2.4. Anwendungen der Supraleitung

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2.4 Anwendungen
2.4.
2.4.1. SL Magnete
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Anwendungen der Supraleitung
In diesem Kapitel wollen wir auf Anwendungen der SL eingehen. Dazu zunächst
einige www-Adressen:
Eine Vision über mögliche Einsatzgebiete der SL ist zu finden unter
http://www.istec.or.jp/ISTEC_homepage/index-E.html.
Die Levitationskraft eines Supraleiters ist eindrucksvoll gezeigt unter
http://www.istec.or.jp/ISTEC_homepage/OTHERS/e-news.html.
Das Buch „Hochstromanwendungen der Supraleiter“ von Peter Komarek (Teubner
Studienbücher) gibt einen guten Überblick über Anwendungen der Supraleitung in
der Energietechnik.
Auf einige Verwendungsmöglichkeiten von SQUIDS sind wir bereits kurz im
Kapitel Jospephson-Kontakte eingegangen. Ein weiteres Einsatzgebiet von SQUIDS
ist die Messung von Gehirnströmen (Fig. 2.130).
Fig. 2.130: SQUID mit Doppelkontakt zur Gehirnstrommessung
Detaillierter wollen wir im nächsten Kapitel auf SL Magnete eingehen.
2.4.1.
Supraleitende Magnete
Hauptsächlich werden hier Niedertemperatur-SL verwendet, da diese Materialien seit
30 Jahren entwickelt werden und besser beherrscht sind. Es gibt nur wenige Magnete
mit HTSL. Zunächst wollen wir die verwendeten Materialien näher betrachten.
2.4.1.1. Materialkunde
a) Niedertemperatur SL:
Ein kostengünstiges Material ist die duktile Legierung NbTi (Tc≈10,1K,
Bc2(T=0)≈15T). Bei ca. 50% Ti-Anteil ist der kritische Strom maximal. Da es
sich um eine Legierung handelt, enthält dieses Material kleine normalleitende
Körner, die als starke Pinningzentren agieren. Bei He-Temperatur erreicht man
Magnetfelder von ca. 12T, so daß Spulen bis 10 T gebaut werden können.
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Für höhere Felder wird das teurere Material Nb3Sn verwendet (Tc=18,5K;
Bc2(T=0)=28T). Aufgrund des notwendigen festen stöchiometrischen
Verhältnisses von 3 Nb : 1 Sn ist dieses Material aufwendig in der Herstellung.
Ein weitere Nachteil ist, daß es nicht duktil, d.h. nicht ziehbar ist.
b) Hochtemperatur SL:
Das verwendete Material ist hier Bi2Sr2Ca2Cu3O10 (BSCCO-2223) mit einer
Übergangstemperatur von Tc=110K. Nachteilig bei diesem Material ist die
relativ niedrige Irreversibilitätslinie. Diese trennt (s. Fig. 2.131) den Bereich des
nicht gepinnten Flusses (Flußfließphase) vom gepinnten ab. In der
Flußfließphase folgt aus der Bewegung der Fäden ein Widerstand. Damit ist es
notwendig, für höhere Felder die Betriebstemperatur auf ≤ 40 K herabzusetzen.
Fig. 2.131: Phasendiagramm eines Supraleiters 2. Art (Komarek).
Wie Fig. 2.132 zeigt wäre YBCO besser geeignet. Hier ist die Flußfließphase
Fig. 2.132: Abhängigkeit der
kritischen Stromdichte vom
Magnetfeld für verschiedene
Materialien. (Y-123=YBCO)
(Komarek)
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nur einige Grad breit, allerdings ist YBCO metallurgisch (z.B. Ziehen eines
Drahtes) nicht verarbeitbar. Y-123 (YBCO) Drahtversuche (Fig. 2.132) weisen
nur sehr geringe kritische Stromdichten auf. Ein Volumenkörper aus YBCO ist
in den Eigenschaften etwas besser. Auf Grund von Korngrenzen und der
dadurch bedingten Jospephson-Kontakte ist aber auch hier die
Stromtragfähigkeit unbefriedigend.
Deutlich bessere Eigenschaften weisen YBCO-Dünnschichten auf. Dies sind auf
ein Substrat aufgebrachte dünne Filme aus YBCO. Das Ziel ist, aus solchen
Filmen Bandleiter (YBCO coated conductors) herzustellen und diese zu Spulen
für magnetische Anwendungen zu wickeln.
Die Problematik beim Spulenbau ist, daß nicht nur das Selbstfeld einer
stromdurchflossenen Supraleiterschleife auf diese wirkt, sondern daß alle
anderen Spulenwindungen am Ort dieser Schleife ein Magnetfeld erzeugen. Der
SL befindet sich also in einem äußeren magnetischen Feld. In diesem können
unerwünschte Flußsprünge auftreten, auf die wir im nächsten Kapitel eingehen
wollen.
2.4.1.2. Flußsprünge
Hat der Draht einer stromdurchflossenen Spule lokal eine Schwachstelle, so daß dort
j>jc ist, folgt ein Depinning und damit ein Wandern der Fäden. Daraus folgt ein
Spannungsabfall und die Dissipation von Joulscher Wärme. Die Temperatur des
Supraleiters steigt an. Damit fällt jc(T) noch weiter. Dieser Rückkopplungsprozeß
erzeugt eine Flußlawine (Flußsprung oder flux jump), welche als Spannungspuls
nachgewiesen werden kann. Ist die Kühlung nicht ausreichend, so geht der
Supraleiter in den normalleitenden Zustand über. Dadurch entsteht lokal eine noch
stärkere Erwärmung und der Draht kann schmelzen (hot spot).
In einem Magneten ist viel Feldenergie gespeichert. Entlädt sich diese in einem hot
spot, wird das Kühlmittel (He) schlagartig verdampft und es kann zu einer Explosion
des Kryostaten kommen. Diesem muß man durch Stabilisierungsmaßnahmen
entgegen zu wirken. Darauf soll im nächsten Kapitel eingegangen werden.
2.4.1.3 Stabilisierung
a) Aufteilung des Leiters
Um die Lawine zu vermeiden zieht man Grenzen ein, d.h. der Leiterquerschnitt
wird in dünne Einzeldrähte aufgeteilt (s. Fig. 2.133). Damit kann jede Lawine
nur kurze Strecken laufen. Wird ein solches Filament normalleitend, kann der
Strom noch über die restlichen getragen werden, so daß kein großer
Spannungsabfall auftritt. Außerdem ist eine bessere Kühlung möglich. Meist
werden mehrere tausend Filamente zu einem Leiter verarbeitet.
Fig. 2.133: Aufteilung eines Leiters in viele Filamente.
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b) Einbettung in eine Normalleiter Matrix
Die supraleitenden Filamente werden in einen Normalleiter mit hoher
Leitfähigkeit (z.B. Cu od. Al) eingebettet (s. Fig. 2.134).
Fig. 2.134: Einbettung der SL-Filamente in eine NL-Matrix
Geht der SL in die Normalleitung über, so weist dieser einen Widerstand auf.
Schalten wir zu diesem Widerstand einen kleineren Widerstand parallel (NLMatrix), so wird Strom in die Matrix umgeleitet (s. Fig. 2.135).
Fig. 2.135: Ableiten des Stromes in die NL-Matrix aufgrund einer normalleitenden Zone im SL
(Komarek).
Der Gesamtwiderstand ist geringer, so daß auch die Heizleistung P=RI2 viel
kleiner ist.
Ist die Wärmeabfuhr in das den Draht umspülende Medium (flüssiges He oder
N) größer als die Wärmedeposition aufgrund des Heizprozesses, spricht man von
„kryogener Stabilisierung“.
Bei kurzen Flußsprüngen ist dieser Kühlprozeß zu langsam. In diesem Fall muß
die Wärme von der Wärmekapazität des Leiters aufgenommen werden. Eine
höhere Wärmekapazität wird durch die umgebende NL-Matrix erreicht. Man
spricht dann von „dynamischer Stabilisierung“.
In der Praxis treten beide Fälle der Stabilisierung auf. Dabei sollte nicht zuviel
NL Material verwendet werden, da sonst der Füllfaktor (SL/Querschnittsfläche)
und damit das erzeugbare Magnetfeld zu gering wird. Es gilt ein Optimum zu
finden.
Meist wird die oben beschriebene Rückkopplung durch Abschirmströme
erzeugt. Diese klingen ab, wenn ein Filament in die Normalleitung übergeht. Ist
dann die gesamte Wärmeabfuhr ausreichend, so kehrt es in den SL Zustand
zurück.
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Um die magnetischen Kräfte handhaben zu können wird oft neben der NLMatrix noch eine Stahlbandage verwendet.
Fig. 2.136 und 2.137 zeigen typische Multifilament Leiter.
Fig. 2.136:
Drei Komponenten Leiter: Es wurden 14701 Filamente des SL NbTi mit Kupfer
verbunden und außerdem mit einer Kupfer-Nickel Matrix umgeben, um die
Wechselstromverluste zu minimieren (Wilson).
Fig. 2.137:
Gezeigt sind 500 Cu-Rohre, die mit SL Material gefüllt und dann in die Länge
gezogen worden sind. (Vacuumschmelze / Komarek)
Der entscheidende Nachteil einer NL-Matrix ist, daß die Filamente über die
Matrix koppeln können. Auf diese Problematik soll im nächsten Kapitel
eingegangen werden.
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2.4.1.4 Kopplung der Filamente über die Matrix
Betrachten wir dazu zwei parallele Filamente in einer NL-Matrix (Fig. 2.138).
Ändert sich das Magnetfeld, so werden, wenn der Widerstand der NL-Matrix zu
klein ist, Wirbelströme induziert, die nur sehr langsam abklingen.
Fig. 2.138:
Wirbelströme (Kopplungsströme) zwischen 2 SL über die Matrix bei zeitlichen
Magnetflußdichteänderungen (Komarek).
Ein entsprechendes Ersatzschaltbild zeigt Fig. 2.139. Die Stromschleife weist die
Induktivität L auf. Aufgrund der Kopplung über die NL-Matrix ist der Widerstand R
zu verzeichnen.
Fig. 2.139: Ersatzschaltbild für die Wirbelströme in einem Filament/NL-Matrix
Für die Abklingzeit der Wirbelströme gilt:
L
R
Die Induktivität wächst mit der Länge der Stromschleife. Der Widerstand fällt mit
der Länge der Stromschleife. Also ist
τ=
τ ∝ l2
Tatsächlich sind nur einige cm SL-Länge tolerierbar. Ansonsten würden die
Filamente über den Wirbelstrom vollständige koppeln und die inneren Filamente
komplett abschirmen. Eine Abhilfe bietet Verdrillen der Filamente mit einer
Steighöhe < 1cm (Fig. 2.140).
Fig. 2.140: Verdrilltes Filament mit Kupfer Matrix (Wilson)
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Die Verdrillung beträgt ca. 2 Umdrehungen pro cm. Dadurch heben sich die
Wirbelströme gegenseitig auf. Die Steighöhe entspricht dabei der effektiven Länge
des Drahtes und bestimmt die Abklingzeit. Ohne ein Verdrillen ist ein langsames
Hochfahren des Feldes erforderlich, da abgewartet werden muß, bis das Feld durch
Flußsprünge bis ganz ins Innere des Leiters eingedrungen ist.
Diese Methode bietet eine Abhilfe gegen die Wirbelströme aufgrund des
veränderlichen äußeren Feldes. Es besteht noch das (kleinere) Problem der
induzierten Ströme aufgrund des Selbstfeldes der einzelnen Drahtschleife. Dies wird
dadurch gelöst, daß die Matrix nicht zu gut leitfähig gewählt wird (z.B. statt Cu wird
NiCu verwendet). Dadurch klingen die Wirbelströme schneller ab und es kann in
kürzeren Zeiten aufmagnetisiert werden (10 Minuten statt Stunden).
Das langsame Feldeindringen ist also beherrschbar. Schwieriger wird es bei der
Belastung des SL mit Wechselstrom. Hier treten sog. Wechselstrom-Verluste auf, die
wir im nächsten Kapitel besprechen.
2.4.1.5 Wechselstrom (AC) – Verluste
Sollen Magnete als Transformatoren für Wechselstrom verwendet werden, treten
folgende Joulsche Verluste auf:
a) Verluste durch Wirbelströme
Die durch den Wechselstrom erzeugten Wirbelströme müssen abklingen, damit
Fluß eindringen kann. Die Matrix soll dabei in Längsrichtung kurzschließen.
Jedoch sollen die Filamente untereinander schlecht leiten um die Wirbelströme
zu minimieren. Daher werden einzelne Bündel von Filamenten mit hochohmigen
Material umgeben (Mischmatrix s. Fig. 2.141).
Fig. 2.141: Mischmstrix zu Minimierung der Wechselstromverluste
Bei einer solchen Mischmatrix sind nicht alle Filamente aus SL Material,
sondern einige aus hochleitfähigen NL. Dadurch wird die Leitfähigkeit des NL
noch stärker anisotrop und die AC-Verluste minimiert. In der Praxis verwendet
man Drahtbündel aus SL Filamenti mit einer Ti oder Ni Umhüllung. In der Mitte
befindet sich ein NL Bündel, das selbst auch unterteilt ist, um Querströme zu
verhindern. Fig. 2.142 zeigt den Querschnitt eines NbTi-Mischmatrix Drahtes
(Durchmesser 1 mm) mit 864 Filamenten. Der Draht ist für geringe
Wechselstromverluste ausgelegt. Er trägt typisch einen Strom von 75 A bei 5 T.
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Fig. 2.142 Querschnitt eines NbTi-Mischmatrix-Drahtes (Fa. VAC / Komarek)
b) Hystereseverluste im SL
Aufgrund des Wechselstromes müssen ständig Flußfäden in das einzelne SLFilament und aus dem SL heraus bewegt werden. Dadurch ergeben sich die in
Kap. 2.2.3.7. bereits erwähnten Verluste. Diese können durch Verwenden von
extrem dünnen Filamenten (10µm) verringert werden. In diesen muß der Fluß
nur sehr kurze Strecken laufen, bis er komplett im Material ist. Die auftretende
Hysterese ist entsprechend gering.
2.4.1.6 Herstellung
a) NbTi-SL
Die Herstellung dieser SL ist schematisch in Fig. 2.143 gezeigt.
Fig. 2.143:
Herstellung von
NbTi SL
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b) Nb3Sn-SL
Hier ist eine Festkörperreaktion (Nb-Stäbe in CuSn-Bronze) nötig. Da dieser SL
sehr spröde ist, ist er nicht zu einem Draht ziehbar. Deshalb wird zuerst der
Draht geformt und dann die Festkörperreaktion durchgeführt.
c) BSCOO – SL
Bei diesen wird das sog. „Pulver in Rohr“ - Verfahren angewendet.
Siehe dazu:
http://w1.siemens.de/FuI/de/zeitschrift/archiv/Heft1_98/artikel12/index.html
2.4.1.7 Anwendung der Magnete
Supraleitende Magnete finden ihr Einsatzgebiet als
-
Labormagnete
NMR-Tomografen
Beschleuniger
Blasenkammer
Magnetscheider
Supraleitende magnetische Energiespeicher (SMES)
Motoren
Trafos
Weitere Anwendungen:
BSCOO-Kabel : s. dazu :
http://w1.siemens.de/FuI/de/zeitschrift/archiv/Heft1_98/artikel12/index.html
NbTi-Leiter:
http://www.igc.com/AnnualReport/1999/super_2.html
Elektromagnetik:
http://www.igc.com/AnnualReport/1999/electro_2.html
SL Bahn-Transformator:
http://w1.siemens.de/FuI/de/zeitschrift/archiv/Heft1_98/artikel12/index.html
2.4 Anwendungen
2.4.2.
2.4.2. HTS-Dünnfilme
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HTS-Dünnfilme
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, SL Filme herzustellen. Am Lehrstuhl E10 wird
dabei das Verfahren der thermisch reaktiven Ko-Verdampfens angewendet (s. Fig.
2.144). Dabei werden Schiffchen (Metallstreifen aus Mo oder W), welche die
metallischen Bestandteile Y, Ba und Cu enthalten, im Vakuum mittels
Stromdurchgang erwärmt. Die dadurch verdampfenden Metalle treffen auf ein
Substrat, welches sich oberhalb der Schiffchen befindet. Das an einem Drehteller
befestigte Substrat wird über Heizer auf einer Temperatur von ca. 680°C gehalten.
Der Drehteller rotiert mit einer Frequenz von einigen Hz. Dadurch durchqueren die
aufgedampften Materialien eine Sauerstoffdose, die zum Substrat hi+n geöffnet ist.
In dieser wird das jeweils frisch aufgedampfte Material oxidiert, so daß ein dünner
YBCO-Film aufwächst.
Fig. 2.144: Verfahren des thermisch reaktiven Ko-Verdampfens
Bei E10 werden verschiedene Möglichkeiten untersucht HTSL basierend auf diesem
Verfahren auf verschiedenen Substraten (Metallbänder, einkristalline Substrate etc.)
herzustellen und zu charakterisieren. Des weiteren finden am Lehrstuhl
Untersuchungen zu Mikrowelleneigenschaften und dem Schaltverhalten (Übergang
SL-> NL) von HTSL statt. Wer mehr dazu erfahren möchte sollte uns besuchen.
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