Kap-2

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2 Zahlen
2.1 Natürliche Zahlen
2.1.1 Menge der natürlichen Zahlen
Der Ausgangspunkt für den Aufbau der Zahlenbereiche ist die Menge
N = {0, 1, 2, 3, ...}
der natürlichen Zahlen
0,
1,
2,
3,
4,
...
2.1.2 Induktionsprinzip
Unmittelbar verbunden mit den natürlichen Zahlen ist das Prinzip der vollständigen
Induktion.
Satz 2.1 (Prinzip der vollständigen Induktion). Für jedes n ∈ N≥n0 = {n0 , n0 +1, . . .} seien
A(n) von n ∈ N≥n0 abhängende mathematische Aussage. Wenn
• A(n0 ) wahr ist und
• für jedes n ≥ n0 aus A(n) auch A(n + 1) folgt,
dann gilt A(n) für alle n ∈ N≥n0 .
Beispiel 2.2. Die Ungleichung n2 ≥ n + 5 gilt für alle natürlichen Zahlen n ≥ 3.
(Beweis durch vollständige Induktion)
1. Induktionsanfang: Die Ungleichung gilt für n = n0 = 3, da
32 = 9 ≥ 8 = 3 + 5 .
2. Induktionsschritt: Die Ungleichung gelte für ein beliebiges n ≥ 3, d. h., es sei
n2 ≥ n + 5 .
(2.1)
Zu zeigen ist, dass sie dann auch für n + 1 gilt. Nun, es gilt unter Verwendung von (2.1)
(n + 1)2 = n2 + 2n + 1 ≥ n + 5 + 2n + 1 ≥ (n + 1) + 5 .
25
2 Zahlen
2.1.3 Prinzip der rekursiven Definition
Ein Begriff B(n), der für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0 definiert werden soll, kann folgendermaßen festgelegt werden:
1. Definiere B(n) für n = n0 .
2. Definiere B(n) für n ∈ N≥n0 unter Zuhilfenahme der (hypothetisch) bereits erfolgten
Definition von B(n0 ), . . . , B(n − 1).
Definition 2.3. Für n ∈ N und x ∈ N definieren wir die Potenzen mit natürlichem
Exponenten rekursiv durch
x0 := 1 ,
xn := x · xn−1
(n ∈ N≥1 ) .
Bemerkung 2.4. Insbesondere wurde 00 := 1 definiert, was später z. B. beim binomischen
Lehrsatz, Polynomen und Potenzreihen benutzt wird.
2.2 Kombinatorik
2.2.1 Permutationen
2.2.1.1 Anordnung ohne Wiederholung
Aufgabe ist, n verschiedene Objekte auf n Plätze anzuordnen. Anordnen heißt insbesondere,
die Reihenfolge zu beachten. Für den ersten Platz gibt es n Objekte zur Auswahl, für den
zweiten Platz sind es noch n − 1 Objekte, . . . , für den vorletzten Platz noch zwei Objekte,
auf den letzten Platz kommt das verbleibende Objekt. Es sind somit
n · (n − 1) · · · · · 2 · 1
Möglichkeiten.
Für n ∈ N definieren wir n! (sprich: n-Fakultät) rekursiv durch
0! := 1 ,
n! := n · (n − 1)! = n · (n − 1) · · · 2 · 1 für n ∈ N≥1 .
Damit gilt zum Beispiel
0! = 1 ,
26
1! = 1 · 0! = 1 ,
2! = 2 · 1! = 2 ,
3! = 3 · 2! = 6 ,
4! = 4 · 3! = 24 , . . . .
2.2 Kombinatorik
Definition 2.5. Sei M eine endliche Menge. Eine Anordnung aller Elemente von M unter
Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung von Elementen heißt Permutation.
Satz 2.6. Sei n ∈ N \ {0}. Dann besitzt eine n-elementige Menge genau n! Permutationen.
Beispiel 2.7. Es werde die Menge {1, 2, 3} betrachtet. Deren Elemente kann man in folgenden Weisen anordnen:
1−2−3,
1−3−2,
2−1−3,
2−3−1,
3−1−2,
3−2−1.
Dies sind 6 = 3! Anordnungen.
Beispiel 2.8. Ein Firmenvertreter hat sich beim Besuch von 6 Kunden A, B, C, D, E, F zu
überlegen, welche der 6! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 = 720 möglichen Reihenfolgen er wählt.
Beispiel 2.9. Um 20 Studenten in einer Reihe antreten zu lassen, gibt es
20! = 2 432 902 008 176 640 000
Möglichkeiten. (Würde man pro Anordnung nur 1 Sekunden benötigen, bräuchte man wegen
2 432 902 008 176 640 000
≈ 70 · 109
60 · 60 · 24 · 365
etwa 70 Milliarden Jahre. Das Weltall ist erst etwa 14 Milliarden Jahre alt.
2.2.1.2 Anordnung mit Wiederholung
Aufgabe ist, insgesamt n Objekte aus k Klassen zu ℓ1 , ℓ2 , . . . , ℓk Mitgliedern, ℓ1 + ℓ2 +
· · · + ℓk = n anzuordnen, wobei die Reihenfolge unter den Mitgliedern einer Klasse nicht
beachtet werden soll. Unter Beachtung aller Reihenfolgen wären es n! Möglichkeiten. Nun
soll die Reihenfolge der ℓ1 Mitgliedern der ersten Klasse nicht beachtet werden. Dies sind
ℓ1 ! Möglichkeiten. Es verbleiben noch n!/ℓ1 ! Möglichkeiten. Für man die Betrachtungen bis
zu k-ten Klasse weiter, so erhält man die Zahl der gesuchten Möglichkeiten als
n!
.
ℓ1 ! · ℓ2 ! · · · · · ℓk !
Eine andere Interpretation der Aufgabe ist, k Objekte unter Beachtung der Reihenfolge
anzuordnen, wobei das erste Objekt ℓ1 -mal, das zweite ℓ2 -mal, . . . , das k-te ℓk -mal auftreten
soll (und mehrmals wiederholte Objekte wegen ihrer Gleichheit auch in der Reihenfolge nicht
unterscheiden werden können).
Beispiel 2.10. Es soll die Anzahl aller Zeichenketten aus den Buchstaben a, b und c bestimmt werden, bei denen a viermal, b dreimal und c zweimal vorkommen. Hier haben wir
ℓ1 = 4, ℓ2 = 3, ℓ3 = 2 und n = 4 + 3 + 2 = 9. Somit ist die gesuchte Anzahl
9·8·7·6·5·4·3·2·1
9·8·7·6·5
9·8·7·5
9!
=
=
=
= 9 · 4 · 7 · 5 = 1260 .
4!3!2!
(4 · 3 · 2 · 1) · (3 · 2 · 1) · (2 · 1)
3·2·2
2
27
2 Zahlen
2.2.2 Variationen
2.2.2.1 Auswahl mit Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung
Es sind k ≤ n Objekte aus n Objekten mit Beachtung der Reihenfolge ohne Wiederholung
auszuwählen: Für das erste Objekt haben wir n Möglichkeiten, für das zweite n − 1, . . . , für
das k-te Objekt noch n − k + 1. Dies gesuchte Anzahl ist somit
Vkn = n · (n − 1) · · · · · (n − k + 1) =
n · (n − 1) · · · · · (n − k + 1)(n − k) · · · · · 2 · 1
n!
=
.
(n − k) · · · · · 2 · 1
(n − k)!
Diese Auswahl heißt auch „ohne Zurücklegen“ anstatt „ohne Wiederholung“.
Definition 2.11. Eine Auswahl von k verschiedenen Elementen mit Berücksichtigung der
Reihenfolge aus eine endlichen heißt Variation k-ter Ordnung .
Satz 2.12. Ist M eine n-elementige Menge, so gibt es
Vkn =
n!
(n − k)!
Variationen k-ter Ordnung von M .
Beispiel 2.13. Es seien vier Zahlen aus {1, 2, ..., 6} vier Zahlen auszuwählen und in einer
Reihe anzuordnen.
Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist
V46 =
6!
6·5·4·3·2·1
=
= 6 · 5 · 4 · 3 = 360 .
(6 − 4)!
2·1
Beispiel 2.14. Ein zehnköpfiges Leistungsgremium habe einen 1. und 2. Sprecher zu wählen.
Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist
V210 =
10!
10 · 9 · 8 · 7 · 6 · 5 · 4 · 3 · 2 · 1
=
= 10 · 9 = 90 .
(10 − 2)!
8·7·6·5·4·3·2·1
Beispiel 2.15. Ein Firmenvertreter, der 3 seiner 6 Kunden an einem Tag besuchen kann,
überlegt sich, in vielen verschieden Reihenfolgen er sie besuchen könnte.
Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist
V36 =
6!
6·5·4·3·2·1
=
= 6 · 5 · 4 = 120 .
(6 − 3)!
3·2·1
Beispiel 2.16. Aus den n = 3 Buchstaben a, b, c können V23 = 3!/(3 − 2)! = 3! = 6
zweibuchstabige Zeichenketten ohne Wiederholung und unter Beachtung der Reihenfolge
erzeugt werden, nämlich
ab , ac , ba , bc , ca , cb .
28
2.2 Kombinatorik
2.2.2.2 Auswahl mit Beachtung der Reihenfolge und mit Wiederholung
Es sind k ≤ n Objekte aus n Objekten mit Beachtung der Reihenfolge und mit zugelassener
Wiederholung auszuwählen: Für jedes der k Objekte haben wir jeweils n Möglichkeiten. Dies
gesuchte Anzahl ist somit
W n
V k = nk .
Diese Auswahl heißt auch „mit Zurücklegen“ anstatt „mit Wiederholung“.
Beispiel 2.17. Aus den n = 2 Ziffern 0 und 1 können so 22 = 8 dreiziffrige Zeichenketten
mit Wiederholung und unter Beachtung der Reihenfolge erzeugt werden:
000 ,
001 ,
010 ,
011 ,
100 ,
101 ,
110 ,
111 .
2.2.3 Kombinationen
2.2.3.1 Auswahl ohne Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung
Es sind k ≤ n Objekte aus n Objekten ohne Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung auszuwählen: Wir haben Vnk Möglichkeiten für die Auswahl von k Objekten aus n
unter Beachtung der Reihenfolge. Diese k ausgewählten Objekte lassen sich auf jeweils k!
Arten anordnen. Die gesuchte Anzahl ist damit
Ckn = Vkn /k! =
n!
.
k!(n − k)!
Diese Auswahl heißt auch „ohne Zurücklegen“ anstatt „ohne Wiederholung“.
Definition 2.18. Für k, n ∈ N, n ≥ k setzen wir
n!
n
:=
k!(n − k)!
k
und lesen „n über k“ oder „k aus n“.
Definition 2.19. Sei M eine Menge. Die Auswahl von k Elementen von M ohne Beachtung
der Reihenfolge und ohne Wiederholung von Elementen heißt Kombination zur k-ten
Klasse.
Satz 2.20. Seien n, k ∈ N, 0 < k ≤ n. Dann gibt es
n
n
Ck =
k
Kombinationen einer n-elementigen Menge zur k-ten Klasse.
29
2 Zahlen
Beispiel 2.21. Bei „6 aus 49“ sind sechs Zahlen aus 49 ohne Wiederholung (d. h. ohne
Zurücklegen) zu ziehen. Die Anzahl ist
C649 =
49 · 48 · 47 · 46 · 45 · 44
49!
=
= 13 983 816 .
6!(49 − 6)!
6·5·4·3·2·1
Hier sehen wir auch einen Trick: Nicht 49! ausrechnen, sondern mit (49 − 6)! kürzen!
Beispiel 2.22. Aus {1, 2, 3, 4, 5, 6} sind 4 Zahlen ohne Wiederholung und ohne Beachtung
der Reihenfolge auszuwählen.
Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist
6
6·5·4·3
6
=
C4 =
= 15
4
1·2·3·4
und zwar gibt es folgende Auswahlen:
{1, 2, 3, 4}, {1, 2, 3, 5}, {1, 2, 3, 6}, {1, 2, 4, 5}, {1, 2, 4, 6}, {1, 2, 5, 6}, {1, 3, 4, 5}, {1, 3, 4, 6},
{1, 3, 5, 6}, {1, 4, 5, 6}, {2, 3, 4, 5}, {2, 3, 4, 6}, {2, 3, 5, 6}, {2, 4, 5, 6}, {3, 4, 5, 6} .
Beispiel 2.23. Ein zehnköpfiges Leistungsgremium habe zwei gleichberechtigte Sprecher
zu wählen.
Es gibt hierfür
C210
Möglichkeiten für diese Wahl.
=
10
2
=
10 · 9
= 45
1·2
Rechenregeln für 1 ≤ k ≤ n:
n
n
n+1
n
n
n
n
n
n
.
+
=
,
=
= n,
=
= 1,
=
k
k−1
k
n−k
k
n−1
1
n
0
Diese Formeln sind Grundlage für das Pascalsche
0
1
0
1
1
k
2
1
2
k
3
1
3
k
4
1
4
6
k
5
1
5
10
k
..
..
.
.
Dreieck:
1
1
3
1
4
10
1
5
Folgerung 2.24. Seien n, k ∈ N, 0 < k ≤ n. Dann gibt es
Teilmengen einer n-elementigen Menge.
30
1
n
k
verschiedene, k-elementige
2.3 Rationale und Reelle Zahlen
2.2.3.2 Auswahl ohne Beachtung der Reihenfolge und mit Wiederholung
Es sind k ≤ n Objekte aus n Objekten ohne Beachtung der Reihenfolge aber mit zugelassener Wiederholung auszuwählen. Diese Anzahl ist komplizierter herzuleiten und sei nur der
Vollständigkeit halber angegeben:
n+k−1
W n
Ck =
.
k
2.2.4 Zusammenfassung
Permutation
anordnen
ohne Wiederh.
mit Wiederh.
n! = n · (n − 1) · · · · · 1
n!
ℓ1 !·ℓ2 !·····ℓk !
Variation
Kombination
k aus n auswählen
mit Reihenfolge
ohne Reihenfolge
n
n!
n!
= nk
Vkn = (n−k)! = k · k! Ckn = k!(n−k)!
WV n = nk
WC n = n+k−1
k
k
k
2.3 Rationale und Reelle Zahlen
2.3.1 Weitere Zahlenbereiche
Der Aufbau weiterer Zahlenbereiche lässt sich in folgendem Schema darstellen:
N = {0, 1, 2, ...}
Menge der natürlichen Zahlen
a, b ∈ N
a+b∈N
a·b∈N
(Addition)
(Multiplikation)
↓
Z = {..., −2, −1, 0, 1, 2, ...}
Menge der ganzen Zahlen
a, b ∈ Z
a + b ∈ Z, a · b ∈ Z
a−b∈Z
(Subtraktion)
↓
Q = { pq | p ∈ Z ∨ q ∈ Z \ {0}}
Menge der rationalen Zahlen
a, b ∈ Q, a − b ∈ Q,
a + b ∈ Q, a · b ∈ Q,
a : b ∈ Q für b 6= 0
(Division)
↓
R
Menge aller reellen Zahlen
(Menge der Dezimalbrüche)
a, b ∈ R, a − b ∈ R
a + b ∈ R, a · b ∈ R
a : b ∈ R (für b 6= 0)
31
2 Zahlen
2.3.2 Gemeinsame Eigenschaften der rationalen und reellen Zahlen
Im Folgenden sei K ∈ {Q, R}, K sei also die Menge der rationalen bzw. der reellen Zahlen.
2.3.2.1 Algebraische Eigenschaften
Die Addition „+“ und die Multiplikation „·“ besitzen folgende Eigenschaften:
∀x, y ∈ K : x + y = y + x
∀x, y ∈ K : x · y = y · x
∀x, y, z ∈ K : x + (y + z) = (x + y) + z
x · (y · z) = (x · y) · z
∀x, y, z ∈ K : x · (y + z) = x · y + x · z
∀x ∈ K : x + 0 = x, 1 · x = x
∀x ∈ K : ∃=1 − x ∈ K : x + (−x) = 0
∀x ∈ K \ {0}∃=1 x−1 ∈ K : x−1 · x = 0)
(Kommutativgesetze)
(Assoziativgesetze)
(Distributivgesetz)
(neutrale Elemente 0 bzw. 1
(additiv inverse Zahl)
(multiplikativ inverse Zahl)
Definition 2.25. Eine Menge K mit Operationen + und · und Elementen 0 6= 1 und obigen
Gesetzen heißt (Zahlen-) Körper .
Zahlenkörper sind also die Mengen, in denen wir „richtig“ rechnen können, in dem Sinne,
dass alle aus der Schule bekannten Rechenregeln gelten. Wir werden später die komplexen
Zahlen als einen weiteren Körper kennenlernen.
In einem Körper sind Subtraktion und Division über Addition bzw. Multiplikation definiert:
x − y := x + (−y) , x : y := x · y −1 ,
die Division aber nur für y 6= 0.
Weitere Gesetze wie 0 · x = 0 und −1 · x = −x folgen aus den Körpergesetzen.
Bemerkung 2.26. Wenn man unter Beihaltung der bisherigen Eigenschaften von Addition
und Multiplikation eine Division durch 0 definieren will, so folgt 0 = 1 und weiter K = {0},
was nicht sehr nützlich wäre.
2.3.2.2 Ordnungseigenschaften
In K ∈ {Q, R} gibt es eine Ordnungsrelation ≤ und eine Relation < definiert durch
x<y
mit folgenden Eigenschaften:
32
:⇔
x≤y
und x 6= y
2.3 Rationale und Reelle Zahlen
∀x ∈ K : x ≤ x
∀x, y ∈ K : (x ≤ y ∧ y ≤ x) ⇒ x = y
∀x, y, z ∈ K : (x ≤ y ∧ y ≤ z) ⇒ x ≤ z
∀x, y ∈ K : x ≤ y ∨ y ≤ x
∀x, y ∈ K : x < y ⇒ ∃u ∈ K(x < u < y)
∀x, y, z ∈ K : x < y ⇔ x + z < y + z
∀x, y, z ∈ K : z > 0 ⇒ (x < y ⇔ x · z < y · z)
(Reflexivität)
(Antisymmetrie)
(Transitivität)
(totale Ordnung)
(Dichtheit)
(Verträglichkeit mit Addition)
(Verträglichkeit mit Multiplikation)
Damit gilt die Trichotomie-Eigenschaft: Für je zwei Zahlen x, y ∈ K gilt genau eine der
drei Beziehungen
x<y, x=y, x>y.
Eine Zahl x ∈ K heißt positiv , nichtnegativ , nichtpositiv bzw. negativ , wenn x > 0,
x ≥ 0, x ≤ 0 bzw. x < 0.
Definition 2.27. Ein Körper K mit einer Ordnungsrelation mit obigen Eigenschaften heißt
total angeordneter Körper .
Q und R sind also total angeordnete Körper. Der Körper C der komplexen Zahlen wird sich
hingegen als nicht anordenbar erweisen.
2.3.3 Unterschiede der rationalen und reellen Zahlen
Bezüglich der algebraischen und Ordnungseigenschaften gibt es keine Unterschiede zwischen
den rationalen und den reellen Zahlen.
Die Erweiterung der rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen ist jedoch notwendig, da allein
schon Rechtecke mit rationalen Seitenlängen keine rationale Diagonalenlänge haben müssen.
Beispiel 2.28. Wir
√ betrachten
√ ein Quadrat mit der Seitenlänge 1. Dann ist nach dem Satz
von Pythagoras 12 + 12 = 2 die Diagonalenlänge dieses Quadrates.
√
√
Angenomen, 2 wäre rational. Dann gibt es ganze Zahlen p und q mit q 6= 0 und 2 = pq .
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass p und q teilerfremd sind:
Anderfalls teilen wir p und q durch ihren größten gemeinsamen Teiler. Durch Quadrieren
und Multiplikation mit q 2 folgt nun
2q 2 = p2 ,
(2.2)
Wegen p2 eine gerade Zahl ist. Da das Quadrat ungerader Zahlen ungerade ist, muss p
folglich eine gerade Zahl sein, d. h. es existiert eine ganze Zahl p0 mit p = 2 · p0 . Setzen wir
dies in (2.2) ein und dividieren dann durch 2, so folgt
q 2 = 2p0 ,
weswegen auch q gerade
sein muss, im Widerspruch zur Teilerfremdheit von p und q. Folglich
√
ist die Annahme, 2 wäre rational, falsch.
Durch die Erweiterung der rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen wird erst die Definition
von Potenz- und Exponentialfunktion und weiterer Funktionen möglich.
33
2 Zahlen
2.4 Rechnen mit Gleichungen und Ungleichungen
Ein Grundproblem der Mathematik ist die Ermittelung aller Lösungen von Systemen von
Gleichungen und Ungleichungen. Am günstigsten ist immer eine äquivalente Umformung
von Gleichungen und Ungleichungen.
2.4.1 Äquivalente Umformungen
Äquivalente Umformungen sind Umformungen, welche die Lösungsmenge nicht verändern. Nichtäquivalente Umformungen führen zu einer Änderung der Lösungsmenge der Gleichungen oder Ungleichungen: Es können scheinbar Lösungen hinzukommen aber es können
auch Lösungen verloren gehen.
Folgende Regeln zur äquivalenten Umformung (für a, b, x, y, p, q ∈ R beliebig) ergeben
sich aus den Eigenschaften der reellen Zahlen:
x=y
x≤y
x≤y
x=y
⇔
x+a=y+a
⇔
x+a≤y+b,
⇔
⇔
x≤y
⇔
0<x≤y
⇔
x+a≤y+a
falls a ≤ b
ax = ay , falls a 6= 0
(
ax ≤ ay , falls a > 0
ax ≥ ay , falls a < 0
1
1
0< ≤ .
y
x
Folgende Regeln können zur Lösung von Gleichungen genutzt werden:
xy = 0
⇔
x2 = a2
⇔
x2 + px + q = 0
⇔
x = 0 oder y = 0
x = a oder x = −a
r
r
p
p
p2
p2
x=− +
− q oder x = − −
−q,
2
4
2
4
wenn p2 ≥ 4q.
Beispiel 2.29. Man bestimme die Lösungsmenge L der folgenden Gleichung
(x − 2)2 + x = 2 .
34
2.4 Rechnen mit Gleichungen und Ungleichungen
Es gibt mehrere Lösungsweg, einer davon ist der folgende:
⇔
⇔
(x − 2)2 + x = 2
x2 − 4x + 4 + x = 2
x2 − 3x + 2 = 0
r
−3
9
+
−2=2
x= −
2
4
r
9
−3
−
−2=1,
oder x = −
2
4
⇒
und damit L = {1, 2}.
2.4.2 Rechnen mit Beträgen
Das Rechnen mit Beträgen wird vom Anwender oft als unangenehm empfunden, da der
Begriff "Betrag" zweigeteilt definiert ist. Man kann aber alle Schwierigkeiten ausräumen,
wenn man sich stur an die Definition und die Rechenregeln hält. Diese seien im folgenden
benannt.
Definition 2.30. Für eine reelle Zahl a ∈ R wird der Betrag von a festgesetzt durch
|a| := a, falls a ≥ 0 und |a| := −a, falls a < 0.
Beispiel 2.31. Es gilt |3| = 3, aber auch | − 3| = 3 = −(−3).
Rechenregeln (für a, b, x ∈ R beliebig):
| − a| = |a|
−|a| ≤ a ≤ |a|
|a · b| = |a| · |b|
1
= 1
(a 6= 0)
a |a|
|a + b| ≤ |a| + |b|
|a| ≤ |b|
|x − a| ≤ b
√
⇔
⇔
a2 = |a|
(Dreiecksungleichung)
−b ≤ a ≤ b
oder b ≤ a ≤ −b
a−b≤x≤a+b
|a|2 = a2
Beispiel 2.32. Es sei A = {x | |x − 2| < 3}. Wegen
(
(
x<5
x−2<3
für x − 2 ≥ 0
⇐⇒
|x − 2| < 3 ⇐⇒
x > −1
−x + 2 < 3 für x − 2 < 0
für x ≥ 2
für x < 2
folgt A = {x | −1 < x < 5}.
35
2 Zahlen
Beispiel 2.33. Ein Unternehmen legt fest, dass der Preis x einer Ware höchstens 20% (von
x) gegenüber dem unverbindlichen Richtpreis von e 48 variieren darf.
Für die Preisspanne gilt also
|x − 48| ≤ 0.2 · x
Für x ≥ 48 ergibt sich
x − 48 ≤ 0.2 · x ,
0.8x ≤ 48 ,
x ≤ 60 .
Für x < 48 ergibt sich
48 − x ≤ 0.2 · x ,
1.2 · x ≥ 48 ,
x ≥ 40 .
Das heißt, für den Preis x ergibt sich die Spanne
40 ≤ x ≤ 60 .
Eine Auflösung komplizierterer Betragsungleichungen geschieht in der Regel durch Fallunterscheidung oder durch Veranschaulichung auf der Zahlengeraden.
Beispiel 2.34. Man bestimme die Lösungsmenge L von |x + 1| + |x − 1| ≤ 2 .
Fallunterscheidung:
1. Fall: x < −1. Dann gilt
|x + 1| + |x − 1| ≤ 2
⇔
−(x + 1) − (x − 1) ≤ 2 ⇔
x ≥ −1 ,
und daher L1 = ] − ∞, −1[ ∩ [−1, ∞[ = ∅.
2. Fall: −1 ≤ x < 1. Dann gilt
|x + 1| + |x − 1| ≤ 2 ⇔
(x + 1) − (x − 1) ≤ 2
⇔
2≤2,
(x + 1) + (x − 1) ≤ 2
⇔
x≤1,
und daher L2 = [−1, 1[ ∩ R = [−1, 1[.
3. Fall: 1 ≤ x. Dann gilt
|x + 1| + |x − 1| ≤ 2
⇔
und daher L3 = [1, ∞[ ∩ ] − ∞, 1] = {1}.
Zusammengefasst: L = L1 ∪ L2 ∪ L3 = [−1, 1].
2.5 Weitere Definitionen und Aussagen
2.5.1 Summen und Produkte
Für vorgegebene Zahlen ak , ak+1 , . . . , an , . . . ∈ R setzen wir rekursiv fest:
36
2.5 Weitere Definitionen und Aussagen
n
X
i=k
n
Y
ai := 0
ai := 1
n
X
für n < k ,
i=k
n
Y
für n < k ,
i=k
i=k
ai := an +
ai = an ·
n−1
X
i=k
n−1
Y
ai = ak + · · · + an für n ≥ k ,
ai = ak · · · · · an für n ≥ k .
i=k
Aus der Dreiecksungleichung folgt mit vollständiger Induktion:
n n
X X
|ai | .
ai ≤
i=0
i=0
Beispiel 2.35. Für n ∈ N gilt
n! =
n
Y
i.
i=1
Satz 2.36 (Binomischer Lehrsatz). Für a, b ∈ R und n ∈ N gilt
n X
n k n−k
n
a b
.
(a + b) =
k
k=0
Folgerungen:
2n = (1 + 1)n =
n X
n
k=0
k
1k 1n−k =
n X
n
k=0
k
,
(1 + x)n =
n X
n
k=0
k
xk .
Folgerung 2.37. Sei n ∈ N>0 . Dann hat die Potenzmenge 2M einer n-elementigen Menge
2n Elemente.
2.5.2 Potenzen und Wurzeln
Wir definieren hier die Potenzen mit reellen Exponenten.
Definition 2.38. Für x ∈ R werden n-ten Potzenz xn rekursiv definiert durch
x0 = 1 ,
xk+1 = x · xk .
Definition 2.39. Für x ∈ R≥0 und n ∈ N≥1 ist die n-te Wurzel
nichtnegative Lösung der Gleichung w der Gleichung wn = x.
√
n
x definiert als die
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2 Zahlen
Definition 2.40. Für x ∈ R>0 und r ∈ Q≥0 , r = pq mit p, q ∈ N≥1 , definieren wir die
Potenzen mit rationalen Exponenten durch
p
√ p
1
xr := x q := q x
und x−r := r .
x
Durch einen Grenzübergang kann die Definition von rationalen zu reellen Exponenten ausgedehnt werden.
Die Definition kann zum Teil auch auf nichtpositive Basen fortgesetzt werden.
Die Potenzen zu positiven Basen a, b genügen folgenden Potenzgesetzen:
ar · as = ar+s ,
ar /as = ar−s ,
ar br = (ab)r ,
ar /br = (a/b)r ,
(ar )s = ars .
Bemerkung 2.41. Die Potenzgesetze gelten nicht für negative Basen.
Zum Beispiel gilt
für x ∈ R und nicht
√
√
x2 = |x|
x2 = x (häufiger Fehler!), z.B.
p
(−1)2 = 1.
2.5.3 Logarithmen
Definition 2.42. Es seien a > 0, a 6= 1, b > 0. Wir definieren den Logarithmus von b
zur Basis a als die Lösung x der Gleichung ax = b.
Bemerkung 2.43. Es gilt also nach Definition
aloga b = b .
(2.3)
Aus den Potenzgesetzen ergeben sich folgende Logarithmengesetze für a, b > 0, 6= 1,
x, y > 0, r ∈ R:
loga b · logb a = 1 ,
r
loga (x ) = r loga x ,
loga (xy) = loga x + loga y ,
logb x = logb a · loga x .
Übliche Basen sind 10, 2 (in der Informatik) und die irrationale Zahl e = 2.71828 . . ..
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