Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) WS 2013/14 - Modul 4.2 Erkrankungen der Bewegungsorgane einschließlich rheumatischer Erkrankungen und Trauma Chr. Herrmann-Lingen Folien z.T. von U. Buss A us Datenschutzgründen wurde das automatische Herunterladen dieses Bilds v on PowerPoint gesperrt. Übersicht • Erscheinungsformen und Charakteristika psychischer Trauma-Folgestörungen • • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) • Definition • Epidemiologie: Auslöser; Inzidenz etc. • Symptome • Mechanismus der Traumaverarbeitung Besonderheiten beim Umgang mit traumatisierten Patienten Reaktionen auf Belastungen ( ICD-10 F 43 ) Unterscheidung • ICD-10 F43.0: Akute Belastungsreaktion • ICD-10 F43.2: Anpassungsstörung • ICD-10 F43.1: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS bzw. PTSD) Gemeinsame Charakteristika • belastendes Ereignis (z.B. Krankheit / Trauma) als ausschlaggebender Kausalfaktor • ohne Ereignis wäre die Störung nicht entstanden • erhebliche Beeinträchtigung der sozialen Leistungsfähigkeit Fallbeispiel: Vorgeschichte Ein 68-jähriger PKW-Fahrer verliert auf der Landstraße kurzzeitig das Bewusstsein und kollidiert mit einem LKW. Er wird mit einer Beckenringfraktur, einer Commotio cerebri und einer komplizierten Unterschenkelfraktur ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Ehefrau, die auf dem Beifahrersitz saß, ist bei dem Unfall ums Leben gekommen, die erwachsene Tochter hat auf dem Rücksitz mit einer Sprunggelenksfraktur überlebt. Nach chirurgischer Erstversorgung wirkt der Patient fahrig, schreckhaft und ängstlich. Die Nachtschwester bemerkt, dass er nachts nicht zur Ruhe kommt und mehrfach in Tränen ausbricht. Am Folgetag erfährt er in der Visite, dass seine Frau verstorben ist. Zu seiner Unterstützung wird der psychosomatische Konsiliararzt gerufen. Fallbeispiel: psychischer Befund 68-jähriger pensionierter Beamter in altersentsprechendem Zustand. Keine psychische oder somatische Vorerkrankung, keine Abhängigkeitserkrankung. Patient wirkt stark verängstigt, kann sich den Unfall nicht erklären. Grübelt über den Unfallmechanismus und die Ursache seiner Bewusstlosigkeit. Sorgt sich, unter ernsthafter Erkrankung zu leiden. Immer wieder bricht er in Tränen aus. Ihn beschäftigt die Frage, ob er schuld am Tod seiner Frau sei. Fragt nach seiner Tochter, die auf einer anderen Station behandelt wird und ihn noch nicht besuchen konnte. Äußert Zweifel, ob sie überhaupt noch am Leben sei oder man ihn evtl. nur schonen wolle. Akute Belastungsreaktion Zeitlicher Verlauf Symptomatik rasches spontanes Abklingen Gefühl der Betäubung Bewusstseinseinengung Aufmerksamkeitsstörung Desorientiertheit sozialer Rückzug selten Übergang in PTBS veg. Angstäquivalente Auftreten Minuten bis Tage nach Belastung rascher Symptomwechsel (Schwitzen, Erröten, Tachykardie) Akute Belastungsreaktion Therapieprinzipien vor allem kurze Krisenintervention (Abklärung von Suizidalität und schwerer Angst, u.U. pharmakologische Therapie, Organisation sozialer Unterstützung) wegen Tendenz zur Spontanremission meist keine längere Therapie erforderlich Fallbeispiel: Akute Intervention Entlastende Gespräch: Normale Reaktion auf unnormale Situation. Erläuterung der guten Spontanprognose. Angebot kurzzeitiger Schlafmedikation. Unterstützung bei Kontaktaufnahme mit Tochter. Vermittlung eines Gesprächs mit dem kardiologischen Konsiliarius, der zur Synkopenabklärung hinzugezogen wurde. Angebot eines weiteren Gesprächs in zwei Tagen. Fallbeispiel: Verlauf Im Folgekontakt wirkt Patient stabiler, Besuch der Tochter und Schlaftablette haben gut getan. Kardiologe hat mitgeteilt, dass Herzrhythmusstörungen gefunden wurden, die möglicherweise die Synkope erklären können. Zunächst kein Anhalt für sonstige schwere Herzerkrankung. Patient blickt weiterer Abklärung gefasst entgegen. Patient trauert um Tod der Frau. Wirkt verzweifelt, weil er sich nicht verabschieden, wegen Immobilisierung nicht an der Beerdigung teilnehmen kann. Fallbeispiel: Verlauf Distanzierung vom Trauma Emotionale Unterstützung Im Folgekontakt wirkt Patient stabiler, BesuchSchuldder Tochter und Schlaftablette haben gut getan. entlastung Entängstigung Kardiologe hat mitgeteilt, dass Herzrhythmusstörungen gefunden wurden, die möglicherweise die Synkope Emotionale erklären können. Zunächst kein Anhalt für sonstige Verarbeitung schwere Herzerkrankung. Patient blickt weiterer Anhaltende Abklärung gefasst entgegen. Belastungen Patient trauert um Tod der Frau. Wirkt verzweifelt, weil er sich nicht verabschieden, wegen Immobilisierung nicht an der Beerdigung teilnehmen kann. Anpassungsstörungen Auftreten nach relevanten, meist belastenden Lebensveränderungen Verlust durch z.B. Trennung , Tod , Emigration berufliche Zurücksetzung schwere körperliche Erkrankungen Typische Symptome Mäßig ausgeprägte Angst, depressive Symptome, Rückzug/Vermeidung etc. Zeitliches Kriterium Beginn innerhalb eines Monats Dauer nicht länger als 6 Monate Anpassungsstörung Therapieprinzipien Erstkontakt: meist Ärzte aus somatischen Fächern (z.B. Hausarzt; im Krkhs) Leichtere Schweregrade: Erhöhung der sozialen Unterstützung entlastendes u. stützendes Gespräch Aktivierung von Bewältigungsstrategien ggf. begleitende medikamentöse Therapie (cave: Benzos !) Schwerere Anpassungsstörungen: oft Indikation zur Kurzzeit-Psychotherapie Ziel: Erarbeitung von Bewältigungsstrategien Nutzung vorhandener persönlicher Ressourcen Fallbeispiel: Weitere Intervention Förderung der Selbstfürsorge im Krankenhaus: Lieblings-CDs und Wunschspeisen mitbringen lassen. Fokus auf Abschied und Zukunftsgestaltung: Planung der Beerdigung mit Tochter, später private Trauerfeier, sobald Patient mobil ist. Planung der Rehabilitationsbehandlung. Erste Fantasien über zukünftiges Leben: was wird schwer (z.B. Umgestaltung der Wohnung)? was könnte gut tun? Abschied und Angebot Wiedervorstellung nach Reha. Fallbeispiel: Weitere Intervention Förderung der Selbstfürsorge im Krankenhaus: Lieblings-CDs und Wunschspeisen mitbringen lassen. Fokus auf Abschied und Zukunftsgestaltung: Planung der Beerdigung mit Tochter, später private Patient stellte sich nach drei Monaten Trauerfeier, sobald Patient mobil ist. zum erneuten Gespräch vor. Er konnte Planung der Rehabilitationsbehandlung. mit Gehstock wieder gehen, hatte sich Erste Fantasien über zukünftiges Leben: mit Unterstützung von Tochter und was wird schwer (z.B. Umgestaltung der Wohnung)? Freunden was könnte wieder gut tun? zu Hause eingelebt. Trotz (angemessener) Trauer um die Abschied und Angebot Wiedervorstellung Reha. Ehefrau blickte er wiedernach optimistisch in die Zukunft. Posttraumatische Belastungsstörung Definition (Flatten 2005) Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine mögliche Folgereaktion eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse, die an der eigenen Person, aber auch an fremden Personen erlebt werden können. In vielen Fällen kommt es zum Gefühl von Hilflosigkeit, Angst und Entsetzen und durch das traumatische Erleben zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses. PTBS: Epidemiologie I Pravälenz (DeGPT-LL Flatten et al. 2011) • nach Vergewaltigung 50% • nach anderen Gewaltverbrechen 25% • bei Kriegs-, Vertreibungs- und Foltereopfern 50% • bei Verkehrsunfallopfern 10% • bei schweren Organerkrankungen (Herzinfarkt, Malignome) 10% • Lebenszeitprävalenz in der deutschen Allgemeinbevölkerung 1,5–2 % PTBS: Epidemiologie II Prävalenz und Verlauf (z.B. Perkonigg et al. 2000; Cottler, 1992; Breslau, 1991) Lebenszeitprävalenz bei Feuerwehrleuten 25% - 40% Kinder und Jugendliche besonders vulnerabel durchschnittliche Beschwerdedauer 36 Monate mit und 64 Monate ohne Behandlung Wahrscheinlichkeit der Chronifizierung 30% Wahrscheinlichkeit Spontanremission 50% Hauptsymptome der PTBS • Intrusionen Flash backs - Alpträume • Konstriktion Vermeidung traumaassoziierter Stimuli Sozialer Rückzug Numbness (emotionale Taubheit) • Hyperarousal Schreckhaftigkeit - Hypervigilanz Schlafstörungen - Reizbarkeit Psychische Komorbidität bei PTBS Traumatische Ereignisse können eine Vielzahl von psychopathologischen Merkmalen nach sich ziehen…. Psychische Komorbidität bei PTBS Angststörungen Depressionen Suchterkrankungen Somatisierung Dissoziative Störungsbilder Trauma-Mechanismus • Traumatische Zange : - Überflutende Angst - Hilflosigkeit - Ohnmacht Blockade Überforderung der Anpassungsmöglichkeiten des psychischen Systems Fallbeispiel 2 Frau S., 61 J. Sparkassen-Angestellte Kommt zur Begutachtung wegen Palpitationen mit anhaltender Arbeitsunfähigkeit Therapeutische Grundprinzipien bei PTBS Stabilisierung Traumabearbeitung Rehabilitation Übersicht therapeutischer Strategien (DeGPT-LL Flatten et al. 2011) Stabilisierung Herstellen einer sicheren Umgebung (Verhinderung weiterer Traumaeinwirkung) Organisation eines psychosozialen Helfersystems Aufklärung („Psychoedukation“) bezüglich traumatischer Symptome Hinzuziehung eines in der PTBS-Behandlung erfahrenen Psychotherapeuten evtl. symptomorientierte Pharmakotherapie Stabilisierung Herstellen einer sicheren Umgebung (Verhinderung weiterer Traumaeinwirkung) Organisation eines psychosozialen Helfersystems Aufklärung („Psychoedukation“) bezüglich traumatischer Symptome Hinzuziehung eines in der PTBS-Behandlung „normale auf unnormale Situation“ erfahrenenReaktion Psychotherapeuten evtl. symptomorientierte Pharmakotherapie Traumabearbeitung - Voraussetzungen - • nur im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans • ohne ausreichende Stabilisierung keine Traumabearbeitung !! • traumatisierende Ereignisse oder Beziehungen müssen abgeschlossen sein Traumabearbeitung - Grundannahmen - • Traumaverarbeitung durch Traumaexposition: Integration des traumatischen Erlebens in die individuelle Biographie als Erfahrung, das Trauma überlebt zu haben • Focus der Traumabearbeitung: intrusives Wiedererleben und daraus resultierende Verhaltensänderungen • Methoden: Habituation, kognitive Umbewertung, EMDR, (psychodynamische Verfahren) Obsolet ist: (DeGPT-LL Flatten et al. 2011) • Anwendung nicht traumaadaptiver Therapien (z.B. unmodifiziertes psychoanalytisches Verfahren, unkontrollierbare Reizüberflutung, unkontrollierte regressionsfördernde Therapien) • Alleinige Pharmakotherapie • Traumatherapie ohne Gesamtbehandlungsplan Besondere Aspekte der Untersuchung Traumatisierter cave: Retraumatisierung, iatrogene Schädigung deshalb überprüfen, ob detaillierte Klärung des Geschehens erforderlich ! Reaktion auf Verbalisierung des Traumas nicht sicher einzuschätzen !! Selbsteinschätzung der Opfer einholen! Sicherheit vermitteln, Stress abbauen ! Gegenübertragung bei der Versorgung Traumatisierter Angst, Furcht Wut Schuld überidentifikatorische Haltung Empathie-Stress erforderlich ist die Fähigkeit, während des Einsatzes Gefühle zu kontrollieren Traumahilfe: Gefahren (z.B. Reinhard & Maercker 2004) Sekundäre Traumatisierung der Helfer (Rettungssanitäter, Feuerwehrleute, Ärzte, Therapeuten etc.) insbesondere bei fehlender Erfahrung !!! Fazit I Traumatisierungen sind häufig Posttraumatische Störungen sind seltener, aber nicht selten !! (meist „Auffangmöglichkeit“ in natürlicher sozialer Umgebung) PTB-Symptomatik auch bei Vielzahl somatischer Erkrankungen (Prävalenz bei schweren Organerkrankungen ca. 10%-15%) PTBS als wichtige Komorbidität in Traumatologie, Chirurgie, Orthopädie, Innerer Medizin etc. PTBS-Symptome zum Teil stärker beeinträchtigend als primäre somatische Erkrankung/Läsion neben der PTBS häufig noch andere psychopathologische Konsequenzen des Traumas: Anpassungs-, depressive, somatoforme, Angststörungen etc. Fazit II Selbstfürsorge der beteiligten Helfer wichtig !!! Gefahr einer sog. sekundären Traumatisierung bei V.a. PTBS psychosomatisches Konsil anstreben bzw. fachpsychotherapeutische Diagnostik und Behandlung Therapeutische Interventionen nur nach sorgfältiger Indikationsstellung ! Stabilisierung vor Traumaexposition ! Traumaexposition (d.h. gedankliche und gefühlsmäßige „Bearbeitung“ ) Grundprinzip der Therapie Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ENDE Auf Wiedersehen im M 5.1 !