„Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?“ Für das Seminar „Verbraucherpolitik: Informationsökonomische Grundlagen und neue Herausforderungen auf IuK-Märkten“ Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 1 Hyperbolisches Diskontieren Das Phänomen der „Aufschieberitis“ (O‘Donoghue und Rabin, 1999) Auswirkung auf das Verbraucherverhalten: • In Gebrauchtgütermärkten (Nocke und Peitz, 2003) • Auf die Arbeitssuche (DellaVigna und Pasermann, 2003) Schlussfolgerungen für die Verbraucherpolitik Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 2 Das Phänomen der „Aufschieberietis“ Empirische Beobachtung: (siehe z.B. Ameriks et al., 2003) - Menschen beurteilen ein Ereignis in ferner Zukunft anders, als ob es gerade bevorsteht. - Menschen wenden oft weniger Zeit/Geld auf, als sie sich vornahmen. Relevante Situationen: - Kosten zum heutigen Zeitpunkt - Erträge in zukünftigen Perioden Dilemma eines Hyperbolischen Diskontierers ist das Abwägen zwischen: - kurzfristigen Impulsen - Langfristigen Plänen Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 3 Exponentielle Präferenzen Ut = (ut, ut+1, ..., uT) Nutzenfunktion δ = Diskontfaktor ε (0, 1] T = Zeithorizont mit t = (1, ..., T) t = aktuelle Periode τ = morgen Zeitkonsistente Präferenzen, da sich der Diskontfaktor in seiner Struktur im Zeitablauf nicht verändert: Ut = (ut, ut+1, ..., uT) ≡ ∑Tτ = t δτuτ für alle t Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 4 Hyperbolische Präferenzen β ε (0, 1] Verzerrung in der nahen Zukunft (1 – β) Ausmaß der Gegenwartsverzerrung der Präferenzen 0 < β < 1 Hyperbolische Präferenzen Zeitinkonsistente Präferenzen, da sich der Diskontfaktor in der ersten Periode die Struktur δ und in den folgenden Perioden βδ hat. Ut = (ut, ut+1, ..., uT) ≡ δtut + β ∑Tτ = t+1 δτuτ für alle t mit o < β und δ ≤ 1 Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 5 Die hyperbolische Diskontrate für i = 0,1 und β = 0,5 Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 6 Naiv vs. durchdacht Naive Person: glaubt, sie hätte ab morgen exponentielle zeitkonsistente Präferenzen. Durchdachte Person: weiß, dass ihre Präferenzen zeitinkonsistent sind. Wertminderung zukünftigen Nutzens t=0 0 Anna Becker 2 Prfärenzverlauf zum Zeitpunkt unter der Annahme, dass die ferne Zukunft ab t+2 beginnt t=2 4 t=4 6 t=8 t=6 8 Zeitpunkt, zu dem nach dem Präferenzverlauf gefragt wird "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 7 Gebrauchtgütermarkt Annahmen: - t = 0 Monopolist produziert q EH des dauerhaften Gutes. - t = (1, ..., ∞ ): das dauerhafte Gut wird auf Gebrauchtgütermärkten gehandelt - pt : markträumender Gleichgewichtspreis - v: Wertschätzung / Geschmacksparameter - Das Gut wird am Tag des Kaufes bezahlt. - Der Nutzen des Gutes verteilt sich auf alle Zeitperioden. - Alle Konsumenten sind durchdacht und wissen, dass sie ein interpersonelles Spiel spielen. - Preissequenz {pt}∞t=0 signalisiert Strategien der anderen - {xs}s ≤ t-1 Geschichte der Kaufentscheidungen eines Konsumenten Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 8 Gebrauchtgütermarkt Budgetbeschränkung: m + ptxt-1 + ptxt + yt ≥ 0 Nutzenfunktion: u(xt, yt; v) = vxt +yt mit xt ε [0, 1] und yt ≥ 0. NPV der intertemporalen Nutzenfuktion: Ut ({xs}∞s=t, {ys}∞s=t; v) = u(xt, yt; v) + u(xt+τ, yt+τ; v) 1 mit δ ε (0, 1] und β ε (0, 1) xt ε [0, 1] Einheiten des dauerhaften Gutes, die der Konsument in Periode t kauft Yt = Einheiten des Substituts (Bündel aus allen anderen Gütern) Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 9 Gebrauchtgütermarkt Budgetbeschränkung eingesetzt in die Nutzenfunktion: u(xt, yt; v) = xt(v – pt) + m + ptxt-1 . Allgemeine Form der Nutzenfunktion: Vt({ps}s ≥ t; v | {xs}s ≥ t) = xt(v – pt + βδpt-1) + xt+τ(v – pt+ τ + βδpt+ τ -1) 1 x t Gleichgewicht für β = 1: 0 1 Gleichgewicht für β < 1 < 0: xt 0 Anna Becker wenn v pt pt 1 0 sonst wenn v pt pt 1 0 sonst "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 10 Gebrauchtgütermarkt Markträumender preis für β = 1: pt = (1 – q)/(1 - δ) Markträumender preis für β < 1 < 0: pt = (1 – q)/(1 - βδ) 1 ( )T t pt (T , q) (1 q) ( )T t pT 1 . Je eher die Gebrauchtwarenmärkte schließen, desto höher ist der markträumende Gleichgewichtspreis im ersten Absatzmarkt. Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 11 Arbeitssuche s ε [0, 1] : Suchanstrengung / Wahrscheinlichkeit, ein Jobangebot zum Lohn (w) zu erhalten c(s) : Suchkosten (konkav) b : Arbeitslosenbeiträge, Freizeit oder soziale Abwertung w : Lohn eines Jobangebotes w*: implizit gewählter Reservationslohn q : Entlassungswahrscheinlichkeit VUt+1 : zukünftiger Zahlungsstrom bei fortgesetzter Arbeitslosigkeit VEt+1(w): zukünftiger Zahlungsstrom bei Weiterbeschäftigung Entscheidungsproblem je Periode: max st b c( st ) st E[max{ V E t 1 ( w),V U t 1}] (1 st )V U t 1 Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 12 Arbeitssuche Bedingung erster Ordnung: c E[max{ V E t 1 ( w), V U t 1}] V U t 1 st Marginale Erhöhung der Suchkosten s* entspricht dem marginalen Zugewinn im NPV durch ein erhaltenes Angebot mit w > w*. VE(w)t = w + δ{qVUt+1 + (1-q)VE(w)t+1} Lösbar als stationäres Gleichgewicht: w* = (1 - δ)VU Anna Becker hängt nicht von der Zeitpräferenzstruktur ab. "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 13 Arbeitssuche Naiver Arbeitsloser: höhere die kurzfristige Ungeduld (1-β) s*naiv < st=1*exponentiell Die Austrittswahrscheinlichkeit aus der AL sinkt unter das ökonomisch optimale Niveau. Durchdachter Arbeitsloser: höhere die kurzfristige Ungeduld (1-β) nimmt entgegen seiner Präferenzordnung zu investieren. st=1*durchdacht > st=1*exponentiell Um dem Selbstbindungsproblem entgegenzuwirken investiert er mehr, als ökonomisch optimal wäre. Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 14 Schlussfolgerungen für die Verbraucherpolitik Entscheidend: Kommt es im Falle hyperbolischer Präferenzen zu Marktversagen? Ungewolltes Marktgleichgewicht stellt sich ein Selbstbindungsproblem falls: Kosten und Nutzen zeitlich auseinanderfallen. Problem: Unterscheidung exponentieller und hyperbolischer Diskontierer schwierig. Fördermaßnahmen, Ge- und Verbote betreffen auch exponentielle Diskontierer Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 15 Empirische Indikatoren DellaVigna, S. und Paserman, M. D. (2003) für Ungebuld: - Häufigkeit ungeschützten Geschlechtsverkehrs - Vorhandensein einer Lebensversicherung - Rauchen - Häufigkeit exzessivem Alkoholkonsums - Vernachlässigung von Karrierenetzwerken Ameriks, J. et al. (2003) für Selbstkontrollprobleme: - Sparverhalten (Anhäufung liquiden Anlagevermögens schwierig) - Unzuverlässigkeit (schnelles impulsives Handeln) - Unpünktlichkeit (fehlende Selbstbindung an Termine) Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 16 Schlussfolgerungen für die Verbraucherpolitik • Tabaksteuer, Branntweinsteuer, Ökosteuer (?) • Riesterrente, Schulpflicht, Krankenpflichtversicherung • Reduktion der Suchkosten und der Eintrittsbarrieren Arbeitssuche: - z.B. Akzeptanz von Onlinebewerbungen - vorgezogene Bezahlung sofort nach der Stellenvergabe Gebrauchtgütermarkt: - z.B Informationsservice Warentest kostenlos zur Verfügung stellen, - günstige Kundenkredite Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 17 Fazit • Anwendungsmöglichkeiten des Konzeptes hyperbolischer Präferenzen noch nicht ausgeschöpft. • Zusätzlicher Erklärungsansatz für Fehlanreize, deren Ursache das Auseinanderfallen von Kosten- und Nutzenströmen ist. • In Hinblick auf Verbraucherpolitische Entscheidungen: Identifikation hyperbolischer Diskontierer schwierig. Anna Becker "Hyperbolisches Diskontieren als Grundlage des Verbraucherschutzes?" 18