TIER IM BILD Die menschliche Perspektive Publikation zum interdisziplinären Symposium 13.–14.11.2014 Inhaltsverzeichnis 2.2 Claudia Brinker-von der Heyde und Susanne Schul: Einbildung, Abbildung und Wortbildung: Der Elefant in mittelalterlicher Literatur und Kunst 23 Tier im Bild – Die menschliche Perspektive 3 3. Über Wahrnehmung, Darstellung und Umgang mit Tieren 5 3.1 Inke Beckmann: Zur Bedeutung von Wild- und Nutzgeflügel in Bild und Brauchtum der frühneuzeitlichen Niederlande 26 Danksagung 1. Wohin Tiere als Bildmotiv den Blick lenken 27 6 1.1 Justus Lange: Affe, Hund, Papagei – Was sagen uns Tiere über Menschen? 7 1.2 Anna Degler: Warum auf Tiere schauen? Das Tier als ‚Affektmedium‘ in der Malerei der Frühen Neuzeit 3.2 Silke Gatenbröcker: Exotische Rarität und lebendiges Naturmodell – Tethart Philipp Christian Haag malt den ersten lebenden Orang-Utan in Europa 30 10 3.3 Daniel Wolf: Der Affe an der Kette – Ein Motiv zwischen Unterhaltung und Unterdrückung 1.3 Julia Roolf: Die keramischen Tierdarstellungen im 17. und 18. Jahrhundert 33 13 1.4 Christian Presche: Steinerne Tiere in der hessischen Residenzstadt Kassel in Barock und Aufklärung 4. Wie lebendige Tiere in der Kunst agieren 36 16 4.1 Marvin Altner: Lebende Tiere in der Kunst. Über den performativen Realismus des Tiers im Ausstellungsraum von den 1960er Jahren bis heute 2. Wie Tiere als Bedeutungsträger die Rezeption bestimmen 37 19 2.1 Martina Sitt: Michelangelo als Löwenkopf? J. H. W. Tischbeins Tierphysiognomik und J. Fr. Blumenbachs Kommentare Anhang 39 Impressum 39 20 Programm-Flyer Symposium 40 Tier im Bild – Die menschliche Perspektive Die menschliche Perspektive enthält immer schon eine Einstellung zum oder eine Vorstellung vom Tier, welche dessen Bildwerdung bedingt. Das Sehen muss in diesem Sinne als aktiver Prozess verstanden werden, bei dem bestehende Vorstellungen mit dem Gesehenen in Einklang gebracht werden, wobei Vorstellung und Wahrnehmung als gegenseitige Korrektive fungieren. Entsprechend ist auch die Darstellung von diesen beiden Faktoren geprägt. Die Visualisierung macht die subjektive Anschauung intersubjektiv zugänglich und schafft somit eine visuell fixierte Grundlage, um Vorstellung und Gegenstand kollektiv in Verbindung setzen und konsensfähig machen zu können. Da diese Mechanismen lediglich Menschen zugänglich sind, bleibt offen, ob Tiere auch selbst einmal in diesem Kontext ‚zu Wort‘ kommen können. Es wäre wohl zu pessimistisch zu behaupten, dass Tiere in Bildern nicht auch Ausdrucks mö glichkei ten erhalten können. Doch hat sich an der Vielfalt der Beiträge und Zugangsweisen im Rahmen des Symposiums gezeigt, dass wir jener frühneuzeitlichen Deutung des Schöpfungsmythosʼ und infolgedes- Hörsaal der Kunsthochschule Kassel während des Symposiums sen des Tiers als Verkörperung menschlicher Eigenschaften noch sehr stark verhaftet sind. In Bildern ist implizit eine hierarchische Unterordnung von Tieren unter den Menschen angelegt, da diesen zwar ein Handlungsspielraum gegeben werden kann, die Rahmenbedingungen jedoch immer durch menschliche Akteure definiert werden. Dabei gibt es durchaus Tendenzen, dem Tier einen Raum im Bild zuzugestehen. Die Rahmenbedingungen bleiben jedoch menschlich bestimmt und die Tiere einem anthropozentrischen Blick ausgesetzt. Die Tiere spre- Gemäß der Schöpfungserzählung im 1. Buch Mose 1,1–2,4a erschuf Gott am fünften Tag die Vögel und Wassertiere und am sechsten Tag die Tiere auf dem Land. Nachdem Gott sah, „dass es gut war“, schuf er auch den Menschen nach seinem Bilde. In diesem bekannten Schöpfungsmythos wurde in der Frühen Neuzeit oftmals eine Hierarchie gesehen: Tiere seien eine simplere Form des Lebendigen im Vergleich mit dem Menschen. Damit verband man auch die Idee einer Entwicklung, die für die Funktion der Tiere in Abbildungen oft bedeutete, Tiere als Träger nur einzelner menschlicher Charakterzüge zu verwenden. Das Tier im Bild ist in dieser Form auf eine Kommentarfunktion zum Menschen beschränkt, die es nicht als individuelles Lebewesen, sondern als Art klassifiziert. Die geringe Komplexität, welche den Tieren zugeschrieben wurde, bedingt ihre Eignung als Träger und Vermittler menschlicher Eigenschaften – eine Rolle, welche das Tier im Bild bis heute vornehmlich einnimmt. So „[s]cheint es doch fast, als habe die Schöpfung zuvor mit den Tieren Probe machen wollen, um nachher den Herrscher über alle Geschöpfe, den Menschen, bilden zu können!“ (J. H. W. Tischbein) Damit stellt sich die Frage, welche Bedeutung Bildern unter diesen Voraussetzungen in Bezug auf Tier-Mensch-Beziehungen zukommt. Im späten 18. Jahrhundert wurde dies im Rahmen der Forschungen zur Physiognomie erneut diskutiert, wobei die Rolle der Tiere wiederum auf ihre Funktion als Bedeutungsträger beschränkt blieb. Da der Mensch, der sich als ‚homo pictor‘ das Monopol über die Bilder angeeignet hat, als deren alleiniger Schöpfer auftritt, liegt die Herrschaft über die Aussagekraft des Tiers stets bei ihm, womit ein Tier im Bild immer auch ein Verhältnis zum Menschen visualisiert. Ein Bild von einem Tier bildet somit nicht einfach ein Tier ab, sondern verbindet dieses gleichzeitig mit dessen Bedeutung für den Menschen. Eine Perspektive des Tiers kann dabei nur antizipiert werden. Die Darstellung einer solchen steht infolgedessen unter dem Verdacht der Anthropomorphisierung. 3 chen nicht für sich selbst, sondern sind Träger von Aussagen, die durch die jeweiligen Inszenierungszusammenhänge definiert werden – auch wenn die Tiere durchaus selbst Thema dieser Aussagen sein können. Die Handlungsspielräume sind nicht die der Tiere, sondern die vom Künstler vorgesehenen. Somit bleibt auch das aktive Tier der Hierarchie des Menschen unterstellt und wird nur aus einer sehr eingeschränkten Perspektive sichtbar. Auch wenn Tieren Raum zur Aktion gegeben wird und sie somit die visuelle Erscheinung aktiv beeinflussen, bleibt dies doch auf Re-Aktionen beschränkt. Die vielfältigen Formen, in denen Tiere in Bildern auftreten können – als ikonographische Zeichen, als Vertreter ihrer Art oder auch als individuelles Tier – bleiben stets humanen Deutungszusammenhängen unterworfen. Die Vorstellung von einer Hierarchie der Lebewesen wird durch die Struktur der Bildwerdung reproduziert. In den Workshops vor den originalen Kunstwerken, die jeweils durch eine sehr engagierte und lebhafte Diskussion bestimmt wurden, half der Rückgriff auf Symbolwissen und Annahmen, wie Tiere sich in welchem Umfeld verhalten, zwar meist dabei, die Komposition des Werkes besser zu verstehen, aber nicht das Bild eines Tieres in der jeweiligen Workshop in der Galerie Alte Meister, Schloss Wilhelmshöhe Zeit zu ergründen. Da jedes dieser Bilder auf den Menschen zurückverweist, sind die dargestellten Tiere immer noch reine Platzhalter für einen Gedankenaustausch, der sich im besten Fall über ihren Referenzwert in diesem Werk entwickelt. Eine Diskussion aus der ‚Perspektive des Tiers‘, wie sie der LOEWE-Schwerpunkt anstoßen möchte, scheint noch ein weit gestecktes Ziel. Dabei zeigten die Diskussionen einmal mehr, welche Probleme allein die adäquate Begrifflichkeit bereitet. Im Rahmen dieser Analyseprozesse wurden insbesondere die Unterschiede der Geistes- und Naturwissenschaften in diesen reflektiert. So blieben die ersteren in dieser Publikation erst einmal unter sich. Sie offerierten immerhin ein breites Spektrum aus Beispielen vom Mittelalter bis zur Gegenwartskunst in Text und Bild. Ziel des Kasseler Symposiums war es, der Frage nachzugehen, welche Rolle die Bilder in Tier - Men sch -Bez iehungen spielen. Dabei zeigte sich trotz der Vielfalt der Beiträge, der vorgestellten Medien und Zugangsweisen, dass die heutigen Betrachter jener eingangs beschriebenen Grundidee einer Entwicklung vom simplen Workshop in der Galerie Alte Meister, Tier zum komplexen Menschen Schloss Wilhelmshöhe noch sehr stark verhaftet sind. Dabei sind uns Bilder mit bekannten Konnotationen wichtiger als die Originale der Tiere, denn es scheint weitaus einfacher, über ein Tier als Bildgegenstand zu reden als in Ansehung eines lebenden Tieres einen Diskurs über dessen und unsere Eigenschaften zu führen. Selbst in den vorgestellten Beispielen, in denen Tiere selbst einmal ‚zu Wort‘ kamen, war der Blick auf das lebende Tier wiederum inszeniert (Höller/Trockel). Die einzelnen Themen sind im Folgenden nach den Funktionen der von ihnen behandelten Tier-Bild-Verhältnisse in vier Kategorien eingeordnet, auch wenn es zum Teil Überschneidungen geben mag: 1. Wohin Tiere als Bildmotiv den Blick lenken 2. Wie Tiere als Bedeutungsträger die Rezeption bestimmen 3. Über Wahrnehmung, Darstellung und Umgang mit Tieren 4. Wie lebendige Tiere in der Kunst agieren 4 Danksagung Ganz herzlich möchten wir uns bei unseren Kooperationspartnern bedanken, die durch finanzielle Unterstützung, Bereitstellung von Räumlichkeiten, tatkräftige Unterstützung sowie wissenschaftliche Beiträge im Rahmen des Symposiums die Veranstaltung mit ermöglicht und bereichert haben: Arbeitskreis Niederländische Kunst- und Kulturgeschichte Unser besonderer Dank geht an den ANKK als Kooperationspartner und insbesondere Prof. Dr. Nils Büttner sowie Dr. Justus Lange, Museum Schloss Wilhelmshöhe, Kassel. Unterstützt wurden wir von Dr. Kai Füldner, Direktor des Naturkundemuseums im Ottoneum, und seinem Team, der Flämischen Gemeinschaft und der niederländische Botschaft sowie dem Team des LOEWE-Schwerpunkts an der Universität Kassel, insbesondere Sonja Dinter M.A. Das Programm zum Symposium entnehmen Sie bitte dem Faltblatt im Anhang Martina Sitt, Christian Presche, Daniel Wolf 5 1. Wohin Tiere als Bildmotiv den Blick lenken Die ersten vier Beiträge befassen sich vornehmlich mit tierischen Bildelementen, die in direktem Bezug zum Menschen stehen. Sie sind Informationsträger, verkörpern als Attribute Eigenschaften abgebildeter Personen oder dienen als Wegweiser der Betrachterlenkung. Dabei stellt sich schon in diesen Zusammenhängen immer wieder die Frage, inwieweit die Symbolkraft der Tiere auf ihren eigenen Vermögen basiert, oder ob es sich lediglich um Projektionen des Humanen handelt. 1.1 Justus Lange: Affe, Hund, Papagei – Was sagen uns Tiere über Menschen? 1.2 Anna Degler: Warum auf Tiere schauen? Das Tier als ‚Affektmedium‘ in der Malerei der Frühen Neuzeit 1.3 Julia Roolf: Die keramischen Tierdarstellungen im 17. und 18. Jahrhundert 1.4 Christian Presche: Steinerne Tiere in der hessischen Residenzstadt Kassel in Barock und Aufklärung 6 Affe, Hund, Papagei – Was sagen uns Tiere über Menschen? ten mit einem Meerkatzenbalg. Ähnliches ist aus der Rudolstädter Residenz überliefert.3 Affen, Hunde und Papageien stehen bekanntlich in einer besonderen Verbindung zum Menschen. Der Affe ist uns evolutionsgeschichtlich am nächsten, unser Artverwandter; der Hund gilt seit seiner Domestizierung in vorgeschichtlicher Zeit als der ‚treueste Freund des Menschen‘ und mit dem Papagei verbindet uns in gewisser Weise die Gabe der Sprache. 1 Schon im Physiologus, der um 150/200 n. Chr. entstand, heißt es über den Papagei: „Er kann die Stimmen des Menschen nachahmen, er spricht auch selbst in gleicher Weise und unterhält sich wie ein Mensch.“2 Wenngleich das sicher etwas zu optimistisch formuliert ist – wer stand nicht schon einmal vor einem Papageienkäfig, um dem Tier vergeblich irgendein Wort zu entlocken? –, so haben sich Hund und Papagei als Haustiere durchgesetzt, Affen dagegen nicht. Dennoch war auch der Affe in der Frühen Neuzeit offensichtlich bisweilen Bestandteil eines fürstlichen Hausstandes. Insbesondere bei den spanischen Habsburgern lässt sich der Besitz von Affen, meist Meerkatzen, nachweisen. Aber auch im deutschsprachigen Raum gibt es Belege hierfür. Im Schloss von Arnstadt ist 1583 eine Meerkatzenstube erwähnt; in der Kleiderkammer gab es zudem einen Kas- 1 Familienbild eines flämischen Meisters Affe, Hund und Papagei tauchen auch in der Malerei immer wieder auf, bisweilen sogar zusammen, wie in einem Familienbild eines flämischen Meisters um 1620 im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig (Abb. 1).4 Dies lässt nach ihrem besonderen Verhältnis zum Menschen fragen. Was sollen uns die Tiere im Bild sagen? Sollen sie uns überhaupt immer etwas sagen oder sind sie vielleicht auch nur dekoratives Beiwerk? Oder – so die These – spielen Künstler ganz bewusst mit der Mehrdeutigkeit der Tiersymbolik? Anhand von vier Fallstudien aus dem Bestand der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel wurde dieser Frage nachgegangen. Für diesen abstract wurde der Papagei ausgewählt. Dieses Tier vereint in sich widersprüchliche Symbolik. Auf der einen Seite ist er z. B. das Symbol der Liebe, auf der anderen dasjenige der Luxuria. Wie ist er also in Caspar Netschers Damenbildnis mit Papagei (Abb. 2)5 zu verstehen? Soll der Betrachter die Dame eher sittsam oder verführerisch finden? Oder vielleicht auch beides, je nachdem? Ein Blick auf andere Porträts mit Papageien 2 Caspar Netscher, Damenbildnis mit Papagei 3 Günther XLI. Graf von Schwarzburg. Flämische Tapisserien des 16. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Schlossmuseum Arnstadt, hrsg. von Matthias Klein, Jena 2010. 4 Vgl. zuletzt: Rüdiger Klessmann, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig. Die flämischen Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts, München 2003, S. 37–38. 5 Vgl. zuletzt: Marjorie E. Wieseman, Caspar Netscher and Late Seventeenth-century Dutch Painting, Doornspijk 2002, Kat. 169. 1 Zu den unterschiedlichen Bedeutungen siehe die Einträge in Sigrid und Lothar Dittrich, Lexikon der Tiersymbole. Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.–17. Jahrhunderts (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte, Bd. 22), Petersberg 2004. 2 Physiologus, Frühchristliche Tiersymbolik, aus dem Griechischen übersetzt und herausgegeben von Ursula Treu, Berlin 1987, S. 91. 7 kann verdeutlichen, dass dies oftmals nicht eindeutig zu klären ist, wenn man nicht den genauen Entstehungskontext eines Gemäldes kennt. bitionen des französischen Kardinals auf die Papsttiara verweisen soll: ‚Papa gallus‘, d. h. der ‚französische Papst‘. Nachdem sich diese Hoffnungen durch den Tod de Guises zwei Jahre später erledigt hatten, erschien eine Radierung nach dem Porträt, die statt des Papageis nun ein Kruzifix zeigte; die Anspielung hatte ihren Sinn verloren. Rembrandts Porträt der Catrina Hooghsaet von 1657 (Abb. 3) zeigt die fünfzigjährige Frau, die zum Zeitpunkt des Porträts zum zweiten Mal geheiratet hatte.6 Jedoch war der Ehe kein Erfolg beschieden und Catrina – eine selbstbewusste und zielstrebige Frau – lebte getrennt von ihrem Mann mit ihrem Papagei. Als Ausdruck der Liebe zum Mann bzw. zur Luxuria taugt er also nicht. Bedenkt man zudem, dass sie als Mennonitin gerade dem Luxus kritisch gegenüber stand, so scheint es sich wohl eher darum zu handeln, dass sie ihren Papagei einfach liebte 3 Rembrandt Harmensz. van Rijn, Porträt der Catrina Hooghsaet und auf dem Gemälde verewigt sehen wollte. Entsprechend taucht in ihrem Testament sogar ein Papagei in einem Käfig auf. Kommen wir zurück auf Netschers Porträt, so gibt einerseits die rückseitige Inschrift: „Voor Juffr. Van Cortehouf“ Hinweis auf eine bestimmte Person, die jedoch noch nicht identifiziert werden konnte, andererseits taucht exakt derselbe Bildnistyp in Netschers Werkstatt mehrfach auf, was unterstreicht, dass der Papagei sehr wahrscheinlich nicht ein persönliches Attribut 4 El Greco, Porträt des französischen Kardinals sein soll.8 Vielmehr dürfte es sich Charles de Lorraine de Guise um eine recht allgemein gehaltene Anspielung auf die Liebe handeln, die von den (männlichen) Betrachtern jedoch durchaus unterschiedlich verstanden werden konnte. Man konnte darin sowohl die den christlichen Moralvorstellungen entsprechende Liebe zu Gott sehen als auch die eher weltliche Sinnesfreude. Ohne gegen das decorum zu verstoßen, schufen der Künstler und seine Werkstatt einen offenen Bildnistyp, der sich ganz offensichtlich gewisser Beliebtheit erfreute. Das in Zürich aufbewahrte Porträt des französischen Kardinals Charles de Lorraine de Guise (Abb. 4), gemalt wohl von El Greco, zeigt, wie verschieden die Deutung ausfallen kann.7 Wenngleich der Papagei in der Fensternische hier als Mariensymbol zu verstehen sein könnte, so besteht doch der eigentliche Bildsinn darin, wie Douglas-Scott überzeugend darlegen konnte, dass das italienische Wort für das Tier ‚papagallo‘ hier auf die Am6 Vgl. zuletzt: Rembrandt. The late works, Ausst.-Kat. National Gallery/Rijksmuseum Amsterdam 2014, S. 110. 7 Michael Douglas-Scott, The Portrait of Charles de Guise, Cardinal of Lorraine, in: Arte Veneta, Bd. XXXVI, 1982, S. 216–217. 8 8 Siehe die Auflistung der Varianten bei Wieseman 2002 (wie Anm. 5), S. 286–287. Über den Autor: Wie sieht es aus, wenn Papagei und Hund gemeinsam auftreten? Kann eine gute Bedeutung eine vermeintlich schlechte aufheben? Oder verstärkt die eine Symbolik die andere? Das Ehepaarbildnis von Gonzales Coques in Brüssel zeigt neben dem Papagei nun noch einen Hund.9 Da dieser nicht direkt dem Mann zugeordnet ist, dürfte er kaum auf die Jagd oder ähnliche männliche Aktivitäten zu beziehen sein. Vielmehr scheinen sich Hund und Papagei inhaltlich zu ergänzen und auf das harmonische Miteinander des Paares – ausgedrückt auch durch das gemeinsame Musizieren – zu verweisen: der Papagei als Symbol für die Liebe und der Hund als Zeichen der Treue. Dr. Justus Lange ist Kurator der Gemäldegalerie Alte Meister im Schloss Wilhelmshöhe/Museumslandschaft Hessen Kassel. Lange hat „Zum Frühwerk Jusepe de Riberas“ promoviert. Er war Stipendiat der Bayrischen Graduiertenförderung und des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) und bis 2009 Kustos der Sammlung Malerei, Graphik und Skulptur des Städtischen Museums Braunschweig. Kontakt: Blickt man dann noch einmal auf das eingangs erwähnte Beispiel des Familienbildnisses in Braunschweig zurück, auf dem die drei hier vorgestellten Tiere zu sehen sind, so kann man wohl Anne Charlotte Stelands Deutung zustimmen, die eine enge inhaltliche Verschränkung der drei Tiere im Hintergrund mit den Menschen im Vordergrund vorschlug.10 Die Anordnung der Tiere im Dreieck sollte die frommen Wünsche der Eltern zum Ausdruck bringen: Die Keuschheit wird veranschaulicht durch den Papagei, der in Richtung des Spiegels blickt (speculum sine macula). Voraussetzung hierfür ist christliches, die Sexualität zügelndes Leben, gewährt durch die (eheliche) Treue, hier verdeutlicht durch den Hund, der den angeketteten Affen, Symbol von Unkeuschheit und Wollust, anbellt. [email protected] Bildnachweise: Man könnte jedoch noch einen Schritt weiter gehen, indem je ein Tier einem der Menschen zugeordnet ist. Der treue, wachsame Hund wäre das Ideal des Familienvaters. Die an die Kette gelegte Wollust würde für die Keuschheit der Ehefrau stehen. Der Papagei, Sinnbild für die Jungfräulichkeit, wäre ein Hinweis auf das kleine Mädchen. Abb. 1: Familienbild eines flämischen Meisters, Öl auf Eichenholz, 94 x 122 cm, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, Inv. 218. Abb. 2: Caspar Netscher, Damenbildnis mit Papagei, Öl auf Leinwand, 46 x 38 cm, signiert und 1673 datiert, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 294. Justus Lange Abb. 3: Rembrandt Harmensz. van Rijn, Porträt der Catrina Hooghsaet, Öl auf Leinwand, 126 x 98,5 cm, signiert und 1657 datiert, Penrhyn Castle, Gwynedd. Abb. 4: El Greco, Porträt des französischen Kardinals Charles de Lorraine de Guise, Michael Douglas-Scott, The Portrait of Charles de Guise, Cardinal of Lorraine, in: Arte Veneta, Bd. XXXVI, 1982, S. 216–217. 9 Öl auf Eichenholz, 39 x 57 cm, 1640, Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel, Inv. 3971. Zuletzt Marion Lisken-Pruss, Gonzales Coques (1614–1684). Der kleine van Dyck, Turnhout 2013, Kat. 5. 10 Anne Charlotte Steland, Menschen-Bilder. Das Bildnis zwischen Spiegelbild und Rollenspiel, Braunschweig 1992, S. 54. 9 Warum auf Tiere schauen? Das Tier als ‚Affektmedium‘ in der Malerei der Frühen Neuzeit letztgenannte gewissermaßen durch das Tier hindurch auf eine dahinter liegende Bedeutung zu blicken. Ausgehend von ausgewählten Beispielen aus der europäischen Malerei des 14. bis 17. Jahrhunderts und mit einem Schwerpunkt auf Rembrandts Heiliger Familie versuchte der Beitrag das ‚lebende Beiwerk‘ noch einmal aus einem anderen Winkel zu betrachten und dabei eine mögliche weitere Funktion des Tieres als beliebtem Parergon in der Malerei zu diskutieren. Es galt in Anbetracht der Katze im Bildvordergrund Überlegungen anzustellen, ob auf tierische Parerga etwas übertragen wird, das diese nicht allein zu Symbolen und/oder scheinbar naturgetreuen Requisiten macht, sondern zu relevanten Akteuren innerhalb des Kunstwerks. Dabei wurde die Frage diskutiert, ob gerade auf die nur scheinbar so beiläufig anwesenden Tiere Affekte ausgelagert werden können, die das menschliche Bildpersonal nicht zeigen darf oder soll und die als Rezeptionshinweise für den Betrachter gedacht sein könnten. Es wurde abschließend die These aufgestellt, dass gerade Tiere, die an Schwellen im Kunstwerk platziert werden, vom Künstler gezielt als eine Art Vermittler, als ‚Affektmedium‘ oder als Seismograph für Stimmungen eingesetzt werden können. 1 Rembrandt Harmensz. van Rijn, Die Heilige Familie mit dem Vorhang Ausgehend von dem Befund, dass die Kunstgeschichte lange auf bestimmte Weise auf die Tiere in der Kunst geblickt hat, wurden in dem Vortrag neue Überlegungen zur rezeptionsästhetischen Funktion von Tieren in der sakralen Malerei, besonders am Beispiel der Heiligen Familie mit dem Vorhang von Rembrandt Harmensz. van Rijn, vorgestellt. Betrachtet doch die Forschung besonders die Tiere, die scheinbar lediglich als ‚lebendes Beiwerk‘ in der Kunst der Frühen Neuzeit herumstreunen, häufig entweder als Naturstudien, als ‚natürliche Bewohner‘ des dargestellten Bildraums oder als kulturelle Symbole und Sinnbilder. Während die eine Betrachtungsweise sich besonders auf die materielle Oberfläche, auf glänzendes Fell oder schillernde Federn konzentriert, die andere Sichtweise Tiere wiederum als alltägliche Zutat menschlichen Lebens nur flüchtig wahrnimmt, scheint die 2 Nicolaes Maes, Die Heilige Familie 10 Bis zum Beitrag von Susan Donahue Kuretsky1 wurde die Katze in Rembrandts Heiliger Familie in der Forschung als „anekdotisches Beiwerk“ in einer „Atmosphäre des häuslichen Friedens, die ans Rührselige grenzt“2 in ihrer tatsächlichen Erscheinung regelrecht übersehen. Gerade im Vergleich mit einer ‚Kopie‘ des Rembrandt-Schülers Nicolas Maes konnten die unterschiedlichen rezeptionsästhetischen Konsequenzen beim Einsatz der Katze vorgestellt werden. Im Vergleich zu Maes’ Zeichnung wurde der wachsame, lauernde, von Donahue Kuretsky als „fierce“3 beschriebene Ausdruck des Tieres in Rembrandts Darstellung noch deutlicher bestätigt. Im Zusammenhang mit dem Einsatz des gemalten Bildvorhangs wurde im letzten Teil des Vortrages die Funktion der ‚grimmigen‘ Katze in Rembrandts Heiliger Familie im Sinne der These vom ‚Affektmedium‘ als die einer Kronzeugin der Enthüllung gedeutet. In dieser Lesart bewacht die Katze nicht nur innerbildlich das Haus, sie bewacht auch die ästhetische Grenze des Kunstwerks, die von Rembrandt überdeutlich durch seine Signatur sowie den gemalten Rahmen und Bildvorhang markiert wurde. Mimisch und gestisch, so die These, überträgt das Tier ein Unbehagen nach außen und vermittelt so, im Gegensatz zu den anderen Akteuren des Bildes, eine eigene Rezeptionsanweisung an die Betrachter. Wenn Rembrandt seinen gemalten Vorhang so performativ verstanden haben wollte, wie wohl die realen Bildvorhänge funktioniert haben – nämlich, mit Thijs Weststeijn gesprochen, zur Verstärkung des Rezeptionserlebnisses, zur „oogenblikkige beweeging“4, dann könnte in diesem Sinne die Katze im Bildzentrum dem Betrachter affektiv eine Ahnung vermitteln, dass diese eben enthüllte Intimität und Friedlichkeit, die unter ihrem Schutz steht, heilsgeschichtlich gesehen nicht ewig währen wird. Der Beitrag berührte damit auch Fragen, die sich auf die historischen Diskurse um die Vermögen der Kreaturen und auf die behauptete Differenz zwischen Mensch und Tier beziehen: Wie und vor allem was nehmen Tiere wahr? Gerade im Falle von christlichen Schlüsselereignissen wie Gebur- 3 Rembrandt Harmensz. van Rijn, Die Heilige 4 Nicolaes Maes, Die Heilige Familie Familie mit dem Vorhang (Ausschnitt) (Ausschnitt) ten, Verkündigungen, aber auch Momenten des Erkennens (Der Engel verlässt Tobias und seine Familie 1637, Louvre) scheint diese Frage auch Rembrandt nachhaltig und mit ganz unterschiedlichem Resultat beschäftigt zu haben. Katzen und Hunde wurden bereits im Mittelalter als komplexe Lebewesen mit elaborierten sensorischen und motorischen Fähigkeiten bewundert und boten eine Möglichkeit, das Kunstwerk affektiv zu verstärken und eine andere Perspektive auf das Geschehen zu integrieren. Dabei bleibt immer die Frage im Raum, ob Tiere weniger oder gar mehr – also gerade auch inkommensurable Ereignisse – sehen können als die anwesenden Menschen. In der anschließenden Diskussion wurde besonders eindringlich die wichtige Frage aufgeworfen, ob es sich bei Rembrandts Tierdarstellungen um Anthropomorphismus, also um Projektionen menschlicher Gemütsregungen auf den Tierkörper, handelt oder um echte Beiträge zu den Vermögen der Tiere. Dies eröffnete die weiter zu untersuchende Frage nach dem Status des Tieres in Rembrandts Kunst, wobei eine solche Studie sensibel und medienbewusst zwischen Tafelmalerei, Druckgraphik und Zeichnung unterscheiden müsste. 1 Susan Donahue Kuretsky, Rembrandt’s cat, in: Anton W. A. Boschloo u. a. (Hrsg.), Aemulatio. Imitation, emulation and invention in Netherlandish art from 1500 to 1800. Essays in honor of Eric Jan Sluijter, Zwolle 2011, S. 271–276. 2 Wright 2000, S. 158. 3 Kuretsky 2011 (wie Anm. 1), S. 270. 4 Weststeijn 2013, S. 318. Anna Degler 11 Über die Autorin: Dr. Anna Degler publizierte in dem Themenfeld bereits mit dem Aufsatz: „Platz! Tiere als Parerga in der Malerei der Frühen Neuzeit“, in: Daria Dittmeyer-Hössl / Jeannet Hommers / Sonja Windmüller (Hrsg.), „Verrückt, Verrutscht, Versetzt. Zur Verschiebung von Gegenständen, Körpern und Orten“ (= Schriftenreihe der Isa Lohmann-Siems Stiftung, Bd. 8), Berlin/Hamburg 2015, S. 215–240. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin. Der Vortrag ist eine Weiterentwicklung von Problemstellungen und Forschungsergebnissen, die in ihrer Dissertation mit dem Titel: „Parergon. Attribut, Material und Fragment in der Bildästhetik des Quattrocento“ im Wilhelm Fink Verlag im Frühjahr 2015 erscheint. Kontakt: [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: Rembrandt Harmensz. van Rijn, Die Heilige Familie mit dem Vorhang, 1646, Eichenholz, 46,8 x 68,4 cm, © Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister. Abb. 2: Nicolaes Maes, Die Heilige Familie, ca. 1646–1650, schwarze und rote Kreide, Feder und schwarze Tinte, 192 x 287 mm, © The Trustees of the British Museum. Abb. 3: Rembrandt Harmensz. van Rijn (Ausschnitt), Die Heilige Familie mit dem Vorhang, 1646, Eichenholz, 46,8 x 68,4 cm, © Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister. Abb. 4: Nicolaes Maes, Die Heilige Familie (Ausschnitt), ca. 1646–1650, schwarze und rote Kreide, Feder und schwarze Tinte, 192 x 287 mm, © The Trustees of the British Museum. 12 Die keramischen Tierdarstellungen im 17. und 18. Jahrhundert nen erkennen, denn das Schwarzwild ist neben dem Hirsch das am häufigsten mit der fürstlichen Jagd in Verbindung gebrachte Tier (Abb. 1). Die Dekorierung der Tafel mit Gefäßen in Form des zuvor gejagten Wildes dient gleichzeitig der Erinnerung an das Vergnügen, der Abgrenzung von den niederen Ständen und bekräftigt die Überlegenheit des Menschen gegenüber dem Tier. Mit der sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchsetzenden Änderung der Tischdekoration, die durch eine neue Form des Servierens bedingt war, verschwinden die prunkvollen Terrinen von der Tischmitte. Bei der auch heute noch gängigen Servierform, dem „Service à la russe“, wird jeder Gang den Gästen bereits auf einem Teller zubereitet angereicht. Die Tischdekoration wird von einem oft mit dem Wappen des Gastgebers verzierten Tafelaufsatz dominiert, der Behälter für Essig, Öl, Salz und Pfeffer enthalten kann und häufig mit kleinen Figurenszenen geschmückt ist. Zusätzlich kann eine theaterähnliche Aufstellung weiterer Figurengruppen zur Schmückung der Tischmitte dienen. Im 18. Jahrhundert entfaltet sich die figürliche Kunst zwischen zwei einander entgegengesetzten Polen. Auf der einen Seite entwickelt sich eine zunehmend exaktere Wissenschaft, deren Einfluss auch im Bereich der Tierdarstellung zu erkennen ist. Auf der anderen Seite ist die Epoche geprägt von einem heiteren Lebensgefühl, das in spielerischen Dekorationen zum Ausdruck kommt. Dieses spannungsreiche Verhältnis spiegelt sich besonders in den figürlichen Werken der angewandten Kunst wider, in denen sich lebensnahe Wiedergabe und dekorativer Überschwang ebenso wie Nutzen und Schönheit verbinden lassen. Dazu zählen auch die keramischen Tierdarstellungen, die ihre vielfältige und facettenreiche Entfaltung in hohem Maße der spätbarocken Tischkultur verdanken. Die Jagd als zentrales Thema höfischen Lebens findet nicht nur auf Gemälden und Teppichzyklen, sondern auch in der angewandten Kunst, vor allem im Rahmen 1 Deckelterrine in Form eines Wildschweinkopfes, Entder fürstlichen Tafeldekoration, wurf Johannes Zeschinger ihren Ausdruck. Der häufig in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Festmahl stehende Schmuck der Tafel mit aufwändigen Gefäßen soll die Gäste unterhalten, aber auch Bewunderung hervorrufen. Diesen Effekt versucht man im Bereich der Tafelzier bereits in der Renaissance mithilfe von Gerichten zu erreichen, die nach der Zubereitung wieder mit ihrem Fell oder Federkleid bedeckt werden. Verfeinerte Tischsitten und die Einführung von Suppengerichten führen jedoch nach und nach zur Ablösung der die Tafel beherrschenden „Schauessen“. Sie werden durch Terrinen in Tierform abgelöst, die weiterhin die Verbildlichung der Jagd auf der Festtafel erlauben. Dies lässt sich besonders am Beispiel der Wildschweinterri- Für die Dekoration des Dessertgangs eignen sich die keramischen Materialien ebenfalls hervorragend. Vor Einführung des Porzellans werden für die Desserttafel kunstvolle Arrangements aus Zuckerwerk hergestellt. Bald ersetzt man diese durch Porzellan oder andere keramische Materialien. Neben der größeren Beständigkeit schätzt man die plastischen und farbigen Gestaltungsmöglichkeiten der brennbaren Materialien. Die Figürchen stellen Szenen des höfischen Lebens wie die Parforcejagd, Theateraufführungen oder amouröse Abenteuer nach. Bald bevölkern auch einzelne Tierfigürchen die Tafeln, schmücken Porzellangalerien und Salons oder sind Teil kostbarer Kabinettstücke, die das Luxusbedürfnis dieser Gesellschafts- 2 Elefant mit Obelisk, Meißen 13 schicht demonstrieren. Zu diesen sogenannten Kabinettstücken zählt auch der im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main aufbewahrte Elefant mit Obelisk (Abb. 2). Obwohl der Elefant im 18. Jahrhundert in Europa nicht ganz so selten anzutreffen war, zeigt die Porzellanfigur etliche Ungereimtheiten, die darauf schließen lassen, dass der Künstler seinen Entwurf nicht nach dem lebenden Modell geschaffen hat. Vielmehr nahm der Künstler tradierte Darstellungsweisen des exotischen Tieres zur Grundlage seiner Gestaltung. dieser Art nie dagewesene, da technisch bislang nicht mögliche Menagerie zu besitzen. (Abb. 3) Die von Johann Joachim Kändler für das als Gesamtkunstwerk geplante „Japanische Palais“ geschaffenen Tierfiguren stehen am Beginn der autonomen Tierplastik. Ihr überaus lebendiges Gesamtbild ergibt sich aus den anatomisch korrekten Durchbildungen, den exakt wiedergegebenen Bewegungsabläufen und dem individuellen Ausdruck der einzelnen Tiere. So entstehen Tierporträts von packendem Realismus, die das Tier in seinen artspezifischen Eigenarten wiedergeben, welche nicht auf die Interpretationen durch den Menschen zurückgehen, sondern der genauen Beobachtung durch den Künstler zu verdanken sind. Bei aller Naturtreue berücksichtigt Kändler in seinen Werken jedoch immer auch die künstlerischen und gestalterischen Möglichkeiten, die sich ihm bieten. In seinen Werken findet Kändler stets die Balance zwischen naturwissenschaftlicher Genauigkeit und dem spielerischen Lebensgefühl des Rokoko. Gekonnt vereint er die empirische Beobachtung, das Wesen und die Lebendigkeit eines Tieres in einem bei aller Naturnähe immer noch Kunstwerk bleibenden Objekt. Kein Kunstwerk besitzt einen ausschließlich abbildenden Charakter im Sinne einer naturwissenschaftlichen Darstellung. Hinter jedem Kunstwerk steht ein ausführender Künstler, dessen Schaffen niemals frei sein kann von subjektiven Empfindungen und individuellen Ausdrucksweisen. Daher ist es in der Kunst und in besonderem Maße der angewandten Kunst schwierig, von der Herausbildung einer objektiven Sicht auf das Tier zu sprechen. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert kann man jedoch auch in der angewandten Kunst von der Entwicklung eigenständiger, autonomer Tierdarstellungen sprechen, die weder einen praktischen Nutzen haben noch symbolisch oder rein dekorativ zu verstehen sind. Mit dem erstarkenden Interesse für die Naturwissenschaften und der damit einhergehenden Entwicklung wissenschaftlicher Kriterien zur Bestimmung und Ordnung der Tier- und Pflanzenwelt entwickelt sich auch im Bereich der Kunst die objektive Darstellung von Tieren. Man beginnt Tiere auch als vom Menschen unabhängige Lebewesen zu begreifen und bringt ihnen ein enzyklopädisches Interesse entgegen. Einer der wissensdurstigsten Fürsten ist August der Starke von Sachsen. Er lässt sich mehrere Einrichtungen zur Haltung exotischer und für die Jagd bestimmter Tiere, eine zoologische Sammlung und eine Porzellanmenage- 3 Rohrdommel, rie anlegen. Bis 1734 haben die beiden Entwurf Johann Joachim Kändler Modelleure Johann Gottlieb Kirchner und Johann Joachim Kändler für letztere bereits 439 Tierfiguren aus dem kostbaren Material geschaffen. Die Tiere, die August der Starke für seine Porzellantiersammlung herstellen lässt, deuten weder auf ein übergeordnetes ikonografisches Programm hin, noch folgt die Auswahl der Tierarten moralischen oder allegorischen Prinzipien. Sie zeigt vielmehr das enzyklopädische Interesse Augusts des Starken, seinen Anspruch auf Vollständigkeit und seinen Ehrgeiz, eine in Julia Roolf 14 Über die Autorin: Julia Roolf beschäftigte sich bereits in der Magisterarbeit mit dem Thema "Keramische Tierfiguren". In Zusammenarbeit mit dem Museum für Angewandte Kunst Frankfurt am Main entwickelte sich daraus eine Ausstellung und ein begleitender Katalog mit dem Titel "Ein Platz für Tiere". Aktuell arbeitet sie an ihrer Dissertation zum Themenfeld "Künstlersozialgeschichte" an der Universität Trier. Im Rahmen der Angewandten Kunst befasst sie sich besonders mit der Ausbildungssituation um 1900. Arbeitsschwerpunkt ist die Kunstgewerbeschule Pforzheim. Kontakt: [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: Deckelterrine in Form eines Wildschweinkopfes, Entwurf Johannes Zeschinger, Höchst, 1748–1753, Fayence, weiß glasiert, Muffelmalerei, Inv. Nr. X.20320, Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main. Abb. 2: Elefant mit Obelisk, Meißen, um 1743, Porzellan, glasiert und bemalt, Inv. Nr. 10159, Mu- seum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main. Abb. 3: Rohrdommel, Entwurf Johann Joachim Kändler, Meißen, um 1753, Porzellan, glasiert und bemalt, Inv. Nr. 12132, Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main. 15 Steinerne Tiere in der hessischen Residenzstadt Kassel in Barock und Aufklärung Der Herrschaftsrepräsentation dienten zudem mehrere andere Löwenskulpturen, meist ebenfalls als symmetrische Gegenstücke: Auf den Kolonnaden der Rennbahn wurde eine Allegorie des Fürstenruhms von zwei liegenden Löwen gerahmt (um 1770), und liegende Raubkatzen flankierten z. B. auch zwei Freitreppen am Schloss Wilhelmshöhe (um 1787 und 1792). Nicht immer ist eindeutig, ob die Löwen als allgemeine Herrschaftsoder als Landessymbole gemeint sind; direkt auf das Wappentier beziehen sich dagegen die Löwenburg, mit zwei Löwen vor dem Herrenbau (nach 1795), und vermutlich ein Entwurf für das Wilhelmshöher Tor (1805), der zwei liegende Löwen neben einer Figur der Hassia (Personifikation des Landes Hessen) zeigt. Tierskulpturen aus Barock, Rokoko und Klassizismus sind in Kassel und Umgebung zahlreich überliefert. Stadterweiterungen und -modernisierungen boten für hessische und auswärtige Künstler des 18. und frühen 19. Jahrhundert ein ebenso reiches Betätigungsfeld wie die landgräflichen Schlösser und Gärten, die in jener Zeit ausgeführt oder projektiert wurden. In einigen Fällen sind die Tiere bloße Informationsträger über Territorium oder Bauherrn. So standen z. B. je zwei hessische Löwen als Wappenhalter an einem Stadttor (1735) und am Tor zum Auegarten (um 1767); und zwei Pferdeköpfe, die der Bildhauer Johann August Nahl d. Ä. für die Pfosten eines Gartentors schuf (um 1768), spielten auf den Eigentümer, den fürstlichen Oberstallmeister, 1 Ein Löwe vom ehem. Zwehrener Tor (1735), heute als Kopie an. Die Skulpturen sind hinter dem Museum Fridericianum aufgestellt jeweils als streng symmetrische Gegenstücke gearbeitet, ohne Individualität. Die wappenhaltenden Löwen zeigen auch keinen hohen Anspruch auf Naturalismus, sondern folgen eher heraldischen Traditionen. Eine weitere Themengruppe bildet die Antikenrezeption. Unterhalb des Herkulesoktogons begleitet ein Leopard einen Faun (vor 1709) – als Attribut und statisch wichtige Stütze. Und bei den Statuen und Reliefs im Kasseler Marmorbad gehören Tiere zum Skulpturenprogramm aus Ovids Metamorphosen (vor 1721) – als Attribute oder Handelnde. Dabei stellte der Bildhauer Pierre Etienne Monnot ‚echte‘ Tiere auch mit natürlichem Verhalten dar; sind die Tiergestalten dagegen das Ergebnis von Verwandlungen, so zeigen sie unnatürliches Verhalten gemäß den mythologischen Eigenschaften. Andere Formen der Antikenrezeption finden wir im frühen Klassizismus: Die beiden Rossebändiger der Rennbahn mit ihrer lebendigen Bewegtheit gehörten zu einem Gesamtkonzept (nach 1763), das auf einen antiken Circus anspielte; Fechter, Schleuderer und Ringergruppen waren vom Hofbildhauer Nahl je als Antikennachbildung und neugeschaffenes Gegenstück gearbeitet. Seine Rossebändiger am Auftakt der Anlage haben dementsprechend antikisierende Tracht und sind in den Grundzügen symmetrisch aufeinander bezogen. Vorbilder sollen die Dioskuren auf dem Quirinal in Rom gewesen sein, doch sind dafür die Unterschiede sehr groß; auffallend ist dagegen eine Ähnlichkeit zu den Gruppen in Duperacs Stich des Kapitolsplatzes (1568; nach einem Entwurf Michelangelos) – ob sie davon angeregt sind, muss aber offen bleiben. 16 te, waren lebendiger Dekor des Gartens und der Gebäude – ähnlich wie chinoise Landschaften mit Wildvögeln auf mehreren Möbeln im Schloss zu sehen sind. Und in zwei Innenräumen des Schlosses zieren Reiher bzw. Papageien die Rokoko-Boiserien; im Hauptsaal findet man geflügelte Drachen über Palmen sowie Kraniche (1760). Direkte Bezüge zu den Raumnutzungen sind nicht erkennbar. Diese Palmen, Drachen, Reiher, Kraniche und Papageien drücken in erster Linie Exotik aus und sind integrale Bestandteile des Dekors; gerade die grazilen Reiher und Kraniche mit ihren langen Hälsen kamen den Formen des Rokoko und der chinoisen Mode jener Zeit sehr entgegen. Traditionelle allegorische Bedeutungen scheinen dabei keine Rolle gespielt zu haben. Gleiche Formen kommen schon in früheren Entwürfen Nahls in Potsdam vor, und das Wilhelmsthaler Papageienkabinett findet eine zeitgleiche Entsprechung im sog. Voltairezimmer in Sanssouci – ebenfalls ein Gästezimmer. 2 Blick auf die Rennbahn (1783; Zeichnung: S. L. du Ry / J. H. Tischbein d. Ä., Stich: G. W. Weise; Ausschnitt); die Rossebändiger stehen heute in der Karlsaue. Im ganzen 18. Jahrhundert haben Tiere aber auch wiederholt allegorische Bedeutungen: z. B. im Marmorbad für die Jahreszeiten und Elemente oder als Attribute beim Fleiß am Portal des Lyceums (1779; Bienenstock). Das Spektrum beschließen Gartenskulpturen in Wilhelmsthal und Kassel (um 1740–1770): Putten mit Tieren, zudem als Grottendekor Schnecken, Muscheln, Drachen, Salamander „und andere giftige Thiere und Insekten“. Im Projekt für ein Palais des Freiherrn von Veltheim (um 1800) ließ Hofbaumeister Heinrich Christoph Jussow die Freitreppe von zwei altägyptischen Löwen flankieren; ihre Vorbilder hatte er einst in Rom an der Kapitolstreppe gezeichnet. Von Veltheim war hessischer Minister und Direktor des Museum Fridericianum, und die beiden altägyptischen Löwen stehen mit dem griechisch-dorischen Portikus und der altrömischen Flachkuppel des Palais offenbar für die klassische Bildung des Bauherrn, wobei das Motiv von Kuppel, Portikus und Freitreppe auf die Landsitze des aufgeklärten englischen Adels bezugnimmt. Nicht der Gegenstand der Bauplastik (der Löwe), sondern die Bauplastik als Zitat vermittelt die inhaltliche Aussage. Deutlich ist der Gegensatz zu den barocken Skulpturen, deren Antikenrezeption hauptsächlich nur in den Inhalten bestand; nun, im Hochklassizismus, ist die antike Form selbst zum Inhalt geworden. Insgesamt lässt sich festhalten: Die Kasseler Tierdarstellungen weisen eine große Bandbreite in Kontext, Aussage und Gestaltung auf. Sie können Bestandteile größerer Reliefs oder Bildprogramme sein, sie können isoliert auftreten oder als Attribute, in ornamenthafter Verwendung oder als ikonographische Bestandteile von Architekturkonzepten. In den Formen der Antikenrezeption sowie im exotischen Aspekt folgen die Tierdarstellungen der allgemeinen stilistischen Entwicklung. Vom inhaltlichen, stilistischen und motivischen Zusammenhang hängt ab, wie weit die Tiere als Individuen, als allgemeine Vertreter ihrer Art oder als bloße Schmuckelemente behandelt sind. Ein weiteres Themenfeld ist die Exotik: Beim Lustschloss Wilhelmsthal (um 1753–60) ließ der spätere Landgraf Wilhelm VIII. ab 1747 einen Teich mit zwei Brutinseln und chinoisen Gebäuden für fremdländische Enten anlegen – die Bauten außen und innen mit Drachen, Vögeln, Palmen, Chinesen und Affen geschmückt. Die Enten, die der Fürst bei Besuchen selbst fütter- Christian Presche 17 Über den Autor: Dr. Christian Presche ist Mitarbeiter am LOEWE-Schwerpunkt „TierMensch-Gesellschaft“ an der Universität Kassel. Arbeitsthema sind künstlerische Tierdarstellungen und Tier-Mensch-Beziehungen in Barockzeit und Aufklärung in Hessen. Seine Forschungsschwerpunkte sind außerdem Architektur- und Stadtbaugeschichte sowie die Geschichte Kassels und Hessens. Er promovierte über „Kassel im Mittelalter“ und verband dabei historische Forschung mit bau- und stadtbaugeschichtlichen Untersuchungen über Planungs- und Entwurfskonzepte des 12.–14. Jahrhunderts. Kontakt: [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: Abb. 2: Ein Löwe vom ehem. Zwehrener Tor (1735), Fotografie Chr. Presche. Blick auf die Rennbahn (1783; Zeichnung: S. L. du Ry / J. H. Tischbein d. Ä., Stich: G. W. Weise), aus: Alois Holtmeyer, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. VI, Kreis Cassel-Stadt, Marburg 1923, Tafel 192 (Ausschnitt). 18 2. Wie Tiere als Bedeutungsträger die Rezeption bestimmen Die folgenden Beiträge fokussieren die Sicht auf das Tier in der Wissensvermittlung und im wissenschaftlichen Dialog. Die Reduktion auf bestimmte Eigenschaften ermöglicht die visuelle Erfassung und Vermittlung komplexer Gegebenheiten. Die Tiere visualisieren menschliche Charaktere, moralische Werte, vermitteln Handlungsanweisungen und ermöglichen so eine Orientierung in der Welt. Da die Bilder der Anschaulichkeit dienen, wird bekannten Konnotationen dabei eine höhere Relevanz zugewiesen als den Tieren selbst. 2.1 Martina Sitt: Michelangelo als Löwenkopf? J. H. W. Tischbeins Tierphysiognomik und J. Fr. Blumenbachs Kommentare 2.2 Claudia Brinker-von der Heyde und Susanne Schul: Einbildung, Abbildung und Wortbildung: Der Elefant in mittelalterlicher Literatur und Kunst 19 Michelangelo als Löwenkopf? J. H. W. Tischbeins Tierphysiognomik und J. Fr. Blumenbachs Kommentare Tischbein ging noch einen Schritt weiter: Um die Charaktereigenschaften in den Zügen seiner Artgenossen besser dokumentieren zu können, versuchte er, sich an Tierphysiognomien zu orientieren: „Da nahm ich endlich meine Zuflucht zu den Tieren, weil darin der Unterschied der Charaktere deutlicher unterschieden ist. […] Ich ging deshalb öfter auf die Strasse, um Untersuchungen zu machen“,4 und so suchte er ab 1786 in Rom und vor allem in Neapel sowohl in den antiken Büsten als auch in den Gesichtern der Men- 2 J. H. W. Tischbein, Correggio schen nach Vergleichsbeispielen. „Ich fing nun auch an, die größeren Tiere zu studieren, deren Äußeres das Gepräge ihres inneren Charakters trägt. […] Dem Historienmaler wird dieses Studium sehr nützlich sein, weil hier alles auffallend deutlich und hernach leichter im Menschengeschlechte wiederzufinden ist, […] man findet denselben Bau, nur veredelt.“5 Er vermutete: „Scheint es doch fast, als habe die Schöpfung zuvor mit den Tieren Probe machen wollen, um nachher den Herrscher über alle Geschöpfe, den Menschen, bilden zu können!“ (265) In langen Listen mit Eigenschaften unterschied er auch die fleischfressenden und die kräuterfressenden Tiere. Dann versuchte er, diese Annahmen auf Malerkollegen – etwa Michelangelo – zu übertragen. Am 22. November 1786 hatte er gemeinsam mit Goethe das Jüngste Gericht in der Sixtinischen Kapelle studiert. Tischbein urteilte über den Maler: „Michel Angelo – in ihm liegt die Nathur eines fleischfressenden Thiers, ist vor sich allein genug, kan sich nicht undergeben, ist von grosem hohen Sinn, herrschsüchtig, unfreundlig, ist von Löwen Nathur, der nichts sich Gleich achtet.“6 Folglich nahm für ihn auch Michelangelos Gesicht die Züge eines Im Jahr 1800 berichtete das Journal des Luxus und der Moden über Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Zeichnungen von Tierköpfen in zwei mit Kupferstichen illustrierten Ausgaben 1795 (Têtes des différents animaux dessinées d'après nature […]) und 1796 zu Homers Tieren.1 Der Maler, dem eine langjährige Liebhaberei der Tierphysiognomik bescheinigt wurde, habe sich mit „steter Anwendung“ der Ergebnisse seiner Tierstudien auch „auf die Züge des menschlichen Antlitzes“ beschäftigt und aus dem vergleichenden Sehen „frappanteste Folgerungen“ gezogen. Tischbein stellte sich damit in die Tradition 1 J. H. W. Tischbein, derer, die mit Ähnlichkeiten zwischen Tier Studien der Physiognomie und Mensch künstlerisch experimentierten. Schon während seines Besuchs in der Schweiz bei Johann Caspar Lavater, dessen Physiognomischen Fragmente 1775 erschienen waren2, zeichnete Tischbein 1781 zahlreiche Porträts: „Lavater flegte zu sagen, […] so lehre ihn die Copie [das gezeichnete Porträt], im Original [also im Gesicht eines Menschen] Sachen entdecken, welche er vorher nicht gesehen habe“.3 Beide dürften sich des hermeneutischen Zirkels ihrer Erkenntnisse nicht bewusst gewesen sein, der Paradoxie, dass Lavater nun beurteilte, was Tischbein zuvor intentional gezeichnet hatte. 1 Christian Gottlob Heyne druckt einige der Tierillustrationen nochmal in seiner kommentierter Veröffentlichung von Tischbeins Werk „Homer nach Antiken gezeichnet“, Göttingen 1801. 2 Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, Bd. 1, Leipzig u. a. 1775; zu den Tieren: XIII. Fragment, S. 139, in: Zweyter Versuch, Leipzig und Winterthur 1776. 3 Archiv Landesmuseum Oldenburg, Tischbein Nachlass Inv. 466. 4 5 6 20 Brief Tischbeins an Blumenbach, datiert 1800, im Stadtarchiv Braunschweig. J. H. W. Tischbein, Aus meinem Leben, 1811ff., Ausgabe Kuno Mittelstedt, Berlin 1956, S. 265. Blumenbach Familien-Archiv in Hannover, Vol. IV (ad Tischbein), Nr. 33. Löwen an. Die beobachtete Schaffenskraft dieser „Löwennatur“ mutierte für ihn zu einem Löwengesicht. (Abb. 2) cherte er die Diskussion mit ganz neuen Aspekten. Blumenbach betonte in seiner Schrift, dass die Selbstbeobachtung das einzige sei, was der Physiognomik zuarbeite, keinesfalls aber eine Methode, die dieser den Charakter einer Wissenschaft verleihen könne.8 Für Blumenbach können menschliche Gesichter nur dann etwas dem Tier Vergleichbares und analog Interpretierbares zeigen, wenn es sich um den Ausdruck von Empfindungen, Begierden und Affekten handelt, nicht aber um „menschliche Eigenschaften, die in der Vernunft und Freiheit oder 4 J. H. W. Tischbein, aus: Homer nach Antiken gezeichnet in der höhern und edlern Phantasie“ begründet sind.9 Blumenbach verwies auf den ersten Grundsatz, auf welchem die Lehre von der Physiognomie beruhe, „nämlich der, daß alle Menschen in ihrer Gesichtsbildung individuell verschieden seyen“,10 was der Zeichner Tischbein offensichtlich ignorieren wolle. Vernunft, Selbstbestimmung in Freiheit sowie Phantasie würden als Bestandteile des Menschlichen sinnvolle Parallelisierungen oder gar Interpretations-Ableitungen verhindern. Blumenbach versuchte nun aufzeigen, wie beim Menschen „Seelenkraft und Bildungstrieb […] bei ihrer Wirkungsweise dergestalt in einander[greifen], dass eine die andere zwar wohl zu modificiren, keineswegs aber aufzuheben oder zu vernichten vermögend ist.“11 Dieser Zusammenhang wurde von Norbert Klatt 2013 „als eine unbekannte Relation in Blumenbachs biologischem Denken“ betrachtet, da jener zeitweise versucht habe, zwei frühere Denkmodelle weiterzuentwickeln, Ähnliches verspürte er auch in den Gesichtszügen der längst verstorbenen Künstler Salvatore Rosa und Correggio, soweit er sie aus Stichvorlagen kannte: „Cor[r]eggio ist von Nathur der Gräuterfressenten Thiere, friedsam, gesellig, gutmühtig, ohne Ehrgeiz, […] ihn lockt kein Ruhm noch Reichtum – Er lebet sich selbst in seiner sanften Seele.“ Sah er hier ein Schaf, so in dem vermeintlich fruchtbaren, aber unsteten Salvator Rosa eine Art Bockphysiognomie. Diese Sicht auf Rosa im Porträt scheint aber deutlich von einem Kupferstich von 3 J. H. W. Tischbein, Widder 1746 nach einer Zeichnung Carlo Marattas inspiriert worden zu sein. Seine Ansichten hatte Tischbein nun seinem Göttinger Gesprächspartner, dem berühmten Naturforscher und Anatom Johann Fr. Blumenbach, in mehreren Briefen geschildert. Dieser setzte sich 1800 auf Tischbeins Bitte mit dessen Ideen ernsthaft auseinander.7 Blumenbach äußerte sich dazu durchaus angetan, „dass ich ihr herrliches Heft von Tierköpfen mit einem erläuternden Aufsatz begleiten soll“. Diese Einleitung ist nie verfasst worden, aber Blumenbach entwickelte in direkter Auseinandersetzung mit Tischbeins Ansätzen seine eigenen Ansichten in 27 handschriftlichen Seiten weiter. Unter dem Titel „Einige Bemerkungen über Herrn Tischbeins Ideen zu einer comparativen Thier- und Menschenphysiognomik“ berei- 8 Vgl. Blumenbach abgedruckt bei Klatt 2013 (wie Anm. 7), S. 75 sowie kommentiert von Klatt S. 69. Vgl. Blumenbach abgedruckt bei Klatt 2013 (wie Anm. 7), S. 86. 10 Zitiert nach Klatt 2013 (wie Anm. 7), S. 74. 11 Zitiert nach Klatt 2013 (wie Anm. 3), S. 71. 7 9 Vgl. Norbert Klatt, Bildungstrieb und Seelenkraft – Eine unbekannte Relation in Blumenbachs biologischem Denken, in: Kleine Beiträge zur Blumenbach-Forschung, Bd. 5, Göttingen 2013, S. 59–103 (http://www.klatt-verlag.de/wp-content/uploads/2014/06/blumenbach_beitraege5.pdf). 21 Über die Autorin: indem er die das Antlitz formende Kraft des Bildungstriebs und die den Ausdruck bestimmende Seelenkraft – eng mit den Begriffen von Schönheit und Hässlichkeit verknüpft – in Relation zum Erscheinungsbild zu betrachten versuchte. Prof. Dr. Martina Sitt lehrt im Fachgebiet Kunstwissenschaft im Bereich Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Universität Kassel und ist Mitglied im LOEWE-Schwerpunkt „Tier-Mensch-Gesellschaft“. Die Forschungen zu J. H. W. Tischbein (1751-1829) richten sich auf die Rekonstruktion seiner Lebenserinnerungen, u. a. anhand bisher unedierter Quellen. Blumenbach fragte Tischbein, „womit er sich denn selbst vergleiche, [da] sagte er mit bescheidner Schamröthe: wenn er es aufrichtig gestehen solle, z. Theil mit dem Schaaf, zum Theil mit dem Esel.“12 Blumenbach glaubte Tischbein keine seiner (illustrierten) Schlussfolgerungen. Er schätzte seine außerordentliche Beobachtungsgabe, obwohl er Zweifel ansprach: „wenn es der Natur gefällt, ihre Lieblinge mit einer Tierphysiognomie auszuzeichnen und dabei ihre Talente ihren Kunstsinn zu berücksichtigen, wa- 5 J. H. W. Tischbein, Michelangelo rum hat sie dem Michel Angelo, der wohl ein größerer Architekt als Maler war, nicht eher eine Biberphysiognomie gegeben?“13 Tischbeins Zeichenkunst zollte er großen Respekt: „Was sieht der Künstler nicht alles, wenn er sehen will? Die Phantasie leiht dem Poeten Flügel und dem Künstler – Augen“. Kontakt: [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: J. H. W. Tischbein, Studien der Physiognomie, Rötelzeichnung, Privatbesitz. Abb. 2: J. H. W. Tischbein, Correggio, Têtes des différents animaux dessinées d'après nature, Martina Sitt Mappenwerk von 1795, Kupferstichkabinett der mhK, Kassel (mit freundlicher Unterstützung von Christiane Lukatis). Abb. 3: J. H. W. Tischbein, Widder, Vorzeichnung zu dem Gemälde Schafe mit Widder (Landes- museum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg), publiziert im Kunsthandel. Abb. 4: J. H. W. Tischbein, Homer nach Antiken gezeichnet, Illustration in der von Christian Gottlob Heyne kommentierten Ausgabe, Göttingen, 1801, Kapitel IV, e 18a. Abb. 5: 12 13 J. H. W. Tischbein, Michelangelo, Têtes des différents animaux dessinées d'après nature, Mappenwerk von 1795, Kupferstichkabinett der mhK, Kassel. Klatt 2013 (wie Anm. 7), S. 67, Anm. 25. Vgl. Blumenbach abgedruckt bei Klatt 2013 (wie Anm. 7), S. 89. 22 Einbildung, Abbildung und Wortbildung: Der Elefant in mittelalterlicher Literatur und Kunst haftigkeit, Keuschheit und seine Fortpflanzungsschwierigkeiten in den Mittelpunkt. Deren Auslegungen präsentieren ihn gleichermaßen als positiv gedeutetes Marientier und als negativen Stellvertreter des SündenfallGeschehens. Zu den Eigentümlichkeiten der Logik dieses Textes gehört es nämlich, dass ein und dasselbe Tier prinzipiell völlig gegensätzliche Bedeutungen annehmen kann. Diese vieldeutige Physiologus-Tradition bildet den Ausgangspunkt für die im 10. Jahrhundert einsetzende BestarienLiteratur, die allerdings noch weitere Informationen aus naturkundlichen, enzyklopädischen oder theologischen Überlieferungen einbezieht und für die Konrads von Megenberg Buch der Natur als bedeutendes Beispiel volkssprachiger Naturenzyklopädie des 14. Jahrhunderts gilt. Er verbindet praxeologische Anleitungen zu Fang, Zähmung, Dressur und zu möglichen Nutzwerten der Elefanten mit allegorischer Interpretation, Symbolik und Ikonographie und greift dabei auch auf literarische Bildtraditionen zurück. Mit dem ‚realen‘ Tier haben diese Bilder nur wenig zu tun. (Abb.1) Gemäß mittelalterlichem Weltverständnis sind alle Dinge und Lebewesen als Zeichen des göttlichen Willens zu lesen. Um sie richtig zu deuten, bedarf es einer Hermeneutik, die den in ihnen liegenden verborgenen Sinn erschließt. Dabei spielen Tiere mit ihrem Aussehen und den ihnen zugewiesenen Eigenschaften eine besonders prominente Rolle. In unzähligen Bestiarien, Naturkunden und literarischen Texten werden sie beschrieben, gedeutet und funktionalisiert. Am Beispiel des Elefanten wollen wir im Folgenden zeigen, wie vielfältig sein Abbild und Wortbild in Naturkunden und fiktionaler Literatur Verwendung findet. Anders, als wir es heute von einer Natur- oder Tierkunde erwarten würden, zeichnen sich mittelalterliche Bestiarien nicht zuerst durch eine strenge Beobachtung der Natur aus, sondern ein zoologisches Substrat verknüpft sich hier immer mit einem allegorischen Mehrwert. Zu den Hauptschriften einer christlich-naturkundlichen Tiersymbolik zählt der sogenannte Physiologus, der als eine, aus griechisch-spätantiker Tradition stammende, vielfach redigierte, in Prosa und Versen, in Latein und Volkssprache verbreitete Naturkompilation ‚natürliche‘ Eigenheiten der Tiere präsentiert. Der Physiologus, also der Naturkundige, weiß von ihnen zu berichten und sie zu deuten. Zoologische Beschreibungsmuster zu Aussehen, Vorkommen und Gattungseigenheiten, wie sie enzyklopädische Naturkunden in antiker Tradition prominent hervorheben, bleiben hier weitgehend ausgespart. Stattdessen rücken für den 1 Bestiarium, ca. Ende des 12. Jh. Elefanten die Beschreibung der artspezifischen Scham- 2 Speculum humanae salvationis 23 Die Schlüsselszene, die in fiktionaler Literatur sakrale Hermeneutik mit säkularen Zuschreibungen kombiniert, findet sich im ersten der apokryphen Makkabäerbücher. Der Israelit Eleazar will in einem besonders schön geschmückten Elefanten des Feindes das Tragtier des Königs erkennen, dringt zu ihm vor, durchbohrt ihn von unten an seiner einzig verwundbaren Stelle und wird beim Fall des schweren Tieres von diesem selbst erdrückt. Typologisch gedeutet wurde diese Szene auf den Opfertod Christi und findet sich in Heilsspiegeln deshalb sehr häufig parallel neben diesem abgebildet (Abb. 2). Mit einem ech- 3 Der Elefant des englischen Königs Heinrich III. ten Elefanten haben solche Darstellungen wenig zu tun, obwohl Elefanten durchaus als Gastgeschenke – etwa an Karl den Großen, Friedrich II. oder den englischen König Heinrich III. – in Europa bekannt waren (Abb. 3). Es ging den Malern nicht um ein Porträtieren des ‚realen‘ Tiers, sondern um ein Abbilden von dessen bezeichenheit, die man aus den Naturkunden kannte, und um die narrativen Funktionen, die die Elefanten in einem literarischen Text hatten. Als Beispiele lassen sich vier höfische Romane anführen: weniger als Träger befestigter und mit Kämpfern bestückter Türme, sondern werden zu beweglichen „Unterbauten“ für von frouwen bewohnte Paläste und zum Abbild einer mächtigen exotischen Welt. Die Verknüpfung von naturkundlichen und literarischen Darstellungen zeigt, dass es sich beim Elefanten um ein vielschichtig deutbares und vielgestaltig dargestelltes Wesen handelt. Je nach narrativem Kontext treten immer wieder unterschiedliche Zuschreibungen in den Fokus, deren Deutungsmöglichkeiten sich auch verändern können. Im Gewand der variatio, also der stetigen Modifikation, setzen die Darstellungen gleichzeitig auf die repetitio, also auf die Wiederholung christlicher geprägter Normen im tierlichen Verhaltensmuster. (Abb. 4) Das Tier wird dabei zum Medium der Erfassung, Erkenntnis und Wer4 Speculum humanae salvationis tung der Welt in Wort- und Abbild. Claudia Brinker-von der Heyde und Susanne Schul 1. Der Alexanderroman des Pfaffen Lamprecht (um 1180, sog. Straßburger Alexander) 2. Reinfried von Braunschweig (nach 1291) 3. Der Stricker: Daniel vom blühenden Tal (ca. 1220–1250) 4. Wirnt von Grafenberg: Wigalois (zwischen 1204 und 1230) In den jeweiligen Beschreibungen finden sich mehr oder weniger stereotyp die bekannten Elemente wieder: immense Größe und Stärke, Verwundbarkeit nur am Nabel, Fehlen von (Knie)gelenken, Reizbarkeit durch Rotwein und Blut, Einsatz im Kampf, Dressurfähigkeit und Treue zum Herrn sowie Reinheit und Keuschheit der Lebensführung. Abgesehen vom Alexanderroman sind sie aber weniger Kampftiere, sondern Repräsentationsobjekte und Sinnbilder für die Herrschaftsfähigkeit ihres Besitzers. Auch dienen sie 24 Über die Autorinnen: Prof. Dr. Claudia Brinker-von der Heyde und Dr. Susanne Schul sind Germanistische Mediävistinnen und gehören dem Fachgebiet Ältere deutsche Literatur der Universität Kassel an. Im interdisziplinären LOEWESchwerpunkt untersuchen sie im Projektbereich C „Erfassung und Repräsentation“, wie Tier-Mensch-Relationen vom Mittelalter bis zur Gegenwart in Text und Bild entworfen werden. Das Forschungsprojekt wendet sich der Frage zu, wie eine „Humanimale Ästhetik“, d.h. eine der Darstellung bereits innewohnende Verschränkung von Mensch und Tier, präsentiert und gedeutet wird. Kontakt: [email protected] [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: Bestiarium, ca. Ende des 12. Jh. (British Library Sloane 1975, fol. 81v). Abb. 2: Speculum humanae salvationis, Westfalen oder Köln, um 1360 (Universitäts- und Landes- bibliothek Darmstadt, Hs 2505 fol. 44v, 45r). Abb. 3: Der Elefant des englischen Königs Heinrich III., ein Geschenk Ludwigs IX. 1255. Aus der Chronica majora des Matthäus Paris, 13. Jh. (Parker Library, Ms 16, fol. 4r). Abb. 4: Speculum humanae salvationis, ca. 1370–1380 (Bibliothèque nationale de France, Latin 511, fol. 25r). 25 3. Über Wahrnehmung, Darstellung und Umgang mit Tieren Im Folgenden wird über die Zusammenhänge der bildlichen Darstellung mit dem lebendigen Tier reflektiert. Es werden verschiedene Strategien der Visualisierung von Mensch-Tier-Verhältnissen zu unterschiedlichen Zeiten besprochen und Fragen nach dem jeweiligen Status der Tiere zwischen Objekt und Individuum behandelt. Zudem wird dargelegt, wie Darstellungen trotz des Zugangs zum Tier als lebendigem Anschauungsobjekt in den Bildtraditionen verhaftet bleiben. Das Bild sich also selbst reproduziert und die Imagination den Gegenstand überformt. 3.1 Inke Beckmann: Zur Bedeutung von Wild- und Nutzgeflügel in Bild und Brauchtum der frühneuzeitlichen Niederlande 3.2 Silke Gatenbröcker: Exotische Rarität und lebendiges Naturmodell – Tethart Philipp Christian Haag malt den ersten lebenden Orang-Utan in Europa 3.3 Daniel Wolf: Der Affe an der Kette – Ein Motiv zwischen Unterhaltung und Unterdrückung 26 Zur Bedeutung von Wild- und Nutzgeflügel in Bild und Brauchtum der frühneuzeitlichen Niederlande nes Teils der Betrachter ab. Auch Cesare Ripa betont in seiner Iconologia, dass es keinen besseren Weg gebe, die Lust darzustellen, als anhand eines Rebhuhns.2 Die Betrachtung von Gemälden, die Wildgeflügel darstellen, eignet sich (unter Berücksichtigung des historischen Kontextes) dazu, die Gesellschaftsstruktur der Niederlande in der Frühen Neuzeit nachzuzeichnen. Denn wegen der Jagdprivilegien des Adels durfte Wildgeflügel zumeist nur von den adligen Pächtern der Wälder oder durch von ihnen ermächtige Personen gejagt werden.1 So verwundert es nicht, dass der Jagd und der Beute ein besonderes Prestige zukam, da große Teile der Bevölkerung davon ausgeschlossen waren. Einerseits konnte der bürgerliche Käufer eines Bildes, in dem beispielsweise ein Mann einer Frau Jagdbeute darbietet, sich mit der Darstellung derart identifizieren, dass er Anspruch auf adlige Privilegien erhob. Andererseits konnte sich der Betrachter tugendhaft von den Vertretern höherer Stände und ihrem dargestellten Gebaren distanzieren – dessen Unziemlichkeit darin bestand, dass einige der dargebotenen Vögel als Sinnbilder sexueller Handlungen galten. So meinte man etwa, dass Rebhühner ihr Gelege zerstören würden, um häufiger kopulieren zu können. Diese Zuschreibungen leiteten sich nicht zuletzt aus enzyklopädischen Schriften her, bilden also den zeitgenössischen Wissensstand ei1 Aernout ter Himpel, Dorfstraße mit Gansziehen Erweitert wird die Quellenlage im Hinblick auf das Brauchtum rund um Geflügel durch Reiseberichte, Erlasse sowie zeitgenössische Lieder und Gedichte. Bildquellen können ergänzend dazu dienen, das konkrete Verhältnis zu Tieren (in diesem Fall domestiziertem Geflügel) genauer zu bestimmen. So wurden sie – auch von Malern, wie z. B. Gabriel Metsu – auf Höfen und in Häusern gehalten.3 Die Nähe zu Tieren mündete jedoch nicht in ein engeres oder liebevolleres Verhältnis zu ihnen. Sie wurden sowohl in Flandern als auch mancherorts in den nördlichen Niederlanden unter Qualen (etwa unter Gabe von Alkohol) gemästet oder in verschiedenen Spielen zur Volksbelustigung instrumentalisiert und dabei getötet. Dazu zählen das ‚Gansknüppeln‘ und das ‚Gansziehen‘, welche 2 Thomas Heeremans, Landschaft mit zahllosen Figuren, dem aber auch mit Hähnen, Gansziehen bei einer Herberge an einem Fluss zusehend 2 Cesare Ripa, Iconologia of uytbeeldinghe des verstands [...]. uyt het Italiaens vertaelt door D[irck P[ietersz]. Pers, Amsterdam 1644, ND Soest 1971, S. 143f.; vgl. Eddy de Jongh, Erotica in vogelperspectief. De dubbelzinnigheid van een reeks 17de eeuwse genrevorstellingen, in: Simiolus, Jg. 3 (1968/69), S. 22–74, hier: S. 29. Vgl. den Artikel „Rebhuhn/Steinhuhn“ in: Sigrid und Lothar Dittrich, Lexikon der Tiersymbole. Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.–17. Jahrhunderts (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte, Bd. 22), Petersberg 2004, S. 379–387, hier: S. 380. Dittrich und Dittrich erläutern, dass das angebliche Verhalten des Hahns, das Gelege zu zerst ören, dazu geführt habe, das Tier als Symbol für die ungezügelte Liebe zu betrachten. Allerdings haben Rebhühner die Fähigkeit zu Nachgelegen, wenn Junge verloren gehen oder Eier zerstört werden. Ins Reich der Legendenbildung gehört offenbar auch, dass sich Hähne der Rebhühner aufgrund ihres stark ausgeprägten Triebes mit gleichgeschlechtlichen Tieren paaren würden. 3 Dazu ausführlicher: Inke Beckmann, Geflügel, Austern und Zitronen – Lebensmittel in Kunst und Kultur der Niederlande des 17. Jahrhunderts (Diss. Göttingen 2014), Darmstadt 2014, S. 224ff. 1 Die wichtigste Quelle dazu ist: Paulus Merula, Placaten ende ordonanncyen op ’t stuck van de wildernissen, in ordre gestellt door Paullum G. F. P. N. Merulam Dordracenum I. C., ’s-Gravenhage 1605, Bd. 1, S. 10. Vgl. auch Jaap Buis, Historia forestis. Nederlandse bosgeschiedenis, Wageningen 1985, S. 16, S. 241. 27 oder zwischen zwei Bäumen – ist sich dabei meist sehr ähnlich, wie auch die Kompositionen derartiger Gemälde nahezu austauschbar sind: Normalerweise sehen wir eine dörfliche Szene mit spärlicher Bebauung vor einer kargen Landschaft mit hohem Himmel, die die Folie für das bunte Treiben im Vorder- und Mittelgrund des Bildes bietet. So sind zumeist Erwachsene zu sehen, in Gruppen versammelt oder einzeln zu Pferde, die das Spiel im Zentrum des Bildes umgeben, aber auch einige spielende Kinder können sich unter den Zuschauern befinden. Bemerkenswert ist, dass die Aufmerksamkeit der Figuren nicht überwiegend auf das Geschehen ausgerichtet ist. Man muss dazu sagen, dass diese Spiele meist Teil einer größeren Veranstaltung waren, einer Kirmes, eines Heiligenfestes (z. B. St. Martin) oder im Karneval, manchmal auch einer ländlichen Hochzeit.6 Alle angesprochenen Spielarten der Belustigung von Gesellschaften haben gemeinsam, dass das Tier auf einen Objektstatus reduziert wird, unabhängig davon, ob es gastronomisch verwertet wird oder nicht. Enten, Truthähnen oder Schwänen und sogar Katzen betrieben wurden. Beim Gansziehen (oder auch Gansritt) wurde das Tier an eine hoch aufgespannte Leine gehängt und die darunter durchreitenden oder -fahrenden Mitspieler versuchten, ihm den Kopf abzureißen (Abb. 1). In einer Variante des Spiels fuhr man in einem Boot unter der Leine hindurch (Abb. 2). Beim Gansknüppeln wurde die Gans in einen gabelähnlichen Ast gehängt oder an einen aufrecht stehenden Pfahl gebunden.4 Die Mitspieler warfen der Reihe nach von einem bestimmten Ausgangspunkt aus mit einem Holzknüppel möglichst auf den Hals des Tieres, um den Kopf abzutrennen (Abb. 3). Der Sieger durfte in den meisten Fällen das Tier als Trophäe behalten. Häufig folgte das Essen der Gans oder ein Trinkgelage in einer Herberge, für den Gewinner kostenlos.5 Solche Bildthemen mögen nicht so populär gewesen sein wie etwa Stillleben, bei denen gebratenes Geflügel im Zentrum steht; dennoch wurden im 16. und 17. Jahrhundert diverse Zeichnungen, Holzschnitte, Kupferstiche und Gemälde dieser Belustigungen geschaffen. Am häufig- 3 Jan Miense Molenaer (zugeschr.), Das Knüppeln der Gans sten sind verschiedene Varianten des Gansziehens dargestellt worden. Die Konstruktion des Spiels – in der Regel ein Seil zwischen einem Hausgiebel und einem Pfahl Inke Beckmann 4 Vgl. Erik de Vroede, Menschen spielen mit Tieren: Ganswurf, Gansritt, Hahnenschlagen, in: Siegfried Becker / Andreas C. Bimmer (Hrsg.), Mensch und Tier. Kulturwissenschaftliche Aspekte einer Sozialbeziehung (= Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung, Neue Folge, Bd. 27), Marburg 1991, S. 61–82, hier: S. 64. 5 Vgl. Karl van Nyen, De Gans in de volksvermaken, in: Nederlandsch tijdschrift voor volkskunde, Jg. 39 (1934), S. 31–61, hier: S. 39. 6 Vgl. Jo M. J. van der Sluys, Historie van het ganstrekken en aanverwante volkstradities, Internetveröffentlichung 2011, abrufbar unter: http://www.gawstrekkers.nl/wp-content/uploads/2011/03/Historieinternetpublicatie-20110320.pdf (25.01.2014), S. 6; van Nyen 1934 (wie Anm. 5), S. 31ff. 28 Über die Autorin: Dr. Inke Beckmann wurde 2014 mit einer Arbeit über „Geflügel, Austern und Zitronen – Lebensmittel in Kunst und Kultur der Niederlande des 17. Jahrhunderts“, Darmstadt 2014, promoviert. Seither ist sie als wiss. Volontärin am Landesmuseum Württemberg in Stuttgart tätig. An der GeorgAugust-Universität Göttingen hatte sie 2010–2012 die geschäftsführende Koordination des Zentrums für Mittelalter- und Frühneuzeitstudien inne. Kontakt: [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: Aernout ter Himpel, tätig 1649–1686, Dorfstraße mit Gansziehen, Nagel Auktionen Stutt- gart, 29.03.2006, Losnr. 469, © Fotosammlung, RKD, Den Haag. Abb. 2: Thomas Heeremans, Landschaft mit zahllosen Figuren, dem Gansziehen bei einer Herberge an einem Fluss zusehend, Leinwand, 43,8 x 53,3 cm, links unten signiert und datiert: THMANS 1688, Christies, 18.02.1998, © Fotosammlung, RKD, Den Haag. Abb. 3: Jan Miense Molenaer (zugeschr.), Das Knüppeln der Gans, wohl 1640er Jahre, Leinwand, 47,5 x 63 cm, Christies Amsterdam, 03.11.2004, © Fotosammlung, RKD, Den Haag. 29 Exotische Rarität und lebendiges Naturmodell – Tethart Philipp Christian Haag malt den ersten lebenden Orang-Utan in Europa Menschenaffe in eine Tierklasse und besonders mit Jean-Jacques Rousseaus Sicht auf den Menschen, der sich vom Tierreich einzig durch seinen Willen zur kulturellen Entwicklung, nicht aber hinsichtlich seiner Beseeltheit oder seines Denkvermögens unterscheide (2. Diskurs, 1755), kamen Fragen auf nach einer Neupositionierung des Menschen innerhalb der Schöpfung, also auch nach seiner bisherigen Sonderstellung. Und tatsächlich stellte Vosmaer in seinen Studien zahlreiche Verhaltensweisen des Orang-Utans fest, die 1 Tethart Philipp Christian Haag, Orang-Utan, seine enge Verwandtschaft zum Erdbeeren fressend Menschen wahrscheinlich machten. Vosmaer erteilte dem aus Kassel stammenden, in Den Haag seit 1760 als Hofmaler tätigen Tethart Philipp Christian Haag (1737–1812) den Auftrag, den Orang Utan in Zeichnungen in lebendigen und charakteristischen Posituren festzuhalten, die er dann in seiner zoologischen Abhandlung über das Tier abbildete. Darüber hinaus schuf Haag in den Jahren 1776/1777 vier großformatige Ölgemälde des Tieres, die wahrscheinlich zunächst zur Dekoration der Den Haager Menagerie dienten. (Abb. 1-4) Haag war mit seinem Vater, dem Maler Johann David Christian Haag, im Jahr 1742 in die 2 Tethart Philipp Christian Haag, Darstellung weiblichen Orang-Utans aus der MenageNiederlande gekommen, als dieser eines rie Willems V. zum Hofmaler des Prinzen Willem IV. Im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum und im Mauritshuis in Den Haag haben sich insgesamt vier Gemälde mit lebensgroßen Darstellungen eines weiblichen Orang-Utan erhalten. Es handelt sich um den ersten zweifelsfrei nachweisbaren, lebend in Europa angekommenen Menschenaffen, nachdem dort bis dahin nur kleinere Affen gehalten worden waren. Das Tier konnte 1776 von dem Naturkundler Arnout Vosmaer über Mittelsmänner der VOC aus Borneo erworben werden. Man integrierte es in die Menagerie des Prinzen Willem V. von Oranien in Het Loo bei Den Haag, wo es eine zoologische Sensation darstellte. Erstmals bot sich hier nun die Möglichkeit, diese Tierart zu studieren, sowohl anatomisch, als auch hinsichtlich ihres Verhaltens. Die Bedeutung, die diesem einzigartigen Untersuchungsobjekt beigemessen wurde, zeigte sich auch noch nach dem baldigen Tod des Tieres nach rund sieben Monaten in menschlicher Gefangenschaft. Mehrere Naturkundler traten in den Wettstreit um die Möglichkeit zur Erforschung dieser Art, verschiedene Theorien zur Wesensbestimmung wurden formuliert. Vosmaer war Direktor der Menagerie sowie des Naturalienkabinetts am Hof des Statthalters Willem V. von Oranien in Den Haag. Mit dem OrangUtan konnte er erstmals selbst Verhaltensstudien an einem Menschenaffen durchführen. Er zielte darauf ab, die bis dahin verwirrenden Darstellungen und Legenden über diese Tiere auf eine wissenschaftliche Ebene zu heben. Die unklaren Berichte über Menschenaffen, die hauptsächlich durch Handelsreisende nach Europa gelangt waren, hatten in den zoologischen Abhandlungen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ein irritierendes Bild hinterlassen. Zuverlässigere Kenntnisse über Menschenaffen waren für die Forscher aber von besonderem Interesse, da sich an Ihnen die Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Tierwelt unmittelbar entzündete. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dieses Thema besonders virulent: Mit Carl von Linnés um 1731–1735 erfolgter Einordnung von Mensch und 30 in Leeuwarden ernannt wurde. 1747 folgte er dem zum Statthalter erhobenen Willem IV. an den Hof nach Den Haag. In der Nachfolge seines Vaters wurde Haag auch Galerieverwalter sowie Zeichenlehrer von Prinz Willem V. Er war neben Porträts vor allem auf Pferdedarstellungen spezialisiert und auch sein Vater hatte bereits Tierdarstellungen in der landgräflichhessischen Menagerie in Kassel geschaffen. 3 Tethart Philipp Christian Haag, Darstel- 4 Tethart Philipp Christian Haag, Orang- lung eines weiblichen Orang-Utans aus der Menagerie Willems V. Utan, einen Apfel pflückend sen unterschiedlichen Vorbildern und in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem Naturforscher ein verhältnismäßig naturalistisches Abbild dieses Lebewesens mit seinen dem Menschen verwandten Eigenschaften. Naturkundliche und künstlerische Arbeit gingen hier Hand in Hand und verbanden sich insgesamt zu einer umfassenden Repräsentation ihres Gegenstandes. Schon vor 1795 gelangten drei dieser Gemälde nach Braunschweig, vermutlich aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen der Oranier zum Braunschweiger Herzogshaus. Die Gemälde wurden nicht in die Gemäldegalerie, sondern in das von Herzog Carl I. 1754 gegründete Kunst- und Naturalienkabinett integriert, in dem auch zahlreiche bedeutende zoologische Artefakte versammelt waren. Es wird deutlich, dass die Gemälde an einer Schnittstelle zwischen bildender Kunst und Naturkunde angesiedelt waren. Im Vergleich zu den tradierten Affenbildern scheinen Haags Orang Utan-Bildnisse ein Dokument einer gewandelten Mensch-Tier-Beziehung zu sein (v. a. für die flämische Malerei). Haag hebt die Nähe des Menschenaffen zum Menschen hervor, aber seine Darstellungen haben nichts mehr mit den sinnbildlich konnotierten Affenszenen zu tun, in denen diese die Handlungen von Menschen „imitieren“ oder karikieren. Haag scheint dagegen nüchtern zu beobachten. Während die Serie der drei Orang-Utan-Bildnisse in Braunschweig mit dem Duktus naturwissenschaftlicher Dokumentation die Beschreibungen Vosmaers ergänzt und erweitert, weist die in Den Haag verbliebene Einzeldarstellung des Tieres hingegen stärker auf Menagerie-Darstellungen in der Tradition barocker höfischer Repräsentation zurück. (Abb. 3 und 4) In ihrer Gesamtheit und mit diesen unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen sind die vier Gemälde somit ein Dokument für den Betrachtungswandel exotischer Tiere. Die Funktion des Tieres als eines lebendigen Anschauungsmodells zur systematischen Erforschung der Natur tritt hier neben seine Bedeutung als fremdartige, kostbare Rarität. Tethart Haag griff bei seiner neuartigen Bildaufgabe einerseits auf Inspirationen der zeitgenössischen Tiermalerei eines Jean-Baptiste Oudry und George Stubbs zurück, die ebenfalls exotische Tiere lebensgroß porträtiert hatten. Zugleich bergen seine Schilderungen aber auch die Kenntnis von älteren, imaginierten, noch nicht nach der Natur gemachten Darstellungen von Affen und Menschenaffen. Dabei handelt es sich um Illustrationen von zoologischen Publikationen, die auch der Naturforscher Vosmaer als Grundlage seiner eigenen Untersuchungen heranzog. Haag schuf aus die- Silke Gatenbröcker 31 Über die Autorin: Dr. Silke Gatenbröcker ist Leiterin der Gemäldegalerie Alte Meister im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig. Sie promovierte über „Michael Herr (1591–1661). Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs im 17. Jahrhundert“, volontierte am Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig und war 1999 als Mitarbeiterin im Rijksprentenkabinet in Amsterdam tätig. Kontakt: [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: Literaturhinweise: Tethart Philipp Christian Haag, Orang-Utan, Erdbeeren fressend, Leinwand, 109 x 89 cm, links unten signiert und 1776 datiert, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv. GG 1270, © Herzog Anton Ulrich-Museum. Arnout Vosmaer, Beschryving van de zo zeldzaame als zonderlinge aap-soort, genaamd OrangOutang, van het eiland Borneo. Levendig overgebragt in de Diergaarde van zyne Doorluchtigste Hoogheid […], Amsterdam 1778. Abb. 2: Tethart Philipp Christian Haag, Darstellung eines weiblichen Orang-Utans aus der Menage- rie Willems V. in „Het kleine Loo“ bei Den Haag, Leinwand, 109 x 89 cm, unten signiert und 1776 datiert, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv. GG 1269, © Herzog Anton Ulrich-Museum. Horst Woldemar Janson, Apes and ape lore in the Middle Ages and the Renaissance. London 1952, ND Nedeln/Liechtenstein 1976. Abb. 3: Bert C. Sliggers / A. A. Wertheim (Red.), Een vorstelijke dierentuin. De menagerie van Willem V., Ausst.-Kat. Teylers Museum Haarlem / Institut Néerlandais Paris, Zutphen 1994. Tethart Philipp Christian Haag, Darstellung eines weiblichen Orang-Utans aus der Menagerie Willems V. in „Het kleine Loo“ bei Den Haag, Leinwand, 171 x 109 cm, unten signiert und 1776 datiert, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv. GG 1271, © Herzog Anton Ulrich-Museum. Hans Werner Ingensiep, Der kultivierte Affe. Philosophie, Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 2013. Abb. 4: Tethart Philipp Christian Haag, Orang-Utan, einen Apfel pflückend, signiert und 1777 datiert, Leinwand, 174 x 110,5 cm, Mauritshuis Den Haag, Inv. Nr. 813, als Leihgabe in Schloss Het Loo, Apeldoorn (http://www.mauritshuis.nl/nl-nl/verdiep/de-collectie/kunstwerken/orang-oetang-uit-dedierentuin-van-stadhouder-willem-v-een-appel-plukkend-813/detailgegevens). Jürgen Rascher, Die Kasseler Künstlerfamilie Haag. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte von Kassel, Den Haag und Bern, Lindenberg/Allgäu 2013. 32 Der Affe an der Kette – Ein Motiv zwischen Unterhaltung und Unterdrückung Die ersten Kontakte mit den lebendigen Tieren waren durch diese religiösen Vorstellungsbilder geprägt, welche auch in der Folge kaum Veränderungen unterworfen waren. Entsprechend lässt sich auch Bruegels Werk deuten. In diesem bildet die Kette in Verbindung mit dem beengten Raum der Fensternische einen starken Kontrast zur Lebhaftigkeit der Tiere und dem hinter ihnen eröffneten Ausblick. In der anthropomorphen Wahrnehmung wird die Abkehr von diesem Ausblick zur bewussten Entscheidung, womit die Gefangenschaft als selbstverschuldet und somit gerechtfertigt gekennzeichnet ist. Die Affen sind hier durchaus als leidende Kreaturen dargestellt und können auch entsprechend gedeutet werden.1 Ihre Emotionen sind jedoch nicht den Tieren selbst zuzuschreiben, sondern als Projektionen des Humanen zu verstehen, durch welche das Bild in seiner Symbolik Ausdruckskraft erhält. Wobei es keine zentrale Rolle spielt, welche Deutungszusammenhänge darüber hinaus glaubwürdig erscheinen. Im Umgang mit den lebenden Tieren ist zwar die symbolische Bedeutung weniger präsent, wie etwa an Tierbüchern oder Beschreibungen der Haltungsbedingungen gezeigt werden kann. Die Darstellungen und Beschreibungen lassen jedoch auch hier keine Schlüsse auf das Tier als ein leidensfähiges Wesen zu.2 Sie zeigen lediglich die Wandlung der Betrachtungsweise des angeketteten Affen von einem religiös konnotierten Motiv zum Gegenstand der Unterhaltung. Die Kette wurde als rein pragmatischer Aspekt der Haltung vom Bedeutungsträger zum stillen Begleiter. Zum Hintergrund der weiteren Entwicklung ist anzumerken, dass im 17./18. Jahrhundert die Idee von der großen Kette der Wesen noch allgemein verbreitet war.3 Nach dieser stellten die in der Natur vorhandenen Arten als vom Schöpfer eingerichtete, kontinuierliche Abfolge von Wesen eine natürliche und unveränderliche Hierarchie dar, in der der Mensch die Bilder strukturieren unsere Wahrnehmung. Und ebenso wird ihre Lesart durch bereits vorhandene Vorstellungen geformt. Dasselbe Bild kann in einem veränderten Kontext vom rein informativen oder unterhaltenden Gehalt zur Anklage werden. Die Aussage wird durch eine Prädisposition des Betrachters und diese wiederum durch neue Wahrnehmungen modifiziert. Anhand des Motivs des angeketteten Affen, für welches das Werk „Zwei Affen“ Pieter Bruegels d. Ä. von 1562 (Abb. 1) als exemplarischer Ausgangspunkt dient, kann dargelegt werden, wie sich Repräsentationsformen verändern und auch deren Deutungen unabhängig von diesen variieren. Der Fokus liegt dabei auf der Rolle, welche die Tiere selbst in den Bildern spielen, die wir uns von ihnen machen. In Westeuropa waren Affen bis ins 13. Jahrhundert nur aus dem Physiologus und der Naturkunde des Plinius bekannt. In diesen wurden sie vornehmlich als R ep räsen tanten menschlicher Eigenschaften dargestellt. Sie galten aufgrund ihrer ‘boshaften Natur‘ als Sinnbild des Teufels oder des Sün- 1 Pieter Bruegel d. Ä., Zwei Affen ders, die Kette als angemessene Disziplinarmaßnahme und notwendiger Bestandteil ihrer Haltung. 1 Vgl. Horst W. Janson, Apes and ape lore in the Middle Ages and the Renaissance. London 1952, ND Nedeln/Liechtenstein 1976, S. 154f. 2 Vgl. Jost Amman, Thierbuch. Sehr künstliche vnd Wolgerissene Figuren von allerley Thieren […]. Frankfurt a. M. 1592. Conrad Gessner, Conrad Forer (dt. Übers.), Thierbuch Das ist ein kurtze beschreybung aller vierfüssigen Thieren […]. Zürich 1563, S. 5ff. Friedrich Justus von Günderode, Briefe eines Reisenden über den gegenwärtigen Zustand von Cassel. […] Frankfurt a. M. (u. a.) 1781, S. 69f. 3 Vgl. Arthur O. Lovejoy, Die große Kette der Wesen. Geschichte eines Gedankens. Frankfurt a. M. 1985, S. 275. 33 Grenze von der rein physischen zur geistigen Existenz markierte. So nahe ein Tier auch an die Art des Menschen heranreichte, blieb es dennoch nominal von jedem geistigen Prozess ausgeschlossen. Die objekthafte Verwendung war durch die natürliche Ordnung gerechtfertigt, was das Festketten weiterhin einer moralischen Kritik enthob. Trotz einer durchaus vermuteten Verwandtschaft blieb eine unüberwindbare Kluft, da die menschliche Identität bei Konstanz der Arten auch durch Ähnlichkeit und verwandtschaftliche Nähe nicht infrage gestellt werden konnte. Um diese veränderte Perspektive abschließend auf Bruegels Affen zurückzuführen, kann eine Interpretation M. Mettlers herangezogen werden. 4 Diese demonstriert eindringlich die veränderte Wahrnehmung des Tiers, die nicht mehr mit früheren Deutungsansätzen in Einklang zu bringen ist: „Zu viel Mitgefühl vibriert in der Darstellung des Eisens, das sie jeder affenhaften Gelenkigkeit beraubt […].“5 Derartiges Mitgefühl erfordert jedoch ein entsprechendes Konzept von empfindender Persönlichkeit, welches bei Entstehung des Bildes kaum Anwendung auf die Tiere gefunden haben mag. So zeigen sich hier vor allem seine eigene, zeitlich definierte Perspektive und damit die inneren Bilder, die das unveränderte äußere Bild mit neuen Inhalten ausstatten. Die Kette wird zum deprimierenden Anblick, „[…] weil wir im Affen stets den frechen Turner sehen, […] nicht einzufangen für den Sklaven des aufrechten Gangs […].“6 Dieser leidet nicht mehr repräsentativ, sondern tritt selbst als leidensfähiges und dem Menschen sogar in gewisser Hinsicht überlegenes Wesen auf. Er dient nicht mehr als Sinnbild, sondern wird vielmehr zum Ideal verklärt. Die bewusste Leidensfähigkeit, die nicht mehr durch eine negative Darstellung des tierischen Charakters relativiert wird, sorgt für eine veränderte Wahrnehmung, in der eine artgerechte oder bedarfsgerechte Haltung den relevanten Kontext definiert. Wobei sich vornehmlich die Rezeption der Bilder ändert, weniger die Bilder selbst. Darwins Evolutionstheorie von 1859 machte das Überschreiten der Artgrenzen theoretisch möglich. Die Hierarchie, und damit auch 2 Human evolution scheme das Bild vom Affen als minderwertiger Lebensform, blieb jedoch, trotz der eigentlichen Implikationen dieser Theorie, bis ins 20. Jahrhundert bestehen. Erst die 1965 entstandene Visualisierung „March of Progress“, welche in vereinfachter Form weite Verbreitung gefunden hat (Abb. 2), markierte die Veränderung der mit den Affen verbundenen Bilder, die mit einer Vorstellung von deren geistigem Potential eng verknüpft ist. Die Komplexität der Evolutionstheorie scheint in dieser Darstellung unmittelbar verständlich. Der Affe nimmt in dieser Darstellung einen Platz im menschlichen Stammbaum ein. Es wird eine verwandtschaftliche Verbindung visualisiert, durch welche das Potential der Affen im Hinblick auf die Leidensfähigkeit und Selbsterkenntnis in uns selbst ihren Beleg findet. Das Tier als empfindendes Wesen wird erstmals zum Maßstab für den Umgang mit diesem, was sich auch auf unser Bild der Tiere auswirkt. Daran zeigt sich, dass neue Bilder bereits in Veränderung begriffene Vorstellungen voraussetzen, diese jedoch auch Visualisierungen zu ihrer Verbreitung benötigen. Daniel Wolf 4 Vgl. Michael Mettler, Das Leben ausserhalb der Mauern – Pieter Bruegel der Ältere: «Zwei angekettete Affen». In: Neue Zürcher Zeitung. 23.02.2008. 5 Ebd. 6 Ebd. 34 Über den Autor: Daniel Wolf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im LOEWE-Schwerpunkt "Tier - Mensch – Gesellschaft“ an der Universität Kassel und erforscht im Rahmen seiner Dissertation an der Kunsthochschule Kassel die Relevanz des Bildes für das Tier-Mensch-Verhältnis aus der disziplinären Perspektive der Kunstwissenschaft. Kontakt: [email protected] Bildnachweise: Abb. 1: Pieter Bruegel d. Ä., Zwei Affen, 1562, Öl auf Holz, 20 x 23 cm, Gemäldegalerie Berlin, http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3APieter_Bruegel_d._%C3%84._095.jpg, 25.01.15. Abb. 2: José-Manuel Benito, Human evolution scheme, 2006, http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AHuman_evolution_scheme.png, 25.01.15. 35 4. Wie lebendige Tiere in der Kunst agieren Tiere sind als aktives Gegenüber des Menschen in Kunstwerken vertreten. Hier wird die Frage nach dem animalischen Handlungspotential in Kunstwerken gestellt. Anhand einiger Werke, welche lebendige Tiere in die bildende Kunst integrieren, wird anschaulich vermittelt, inwiefern Tiere als aktive Wesen Berücksichtigung finden können. Die Perspektive der Tiere bleibt stets in menschliche Deutungszusammenhänge eingebettet und somit kaum auszumachen. Die Tiere handeln zwar, die Handlungsräume sind jedoch vom Menschen bestimmt. 4.1 Marvin Altner: Lebende Tiere in der Kunst. Über den performativen Realismus des Tiers im Ausstellungsraum von den 1960er Jahren bis heute 36 Lebende Tiere in der Kunst. Über den performativen Realismus des Tiers im Ausstellungsraum von den 1960er Jahren bis heute telte Ausstellung in der historischen Halle des Hamburger Bahnhofs, Museum für Gegenwart in Berlin folgen ließ und mit 12 Rentieren, 24 Kanarienvögeln, 8 Mäusen und 2 Fliegen eine erhebliche Ausweitung der TierZone erreichte. Der Begriff des "performativen Realismus" 1 zeichnet im vorliegenden Resümee die Integration von lebenden Tieren als Akteure in Werke der bildenden Kunst. Was als Widerstand gegen Galerieware für den Kunstmarkt begann – Jannis Kounellis' Papagei und Krähen (ohne Titel, 1967 und 1974) sowie die bekannter gewordenen Pferde (12 lebende Pferde, 1969) – fand seine Fortsetzung in Joseph Beuys' Schimmel in Titus Andronicus/Iphigenie (1969) und der vielfach rezipierten Paar-Aktion des Künstlers mit einem Coyo- 1 Jannis Kounellis, ohne Titel ten in New York (Coyote. I like America and America likes Me, 1974). Einen vergleichbar engen Aktionszusammenhang, aber mit höherem Gefährdungspotenzial, stellten Marina Abramović und Ulay 1978 im Trio mit einer Schlange in Three her. Abramović knüpfte daran 1990 in Dragon Heads mit einer veritablen Boa an, die sich um ihren Leib wand. Auf der documenta X in Kassel präsentierten Carsten Höller und Rosemarie Trockel 1997 in einem eigens zu diesem Zweck errichteten Haus für Schweine und Menschen eine Familie von Bunten Bentheimer Landschweinen, eine Installation, 2 Marina Abramović, Dragon Heads auf die Carsten Höller 2011 die Soma beti- Die Arbeiten verbindet, dass in ihnen Künstlerinnen und Künstler Tiere so einsetzen, dass ihre Integrität gewahrt bleibt. Bedingungen wurden geschaffen, in denen das Tier nicht nur überleben konnte, sondern als ein Lebewesen eigenen Rechts agieren konnte und sollte. Die (domestizierten) Tiere wurden 3 Carsten Höller/Rosemarie Trockel, nicht nur künstlerisch instruEin Haus für Schweine und Menschen mentalisiert und symbolisch überhöht, sondern ihre Präsenz diente auch wesentlich dem Verweis auf sie selbst, ihre Erscheinung und ihr So-Sein als Krähe, Schlange, Rentier usw. Künstler_innen machen die Probe aufs Exempel, welche Spielräume sich durch eine aktive Rolle des Tiers im Werk eröffnen. Alle Tiere in den genannten Werken agieren in Gefangenschaft (sie sind nicht frei, das Kunstwerk zu verlassen) und zugleich sind sie Teil von Experimenten, die durch sie partiell unvorhersehbar mitgestaltet werden. Ich schließe dabei an Positionen an, wie sie Friedrich Weltzien und Jessica Ullrich im Katalog zur Ausstellung "Tier-Werden, Mensch-Werden" in Berlin 2009 dargelegt haben. Sie widersprechen einer Formierung von Tieren als 'Opfer' und diskutieren die Visualisierung von "Prozesse[n] und Verwandlungen, Metamorphosen und Zwischenstufen"2, also Übergänge und Mischformen zwischen Künstler_innen sowie Betrachter_innen und Tieren vermittels Kunstwerken. Das Ziel ist eine "Komplizenschaft oder ein Bünd- 1 Im Kontext der bildenden Kunst zuletzt in Bezug auf die Tradition des ready mades bei Marcel Duchamp für die Analyse der Rauminstallationen von Mauricio Cattelan angewendet von Dorothea von Hantelmann, Performativer Realismus? Zum Realismus nach Minimalismus und Konzeptkunst, in: Dirck Linck / Michael Lüthy / Brigitte Obermayr / Martin Vöhler (Hrsg.), Realismus in den Künsten der G egenwart, Zürich 2010, S. 85–105. Von Hantelmann argumentiert rezeptionsästhetisch und schließt ihrerseits an Denis Holliers Begriff des "performativen Realismus" in seinem Kommentar zum Surrealismus an (S. 90–91). 2 Friedrich Weltzien / Jessica Ullrich (Hrsg.), Tier-Werden, Mensch-Werden, Ausst.-Kat. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin 2009, S. 9. 37 Über den Autor: nis" zwischen Tier und Mensch, also der Versuch des Menschen, mit dem Tier "eine Komposition zu bilden".3 Dr. Marvin Altner wurde 2003 mit einer Arbeit zu "Hans Bellmer: 'Die Spiele der Puppe'. Zu den Puppendarstellungen in der Bildenden Kunst von 1914–1938" in Berlin promoviert. Nach einer wissenschaftlichen Assistenz an der Hamburger Kunsthalle folgte 2005 die stellvertretende Leitung des Referats Bildende Kunst an der Kulturbehörde Hamburg. Seit 2006 freischaffender Kurator und seit 2011 Dozent an der Universität Kassel. Forschungsschwerpunkte: Bildende Kunst vom 18. Jahrhundert bis heute; Geschichte der Kunstgeschichte; Strategien der Kunstvermittlung und Institutionskritik, die Kulturlandschaft Hessen Kassel, documenta-Geschichte. Publikationen zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Der Realismus, der so entsteht, changiert zwischen theatralen Formaten der Aufführung und statisch-musealen Anordnungen von Gegenständen zum Kunstwerk. Tiere werden zu Objekten der Betrachtung, zugleich werden sie zu Akteuren von Bewegungen, Blicken und Kontaktaufnahmen mit dem Publikum. Sie dienen nicht nur als Projektionsfläche, sondern formen das Werk mit. Zugleich sind sie Mitspieler in einer Komposition, in die sie äußerlich gestellt werden und auf die sie nur re-agieren, eine Situation nur adaptieren können. Wie in jedem Kunstwerk, das als 'realistisch' gelten kann, wird auch das reale, lebende "Tier im Bild" durch die Verbildlichung Teil einer künstlerischen Disposition, die eine Fülle menschlicher Entscheidungen voraussetzt, die Einfluss auf die Konkretion des spezifischen Werks nimmt und die es jeweils zu analysieren gilt. An diesen künstlerischen Bedingungen zeigen sich die Grenzen des Akteur- und Subjektstatus auch des lebenden Tiers in Kunstwerken. Kontakt: [email protected] Marvin Altner Bildnachweise: Abb. 1: Jannis Kounellis, ohne Titel, Galleria L'Attico, Rom 1967, aus: Gloria Moure (Hrsg.), Jannis Kounellis. Works, Writings 1958–2000, Barcelona 2001, S. 10, Bildnachweis: Reproduktion einer Ausstellungsfotografie, Kollektion Crex, Hallen für neue Kunst, Schaffhausen, Fotograf: Claudio Abate, Bildrechte bei der Autorin des Texts (Gloria Moure). Abb. 2: Marina Abramović, Dragon Heads, Performance, Deichtorhallen, Hamburg 1992 Videostill, aus: Ausst.-Kat. Marina Abramović. Artist Body, Performances 1969–1998, S. 318, Bildnachweis: VG Bild. Abb. 3: 3 Steve Baker, Wie sieht 'Tier-Werden' tatsächlich aus? in: Friedrich Weltzien / Jessica Ullrich (Hrsg.), Tier-Werden, Mensch-Werden, Ausst.-Kat. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin 2009, S. 44– 62. Wie auch Weltzien/Ullrich bezieht sich Baker hier und in seiner im Jahr 2000 erschienen Publikation "The Postmodern Animal" auf Deleuzes und Guattaris Konzept menschlicher Entsubjektivierung durch "Tier-Werden". Carsten Höller/Rosemarie Trockel, Ein Haus für Schweine und Menschen, documenta X, 1997, aus: Kunstforum International, Bd. 138, September–November 1997, Abb. S. 247, Bildnachweis: VG Bild. 38 Anhang Impressum Organisation des Symposiums: Prof. Dr. Martina Sitt (LOEWE) Dr. Christian Presche (LOEWE) Daniel Wolf M.A. (LOEWE) Dr. Kai Füldner (Ottoneum) Dr. Justus Lange (mhk) Prof. Dr. Nils Büttner (ANKK) Publikation: Prof. Dr. Martina Sitt Dr. Christian Presche Daniel Wolf M.A. Bild und Layout (Flyer, Publikation): www.schwarzerwolfweisserwolf.com Nachbearbeitung: D. Wolf, Chr. Presche Bilder, sofern nicht anders angegeben, im Besitz des jeweiligen Autors. Im weiteren Anhang: Programm-Flyer des Symposiums Gefördert und unterstützt von: Tier im Bild Die menschliche Perspektive Welche Rolle spielen Bilder in Tier-Mensch-Beziehungen? In welchem Verhältnis stehen Bild und Vorstellung? Wie wirkt sich der menschliche Standpunkt auf die Darstellung und die Wahrnehmung von Tieren aus? TIER IM BILD Die menschliche Perspektive Interdisziplinäres Symposium Das Zusammenleben von Menschen und (Nutz-, Haus-, Labor-, Wild-…) Tieren ist durch große Abweichungen der Wertzuweisung gekennzeichnet. Die damit verbundenen ethischen Implikationen stellen ein zentrales Thema der Human-Animal-Studies dar. Vor diesem Hintergrund werden hier Fragen nach Wirkung und Relevanz von Bildern in speziesübergreifenden Beziehungsstrukturen aus unterschiedlichen Fachrichtungen behandelt. Das Thema des Symposiums wurde aus der interdisziplinären Zusammenarbeit im seit Anfang 2014 an der Universität Kassel bestehenden LOEWE*-Schwerpunkt Tier-Mensch-Gesellschaft entwickelt. Arbeitskreis Niederländische Kunst- und Kulturgeschichte Der ANKK versteht sich als Netzwerk für Kunsthistoriker aus dem deutschsprachigen Raum, die sich mit der niederländischen Kunstund Kulturgeschichte beschäftigen. Er soll eine Plattform zur Diskussion, zum Austausch von Informationen und für die Planung und Durchführung von Projekten bieten (www.ankk.org). Dieses Jahrestreffen ist in Kooperation mit dem LOEWE-Schwerpunkt an der Universität Kassel den Tieren in der niederländischen Kunst gewidmet. *Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz Kontakt Um Anmeldung (mit Nennung des gewünschten Workshops) wird gebeten: ORGANISATION: Prof. Dr. Martina Sitt - Dr. Christian Presche Daniel Wolf M.A. (LOEWE) - Dr. Kai Füldner (Ottoneum) Dr. Justus Lange (mhk) - Prof. Dr. Nils Büttner (ANKK) Bild und Layout: www.schwarzerwolfweisserwolf.com [email protected] Kassel 13.-14.11.2014 Programm Donnerstag, 13.11.2014 16.30 Workshop für LOEWE Mitarbeiter_innen mit dem Leiter des Ottoneums zum Ausstellungsprojekt 2016 Sex und Evolution 15.00 Zur Bedeutung von Wild- und Nutzgeflügel in Bild und Brauchtum der frühneuzeitlichen Niederlande Dr. des. Inke Beckmann, Göttingen/Stuttgart 18.30 Umtrunk / Buffet 15.30 Pause 19.30 Abendvortrag: Schmetterlinge bleiben nicht - Erfahrungen mit der doc 13 Dr. Kai Füldner, Kassel 15.50 Die Ratte als „anthropologisches Tier“ und agent provocateur der Kunst Stephanie Milling M.A., Kassel 16.20 Warum auf Tiere schauen? Das Tier als ‚Affektmedium‘ in der Malerei der Frühen Neuzeit Dr. Anna Degler, Berlin 17.00 Steinerne Tiere in der hessischen Residenzstadt Kassel in Barock und Aufklärung Dr. Christian Presche, Kassel 17.30 Vom Tischschmuck zur Tierplastik. Facetten keramischer Tierdarstellungen im 18. Jahrhundert Julia Roolf M.A., Hamburg 18.00 Pause 19.00 Öffentlicher Abendvortrag in Kooperation mit dem Verein für hessische Geschichte und Landeskunde: "Die Vögel in den Lüften, die Fische im Wasser..." Raum und Bewegung im Tierbild des 17. und 18. Jahrhunderts Prof. Dr. Ellen Spickernagel, Frankfurt Tagungsort: Museum Ottoneum Vor 11.00 Uhr Anreise/ Kaffee im Foyer 11.00 11.30 12.00 Begrüßung Dr. Kai Füldner, Direktor des Naturkundemuseums Ottoneum Prof. Dr. Nils Büttner, für den Vorstand des ANKK Prof. Dr. Winfried Speitkamp, Universität Kassel, Projektleiter Tier-Mensch-Gesellschaft 10.00 Einbildung, Abbildung und Wortbildung: Der Elefant in mittelalterlicher Literatur und Kunst Prof. Dr. Claudia Brinker Dr. Susanne Schul, Kassel Pause 14.00 Echte Tiere. Konzepte von Lebendigkeit bei Joris Hoefnagel Dr. Silke Förschler, Kassel 14.40 Lebende Tiere in der Kunst. Über den performativen Realismus des Tiers im Ausstellungsraum von den 1960er Jahren bis heute Dr. Marvin Altner, Kassel/Berlin 15.15 Affe, Hund, Papagei – Was sagen uns Tiere über Menschen? Dr. Justus Lange, Kassel 16.00 Pause In der Sammlung beim Goethe-Elefanten: Wie ein Tier musealisiert wurde Steffen Schäferjohann B.A., Kassel ANKK - Vereinssitzung für Mitglieder Workshops: Museum Schloss Wilhelmshöhe 1. Jean Baptiste Oudry – Bilder im Weissteinflügel Anne Pressentin, Darmstadt 2. Johann Melchior Roos – Das Menageriebild Dr. Valentine von Fellenberg, Lausanne 3. Melchior d´Hondecoeter" - Bausteine zum Erfolg? Dr. Lisanne Wepler, Braunschweig 4. Roeland Savery? Zuschreibungsfragen Prof. Dr. Nils Büttner, Stuttgart Michelangelo als Löwenkopf? – Anmerkungen zu J.H.W. Tischbeins Tierphysiognomik und Johann Blumenbachs Kommentierung Prof. Dr. Martina Sitt, Kassel 13.00 16.30 Freitag, 14.11.2014 Anschließend Museumsbesuch (niederländische Sammlung) 10.00 Workshops: Museum Ottoneum 5. Als die lusus naturae zu Leben begannen - Fossilien im Kontext früher Forschungsreisen Dr. Cornelia Kurz, Kassel 6. Tiere am Kasseler Philipps-Epitaph (um 1570, niederländische Bildhauer) Dr. Christian Presche, Kassel 7. Farbenfrohe Fische oder tauchende Pferde? Ein Schulprojekt zur Erfahrung kulturgeschichtlicher Differenzen in der Wahrnehmung von Tieren Prof. Dr. Michael Mecklenburg Theresa Kölczer M.A., Kassel 13.00 Veranstaltungsorte Museum Ottoneum Steinweg 2 34117 Kassel Pause Tagungsort: Kunsthochschule - Hörsaal 0605 14.00 Exotische Rarität und lebendiges Naturmodell: Tethart Philipp Christian Haag malt den ersten lebenden Orang Utan in Europa Dr. Silke Gatenbröcker, Braunschweig 14.30 Der Affe an der Kette – Ein Motiv zwischen Unterhaltung und Unterdrückung Daniel Wolf M.A., Kassel Museum Schloss Wilhelmshöhe Schlosspark 1 34131 Kassel Universität Kassel – Kunsthochschule Hörsaal 0605 (Eingang A) Menzelstraße 13 34121 Kassel