Kurs Radiologie und Nuklearmedizin Sektion für Nuklearmedizin: Diagnostische Strategien bei Hyperthyreose Definition: Als Hyperthyreose wird eine Überfunktion der Schilddrüse bezeichnet, die mit einer Erniedrigung des TSH einhergeht. Sind die peripheren Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 erhöht, besteht eine „manifeste“ Hyperthyreose; sind fT3 und fT4 normwertig, so ist die Hyperthyreose „latent“. Ursachen: Die häufigsten Ursachen einer Hyperthyreose sind funktionelle Schilddrüsenautonomien, gefolgt von der Autoimmunthyreopathie M. Basedow. Diagnostischer Algorithmus: Initial werden anamnestisch das Vorliegen hyperthyreosetypischer Beschwerden wie Unruhe, Nervosität, Schlafstörung, Tachykardie oder Hyperhidrosis erhoben. Anschließend folgt eine Palpation der Schilddrüse (induriertes Gewebe/Knoten? Schluckverschieblichkeit?) und routinemäßig eine Sonographie der Schilddrüse. Hierbei wird die Größe/das Volumen der Schilddrüse und pathologischer Veränderungen wie Schilddrüsenknoten ausgemessen und die Echogenität der Parenchymgrundstruktur und pathologischer Befunde beurteilt. Zusätzliche pathologische Befunde wie Kalkeinsprengungen (häufig mit Karzinomen einhergehend) oder Zystenbildungen werden dokumentiert. Die Größe/das Volumen und die Echogenität von Knoten und Schilddrüsenparenchym geben KEINEN eindeutigen Hinweis auf ihre Funktionalität. Diese wird mittels 99mTcPertechnetatszintigraphie bestimmt. Daher werden alle sonographisch nachgewiesen Knoten > 1 ml szintigraphisch abgeklärt. Hyperfunktionelle („heiße“) Knoten reichern das Nuklid vermehrt an, hypofunktionelle („kalte“) Knoten stellen sich minderspeichernd dar. Weiterhin wird im Rahmen einer Szintigraphie zur Beurteilung des Stoffwechselzustandes des Organs der sog. „Uptake“ ( auch: TcTU – relative thyeroidale Technetiumaufnahme nach 15 min) bestimmt. Heiße Knoten haben kein deutlich erhöhtes Malignitätsrisiko und werden NICHT mittels Feinnadelpunktion zytologisch abgeklärt. Kalte Knoten bestehen aus hypofunktionellem Gewebe (sind also NICHT Ursache einer Hyperthyreose!) weisen ein erhöhtes Malignitätsrisiko auf und müssen weiter abgeklärt werden. Diagnostik der 1. Wahl ist hierbei die zytologische Abklärung mittels Feinnadelpunktion. Diese erfolgt nur mit Zustimmung des Patienten, und wenn sonographisch eine Zyste nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. Bei Ablehnung des Patienten kann die sonographische Verlaufskontrolle eine Wachstumstendenz und invasives/infiltratives Wachstum des Knotens beurteilen. Routinemäßig werden die Schilddrüsenhormonparameter TSH, fT3 und fT4 im venösen Blut bestimmt. Zum Ausschluss bzw. Nachweis einer Autoimmunthyreopathie werden zusätzlich die Schilddrüsenautoantikörper TRAK („TSH-Rezeptor-Antikörper; überwiegend M. Basedow) und anti-TPO-AK („Thyreoperoxidase-Antikörper“, isoliert häufig Hinweis auf HashimotoAutoimmunthyreopathie) bestimmt. Kurs Radiologie und Nuklearmedizin Sektion für Nuklearmedizin: Diagnostische Strategien bei Hyperthyreose Typische szintigraphische Befunde bei Hyperthyreose Uni-/multifokale Mehranreicherung: Dieser Befund zeigt sich bei einer uni- oder multifokalen Schilddrüsenautonomie. Es kommt eine intensive, unifokale oder multifokale Nuklidmehranreicherung zur Darstellung („heißes“ Areal), häufig in Korrelation mit dem sonographischen Befund, in dem sich oft ein in der Echogenität jedoch sehr variabler, fokal abgrenzbarer Befund darstellt (z.B. echogleicher Knoten). Bei vollständiger Suppression des TSH < 0,1 mU/ml (Norm ca. 0,3 – 4,0 mU/l) kann das paranoduläre gesunde/regulierbare Schilddrüsengewebe nahezu vollständig supprimiert sein; d. h., die Nuklidaufnahme ist dann visuell dort kaum noch oder nicht mehr nachweisbar, und nur das autonome Areal reichert 99mTc-Pertechnetat an. Abb. 1: Multifokale Autonomie ohne vollständige Suppression des paranodulären Gewebes TSH: 0,4 (0,27-4,2), fT3: 5,4 (2,7-7,1), fT4: 22,4 (12-22) Abb. 2: Fokale Autonomie mit nahezu vollständiger Suppression des paranodulären Gewebes TSH: 0,2 (0,27-4,2), fT3: 6,2 (2,7-7,1), fT4: 18,2 (12-22) Kurs Radiologie und Nuklearmedizin Sektion für Nuklearmedizin: Diagnostische Strategien bei Hyperthyreose Disseminierte Mehranreicherung: Hierbei wird das Nuklid disseminiert im gesamten Schilddrüsengewebe verstärkt angereichert. Dieses Bild zeigt sich am häufigsten bei der disseminierten Schilddrüsenautonomie und dem M. Basedow. Beim M. Basedow ist der thyreoidale Uptake des Nuklids häufig drastisch gesteigert. Das wichtigste differentialdiagnostische Kriterium beider Erkrankungen sind die Schilddrüsenautoantikörper im Blut, wobei insbesondere der TRAK beim M. Basedow fast immer erhöht ist. Sonographisch sind disseminierte Autonomien in ihrem Schallmuster ebenfalls sehr variabel. Für einen Morbus Basdow jedoch typisch ist eine diffuse Echoarmut, oft begleitet von einer Hyperperfusion. Abb. 3: Morbus Basedow TSH: 0,002 (0,27-4,2), fT3: 10,6 (2,7-7,1), fT4: 30,0 (12-22), TRAK: 10,5 (<1,22) Abb. 4: Disseminierte Autonomie TSH: 0,006 (0,27-4,2), fT3: 7,6 (2,7-7,1), fT4: 22,5 (12-22), TRAK negativ Kurs Radiologie und Nuklearmedizin Sektion für Nuklearmedizin: Diagnostische Strategien bei Hyperthyreose Die Therapie der 1. Wahl bei Schilddrüsenüberfunktion ist die Radioiodtherapie. Hierzu wird nach einer individuell bestimmten und der Erkrankung angepassten Dosis 131I oral verabreicht, die autonomen Areale werden quasi „von innen“ bestrahlt und verlieren dadurch ihre Übefunktion. Die Erfolgsraten können sowohl bei Autonomien als auch beim Morbus Basedow mit etwa 90% nach der ersten Therapie angegeben werden. Es wird eine euthyreote oder hypothyreote Stoffwechsellage erreicht. Die posttherapeutische Hypothyreose ist zumeist als „Therapieziel“ zu bewerten. Eine orale Thyroxinsubstitution gewährleistet anschließend eine optimale Stoffwechseleinstellung Lernziele 1. Der Student kennt mindestens 3 Ursachen einer Hyperthyreose, die durch radiologische Sonographie, 99mTc-Pertechnetatszintigraphie und Laborparameter differenziert werden können. 2. Der Student kann zu den Ursachen, die zu einer Hyperthyreose führen, mindestens 2 szintigraphische Befundkriterien benennen und diese auf dem Szintigramm erkennen. 3. Der Student kennt die unterschiedlichen bildgebenden Verfahren und Laborparameter, die zur Abklärung bei Patienten mit Hyperthyreose eingesetzt werden, und kann sinnvolle diagnostische Strategien bei unterschiedlichen Befundkonstellationen beschreiben. 4. Der Student vermag die Wertigkeit der Schilddrüsensonographie und –szintigraphie bezüglich der Funktionalitätsbeurteilung pathologischer Veränderungen zu beurteilen.