Auto zur Bibliothek. (c) Wo3 xia4 le0 ke4 Ich beenden perfASP Unterricht qu4 tu2shu1guan3. gehen Bibliothek Nach dem Unterricht gehe ich in die Bibliothek. Hinter der gleichen syntaktischen Struktur verbirgt sich eine Reihe von Ausdrucksmöglichkeiten: in jedem Beispiel geht der interpretierte Gehalt über die Summe der Bedeutungen der einzelnen Verbalphrasen hinaus: es wird eine Beziehung zwischen den zwei Verbalphrasen hergestellt, die jedoch syntaktisch unmarkiert bleibt. In dieser Arbeit soll versucht werden, einen Ansatz für die Analyse dieser semantischen Vielfalt bei gleicher syntaktischer Struktur zu finden. Nach einer Verarbeitung verschiedener Beschreibungen von Serienverben im Chinesischen sowie auch einiger sprachübergreifender Ansätze soll eine Auswahl von syntaktischen und semantischen Merkmalen herausgefiltert werden, die eine möglichst genaue Definition der chinesischen Verbalserie ermöglicht; wir werden die verschiedenen Arten von SVCs dabei in mehrere semantische Klassen einteilen und anschließend anschließend einige von ihnen im Rahmen von HPSG modellieren. Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil werden sprachspezifische Gegebenheiten des Chinesischen beschrieben, die für das Verständnis der nachfolgenden Analysen notwendig sind. Ausgangspunkt für diesen Teil ist das chinesische Verb als Wortart. Es werden bestehende syntaktische und semantische Kategorisierungen vorgestellt, die es ermöglichen, Klassen von Verben, die in bestimmten grammatischen Konstruktionen vorkommen können, zu bilden. Anschließend gebe ich einen Überblick für das Verhalten chinesischer Verben in einfachen und komplexen Sätzen: Chinesisch erlaubt mehrere Arten der unmarkierten Aneinanderreihung von Verbalphrasen, was u. a. auf das begrenzte Präpositionalsystem zurückgeführt werden kann. Die Analyse komplexer Strukturen dient der späteren Abgrenzung der Serienverbkonstruktionen von anderen Strukturen mit mehreren Verben. Im zweiten Teil werden einige sich teilweise widersprechende Auffassungen der SVC vorgestellt. Einerseits soll noch einmal die Mehrdeutigkeit des Begriffs herausgestellt werden: die Beschreibungen unterscheiden sich in Bezug auf grundlegende Eigenschaften sowie auf die Bandbreite in die Analyse einbezogenen SVC-Konstruktionen: so betrachten Li/Thompson mit Abstand alle Strukturen mit aneinandergereihten verbalen Sequenzen als SVCs; dem entgegengesetzt ist der Ansatz von Baker, der in seiner einflussreichen Untersuchung nur Konstruktionen mit gemeinsamen internen Argumenten betrachtet. Tatsache bleibt jedoch, dass die in der linguistischen Forschung allgemein als SVCs bezeichneten Konstruktionen in den meisten Sprachen über gemeinsame grundlegende Charakteristika verfügen. Deshalb analysiere ich im dritten Teil, inwieweit die vorgestellten Ansätze auf chinesische SVCs übertragen werden können. Die SVC wird einerseits als funktionale Einheit betrachtet; zum anderen werden mögliche syntaktische und semantische Zusammenhänge innerhalb der SVC analysiert und häufig vorkommende lexikalische Ausgestaltungsvarianten vorgestellt. In einem vierten Teil wird der Versuch unternommen, die syntaktische Struktur und die semantischen Beziehungen in chinesischen SVCs im Rahmen des HPSG-Formalismus zu modellieren. Die Bandbreite der verwendeten Konstruktionen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit: ich greife Formen heraus, die repräsentativ für wichtige, häufig anzutreffenden Kategorien von SVCs erscheinen. Die SVC wird als hybride Konstruktion analysiert, deren Struktur Merkmale der Koordination und der Subordination aufzeigt: dabei kann insbesondere eine Diskrepanz zwischen syntaktischer und semantischer Beschaffenheit festgestellt werden, die durch die Möglichkeit der separaten Darstellung von Syntax und Semantik in HPSG teilweise überwunden werden kann. Es soll aber ebenfalls gezeigt werden, dass der SVC häufig eine pragmatische Zweideutigkeit zugrunde liegt, deren Auflösung über den Rahmen eines einer formalen Grammatik hinausreicht. I. Grundlagen zum chinesischen Verb In diesem Teil werden Grundlagen zu chinesischen Verben und ihren möglichen Kombinationen im Satzgefüge dargelegt, deren Verständnis für die nachfolgende Analyse von Serienverbkonstruktionen (SVCs) wichtig ist. Im ersten Kapitel werden die Verbarten des Chinesischen unter besonderer Beachtung von Chaos Kategorisierung (1968) vorgestellt. Es folgt eine Beschreibung der chinesischen Verbalphrase sowie des chinesischen Aspektsystems. Anschließend werden einige komplexe verbale Konstruktionen vorgestellt, die von verschiedenen Autoren aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten in der Oberflächenstruktur sowie in der Semantik als Verbalserien eingeordnet werden. Es wird sich jedoch im weiteren Verlauf zeigen, dass diese Konstruktionen wichtige Merkmale der Verbalserie nicht aufweisen und somit aus unserer Betrachtung ausgeschlossen werden sollten. Ich lehne mich in diesem Kapitel zu einem bedeutenden Teil an die in den Basiswerken zur chinesischen Grammatik von Chao (1968) sowie Li/Thompson (1981) dargelegten Beschreibungen verbaler Strukturen an. I.1 Klassifizierung chinesischer Verben Der Versuch einer Unterteilung von Verben in Kategorien liegt in der Tradition der chinesischen Grammatik. Die Anwendungsmöglichkeiten einzelner Verben werden in großen Maße durch ihre lexikalischen Merkmale bestimmt. Wir finden in der Literatur Klassifizierungen von Verben nach unterschiedlichen Kriterien. So nennt Simon schon 1958 vier syntaktische Umgebungen, in denen Verben vorkommen können: - Topik: Verb verweist auf ein präverbales Nomen oder Pronomen - Extension (E): Nomen oder Pronomen in postverbaler Position - Zweite Extension (SE): Aktant, der sich nicht mit der Partikel ba in eine präverbale Position verschieben lässt - Angabe von Größe / Anzahl (M) in postverbaler Position Diesen Umgebungen ordnet Simon vier Klassen von Verben mit verschiedenen Transitivitätswerten zu: 1. Verben mit dreistelliger Valenz, die ein direktes und ein indirektes Objekt annehmen: V SE E song4 ta yi1 ben3 shu1 schenken er ein CL Buch ihm ein Buch schenken Diese Verben entsprechen in der Regel den ditransitiven Verben in unserem Verständnis. 2. Verben ohne indirektes Objekt: V E mai3 shu1 kaufen Buch Bücher kaufen Diese Verben entsprechen den transitiven Verben mit zweistelliger Valenz. 3. Verben, die nur mit einer Angabe von Größe / Anzahl als Umgebung vorkommen: V M da4 liang3 bei4 groß zwei mal zweimal größer Diese Verben gehören zu den transitiven Verben, die keine direkten Objekte annehmen können. 4. Verben, die in keiner der vier obigen Umgebungen vorkommen, Bsp. 行 xing2: in Ordnung gehen Wang (1964) und Chao (1968) teilen die Verben direkt in transitive und intransitive Verben ein; ditransitive Verben werden nicht als gesonderte Gruppe betrachtet. Wir werden im Folgenden die Klassifizierung von Chao näher vorstellen. Chao findet innerhalb der zwei großen Verbklassen weitere Verbtypen, zwischen denen er anhand einer Liste „sekundärer“ Merkmale Differenzen im syntaktischen Verhalten feststellt. Als primäres Unterscheidungskriterium für Verben wird die Negierbarkeit mit bu4 oder mei2 you3 sowie die Fähigkeit des Verbs, als Prädikat oder als zentraler Ausdruck des Prädikats zu fungieren, angegeben. Weitere Merkmale sekundärer Art, die ebenfalls Generalisierungen bezüglich des syntaktischen Verhaltens erlauben, sind: - Modifikation durch Adverbien des Grades (很 hen3, 最 zui4, usw.) - Kombination mit Hilfsverben - Annahme von Größenangaben als Komplementen - Annahme von Angaben zur Anzahl von Wiederholungen als Komplementen - Verdopplung des Verbs - Kombination des Verbs mit der Partikel des durativen Aspekts zhe0 - Kombination des Verbs mit der Partikel des perfektiven Aspekts le0 - Kombination des Verbs mit der Partikel des Erfahrungsaspekts guo0 - Verwendung des Verbs im Imperativ - Verwendung des Verbs in A-nicht-A-Fragen Anhand dieser Merkmale unterscheidet Chao (1968, S. 670 – 707) folgende Gruppen von Verben: A. Intransitive Verben 1) Handlungsverben 2) Qualitätsverben 3) Statusverben B. Transitive Verben 1) Handlungsverben 2) Qualitätsverben 3) Klassifikationsverben 4) shi4 (sein) 5) you3 (haben) 6) Hilfsverben Diese Kategorien werden im Folgenden beschrieben, wobei vor allem die Eigenschaften der von ihnen selegierbaren Objekte und Komplemente berücksichtigt werden sollen. A. Intransitive Verben A. 1 Intransitive Handlungsverben Zu den intransitiven Handlungsverben gehören vor allem Bewegungs- bzw. Fortbewegungsverben (lai2: kommen, dong4: (sich) bewegen usw.), Verben des Zustands und der Körperhaltung (zhan4: stehen, dai4: bleiben), Verben, die das Erscheinen bzw. Verschwinden von Gegenständen oder Lebewesen umschreiben (sheng1: geboren werden, tao2: fliehen), sowie Verben der vokalen Aktivität (ku1: weinen, han3: schreien). Diese Verben können in allen von Chao angeführten syntaktischen Kombinationen verwendet werden. Die Auswahl an Objekten für intransitive Verben ist begrenzt. Sie können kombiniert werden mit: - Angaben der Quantität, der Dauer, der Anzahl von Wiederholungen: (I.1) ku3 le0 yi4 tian1 weinen perfASP ein Tag einen Tag geweint haben - Angaben des Ziels / des Ursprungs für Bewegungsverben: (I.2) fei1 dao4 Shang4hai3 fliegen nach Shanghai nach Shanghai fliegen (I.3) chu1 guo2 herausgehen Land ins Ausland gehen (I.4) verschobene Subjekte der Existenz Tai2 shang4 zuo4 zhe0 ge0 Mei3guo2 Bühne auf durAsp ein sitzen USA xue2sheng0. Student Auf der Bühne sitzt ein amerikanischer Student - verschobene Subjekte des Erscheinens / Verschwindens (I.5) Lai2 le0 yi1 ge4 ke4ren2. ein CL Gast kommen perfASP Ein Gast ist gekommen. (I.6) Pao3diao4 le0 liang3 ge4 wegrennen perfASP zwei CL zei3. Dieb Es sind zwei Diebe weggelaufen. Es sollte beachtet werden, dass viele Handlungsverben sowohl transitiv wie auch intransitiv verwendet werden können. So treten einige als intransitiv eingeordnete Verben transitiv auf, wenn sie mit einem Resultativsuffix kombiniert werden: (I.7) xiao4 teng2 le0 sang3zi0 lachen RESULT.schmerzen perfASP Hals gelacht haben, bis der Hals schmerzt A.2 Intransitive Qualitätsverben Intransitive Qualitätsverben entsprechen bei Chao den Adjektiven in der westlichen Linguistik. Sie werden zu den Verben gerechnet, da sie ohne Hilfsverb (shi4: sein) als selbstständige Prädikate fungieren können. Adjektive können wiederum nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziert werden, wobei die entstehenden Klassen jedoch starke Disproportionalitäten in Bezug auf die Anzahl der ihnen zuzurechnenden Adjektive auf. So werden z. B. skalare und absolute, einfache und komplexe sowie attributive und prädikative Adjektive unterschieden. Einige Adjektive können in prädikativer Position Objekte annehmen, z. B. da4: groß und xiao3: klein: (I.8) Mei4mei4 xiao3 wo3 san1 sui4. jüngere Schwester klein ich Jahr drei Meine jüngere Schwester ist 3 Jahre jünger als ich. Viele Adjektive können mit Objekten zur Quantitätsangabe und der Partikel des perfektiven Aspekts le, die eine Zustandsänderung markiert, kombiniert werden: (I.9) Zhe4 dong1xi1 gui4 le0 liang2 bei4. diese Sache perfASP zwei teuer mal Diese Sache ist zweimal teurer geworden. Schließlich treten Adjektive oft als Suffixe in Resultativkomposita auf: (I.10) po4 zerstören huai4 le0 RESULT.kaputt perfASP kaputt gemacht (haben) Auch bei Adjektiven gibt es Überlappungen mit anderen Wortarten; manche Lexeme, die allgemein als Adjektive verwendet werden, können in anderen syntaktischen Kontexten als Nomen oder Adverbien fungieren: (I.11) Wo3 bu4 Ich nicht xi3huan1 zhe4 zhong3 tian2. mögen diese Art süß. Ich mag diesen süßen Geschmack nicht. (I.12) Zhe4 ge0 wen4ti2 bu4 hao3 jie3jue2. Diese CL Problem nicht einfach lösen Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen. Wir sehen also, dass Adjektive im Chinesischen ohne Hilfsverb in prädikativer Funktion vorkommen und syntaktische und semantische Gemeinsamkeiten mit Verben aufweisen. An Beispielen wie (I.13) kann man sehen, dass Adjektivphrasen auch als Konstituenten von Verbalserien anstelle von Verben fungieren können: (I.13) Dong1xi1 zhong4 Sache schwer na2 bu4 qi3lai2. nehmen nicht RESULT.hochheben Das Ding ist so schwer, dass es nicht hochgehoben werden kann. A.3 Statusverben Statusverben drücken einen Status oder einen Zustand aus, in den eine Person oder eine Sache gerät. Sie bezeichnen eine Veränderung der ursprünglichen Situation, weshalb sie oft von der Partikel des perfektiven Aspekts le gefolgt werden: (I.14) Ta1 Er zuo2tian1 bing4 le0. gestern krank perfASP Er ist gestern krank geworden. Andere Beispiele von Statusverben sind e: hungrig, bao: satt, xing: wach. Auf den ersten Blick scheint es, dass Statusverben als ein Typ von Adjektiven betrachtet werden können: sie drücken einen temporären Zustand aus, während Adjektive eine permanente Eigenschaft bezeichnen, und werden meist in anderen Sprachen mit Adjektiven übersetzt. Jedoch weisen die zwei Kategorien Unterschiede im syntaktischen Verhalten auf. So kommen Adjektive zum Beispiel nur selten mit le (perf. Asp) / mei (Negierung des perf. Asp.) vor, während die Kombination von Statusverben mit diesen Partikeln sehr gebräuchlich ist. Außerdem können Statusverben im negativen Imperativ kombiniert werden, wie z. Bsp. (I.15) Bie2 Nicht bing4! krank Werde nicht krank!, da sie eine Veränderung ausdrücken, auf die das Subjekt eventuell Einfluss haben kann. Wenn Statusverben in Verbalserien kombiniert werden, werden sie meist von einem Handlungsverb gefolgt: (I.16) Ta1 Er bing4 le0 bu4 neng2 lai2. krank perfASP nicht können kommen Er ist krank geworden und kann (deshalb) nicht kommen. SVC-Strukturen mit Statusverben legen in semantischer Hinsicht eine subordinative Interpretation – in unserem Beispiel als kausaler Zusammenhang – nahe. B.1 Transitive Handlungsverben Transitive Handlungsverben weisen viele Gemeinsamkeiten mit intransitiven Handlungsverben auf; sie können im Gegensatz zu diesen jedoch mit einer Vielfalt von Objekten kombiniert werden. Die direkten Objekte transitiver Verben können wiederum ausgelassen werden. Einerseits werden Objekte, die aus dem situationalen oder linguistischen Kontext erschließbar sind, nicht angeführt; zu einer Person, die abwäscht, kann man zum Beispiel sagen: (I.17) Rang4 wo3 lassen mich lai2 ca2! kommen abtrocknen Lass mich abtrocknen! Eine andere Art der Objektaussparung betrifft allgemeine Handlungen, die jedoch auf eine spezielle Situation bezogen werden: (I.18.a) Bie2 shuo1 hua4! nicht sagen Wort Sag nichts! (Spreche nicht!) (I.18.b) Bie2 shuo1! nicht sagen Sag das nicht! Verb-Objekt-Konstruktionen unterscheiden sich in der Art der Beziehung zwischen dem Verb und dem Objekt. So haben sich manche Konstruktionen als Komposita etabliert und übernehmen das Verhalten normaler transitiver Verben: (I.19.a) chu1 ban3 hinausgehen Veröffentlichung veröffentlichen (I.19.b) yi3jing1 chu1 ban3 le0 schon hinausgehen Veröffentlichung perfASP wurde schon veröffentlicht (I.19.c) chu1 ban3 yi1 ben3 shu1 hinausgehen Veröffentlichung ein ein Buch veröffentlichen CL Buch Im zweiten Beispiel wird die Partikel des perfektiven Aspekts le hinter das „Objekt“ des Verbs gesetzt; da das perfektive le in der Regel direkt auf das Verb folgt, können wir folgern, dass in diesem Beispiel die Kombination chu ban als einziges Verb betrachtet wird. In dem zweiten Beispiel scheint das Verb chu 2 direkte Objekte anzunehmen; dieser Widerspruch wird gelöst, indem man das erste Objekt ban als Teil eines verbalen Kompositums analysiert. Auch transitive Verben können in Subtypen unterteilt werden. Die meisten Klassifizierungen beruhen auf semantischen Kriterien. Syntaktische Unterteilungen sind seltener und beschränken sich auf einige wenige formale Merkmale. So werden transitive Verben in Verfügungs- und NichtVerfügungsverben unterschieden. Die direkten Objekte von Verfügungsverben können mit 把ba3 in präverbale Positionen verschoben werden: (I.20.a) Wo3 ba3 mao2 mai3 le0. ich BA Katze kaufen perfAsp. Ich habe die Katze gekauft. Dies ist bei Nicht-Verfügungsverben unmöglich: (I.20.b) * Wo3 ba3 ich BA mao2 ai4. Katze lieben. Ich liebe die Katze. Die Anwendungsmöglichkeiten von transitiven Handlungsverben in Verbalserien und die resultierenden semantischen und syntaktischen Strukturen sind vielfältig und lassen sich mit denen der intransitiven Handlungsverben vergleichen. Eine Analyse transitiver Verben in SVCs muss jedoch zusätzlich die Distribution der Objekte, die Argumentstrukturen und ihre möglichen Verzweigungen innerhalb der Serie berücksichtigen. Dieses Problem soll im Abschnitt III.3.3 näher untersucht werden. B.2 Transitive Qualitätsverben Transitive Qualitätsverben können ebenfalls diverse direkte Objekte annehmen. Sie werden mit Adverbien des Grades 很hen, 最zui, 太tai usw. kombiniert: (I.21) Ta1 tai4 ai4 er zu lieben cai2. Reichtum. Er ist zu habgierig. Sie können weder mit dem durativen Aspekt kombiniert noch im Imperativ verwendet werden: (I.22) * Ta1 zhi1dao0 er wissen zhe0 zhe4 jian4 shi4qing0. durASP diese CL Sache. Er weiß um diese Angelegenheit. (I.23) * Zhi1dao0 ni3 zi4ji3! wissen selbst! du Kenne dich selbst! Direkte Objekte von intransitiven Verben erfahren keine direkte modifizierende Wirkung durch die im Verb beschriebene Handlung; sie können nicht mit ba vor das Verb verschoben werden: (I.24) * Ta1 ba3 er BA zhe4 jian4 shi4qing0 zhi1dao0. diese CL Sache wissen. Er weiß von dieser Sache. Wie bei intransitiven Qualitätsverben gilt auch hier, dass bei Verbalserien, die transitive Qualitätsverben enthalten, meist eine subordinative Interpretation vorzuziehen ist: (I.25) Ta1 pa4 er Angst haben gou3 (,) bu4 gan3 lai2 wo3 jia1. Hund wagen kommen mein Haus. nicht Er hat Angst vor Hunden und wagt es (deshalb) nicht, zu mir zu kommen. B.3 Klassifizierende Verben Klassifizierende Verben bilden eine kleine Kategorie von Verben. Diese Verben ordnen die durch das Subjekt bezeichnete Einheit als Mitglied einer durch das Objekt bezeichneten Gruppe oder als eine Einheit, die das durch das Objekt bezeichnete Merkmal aufweist, ein: (I.26) Ta1 dang1 er xiao4zhang3. in der Position sein Rektor Er ist Rektor. (I.27) Ta1 xing4 er heißen Wang2. Wang Er heißt Wang. Die am häufigsten verwendeten klassifizierenden Verben sind: - 等于deng1yu2: entsprechen - 叫jiao4: heißen (Vorname) - 姓xing4: heißen (Nachname) - 号称hao1cheng0: als etwas bekannt sein - 作zuo4: dienen als - 当dang1: in der Position von jmd. sein - 象xiang4: ähnlich sein Als produktive Komponenten von Verbalserien können vor allem die Verben dang und zuo eingesetzt werden: (I.28) Ta1 zuo4/dang1 er dienen als dao3you3 mei3tian1 he2 hen3 duo1 ren2 Stadtführer täglich sehr mit viele Menschen da3 jiao1dao4. kommunizieren Er arbeitet als Stadtführer und hat (dabei) täglich mit vielen Menschen zu tun. B.4 是shi4:sein Shi4 weist viele Gemeinsamkeiten mit den transitiven klassifizierenden Verben auf. Shi4 fungiert in folgenden semantischen Kontexten als Vollverb: - Kopulaverb, das das Subjekt mit dem Objekt gleichsetzt: (I.29) Ta1 de0 er POSS lao3ban3 shi4 wo3 ba4 de0 peng2you0. Chef POSS Freund sein ich Vater Sein Chef ist ein Freund meines Vaters. - Einordnung der durch das Subjekt bezeichneten Einheit in eine durch das Objekt bezeichnete Klasse: (I.30) Ta1 er de0 lao3ban3 shi4 POSS Chef sein Ying1guo2 ren2. England Mensch Sein Chef ist ein Engländer. - Existenz: mit Zeit- / Ortsangabe als Subjekt: (I.31) Jin1tian1 shi4 heute sein Sheng1dan4jie2. Weihnachten Heute ist Weihnachten. (I.32) Qi4che1 li3mian4 shi4 Auto in sein wo3 mei4mei4. ich kleine Schwester In dem Auto ist meine kleine Schwester. B.5 有you3: haben You wird als Vollverb zum Ausdruck des Eigentums und – parallel mit shi – der Existenz verwendet: (I.33) Wo3 you3 yi1 liang3 che1. ich haben ein CL Auto. Ich habe ein Auto. (I.34) Fang2zi4 hou4mian4 you3 Haus hinter haben wo3 de0 che1. ich POSS Auto. Hinter dem Haus ist mein Auto. You wird vielfach auch in verbalserienähnlichen Strukturen verwendet: (I.35) Wo3 ich you3 peng2you0 bang4mang2. haben Freunde helfen Ich habe Freunde, die mir helfen. (I.36) Wo3 ich you3 ze2ren4 bang4 ta1. haben Verantwortung helfen er Ich habe die Verantwortung, ihm zu helfen. I.2 Die chinesische Verbalphrase Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, wie das chinesische Verb als Wortart in lexikalischen Klassen organisiert werden kann; wir haben kurz die unterschiedlichen Valenzwerte der Verben angesprochen. In diesem Abschnitt werden wir sehen, wie Verben mit ihren Argumenten zu Verbalphrasen kombiniert werden, da die dabei entstehenden Verbalphrasen typischerweise als Konstituenten von SVCs fungieren können. Anschließend stellen wir das Aspektsystem im Chinesischen vor; wir werden an späterer Stelle sehen, dass die Aspektmarkierung in der SVC verwendet werden kann, um den semantischen Gehalt dieser – insbesondere in Hinsicht auf die Beziehungen zwischen den Konstituenten - zu spezifizieren. I.2.1 Transitive und ditransitive Verbalphrasen Das Verb ist der Kopf einer Verbalphrase (VP). Wie im wir im vorhergehenden Abschnitt gesehen haben, umschreiben Verben Situationen, Ereignisse oder Zustände. Um eine Aussage bezüglich einer Situation, eines Ereignisses oder Zustands zu formulieren, muss man angeben, welche Einheiten daran beteiligt sind; diese Einheiten werden durch die Subjekt-NP sowie durch eventuelle Objekt-NPs bezeichnet. Die Objekt-NPs sind im Gegensatz zur Subjekt-NP Teil der VP. VPs haben in der Regel eine prädikative Funktion. Bei der Beschreibung der verschiedenen VPs richte ich mich nach der vorgestellten Einteilung der Verben nach Valenzwerten in transitive und intransitive Verben orientieren. Es werden hier vor allem transitive VPs beschrieben; als weitere Gruppe werden die ditransitiven VPs, die zwei Objekte enthalten, berücksichtigt, um Verben mit dreistelliger Valenz Rechnung zu tragen. Die Beschreibung ist an die von Li/Thompson vorgestellte Einteilung chinesischer VPs angelehnt (Li/Thompson 1981, 139 – 171). Transitive Verben umschreiben Ereignisse oder Situationen, bei denen eine Einheit eine direkte Einwirkung auf eine andere Einheit – das Objekt - ausübt. Das Objekt muss immer angeführt werden, soweit es nicht aus dem Kontext ersichtlich ist. Einige transitive Verben können jedoch auch als intransitive Verben verwendet werden, wobei sich eine Bedeutungsveränderung einstellt: (I.37.a) Bie2 nicht xiao4! (xiao4: lachen) lachen Lach nicht! (I.37.b) Bie2 nicht xiao4 wo3! (xiao4: jmd. auslachen) lachen ich Lach mich nicht aus! Die Wortreihenfolge im Chinesischen entspricht eher der SVO-Wortreihenfolge; das Objekt folgt typischerweise also auf das Verb. Es kann jedoch auch in präverbale Positionen sowie in die Topikposition geschoben werden. Zur Platzierung des Objekts zwischen Subjekt und Verb kann die Partikel der Verfügung 把 ba verwendet werden, wenn die Objekt-NP bestimmt ist und das Verb eine Handlung ausdrückt, bei der das Subjekt direkt über das Objekt verfügt: (I.38) Wo3 ba3 Ich BA gong1ke4 zuo4wan2 le0. Hausaufgabe fertig machen perfASP Ich habe meine Hausaufgaben fertig gemacht. Ba3 kann jedoch in manchen Kontexten ebenso ausgelassen werden, ohne dass die syntaktische Struktur des Satzes ungrammatisch wird: (I.39) Wo3 gong1ke4 Ich Hausaufgabe yi3jing1 zuo4wan2 le0. schon fertig machen perfASP Ich habe die Hausaufgaben schon fertig gemacht. Eine solche Äußerung ist in der Regel durch die Pragmatik der Situation bestimmt: es ist die Reaktion auf eine Aussage des Gegenübers, die eine von der Realität abweichende Sachlage bezeichnet: (I.40) - Aussage: Ni3 zuo4wan2 le0 gong1ke4 du fertig machen perf. ASP Hausaufgaben - Reaktion: Wo3 gong1ke4 ich ke3yi3 chu1qu4 san3bu4. können hinausgehen spazieren yi3jing1 zuo4wan2 le0. schon perfASP Hausaufgaben fertig machen - Nachdem du deine Hausaufgaben fertig gemacht hast, kannst du spazieren gehen. - Ich habe meine Hausaufgaben schon fertig gemacht. Neben der Position zwischen Subjekt und Verb kann das Objekt außerdem eine Topikposition einnehmen: (I.41) Jin1tian1 heute de0 bao4 ni3 kan4 guo4 le0 ma0? POSS Zeitung du lesen ASP Hast du die Zeitung von heute schon gelesen? (I.42) Gou3 wo3 bu4 xi3huan1. INTERR Hund ich nicht mögen Ich mag Hunde nicht. Durch Topikalisierung, die für bestimmte wie auch für unbestimmte Objekte möglich ist, wird die Objekt-NP betont. Das Subjekt kann in Fällen, in denen es aus dem Kontext ersichtlich oder irrelevant ist, ausgespart werden: (I.43) Qi4che1 xian4zai4 mai3 Auto jetzt kaufen bu4 dao4. nicht RESULT Ein Auto kann jetzt nicht gekauft werden. Einige Verben können Sätze oder Verbalphrasen als direkte Objekte annehmen. In der Regel gilt dies für Verben, die auch mit abstrakten NPs als Objekten kombiniert werden können: (I.44.a) Wo3 zhi1dao0 zhe4 jian4 shi4. ich diese CL Sache. wissen Ich weiß über diese Sache. (I.44.b) Wo3 zhi1dao0 zhe4 jian4 shi4 hen3 fan2. ich diese CL sehr wissen Sache ärgerlich Ich weiß, dass diese Sache sehr ärgerlich ist. Nachdem wir die unterschiedlichen Distributionen von Objekten in Verbalphrasen mit transitiven Verben gesehen haben, wollen wir uns der Struktur ditransitiver Verbalphrasen zuwenden. Diese bestehen aus einem Verb mit zwei Objekt-NPs: (I.45) Wo3 song4 ich schenken ta1 yi1 jian4 li3wu4. er ein CL Geschenk Ich schenke ihm ein Geschenk. Das indirekte Objekt in ditransitiven Verbalphrasen wird oft mit dem Koverb gei3 (für, geben) markiert: (I.46) Wo3 ich gei3 ta1 song4 yi1 jian4 li3wu4. für schenken ein CL er Geschenk Ich schenke ihm ein Geschenk. Wenn das Verb hierbei ein Handlungsverb ist, bezeichnet das direkte Objekt (DO) meistens eine Einheit, die transferiert wird. Das indirekte Objekt (IO) bezeichnet den Beteiligten, an den diese Einheit transferiert wird; es ist typischerweise belebt bzw. bezieht sich auf eine soziale Einrichtung (Bsp. yi1yuan4: Krankenhaus). Die Reihenfolge der beiden Objekte kann umgekehrt werden; dabei entsteht ein pragmatischer Unterschied: das direkte Objekt wird zuerst platziert, wenn es im Gegensatz zum indirekten Objekt schon in der Sprechsituation erwähnt wurde, und vice versa. Ein dem DO nachgestelltes IO muss mit dem Koverb gei3 markiert werden. Gei ist bei bestimmten Verben auch erforderlich, wenn das IO vor dem DO platziert wird; zu solchen Verben gehören z. B. di: reichen, na: nehmen, mai: kaufen, da dianhua: anrufen, dai: bringen: (I.47) Ta1 Er dai4 gei3 wo3 ji3 ben3 bao4. bringen für ich einige CL Zeitschrift. Er bringt mit ein paar Zeitschriften. Bei anderen Verben, wie z. B. song: schenken, jia: hinzufügen, huan: zurückgeben ist gei optional: (I.48) Ta1 Er huan2 le0 wo3 wo3 de0 shu1. zurückgeben ASP ich ich POSS Buch Er hat mir meine Bücher zurückgegeben. Gei3 kann nicht verwendet werden mit Verben, die Kommunikationsvorgänge bezeichnen, sowie mit Verben, bei denen sich der Transfer in eine umgekehrte Richtung vollzieht: (I.49.a) *Wo3 gao4su0 ich (I.49.b) Wo3 gei3 ta1 zhe4 jian4 shi4. erzählen für diese CL gao4su0 ta1 zhe4 er jian4 shi4. Angelegenheit ich erzählen er diese CL Angelegenheit Ich erzähle ihm diese Angelegenheit. (I.50.a) *Ta1 er (I.50.b) Ta1 rr qiang1 le0 liang2 wan4 kuai4 qian2 gei3 yin2hang2. 20 000 Geld für Bank berauben perfASP Dollar qiang1 le0 yin2hang2 liang3wan4 kuai4 qian2 . berauben perfASP Bank Dollar Geld 20 000 Er hat die Bank um 20 000 Dollar beraubt. Außer zur Markierung des IO kann gei auch verwendet werden, um einem Argument die Benefaktiv-Rolle zuzuweisen. Die benefaktive NP kann neben gei auch durch das Koverb wei markiert werden und bezeichnet jemanden, der indirekt durch die Handlung betroffen ist: (I.51) Ta1 er gei3 wo3 zao4 le0 yi1 für ich bauen perfASP ein dong4 fang2zi0. CL Haus Er hat für mich ein Haus gebaut. (I.52) Ta1 wei4 er für wo3 dai4 zai4 zher4. ich bleiben hier. Für mich bleibt er hier. I.2.2 Aspektsystem Der Aspekt ist ein grammatischer Begriff, der die Spezifizierung des internen zeitlichen Aufbaus einer Situation bezeichnet. Er soll nicht verwechselt werden mit dem Begriff der Zeit, die den Zeitpunkt oder den Zeitraum, in dem sich eine Situation ergibt, mit dem Zeitpunkt, in der ein Sprecher diese Situation zu Wort bringt, in Beziehung setzt. Das Chinesische differenziert vier Aspekte: den perfektiven Aspekt mit der Partikel le, den durativen bzw. progressiven Aspekt mit den Partikeln zhe / zai, den Aspekt der „Erfahrung“ mit der Partikel guo sowie den eingrenzenden Aspekt („doing something a little bit“, Li/Thompson 1981: 232), der nach Li/Thompson durch Verbverdopplung ausgedrückt wird. Wir werden uns vor allem auf die ersten zwei Varianten konzentrieren, da sie häufig in Verbalserien verwendet werden und eine spezifizierende Wirkung auf die Interpretationen dieser ausüben. In diesem Abschnitt werden die allgemeinen Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten der Aspektmarkierungen le, zhe und zai vorgestellt; eine Analyse der Kombination dieser Partikeln in Verbalserien soll in Abschnitt 3.3.2 erfolgen. 1. Perfektiver Aspekt 1.1. Markierung eingrenzbarer Ereignisse Die Partikel le wird zur Markierung von Ereignissen, die in ihrer Gesamtheit gesehen werden und zeitlich, räumlich oder konzeptuell abgrenzbar sind, verwendet. Ereignisse, die diese Bedingungen erfüllen, sind: quantitativ eingegrenzte Ereignisse, bestimmte oder spezifische Ereignisse, Ereignisse, die durch Verben mit einer inhärenten eingrenzenden Bedeutung umschrieben werden, Ereignisse, die als erstes Kettenglied einer Folge von Situationen fungieren. Wir werden uns mit einigen Beispielen begnügen, um dieses Anwendungsfeld von le zu veranschaulichen. Bei dem quantitativ eingegrenzten Ereignis müssen aus dem Satz seine zeitlichen, räumlichen oder konzeptuellen Grenzen ersichtlich sein: - zeitliche Eingrenzung: (I.53) Wo3 ich xue2 le0 liang3 nian2 de0 Zhong1wen2. lernen perfASP zwei Jahr Ich habe zwei Jahre Chinesisch gelernt. - räumliche Eingrenzung: Chinesisch (I.54) Wo3 ich zou3 le0 wu3 gong1li3. laufen perfASP fünf Kilometer Ich bin fünf Kilometer gelaufen. - konzeptuelle Eingrenzung: (I.55) Ta1 gao1 er hoch le0 yi1dianr3. perfASP etwas Er ist etwas gewachsen. Bei dem bestimmten oder spezifischen Ereignis muss das direkte Objekt des Hauptverbs als definite Einheit aufgefasst werden können; dies ist zum Beispiel möglich im Fällen von - Namen: (I.56) Wo3 peng4dao4 le0 ich treffen Lin Hui. perfASP Lin Hui Ich habe Lin Hui getroffen. - durch genitive Position modifizierten Nominalphrasen: (I.57) Ta1 da3bai4 er schlagen le0 ta1 de0 di2ren2. perfASP er Feind POSS Er hat seine Feinde geschlagen. - durch Demonstrativpronomen modifizierten NPs: (I.58) Wo3 ich xiang1chu1 lai2 le0 na4 ge4 zi4. erinnern perfASP diese CL Zeichen RESULT Ich habe mich wieder an jenes Zeichen erinnert. - durch Relativsätze modifizierten NPs: (I.59) Wo3 ich kan4 le0 xin1 chu1ban3 de0 zi1liao4. lesen perfASP neu veröffentlichen Materialien Ich habe die neu veröffentlichten Materialien gelesen. - NPs, die mit ba3 in die präverbale Position verschoben werden: (I.60) Wo3 ich ba3 che1 mai3 le0. BA Auto kaufen perfAsp Ich habe das Auto gekauft. Zwei Verben, die in der Regel mit le verwendet werden, sind si3: sterben und wang4: vergessen. Das Verb si3 trägt semantisch gesehen das Konzept der Beendigung in sich. Ebenso bezeichnet wang4 immer ein Ereignis, das schon vollendet wurde und überdies nicht dem Willen seines Subjekts obliegt. Die zwei Verben können nicht mit der Partikel des durativen Aspekts verwendet werden. Der perfektive Aspekt wird nicht in Sätzen im IrrealisModus angewendet: (I.61) Ta1 er yao4 si3. wollen sterben Er will sterben. Schließlich markiert le auch die Vorzeitigkeit von Ereignissen, die als erstes Glied einer Ereignisfolge fungieren. Sie werden dann sozusagen zeitlich durch den Beginn des nachfolgenden Ereignisses abgegrenzt: (I.62) Wo3 ich chi1 wan2 le0 ni3 chi1. essen beenden perfASP du essen Nachdem ich fertig gegessen habe, isst du. (I.63) Wo3 ich kan4 wan2 le0 bao4 jiu4 shui4. lesen beenden perfASP Zeitung dann schlafen Ich lese die Zeitung zu Ende und gehe dann schlafen. Wir sehen also, dass die Verwendung von le auf Ereignisse beschränkt ist, die im sprachlichen Kontext eingegrenzt werden. In folgenden Kombinationen kann le hingegen nicht verwendet werden, da die dafür vorgegebenen semantischen Bedingungen nicht erfüllt werden: - mit Verben, die nicht eingrenzbare Ereignisse bzw. Zustände umschreiben, wie z. B. Modalverben: (I.64) *Wo3 xi3huan1 le0 mu3gua1. ich mögen perfASP Melone (?Ich habe angefangen, Melonen zu mögen.) - beim Ausdruck gewohnheitsmäßiger Handlungen: (I.65) *Ta1 tian1tian1 er täglich hui2qu4 le0. zurückkommen perfASP (?Er ist täglich zurückgekommen.) - mit Potenzial- / Resultativkonstruktionen: (I.66) *Wo3 ich la1 bu4 kai1 le0 men2. ziehen nicht aufmachen perfASP Tür (?Ich bin nicht fähig gewesen, die Tür aufzumachen.) - mit der Partikel des Erfahrungsaspekts guo: (I.67) *Wo3 ich qu4 guo4 le0 Zhong1guo2. gehen ErfahrASP perfASP China (Ich bin nach China gegangen.) - negierte Sätze, deren Bedeutung nicht mit der Semantik eines eingegrenzten Ereignisses kompatibel ist1: (I.68) *Wo3 ich bu4 qu4 le0 Zhong1guo2. nicht gehen perfASP China (Ich bin nicht nach China gegangen.) Le ist außerdem überflüssig in Sätzen, in denen der perfektive Aspekt durch einen anderen Ausdruck semantisch markiert wird: (I.69) Wo3 cong2 fang2zi0 zou3 ich von Haus laufen dao4 Zhang1san1 nar4. bis dort Zhangsan Ich bin vom Haus bis zum Ort von Zhangsan gelaufen. 1 Die Verneinung eines Ereignisses im perfektiven Aspekt wird mit mei2 you3 ausgedrückt. 2. Durativer Aspekt Der durative Aspekt wird im Chinesischen mit der präverbalen Partikel zai sowie der postverbalen Partikel zhe0 ausgedrückt. Es hängt von der semantischen Kategorie des Verbs ab, welche von diesen Partikeln verwendet wird; im Folgenden werden diesen Partikeln die entsprechenden Verbarten zugeordnet. 2.1 Semantische Klassifizierung von Verben und die Aspektpartikeln zhe0/ zai4 Tätigkeitsverben, die in der Regel den Einbezug eines lebendigen Subjekts und seine aktive Beteiligung implizieren, werden mit der Partikel zai markiert: (I.70) Ta1 er zai4 da3 wo3. durASP schlagen mich. Er ist dabei, mich zu schlagen. Zai kann nicht mit unakkusativen Verben verwendet werden: (I.71) *Wo3 ich zai4 peng4jian4 peng2you0. durASP (unabsichtlich) treffen Freund ? Ich bin dabei, Freunde zu treffen. Im Falle von Haltunsverben wird der durative Aspekt mit zhe markiert: (I.72) Ta1 er zai4 fang2zi0 li3 zuo4 zhe0. in Haus drinnen sitzen durASP Er sitzt im Haus. Zhe0 kann außerdem auch mit Tätigkeitsverben verwendet werden, um mit der Tätigkeit verbundene Zustände zu umschreiben: (I.73) Hua4 Bild zai4 qiang2 shang4 gua4 zhe0. an Wand darauf hängen durASP Das Bild hängt an der Wand. Zhe wird häufig in Sätzen mit mehreren Verbalphrasen zur Markierung eines Hintergrunds für die in der zweiten Konstituente beschriebene Handlung verwendet: (I.74) Ta1 er ku1 zhe0 pao3 hui2 jia1 le0. weinen durASP rennen zurückkehren Haus perfASP Weinend lief er nach Hause zurück. Dies gilt nicht für punktuelle Hintergrundsituationen: (I.76) *Ta1 er si3 zhe0 fa1shao1 le0. sterben durASP Fieber haben perfASP ? Beim Sterben hat er Fieber bekommen. Dabei kann jedes Verb separat verneint werden. Der Geltungsbereich wird durch die Position von zhe bestimmt: (I.77.a) Ta1 bu4 er nicht bi4 zhe0 yan3jing0 shuo1 hua4. schließen durASP Augen sagen Wort Er hat seine Augen nicht geschlossen und spricht. (I.77.b) Ta1 er bi4 zhe0 yan3jing0 bu4 shuo1 hua4. schließen durASP Auge sagen Wort nicht Er hat seine Augen geschlossen und redet nicht. Bei solchen Verbalserien sind Hilfsverben vor der ersten Konstituente möglich. Sie beziehen sich dann auf die gesamte Verbalserie: (I.78) Ta1 er neng2 qi2 zhe0 ma3 she4jian4. können reiten durASP Pferd schießen Er kann auf einem Pferd reitend schießen. Zusammenfassend kann man sagen, dass zhe zur Markierung von Zuständen, während zai zur Markierung andauernder Handlungen verwendet wird. Zhe kann außerdem in subordinativen Konstruktionen das Verb der „untergeordneten“ Komponente zur Beschreibung eines Hintergrunds, vor dem die eigentliche Handlung stattfindet, markieren. I.3 Komplexe Verbkonstruktionen I.3.1 Verbale Grammatikalisierung und Lexikalisierung In den meisten serialisierenden Sprachen werden SVCs typischerweise von Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozessen betroffen: There is a very strong diachronic tendency to lexicalization and grammaticalization of the meaning of serial complexes: this can involve treating the whole serial complex as a single lexical item, or „demotion“ of the meaning and grammatical status of one of the verbs to that of a modifier or case-marker. (Durie 1997, S. 291) Chinesisch bildet hierbei keine Ausnahme: die ursprünglich verbalen Konstituenten einiger SVCs entwickeln sich in gewissem Sinne zu Präpositionen, während andere SVCs in ihrer Gesamtheit zu verbalen Komposita lexikalisiert werden (s. Abschnitt III.4). 1. Koverben und Präpositionen Koverben (fu dongci) waren ursprünglich Lexeme mit Vollverbfunktion, die sie jedoch im Laufe von Grammatikalisierungsprozessen teilweise zugunsten einer Adpositionalfunktion aufgegeben haben. Einige Linguisten sind der Ansicht, dass die von entsprechenden Grammatikalisierungen betroffenen Lexeme eindeutig als Verben oder als Adpositionen eingeordnet werden können. Dies kann jedoch bestritten werden; so behandelt Paul Koverben als ein „Kontinuum zwischen Verb und Adposition“ (1982). Bisang äußert dazu, dass ein Koverb „mehr oder weniger verbalen bzw. mehr oder weniger adpositionalen Charakter im Vergleich zu einem anderen Koverb“ zeigen kann. Chao schreibt: “A listable number of verbs occur as first verbs with the same order of frequency as in other positions and are thus called coverbs or prepositions” (1968, S. 749). Im folgenden betrachten wir die Motivation, die Position der Koverben im chinesischen Satz sowie die Grenzziehung zwischen den zwei möglichen Funktionen. Koverben können der Valenzerweiterung durch die Einführung neuer Aktanten und der Kasuszuweisung dienen. Sie entstehen vor allem in Sprachen, die über ein begrenztes Präpositionalsystem verfügen und eine Neigung zur Vermeidung von Verben mit einer 3stelligen Valenz zeigen; die dadurch eingeschränkten Ausdrucksmöglichkeiten für grammatische Kategorien werden durch Koverben kompensiert. In der chinesischen Grammatiktradition werden Koverben in die Kategorie der „leeren Wörter“ (xuci) eingeordnet, die die Beziehungen zwischen „vollen Wörtern“ (shici) spezifizieren. Sie werden also nicht zum Ausdruck einer eigenständigen Handlung, sondern zur Modifikation bzw. Ergänzung des Hauptverbs herangezogen. Im heutigen Chinesisch können die meisten Koverben je nach semantischer Umgebung als Präpositionen oder als Verben fungieren, wobei manche von ihnen je nach Funktion auch ihre Bedeutung ändern (z. B. 按an: Präposition: gemäß, Verb: drücken). Die Basisstruktur eines Satzes mit Koverben in Präpositionalfunktion sieht wie folgt aus: (N) Kov N V (N) Kov N Gleich der Präposition subkategorisiert das Koverb immer eine NP, die von ihm mit einem Kasus markiert wird. (I.79) Ta1 er wang3 bei3 zou3. nach gehen Norden Er geht nach Norden. (I.80) Wo3 ich gen1 peng2you0 qu4 kan4 dian4ying3. mit sehen Film. Freund gehen Ich gehe mit Freunden ins Kino. Alle Koverben können in präverbaler Position vorkommen. Einige Koverben, wie z. B. zai, dao und gei, können ebenfalls nach dem Verb platziert werden: (I.81.a) Wo3 ich zhu4 zai4 Bei3jing1. wohnen in Peking Ich wohne in Peking. (I.81.b) Wo3 ich zai4 Bei3jing1 zhu4. in wohnen. Peking Ich wohne in Peking. Teng (1977) erklärt diese Positionsänderung durch die semantische Unterscheidung zwischen innerem und äußerem Lokativ. Der äußere Lokativ wird durch die präverbale Position ausgedrückt; dem Hauptverb werden dabei keine Einschränkungen auferlegt, so dass es frei gewählt werden kann. Im Gegensatz dazu können Koverben in postverbaler Position, die den äußeren Lokativ markieren, nur mit Verben einer eingegrenzten lexikalischen Klasse verwendet werden (Li / Thompson 1982, S. 398). Einige Grammatiker (Chang, Jiang Tian) suggerieren eine Reihe von Testkriterien, anhand derer festgelegt werden kann, ob es sich bei einem Koverb um ein Verb handelt. Dazu gehören die Negierbarkeit mit bu/mei (Chao 1968, S. 749), die Kombinierbarkeit der Lexeme in A-nicht-A-Fragen sowie ihre Kompatibilität mit Aspektsuffixen. Paul führt in ihrer Analyse eine Betrachtung der einzelnen Koverben im Lichte dieser Kriterien durch. Es wird deutlich, dass die meisten Lexeme einen Teil dieser Kriterien erfüllen. Das Lexem yong (benutzen, mit) weist zum Beispiel alle syntaktischen Kombinationsmöglichkeiten von Verben auf und kann deshalb als Vollverb aufgefasst werden, da es in allen Kontexten in seiner verbalen Bedeutung interpretiert werden kann. Das Koverb ba (Verb: nehmen, greifen; Koverb/Partikel zum Ausdruck der Verfügung) erfüllt hingegen nur das Kriterium der Negierbarkeit; dies zeigt, dass es sich in einem späteren Stadium der Grammatikalisierung befindet. Die Betrachtung der Koverben in Bezug auf ihre verbalen Eigenschaften zeigt, dass sie durchaus Gemeinsamkeiten mit Verben aufweisen und eine „Zwischenkategorie“ zwischen den Verben und Präpositionen bilden; im linguistischen Kontext ist jedoch in der Regel eine eindeutige Einordnung der Koverben anhand ihrer Funktion im Satzgefüge möglich. Koverben werden u. a. von Chao als mögliche Konstituenten der Verbalserie betrachtet. Nach unserer Beschreibung der chinesischen SVC werden wir jedoch sehen, dass das Verhalten von Koverben nur teilweise dem Verhalten von Verben in SVCs entspricht. In den von Chao eingeführten Beispielen sollten Koverben demnach in ihrer präpositionalen Funktion analysiert werden. 2. Resultativkomposita Bei Resultativkomposita handelt es sich um Verben, die von einem verbalen Komplement gefolgt werden. Das Komplement bezeichnet einen Zustand, der durch das Subjekt infolge der durch das Hauptverb bezeichneten Handlung angenommen wird. Einige Komposita können nicht mit anderen grammatischen Elementen kombiniert werden (Bsp. 改良 gailiang: verbessern, 规定 guiding: bestimmen). Andere können mit den Potenzialinfixen de / bu oder mit Komplementen des Grades kombiniert werden: (I.82.a) Ta1 er kan4 po4 le0. sehen zerstören perfASP Er ist desillusionniert. (I.82.b) Ta1 kan4 er sehen de0 po4. POT: de zerstören Man kann ihn desillusionnieren. (I.83.a) Wo3 ich chi1 bao3 le0. essen satt perfASP Ich habe mich satt gegessen. (I.83.b) Wo3 chi1 ich essen de0 bu4 gou4 bao3. POT: de nicht genug satt Ich habe mich nicht satt gegessen. Werden die Konstituenten eines Resultativkompositums mit einem Komplement des Grades kombiniert, kann die sich ergebende Konstruktion nicht immer weiter als Resultativkompositum betrachtet werden; den Satz 2b. würde man als Prädikat-KomplementKonstruktion mit Komplement des Grades analysieren. Jedes beliebige Verb kann als V1 in Resultativkomposita verwendet werden. Verben mit einer sehr allgemeinen Bedeutung, z. B. 拿na: nehmen, 做zuo: machen, 变bian: ändern können mit einer größeren Bandbreite von Komplementen vorkommen: sie können sowohl Adjektive als auch Richtungskomplemente annehmen. Bewegungsverben werden meist mit Richtungssuffixen kombiniert, Adjektive nehmen Komplemente des Grades an (Bsp. 好极了 hao ji le: außergewöhnlich gut, 坏透了 huai tou le: schrecklich). Da Resultativkomplemente einen Zustand beschreiben, der als Ergebnis eintritt, kann man annehmen, dass typischerweise Adjektive als Suffixe fungieren. Möglich sind unter anderem jedoch auch: - Phasenkomplemente zum Ausdruck einer Phase der durch V1 beschriebenen Handlung, z. Bsp. 到 dao, 完 wan, 过 guo, 好 hao): (I.84) Zhe4 diese shi4qing0 wo3 zao3 liao4 dao4 le0. Sache früh vorhersehen RESULT perfASP ich Ich habe diese Sache schon früh vorhergesagt. (I.85) zuo4 machen wan2 le0 shi4 beenden perfASP Sachen die Arbeit beendet haben - intensifizierende Komplemente, z. Bsp. 极了ji 2le0, 透了 tou 4le0, 很hen3, 死 si3: (I.86) Wo3 ich lei4 hen3 le0 jiu4 shui4 bu4 zhao2. müde RESULT: sehr perfASP dann schlafen nicht RESULT Wenn ich sehr müde bin, kann ich nicht einschlafen. - Potenzialkomplemente, z. Bsp. 了liao3, 来lai2: (I.87) Zhe4 diese shi4 tai4 nan2 wo3 zuo4 bu4 liao3. Sache zu schwer ich machen nicht RESULT Das ist zu schwierig, ich schaffe es nicht. Eine wichtige Gruppe der Resultativkomplemente bilden die Richtungskomplemente. Sie bilden zwei Gruppen von Verben, die miteinander kombiniert oder einzeln vorkommen können: Gruppe 1: lai2: kommen (Bewegung zum Sprecher hin), qu4: gehen (Bewegung vom Sprecher weg) Gruppe 2: shang4: hoch, xia4: hinunter, jin4: herein, chu1: heraus, guo4: vorbei, qi3: herauf, hui2: zurück, kai1: offen Lai2/ qu4 sowie ihre Kombinationen mit Verben der zweiten Gruppe können unter der Bedingung der semantischen Akzeptabilität mit allen Verben kombiniert werden. Die Verben der zweiten Gruppe können hingegen einzeln nur mit Verben einer beschränkten Kategorie verwendet werden. Verben mit Resultativsuffixen können in diversen Konstellationen mit Objekten kombiniert werden: Verb-Suffix - Objekt: (I.88) Wo3 ich chi1 bao3 fan4 le0. essen RESULT: satt Essen perfASP Ich habe mich satt gegessen. Verb – Objekt – Verb – Suffix (I.89) Wo3 ich chi1 fan4 chi1 wan2 le0. essen Essen essen beenden perfASP Ich habe fertig gegessen. Verb-Suffix1 - Objekt - Suffix2 (mit Richtungskomplementen) (I.90) Wo3 na2 ich nehmen chu1 yi1 ben3 shu1 lai2. DIR: heraus ein CL kommen Buch Ich habe ein Buch herausgenommen. I.3.2 Eingebettete Sätze und Kontrollverben 1. Objektsätze Sätze, die Teilsätze als direkte Konstituenten enthalten („pregnant sentences“, „mother-andchild-sentences“, Chao 1968, S. 108), werden in der chinesischen Linguistik von komplexen, aus zwei separaten Teilsätzen bestehenden Konstruktionen unterschieden. Chao nennt hierfür drei Unterscheidungsmerkmale: - Teilsätze werden im Gegensatz zu den Konstituenten eines Mutter-und-Kindsatzes durch ein Komma oder eine Pause voneinander getrennt - Subordinierte Teilsätze werden häufig durch Konjunktionen eingeleitet, Kindsätze hingegen nicht - Der Muttersatz wäre ohne den Kindsatz unvollständig, da dieser eine unmittelbare Konstituente des Satzgefüges darstellt. Teilsätze können unabhängig voneinander verwendet werden. Ein Kindsatz kann die Funktion des Subjekts, Prädikats oder Objekts erfüllen: (I.91) Ta1 er wan3shang4 zhe4me0 wan3 hui2lai2 rang4 ta1 de0 abend zurückkommen lassen er POSS so spät fu4mu3 bu4 gao1xing4. Eltern nicht erfreut Dass er abends so spät zurückkommt, verärgert seine Eltern. (I.92) Ta1 si3 le0 wo3 zhen1 nan2shou4. er sterben perfASP ich wirklich traurig Dass er gestorben ist, macht mich wirklich traurig. (I.93) Wo3 ich zhi1dao0 ta1 lai2 le0. wissen er perfASP kommen Ich weiß, dass er gekommen ist. In den ersten zwei Beispielen erfüllen die Kindsätze die Subjekt- bzw. Prädikatfunktion. Im dritten Satz fungiert der Kindsatz hingegen als Objekt und stellt damit nur einen Teil des Prädikats dar. Satzobjekte werden häufig mit Verben der folgenden Klassen verwendet: - Kommunikation (gaosu: erzählen, shuo: sagen, wen: fragen, daying: versprechen usw.), - Perzeption (ting: hören, tingshuo: sagen hören, kanjian: sehen), - Kognition (xiang: denken, yiwei: glauben, kongpa: fürchten) 2. Pivotale Konstruktionen Die Pivotkonstruktion ist eine Kontrollverbkonstruktion mit der Struktur NP1 V1 NP2 V2 (NP3) wobei das Objekt des ersten Verbs gleichzeitig als Subjekt des zweiten Verbs fungiert: (I.94) Wo3men0 pai4 wir entsenden ta1 zuo4 dai4biao3. er machen Vertretung Wir entsenden ihn als Vertreter. Die NP2 ta ist hier Objekt von pai und Subjekt von zuo daibiao. Die pivotale Konstruktion sollte von der Konstruktion mit Satzobjekt unterschieden werden: (I.95) Wo3 xi1wang4 ta1 ich hoffen er neng2 zuo4 dai4biao3. können machen Vertretung Ich hoffe, dass er die Vertretung machen kann. In diesem Fall ist ta1 ebenfalls das Subjekt von V2; das Objekt von V1 ist jedoch ta neng zuo daibiao. Ebenfalls sollten Pivotkonstruktionen von Kontraktionssätzen unterschieden werden. Kontraktionssätze sind in der Regel komplexe Sätze mit ausgespartem Subjekt im zweiten Teilsatz, da dieses z. B. mit dem Objekt des ersten Teilsatzes identisch ist und demnach aus dem linguistischen Kontext erschlossen werden kann; in der Regel wird eine Konjunktion zur Markierung der Beziehung zwischen den 2 Teilsätzen eingesetzt: (I.96.a) Wo3 ich qing3 ta1 ye3 bu4 lai2. bitten er auch nicht kommen Ich habe ihn gebeten, und er ist trotz dem nicht gekommen. Ein solcher Satz kann durch Einsetzen des Subjekts in einen komplexen Satz umgewandelt werden: (I.96.b) Wo3 qing3 ich bitten ta1, ta1 ye3 bu4 lai2. er er auch nicht kommen Die Bedeutung bleibt unverändert. Ohne konjunktionale Markierung würde der Satz jedoch anders interpretiert werden: (I.96.c) Wo3 qing3 ta1 bu4 lai2. ich er nicht kommen bitten Ich bitte ihn, nicht zu kommen. Dieser Satz ist eine pivotale Konstruktion. Pivotkonstruktionen kommen typischerweise mit kausativen Verben als V1 vor; dazu gehören Verben wie: jiao4: anweisen shi3: lassen yao4: wollen quan4: raten pei2: begleiten Im Gegensatz dazu werden Teilsätze in Objektposition in der Regel von Verben, die eine kommunikative, kognitive oder perzeptive Aktivität ausdrücken (Bsp. shuo: sagen, xiang: denken, ting: hören), subkategorisiert. Zwischen den Verben, die in pivotalen Konstruktionen und Konstruktionen mit Satzobjekten vorkommen, sind Überlappungen möglich; der Satz (I.97) Wo3 kan4jian4 le0 ich sehen perfASP ta1 zai4 nar4 xie3 xin4. er LOK dort schreiben Brief kann auf 2 Arten gedeutet werden: - Pivotalkonstruktion: Ich habe gesehen, dass er dort einen Brief geschrieben hat. - Konstruktion mit Satzobjekt: Ich habe ihn dort einen Brief schreibend gesehen. Die hier vorgestellten Kontrollverb- sowie Objektsatzkonstruktionen werden in neueren Untersuchungen in der Regel nicht als SVCs betrachtet. Die Verben in dieser Strukturen haben im Gegensatz zu SVCs meist unterschiedliche Subjekte. Außerdem gehört die Subkategorisierung von verbalen Objekten oder Pivotpositionen zu ihren lexikalischen Eigenschaften, während die Konstituenten von SVCs auf lexikalischer Basis keine bestimmten Verbalphrasen subkategorisieren können. II. Beschreibungen von SVCs in der Literatur SVCs werden allgemein beschrieben als Konstruktionen mit mehreren ohne syntaktische Markierung aneinandergereihten Verbalphrasen: Die Verbalphrasen haben ein gemeinsames Subjekt und manchmal auch gemeinsame interne Argumente; die SVC dient der Beschreibung eines einzigen Ereignisses. Betrachtet man jedoch genauere Untersuchungen von SVCs, so stellt man fest, dass es sich keineswegs um ein einheitliches Phänomen handelt; die Definitionen fallen unterschiedlich aus und widersprechen sich teilweise. Die meisten Analysen beschränken sich auf bestimmte Sprachen bzw. Sprachgruppen; es konnte bis jetzt keine Beschreibung abgeleitet werden, die einerseits universell für alle serialisierenden Sprachen gültig wäre, andererseits aber auch die genaue Abgrenzung der SVC von anderen ähnlichen Strukturen erlauben würde. Außerdem werden Definitionsversuche anhand verschiedener Theorien unternommen, was ebenfalls zu Diskrepanzen führt. Die Analyse kann auf syntaktischer, semantischer, morphologischer oder lexikalischer Basis erfolgen; so beschreibt Baker in seinem viel zitierten Artikel „Object Sharing and Projection in Serial Verb Constructions“ SVCs ausschließlich anhand syntaktischer Merkmale mit der GB-Theorie, während Chang Bakers Ergebnisse explizit mit LFGPrinzipien modifiziert und eine Betrachtungsweise, die semantische und syntaktische Faktoren berücksichtigt, annimmt. Im Folgenden werden vier Analysen von SVCs vorgestellt. Ich beginne mit Chao, der in seinem Grundlagenwerk „ A Grammar of Spoken Chinese“ schon früh eine recht vollständige Beschreibung chinesischer Verbalserien lieferte; er bezieht jedoch auch Konstruktionen ein, deren Zugehörigkeit zur SVC-Kategorie umstritten ist, insbesondere Koverben und die ba-Konstruktion. Als zweiter Ansatz wird Li / Thompson (1981) vorgestellt; auch hier werden wir sehen, dass eine Reihe der vorgeschlagenen Strukturen nicht der SVC im heute geläufigen Sinne entsprechen. Anschließend folgt die erwähnte Beschreibung afrikanischer SVCs von Baker (1989) mit einer Anpassung an das Chinesische von Chang (1990). II.1 Chao: Verbal expressions in series (Chao 1968, S. 325-349) Chao behandelt die Verbalserie in seinem Kapitel zu syntaktischen Konstruktionen („Syntactical types“) neben u. a. der Koordination und der Subordination, wodurch er schon eine Unterscheidung zwischen diesen drei Formen impliziert. Er gerechtfertigt diese Differenzierung im ersten Teil der Analyse anhand einer Reihe von semantischen und syntaktischen Kriterien. Es folgt eine Analyse formaler syntaktischer Strukturen, vor allem der Verteilung der Objekte, sowie semantischer Ausdrucksmöglichkeiten der Verbalserie. Schließlich werden „prätransitive“ Konstruktionen – Sätze, in denen das Objekt eines transitiven Verbs in eine präverbale Position verschoben wird – als eine „besondere Form“ der Verbalserie angeführt. 1) Die Verbalserie, die Koordination und die Subordination Chao klassifiziert die Verbalserie als eine syntaktische Konstruktion „zwischen der Koordination und der Subordination“, sie weist jedoch mehr Gemeinsamkeiten mit der Subordination als mit der Koordination auf. Die Verbalserie besteht wie die koordinative Konstruktion aus verbalen Ausdrücken, wobei das erste Verb häufig von einem Objekt gefolgt wird. Die beiden Konstruktionen werden unterschieden, da sie sich bei einem Test zur Permutierbarkeit der Konstituenten unterschiedlich verhalten: die Positionen von Konstituenten einer koordinativen Konstruktion können vertauscht werden, ohne dass dabei eine Verzerrung der ursprünglichen Satzbedeutung eintritt: (II.1.a) Ta tian1tian1 xie3xin4 hui4ke4. er jeden Tag Briefe schreiben Besucher empfangen Er schreibt jeden Tag Briefe und empfängt Besucher. (II.1.b) Ta1 er tian1tian1 hui4ke4 xie3xin4. jeden Tag Besucher empfangen Briefe schreiben Er empfängt jeden Tag Besucher und schreibt Briefe. Im Gegensatz dazu entsteht bei der Umstellung der Glieder einer Verbalserie in der Regel ein grammatikalisch akzeptabler Satz; seine Bedeutung weicht allerdings von dem ursprünglichen Satz ab: (II.2.a) Ni3 du deng3 yi1 huir4 qu4. warten ein bisschen gehen Warte ein bisschen und gehe. (II.2.b) Ni3 du qu4 deng3 yi1 huir4. gehen warten ein bisschen Geh ein bisschen warten. Bei einer Permutation der Glieder sowohl von Verbalserien als auch von koordinativen Konstruktionen bleiben die Sätze also syntaktisch korrekt; im Falle der Verbalserie verändert sich jedoch der semantische Gehalt des Satzes. Die Subordination ist eine exozentrische Konstruktion, in der laut Chao die zweite Konstituente annähernd die gleiche Rolle annimmt wie die gesamte Konstruktion und daher auch den Kopf der Konstruktion enthält. Die erste Konstituente kann eine adverbiale Bestimmung sein, die den Kopf modifiziert. Dies trifft häufig auch auf Verbalserien zu: (II.3) na2 nehmen bi3 xie3 zi4 Pinsel schreiben Zeichen mit einem Pinsel Zeichen schreiben „Zeichen schreiben“ kann als Kopf und „mit einem Pinsel“ als sein Modifikator analysiert werden. Modifizierende Adverbialbestimmungen in subordinativen Konstruktionen werden jedoch häufig durch die Partikel 地 de0 vom Kopf getrennt: (II.4) Xin4xi1 Neuigkeiten bu4 duan4 de0 lai2 nicht unterbrechen DE kommen Ständig kommen Neuigkeiten. Im Unterschied dazu werden Modifikator und Kopf der Verbalserie hingegen ohne Markierung der internen syntaktischen Beziehung aneinandergereiht. Chao grenzt die Subordination von der Verbalserie aufgrund des syntaktischen Kriteriums der Markierbarkeit mit der Modifikationspartikel 地 de0 ab. 2) Syntaktische Zusammensetzung der Verbalserie Die meisten Verbalserien bestehen aus zwei Verbalphrasen. Die erste Verbalphrase enthält in der Regel ein Objekt; die zweite VP kann auch aus einem intransitiven Verb bestehen: (II.5) Verbalserie mit transitivem V2: da3kai1 chuang1hu0 shuo1 ji3 ju4 öffnen Fenster ein paar Wörter sagen hua4 das Fenster öffnen und ein paar Wörter sagen (II.6) Verbalserie mit intransitivem V2: da3kai1 chuang1hu0 hu1xi1 öffnen Fenster atmen das Fenster öffnen und atmen Chao untersucht ebenfalls eine Reihe von Koverben, die von ihm als mögliche Konstituenten der Verbalserie angesehen werden, sowie die Partikel zur Markierung des Passivs bei4 in Bezug auf die Möglichkeit der Tilgung ihrer Objekte; er kommt zu der Schlussfolgerung, dass Objekte von einigen Koverben sowie von bei ausgelassen werden können, wenn sie aus dem Kontext bzw. der Sprechsituation ersichtlich oder irrelevant sind: (II.7.a) Wo3 bei4 ta1 pian4 le0. ich er betrügen perfASP PASS Ich wurde von ihm betrogen. (II.7.a) Wo3 ich bei4 pian4 le0. PASS betrügen perfASP Ich wurde betrogen. (II.8) Wo3 gao4song4 ta1 er bie2 ba3 wan2yi4 nong4huai4 nicht BA Spielzeug kaputtmachen perfASP Ich sagen ta1 bian4 ba3 nong4huai4 le0. er einfach BA kaputtmachen perfASP le0, Ich habe ihm gesagt, er soll das Spiezeug nicht kaputtmachen, und er hat es einfach kaputtgemacht. Zu den Koverben, deren Objekt bei einer Verwendung als erstes Verb ausgelassen werden kann, gehören laut Chao: 把ba3, 给gei3, 叫jiao4, 在zai4, 以yi3, 为wei4, 因 yin1, 从cong2, 将jiang1. 3) Semantische Varianten der Verbalserie Koordinative Konstruktionen kombinieren die Beschreibungen einander ergänzender („und“) bzw. ausschließender („oder“) Situationen; der Inhalt einer koordinierten Aussage beschränkt sich also auf eine Addition der Inhalte der einzelnen Konstituenten. Verbalserien haben andere semantische Funktionen: sie geben der Konstruktion eine zeitliche Dimension, indem sie eine Aufeinanderfolge von Situationen ausdrücken, oder spezifizieren in der ersten Verbalphrase einen Umstand der in der zweiten Verbalphrase beschriebenen Situation. Chao hebt hervor, dass die erste Konstituente meistens den semantischen Hauptgehalt der Kombination bestimmt. Im Gegensatz zur Koordination geht dieser über eine bloße Addition der Bedeutungen beider Konstituenten hinaus. Im Folgenden werden kurz die semantischen Ausdrucksmöglichkeiten von Verbalserien nach Chao beschrieben; es soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass Chao in seiner Analyse auch Koverben als Köpfe von Verbalserienkonstituenten in Betracht zieht. a. Reihenfolge der Situationen Die Reihenfolge der Konstituenten entspricht der Reihenfolge der beschriebenen Situationen im zeitlichen Ablauf: (II.9) Wo3 qi3lai2 ich aufstehen chuan1 le0 yi1fu0. anziehen perfASP Kleidung Ich bin aufgestanden und habe mich (dann) angezogen. b. Zeitliche Positionierung der Situation Durch die Koverben zai (in/auf), cong (von), dao (bis) kann die Situation um eine zeitliche Dimension angereichert werden. Das Koverb zai leitet die Angabe einer Periode, der das beschriebene Ereignis zugeordnet werden kann, ein: (II.10) zai4 (zai) nian2qing1 de0 shi2hou0 zuo0 guo0 zhe4 shi4 jung machen ASP diese Sache Zeit das gemacht haben, als man jung war c. Lokalisierung und Orientierung der Situation Die Koverben zai, cong, dao können die durch VP2 beschriebene Situation nicht nur zeitlich, sondern auch geographisch positionieren: (II.11) zai4 in Bei3jing1 chu1sheng1 Peking geboren sein in Peking geboren sein (II.12) cong2 aus Zhong1guo2 lai2 China kommen aus China kommen Außerdem können die Koverben 向xiang4 (zu), 往wang3 (nach) und 对dui4 (zu) verwendet werden, um die Richtung einer Handlung zu spezifizieren: (II.13) wang3 nach xi1 zou3 Westen gehen nach Westen gehen (II.14) dui4 ta1 zu ihm shuo1hua4 sprechen zu ihm sprechen / mit ihm sprechen d. Benefaktiv Das Benefaktiv kann durch ein dem Verb nachgestelltes indirektes Objekt spezifiziert werden; in bestimmten Fällen kann das indirekt Objekt in eine präverbale Position verschoben werden. Die benefaktive Rolle kann jedoch auch dem Objekt eines Koverbs wie 替 ti: für oder 给gei: für, das in der VP1 einer Verbalserie kombiniert wird, zugewiesen werden: (II.15) ti4 für wo3 shuo1 ji3 ju4 hao3 hua4 ich sagen einige CL gute Wörter ein paar gute Worte für mich einlegen (II.16) gei3 für wo3 dui4 ta1 qing3´an1 mich zu ihm grüßen ihn von mir grüßen e. Zweck, Grund oder Ursache Zum Ausdruck von Zweck, Grund oder Ursache kann das Koverb 为wei : für/um eingesetzt werden: (II.17) wei4le0 qian2 für Geld zuo4 huai4 shi4 machen schlechte Sachen schlechte Sachen machen, um Geld zu bekommen Um Finalität auszudrücken, können auch Vollverben als V1 verwendet werden: (II.18) dao4 eingießen yi1 wan3 cha2 he1 ein Schüssel Tee trinken eine Schüssel Tee eingießen und trinken (um sie zu trinken) (II.19) jie4 leihen qian2 yong4 Geld benutzen Geld leihen, um es zu auszugeben Dabei ist das Objekt von V1 häufig auch das Objekt von V2 und wird aus Ökonomiegründen getilgt. Die Objekttilgung ist jedoch keine Bedingung für finale SVCs; im folgenden Beispiel nimmt V2 kein Objekt an: (II.20) da3 bringen shui3 xi3zao3 Wasser waschen Wasser bringen, um sich (damit) zu waschen f. Instrumentalität, Art und Weise einer Handlung Das Instrument, mit dem eine Handlung ausgeführt wird, kann in der VP1 durch die Verben 拿na3: nehmen und 用yong4: benutzen markiert werden. Andere Verben in Kombination mit der Partikel des durativen Aspekts zhe0 drücken die Art und Weise aus: (II.21.a) yong4 kuai4zi0 chi1 fan4 benutzen Stäbchen essen mit Stäbchen essen (II.21.b) na2 bi3 xie3 zi4 nehmen Pinsel schreiben Zeichen mit einem Pinsel Zeichen schreiben (II.21.c) zhang1 zhe0 zui3 da4 xiao4 öffnen durASP Mund groß lachen mit geöffnetem Mund laut lachen g. Vergleich Das Koverb bi3 wird häufig als Vollverb benutzt und behält dabei seine ursprüngliche Bedeutung (vergleichen, konkurrieren) bei. Als Koverb mit der Bedeutung „als“ wird es in Komparativkonstruktionen mit Adjektiven kombiniert; diese Komparativkonstruktionen werden von Chao ebenfalls der Kategorie der Verbalserien zugeordnet: (II.22) Ni3 du bi3 ta1 gao1. als er hoch Du bist größer als er. h. „Action on action“ In dieser Konstruktion drückt die VP1 eine Handlung aus, die sich auf die Handlung von V2 bezieht: (II.23) kai1shi3 anfangen gong1zuo4 arbeiten anfangen, zu arbeiten In manchen zweideutigen Konstruktionen (Bsp. a) kann VP1 durch eine VP zum Ausdruck der Art und Weise ersetzt werden; dabei können jedoch ursprüngliche Interpretationsmöglichkeiten verloren gehen (b): (II.24.a) dong4 shou3 bewegen Hand / sich vorbereiten da3 ren2 schlagen Mensch jemanden mit den Händen schlagen oder : sich dazu aufmachen, jemanden zu schlagen (II.24.b) na2 nehmen shou3 da3 ren2 Hände schlagen Mensch jemanden mit den Händen schlagen Man kann also sehen, dass durch die Verbalserie in Chaos Verständnis vielfältige semantische Ausdrucksmöglichkeiten generiert werden können, wobei die einzelnen Verbalphrasen in den meisten Verbalserien in eine subordinative Beziehung treten. Es ist jedoch fraglich, inwieweit die von Chao als V1 akzeptierten Koverben tatsächlich Verbalserien bilden können. Dies ebenfalls auch für die prätransitive Konstruktion mit der Partikel ba, die Chao als eine „besondere Form“ der Verbalserie betrachtet. Ba, das ursprünglich ausschließlich als Vollverb mit der Bedeutung „nehmen, greifen“ fungierte, hat sich im Laufe eines Grammatikalisierungsprozesses zu einer Partikel verwendet, mit der das direkte Objekt eines Verbs vor dem Verb positioniert werden kann; um diese Konstruktion zu bilden, müssen jedoch zwei Bedingungen – nämlich die Bestimmtheit des Objekts und die direkt, meist physische Einwirkung auf das Objekt durch die mit dem Verb umschriebene Handlung - erfüllt sein. Das direkte Objekt einer einfachen Verb-Objekt-Konstruktion wie (II.25.a) Bie2 nicht wang4 le0 yao4shi0! vergessen perfASP Schlüssel Vergiss die Schlüssel nicht! kann mit ba in die präverbale Position verschoben werden: (II.25.b) Bie2 ba3 yao4shi0 wang4 le0! nicht BA Schlüssel vergessen perfASP Vergiss die Schlüssel nicht! Das Objekt wird durch den Stellungswechsel betont. Die syntaktische Struktur lässt in (b) jedoch die Interpretation von ba als Vollverb nicht zu; die semantische Struktur bleibt also unverändert. Chao´s Zuordnung der prätransitiven ba-Konstruktion zu den Verbalserien ist höchst bedenklich, da ba sich in diesem Konstruktionstyp nicht wie ein Vollverb verhält und an sich keinen semantischen Beitrag leistet; die Betonung des Objekts erfolgt lediglich durch seine Umpositionierung. Eine Verb-ObjektKonstruktion, die unter Verwendung von ba in eine präverbale Konstruktion umgewandelt wird, behält ihre ursprüngliche Argumentstruktur bei. Es scheint also angemessener zu sein, das präverbale ba als grammatikalisiertes Vollverb mit der Rolle eines syntaktischen Platzhalters für die Markierung eines verschobenen bestimmten Objekts, auf das ein direkter Einfluß ausgeübt wird, zu analysieren. Zusammenfassend kann man sagen, dass Chao Verbalserien als syntaktische Konstruktionen zwischen der Subordination und der Koordination ansieht und offenbar eine klare Trennung zwischen diesen Konstruktionstypen vornimmt; in seiner Untersuchung verschiedener semantischer Strukturen von Verbalserien sieht man jedoch, dass die meisten Konstruktionen mit subordinativen semantischen Beziehungen zwischen den einzelnen Gliedern einhergehen; es soll hier dahingestellt bleiben, inwieweit Chaos Unterscheidung anhand der Partikel 地de, mit der häufig die Glieder einer Subordination, jedoch nicht die VPs von Verbalserien verbunden werden können, repräsentativ für die verschiedenen Arten subordinativer Verbalkonstruktionen im Chinesischen ist. Ebenfalls kann die Betrachtung von Koverb- und ba-Konstruktionen als Verbalserien bestritten werden; während angenommen werden kann, dass diese Strukturen Nachfolger SVC-ähnlicher Formen sind, werden wir uns zum Ende des folgenden Teils auf eine Definition einigen, durch die ba und Koverben von möglichen SVC-Konstituenten in syntaktischer und semantischer Hinsicht abgegrenzt werden. II.2 Li & Thompson: „Serial Verb Constructions“ (1982, S. 594-622) Li & Thompson orientieren sich bei ihrer Beschreibung der Serienverben an der linearen Oberflächenstruktur komplexer Satzkonstruktionen; als SVC gilt bei ihnen eine Konstruktion, in der zwei oder mehr Verbalphrasen aneinandergereiht werden, ohne dass eine syntaktische Markierung die Beziehung zwischen diesen Konstituenten spezifiziert wird. SVCs sind demnach alle Satzkonstruktionen, die die Bedingung der Oberflächenstruktur (NP) V (NP) (NP) V (NP) erfüllen. Die unterschiedliche Verteilung der NPs als Argumente der Verben spielt vorerst keine Rolle. Li und Thompson führen vier grundlegende Konstruktionstypen an, die diese lineare Struktur aufweisen: 1) zwei oder mehr getrennte Ereignisse 2) eine Verbalphrase als Subjekt / Objekt eines anderen Verbs 3) pivotale Konstruktion 4) beschreibende Relativsätze Diese Konstruktionen werden nachfolgend in Kürze beschrieben; wir werden sehen, dass eine Betrachtung der linearen Struktur nicht ausreichend ist, um die vielfältigen syntaktischen und semantischen Formen von SVCs im eigentlichen Sinne einzugrenzen und zu beschreiben. So herrscht in der Literatur zu chinesischen Serienverben in der Regel Einigkeit darüber, dass nur Konstruktionen vom Typ 1 der von Li / Thompson postulierten Verbalserientypen unter bestimmten semantischen Bedingungen als SVCs betrachtet werden können. Die anderen drei grammatischen Kategorien sollen hier kurz charakterisiert werden, um eine Basis für ihre Unterscheidung von den SVCs an späterer Stelle zu bilden. 1) Zwei oder mehr verschiedene Ereignisse Für Verbalserien, die zwei oder mehr separate Situationen umschreiben, werden vier semantische Interpretationsmöglichkeiten angeführt: - Aufeinanderfolge von Handlungen - Ausdruck des Zwecks einer Handlung - Sich abwechselnde Handlungen - VP1 drückt einen Umstand aus, der die durch VP2 beschriebene Handlung begleitet Bei einer Übersetzung bzw. Interpretation solcher Verbalphrasen stellt man fest, dass die semantische Beziehung zwischen den Handlungen selten eindeutig ist; vielmehr sind diese Konstruktionen aufgrund des Fehlens jeglicher Markierung und der Parallelität der zwei Konstituenten meistens zweideutig: (II.26) Wo3 ich mai3 piao4 jin4qu4. kaufen Karte hereingehen mögliche Interpretationen: Aufeinanderfolge: Ich kaufe eine Karte und gehe herein. Zweck: Ich kaufe eine Karte, um hereinzugehen. (II.27) Ta1 er qi2 ma3 chou1yan1. reiten Pferd rauchen mögliche Interpretationen: Aufeinanderfolge: Er ritt und rauchte. Zweck: Er ritt, um zu rauchen. Umstand: Rauchend ritt er ein Pferd. Um diese Ambiguitäten aufzulösen, reicht eine formale Analyse der Verbalserien anhand semantischer und syntaktischer Merkmale nicht aus; es müssen vielmehr auch pragmatische und kontextuelle Variablen in die Betrachtung einbezogen werden. 2) VP als Subjekt / Objekt eines anderen Verbs Das Hauptverb eines Satzes bestimmt, ob eine VP oder ein Satz als sein Subjekt bzw. Objekt verwendet werden können: (II.28.a) Wo3 xi1wang4 ich hoffen ni3 kuai4 yi1 dian3 bi4ye4. du schnell etwas Abschluss machen Ich hoffe, dass du deinen Abschluss etwas schneller machen kannst. (II.28.b) *Wo3 xi1wang4 kuai4 yi1 dian3 bi4ye4. Ich hoffen schnell etwas Abschluss machen Das zweite Beispiel ist nicht korrekt, da das Verb xiwang: hoffen nur einen vollständigen Satz mit einem Subjekt, das nicht mit dem Subjekt des Hauptsatzes koreferentiell ist, als Objekt subkategorisieren kann. Konstruktionen, in denen die indirekte Rede wiedergegeben wird, werden von Li / Thompson ebenfalls als Verbalserien eingestuft; in diesen Konstruktionen kann das Kommunikationsverb durch ein nachfolgendes shuo:sagen verstärkt werden: (II.29) Ta1 er gao4su0 wo3 (shuo1) ni3 erzählen ich (sagen) du tou2teng2. Kopfschmerzen haben Er erzählte mir, dass du Kopfschmerzen hast. Neben diesen Verb-Objekt-Verbalserien erlauben manche Verben auch einen Satz oder eine Verbalphrase in Subjektposition: (II.30) Da4sheng1 nian4 laut lesen ke4wen2 ke3yi3 bang1zhu4 fa1yin1. Text helfen kann Aussprache Das laute Lesen eines Textes kann der Aussprache behilflich sein. 3) Pivotalkonstruktion Pivotalkonstruktionen enthalten eine NP, die gleichzeitig das Objekt von V1 und das Subjekt von V2 ist. Diese Konstruktionen werden von Li / Thompson in zwei semantische Kategorien eingeteilt: - das durch die zweite VP beschriebene Ereignis ist unrealisiert (II.31) Wo3 quan4 ich raten ta1 nian4 yi1. er studieren Medizin Ich rate ihm, Medizin zu studieren. - das durch die zweite VP beschriebene Ereignis wurde schon realisiert: (II.32) Xiao3hai2 xiao4 Kind lachen ta1 shi4 yi1 ge4 da4 pang4zi0. er ist ein CL dicker Mensch Das Kind lacht ihn aus, weil er dick ist. Die Bedeutung von V1 bestimmt, welcher dieser zwei Kategorien eine Aussage zugeordnet wird. 4) Beschreibende Relativsätze Bei diesem Konstruktionstyp subkategorisiert V1 ein direktes Objekt, das von einem Relativsatz gefolgt wird. Der Relativsatz dient dem Hinzufügen zusätzlicher Informationen bezüglich des Objekts. Auch hier wird eine semantische Unterteilung nach dem Kriterium, das für die Pivotalkonstruktion beschrieben wurde, vorgenommen; beschreibende Relativsätze werden in von Li/Thompson in „Realis“-Sätze und „Irrealis“-Sätze unterteilt. Verben in Irrealis-Sätzen nehmen unbestimmte Objekte auf; der Relativsatz dient dabei dem Hinzufügen einer beiläufigen Angabe zu dem Objekt: (II.33) Ta1 er you3 yi1 ge4 mei4mei4 hen3 xi3huan1 kan4 haben ein CL kleine Schwester sehr mögen sehen dian4ying3. Film Er hat eine kleine Schwester, die gerne Filme sieht. Im Gegensatz hierzu müssen Objekte, die mit Irrealis – Sätzen kombiniert werden, nicht unbestimmt sein; sie können bestimmt, unbestimmt oder nicht referenziell sein. Das Verb eines Irrealis-Satzes bezieht sich immer auf eine Tätigkeit, die jedoch noch nicht ausgeübt wurde: (II.34) Wo3men0 zhong3 wir anpflanzen na4 zhong3 cai4 chi1. dieses Art essen Gemüse Wir Pflanzen dieses Gemüse an, um es zu essen. (II.35) Wo3 zhao3 ich suchen xue2sheng1 jiao4. Schüler unterrichten Ich suche Schüler, um sie zu unterrichten. Wir konnten in diesem Abschnitt die verschiedenen Satzkonstruktionen sehen, die Li / Thompson aufgrund ihrer ähnlichen linearen Struktur unter dem Oberbegriff der SVC zusammenfassen. Bei einer genaueren Analyse der syntaktischen und semantischen Merkmale dieser Konstruktionen wird sich jedoch herausstellen, dass eine gleiche Oberflächenstruktur kein ausreichendes Kriterium für ihre Zuordnung zu der grammatischen Kategorie ist, zumal sie mitunter keine anderen Gemeinsamkeiten aufweisen. Außerdem muss auch berücksichtigt werden, dass diese Konstruktionen nicht den typischerweise für SVCs postulierten Merkmalen – wie zum Beispiel dem Kriterium des gemeinsamen Subjekts der beiden Verben - entsprechen. Dies kann teilweise sicherlich dadurch erklärt werden, dass sich in der modernen Linguistik Definitionen von Serienverben durchgesetzt haben, die auf der Basis von Analysen afrikanischer Sprachen entwickelt wurden. Da jedoch in der früheren Literatur selten eine Verbindung zwischen Serienverben asiatischer und afrikanischer Sprachen hergestellt wurde, kann man davon ausgehen, dass sich die Analyse von Verbalserien bei chinesischen Sprachwissenschaftlern in einer anderen Logik entwickelte; daraus folgen die Abweichungen der frühen Beschreibungen von den erst später sprachübergreifend etablierten Definitionen. II.3 Baker / Chang: „shared object“ und „shared reference“ Als nächsten Ansatz untersuchen wir die sprachübergreifende Beschreibung von Baker, die auf der Theta-Theorie basiert und mögliche SVC-Varianten stark einschränkt. Baker postuliert das Kriterium eines gemeinsamen Objekts zweier Verben als Bedingung für die SVC. Diese Einschränkung wird von Chang aufgegriffen und an einige Spezifitäten der transitiven Verbalphrase im Chinesischen angepasst. II.3.1 Baker: “Object sharing and projection in serial verb constructions“ Baker bezieht sich in seiner Analyse auf die afrikanischen Kwa-Sprachen (Sranan, Yoruba). Er beschreibt SVCs als Konstruktionen, in denen eine Folge von Verben eine satzähnliche syntaktische Einheit bilden. In dem Satz kann nur ein Wert für Zeit bzw. Aspekt spezifiziert werden. Die Verben haben ein gemeinsames strukturelles Subjekt sowie gemeinsame logische Argumente. Als Unterscheidungskriterium zwischen serialisierenden und nicht-serialisierenden Sprachen führt Baker den „Generalized Serialization Parameter“ (GSP) an; dieses besagt, dass serialisierende Sprachen Verbalphrasen mit zwei Köpfen zulassen. Entsprechende Konstruktionen werden auf der Basis dieser rein syntaktischen Unterscheidung der Kategorie der SVCs zugeordnet. Baker begründet das GSP anhand einiger Prinzipien der GB-Theorie, die hier noch einmal zusammengefasst werden: a. Projektionsprinzip A ist eine lexikalische Kategorie und B eine Position vom Typ Argument. 1. Wenn B eine unmittelbare Konstituente einer X´-Projektion von A auf einer beliebigen Ebene ist, weist A in A´ eine Theta-Rolle an B zu. 2. Wenn die Zuweisung einer Theta-Rolle durch A an B eine lexikalische Eigenschaft von A ist, weist A auf allen syntaktischen Ebenen eine Theta-Rolle an B zu. b. Theta-Kriterium „Each argument A appears in a theta-chain containing a case-marked position and a unique position P to which theta-roles are assigned; each position P to which theta-roles are assigned is in a theta-chain with a unique case-marked argument A.” c. Bedingungen der Zuweisung von Theta-Rollen A kann nur dann eine Theta-Rolle an B zuweisen, wenn 1. A und B strukturelle Schwestern sind, oder 2. eine Projektion von A eine strukturelle Schwester von B ist d. Head-Licensing Condition Eine Kategorie B ist lizensiert, wenn es eine Anzahl von Kategorien {a1, ..., an} gibt, so dass: a. B = a1 b. An ist eine (lizensierte) maximale Projektion c. Für alle i mit 1 < i n: a i dominiert unmittelbar a i-1 und ist eine Projektion von a i-1 der gleichen oder einer höheren Ebene Die Analyse von Baker setzt bei dem Merkmal des gemeinsamen Objekts an. SVCs, die zwei transitive Verben beinhalten, weisen häufig Objekttilgung auf, wobei typischerweise hinter V2 kein Objekt steht. Das faktische Objekt von V2 wird unter der Bedingung der Identität mit dem Objekt von V2 getilgt, wodurch Redundanz vermieden wird. Dieser Mechanismus, der scheinbar mit dem Projektionsprinzip in Widerspruch steht, soll im folgenden kurz erläutert werden. Die zwei Verben einer SVC haben ein gemeinsames Objekt, dem sie Theta-Rollen zuweisen. Die Zuweisung von zwei Theta-Rollen an eine NP wird durch die „HeadLicensing Condition“ (D) von Chomsky ermöglicht. (D) ist eine Umkehrung der X-barKonvention: diese besagt, dass jede maximale Projektion einem einzigen Kopf zugewiesen werden kann. (D) hingegen besagt, dass jeder Kopf einer einzigen maximalen Projektion zugewiesen wird; dadurch erlaubt (D) mehrere Köpfe als Töchter einer Maximalprojektion. Diese Möglichkeit wird jedoch nur in serialisierenden Sprachen genutzt, die anhand des GSP unterschieden werden: General Serialization Parameter: VPs {können / können nicht} Projektionen von mehreren Köpfen sein: können: Yoruba, Sranan... können nicht: Englisch, Französisch... Nach dieser Erweiterung der X´- Konvention, die SVCs in eine einzige Verbalphrase zusammenfasst, will Baker die möglichen syntaktischen Strukturen von SVCs untersuchen. Dabei stößt er auf Einschränkungen, die durch die strenge SVO-Wortfolge der von ihm untersuchten Sprachen bedingt sind: Prinzipien der SVO-Wortfolge 1. X0 weist Theta-Rollen an Konstituenten, die rechts von X0 liegen, zu. 2. X0 weist Fallmarkierungen an Konstituenten, die rechts von X0 liegen, zu. 3. Wenn X0 in einer unmittelbaren Beziehung R mit Y steht, und Z zwischen X und Y liegt, dann steht X oder Y ebenfalls in der Beziehung R mit Z. (R = Zuweisung von Fall / Theta-Rolle) 4. Für m> 0: Xm weist Theta-Rollen an Konstituenten, die rechts von Xm liegen, zu. Diese Prinzipien schließen die einfachsten Strukturen zur Darstellung zweiköpfiger Verbalphrasen aus: (II.36.a) Kofi Kofi naki Amba kiri. schlagen Amba töten Kofi schlug Amba tot. a) [V´schlagen [NP Amba] töten] b) [V´ schlagen töten [NP Amba]] Struktur a) wird durch Prinzip 1 ausgeschlossen: „töten“ kann keine Theta-Rolle an die links liegende NP „Amba“ zuweisen. Struktur b) wird durch Prinzip 3 ausgeschlossen: „töten“ steht zwischen „schlagen“ und „Amba“, ohne Theta-Rollen von diesen Konstituenten zugewiesen zu bekommen. Um den Prinzipien der SVO-Wortfolge zu entsprechen, muss eines der V2 – das Verb, das links von der NP liegt - direkt an eine X´- Ebene projizieren (Prinzip 4). Es ergibt sich die folgende Struktur: (II.36.b) Diese Darstellung erfüllt auch die Bedingungen der Zuweisung von ThetaRollen (C): V1 markiert „Amba“ direkt, da es eine Schwester der NP ist. V2 markiert „Amba“ indirekt, da die Projektion V´ von V2 eine Schwester der NP ist. Es wird auch das Merkmal des gemeinsamen Subjekts berücksichtigt: der NP „Kofi“ wird die Agens-Theta-Rolle durch die zwei Verben zugewiesen, da sie eine Schwester ihrer VP-Projektion ist. Durch diese allgemeine Struktur begründet Baker die Möglichkeit der Objektteilung sowie auch der Tilgung identischer Objekte in SVCs. Er beschreibt die Struktur der SVC wie folgt: Descriptively, we want to say that the NP between the two verbs is the argument of both verbs, whereas the phrase that comes after VP2 is only the argument of VP2. (Baker 1989, S. 521) Wenn also V2 ein anderes Argument außer dem gemeinsamen direkten Objekt annimmt, entsteht die folgende Struktur: (II.37) Ó ra isu fún mi. er kaufen Süßkartoffel geben mir Er kaufte eine Süßkartoffel für mich. Baker betrachtet ebenfalls, wie diese Struktur bei unterschiedlichen Kategorien von V1 und V2 wirksam wird. Wenn beide Verben transitiv sind, müssen sie ein Objekt teilen, um eine SVC zu bilden. Dies wird durch den ersten Teil des Projektionsprinzips begründet. Da das Objekt von V1 eine direkte Konstituente der zweiten V´- Projektion von V2 ist, muss V2 dem Objekt ebenfalls eine Theta-Rolle zuweisen. Ein intransitives V2 muss in der Lage sein, eine interne Theta-Rolle zuzuweisen; es muss also ein Verb der nicht-akkusativen Klasse sein, wie in (II.38) Kofi ti omo náà subú Kofi stoßen Kind das fallen. Kofi stieß das Kind um. Andererseits muss die interne Theta-Rolle von V2 nicht dem Subjekt, sondern dem Objekt von V1 zugewiesen werden. Baker zeigt in diesem Abschnitt, wie die möglichen Strukturen und Kategorien von Verben in SVCs durch das Projektionsprinzip eingeschränkt werden: wenn V1 ein Objekt annimmt, muss dieses Objekt auch eine Theta-Rolle von V2 zugewiesen bekommen. In SVCs mit 2 transitiven Verben ist somit Objekttilgung unerlässlich. Als intransitive V2 kommen andererseits nur Verben der nicht-akkusativen Kategorie in Frage, die dem Objekt des transitiven oder unakkusativen V1 ebenfalls eine Theta-Rolle zuweisen. Die beschriebenen Strukturen begründet Baker dadurch, dass in einer Gruppe von Sprachen Verbalphrasen mit mehreren Köpfen erlaubt sind; er deutet jedoch darauf hin, dass das GSP in Bezug auf die möglichen syntaktischen Strukturen einer Sprache noch ausgeweitet werden kann, um zu übergreifenden typologischen Verallgemeinerungen zu verhelfen: „It may of course be possible to trace the GSP back to still more fundamental properties of the languages involved“ (Baker 519). Ein solcher Versuch wird von Collins (Collins 1997) unternommen, wobei das folgende allgemeine Serialisierungsparameter aufgestellt wird: Multiple Licensing Parameter: X {kann/kann nicht} mehrere Y lizensieren. Dieser Parameter kann laut Collins nicht nur auf VPs (mit X=I, Y=VP), sondern z. B. auch auf NPs (mit X=I, Y=NP) angewendet werden. Wie Baker´s GSP für die Verbserialisierung ist es ein typologisches Kriterium für die syntaktische Unterscheidung serialisierender Sprachen. II.3.2 Chang: Koreferenz und „Temporal Sequence“ Chang führt eine Analyse chinesischer Verben durch, bei der die von Baker aufgestellte Definition ausgeweitet wird; während Baker die Definition auf rein syntaktischer Ebene als Konstruktion mit mehreren verbalen Köpfen, die einem gemeinsamen Objekt ThetaRollen zuweisen können, definiert, führt Chang eine Analyse unter Berücksichtigung unabhängiger Kriterien durch. Diese beziehen sich auf die Syntax, Semantik, thematische Struktur sowie konzeptuelle Beschaffenheit der Konstruktionen; es werden Eigenschaften etabliert, die SVCs in Bezug auf die Konstituentenstruktur, gemeinsame Argumente, die lexikalische Semantik der Prädikate sowie die Positionierung der umschriebenen Ereignisse in der konzeptuellen Welt teilen. Chang vergleicht, inwieweit die in Baker´s Analyse nicht berücksichtigten verbalen Komposita sowie Konstruktionen mit Koverben, die schon von Chao den Verbalserien zugeordnet wurden, diese Eigenschaften aufweisen. Anschließend wird die Benutzung der Partikel des perfektiven Aspekts le in SVCs sowie ihre Interaktion mit der thematischen Struktur der SVC betrachtet. Chang definiert die SVC als eine Konstruktion mit mehreren aufeinanderfolgenden Verben, die ein gemeinsames NP-Argument teilen und nach dem Prinzip der zeitlichen Aufeinanderfolge (Temporal Sequence Principle) angeordnet sind. Als Charakteristikum der chinesischen SVC muss außerdem die „shared reference“ (Koreferenz) der beiden Verben berücksichtigt werden. Mögliche lineare Strukturen der SVC sind: NP V V NP NP V NP V Dabei ist je eine Aspektmarkierung pro SVC möglich. Chang übernimmt demnach das Kriterium des gemeinsamen Objekts von Baker und fügt ihm weitere Einschränkungen nicht-syntaktischer Natur hinzu. Diese Einschränkungen sind teilweise sprachübergreifend (TS-Prinzip, Oberflächenstruktur) und teilweise nur in einigen Sprachen wie dem Chinesischen gültig (Koreferenz der Objekte, Aspektmarkierung). Sie sollen im Folgenden kurz erläutert werden. Das TS-Prinzip gilt für Verbalserien, in denen mehrere Verben in einer unmarkierten syntaktischen Beziehung zueinander stehen. Es besagt, dass die Reihenfolge syntaktischer Einheiten der Reihenfolge der Zustände oder Ereignisse, die sie in der konzeptuellen Welt darstellen, entspricht. Im Falle der eindeutig koordinativen Konstruktion ist das TS-Prinzip nicht in Kraft; sind somit mehrere Interpretationen der zeitlichen Beziehungen zwischen den Handlungen möglich: (II.39) Ta1 mai4 er verkaufen cai4 zhong3 cai4. Gemüse anpflanzen Gemüse Er verkauft Gemüse und pflanzt Gemüse an. Die zwei Handlungen können dabei parallel ablaufen, aufeinander folgen oder sich abwechseln. Wenn jedoch nicht eindeutig bestimmt werden kann, ob eine Konstruktion subordinativ oder koordinativ ist, sind trotz Anwendung des TS-Prinzips zwei Interpretationen möglich: (II.40) Ta1 zhong3 er anpflanzen cai4 mai4 cai4. Gemüse verkaufen Gemüse 1) Er pflanzt Gemüse an und verkauft Gemüse. (Koordination) 2) Er pflanzt Gemüse an, um es zu verkaufen. (Subordination) Die subordinative Interpretation wird möglich, da die zwei Handlungen hier in einer logischen Abfolge, die uns aus der konzeptuellen Welt bekannt ist (erst anpflanzen, dann verkaufen) genannt werden; die Kombination des konzeptuellen Wissens mit der linearen Anordnung ermöglicht die Herstellung einer zeitlichen Abhängigkeitsbeziehung zwischen den Handlungen. Neben dem TS-Prinzip führt Chang eine Modifikation des von Baker analysierten Merkmals eines gemeinsamen Objekts ein: die Objekt-NPs der Verben einer SVC müssen koreferentiell sein. Er begründet dies damit, dass im Chinesischen Konstruktionen mit mehreren Verben möglich sind, die zwar ein gemeinsames Objekt aufweisen, sich jedoch nicht auf eine gleiche Einheit in der realen Weltordnung beziehen: (II.41) Ta1 dao4 Er le0 san1 bei1 cha2 he1 eingießen perf.ASP drei CL:Tasse Tee le0 yi1 bei1. trinken perf.ASP ein CL:Tasse. Er hat drei Tassen Tee eingegossen und eine Tasse (Tee) getrunken. „Tee“ ist in diesem Beispiel das gemeinsame Objekt von V1 und V2. Da sich jedoch „drei Tassen Tee“ und „eine Tasse Tee“ auf unterschiedliche reale Gegenstände beziehen, also nicht koreferentiell sind, ist diese Konstruktion keine SVC. In dem Beispiel (II.42) koreferiert das Objekt von V2 mit dem Objekt V1. Die Konstruktion ist eine SVC, in der das Objekt von V2 aus Ökonomiegründen nicht zu wiederholt werden braucht: (II.42) Ta1 dao4 er eingießen le0 san1 bei1 cha2 he1. perfASP drei CL:Tasse Tee trinken Er hat drei Tassen Tee eingegossen, um sie zu trinken. Das TS-Prinzip sowie die Koreferenz der Objekte beider Verben erlauben laut Chang die Unterscheidung chinesischer SVCs von anderen komplexen Strukturen, vor allem der Koordination. Chang lässt in seinem Artikel jedoch subordinierte Strukturen (z. B. Ausdruck der Instrumentalität und Art und Weise einer Handlung) mit intransitiven V1 oder Verben, die verschiedene Objekte annehmen, außer acht. Auch Strukturen, deren Konstituenten in semantischer Hinsicht zeitlich abhängig voneinander sind, obwohl sie keine gemeinsamen bzw. koreferentiellen Objekte haben, werden nicht berücksichtigt. Man könnte Chang´s Definition relativisieren, in dem man annimmt, dass eine Konstruktion, die das Koreferenz- sowie das TS-Kriterium erfüllt, als SVC betrachtet werden kann. Wird jedoch Koreferenz als universelles Merkmal chinesischer SVCs betrachtet, müssen andere Arten von Konstruktionen als SVCs ausgeschlossen werden, die aufgrund syntaktischer und semantischer Gemeinsamkeiten der gleichen Kategorie zugeordnet werden könnten. III. Syntaktische und semantische Analyse chinesischer SVCs In diesem Teil werde ich eine syntaktische und semantische Analyse chinesischer SVCs mit Einbeziehung der bereits vorgestellten Definitionen durchführen. Zuerst wird auf die Motivation von SVCs in serialisierenden Sprachen eingegangen. Laut Schiller (1990) sowie Seuren (1990) kommen SVCs in Sprachen vor, die über ein unvollständiges System morphologischer und syntaktischer Markierungen von Beziehungen zwischen unmittelbaren Konstituenten eines Satzes verfügen. SVCs werden demnach verwendet, um innerhalb eines Satzes komplexe semantische Zusammenhänge zu bilden, die sich nicht durch ein „einfaches“, aus einer Verbalphrase bestehendes Prädikat darstellen lassen. Im zweiten Abschnitt gehe ich detaillierter auf die syntaktische Funktion der SVC im Satzgefüge ein: Chinesische Grammatiker haben oftmals die Meinung vertreten, dass SVCs entweder als komplexe Sätze oder als Komposita zu analysieren sind (Wippermann 1993, S. 123). Tatsächlich bildet die SVC eine zusammengehörige Einheit, die jedoch nicht den Status syntaktischer Komposita mit begrenzten Produktivität, bzw. lexikalischer Komposita mit fester Aufeinanderfolge der Glieder aufweist. Andererseits kann sie im Gegensatz zu komplexen Sätzen nicht immer auf zwei Teilsätze zurückgeführt werden. Die SVC kann betrachtet werden als komplexes Prädikat, das seinerseits in mehrere einfache Prädikate zerlegt werden kann. Dies trägt auch der semantischen Einheit der SVC, die der Beschreibung eines einzigen übergreifenden Ereignisses dient, Rechnung. Nach der funktionalen Einordnung der SVC wende ich mich einer Analyse der internen Struktur zu; es erfolgt eine Prüfung der möglichen syntaktischen und semantischen Beziehungen zwischen den Konstituenten. Wir werden sehen, dass SVCs mit der minimalen Struktur V (NP) V (NP) in der Regel zweideutig sind; die Ambiguität kann jedoch durch Aspektmarkierungen und in einigen Fällen durch eine Modifikation der Struktur aufgehoben werden. Anschließend werden kurz lexikalische Eigenschaften von SVCs erläutert, insofern sie durch häufig verwendete eingebürgerte Konstellationen Generalisierungen erlauben. SVCs werden in symmetrische und asymmetrische Konstruktionen mit verschiedenen Möglichkeiten der lexikalischen Ausgestaltung bzw. unterschiedlicher Produktivität unterteilt. Diese Darstellung liefert eine Beschreibung möglicher struktureller und semantischer Ausprägungen chinesischer SVCs. Es soll gezeigt werden, dass Versuche, die SVC über eine uniforme Reihe von Kriterien zu definieren, keine hinreichende Grundlage für eine formale Analyse darstellen können. Wir werden sehen, dass es mehrere Kategorien von SVCs gibt, die untereinander Gemeinsamkeiten aufweisen; dazu gehört zum Beispiel als syntaktisches Merkmal das gemeinsame Subjekt und, als semantische Funktion, die Beschreibung eines übergreifenden Ereignisses, das eventuell in mehrere Teile zerlegt werden kann. Jedoch müssen diese allgemeinen Charakteristika jeweils durch den entsprechenden Kategorien eigene Merkmale ergänzt werden. III.1 Einleitung: Motivation und Funktion von SVCs Chao ordnet die chinesische Verbalserie als syntaktische „Zwischenkategorie“ zwischen Koordination und Subordination ein (1968, S. 325). Sebba meint, dass SVCs nicht als einheitliches Phänomen behandelt werden und sowohl in koordinativer wie auch in subordinativer Form vorkommen können (1987, S. 109). Zwicky äußert: ... a serial [verb construction, JL] is any combination of two or more verbal constituents which is problematic because it exhibits some properties of subordination and some of coordination, thus cutting across apparently wellestablished types ... (Zwicky 1992, S. 2) In der Literatur wird die SVC in der Regel mit diesen zwei gegensätzlichen Konstruktionen in Verbindung gebracht, wobei sie jedoch weder der Subordination noch der Koordination eindeutig zugeordnet werden kann. Die SVC kann vermutlich als hybride Struktur untersucht werden, die in sich syntaktische und semantische Eigenschaften der Koordination und der Subordination vereinigt. Ich werde versuchen, mich bei den nachfolgenden Beschreibungen und Analysen in syntaktischer Hinsicht auf die Koordinationsannahme zu stützen. Nach Chao ist die Verbalserie „like a coordinate phrase in that both parts are verbal expressions” (1968, S. 325). Der semantische Beitrag von SVCs beschränkt sich jedoch nicht auf eine Aneinanderreihung unabhängiger Inhalte wie im Falle der unmarkierten Koordination; die SVC ermöglicht oft zusätzlich auch eine Interpretation der konzeptuellen Beziehungen zwischen ihren Komponenten. Zum Teil können diese Beziehungen anhand der syntaktischen Struktur bestimmt werden, andererseits gibt es jedoch auch Indizien lexikalischer Art, die auf eine bestimmte vorzuziehende Interpretation der Konstruktion deuten. Wir werden zeigen, dass in SVCs entweder eine subordinative Beziehung (Ursache-Wirkung, Umstand, Instrument, Zweck usw.), oder aber eine temporale Beziehung im Sinne eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen den umschriebenen Ereignissen etabliert werden kann. Die Einordnung der Verbalserie als syntaktische Koordination kann auf das Konzept von Bloomfield zurückgeführt werden (1933, S. 195). Laut Bloomfield ist jede syntaktische Konstruktion aus zwei Komponenten zusammengesetzt und kann als exozentrische oder endozentrische Konstruktion eingeordnet werden. Die exozentrische Konstruktion gehört einer grammatischen Kategorie an, die sich von den grammatischen Kategorien ihrer unmittelbaren Konstituenten unterscheidet: (III.1) Wo3 xue2 zhong1wen2. ich Chinesisch lernen Ich lerne Chinesisch. Die Phrasenstrukturregel für diesen Satz lautet: S NP VP. Der Satz hat keine direkten Komponenten der Kategorie S und ist somit eine exozentrische Konstruktion. Es werden zwei Arten von endozentrischen Konstruktionen unterschieden. Die subordinative endozentrische Konstruktion enthält eine Komponente, die der gleichen Kategorie wie die gesamte Konstruktion angehört: (III.2) man4man0 de0 pao3 langsam KOMPL.de laufen langsam laufen Die Phrasenstrukturregel für diesen Satz lautet: VP A V V ist, wie auch VP, ein verbaler Ausdruck. Die koordinative endozentrische Konstruktion enthält zwei oder mehr Komponenten, die der gleichen Kategorie wie die gesamte Konstruktion angehören: (III.3) chang4ge1 tiao2wu3 singen tanzen singen und tanzen VP V V Gemäß dem Konzept von Bloomfield kann eine Konstruktion mit zwei verbalen Ausdrücken also als Koordination eingeordnet werden: (III.4) Ta1 chang4ge1 tiao2wu3. er singen tanzen Er singt und tanzt. Während dieser Satz nicht nur syntaktisch, sondern auch semantisch als Koordination interpretiert wird, bieten sich bei den folgenden Beispielen unterschiedliche Deutungen der Struktur an, je nachdem, ob man bei der Interpretation der syntaktischen Struktur oder aber dem Konzeptwissen Vorrang gibt: (III.5.a) Ta1 er lai2 jiu3ba1 chang4ge1. kommen Bar singen Er kommt in die Bar und singt. Er kommt in die Bar, um zu singen. (III.5.b) Ta1 er he1 jiu3 chang4ge1. trinken Wein singen Er trinkt Wein und singt. Wein trinkend singt er. (III.5.c) Ta1 Er na2 hua4tong1 chang4ge1. nehmen Mikro singen. Er nimmt ein Mikro und singt. Er singt mit einem Mikro. Wir sehen, dass die gleiche syntaktische Struktur bei verschiedener lexikalischer Ausgestaltung die Etablierung unterschiedlicher semantischer Beziehungen zwischen den Konstituenten erlaubt. Bei einer koordinativen Deutung werden die Inhalte der Verbalphrasen als voneinander unabhängige Einheiten aufgefasst; die syntaktische Struktur leistet also keinen Beitrag zum semantischen Gehalt. Wenn man jedoch von der koordinativen Lesart absieht, kann man sehen, dass, je nach der lexikalischen Ausgestaltung der Konstituenten und unter Einbezug von Weltwissen, unterschiedliche Beziehungen zwischen den Gliedern derselben Struktur etabliert werden können. Wie lässt sich eine solche Anreicherung der Semantik einer scheinbar koordinierten Konstruktion erklären? Ich werde versuchen, dies unter Zuhilfenahme des Ansatzes von Seuren, der die SVC als Verb – (Pseudo)Komplement- Konstruktion erklärt (1990), zu veranschaulichen. Seuren führt das Konzept der Pseudokomplementation ein, um die syntaktische Struktur von SVCs in afrikanischen Sprachen zu erklären. Bei der Pseudokomplementation wird ein eingebetteter Satz syntaktisch wie ein gewöhnliches Satzobjekt behandelt. Semantisch gesehen drückt das Komplement jedoch den Zweck, Umstand bzw. das Ergebnis einer Handlung aus: (III.6) He went fishing. Er ging fischen. „fishing“ wird hier syntaktisch als Teilsatz analysiert. Es kann jedoch kein Objekt sein, da das Hauptverb „go“ intransitiv ist. Das Pseudokomplement erfüllt also eine Ersatzfunktion: Es vervollständigt die „defekte“ syntaktische Struktur des Verbs, die es nicht erlaubt, Argumente zum Ausdruck semantischer Kategorien wie Zweck, Instrument, Resultat usw. anzunehmen. In nichtserialisierenden Sprachen werden diese Funktionen von Komplementen oder Modifikatoren, z. B. in Form von Präpositionalphrasen, übernommen: (III.7.a) Er schreibt mit einem Pinsel Zeichen. Da die Ausdrucksmöglichkeiten von Präpositionen im Chinesischen – wie auch in vielen anderen serialisierenden Sprachen – begrenzt sind, werden hier statt Präpositionalphrasen Komplemente bzw. Modifikatoren in VP-Form verwendet, was zur Bildung von SVCs führt: (III.7.b) Ta1 er yong4 bi3 xie3 zi4. benutzen Pinsel schreiben Zeichen Er schreibt mit einem Pinsel Zeichen. Andere Beispiele sind: Zweck: (III.8) Wo3 mai3 shu1 du2. ich Bücher lesen kaufen Ich kaufe Bücher, um (sie) zu lesen. Umstand: (III.9) Ta1 pao3bu4 duan4 le0 tui3. Er brechen perfASP Bein joggen Beim Joggen hat er sich das Bein gebrochen. Ergebnis: (III.10) Ta1 er tian1tian1 lian4 zhong1yu2 xue2hui4 le0. täglich schließlich lernen üben perfASP Er hat täglich geübt und es schließlich gelernt. usw. Die Auffassung von Seuren scheint sich in typologischer Hinsicht an das von Schiller (1990) für die Erklärung subordinativer SVCs postulierte „Semantic Case Instantiation Principle“ anzulehnen. Schiller behauptet, dass semantische Beziehungen durch den konkretesten Mechanismus umschrieben werden, der in einer Sprache möglich ist. Der Begriff „konkret“ bezieht sich dabei auf die Möglichkeit einer einheitlichen Interpretation durch Muttersprachler. Zur Umschreibung semantischer Beziehungen wie Instrument, Zweck, Ort, Ursprung einer Handlung wendet eine Sprache Mittel nach der folgenden Hierarchie an: 1. Morphologiche Mittel (Flexionssystem) 2. Syntaktische Mittel (lexikalische Ausdrücke, meist Präpositionen durch Bildung von Präpositionalphrasen) 3. Subordinative Serienverbkonstruktionen Eine flexionsreiche Sprache wie Russisch markiert die Fälle der NPs durch Endungen: (III.11) Ja pischu NOM.ich bukvy kist´ju. schreibe ACC.Zeichen INSTR.Pinsel Ich schreibe Zeichen mit einem Pinsel. Im Deutschen wird hingegen die Präposition „mit“ verwendet, um „Pinsel“ als Instrument zu markieren. Es gibt im Chinesischen keine entsprechende Kasusmarkierung oder Präposition; deswegen werden die Verben na2: nehmen oder yong4: benutzen gebraucht, was zur Bildung einer SVC führt: (III.12) Wo3 yong4 (na2) Ich benutzen (nehmen) bi3 xie3 Pinsel schreiben zi4. Zeichen. Ich schreibe Zeichen mit einem Pinsel. Ich benutze einen Pinsel und schreibe Zeichen. Man sieht, worin die Zweideutigkeit dieser Aussage liegt: Der Pinsel kann einerseits als Instrument interpretiert werden, mit dem die Haupthandlung ausgeführt wird; andererseits ist es möglich, dass die Benutzung des Pinsels und das Schreiben der Zeichen zwei unabhängige, simultan oder sukzessiv ablaufende Handlungen darstellen und es sich in diesem Falle um eine koordinative Konstruktion handelt. In dem oberen Beispiel (III.12) bereitet es uns in der Regel keine Probleme, den subordinativen Zusammenhang zwischen den beiden Verbalphrasen richtig zu interpretieren; dies kann zu einem großen Teil dadurch erklärt werden, dass wir bei der Interpretation zweideutiger Aussagen auf unser konzeptuelles Wissen zurückgreifen, insbesondere wenn die Aussage nicht in einen aufklärendem Kontext gesetzt werden kann. Im westlichen wie auch im chinesischen Kulturkreis wird das Schreiben von Zeichen mit einem Pinsel als eine Handlung aufgefasst. Kommen jedoch kulturelle Unterschiede ins Spiel, sind Deutungsprobleme möglich, da verschiedene Kulturen die Zusammenhänge zwischen Handlungen unterschiedlich interpretieren können. Seuren und Schiller begründen die Bildung von subordinativen SVCs in einer Sprache durch das Fehlen grammatischer Mittel zur Markierung semantischer Zusammenhänge. Wir haben gesehen, dass SVCs häufig verwendet werden, um Ergebnisse, Umstände, Instrumente oder Zwecke von Handlungen zu umschreiben; im Gegensatz zu morphologischen oder syntaktischen Spezifizierungen semantischer Beziehungen erlauben SVCs jedoch keine eindeutige Bestimmung der jeweiligen Zusammenhänge. III.2 Die SVC als Satzkonstituente Zu Anfang der syntaktischen Analyse von chinesischen SVCs werde ich untersuchen, wie die SVC als grammatische Einheit eingeordnet werden kann. Da SVCs in der früheren chinesischen Linguistik häufig als komplexe Sätze bzw. „Kontraktionssätze“ betrachtet wurden, wird untersucht, wie diese Kategorisierungen begründet wurden und inwieweit sie der heutigen Auffassung von SVCs entsprechen. Andererseits werden SVCs auch mit verbalen Komposita verglichen; wir werden sehen, dass es im Chinesischen eine Gruppe von SVCs gibt, die Ähnlichkeit mit aus mehreren Verben bestehenden lexikalischen Einheiten hat. Um einen gemeinsamen Nenner für die Unterscheidung von SVCs in satz- und wortähnliche Einheiten zu finden, wird schließlich angenommen, dass sich die SVC im Satz wie eine komplexe Prädikateinheit verhält – eine Annahme, die sich syntaktisch z. B. durch die oft verzweigte Struktur der thematischen Beziehungen, semantisch durch die Auffassung der SVC als ein einziges Ereignis beschreibende Konstruktion untermauern lässt. III.2.1 SVC als komplexer Satz Ein komplexer Satz besteht aus mehreren Teilsätzen. Wenn man die SVC als komplexen Satz betrachtet, muss man sie in zwei Teilsätze aufteilen: (III.13) Die Subjekt-NP des zweiten Teilsatzes wird getilgt, sofern sie mit der SubjektNP des ersten Teilsatzes identisch ist. In einer solchen Konstruktion kann das Subjekt des zweiten Teilsatzes in der Regel ohne wiederholte Realisierung aus dem Kontext erschlossen werden. Die Einordnung von Verbalserien als komplexe Sätze wird von Lü Shuxiang eingeführt (1942/44). Lü Shuxiang betrachtet in seiner Grammatik SVCs nicht als separate grammatische Kategorie, sondern ordnet SVC-ähnliche Beispiele Kategorien allgemeiner syntaktischer Konstruktionen zu. Sätze wie (III.14) werden von ihm als „komplexe Sätze“ eingeordnet, während der kompositumähnliche Ausdruck (III.15) als „einfacher“ koordinierter Satz betrachtet wird: (III.14) da3kai1 chuang1hu1 tou1tou1 öffnen Fenster durchlassen kong1qi4 Luft das Fenster öffnen, um kurz durchzulüften (III.15) jiu4 retten guo2 jiu4 ren2 Land retten Menschen das Land und die Menschen retten Es werden keine eindeutigen Kriterien für die Unterscheidung komplexer Sätze von einfachen Sätzen gegeben; jedoch entsteht der Eindruck, dass die Einteilung der Verbalserien enthaltenden Sätze in einfache und komplexe Sätze der heutigen Unterscheidung von Koordination und Subordination entspricht. Die Konstituenten der SVC werden als zwei Teilsätze betrachtet; dabei muss weder das Subjekt des zweiten Satzes realisiert werden, noch muss die semantische Beziehung zwischen den Sätzen durch eine Konjunktion markiert werden. Diese „ausgelassenen“ Elemente gehen bei einer syntaktischen Anordnung wie der von subordinativen SVCs aus dem Kontext hervor. Bei der Zerlegung der SVCs in Haupt- und Nebensätze bedient sich Lü Shuxiang ausschließlich semantischer Kriterien: Sätze, die Ziel, Zweck, Art und Weise usw. einer Handlung ausdrücken, gelten als Nebensätze subordinativer Konstruktionen. Dieses Kriterium erweist sich jedoch als unzuverlässig, da SVCs mehrere Interpretation erlauben. Ein Satz wie (III.16) kann je nach Kontext zweifellos koordinativ oder subordinativ interpretiert werden: (III.16) guan1shang4 men2 jing4jing4 schließen Tür beruhigen xin1 Herz die Tür schließen und zur Ruhe kommen die Tür schließen, um zur Ruhe zu kommen Eine rein semantische Einteilung von Verbalserien in koordinative und subordinative Konstruktionen ist deswegen für eine formale Analyse nicht ausreichend. Andere Grammatiker haben den Versuch unternommen, zusätzliche Kriterien für die Unterscheidung einfacher und komplexer Sätze mit mehreren Verben zu etablieren. So wurden vor allem Markierungen der Trennung der Verbalphrasen – Kommas im schriftlichen und Pausen im mündlichen Gebrauch – als Merkmal für den komplexen Satz genannt (Wang Li 1990). Konstituenten von Verbalserien werden in der Regel nicht durch Pausen markiert: (III.17.a) Ta1 zou3guo4qu4 kai1 men2. er hinübergehen öffnen Tür. Er ging hinüber und öffnete die Tür. Er ging hinüber, um die Tür zu öffnen. Dieser Satz kann als einfacher Satz mit einem SVC-Prädikat betrachtet werden; setzt man ein Komma zwischen die Verben, wird das Objekt von V2 automatisch mir der Verfügungspartikel ba in die präverbale Position verschoben: (III.17.b) Ta1 er zou3guo4qu4, ba3 men2 kai1kai0. hinübergehen BA Tür kurz öffnen Er ging hinüber und öffnete kurz die Tür. Dieser Satz wird als komplexer Satz mit ausgespartem Subjekt im zweiten Teilsatz betrachtet. Ein anderes Unterscheidungsmerkmal komplexer Sätze ist, dass sich ein grammatikalisch korrekter sowie semantisch unveränderter Satz ergibt, wenn man das ausgesparte Subjekt wieder einsetzt: (III.18.a) Zhe4 der zhi3 niao3 jiao4 le0 ji3 CL rufen perfASP einige Laut Vogel sheng1, you4 wieder xiang4 tian1kong1 fei1qu4. zu Himmel fliegen Dieser Vogel gab ein paar Laute von sich und flog wieder zum Himmel hinauf. (Wippermann 1993, S. 188) Das Subjekt des zweiten Teilsatzes kann wieder eingesetzt werden: (III.18.b) Zhe4 der zhi3 niao3 jiao4 le0 ji3 sheng1, CL rufen perfASP einige Laut Vogel zhe zhi niao you xiang tiankong feiqu der CL Vogel wieder zu Himmel fliegen. Dieser Vogel gab ein paar Laute von sich, dieser Vogel flog wieder zum Himmel hinauf. Das Beispiel ist in dieser Hinsicht ein komplexer Satz. Im Gegensatz dazu ergibt sich bei dem Satz (III.19.a) eine Sinnverzerrung, wenn das Subjekt des zweiten Teilsatzes wieder realisiert wird (III.19.b): (III.19.a) Hen3 duo1 sehr viele ren2 dao4 Mei3guo2 nian4shu1. Mensch gehen nach Amerika studieren. Sehr viele Menschen gehen nach Amerika, um zu studieren. (III.19.b) Hen3 ren2 dao4 Mei3guo2, hen3 duo1 viele Mensch gehen nach Amerika sehr viele sehr duo1 ren2 nian4shu1. Mensch studieren. Sehr viele Menschen gehen nach Amerika, sehr viele Menschen studieren. Satz (III.19.a) ist also ein einfacher Satz. Diese Einsatzprobe scheint auf syntaktischer Ebene zuverlässiger zu sein als das Merkmal der Pause für komplexe Sätze. Die Nicht-Einsetzbarkeit eines sich wiederholenden Subjekts kann jedoch nicht immer rein syntaktisch erklärt werden; sie ist vielmehr auch von stilistischen, situationalen usw. Faktoren abhängig. Für eine Einteilung SVC-ähnlicher Konstruktionen in komplexe und einfache Strukturen müssten also zusätzliche Merkmale bestimmt werden, die eine einschlägige syntaktische Unterscheidung erlauben. III.2.2 SVC als Kontraktionssatz Wang Li führt den Begriff des Kontraktionssatzes als Untertyp von komplexen Sätzen ein (Wang Li 1943, S. 149). Der Kontraktionssatz besteht aus zwei Teilsätzen mit unterschiedlichen Subjekten, die jedoch ohne Konjunktion bzw. Komma aneinandergereiht werden: (III.20) Ba3 na4 BA dieses hai2zi4 la1guo4lai2 wo3 qiao2qiao2 pi2rou4. Kind ansehen Äußeres herbringen ich Bring das Kind mal her, ich sehe es mir mal an. (Wang Li 1943, S. 151) Dieser Satz wird als eine hybride Form betrachtet: es handelt sich eindeutig nicht um einen einfachen Satz, da er aus zwei vollständigen Teilsätzen besteht. Da jedoch die Trennung der beiden Sätze weder durch ein Komma noch durch eine Konjunktion markiert wird, wird er auch nicht als komplexer Satz eingestuft. Wang Li postuliert hierfür den Kontraktionssatz als neue syntaktische Kategorie „zwischen einfachem und komplexen Satz“: (III.21) Die zweite NP wird nach wie vor getilgt, sofern sie mit der ersten NP koreferentiell ist. Wang Li gibt Beispiele für Kontraktionssätze, die heute als subordinative oder koordinative Verbalserien eingeordnet werden: (III.22) Ta1 er fang4xia4 fan4 zou3. niederstellen essen weggehen Er stellte das Essen nieder und ging. (III.23) Ta1 er chu1qu4 kai1 men2. hinausgehen öffnen Tür Er ging hinaus und öffnete die Tür. Wang Li deutet hierbei bereits an, dass in koordinativen Konstruktionen eine zeitliche Abhängigkeit zwischen den beschriebenen Ereignissen besteht: das erste Ereignis muss abgeschlossen sein, bevor das zweite Ereignis anfangen kann. Es bleibt jedoch unklar, wie Kontraktionssätze, deren Verben ein gemeinsames Subjekt teilen, von einfachen Sätzen, die ebenfalls durch die Abwesenheit von Kommas oder Konjunktionen charakterisiert werden, unterschieden werden können. Wang Li gibt keine semantischen Kriterien zur Unterscheidung dieser Strukturen, jedoch entsteht der Eindruck, dass nur Konstruktionen, deren Konstituenten in einer zeitlichen oder anderen semantischen Abhängigkeitsbeziehung stehen, als Kontraktionssätze eingeordnet werden. III.2.3 SVC als Kompositum Nach dem Versuch, die SVC als komplexe syntaktische Struktur einzuordnen, wollen wir das Problem von einer anderen Seite angehen und Gemeinsamkeiten zwischen SVCs und lexikalischen Komposita betrachten. Zwischen den Konstituenten der SVC besteht oft eine enge Verknüpfung. Diese weist eher die Charakteristika einer Kombination von Wörtern in einem verbalen Kompositum als die einer Aufeinanderfolge unabhängiger syntaktischer Einheiten auf (Zwicky 1990). In der Tat haben lexikalische Komposita eine Reihe von Eigenschaften, die für die Analyse von SVCs relevant sein können. Komposita werden aus einzelnen Wörtern zusammengesetzt; SVCs bestehen im Chinesischen oft aus Phrasen, intransitive Verben werden jedoch ohne Komplemente kombiniert und ergeben wortähnliche Einheiten, die in nichtserialisierenden Sprachen mit einem Prädikat übersetzt werden. SVCs im Chinesischen können in dieser Hinsicht als Vorgänger der vielfältigen Resultativkonstruktionen, die sich im Laufe der Zeit zu lexikalischen Komposita entwickelt haben, betrachtet werden. Die Wörter eines Kompositums werden ohne Markierung nebeneinander gestellt. Zwischen ihnen besteht eine enge semantische Verbindung; in der SVC wird in der Regel Bezug auf ein übergreifendes Ereignis genommen. Wie wir jedoch im Abschnitt I.3.1 (Verbalkomposita) gesehen haben, stellt das Kompositum ein lexikalisches Phänomen mit begrenzter Produktivität dar, während die SVC als syntaktische Erscheinung analysiert wird und auch in uneingeschränkt produktiven Formen vorkommt. Es muss angemerkt werden, dass SVCs bestimmter Kategorien (s. III.4.2) häufig von Lexikalisierungsprozessen betroffen werden. Sie entwickeln sich sodann zu Komposita und verlieren dadurch ihre semantische Ambiguität. In diesem Abschnitt konnten wir sehen, das eine Charakterisierung der SVC als Aneinanderreihung unabhängiger syntaktischer Einheiten im Sinne komplexer Saätze problematisch ist; eine Klassifizierung als Komposita ist ebenfalls nicht möglich, da Komposita in einem begrenzten lexikalischen Rahmen gebildet werden und ein unterschiedliches syntaktisches Verhalten aufweisen. Um unsere Analyse auf SVC-interner Ebene fortsetzen zu können, müssen wir einen Rahmen bestimmen, der eine Umgrenzung der SVC als Konstituente innerhalb des Satzgefüges und somit eine Unterscheidung der Satzelemente in SVCexterne und SVC-interne Komponenten erlaubt. An dieser Stelle nehmen wir an, dass die SVC als im Satzgefüge als Gesamteinheit mit Prädikatfunktion fungiert. III.2.4 SVC als komplexes Prädikat Neben dem Prädikat können SVCs im Satz auch als Subjekte, Objekte, Komplemente und Attribute fungieren. Um eine logische Abgrenzung der SVC als zusammengehörende Einheit zu ermöglichen, werden wir die SVC jedoch hauptsächlich in ihrer Prädikatfunktion untersuchen, wie sich dies für eine aus Verbalphrasen bestehende Konstruktion anbietet. Die Verben einer SVC agieren als eine syntaktische Einheit und können keine separaten Markierungen syntaktischer oder semantischer Abhängigkeit annehmen. Betrachtet man als SVCs eingeteilte Konstruktionen in anderen serialisierenden Sprachen, so stellt man fest, dass gleiche Verben unterschiedliche Transitivitätsstrukturen haben können, wenn sie in SVCs und einzeln verwendet werden können. SVCs werden in nicht-serialisierenden Sprachen meist mit einem einzigen Prädikat übersetzt (Durie 1997: 291); die Interpretation kann sich jedoch ändern, wenn die SVC in eine koordinative Struktur mit den gleichen Konstituenten umgewandelt wird. Bei unserer Analyse semantischer Abhängigkeitsbeziehungen und der verzweigten Argumentstruktur von Verbalserien werden wir die SVC also weiterhin auf funktionaler Ebene als prädikative Einheit betrachten, um somit eine klare Abgrenzung von anderen Satzkomponenten zu gewährleisten. III.3 Syntaktische und semantische Zusammenhänge in der SVC III.3.1 Semantische Ausdrucksmöglichkeiten Im Folgenden seien die geläufigen Ausdrucksmöglichkeiten von SVCs im Chinesischen zusammengefasst. Wenn man annimmt, dass SVCs dem Ausdruck temporaler und/oder funktionaler Abhängigkeiten dienen, kann man die verschiedenen semantischen Zusammenhänge nach der zeitlichen Beziehung (sukzessiv/simultan) einteilen: Die Konstituenten der sequentiellen SVC sind auf syntaktischer und semantischer Ebene gleichrangig; für die anderen Kategorien werden wir annehmen, dass zwischen den Konstituenten in jedem Falle eine hierarchische Beziehung auf semantischer Ebene besteht. Die SVCs bestehen also jeweils aus einer übergeordneten und einer untergeordneten VP. 1. Sukzessivität und temporale Abhängigkeit a. Sequentialität Die sequentielle SVC drückt eine Folge aufeinanderfolgender Ereignisse aus: (III.24) Wo3 ich qi3 chuang2 chuan1 yi1fu0. aufstehen Bett Kleidung anziehen Ich bin aufgestanden und habe mich angezogen. (III.25) Ta1 er chu1qu4 kai1 men2. hinausgehen öffnen Tür Er geht hinaus und öffnet die Tür. (III.26) Ta1 er qu3 qian2 qu4 guang4jie1. abheben Geld gehen einkaufen Er hebt Geld ab und geht einkaufen. Ausschlaggebend bei der Deutung dieser SVCs ist, dass sie mehrere Ereignisse bezeichnen, die sich unter Einbezug von konzeptuellem Wissen in eine logische Abfolge bringen lassen. Bei einem Positionswechsel der Glieder entstehen immer grammatische Sätze, die Bedeutung der ursprünglichen Aussage wird jedoch verändert: (III.27) Ta1 er kai1 men2 chu1qu4. öffnen Tür hinausgehen Er öffnet die Tür und geht hinaus. (III.28) Ta1 Er qu4 guang4jie1 qu3 qian2. gehen einkaufen abheben Geld Er geht einkaufen und hebt Geld ab. Solche Konstruktionen werden als asymmetrische Koordination betrachtet (Wippermann 1993, S. 246). Im Unterschied dazu kann bei der symmetrischen Koordination in der Regel keine spezifische zeitliche Abhängigkeit zwischen den Gliedern etabliert werden: (III.29) Zai4 auf wan3hui4 ta1 he1 jiu3 tiao2wu3. Party trinken Wein tanzen er Auf der Party trinkt er Wein und tanzt. (III.30) Ta1 er tian1tian1 xie3 xin4 hui4 ke4. täglich Brief empfangen Besucher. schreiben Er schreibt täglich Briefe und empfängt Besucher. In diesem Sätzen können die Konstituenten ohne Bedeutungsänderung vertauscht werden. Die Ereignisse in den Beispielen können sukzessiv, simultan oder abwechselnd ablaufen und sich beliebig wiederholen, wobei auch Konzeptwissen nicht zur Identifizierung einer vorzuziehenden Interpretation beiträgt; zur Deutung der zeitlichen Beziehung können nur pragmatische und kontextgebundene Faktoren herangezogen werden. b. Temporalität Der Ausdruck der „Temporalität“ (shijian, Wippermann 1993: 209) wird hier der Vollständigkeit halber angeführt. Er wird von einigen chinesischen Grammatikern (z. B. Chao 1968: 336) als mögliche semantische Variante der SVC angeführt, weist jedoch starke Ähnlichkeit mit der Sequentialität auf. Die erste Komponente wird dabei als relative „Zeitangabe“ interpretiert: (III.31) Ni3 du chi1 le0 wan3fan4 qu4 kan4 essen perfASP Abendessen gehen sehen dian4ying3. Film Du isst zu Abend und gehst (dann) ins Kino. Nach dem Abendessen gehst du ins Kino. (III.32) Wo3men0 deng3 wir warten ta1 zou3 tao3lun4 zhe4 jian4 shi4. er gehen diskutieren diese CL Sache Wir warten, bis er geht, und diskutieren dann diese Angelegenheit. (III.33) deng3 yi1 huir4 qu4 warten ein bißchen gehen etwas warten und gehen (etwas später gehen) An diesen Beispielen lässt sich argumentieren, dass das in der ersten VP beschriebene Ereignis weniger des semantischen Gehalts wegen erwähnt wird, sondern eher der zeitlichen Positionierung des zweiten Ereignisses dient; dieses beinhaltet offenbar den eigentlichen semantischen Wert der SVC. Mit der Zeitpartikel yi3hou4: nachdem/danach lassen sich solche Konstruktionen in komplexe Sätze umwandeln: (III.34) Ni3 chi1 du le0 wan3fan4 yi3hou4 qu4 kan4 essen perfASP Abendessen danach gehen sehen dian4ying3. Film Nachdem du zu Abend gegessen hast, gehst du ins Kino. Die Grenzziehung zwischen der temporalen und der sequentiellen Beziehung der SVC-Konstituenten ist subtil und erfordert den Einbezug situationaler Faktoren. Im Rahmen einer formalen Analyse sollte es jedoch akzeptabel sein, dass beide Typen als sequentielle SVCs zusammengefasst werden: die dabei implizierte Aufeinanderfolge der geschilderten Ereignisse trägt auch dem semantischen Gehalt von SVCs, die ein Ereignis zum Zwecke einer relativen Zeitangabe beschreiben, Rechnung. 2. Sukzessivität / Simultaneität und funktionale Abhängigkeit a. Zweck / Ziel (Finalität) Bei finalen Sätzen stellt in der Regel die durch die VP2 umschriebene Handlung den Zweck der Handlung in VP1 dar: (III.35.a) Wo3 zhe4 ci4 hui2lai2 he2 ni3 suan4 zhang3. ich diese Mal zurückkommen mit du abrechnen Rechnung Dieses Mal komme ich zurück, um mit dir abzurechnen. Eine solche Struktur lässt sich mit der Konjunktion (shi4) wei4le0: um in einen komplexen Satz umwandeln und dadurch entambiguisieren: (III.35.b) Wo3 zhe4 ich diese ci4 hui2lai2 shi4 wei4le0 he2 ni3 suan4 Mal zurückkommen sein um mit du abrechnen zhang3. Rechnung Dieses Mal komme ich zurück, um mit dir abzurechnen. b. Ursache / Folge (Kausalität) Kausale SVCs drücken in der SVCs eine Situation oder ein Ereignis aus, an denen die durch das Subjekt bezeichnete Einheit gewollt oder ungewollt beteiligt. Diese Situation trägt das in VP2 umschriebene Ereignis als Auswirkung nach sich: (III.36.a) Wo3 wei2fan3 ich verletzen ji4lü4 bei4 pi1ping2 le0. Disziplin PASS Kritik perfASP Ich habe die Disziplin verletzt und (aus diesem Grund) Kritik erlitten. (III.36.b) Wo3 you3 ich haben shi4 bu4 chu1qu4. Angelegenheit nicht ausgehen Ich habe zu tun und gehe (deshalb) nicht aus. Durch die Kombination mit der kausalen Konjunktion yin1wei4: weil entstehen komplexe Sätze, die eindeutig interpretiert werden können: (III.37.a) Wo3 yin1wei4 wei2fan3 ji4lü4 bei4 pi1ping2 le0. ich weil verletzen Disziplin PASS Kritik perfASP Weil ich die Disziplin verletzt habe, habe ich Kritik erlitten. (III.37.b) Wo3 ich yin1wei4 you3 shi4 bu4 chu1qu4. weil Angelegenheit nicht ausgehen haben Ich gehe nicht aus, weil ich zu tun habe. 3. Simultaneität und temporale Abhängigkeit SVCs werden selten zum Ausdruck der temporalen Beziehung zweier gleichzeitig ablaufender Handlungen verwendet. Bei simultanen Handlungen dienen SVCs in der Regel dem Ausdruck funktionaler Zusammenhänge zwischen den Inhalten der beiden Konstituenten. Zur Betonung der simultanen zeitlichen Beziehung zwischen den beschriebenen Handlungen können die beiden VPs durch die Partikel des durativen Aspekts zhe markiert werden: (III.38) Ta1 er chi1 zhe0 fan4 essen durASP Essen kan4 zhe0 bao4. lesen durASP Zeitschrift Er isst und liest (gleichzeitig) eine Zeitschrift. 4. Simultaneität und funktionale Abhängigkeit Die VP2 dient dem Ausdruck des übergreifenden Ereignisses. Die VP1 gibt die Art und Weise, einen Umstand oder eine Bedingung an, die dieses Ereignis begleiten. a. Umstand Die erste VP gibt einen Umstand an, unter dem das durch die VP2 beschriebene Ereignis stattfindet: (III.39) Ta1 er zuo4 fei1ji1 fa1sheng1 le0 shi4gu4. sitzen Flugzeug passieren perfASP Unfall Ein Unfall ist passiert, als er im Flugzeug saß. Die VP1 ist semantisch der VP2 untergeordnet. b. Instrumentalität / Modalität Die VP1 beschreibt die Art und Weise, auf die eine Handlung ausgeführt wird; bei instrumentalen SVCs werden meistens die Verben na: nehmen / yong: benutzen als V1 verwendet: (III.40.a) Ta1 na2 kuai4zi4 chi1 fan4. er Stäbchen essen Essen nehmen Er nimmt Stäbchen und isst. / Er isst mit Stäbchen. (III.40.b) Ta1 qi2 er reiten ma3 chou1yan1. Pferd rauchen Er reitet ein Pferd und raucht. Auf dem Pferd reitend raucht er. Solche Sätze können durch die Partikel des durativen Aspekts zhe in der VP1, die die simultane Zeitbeziehung zwischen den Handlungen festlegt, entambiguisiert werden: (III.41.a) Ta1 na2 er nehmen zhe0 kuai4zi4 chi1 fan4. durASP Stäbchen essen Essen Er nimmt beim Essen Stäbchen. (III.41.b) Ta1 er qi2 zhe0 ma3 chou1yan1. reiten durASP Pferd rauchen Auf dem Pferd reitend raucht er. c. Konditionalität (Bedingung) Manchmal wird auch die Konditionalität als möglicher interner Zusammenhang der Verbalserie angeführt: „[Chinesische Grammatiker] meinen, dass das erste Glied einer Verbalserie die Bedingung ausdrücke, unter der die durch das zweite Konjunkt bezeichnete Handlung stattfindet.“ (Wippermann 1993, S. 208) Betrachtet man die Beispiele, die für konditionale SVCs angeführt werden, fällt auf, dass es sich dabei meist um Sätze mit Modalverben handelt: (III.42) You3 haben shen2me0 shi4qing0 ke3yi3 zhao3 wo3. welche können suchen mich Problem Wenn du ein Problem hast, kannst du mich aufsuchen. (III.43) Ni3 du mai3 zhe4 kaufen diese zhong3 CL Wang2fu4jing3 qu4. Wangfujing gehen yi1liao4 yao4 Stoff müssen dao4 zu Wenn du einen solchen Stoff kaufen willst, musst du zur WangfujingStraße gehen. Wir können also sehen, dass SVCs in vielfältigen semantischen Varianten vorkommen können; unabhängig von dem Bedeutungszusammenhang wird dabei dennoch die gleiche lineare Struktur (V (NP) V (NP)) beibehalten. Diese Struktur kann durch Aspektmarkierung ergänzt werden. In dem folgenden Abschnitt untersuche ich, wie Aspektpartikeln zu einer semantischen Entambiguisierung der zeitlichen und kausalen Beziehungen in SVCs beitragen können. III.3.2 Entambiguisierung durch Aspektmarkierung In dem vorhergehenden Abschnitt wurden die möglichen semantischen Abhängigkeiten zwischen den Konstituenten von SVCs angeführt. Dabei haben wir einige Beispiele gesehen, in denen einzelne Konstituenten eine unabhängige Aspektmarkierung mit den Partikeln zhe (durativer Aspekt) bzw. le (perfektiver Aspekt) tragen: (III.44) Ni3 chi1 du essen le0 wan3fan4 qu4 kan4 dian4ying3. perf.ASP Abendessen gehen sehen Film Du isst zu Abend und gehst (dann) ins Kino. / Nach dem Abendessen gehst du ins Kino. (III.45) Ta1 er qi2 zhe0 ma3 chou1yan1. reiten durASP Pferd rauchen Auf dem Pferd reitend raucht er. Es wurde auch festgestellt, dass die Aspektmarkierung teils zu einer Spezifizierung der temporalen Beziehung zwischen den Ereignissen beitragen kann. Ich werde diese Erkenntnis anhand weiterer Beispiele systematisieren sowie einige Regeln für die Auswirkungen von Aspektmarkierungen auf die Bedeutung der SVCs aufstellen. Chang (1990) führt eine ansatzweise Analyse der aspektuellen Markierung von SVCs durch. Es sei nochmals erwähnt, dass sich Changs Auffassung von SVCs, die an Bakers Ansatz (1989) anlehnt, auf Konstruktionen begrenzt, die die Bedingung der „shared reference“ erfüllen. Im Gegensatz jedoch zu Baker, dessen zweiköpfige SVC eine Aspektmarkierung für jedes Verb erlaubt, behauptet Chang, dass jeweils nur ein Verb der SVC markiert werden kann. Diese Behauptung erklärt Chang durch die thematischen Strukturen der Verben. Laut Bresnan / Kanerva (1989) werden bei der Kongruenzmarkierung Verben mit einer „starken“ thematischen Struktur ([Agent, Patient], [Agent, Theme]) vor Verben mit „schwachen“ thematischen Strukturen ([Agent, Benefactive], [Agent, Goal] und andere reduzierte Strukturen) markiert. Im Chinesischen gibt es keine Kongruenzmarkierungen; es werden lediglich syntaktische Partikel zur Markierung des Aspekts angewendet, die laut Chang in der gleichen Weise verteilt werden wie Kongruenzmarkierungen. Dies sei an Changs Beispiel illustriert: (III.46.a) Ta1 zhong3 er anpflanzen cai4 mai4. Gemüse verkaufen Er pflanzt Gemüse an, um es zu verkaufen. Chang stellt die Struktur wie folgt dar: (III.46.b) An dieser Stelle soll vorerst nicht untersucht werden, inwieweit die Analyse des Satzes als koordinative Struktur gerechtfertigt ist. Wir lesen an der Darstellung lediglich die thematischen Strukturen der beiden Verben ab: das Verb zhong hat die „starke“ thematische Struktur V[Ag, Pt]. Das Verb mai hat die reduzierte Struktur [R-Ag, R-Pt] (mit R = reduziert), die als „schwächer“ gilt. Dieses Schema ist allgemein gültig für Konstruktionen mit getilgten Objekten; aus der Behauptung von Chang können wir folgern, dass in solchen Konstruktionen immer das V1 die Aspektmarkierung erhält: (III.47) Ta1 zhong3 le0 cai4 mai4. er anpflanzen perfASP Gemüse verkaufen Er hat Gemüse angepflanzt, um es zu verkaufen. Chang führt also eine Erklärung der perfektiven Aspektmarkierung des ersten Verbs anhand der thematischen Struktur ein. Wir wollen jedoch untersuchen, inwieweit sich diese Begründung auch auf komplexe Konstruktionen mit mehreren Objekten, die wir hier im Rahmen der SVCs betrachten, anwenden lässt. Wir werden dabei sehen, dass in solchen SVCs durchaus mehrere Markierungen, und zwar auch mit der Partikel des durativen Aspekts zhe, zulässig sind. Aspektmarkierungen können die Interpretationsmöglichkeiten von SVCs einschränken. Je nachdem, ob sie symmetrisch oder asymmetrisch sind, können sie ferner eine neutrale koordinative Konstruktion in eine semantisch subordinative SVC, und vice versa, umwandeln. Nach Gang dienen Aspektmarkierungen in Verbalserien der Spezifizierung der zeitlichen Beziehung zwischen den Gliedern: In einer Verbserie kann der perfektive Aspektmarker analog zu einem durativen Aspektmarker eine spezifische temporale Beziehung von Ereignissen erzwingen (Gang 1997, S. 146). Er führt dazu folgendes Beispiel ein: (III.48) Ta1 mai4 hua4 mai3 shu1. Er Bilder kaufen Büch verkaufen Er verkauft Bilder und kauft Bücher. Ohne Berücksichtigung kontextueller und pragmatischer Faktoren würde man diese SVC am ehesten als koordinative Kombination von zwei konsekutiven, sich abwechselnden oder parallelen Ereignissen auffassen. Eine Markierung der beiden Verben mit le spezifiziert jedoch die interne temporale Beziehung in der SVC2 („Zeitexklusion“, s. Gang 1997, S. 146): (III.49) Ta1 mai3 Er le0 hua4 mai3 verkaufen perfASP Bild le0 kaufen perfASP shu1. Buch Er hat Bilder verkauft und dann Bücher gekauft. 2 Die Motivation für eine konsekutive Interpretation in diesem Falle kann einem Nicht-Muttersprachler schwer nachvollziehbar erscheinen, trägt le doch im Einzelnen nur zu einer symmetrischen Markierung der Vollendung der beiden Handlungen bei, was an sich keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesen herstellt. Des Weiteren wandelt sich die unspezifische zeitliche Beziehung bei einer symmetrischen Markierung des Durativs mit zhe in eine simultane Beziehung: (III.50) Ta1 yao1huang2 (zhe0) Er wiegen tou2 chang4 (zhe0) yi1 (durASP) Kopf singen (durASP) ein shou3 ge1. CL Lied Er wiegt den Kopf und singt ein Lied. Durch die Markierung wird eine „Zeitinklusion“ (Gang 1997, S. 144) erreicht, die Handlungen überlappen sich im Zeitablauf. Wir sehen also, dass durch den durativen Aspekt die Simultaneität von Handlungen ausgedrückt wird, während der perfektive Aspekt eine konsekutive Beziehung zwischen Ereignissen etabliert. Unter Bezugnahme auf die im vorhergehenden Abschnitt angeführten Interpretationsmöglichkeiten von SVCs wollen wir weiterhin untersuchen, wie die Semantik von SVCs durch Aspektmarkierung spezifiziert werden kann. Wir werden vor allem sehen, dass sich eine unmarkierte zweideutige SVC durch asymmetrische Aspektmarkierung in eine eindeutig interpretierbare subordinative Konstruktion umwandeln kann. A. Konsekutive Beziehung mit le Wir konnten die Sequentialität und die Temporalität als Ausdrucksmöglichkeiten für SVCs mit temporalen Beziehungen, jedoch ohne funktionale Abhängigkeit identifizieren. Die Sequentialität kann, wie oben gesehen, durch eine Markierung der beiden Konstituenten mit le spezifiziert werden: (III.51) Wo3 qi3 Ich aufstehen le0 chuang2 chuan1 perfASP Bett le0 anziehen perfASP yi1fu0. Kleidung Ich bin aus dem Bett aufgestanden und habe mich angezogen. Ebenso kann die Temporalität mit dem perfektiven Aspekt ausgedrückt werden. Wie wir im Abschnit I.2.1 (Aspektmarkierung) sehen konnten, wird le verwendet, um ein eingrenzbares, bestimmtes Ereignis zu markieren. In einem Satz wie (III.52) Ni3 chi1 Du le0 wan3fan4 qu4 kan4 dian4ying3. perfASP Abendessen gehen sehen Film essen Nachdem du zu Abend gegessen hast, gehst du ins Kino. stellt wanfan ein nicht abgegrenztes, unbestimmtes Ereignis dar. Wie ist in diesem Falle die Verwendung von le zu erklären? Wir haben gesehen, dass le zur Markierung des ersten Glieds einer Ereigniskette verwendet werden kann, da es dadurch eine zeitliche Abgrenzung durch das ihm nachfolgende Ereignis erfährt. In der Tat würde der alleinstehende Satz (III.53) ?Ni3 du chi1 le0 wan3fan4. essen perfASP Abendessen (Du hast Abendessen gegessen.) Interpretationsschwierigkeiten verursachen, da man intuitiv eine Fortführung des Gedanken durch einen folgenden Hauptsatz erwartet. In der SVC wird diese Funktion durch das zweite Glied übernommen; die VP1 ist der VP2 untergeordnet. Die Temporalität in Form einer situationalen Zeitangabe wird in SVCs also durch eine Markierung der ersten Konstituente mit dem perfektiven Aspekt ausgedrückt, wobei die folgende Struktur entsteht: V1 le (NP) V2 (NP) In dieser linearen Abfolge können sich jedoch auch finale SVCs, die neben der Zeitexklusion auch eine funktionale Abhängigkeit ausdrücken, präsentieren: (III.54) Ta1 mai4 Er verkaufen le0 hua4 mai3 perfASP Bild kaufen shu1. Buch finale Interpretation: Er hat Bilder verkauft, um Bücher zu kaufen. temporale Interpretation: Nachdem er Bilder verkauft hat, hat er Bücher gekauft. Bei der Unterscheidung von Temporalität und Finalität muss deshalb auf Konzeptwissen zurückgegriffen werden. Als Varianten für funktionale Abhängigkeiten zwischen Konstituenten von SVCs mit einer konsekutiven zeitlichen Beziehung haben wir die Finalität (Zweck einer Handlung) sowie die Kausalität (Ursache und Folge) untersucht. Die kausale Abhängigkeitsbeziehung wird durch eine Markierung der zweiten VP hergestellt: V1 (NP) V2 le (III.55) Ta1 xie3 Er schreiben (NP) zi4 ai4 le0 ma3. Zeichen PASS: erleiden perfASP beschimpfen Wegen Schreiben wurde er beschimpft. Zur Markierung einer finalen Beziehung nimmt die erste VP le0 an: V1 le (III.56) Ta1 er (NP) V2 (NP) mai4 le0 hua4 mai3 shu1. verkaufen perfASP Bild kaufen Buch Er hat Bilder verkauft, um Bücher zu kaufen. 2. Simultane Beziehung mit zhe0 Wie schon im vorhergehenden Abschnitt erwähnt wurde, kann die Simultaneität ohne funktionalen Zusammenhang stattfindender Ereignisse durch eine symmetrische Markierung mit zhe ausgedrückt werden: (III.57) Ta1 mai4 Er verkaufen zhe0 hua4 mai3 durASP Bild kaufen zhe0 shu1. durASP Buch Er verkauft Bilder und kauft (gleichzeitig) Bücher. Derartige Konstruktionen sind weniger geläufig. In der Regel bleiben SVCs mit simultanen Handlungen unmarkiert; man überlässt es dem Empfänger der Nachricht, aus dem situationalen und sprachlichen Kontext auf die zeitliche Beziehung zwischen den Ereignissen zu schließen. Hingegen wird zhe häufig in den „untergeordneten“ Konstituenten subordinativer Konstruktionen verwendet. Zum Ausdruck der Instrumentalität oder der Modalität kann die erste VP mit zhe markiert werden: (III.58) Ta1 qi2 Er reiten zhe0 ma3 chou1yan1. durASP Pferd rauchen. Ein Pferd reitend raucht er. (III.59) Ta1 na2 er halten zhe0 bi3 xie3 zi4. durASP Stift schreiben Zeichen Modalität: Einen Stift haltend schreibt er Zeichen. Instrumentalität: Er schreibt mit einem Stift Zeichen. Aus den zwei theoretisch möglichen Interpretationen des letzten Beispiels würde die zweite vorgezogen werden, soweit kein spezifischer Kontext die erste Deutung favorisiert. Wir konnten also feststellen, dass SVCs, die aspektuell markiert werden, in manchen Fällen ihre Zweideutigkeit verlieren. Auch andere Charakteristika, wie z. B. die Anordnung der Konstituenten nach dem Prinzip der zeitlichen Abfolge (s. Finalität), können durch Aspektmarkierung überschrieben werden. Diese Differenzen führen dazu, dass markierte SVCs von chinesischen Wissenschaftlern oft als „besondere Gruppe“ von SVCs betrachtet werden. Die Aspektpartikeln üben in der Tat eine spezifische semantische Funktion aus, die der von funktionalen oder temporalen Konjunktionen (mit denen sie auch häufig in nicht-serialisierenden Sprachen übersetzt werden) gleichkommt. Sie „ersetzen“ sozusagen diese Konjunktionen, die nur in komplexen Sätzen, aber nicht in SVCs verwendet werden können. Hier bietet es sich also an, markierte SVCs im Sinne der in Abschnitt II.3.1.1 betrachteten komplexe Sätze und die Partikeln in ihren spezifischen Positionen im Sinne „reduzierter“ Fassungen der Konjunktionen, die zur Schilderung von Zusammenhängen in komplexen Sätzen verwendet werden, zu betrachten. Die Motivation solcher SVCs könnte zum Beispiel im Streben zur Ökonomie sprachlicher Mittel, in der Betonung der Auffassung der geschilderten Ereignissen als eine einheitliche Situation oder in der allgemeinen Tendenz der chinesischen Sprache zu impliziten Zusammenhängen zwischen sprachlichen Äußerungen und dem Kontext- bzw. Konzeptwissen der Empfänger zu finden sein. III.3.3 Argumentstruktur und thematische Beziehungen In diesem Abschnitt werden wir uns den Verzweigungen, die in der thematischen Struktur von SVCs möglich sind, zuwenden. Wir werden sehen, dass subordinative SVCs häufig gemeinsame interne semantische Argumente aufweisen; dies ist einer der Gründe dafür, dass die SVC als zusammengehörige funktionale Einheit aufgefasst werden sollte. Wir betrachten zuerst aspektuell unmarkierte SVCs mit transitiven Verben und untersuchen, welche Verzweigungen der Argumentstruktur und der thematischen Beziehungen in diesem Fall möglich sind. Dabei sollen vor allem die Analyse von Baker sowie die Annahmen der Theta-Theorie als Grundlage dienen. Wir werden sehen, dass Argumente in solchen Konstruktionen häufig mehrere thematische Rollen zugewiesen bekommen, was auch zur Spezifizierung der Beziehung zwischen den Konstituenten beitragen kann. Baker behauptet, dass das Vorhandensein eines gemeinsamen direkten Objekts eine Bedingung für die Bildung von SVCs mit transitiven Verben ist. Dieses Kriterium schränkt jedoch das Spektrum möglicher SVCs stark ein. Baker benutzt folgendes Beispiel aus Yoruba: (III.60) Kofi Kofi naki Amba kiri. schlagen Amba töten. Kofi hat Amba totgeschlagen. In diesem Satz nehmen die Verben naki und kiri beide das Objekt Amba an. Wir sehen, dass das zweite Verb praktisch das Resultat der durch das erste Verb beschriebenen Handlung ausdrückt. Im Chinesischen würde ein analoger Zusammenhang durch ein lexikalisches Kompositum ausgedrückt werden: (III.61) Zhang1 Zhang da3 si3 le0 Li3. schlagen sterben perfASP Li Zhang hat Li totgeschlagen. Die SVC-interne NP „Li“ ist hier nicht mehr das gemeinsame Objekt der beiden Verben, sondern das Objekt von V1 und das Subjekt von V2. Das zweite Verb wird aufgrund einer reduzierten thematischen Struktur in der VP1 inkorporiert (Chang). Komposita sollen jedoch an dieser Stelle nicht in die Betrachtung einbezogen werden, da sie nicht frei formbar sind und im Gegensatz zu SVCs keine produktive grammatische Technik, sondern eine lexikalische Erscheinung darstellen. Ein chinesisches SVC-Beispiel, in dem die zwei VPs tatsächlich ein direktes Objekt teilen, wäre: (III.62.a) Ta1 mai3 shu1 du2. er Buch lesen. kaufen Er kauft Bücher, um sie zu lesen. Dieses Beispiel kann auch mit der Struktur von Baker analysiert werden: (III.62.b) Chang erweitert das Kriterium des gemeinsamen Objekts von Baker, indem er die Bedingung aufstellt, dass die Objekte der beiden Verben nicht nur linguistisch identisch sein, sondern auch der gleichen Einheit innerhalb der realen Weltordnung entsprechen müssen („shared reference“). Das Beispiel (III.63.a) Ta1 dao4 er le0 san1 bei1 eingießen perfASP yi1 bei1. ein Tasse cha2 drei CL:Tasse Tee he1 le0 trinken perfASP Er hat 3 Tassen Tee eingegossen und eine Tasse (davon) getrunken. ist nach Chang keine SVC. Obwohl cha hier als Objekt aufgefasst werden kann, beziehen sich die beiden NPs nicht auf dieselbe faktische Einheit; die entsprechende SVC-Konstruktion würde wie folgt aussehen: (III.63.b) Ta1 dao4 er le0 san1 bei1 cha2 he1 eingießen perfASP drei CL:Tasse Tee le0. trinken perfASP Er hat 3 Tassen Tee eingegossen und (drei Tassen Tee) getrunken. Um die Bedingung der Koreferenz zu erfüllen, müssen die beiden NPs identisch sein. Bei dieser Konstellation wird die zweite Kopie der NP getilgt. Die Tilgung der Objekt – NP von V2 kann einerseits durch die Wortreihenfolge von SVO- Sprachen gerechtfertigt werden: eine Konstituente Xm mit m 0 kann nur Theta-Rollen an links davon liegende Konstituenten zuweisen; da z. B. in (3) das V2 „du“ direkt an ein X´- Niveau projiziert, kann es also nur eine links davon platzierte NP als Objekt subkategorisieren. Andererseits scheint es im Chinesischen wie auch in anderen Sprachen üblich zu sein, identische Argumente von verschiedenen Verben aus Ökonomiegründen nicht zu wiederholen, soweit sie aus dem linguistischen oder situationalen Kontext gefolgert werden können. Diese Praktik thematisiert Ross in dem Directionality Constraint; er behauptet, dass identische Elemente in einer koordinierten Struktur nach vorwärts getilgt werden, soweit sie linksseitig verzweigt sind. Rechtsseitig verzweigte Elemente werden rückwärts getilgt. Nehmen wir an, dass unser Beispielsatz ursprünglich ein Satz mit zwei vollständigen, koordinierten Verbalphrasen war: (III.64.a) Ta1 mai3 er kaufen shu1 du2 Bücher lesen shu1. Bücher Er kauft Bücher und liest Bücher. so müsste Rückwärtstilgung angewendet werden: (III.64.b) * Ta er mai3 du2 shu1. kaufen lesen Bücher Es entsteht ein ungrammatikalisches Satzgefüge. Dies ist natürlich dadurch bedingt, dass einsilbige Verben im Chinesischen nicht direkt aufeinanderfolgen können. Betrachten wir also ein Beispiel mit der gleichen Struktur, aber mit mehrsilbigen Verben: (III.65.a) Ta1 chuang4zuo4 er komponieren yue4qu3 yan2chu1 yue4qu3. Musikstück aufführen Musikstück Er komponiert Musikstücke und führt Musikstücke auf. Bei Anwendung von Ross´ Directionality Constraint erhält man: (III.65.b) Ta1 er chuang4zuo4 yan2chu1 yue4qu3. komponieren aufführen Musikstück Er komponiert und führt Musikstücke auf. Dieses Beispiel ist grammatikalisch korrekt und kann als Musterbeispiel der Koordination mit rückwärtsgehender Objekttilgung angesehen werden: weder wissen wir, ob er die gleichen Musikstücke aufführt, die er auch komponiert, noch kann aus der Konstruktion die semantische Beziehung zwischen dem Komponieren und dem Aufführen der Musikstücke erschlossen werden. Es ist also eine bloße Aneinanderreihung von zwei semantischen Inhalten. Wenn man präzisieren will, dass er komponiert, um aufzuführen, also die Idee des Zwecks der ersten Handlung vermitteln will, wird man die Aussage wie folgt formulieren: (III.65) Ta1 er chuang4zuo4 yue4qu3 yan2chu1. komponieren Musikstücke aufführen Er komponiert Musikstücke, um sie aufzuführen. Die Objekt-NP wurde nach vorne getilgt. Wie kann dieser Widerspruch mit Ross´ Regel erklärt werden? Ross´ Regel gilt nur für koordinierte Aussagen. Für Konstruktionen mit funktionalen Abhängigkeiten hat Huang ein anderes Konzept – die „anaphoric ellipsis“ – eingeführt. Huang´s Untersuchung der Komponententilgung setzt bei A-nicht-A-Fragen im Chinesischen an. Er beobachtet, dass eine Derivation von A-nicht-A-Fragen als reduzierte Koordination nach Ross´ problematisch ist. Der Satz (III.66) Ni3 xi3huan1 zhe4 du mögen dieses Magst du dieses Buch? ben3 shu1 bu4 CL nicht mögen Buch xi3huan1? müsste laut Ross unkorrekt sein; dass dies jedoch nicht der Fall ist, begründet Huang durch die Einführung der anaphorischen Ellipse, laut der die zweite Kopie des identischen Elements getilgt werden kann. Chang erweitert die Wirkung von Huang´s Regel auf bestimmte SVCs; sie begründet also auch die Akzeptierbarkeit des letzten Beispiels. Die anaphorische Ellipse wird von Chang an einer Reihe von Beispielen von SVCs untersucht, bis klar wird, dass sie allgemein auf Konstruktionen mit einer temporalen Beziehung zwischen den Komponenten – wie z. B. SVCs mit gemeinsamen Objekten - angewendet werden kann. Ross´ Directionality Constaint kann hingegen nur auf Koordinationsstrukturen angewendet werden. Wir haben in diesem Abschnitt die durch Baker beschriebene SVC mit einem einzigen Objekt für die beiden Verben untersucht. Im Chinesischen werden solche SVCs gebraucht, um den Zweck einer Handlung darzustellen. Ferner kann V1 in solchen Konstruktionen nicht frei gewählt werden. Es ist denkbar, dass das erste Verb in solchen Konstruktionen einer begrenzten lexikalischen Klasse angehört: V1 bezeichnet meistens eine gewollte Handlung der Besitzergreifung, die Umplatzierung oder aber die Schaffung einer Einheit, über die als Ergebnis in einer bestimmten Art verfügt werden kann; dies sei anhand einiger weiterer Beispiele veranschaulicht: (III.67) Ta1men0 dou1 sie alle zi4ji3 zuo4 yi1fu0 chuan1. selber machen Kleidung tragen Sie fertigen selber Kleidung an, um sie zu tragen. (III.68) Wo3 dao4 bei1 jiu3 he1. 8ch Glas Wein trinken einschenken Ich schenke ein Glas Wein ein, um es zu trinken. (III.69) jie4 leihen ta1 de0 fang2zi0 zhu4 yi1 xia4 er POSS Haus ein bißchen sein Haus kurz benutzen wohnen Das von Baker postulierte Kriterium des gemeinsamen Objekts hat also eine stark einschränkende Wirkung; es lässt viele der Konstruktionen außer acht, die „typische“ Merkmale von SVCs aufweisen und nicht eindeutig als Koordination oder Subordination eingeordnet werden können. Für die Analyse chinesischer SVCs ist auch der dritte Abschnitt von Baker´s Analyse interessant, in dem er „Ausnahmen“ („apparent exceptions to object sharing“) anführt. Baker kommt zu dem Schluss, dass die Unterscheidung der GB-Theorie zwischen Argumenten, denen Theta-Rollen zugewiesen werden, und Adjunkten, die in thematischen Beziehungen bestehen, nicht gerechtfertigt ist. Thematische Rollen wie Instrument, Benefactive, Comitative und Manner sollten vielmehr auf die gleiche Weise wie die Theta-Rollen Theme, Goal und Location analysiert werden. Im Chinesischen können vor allem für die Lokativund die Instrument-Rolle Analogien gefunden werden: - Instrument Bei der instrumentalen SVC weist das V2 dem Objekt von V1 eine Instrumentrolle zu: (III.70) Ta1 er yong4 shou3 chi1 fan4. benutzen Hand essen Essen Er isst mit den Händen. - Lokativ Ein V2, das eine Lokativ-NP subkategorisiert, weist in Yoruba an das Objekt des ersten Verbs eine Theme-Rolle zu: (Yoruba) (III.71) gbe eru tragen Gepäck ka para stellen auf Regal das Gepäck auf das Regal stellen In einigen SVCs im Chinesischen können ebenfalls Lokative spezifiziert werden; die thematische Struktur ist jedoch von Baker´s Beispielen abweichend. Es gibt 2 Fälle, in denen das Objekt des ersten Verbs von dem zweiten Verb eine Lokativ-Rolle zugewiesen bekommen kann: a. Finale SVCs mit Bewegungs-/Richtungsverben, die mit einer Zielangabe kombiniert werden: (III.72) Wo3 ich qu4 shi4chang3 mai3 cai4. gehen Markt kaufen Gemüse Ich gehe auf den Markt, um Gemüse zu kaufen. (III.73) Wo3 hui2 Ich zurückgehen jia1 shui4jiao4. Haus schlafen Ich gehe zurück nach Hause, um zu schlafen. b. SVC zum Ausdruck der Art und Weise von Ortsangabe gefolgtem Haltungsverb als V1: (III.74) Wo3 ich tang2 zai4 chuang2 shang4 xiang3. liegen auf Bett denken darauf Auf dem Bett liegend denke ich nach. (III.75) Ta1men0 zhan4 sie stehen zai4 men2kou3 chao3jia4. vor Eingang sich streiten Vor dem Türeingang stehend streiten sie sich. Bei diesen zwei Möglichkeiten ist die Ziel- bzw. Ortsangabe für das erste Verb gleichzeitig der Ort, an dem die durch das zweite Verb beschriebene Handlung stattfindet. III.4 Semantische und lexikalische Zusammensetzung von SVCs SVCs können nach semantischen und lexikalischen Gesichtspunkten in asymmetrische und symmetrische Konstruktionen eingeteilt werden (Aikhenvald 21). Asymmetrische SVCs enthalten ein Verb aus einer semantisch oder grammatisch eingeschränkten Klasse (untergeordnetes Verb) sowie ein Verb, das ohne Einschränkungen gewählt werden kann (übergeordnetes Verb): … often there is in the [SVC] construction one „lexical verb“, selected from a large class, and one or more „grammatical“ verbs, selected from a very limited, closed class. (Jansen, Koopman & Muysken, 1977) Das „lexikalische“, übergeordnete Verb bezeichnet das Hauptereignis, das die SVC umschreibt. Das untergeordnete Verb hingegen dient als semantischer Modifikator; so kann es die direktionale Orientierung der Handlung angeben oder einen Wert für Aspekt / Zeit spezifizieren. Das übergeordnete Verb ist der Kopf der Konstruktion; eine asymmetrische SVC kann in allen Fällen als Subordination analysiert werden. Die Reihenfolge der Komponenten folgt nicht unbedingt dem Prinzip der zeitlichen Aufeinanderfolge, sondern ist vom Typ der Konstruktion abhängig. Asymmetrische Konstruktionen unterliegen oft Grammatikalisierungsprozessen, bei denen das eingeschränkt wählbare Verb seine verbalen Eigenschaften bei Verwendung in SVCs z. B. zugunsten einer präpositionalen Funktion teilweise aufgibt. In anderen grammatischen Kontexten kann das Verb jedoch seine lexikalische Kategorie beibehalten. Die Verben symmetrischer Konstruktionen können frei gewählt werden ; ihre Kombination wird nur durch die Bedingung der semantischen Kompatibilität eingeschränkt. Die Reihenfolge der Komponenten folgt dem TS-Prinzip, sie gibt also die tatsächliche Abfolge des Ereignisses im Zeitverlauf wieder. Die Konstituenten der symmetrischen SVC sind gleichwertig, sie hat also mehrere Köpfe; die symmetrische SVC kommt der Koordination am nächsten, wird von dieser jedoch durch die NichtPermutierbarkeit der Glieder und den zeitlichen Zusammenhang zwischen den beschriebenen Ereignissen unterschieden. Symmetrische SVCs werden häufig lexikalisiert und entwickeln sich zu verbalen Komposita. Es folgt eine Aufstellung der einzelnen Funktionen, die durch SVCs der zwei Kategorien in serialisierenden Sprachen erfüllt werden können. Wir werden sehen, dass einige der Kombinationen im Chinesischen noch als SVCs verwendet werden, während andere sich als Ergebnis von Lexikalisierungs- und Grammatikalisierungsprozessen zu Komposita bzw. Koverben oder Partikeln entwickelt haben. III.4.1 Asymmetrische SVCs 1.1 Direktionale SVCs Die „deiktische“ SVC dient der Spezifizierung der Richtung bzw. Orientierung einer Handlung. Das untergeordnete Verb ist in den meisten Fällen ein Bewegungsverb mit einer inhärenten Richtungsangabe. Deiktische SVCs kommen in den meisten serialisierenden Sprachen vor und sind hoch produktiv. Chinesisch verfügt nicht über deiktische SVCs in diesem Sinne. Die Richtung einer Handlung wird durch Direktionalsuffixe ausgedrückt: (III.76) Ni3 du na2 xie1 yi1fu0 lai2. bringen einige Kleider RESULT.kommen Bring ein paar Kleider her. Sehr häufig sind jedoch im Chinesischen Konstruktionen mit Kombinationen von lai: kommen / qu: gehen. Die semantische Interpretation ist anders. Es handelt sich um finale Konstruktionen, in denen die Konstituente mit dem frei wählbaren Verb als „Zweck“ der mit lai / qu beschriebenen Intention interpretiert wird. Lai wird immer als erstes Verb verwendet: (III.77) Wo3 ich lai2 tiao2wu3. kommen tanzen Ich komme, um zu tanzen. Qu kann sowohl als V1 wie auch als V2 eingesetzt werden: (III.78) Wo3 ich qu4 mai3 cai4. gehen kaufen Gemüse Ich gehe Gemüse kaufen. (III.79) Wo3 ich mai3 cai4 qu4. kaufen Gemüse gehen Ich gehe Gemüse kaufen. Es kann bezweifelt werden, dass solche Konstruktionen SVCs sind. Der Grund dafür könnte in der eigenartigen lexikalischen Beschaffenheit der zwei Verben liegen, die in diesen Aussagen in der Regel ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren und dem Ausdruck einer Absicht dienen. In seiner typologisch orientierten Analyse der SVCs beschreibt Seuren SVCs mit diesen Verben wie folgt: Such constructions [constructions with go/come as V1, JL] are rife in a vast number of languages that are otherwise under no suspicion of allowing for serial verbs. … French has, for example, elle est allée boire (“she has gone drinking”), and Italian likewise: à andata beré. … Such cases must be ruled out, or else, it is felt, we miss out on what SVCs really are and all sorts of languages that are clearly not of the serializing type must then be thought to have SVCs. (Seuren 23) Im Gegensatz dazu können finale SVCs mit qu/lai als V1 in Kombination mit einer Ortsangabe als SVCs betrachtet werden, da das V1 hierbei seine ursprüngliche Bedeutung beibehält: (III.80) Wo3 Ich lai2 di4ting1 tiao2wu3. kommen Disco tanzen Ich komme in die Disco, um zu tanzen. (III.81) Wo3 qu4 Ich gehen shi4chang3 mai3 cai4. Markt Gemüse kaufen Ich gehe auf den Markt, um Gemüse zu kaufen. Ähnliche Konstruktionen sind auch in Kombination mit anderen Verben der Fortbewegung möglich; da diese jedoch im Gegensatz zu qu und lai keine intrinsische Spezifikation der Richtung haben, müssen sie mit einem Direktionalsuffix verwendet werden: (III.82) Wo3men0 pa2 wir klettern shang4 qu4 zhao4 zhao4pian4. DIR.hinauf Fotos machen Wir klettern hinauf, um Fotos zu machen. (III.83) Ta1 er pao3 hui2 jia1 chi1 fan4. rennen DIR.zurück Haus essen Essen Er rennt nach Hause zurück, um zu essen. 1.2 Aspektuelle SVCs Asymmetrische SVCs werden in manchen Sprachen verwendet, um eine Äußerung durch eine aspektuelle Dimension anzureichern. Sie können Verben enthalten, die z. B. die Kontinuität, die Wiederholung oder die Beendigung einer Handlung ausdrücken. Im Chinesischen werden zu diesem Zweck jedoch keine SVCs, sondern Aspektpartikeln (perfektiv: le, durativ: zhe) sowie Resultativsuffixe (Beendigung: wan, zhao, hao, liao, Kontinuität: xiaqu) verwendet. 1.3 Valenzsteigernde SVCs Vor allem in Sprachen, in denen eine Tendenz zur Vermeidung von Verben mit dreistelliger Valenz erkennbar ist, werden SVCs oft zur Einführung neuer Argumente verwendet. Die entsprechenden untergeordneten Verben weisen diesen Argumenten Rollen wie Benefaktiv, Kausativ, Instrument und Komitativ zu. Im Chinesischen wird die Valenz häufig durch Koverbkonstruktionen ausgeweitet; die folgenden Rollen können jedoch auch anhand von SVCs zugewiesen werden: - Instrument: mit den Verben na: nehmen / yong: brauchen, benutzen: (III.84) Ta1 na2 Er nehmen yi1 ge4 li4zi0 jie3shi4 ein CL Beispiel erläutern ta1 de0 er xiang3fa3. POSS Gedanke Er erläutert seinen Gedanken mit/an einem Beispiel. (III.85) Ta1 Er yong4 kuai4zi0 chi1 fan4. benutzen Stäbchen essen Essen Er isst mit Stäbchen. - Komitativ: mit dem Verb pei: begleiten: (III.86) Wo3 ich pei2 ta1 qu4 kan4 dian4ying3. begleiten er sehen Film gehen Ich gehe mit ihm ins Kino. Ein Argument, dem eine Komitativ-Rolle zugewiesen wird, wird häufig auch mit den Koverben he:und sowie gen:mit markiert. Das Benefaktiv kann mit den Koverben gei / wei in ihrer präpositionalen Funktion („für“) ausgedrückt werden. III.4.2 Symmetrische SVCs Symmetrische SVCs können in allen Varianten vorkommen, die unter III.3.1 (Semantische Ausdrucksmöglichkeiten) aufgelistet wurden . Sie stellen eine Herausforderung für die formale Analyse dar, da sie nur wenige lexikalische Anhaltspunkte für die Analyse der internen Beziehungen bieten; es ist also nicht möglich, auf theoretischer Basis Kategorien von Verben aufzustellen, die in symmetrischen SVCs kombiniert werden können. Für bestimmte Konstruktionstypen können jedoch Annahmen darüber getroffen werden, welche Verben bzw. Verbklassen darin am ehesten kombiniert werden können. Dazu gehört zum Beispiel die Konstruktion mit gemeinsamen direkten Objekt; wie wir gesehen haben, dient diese Konstruktion immer dem Ausdruck der Finalität. Durch das V1 wird eine direkte Einwirkung (in Form einer Besitzergreifung, einer Bewegung oder einer Schaffung) auf eine Einheit ausgedrückt mit dem Ziel, über diese Einheit durch die mit V2 beschriebene Handlung zu verfügen: (III.87) Wo3 Ich mai3 yi1fu0 chuan0. kaufen Kleidung anziehen Ich kaufe Kleidung, um sie anzuziehen. (III.88) Wo3 ich na2 yi1fu0 chuan1. nehmen Kleidung anziehen Ich nehme Kleidung, um sie anzuziehen. (III.89) Wo3 ich zuo4 yi1fu0 chuan1. machen Kleidung anziehen Ich fertige Kleidung, um sie anzuziehen. Es kann also angenommen werden, dass die Klasse von Verben, die als V1 in SVCs mit gemeinsamen Objekt vorkommen, eingegrenzt werden kann und somit eine geschlossene Klasse darstellt. Auch in Bezug auf SVCs, die Modalität ausdrücken, können Annahmen über eine häufige Verwendung von Verben bestimmter Klassen getroffen werden. So werden oft Haltungsverben zum Ausdruck der Art und Weise, auf die eine Handlung ausgeführt wird, gebraucht: (III.90) Ta1 er zuo4 zhe0 xie3 xin4. sitzen durASP schreiben Brief Er schreibt sitzend einen Brief. Durch die Partikel zhe kann diese Konstruktion eindeutig als Modalitäts-SVC interpretiert werden (s. III.3.2). Dies ändert sich jedoch, sobald das Haltungsverb mit einem Komplement kombiniert wird: (III.91) Ta1 zuo4 er sitzen zai4 di4 shang4 xie3 xin4. auf darauf Brief Erde schreiben Er schreibt auf der Erde sitzend einen Brief. (III.92) Ta1 er zuo4 zai4 di4 shang4 gan3mao4 le0. sitzen auf Erde darauf sich erkälten perfASP Weil er auf der Erde gesessen hat, hat er sich erkältet. Im zweiten Beispiel bietet sich eine kausale Interpretation an. Die möglichen Komponenten und Kombinationen von unmarkierten symmetrischen SVCs können nicht vollständig durch Bildung lexikalischer Klassen erfasst werden, da ihre Interpretation immer durch einen Grad von Willkürlichkeit, die durch den unumgänglichen Einbezug von Kontext- und Konzeptwissen entsteht, geprägt wird. Neben einer syntaktischen Typisierung von Verben, die in den beschriebenen SVCArten kombiniert werden können, ist für manche Konstruktionen jedoch auch die Aufstellung semantischer bzw. lexikalischer Verbklassen denkbar, die die für diese Konstruktionen charakteristischen Verben bzw. ihre Kombinationsmöglichkeiten zusammenfassen. Zum Abschluss dieses Teils sollen noch einmal die essentiell erscheinenden Eigenschaften der chinesischen SVC zusammengefasst werden: Syntaktische Eigenschaften Die SVC besteht aus zwei oder mehr Verbalphrasen, die ohne syntaktische Markierung aneinandergereiht werden. Die Verbalphrasen haben ein einziges externes Argument (das Subjekt). Jede Konstituente der SVC kann in einem anderen syntaktischen Kontext auch alleine als Prädikat eines Satzes fungieren. Die Glieder einer aspektuell unmarkierten SVC können permutiert werden. Semantische Eigenschaften Die SVC dient der Beschreibung eines übergreifenden Ereignisses. Das übergreifende Ereignis besteht aus Teilereignissen, die den einzelnen Konstituenten entsprechen; jedes Teilereignis kann bei isolierter Betrachtung als unabhängiges Ereignis aufgefasst werden. In der unmarkierten SVC können die Beziehungen zwischen den Teilereignissen auf mehrere Arten interpretiert werden. Unter Einbezug von Konzept- und Kontextwissen gibt es eine vorzuziehende Interpretation, bei der eine zeitliche und eventuell zusätzlich eine funktionale Abhängigkeitsbeziehung zwischen den Konstituenten etabliert wird. Eine Permutation der Konstituenten führt zu einer Sinnverzerrung; dabei ist möglich, dass ein Ausdruck entsteht, der den semantischen Kriterien der SVC nicht mehr entspricht. IV. Darstellung chinesischer SVCs im Rahmen von HPSG IV.1 Einführung in die HPSG Die Kopfgesteuerte Phrasenstrukturgrammatik, die ich in diesem Kapitel als Rahmen für die Darstellung der SVC verwende, gehört zu den beschränkungsbasierten Formalismen; diese können laut Shieber (1986, S. 6−7 ) durch folgende Eigenschaften charakterisiert werden: Oberflächenorientierung: Es wird die lineare Abfolge sprachlicher Zeichen im Satz dargestellt. Informationalität: Mit den Zeichenabfolgen werden bestimmte Informationen verknüpft. Induktivität: Durch die Assoziation von Zeichenabfolgen und von Informationen können neue Strukturen generiert werden. Deklarativität: Es werden lediglich mögliche Kombinationen von Zeichenabfolgen und Informationen dargestellt; ihre computertechnische Verarbeitung wird dabei außer Acht gelassen. Andere beschränkungsbasierte Grammatiken dieser Art sind: Kategorialgrammatik (CG) General Phrase Structure Grammar (GPSG) Lexical Functional Grammar (LFG) Functional Unification Grammar (FUG) Definite Clause Grammar (DCG) Die HPSG ist eine generative Grammatiktheorie: Sie führt eine Reihe von Regeln und Prinzipien ein, anhand derer alle möglichen Konstruktionen einer Sprache erzeugt bzw. lizensiert werden können. Hierzu wird ein Lexikon verwendet, in dessen Einträgen eine große Anzahl von Informationen zu einzelnen linguistischen Objekten gespeichert ist. Zur Modellierung von Informationen über Lexikoneinträge und Grammatikregeln werden komplexe Merkmalstrukturen verwendet, die phonologische, syntaktische und semantische Beschränkungen vereinen. In diesem Abschnitt werden der Aufbau der Merkmalstrukturen, die wesentlichen Funktionsprinzipien und Grammatikregeln in HPSG vorgestellt. Ich richte mich dabei nach dem im Standardwerk von Pollard/Sag (1994) eingeführten Rahmen; an einigen Stellen lehnen sich die Beschreibung wie auch die nachfolgende SVC-Analyse an Müller 2007 sowie Sag/Wasow/Bender 2003 an. IV.1.1 Aufbau der Merkmalstruktur in HPSG Linguistische Zeichen (signs) bilden den Analysegegenstand von HPSG. Die Objekte werden als Merkmalstrukturen (feature structures), die komplexe Informationsbündel sind, modelliert. Merkmalstrukturen sind zusammengesetzt aus Paaren von Attributen und den ihnen zugewiesenen Werten, wobei der Wert eines Attributs atomar oder aber wiederum eine komplexe Merkmalstruktur sein kann. Jede Merkmalstruktur beinhaltet komplexe Informationen über die phonologischen, syntaktischen und semantischen Eigenschaften eines sprachlichen Zeichens; die phonologische Form des Zeichens wird in dem Merkmal PHON angegeben. Syntaktische und semantische Informationen werden in dem Merkmal SYNSEM geordnet. Außer Merkmalstrukturen gibt es auch Merkmalbeschreibungen, in denen nur die für konkrete Analysen relevanten Teile von Merkmalstrukturen der modellierten Objekte enthalten sind. Wohlgeformte linguistische Strukturen erfahren in der HPSG eine zweifache Einschränkung: Sie werden einerseits durch Lexikoneinträge und andererseits durch die Grammatikregeln, die auf sie angewendet werden, begrenzt. Das Lexikon ist nach einer Typenhierarchie organisiert. In den Beschreibungen einzelner Typen werden Merkmale spezifiziert, die in Merkmalstrukturen linguistischer Objekte dieses Typs angegeben werden müssen. Jeder wohlgeformten vollständigen Merkmalstruktur wird ein maximaler Typ zugeordnet, d. h. ein Typ der untersten Hierarchieebene. Wir geben den Typ in der oberen Zeile der Merkmalstruktur bzw. –beschreibung in kursiver Schrift an. Anhand von Grammatikregeln werden Werte von Merkmalen festgelegt, die in der Merkmalbeschreibung einer durch diese Grammatikregel lizenzierten Phrase angenommen werden müssen: Die Beschreibungen der Töchter müssen mit den durch Grammatikregeln postulierten Einschränkungen unifizierbar sein. Unifikation in diesem Sinne bedeutet, dass die Merkmalstrukturen zusätzliche Informationen enthalten können. Sie dürfen jedoch keine Informationen aufnehmen, die den Angaben in der Grammatikregel widersprechen. Identische Bestandteile innerhalb von Merkmalbeschreibungen werden anhand von Strukturteilung markiert. Durch Strukturteilung kann angegeben werden, dass zwei unterschiedliche Merkmale in einer Struktur den gleichen Wert annehmen. Sie werden in diesem Fall durch Kennzeichnung mit einer Zahl in einer Box (z. B. ) miteinander identifiziert; eine solche Markierung ist für einen atomaren Wert wie auch für eine komplexe Struktur möglich. Mittels Strukturteilung können u. a. Verknüpfungen zwischen Informationen zu syntaktischer und semantischer Beschaffenheit eines Zeichens dargestellt werden. So können z. B. die semantischen Rollen, die von einem Verb zugewiesen werden, mit entsprechenden Indizes der syntaktischen Argumente in der Valenzliste dieses Verbs identifiziert werden. Jede Merkmalstruktur beinhaltet die Merkmale PHON und SYNSEM. Der Wert von PHON ist eine Abfolge von Phonemen, die der phonologischen Form des beschriebenen Zeichens entspricht; der Wert von SYNSEM ist eine komplexe Struktur vom Typ synsem mit den Merkmalen LOC und NONLOC. Mit Hilfe des NONLOC-Merkmals werden Fernabhängigkeiten beschrieben. Für die folgende SVC-Analyse ist das NONLOC-Merkmal irrelevant, weshalb seine Beschaffenheit vorerst außer Acht gelassen wird. In dem LOC-Merkmal werden die lokalen Eigenschaften eines Zeichens spezifiziert: Es hat die zwei Komponenten CAT und CONTENT. CAT dient der Darstellung syntaktischer Informationen, während CONTENT den semantischen Gehalt des Zeichens modelliert. Der Grundaufbau unserer Merkmalstruktur, die zur Beschreibung einer linguistischen Einheit vom Typ Zeichen (sign) verwendet wird, sieht demnach wie folgt aus: (IV.1) Wir betrachten nun die zwei SYNSEM-Merkmale CAT und CONTENT. Der Wert des CAT-Merkmals ist eine komplexe Struktur mit den Merkmalen HEAD und SUBCAT; für Verben und Verbalphrasen nehmen wir als zusätzliches CAT-Merkmal SPR (SPECIFIER) an. In HEAD wird die grammatische Kategorie des Zeichens spezifiziert: Sie wird als syntaktischer Typ des Zeichens kursiv in der oberen Zeile der Struktur von HEAD angegeben. Es müssen zudem andere kategorienspezifische Informationen angeführt werden, die dem Kopf des Zeichens eigen sind. So enthält die HEAD-Struktur von Nomen z. B. das Merkmal Kasus (CASE), während für Verben die Verbform (VFORM) angegeben werden muss. Die Merkmale SUBCAT und SPR dienen der Darstellung der syntaktischen Valenz, d. h. der Argumente, mit denen das Zeichen kombiniert werden muss, damit eine vollständig gesättigte Phrase bzw. ein Satz entsteht. Der Wert von SUBCAT ist eine Liste (markiert durch spitze Klammern: <...>) von synsem-Objekten, die den SYNSEM-Werten der Komplemente eines Zeichens entsprechen. Die Reihenfolge der Komplemente in der Liste entspricht der folgenden Obliquesshierarchie: 1. Direktes Objekt 2. Indirektes Objekt 3. Verbale / prädikative Komplemente Der Wert des SPECIFIER-Merkmals eines Verbs ist der SYNSEM-Wert seines Subjekts. Die Strukturierung der Subkategorisierungseigenschaften von Verben dient einer differenzierten Darstellung interner und externer Argumente. Im Folgenden seien als Beispiel die CAT-Werte der einzelnen Wörter sowie des Satzes (IV.2 a) dargestellt: (IV.2 a) Ta1 zhong3 cai4. er anpflanzen Gemüse Er pflanzt Gemüse an. (IV.2 b) ta1(er): (IV.2 c) zhong3(anpflanzen): (IV.2 d) cai4 (Gemüse): (IV.2 e) Gesamtstruktur: Wir stellen die semantischen Eigenschaften eines Zeichens im SYNSEM-Merkmal CONTENT dar. Eine Merkmalstruktur vom Typ content enthält die Merkmale INDEX und RESTR. Der INDEX-Wert identifiziert die Situation oder das Individuum, auf das in einer Konstruktion Bezug genommen wird. Der Wert von RESTR ist eine Liste von Sachverhalten (Prädikationen), die auf eine Situation zutreffen müssen, damit eine Aussage darauf angewendet werden kann. Das CONTENT-Merkmal ist wie folgt eingebettet: (IV.3) In Strukturen vom Typ predication werden die an einer Situation beteiligten Individuen und die zwischen ihnen bestehende Beziehung angegeben. Die Anzahl der Argumente einer Prädikation ist abhängig von der Stelligkeit der Beziehung: Nomen, die sich in der Regel nicht auf Situationen, sondern auf Individuen beziehen, haben eine einstellige Prädikation. Der Index des Individuums, auf das sie sich beziehen, wird unter dem Merkmal INSTANCE angegeben: (IV.3) CONTENT-Wert von shu1: book Für den Indexwert von Nomen wird bei der Beschreibung von Sprachen mit Nominalflexion eine komplexe Struktur mit den Merkmalen GENUS, NUMERUS und PERSON verwendet. Chinesische Nomina haben jedoch keinen GENUS-Wert, das Attribut GENUS ist also nicht im Index enthalten. Ähnlich verhält es sich mit NUMERUS, da die meisten nominalen Objekte keine morphologische Markierung der Anzahl annehmen können3 : Der NUMERUS-Wert bleibt in diesen Fällen unterspezifiziert. Hingegen führen wir SHAPE als INDEX-Merkmal ein (s. Gang 1997, S. 86); es dient der Umschreibung der äußeren Form eines Objekts, in Übereinstimmung mit der das Nomen mit einem Klassifikator kombiniert werden kann: (IV.5) Index eines chinesischen Nomens Die Stelligkeit der Prädikationen verbaler Objekte entspricht meistens der Anzahl der von ihnen angenommenen syntaktischen Argumente. Intransitive Verben haben wie Nomina einstellige Prädikationen: Sie weisen 3 Eine Ausnahme sind die Personalpronomen women (wir), nimen (ihr), tamen (sie) , sowie einige sich auf Menschengruppen beziehenden Pluralnomina, wie z. B. xueshengmen (Schüler), haizimen (Kinder). nur eine Agens-Rolle zu. Transitive Verben umschreiben Situationen, an denen mehr als ein Individuum beteiligt ist, und erhalten somit mehrstellige Prädikationen: (IV.6) RESTR-Wert von zhong3: anpflanzen: Neben der Angabe der Relation und der Indexe der daran beteiligten Individuen enthält die Prädikation des Verbs ein Merkmal EVENT, dessen Wert mit dem Index des Ereignisses koindiziert ist: (IV.7) CONTENT-Wert von zhong3: anpflanzen: Zur Verknüpfung der syntaktischen Argumente in den Valenzmerkmalen SPR und SUBCAT mit den semantischen Rollen im CONTENT-Merkmal werden die Indizes der Individuen mit in den Listen angeführt; dieses Verfahren wird auch als „Linking“ bezeichnet. Der SYNSEM-Wert für das finite Verb zhong: anpflanzen sieht dann wie folgt aus: (IV.8) Diese Darstellung semantischer Eigenschaften einzelner Wörter soll als Grundlage für die im nächsten Abschnitt erläuterten Prinzipien dienen, anhand derer die semantische Zusammensetzung von Phrasen sowie die Beziehungen zwischen ihren Konstituenten abgeleitet werden. IV.1.2 Prinzipien und Grammatikregeln Wir haben den Aufbau von Merkmalbeschreibungen erläutert und gesehen, wie sie einzelne linguistische Objekte in HPSG modellieren. Nun betrachten wir, wie der Formalismus Phrasen und Sätze lizensiert. Eine Phrase ist wohlgeformt, wenn sie alle in HPSG postulierten grammatischen Prinzipien und Regeln erfüllt. Dazu gehören universelle Prinzipien, wie z. B. das Kopfmerkmalprinzip, sowie spezifische Regeln, die sich auf Konstruktionen bestimmter Sprachen beziehen. Zur Darstellung der Zusammensetzung von phrasalen Strukturen mit Kopf (headed-phrase) werden die Merkmale HEAD-DAUGHTER (HEAD-DTR) und NON-HEAD-DAUGHTERS (NON-HEAD-DTRS) eingeführt. Der Wert von HEADDAUGHTER ist ein synsem-Objekt; der Wert von NON-HEAD-DTRS ist eine Liste von synsem-Objekten. Eine Phrase kann also nur eine Kopftochter, aber mehrere oder keine Nicht-Kopftöchter haben. Die DTRS-Merkmale werden wie folgt in die Merkmalbeschreibung eingebettet: (IV.9) Die Anzahl und Beschaffenheit der Argumente, durch die eine Phrase saturiert wird, wird festgelegt durch das Valenzprinzip; dieses besagt, dass der SUBCAT-Wert der Kopftochter einer Kopf-Komplement-Phrase der Summe des SUBCATWertes der Mutter und der SYNSEM-Werte der als Nicht-Kopftöchter realisierten Komplemente entspricht: (IV.10) Valenzprinzip (Valence Principle): Ein anderes wichtiges Prinzip ist das Kopfmerkmalprinzip; es stellt sicher, dass Informationen, die für die Distribution einer Konstituente relevant sind, von der Kopftochter an die Mutter weitergegeben werden. Das Kopfmerkmalprinzip besagt, dass in Strukturen mit Kopf die Werte der HEAD-Merkmale von Kopftochter und Mutter identisch sind: (IV.11) Kopfmerkmalprinzip (Head Feature Principle) Wie wir bereits gesehen haben, beinhaltet das Kopfmerkmal Informationen zur grammatischen Kategorie der Konstituente sowe andere wortartspezifische Merkmale. Durch das Kopfmerkmalprinzip wird die Projektion dieser Informationen an den Mutterknoten gewährleistet. Der Bedeutung von Phrasen wird durch zwei semantische Prinzipien eingeschränkt. Durch das Prinzip der semantischen Zusammensetzung wird sichergestellt, dass der CONTENT-Wert einer Phrase alle Relationen der in ihr enthaltenen Konstituenten enthält: (IV.12) Prinzip der semantischen Zusammensetzung (Semantic Compositionality Principle) Das zweite Prinzip besagt, dass in einer Struktur mit Kopf der INDEX-Wert der Mutter dem INDEX-Wert der Kopftochter entspricht; dadurch wird der Gehalt der Kopftochter als semantischer Hauptbeitrag der Phrase markiert: (IV.13) Prinzip der semantischen Vererbung (Semantic Inheritance Principle, vorläufige Version) Diese Version des Vererbungsprinzips wird im nächsten Abschnitt einer Modifikation unterzogen, die die Darstellung von Kopf-Adjunkt-Strukturen ermöglicht. Zur Darstellung der Beziehung zwischen Konstituenten einer SVC werden wir außerdem eine neue Prädikation im CONTENT-Wert der Mutter einführen. An dem Beispiel (IV.14) sei noch einmal die Interaktion der vier erläuterten Prinzipien (Valenzprinzip, Kopfmerkmalprinzip, Prinzip der semantischen Zusammensetzung und Prinzip der semantischen Vererbung) in einem einfachen Satz mit der Zusammensetzung [NP V NP] dargestellt: (IV.14 a) Ta1 zhong3 cai4. er anpflanzen Gemüse Er pflanzt Gemüse an. (IV.14 b) Die vorgestellten Prinzipien dienen der Verteilung und Identifikation von Informationen in grammatischen Strukturen. Die Zusammensetzung von Strukturen wird anhand von Regeln, die mögliche Konfigurationen unmittelbarer Dominanzen von Subkonstituenten beschreiben (immediate dominance schemata: Schemata der unmittelbaren Dominanz, bzw. Grammatikregeln), festgelegt. Im folgenden Abschnitt werden die für unsere Analyse relevanten Dominanzschemata erläutert. IV.2 Darstellung der chinesischen SVC in HPSG – eine Konstruktion zwischen Subordination und Koordination Der beschriebene Rahmen soll nun auf verschiedene Typen der SVC angewendet werden. Wir richten uns nach der folgenden Hierarchie von SVC-Typen, für die schrittweise Beschränkungen eingeführt werden: (IV.16) Diese Typen sollen im Folgenden auf der Basis einer allgemeinen Merkmalbeschreibung, die für alle Strukturen vom Typ svc gültig ist, betrachtet werden. Wir werden uns dabei einer Kombination von Merkmalen koordinativer und subordinativer Strukturen bedienen und SVCs als hybride Konstruktionen betrachten, die in unterschiedlichem Maße Merkmale dieser beiden Strukturtypen aufweisen. Die sequentielle SVC, bei der lediglich eine temporale Abhängigkeitsbeziehung besteht, wird als asymmetrische Koordination analysiert. Dieser Typ wird auch als „iterative“ SVC (iterative-svc) betrachtet, da hierbei eine infinite Anzahl von Konstituenten kombiniert werden können. Es wird parallel eine Analyse von Koordinationsstrukturen in HPSG (nach Sag/Wasow/Bender 2003) eingeführt, deren syntaktische Form ebenfalls auf die iterative SVC anwendbar ist. Anschließend wird die funktionale SVC analysiert. Ihre semantische Struktur weist Eigenschaften subordinativer Konstruktionen auf. Funktionale SVCs können im Lichte des von Wälchli (1998, S. 85) Wir lehnen uns hier an Sag et al. 1985 an, wo englische Koordinationsstrukturen in die zwei Gruppen binary-coordinative-phrase und iterated-coordinative-phrase eingeteilt werden. vorgeschlagenen Konzepts der „Pseudo-Koordination“ betrachtet werden: Der Autor bezieht sich dabei auf vermeintlich koordinative Strukturen, deren Bedeutung mit subordinativen Sätzen paraphrasiert werden kann. Wir behandeln diesen SVC-Typ als geschlossene „binäre“ Konstruktion, die aus genau zwei voneinander abhängigen Konstituenten besteht. Die Analyse beschränkt sich vorerst auf Konstruktionen, für die aufgrund von syntaktischer Markierung mit Aspektpartikeln bzw. von Objektteilung eine eindeutige Interpretation festgelegt werden kann. IV.2.1 Allgemeine Beschränkungen für den Obertyp svc Die Merkmalbeschreibung für den Obertyp svc kann auf alle SVC-Arten angewendet werden. Wir postulieren hier die folgende Beschränkung: (IV.17) In den Kopfmerkmalen der Konstituenten wie auch der gesamten Konstruktion wird verb als Kategorie angegeben. Die SPR-Werte der Töchter und der Mutter sind strukturgeteilt: Sie selegieren die gleiche Nominativ-NP als Subjekt. Gemäß dem Prinzip der semantischen Zusammensetzung werden alle RESTR-Werte der Töchter in die RESTR-Liste der Mutter aufgenommen. Zusätzlich wird eine Prädikation eingeführt, die die Beziehung zwischen den SVC-Konstituenten beschreibt. Der Wert vom Merkmal RELN dieser Prädikation hat den Typ svc-reln mit den folgenden Untertypen: (IV.18) Die Prädikation nimmt die EVENT-Werte der Konstituenten als Argumente auf. Im Merkmal EVENT wird der Index des übergreifenden zusammengesetzten Ereignisses, das durch die SVC beschrieben wird, angegeben. IV.2.2 Die sequentielle SVC: Asymmetrie, Asyndese, Iterativität 1) Verbale Koordination – semantische und syntaktische Differenzierung Es können zwei semantische Varianten der Koordination unterschieden werden – die symmetrische und die asymmetrische Koordination. Bei der symmetrischen Konstruktion können die Konstituenten ohne semantische Änderung vertauscht werden, weil in einer bestimmten pragmatischen Situation – auch unter Bezug kontextueller oder konzeptueller Faktoren – keine temporale oder funktionale Abhängigkeit zwischen ihnen festgestellt werden kann; dies ist so bei dem viel zitierten Beispiel: (IV.19) Ta1 xie3 xin4 er Brief schreiben hui4 empfangen ke4. Besuch Er schreibt Briefe und empfängt Besucher. Im Gegensatz dazu können die Glieder der asymmetrischen Koordinationsstruktur nicht ohne Weiteres permutiert werden. Im Chinesischen werden zwei Arten der asymmetrischen verbalen Koordination unterschieden: die idiomatische (Chao 1968, S. 268) und die sequentielle asymmetrische Koordination (Wippermann 1993, S. 254). Die idiomatische Asymmetrie wird beobachtet in komposita-ähnlichen koordinativen Strukturen mit einer konventionalisierten Reihenfolge der Konjunkte: “the order of items in coordination is grammatically reversible, though sometimes idiomatically irreversible” (Chao 1968, S. 267). Beispiele idiomatischer Asymmetrie in der verbalen Koordination sind die folgenden Ausdrücke, die sich mittlerweile als feste Redewendungen etabliert haben: (IV.20.a) fang4 huo3 sha4 ren2 legen Feuer töten Mensch Feuer legen und Menschen töten (IV.20.b) chi1 he1 piao2 du3 essen trinken Bordell besuchen um Geld spielen essen, trinken, Bordelle besuchen und um Geld spielen Die sequentielle Asymmetrie bezieht sich hingegen auf Konstruktionen, die frei gebildet werden können; die Konjunkte beschreiben Handlungen in einer logisch erschließbaren Reihenfolge: (IV.21) Ta1 bi4ye4 kai1shi3 gong1zuo4. er anfangen arbeiten Abschluß machen Er macht seinen Abschluss und fängt an zu arbeiten. In der chinesischen wie auch in der allgemeinen Linguistik wurden diverse Versuche unternommen, den Unterschied zwischen symmetrischer und asymmetrischer Koordination darzustellen. Lakoff versucht, den Unterschied zwischen dieser asymmetrischen und der symmetrischen Verbalkoordination in der englischen Sprache durch die Einführung zweier Konjunktionen, nämlich and1 und and2, zu erklären; and2 wird dabei die Bedeutung „and then“ zugewiesen (Lakoff 1971). Li Jinxi unterscheidet zwei Arten koordinierter Prädikate – das parallele und das sequentielle Prädikat. Es bleibt jedoch ersichtlich, dass die Interpretation einer Konstruktion als symmetrische oder asymmetrische sequentielle Koordination von individuellen und kulturellen Gegebenheiten des Hörers abhängig ist und einen hohen Grad an Willkür beibehält. Wir nehmen die Asymmetrie als Eigenschaft der sequentiellen SVC an, da diese als eine Struktur mit fester Reihenfolge der umschriebenen Ereignisse analysiert wird. Die für uns relevante syntaktische Unterscheidung betrifft die Art der Verknüpfung zwischen den Konstituenten: koordinative Strukturen können syndetisch oder asyndetisch sein. In der syndetischen Konstruktion werden die Konstituenten durch Konjunktionen miteinander verknüpft. Die syndetische Koordination ist die in den indoeuropäischen Sprachen vorherrschende Koordinationsform, bei der die koordinative Beziehung zwischen den Konstituenten durch Konjunktionen spezifiziert wird (Haspelmath 2000, S. 6). Im Falle der Asyndese werden die einzelnen Glieder ohne syntaktische Markierung aneinandergereiht. Es wird zwischen der Monosyndese und der Bisyndese unterschieden. Im Falle der Polysyndese werden sämtliche Konstituenten mit Konjunktionen markiert, bei der Monosyndese hingegen nur die letzten zwei Konstituenten. 2) Asymmetrische Koordination und sequentielle SVC in HPSG Sag/Wasow/Bender (2003, S. 443-446) führen eine Analyse der syndetischen Koordinationkonstruktion durch, wie sie im Englischen gängig ist. Es wird eine eingeschränkte Sichtweise der Koordination angewendet: nur Konstruktionen mit gleichen syntaktischen Kategorien der Konstituenten können in der vorgeschlagenen Form analysiert werden. Konstruktionen, deren Glieder verschiedenen Kategorien angehören und lediglich über identische Distributionseigenschaften verfügen, werden ausgeschlossen. Das eingeführte Dominanzschema lizensiert koordinative Strukturen durch die folgenden drei Mechanismen: Unifikation der SYNSEM | LOC | CAT | SUBCAT-Werte der Konstituenten und der Mutter Unifikation der SYNSEM | LOC | CAT | HEAD | FORM-Werte der Konstituenten und der Mutter Auflistung der SYNSEM | LOC | CONTENT | RESTR -Werte der einzelnen Konstituenten als Argumente des Ereignisses in der RESTR-Liste der Konjunktion; der SYNSEM | LOC | CONTENT | INDEX-Wert der Konjunktion wird anschließend an die Mutter vererbt. (IV.22) Schema der symmetrischen syndetischen Koordination nach Sag/Wasow Im Unterschied dazu ist die hier untersuchte sequentielle SVC eine asymmetrische und asyndetische Konstruktion: Es gibt keine Konjunktion, die in ihrer RESTR-Liste eine Amalgamierung der Prädikationen der Konjunkte mit einer Spezifizierung der Beziehung enthält; eine solche Prädikation wurde aber für den Mutterknoten des Obertyps postuliert. Wir geben der Beziehung dieser Prädikation den Wert temp-excl-reln. Wie bei dem vorgestellten Koordinationsschema sind die Konstituenten in ihrer Anzahl unbeschränkt, können jedoch nicht frei vertauscht werden. Die Syntax der iterativen SVC wird durch Strukturteilung der CAT-Werte beschränkt. Wir postulieren ASPECT als neues Kopfmerkmal des chinesischen Verbs; es kann die folgenden Werte annehmen: (IV.23) Der HEAD-Wert hat demnach die folgende Struktur: (IV.24) Die sequentielle SVC nimmt entweder keinen oder den perfektiven Aspekt an; in letzterem Falle werden beide Verbalphrasen symmetrisch markiert. Unter Berücksichtigung der für den Obertyp postulierten Strukturteilungen für Kategorie, Verbform und SPR-Wert lässt sich vollständige Identifikation der CAT-Werte herleiten. Die Einschränkung für die sequentielle SVC sieht somit wie folgt aus: (IV.25) IV.2.3 Modifikationsbeziehungen in der binären SVC Zwischen den Konstituenten binärer SVCs bestehen semantische Subordinationsbeziehungen: Sie werden verwendet, um Art und Weise, Instrument, Ursache und Folge bzw. Ergebnis einer Handlung zu beschreiben. Vor der Beschreibung von Einschränkungen für binäre SVCs bietet sich deswegen eine kurze Betrachtung der Darstellung von Subordination in HPSG an. Subordinative Zusammenhänge werden durch endozentrische Strukturen, die der gleichen Kategorie wie der lexikalische Kopf angehören, ausgedrückt. Der Kopf projiziert wichtige syntaktische Eigenschaften an den Mutterknoten. Es werden grundsätzlich zwei Arten von subordinativen Konstruktionen unterschieden: die Komplementation und die Modifikation. Die Komplementation wird in HPSG als Struktur vom Typ headcomplement-structure analysiert. Komplemente werden vom lexikalischen Kopf selegiert, der ihnen semantische Rollen zuweist. Ein Kopf kann dabei mehrere Komplemente verlangen. Jedes Komplement bezeichnet ein Individuum, das unmittelbar an dem umschriebenen Ereignis teilnimmt und damit essentiell für die Interpretation ist. Der semantische Hauptbeitrag der Konstruktion entspricht dem semantischen Gehalt des Kopfes: Der CONTENT-Wert der Mutter wird mit dem CONTENT der Kopftochter identifiziert. Das folgende Schema zeigt, wie Kopfmerkmal- und Valenzprinzip in KopfKomplement-Strukturen agieren: (IV.26) Schema der unmittelbaren Dominanz einer Kopf-Komplement- Struktur Modifikationsstrukturen werden als head-adjunct-structures eingeteilt. Adjunkte sind optional und werden herangezogen, um eine genauere Beschreibung einer bestimmten Situation zu erzielen. Im Unterschied zu Komplementen bekommen Adjunkte keine semantischen Rollen durch ihren Kopf zugewiesen. Wir nehmen hier an, dass ein lexikalischer Kopf keine Adjunkte verlangen kann; stattdessen selegiert ein Adjunkt seinen Kopf über das HEAD-Merkmal MOD, dessen Wert dem SYNSEM-Wert des Kopfes entspricht. Die Sichtweise, dass Köpfe von Adjunkten subkategorisiert werden, wird auch in Pollard/Sag (1996), Müller (2007) sowie Sag/Wasow/Bender (2003) vertreten. Der semantische Beitrag des Kopfes wird durch Koindizierung mit dem Argument der Adjunktprädikation in die Semantik des Adjunkts integriert. Der gesamte semantische Beitrag der Phrase ist also im Adjunkt dargestellt; deswegen wird auch der Index des Mutterknotens nicht von der Kopf-, sondern von der Adjunkttochter vererbt. Die Kopf-Adjunkt-Struktur kann wie folgt dargestellt werden: (IV.27) Schema der unmittelbaren Dominanz einer Kopf-Adjunkt-Struktur An dieser Stelle muss das im Abschnitt IV.1.2 vorgestellte Semantikprinzip über die Vererbung der Index-Werte modifiziert werden. Dazu führen wir den Typ head-non-adjunct-structure als Untertyp von headed-phrase ein: Prinzip der semantischen Vererbung (Semantic Inheritance Principle, endgültige Version) (IV.28.a) (IV.28.b) Die binäre SVC wird im Folgenden als Untertyp von head-adjunct-structure analysiert. Zur Darstellung der semantischen Zusammenhänge benutzen wir atomare Werte vom Typ funct-reln (IV.15): (IV.29) Als Untertypen der binären SVC betrachten wir die SVC mit Aspektmarkierung (aspect-marked-svc) sowie die SVC mit gemeinsamen Objekt (shared-objectsvc). Die SVC mit Aspektmarkierung hat die Untertypen durative-marked-svc und perfective-marked-svc. In der durativen SVC ist die VP mit Aspektmarkierung die Adjunkttochter und steht immer an erster Stelle. In der perfektiven SVC ist die markierte VP die Kopftochter; ihre Stellung ist von der internen funktionalen Beziehung abhängig: (IV.30.a) (IV.30.b) Durativ markierte SVC Perfektiv markierte SVC Für die perfektive SVC sind die Subtypen cause-svc und final-svc spezifiziert. Die Prädikation der internen Beziehung nimmt Werte vom Typ funct-excl-relation (cause oder final) an. Die VP1 ist im ersteren Falle die Adjunkttochter und bei der finalen SVC die Kopftochter. Als letzten Typ der binären SVC betrachten wir die SVC mit gemeinsamen Objekt. Es handelt sich dabei um eine Struktur mit Finalitätsbeziehung; sie nimmt somit die gleichen semantischen Einschränkungen wie die finale SVC an. In der sharedobject-svc gibt es jedoch nur ein internes Argument, das als Objekt der beiden Verben fungiert. Zur Darstellung der Objektteilung führen wir eine Modifikation der Werte SUBCAT und SPECIFIER ein. Die Elemente der Listen, die sich bis jetzt aus SYNSEMWerten zu realisierender Komplement zusammensetzten, werden durch Strukturen vom Typ argument ersetzt: (IV.31) Der SYNSEM-Wert eines Komplements wird nun unter ARGUMENT angegeben. Die booleschen Merkmale REALIZED und RAISED werden von Przepiórkowski (1999) und Meurers (1999) zur Darstellung der Argumente von Anhebungsverben vorgeschlagen. Anhebungsverben sind Verben, die ein verbales Komplement verlangen und ein semantisches Argument dieses Komplements syntaktisch realisieren, so dass es nicht mehr vom eingebetteten Verb verlangt zu werden braucht. Man unterscheidet zwischen Subjekt- und Objektanhebungsverben; bei der Subjektanhebung wird das Subjekt des verbalen Komplement mit dem Subjekt des Hauptverbs identifiziert, während Objektanhebungsverben das Subjekt des eingebetteten Verbs als Objekt annehmen. Objektanhebungsverben bilden das Hauptverb in Pivotalkonstruktionen (Abschnitt I.3.2). Ein Beispiel für Anhebung im Chinesischen ist: (IV.32 a) Wo3 ji4xu4 xue2 yi1. Ich weitermachen lernen Medizin. Ich studiere weiter Medizin. Unter Verwendung der eingeführten Merkmalstruktur in den SUBCAT-Listen lässt sich die syntaktische Struktur dieser Subjektanhebungskonstruktion wie folgt darstellen: (IV.32 b) Mit der Strukturierung der SUBCAT-Elemente geht eine Änderung in der Handhabung der SUBCAT-Liste einher. In Müller (2007, S. 335) wird vorgeschlagen, dass realisierte Argumente nicht aus der Valenzliste getilgt, sondern lediglich als [REALIZED +] markiert werden. Dadurch werden in der Merkmalstruktur der Mutter alle Argumente des Kopfes aufgelistet. Mit den zwei eingeführten Modifikationen postulieren wir die folgende syntaktische Einschränkung für shared-object-svcs: (IV.33) Das gemeinsame Objekt wird vom ersten Verb realisiert. Es wird nicht in der zweiten VP wiederholt, was durch [REALIZED -] gekennzeichnet ist. Durch den negativen Wert von RAISED in der SUBCAT-Liste der zweiten VP wird angegeben, dass es sich hierbei nicht um ein angehobenes Objekt, sondern um ein semantisches Argument beider Verben handelt. IV.3 Alternative HPSG-Analysen: SVCs in Ga, Thai und Akan In diesem Abschnitt wird ein Überblick über die Anwendung des HPSG-Formalismus auf SVCs in anderen Sprachen (Ga: Dakubu/Hellan/Beermann 2007, Akan: Hellan / Beermann / Andenes 2003, Thai: Muansuwam 2000) gegeben. Die Analyse Dakubu/Hellan/Beermann (2007) beschreibt Serienverben in Ga; Ga weist neben den erwähnten zwei Grundtypen (iterative und binäre SVC) eine andere Art von Verbserialisierung auf, bei der semantische Hauptverben durch Präverben subkategorisiert werden; die dabei entstehenden Strukturen werden sodann als Konstituenten von SVCs verwendet. Bei der Analyse von SVCs in Akan konzentrieren sich die Autoren auf die verschiedenen Möglichkeiten der Darstellung gemeinsamer Argumente. Binäre SVCs in Akan (auch ISVC: Integrated Serial Verb Construction) zeichnen sich ebenfalls durch häufiges Vorkommen bestimmter Verben aus, die jedoch – ähnlich den chinesischen Koverben – ihre Funktion als Vollverben beibehalten; im Gegensatz zu den Präverben in Ga können sie keine Verbalphrasen als Komplemente selegieren, weshalb die Autoren hier durchgehend eine Modifikationsstruktur anwenden. In Abschnitt IV.3.2 wird eine Analyse von direktionalen SVCs in Thai vorgestellt. Ähnlich den SVCs in Ga können hier zwei Verbalphrasen, von denen eine ein deiktisches Verb enthält, eine Kopf-Komplement-Struktur bilden. Während in Ga jedoch das Verb einer eingegrenzten lexikalischen Klasse als Kopf fungiert, wird für Thai eine Struktur verwendet, in der das deiktische Verb von dem in der linearen Abfolge vorhergehenden Verb selegiert wird. Die Reihenfolge der Konstituenten ist im Übrigen relativ frei; um die bestehenden lexikalischen Beschränkungen bezüglich der Oberflächenstruktur darzustellen, baut der Autor eine dreistufige Struktur, in der er ein Koordinations- und ein Komplementationsschema vereinigt. IV.3.1 SVCs in Ga (Dakubu/Hellan/Beermann 2007) SVCs in Ga weisen größtenteils die Charakteristika auf, die in sprachübergreifenden Beschreibungen von Serienverben angegeben werden: Sie bestehen aus aneinander gereihten Verbalphrasen, die nicht durch Koordinations- oder Subordinationspartikel in eine eindeutige semantische Beziehung zueinander gebracht werden und ein gemeinsames Subjekt teilen. Die Verbalphrasen kongruieren in Bezug auf Aspekt, Modus und Tempus. Die zwei beschriebenen semantischen Ausprägungen von SVCs – asymmetrische Koordination zur Darstellung der zeitlichen Beziehung zwischen Ereignissen und Subordination – kommen in Ga ebenfalls vor. Ga weist jedoch eine andere Form der verbalen Serialisierung auf: Es handelt sich um Verbalserien auf Wortebene, wobei Elemente, die in der Phrase als Einzelverben analysiert werden, aus mehreren Verben – typischerweise aus einem Hauptverb und einem oder mehreren Präverben – zusammengesetzt werden und als unmittelbare Konstituenten in einer SVC fungieren können. Dakubu/Hellan/Beermann bezeichnen diese Formen als Extended Verb Complexes (EVC). SVCs werden als Adjunktstrukturen analysiert: Die erste VP ist vollständig saturiert und kann als unabhängiges Prädikat vorkommen; die zweite VP wird als modifizierendes Adjunkt dargestellt: (IV.35 a) Akwele hoo nii aha Akwele kochen Sachen geben Akwele kocht für uns. (IV.35 b) wə. uns. EVCs werden hingegen als Komplementstrukturen analysiert. Es werden vier Präverben unterschieden, die Verbalphrasen als Komplemente subkategorisieren: ke: bewegen ka: nicht dürfen ba: kommen ya: gehen Diese Präverben sind transitiv und nehmen das semantische Hauptverb der EVC als Komplement an4. Das folgende Schema zeigt ein Beispiel für eine maximale Konfiguration in der EVC: (IV.36) 4 Die Präverben ba: kommen und ya: gehen haben Homophone, die als Hauptverben mit verwandter Bedeutung fungieren können. Auch in Ga sind gemeinsame interne Argumente möglich. In semantischer Hinsicht beschränken sich solche Konstruktionen, anders als im Chinesischen, nicht auf finale Zusammenhänge: (IV.37) Benefaktiv-SVC Akwele baa hoo nii aha wə. Akwele FUT.kommen kochen Dinge geben uns Akwele wird für uns kochen. Das direkte Objekt von hoo: kochen als erstem Hauptverb ist mit dem direkten Objekt von aha: geben koindiziert. Um solche gemeinsamen Argumente darzustellen, verwenden Dakubu /Hellan/Beermann das CAT-Merkmal QVAL (qualitative valence), das in Hellan /Beermann/Andenes 2003 eingeführt wird und den in LFG (Lexical Functional Grammar) verwendeten grammatischen Funktionen entspricht. Der Wert von QVAL ist eine Merkmalstruktur mit den syntaktischen Rollen der Argumente eines Verbs als Merkmale; in unserem Beispiel werden die SYNSEM-Werte des Subjekts und des direkten Objekts angegeben und an die höhere Ebene projiziert: (IV.38) Auch in Bezug auf die Aspektverteilung unterscheiden sich SVCs in Ga vom Chinesischen: Während Aspektpartikeln in chinesischen SVCs zur Spezifizierung der Zusammenhänge zwischen Verbalphrasen beitragen und somit eine Funktion erfüllen können, die der von Subordinationsmarkierungen ähnlich ist, wird der Aspekt in SVCs in Ga ausschließlich in seiner ursprünglichen semantischen Funktion verwendet; Dakubu/Hellan/Beermann nehmen den Aspekt Merkmal im CONTENT-Wert auf. In der Regel wird die VP1, die auch die Kopftochter ist, markiert; diese Markierung legt den Aspektwert der Schwester-VPs fest und projiziert ihn an die phrasale Ebene: (IV.39) Da diese Beschränkung sowohl für Adjunktion (SVCs ohne Präverben) wie auch für Komplementation (EVCs mit Präverben) gilt, wird sie für den Obertyp dieser beiden Strukturen (head-initial-v-binary-v-structure) definiert. IV.3.2 SVCs in Akan (Hellan / Beermann / Andenes 2003) Hellan/Beermann/Andenes führen eine Analyse von SVCs in Akan mit besonderer Berücksichtigung der für Argumentteilung möglichen Strukturen durch. Die zwei Grundtypen der Verbserialisierung werden hier als Clause-Chaining Constructions (CC) und Iterated Serial Verb Constructions (ISVC) untersucht. CCs erlauben die Kombination einer beliebigen Anzahl von Verben, von denen jedes seine Bedeutung als Vollverb beibehält. Die lineare Reihenfolge der Verben entspricht der Abfolge der Ereignisse im Zeitablauf: (IV.40) Ama tu-u bayerε twitwa noa di-i. Ama entwurzeln Süßkartoffeln schneiden kochen essen Ama entwurzelte, schnitt, kochte und aß die Süßkartoffeln. CCs werden anhand mehrerer Kriterien von Koordinationsstrukturen unterschieden; dazu gehört die Möglichkeit der wh-Extraktion in CCs, der sich auf die gesamte Konstruktion ausdehnende Skopus von Verneinungspartikeln sowie die Sukzessivität als obligatorischer zeitlicher Zusammenhang zwischen den beschriebenen Ereignissen. Im Gegensatz zu CCs bestehen ISVCs (Iterated Serial Verb Constructions) aus genau zwei Verbalphrasen, zwischen denen eine determinierbare funktionale Beziehung besteht: „in ISVCs, only two verbs take part to express a clearly identifiable situational profile“ (Hellan /Beermann/ Andenes 2003, S. 1). Es gibt mehrere „situationale Profile“, denen jeweils unterschiedliche semantische und syntaktische Konfigurationen zugeordnet werden; sie werden unter dem Obertyp der ISVC zusammengefasst. SVCs in Akan können gemeinsame interne und externe Argumente haben; in dem folgenden Beispiel ist die NP „Ama“ Subjekt der zwei Verben: (IV.41) Ama noa di. Ama kochen essen Ama kochte und aß. Die Autoren unterscheiden hierbei mehrere mögliche Strukturen. Bei der Token-Teilung (token-sharing) realisiert ein Argument direkt die grammatische Funktion des Subjekts oder Objekts bzw. entsprechende thematische Rollen von mehreren Verben. Bei der Referenzteilung (reference-sharing) wird die grammatische Funktion oder Rolle des Arguments nur für das erste Verb realisiert; das zweite Verb subkategorisiert ein anderes Element, das mit dem Argument des ersten Verbs koreferiert. In Abhängigkeit von der Beschaffenheit des koreferentiellen Arguments wird zwischen overter und coverter Referenzteilung unterschieden. Im ersteren Falle fungiert eine overte Anapher als Argument eines nicht-initialen Verbs. Bei der coverten Referenz selegiert dieses Verb ein phonologisch leeres Pronomen. Die Objektteilung im folgenden Beispiel scheint auf coverte Referenz zu deuten: (IV.42) Ama tu-u bayerε twitwa noa di-i. Ama entwurzeln Süßkartoffeln schneiden kochen essen Ama entwurzelte, schnitt, kochte und aß die Süßkartoffeln. Dies wird von den Autoren jedoch abgelehnt: In Akan werden Pronomen in der dritten Person nur realisiert, insofern sie belebt sind oder von einem Adverb gefolgt werden. Wenn man z. B. ein belebtes Objekt für eine SVC mit der gleichen Struktur annimmt, wird dieses tatsächlich für jedes Verb als overtes Pronomen realisiert: (IV.43) Ama t ad adanko dware-e no Ama kaufen Kaninchen baden es yεn-n no. aufziehen es Ama kaufte ein Kaninchen, badete es und zog es auf. Daraus wird gefolgert, dass gemeinsame Objekte durch overte Referenzteilung lizensiert werden. Strukturen, in denen Objekte phonologisch nicht realisiert werden, werden also nicht auf Eigenschaften von SVCs, sondern auf die allgemeine Abhängigkeit der Realisierbarkeit von Pronomen von der Beschaffenheit ihres Referents zurückgeführt. Anders ist es mit Subjektpronomen, die in SVCs nur einmal als Affixe des ersten Verbs realisiert werden. Für Subjekte der nachfolgenden Verben werden koindizierte Nullpronomina angenommen. Die Zuweisung der Subjektfunktion kann kontextabhängig sein, weshalb Token-Teilung ausgeschlossen wird: (IV.44) Ama de sika ma-a Kofi k Ama Geld geben Kofi gehen - nehmen e. Ama nahm das Geld, gab es Kofi und ging. Ama nahm das Geld, gab es Kofi, und er ging. Die NPs „Ama“ und „Kofi“ sind zwei mögliche Antezedenten für das Subjekt von „ging“. Zu den lexikalischen Eigenschaften einiger Verben gehört außerdem, dass diese nicht das Objekt vorhergehender Verben als Subjekt annehmen können, auch wenn dies in semantischer Hinsicht möglich wäre. Subjektteilung wird demnach als coverte Referenzteilung analysiert; die Zuweisung der Subjektrolle des zweiten Verbs an ein Argument des initialen Verbs ist von dem Kontext, der lexikalischen Beschaffenheit des nicht-initialen Verbs sowie von der internen Logik des Ereignisses abhängig. Für die Analyse von CC-SVCs werden zwei Subtypen der VP unterschieden: die singleverbal-phrase und die clause-chain. Strukturen vom Typ clause-chain werden als rekursive Modifikationsstrukturen dargestellt, deren Kopftochter vom Typ single-verbal-phrase von einer clause-chain modifiziert wird; der Autor postuliert jedoch keine Einschränkung für die Terminierung der Rekursion. Gemeinsame Objekte werden in den SUBCAT-Werten koindiziert. Die Koreferenz der Objekte wird durch Koindizierung in dem Merkmal QVAL (QUALITATIVE VALENCE, s. VI.3.1) gewährleistet. Die semantische Darstellung wird durch das CONTENT-Merkmal CUMULATIVE-INDEX (CUMINDEX) ergänzt, das der gesamten Ereignisfolge einen Indexwert zuweist. (IV.45) ISVCs (Integrated Serial Verb Constructions) werden ebenfalls als Adjunktstrukturen analysiert; hier wird für gemeinsame Argumente jedoch Token-Teilung angenommen. ISVCs setzen sich zusammen aus einer VP mit einem „minimalen“ Verb, das besonders häufig als erstes Verb in SVCs vorkommt, und einer VP mit einem frei wählbaren Hauptverb. Die Autoren beschreiben am Beispiel des Verbs de: nehmen drei Arten von ISVCs, die unterschiedlichen „situationalen Profilen“ entsprechen: - de + ditransitives Verb - de zur Einführung einer Instrument-Rolle - de + Bewegungsverb Ditransitive Verben, die in einfachen VPs verwendet werden, haben häufig Beschränkungen bezüglich ihrer möglichen Objekte: Sie selegieren ein unbestimmtes Objekt, das kein Pronomen sein kann. Um ein bestimmtes oder pronominales Objekt auszudrücken, werden SVCs mit minimalen Verben gebildet: (IV.46 a) -fεm-m me ne p nk 3sg.leihen mir sein Pferd Er lieh mir sein Pferd. (IV.46 b) -fεm-m me no. 3sg.leihen mir es Er lieh es mir. (IV.46 c) -de 3sg.nehmen es no fεm-m leihen me. mir Er lieh es mir. Für die Objekte wird in diesem Fall Token-Teilung der thematischen Rollen postuliert; die RESTR-Listen nehmen die Bezeichnungen der jeweiligen Rollen auf: (IV.47) Bei SVCs, in denen das Objekt des Verbs de: nehmen eine vom nachfolgenden Vollverb zugewiesene Instrumentrolle annimmt, wird der Index dieses Objekts ebenfalls in die Relation des zweiten Verbs aufgenommen: (IV.48 a) -de nkrante twa duabasa. 3sg.nehmen Schwert schneiden Ast Er schnitt den Ast mit einem Schwert. (IV.48 b) In dieser Weise werden auch ISVCs gehandhabt, in denen ein minimales Verb mit einem Bewegungsverb kombiniert wird: (IV.49 a) Kofi de atadeε no sεn-n daewa so. Kofi nehmen Kleid DEF hängen Nagel an Kofi nahm das Kleid und hängte es an den Nagel. „Atadeε“, welches hier das direkte Objekt des Verbs „de“ ist, ist zugleich auch ThemaArgument des Verbs „sεn“; „daewa“ nimmt eine Locativ-Rolle für das Verb „sεn“ an: (IV.49 b) IV.3 Direktionale SVCs in Thai (Muansuwam 2000) Direktionale SVCs in Thai weisen ebenfalls einen Teil der allgemein für SVCs angenommenen Charakteristika auf: Sie bestehen aus mehreren finiten Verbalphrasen, die nicht in einer Prädikat-Argument-Beziehung zueinander stehen, aber dem gleichen Satz angehören. Dabei kann eine Vielzahl von Verbalkomplexen kombiniert werden. Diese Verbalkomplexe unterscheiden sich lexikalisch bedingt in ihrem Verhalten bezüglich Konstituentenstruktur und Oberflächenreihenfolge; der Autor verwendet in seiner Analyse ein aus Koordinationsstruktur und Komplementation kombiniertes ID-Schema sowie eine lexikalische Kategorisierung der verbalen Köpfe, die ihre möglichen Positionen SVC-Gefüge beschränkt. Die in SVCs vorkommenden Verben werden nach ihrer Semantik unterschieden und drücken unterschiedlichen Aspekte von Bewegungen aus: 1. Art und Weise der Fortbewegung (wiη: rennen, dən: laufen usw.) 2. geometrische Form der Fortbewegung (won: kreisen, troη: gerade gehen) 3. Richtung in Bezug auf eine vorhergehende Fortbewegung (nาาn : zurückkommen, thาาj : zurücktreten usw.) 4. Richtung in Bezug auf die Außenwelt (ləəj: durchgehen, khâam: kreuzen, khâw: hineingehen) 5. Richtung in Bezug auf den Sprecher (deiktische Verben: paj: gehen, maa: kommen) Das folgende Beispiel zeigt eine Maximalkonfiguration dieser fünf Verbarten: (IV.49) Malee wiη troη saphaan k p khâam paj. Malee rennen gerade gehen zurückkommen überkreuzen Brücke hinausgehen gehen Die Brücke überquerend rannte Malee gerade (vom Sprecher weg) zurück. Anhand von zwei syntaktischen Tests (Einfügung von Adverbialen, Ersetzung mehrerer Verben durch eine „do so“-Verbalphrase im nachfolgenden Satz) beweist der Autor, dass alle Verben außer einem eventuellen deiktischen Verb und seinem linearen Vorgänger unabhängige Konstituenten sind. Das deiktische Verb wird von dem vorhergehenden Verb als Komplement selegiert. In Bezug auf die Oberflächenstruktur unterscheidet der Autor symmetrische und asymmetrische SVCs. Die Reihenfolge der Konstituenten in symmetrischen SVCs kann frei vertauscht werden. Diese Beobachtung schließt die Anwendung früherer SVC-Analysen (Sebba 1987, Baker 1989), die vom Autor erwähnt werden, aus, da sie eine feste Reihenfolge der Verben vorhersagen. Asymmetrische SVCs sind durch zwei Beschränkungen charakterisiert: 1. Verben der Art und Weise einer Fortbewegung (1) können nur an erster Stelle in der SVC stehen. 2. deiktische Verben (5) können nur an letzter Stelle stehen. Zur Darstellung dieser Beschränkungen führt der Autor den Typ serial predicate ein: (IV.50) Für Objekte vom Typ serial predicate werden im Kopfmerkmal die booleschen Merkmale FIRST und LAST mit folgenden Werteverteilungen eingeführt: - Verben der Art und Weise: [first +] - Verben, die deiktische Verben als Komplemente annehmen: [last +] - andere Verben: Direktionale SVCs werden nun anhand einer Struktur vom Typ co-headed-phrase analysiert: (IV.51) Dieser Typ unterscheidet sich von der strict-headed-phrase dadurch, dass der Phrasenkopf Merkmalwerte verschiedener Töchter aufnehmen kann. In dem beschriebenen Fall werden der FIRST-Wert der ersten Tochter und der LAST-Wert der letzten Tochter kombiniert: (IV.52) Der Autor schlägt ein dreistufiges Dominanzschema vor: Auf der untersten Ebene wird das deiktische Verb als Komplement des vorhergehenden Verbs subkategorisiert. Im Kopfmerkmal der dabei entstehenden Komplementationsstruktur wird [last +] spezifiziert. Anschließend wird sie in einer rekursiven koordinationsähnlichen Struktur vom Typ coheaded-phrase mit den restlichen Verbalkomplexen verknüpft: (IV.53) Die beschriebenen Analysen zeigen eine Reihe von Versuchen, SVCs anhand von Koordinations-, Modifikations- und Komplementationsstrukturen zu erklären. Wir haben gesehen, dass die Autoren bei der Beschreibung von Strukturen, die lexikalisch nicht beschränkt sind, zu einer Modifikationsannahme tendieren, während Verben begrenzter lexikalischer Klassen (Präverben in Ga, deiktische Verben in Thai) anhand von Komplementation analysiert werden, was auf Grammatikalisierungs- bzw. Lexikalisierungsprozesse hindeuten kann. Solche Komplementationsstrukturen sind auf chinesische SVCs nicht anwendbar, da es keine eindeutig eingrenzbaren Klassen von Verben gibt, die in SVCs als Töchter von Komplement-VPs fungieren. Auffallend sind die Divergenzen zwischen den syntaktischen und semantischen hierarchischen Strukturen: Verbalphrasen, die den semantischen Hauptbeitrag der SVC tragen, werden z. B. bei Hellan / Beermann / Andenes 2003 durchgehend als Adjunkte analysiert, während Verben, die teilweise nur der Einführung zusätzlicher Argumente bzw. semantischer Rollen für das Hauptverb dienen, als Köpfe dargestellt werden. Die Analysen sind auf die Darstellung möglicher syntaktischer Beziehungen in SVCs fokussiert und lassen semantische Ambiguitäten größtenteils außer acht; daraus läßt sich schließen, dass die Problematik der Zweideutigkeit interner Zusammenhänge für SVCs in diesem Sprachen nicht relevant ist. Dies muss bei einem Vergleich mit chinesischen SVCs, die zwar eine einheitliche syntaktische Erscheinung aufweisen, jedoch in unmarkierter Form mehrere Interpretationen zulassen, berücksichtigt werden; wir haben bei der Analyse chinesischer SVCs Aspektpartikeln als „Hilfsmittel“ einbezogen, um den beschriebenen SVCs eindeutige interne Beziehungen zuzuordnen. Da Aspektmarkierungen in SVCs jedoch eine konjunktionsähnliche Funktion haben und SVCs andererseits gerade durch die Abwesenheit von overten Konjunktionspartikeln charakterisiert werden, müssten die internen Zusammenhänge in einer unmarkierten Konstruktion bei einer formalen Analyse unterspezifiziert, sowie die Frage nach der Auflösung der semantischen Ambiguität offen bleiben. Zusammenfassung und Ausblick In dieser Arbeit wurde die Problematik der chinesischen Verbalserie unter den Gesichtspunkten der Undefiniertheit des SVC-Begriffs in der Linguistik sowie der semantischen Zweideutigkeit von SVCs im Chinesischen dargestellt. Nach einem kurzen Umriss chinesischer Verbalkonstruktionen und mehrerer Definitionsversuche von SVCs, die für afrikanische Sprachen und für Chinesisch unternommen wurden, habe ich eine Reihe allgemeingültiger Eigenschaften chinesischer SVCs aufgestellt und ihre semantischen, syntaktischen und lexikalischen Varianten beschrieben. Diese Beschreibung wurde sodann als Grundlage bei der Erstellung einer Typenhierarchie im Sinne des HPSGFormalismus herangezogen, anhand der eine Modellierung der SVCs durch Merkmalstrukturen möglich wurde. Als wichtigste Unterscheidung diente dabei die Unterteilung von SVCs in asymmetrische koordinative Konstruktionen mit temporaler Abhängigkeit zwischen den Konstituenten (Sukzessivität) sowie Modifikationsstrukturen, die neben einer temporalen auch eine funktionale Beziehung (Ursache – Wirkung, Finalität, Instrument-/Mannerbeziehung) beschreiben. Wir haben jedoch im Laufe der Analysen festgestellt, dass SVCs in ihrer ursprünglichen, unmarkierten Form (V NP V NP) semantisch zweideutig sind. Bei der formalen Analyse haben wir uns deshalb syntaktischer Markierungen bedient, anhand derer eine SVC, deren Interpretation von Kontextund Konzeptwissen abhängt, eindeutig gemacht werden kann. Eines der bei der Analyse betrachteten Probleme war die Darstellung des semantischen Mehrwerts, der durch die Aneinanderreihung von Verbalphrasen zusätzlich zu den Bedeutungen der einzelnen Konstituenten entsteht. Die HPSGAnalyse erfolgte für sequentielle SVCs anhand eines abgewandelten Koordinationsschemas; für SVCs mit funktionalen Relationen wurde ein Adjunktschema verwendet, bei dem eine Verbalphrase als Adjunkt der Verbalphrase, die das Kernereignis beschreibt, fungiert. Infolge des Fehlens einer eindeutigen und hinreichend präzisen Definition in der Literatur bietet sich ein selektiver Umgang mit den behandelten Texten an. So werden bei der Untersuchung von Abhandlungen zu chinesischen SVCs zwei Richtungen deutlich: Einige Autoren (Wippermann 1993, Chen 1993, Paul 2004) versuchen, die allgemein als SVCs verstandenen Konstruktionen durch andere, eindeutig definierte syntaktische Strukturen zu erklären. Sie kommen in ihren Analysen zu der Schlussfolgerung, dass SVCs als solche im Chinesischen nicht existieren, und schlagen eine Abschaffung des Begriffs vor: “…the SVC, as it is currently understood, has no theoretical status in the grammar of Mandarin Chinese i.e., it does not represent a unique construction associated with a predictable set of properties (though there are evidently sentences containing more than one verb in Chinese). Instead, the phenomena subsumed under the one label SVC in fact turn out to represent separate constructions with completely different properties. The term SVC should therefore be banned from Chinese linguistics, at least for the structures subsumed so far under this label.” (Paul 2004, S. 20) “… da sich die … Annahme, dass die Verbalserie eine eigenständige syntaktische Konstruktion sei, die sich von anderen syntaktischen Konstruktionen, insbesondere der Koordination, abgrenzen lasse, nicht halten lässt, ergibt sich die Frage, ob der Begriff der Verbalserie in der chinesischen Grammatik überhaupt beibehalten werden sollte.“ (Wippermann 1993, S. 365) Andererseits gibt es Ansätze für sehr restriktive Beschreibungen: So schlägt z. B. Dai (1990) die deiktische Konstruktionen mit den Bewegungsverben lai2: kommen / qu4: gehen als „typische“ SVC-Konstellation vor; Chang (1990) überträgt die auf gemeinsamen internen Argementen basierende Analyse von Baker auf das Chinesische und behandelt ausschließlich SVCs mit gemeinsamer interner Referenz. Wippermann (1993) ordnet diese Konstruktionen als Subordination ein; nach einer sehr vollständigen Analyse der Verbalserienanalysen in der chinesischen Linguistik charakterisiert sie die „Verbalserie“ im Chinesischen durch eine feste Reihenfolge der Ereignisse, was der von uns als asymmetrische Koordination analysierten sequentiellen SVC entspricht. Der Begriff bleibt demnach auch im Lichte zahlreicher Analysen weiterhin schwer greifbar. Einerseits liegen den Beschreibungen von SVCs im Chinesischen oft Definitionen von SVCs in afrikanischen Sprachen zugrunde. Diese Übertragung von der afrikanischen Linguistik„erzwingt“ Definitionen, die den sprachlichen Besonderheiten des Chinesischen nicht voll gerecht werden können: Die afrikanische SVC ist von distinktiven syntaktischen und morphologischen Charakteristika geprägt, während entsprechende Strukturen im Chinesischen lediglich die bereits definierte Struktur der Koordination aufweisen, deren semantische Mehrdeutigkeit durch die Konzept- und Kontextgebundenheit der Sprache bedingt ist. Andererseits sind die Untersuchungen stark oberflächengebunden: „a structure labelled „serialized verb construction“ refers in all cases to a surface arrangement of lexical items rather than the form of the underlying representation...“ (Vis 1978, S. 117). Es bietet sich deswegen an, die SVC als Oberbegriff für diverse Formen von unmittelbaren Abfolgen finiter Verbalphrasen, die in einem semantischen Zusammenhang zueinander stehen, zu betrachten, und spezifische Beschreibungen bzw. Einschränkungen für die einzelnen darunter zusammengefassten Strukturen abzuleiten. Bei der hier erfolgten Analyse wurden überwiegend SVC-Varianten betrachtet, die infolge ihrer syntaktischen Zusammensetzung eindeutige Zuordnungen von Bedeutungen erlauben. Neben der sequentiellen SVC, die entweder keine oder eine symmetrische Aspektmarkierung annimmt, sind das Konstruktionen mit asymmetrischer Aspektmarkierung sowie SVCs mit gemeinsamen internen Argumenten. Bei der Charakterisierung wurden jedoch gewisse Unterschiede im syntaktischen Verhalten, z. B. Möglichkeiten der Extraktion von Verbalphrasen, nicht einbezogen. Solche Unterschiede führen zu der Vermutung, dass chinesische SVCs tatsächlich auf unterschiedliche komplexe Prädikatkonstruktionen zurückgeführt werden können; infolge der Tendenz der chinesischen Sprache zur Aussparung sprachlicher Elemente, deren Bedeutung durch Einbezug von Kontextoder Konzeptwissen erschlossen werden kann, ist eine “Reduktion” dieser Konstruktionen zu einer einzigen linearen Struktur denkbar. Dies wird dadurch untermauert, dass viele SVCs durch Ergänzung mit syntaktischen Konjunktionen zu komplexen Sätzen erweitert werden können (s. Abschnitt III.3.1). Für eine solche Begründung der Serialisierung im Chinesischen würde sich eine vertiefende Analyse der Prädikatkonstruktionen und ihrer Entwicklung im Zeitablauf anbieten; auf der Grundlage solcher Beschreibungen wäre der Versuch von SVC-Darstellungen denkbar, die nun nicht mehr in einer eigenen Typenhierarchie klassifiziert, sondern unter den jeweiligen bestehenden komplexen Prädikaten eingeordnet wären. 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