2.4 Eigenschaften des Gradienten Niveauflächen: Die Niveauflächen (D = 2 Höhenlinien) einer Funktion f sind die durch die Gleichung f (x, y, z) = c = const bestimmten Flächen(scharen); für jeden Wert von c ergibt sich eine Fläche. So sind etwa die Niveauflächen der Funktion f (x, y, z) = x2 + y 2 + z 2 Kreise mit dem Radius √ c. Satz: Der Gradient steht senkrecht auf den Höhenlinien (Niveauflächen für D = 3) und zeigt (damit) in die Richtung des stärksten Anstiegs von z = f (x, y) bzw. w = f (x, y, z). Das sieht man so: Für eine infinitesimale Änderung von f bei Änderung der → − unabhängigen Variablen ~r um dr hatten wir ¯− ¯ − → ¯→¯ df = ∇f · dr = |∇f | ¯dr ¯ cos α erhalten. Also ist ¯− ¯ ¯→¯ |df | = |∇f | ¯dr ¯ |cos α| ¯− ¯ ¯→¯ ≤ |∇f | ¯dr ¯ − → Ist nun dr parallel oder antiparallel zu ∇f , so steht in der obigen Ungleichung das Gleichheitszeichen, und damit ist dann die Änderung von f am größten. − → Ist andererseits dr parallel zu einer Höhenline (Niveaufläche) f (x, y) = const − → so ist df = 0, damit also ∇f · dr = 0; der Gradient steht also senkrecht zu den Höhenlinien bzw. Niveauflächen. 2.4.1 Formaler Beweis dafür, daß der Gradient senkrecht auf den Niveauflächen steht Sei Nc := {(x, y, z)|f (x, y, z) = c} eine Niveaufläche von f . Sei P ein beliebiger Punkt aus Nc . Wir betrachten eine Kurve C, die durch P geht. Die Kurve wird durch einen Parameter s, der zwischen den reellen Grenzen α und β liegt, beschrieben: C = {(x(s), y(s), z(s))|α < s < β} Da die Kurve in Nc liegt, gilt für α < s < β: c = f (x(s), y(s), z(s)) Deshalb ist 0= dc df = ds ds ∂f dx ∂f dy ∂f dz = + + ∂x ds ∂y ds ∂z ds dx dy dz = ∇f · ( , , ) ds ds ds d~r = ∇f · ds Hierbei wurde für df das totale Differential df = eingesetzt. Also ist d~ r ? Es ist doch ds d~ r ds df df df dx + dy + dz dx dy dz senkrecht zum Gradienten von f . Was aber bedeutet ~r(s + ∆s) − ~r(s) d~r = ; s→0 ∆s ds Mit einer Zeichnung(!) der glatten Kurve s 7→ ~r(s) macht man sich klar, daß ~r(s + ∆s) − ~r(s) einen Sekantenvektor dieser Kurve darstellt, d~rds(s) daher eine Tangente an die Kurve ist. lim Das heißt aber schließlich , daß ∇f senkrecht zu allen Kurven ist, die in der Fläche Nc liegen! 2.4.2 Die Richtungsableitung Sei n̂ ein fester Einheitsvektor. Sei P ein fester Punkt und P 0 ein Punkt, der −−→ sich so auf P zu bewegt, daß der Vektor P P 0 stets parallel zu n̂ ist. Dann ist die Richtungsableitung von ϕ nach n̂ im Punkt P definiert als ∂ϕ ϕ(P 0 ) − ϕ(P ) = lim ∂n P 0 →P |P P 0 | Selbstverständlich wird sich ϕ unterschiedlich verhalten, wenn der Punkt P 0 sich in verschiedene Richtungen bewegt; die Richtungsableitung ∂ϕ mißt die ∂n Änderung in Richtung n̂. Wie läßt sich die Richtungsableitung berechnen? Sehr einfach, es gilt nämlich ∂ϕ = n̂ · ∇ϕ ∂n Um das einzusehen, beachtet man, daß die Richtungsableitung nach der − → −−→ Veränderung dϕ bei der Änderung der unabhängigen Variablen dr = P P 0 = n̂ |P P 0 | fragt. Mit dem totalen Differential folgt deshalb: − → dϕ = dr · ∇f = |P P 0 | n̂ · ∇f Division durch |P P 0 | liefert die obige Formel. Speziell wird für n̂ = ~ex die Richtungsableitung zu ∂ϕ = ~ex · ∇ϕ = ∂ϕ , ∂n ∂x also zur partiellen Ableitung. Die Richtungsableitung verallgemeinert also die partielle Ableitung auf beliebige Richtungen. Außerdem sieht man mit ¯ ¯ ¯ ∂ϕ ¯ ¯ ¯ = |n̂| |∇ϕ| |cos α| ¯ ∂n ¯ = |∇ϕ| |cos α| daß die Richtungsableitung am größten ist (α = 0), wenn n̂ in Richtung des Gradienten von ϕ weist. 2.5 2.5.1 Die Divergenz eines Vektorfeldes Der Fluß eines Vektorfeldes Wir betrachten ein Flächenelement. Es hat eine bestimmte Orientierung im Raum, die durch einen Einheitsvektor n̂ der senkrecht auf dem Flächenelement steht beschrieben wird; n̂ heißt Flächennormale oder auch Normaleneinheitsvektor. Außerdem hat das Flächenelement eine bestimmte Größe (Fläche), die den Wert dA haben soll. Insgesamt kann man daher Orientierung und Größe des Flächenelements − → durch den Vektor dA = n̂dA beschreiben. Das Flächenelement liegt an einem − → bestimmten Punkt P im Raum. Das kann man durch die Schreibweise dA(P ) bezeichnen. Wir interessieren uns jetzt für den Fluß eines Vektorfeldes ~v durch das − → Flächenelement dA. Um eine Anschauung zu haben, stelle man sich unter ~v das Geschwindigkeitsfeld einer Flüssigkeit vor. Der Fluß dφ von ~v durch − → − → dA ist dann das Flüssigkeitsvolumen δν, welches in der Zeit dt durch dA fließt geteilt durch dt. − → In der Zeit dt schiebt sich ein Flüssigkeitszylinder ¯mit¯ Achse ds = ~v dt durch − → →¯ − → − → ¯− dA. Über dA hat er die (senkrechte) Höhe dh = ¯ds¯ cos α = n̂ · ds (Zeichnung!) Damit fließt das Volumen → δν = dA · dh = dAn̂ · − s − → = dA · ~v dt durch das Flächenelement und nach Division durch dt erhält man für den − → Fluß von ~v durch dA: − → dφ = ~v · dA, − → Das ist also der Flüssigkeitsstrom, der “Fluß” durch dA. 2.5.2 Fluß aus einem Volumenelement — Quellstärke Wir betrachten einen (achsenparallenen) Würfel mit Mittelpunkt bei (x0 , y0 , z0 ) und Seitenlängen dx, dy und dz. Wir fragen uns nach dem Fluß des Vektorfeldes ~v aus diesem Würfel. Dazu betrachten wir die sechs Seitenflächen des Würfels dx , 2 dx x0 + , 2 dy y0 − , 2 dy y0 + , 2 dz z0 − , 2 dz z0 + 2 x = x0 − x = y = y = z = z = mit den Mittelpunkten dx , y0 , z0 ), 2 dx P2 (x0 + , y0 , z0 ), 2 dy P3 (x0 , y0 − , z0 ), 2 dy P4 (x0 , y0 + , z0 ), 2 dz P5 (x0 , y0 , z0 − ), 2 dz P6 (x0 , y0 , z0 + ) 2 P1 (x0 − und berechnen dφ = 6 X − → ~v (Pi ) · dA(Pi ). i=1 Das werden wir später als I − → ~v (P ) · dA(P ) bezeichnen – als ein Integral über eine geschlossene Fläche. Für die Flächenelemente ergibt sich: − → dA(P1 ) − → dA(P1 ) − → dA(P3 ) − → dA(P4 ) − → dA(P5 ) − → dA(P6 ) = dy dz (−1)~ex , = dy dz (+1)~ex , = dz dx (−1)~ey , = dz dx (+1)~ey , = dx dy (−1)~ez , = dx dy (+1)~ez , woraus für die Summe der Ausdruck (vx (x0 + dx/2, y0 , z0 ) − vx (x0 − dx/2, y0 , z0 )) dy dz + (vy (x0 , y0 + dy/2, z0 ) − vy (x0 , y0 − dy/2, z0 )) dz dx + (vz (x0 , y0 , z0 + dz/2) − vz (x0 , y0 , z0 − dz/2)) dx dy, ensteht, worin wir mit der mittlerweise bekannten Schlußweise (Satz von Taylor) ∂vx dx ∂x ∂vy vy (x0 , y0 + dy/2, z0 ) − vy (x0 , y0 − dy/2, z0 ) = dy ∂y ∂vz dz vz (x0 , y0 , z0 + dz/2) − vz (x0 , y0 , z0 − dz/2) = ∂z vx (x0 + dx/2, y0 , z0 ) − vx (x0 − dx/2, y0 , z0 ) = ersetzen und schließlich die Gleichung dφ = 6 X − → ~v (Pi ) · dA(Pi ) i=1 ∂vx ∂vy ∂vz + + ) dx dy dz ∂x ∂y ∂z div ~v dx dy dz = ( := erhalten. Damit haben wir die Differentialoperation der Divergenz eines Vektorfeldes gefunden. Mit dem Volumenelement dτ := dx dy dz gilt also dφ = div ~v dτ = ∇ · ~v dτ Die Divergenz erweist sich damit als der Ausfluß des Vektorfeldes pro Volumeneinheit — als die Quellstärke! Man sieht noch, daß sich die Divergenz eines Vektorfeldes ~v als das Skalarprodukt des Nabla-Operators ∇ mit dem Feld ~v ausdrücken läst: div ~v = ∇ · ~v . 2.5.3 Rechenregeln Wir verwenden der Übersichtlichkeit halber zur Formulierung der Rechenre~ sei ein Vektorfeld geln die Nabla-Schreibweise. φ und ψ seien skalare Felder A und f sei eine reellwertige Funktion einer reellen Variablen: ∇(φψ) = ψ∇φ + φ∇ψ, ∇(f (φ)) = f 0 (φ)∇φ, ~ = A ~ · ∇φ + φ∇ · A ~ ∇ · (φA) ~r ∇r = r div ~r = D (Anzahl der Dimensionen) 2.5.4 Die Divergenz des Elektrischen Feldes Die Maxwellsche Gleichung ~ = 1ρ div E ² besagt also, daß “die Ladungen die Quellen des elektrischen Feldes sind”. ~ r) = α~r. Dann ist div E ~ = 3α. Also wird hiermit ein Beispiel: Es sei E(~ elektrisches Feld beschrieben, daß durch eine Ladungsverteilung der Dichte ~ = 3²α hervorgerufen wird. Damit erhalten wir für das Feld (E ~ i) ρ = ² div E 1 im Innern einer gleichmäßig geladenen Kugel ~ i (~r) = 1 ρ~r = Q ~r. E 3² 4π²R3 Hier wurde noch für eine Kugel mit Radius R und Ladung Q ρ = eingesetzt. Q 4π 3 R 3 Dieses Feld wird an der Oberfläche stetig in das Außenfeld übergehen — eine gleichmäßig geladene Kugel muß ein Nichtleiter sein, daher gibt es keine Oberflächenladungen, die zu einem Sprung der elektrischen Feldstärke führen ~ = ∇·E ~ = 0 würden. Außerhalb der Kugel muß aber offensichtlich div E gelten, da dort die Ladungsdichte Null ist. ~ a machen wir den Ansatz Für das Feld außerhalb der Kugel E ~ a (~r) = αrβ ~r, E wobei die Konstanten α und β zunächst unbestimmt sind und aus den beiden Bestimmungsgleichungen 1 Daß das Feld ein radialsymmetrisches Feld ist, ist hier eigentlich nicht ersichtlich sondern müßte eigentlich aus den ensprechenden Randbedingungen erschlossen werden; die Symmetrie des Problems legt aber diesen Ansatz stark nahe. ~ a = 0, • ∇·E ~a = E ~ i für r = R (Rand der Kugel). • E ~ a: zu ermitteln sind. Berechnen wir also zunächst die Divergenz von α1 E ∇· 1~ Ea = ~r · ∇rβ + rβ ∇ · ~r α ~r = ~r · βrβ−1 + rβ 3 r β β = βr + 3r = (3 + β)rβ ~ a = α ~r3 ergibt. Auswertung der AnDaraus folgt: β = −3, so daß sich E r schlußbedingeung für r = R ergibt: α Also folgt α = Q , 4π² Q 1 ~r = ~r. 3 R 4π²R3 womit sich schließlich das Außenfeld zu ~ a (~r) = Q ~r . E 4π² r3 Das Außenfeld ist also das gleiche, wie bei einer Punktladung.2 Das elektrische Feld eines unendlich langen Zylinders mit homogener Ladungsdichte: Mit der gleichen Methode wollen wir für diese Geometrie das elektrische Feld ermitteln. Den Zylinder mit Radius R und Ladungsdichte σ legen wir längs der z-Achse eines kartesichen Koordinatensystems. Den Abstand von der z-Achse bezeichp 2 2 nen wir mit ρ, also ρ = x + y . Den von der Zylinderachse wegweisenden Einheitsvektor bezeicnen wir mit ~eρ , also ~eρ = p 1 x2 + y 2 (x, y, 0) ~ i und Außenfeld E ~ a . Aus der Wieder unterteilen wir das Feld in Innenfeld E Geometrie des Problems liegt für diese Felder folgender Ansatz nahe: ~ i = f (ρ)~eρ , E ~ a = g(ρ)~eρ . E Die Funktionen f und g werden aus den Forderungen 2 Das hiermit auch begründet ist (warum?). ~ i = 1 σ, • ∇·E ² ~ a = 0, • ∇·E • f (R) = g(R) ermittelt. Die obigen Rechenregeln liefern zunächst für den Gradienten von ρ: ∇ρ = ~eρ , und für die Divergenz von ~eρ : ∇ · ~eρ = (x, y, 0) · (−1) 1 1 ~eρ + 2 2 ρ ρ 1 1 = (−1) + 2 ρ ρ 1 = , ρ Weiter rechnet man ~ i = ~eρ f 0 (ρ)~eρ + f (ρ) 1 ∇·E ρ f (ρ) = f 0 (ρ) + ρ ~ a = ~eρ g 0 (ρ)~eρ + g(ρ) 1 ∇·E ρ g(ρ) = g 0 (ρ) + ρ Damit folgen die Differentialgleichungen σ f (ρ) = , ρ ² g(ρ) g 0 (ρ) + = 0. ρ f 0 (ρ) + Wir lösen die zunächst die zweite Gleichung mit ein wenig “Rechnung mit Differentialen”: dg g + = 0, dρ ρ also dg dρ + = 0, g ρ also d ln g + d ln ρ = 0, also ln g + ln ρ = C = const, und damit3 C . ρ Die Differentialgleichung für f ist die inhomogene Variante derjenigen für g, also gewinnt man die allgemeine Lösung, indem zur für g gefundenen Lösung eine spezielle Lösung der inhomogenen Gleichung addiert wird. Die Struktur der rechten Seite legt für diese spezielle Lösung fs den Ansatz fs (ρ) = a + bρ nahe. Einsetzen ergibt: σ a + bρ = , b+ ρ ² σ und damit a = 0 und b = 2² , so daß die allgemeine Lösung für f durch g= f (ρ) = σ C ρ+ . 2² ρ gegeben ist. Jetz werden die Rand- und Anschlußbedingeungen verwendet, um die noch offenen Konstanten zu bestimmen: • Die Lösung im Innenraum muß für ρ → 0 endlich bleiben: Deshalb ist σ in der allgemeinen Lösung für f C = 0 zu setzen, so daß sich f (ρ) = 2² ρ ergibt. • Die Übereinstimmung von f und g bei ρ = R führt auf die Gleichung σ C R= , 2² R aus der dann C = σ 2 R 2² und damit g(ρ) = Schließlich erhält man für die Felder: σ ρ~eρ , 2² σ 21 = R ~eρ . 2² ρ ~i = E ~a E 3 Das ist jetzt ein anderes C = const! σ 21 R ρ 2² folgt. 2.6 Die Rotation eines Vektorfeldes ~ eines Im vorigen Abschnitt hatten wir gesehen, daß sich die Divergenz div A 4 ~ als das Skalarprodukt des Nabla-Operators ∇ mit dem VekVektorfeldes A ~ ~ = ∇· A. ~ Es ist daher naheliegend zu fragen ob torfeld A schreiben läßt: div A das formal gebildete Kreuzprodukt des Nabla-Operators mit dem Vektorfeld ~ eine sinnvolle Bedeutung hat. A ~ Wir nennen Die Rotation des Vektorfeldes A: ~ := ∇ × A ~ rot A ~ die Rotation des Vektorfeldes A. Berechnung der Rotation: Mit der Determinantendarstellung des Vektorproduktes ¯ ¯ ¯ ~ex ~ey ~ez ¯ ¯ ¯ ~u × ~v = ¯¯ ux uy uz ¯¯ ¯ vx vy vz ¯ erhalten wir die Darstellung ~ = ∇×A ~ rot A ¯ ¯ ¯ ~ex ~ey ~ez ¯ ¯ ¯ ∂ ∂ ∂ ¯ = ¯¯ ∂x ∂y ∂z ¯ . ¯ Ax Ay Az ¯ Welche Bedeutung hat dieser Differentialoperator ? Dazu schauen wir uns das Geschwindigkeitsfeld ~v eines mit der Winkelgeschwindigkeit ω um die Achse n̂ rotierenden Körpers an, das mit ω ~ := ωn̂ durch ~v = ω ~ × ~r gegeben ist. Davon wollen wir die Rotation berechnen. Dazu erinnern wir uns an die bac-cab-Formel der Vektorrechnung: ~a × (~b × ~c) = ~b(~a · ~c) − ~c(~a · ~b), und erhalten ∇ × ~v = = = = = = 4 ∇ × (~ω × ~r) ∇. × (~ω. × ~r) + ∇. × (~ω × ~r. ) ∇. × (~ω × ~r. ) ω ~ (∇ · ~r) − ω ~ · ∇~r 3~ω − ω ~ 2~ω . Der Name soll von einem phönizischen Saiteninstrument gleicher Form stammen. Die Rotation ist also ein Maß für die Wirbelstärke eines Feldes.