Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 1 Scoring-Modelle als Verfahren der qualitativen Investitionsrechnung Mit Hilfe der Scoring-Modelle lassen sich die Nutzenbeiträge eines (oder alternativer Investitionsvorhaben(s) in Bezug auf die Erfüllung nicht-monetärer Zielsetzungen bestimmen. Diese Nutzwertanalyse umfaßt folgende Schritte: 1. Bestimmung der maßgeblichen Zielkriterien. 2. Bestimmung von Gewichtungen dieser Kriterien (Werte zwischen 0 und 1, Summe aller Werte = 1). 3. 'Benotung' der Projektbeiträge zum Erreichen des jeweiligen Zieles Ordinalskala von 1 bis 5 bzw. 5 bis 1. 4. Bestimmung der Teilnutzenwerte durch Multiplikation von Gewichtungen und Zielerreichungsbeiträgen und anschliessende Addition zum Gesamtnutzenwert. © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 2 In Fortsetzung des Vergleichs der Projekte A und B seien folgende nichtmonetäre Kriterien bedeutend: Kriterium Gewichtung Ziel 1 Unabhängigkeit von Lieferanten 0,4 Ziel 2 Umweltschutz 0,3 Ziel 3 Unternehmensimage 0,2 Ziel 4 Flexibilität 0,1 Nach Einstufung der Eignung der Projekte A und B zur Zielerreichung (von 1 = sehr gut bis 5 = sehr schlecht) könnten sich z.B. folgende Nutzenwerte ergeben: Ziel 1 Ziel 2 Ziel 3 Ziel 4 Summe Projekt A 1 x 0,4 2 x 0,3 4 x 0,2 5 x 0,1 2,3 Projekt B 4 x 0,4 3 x 0,3 2 x 0,2 1 x 0,1 3,0 Die Auswahl des Projektes mit dem niedrigsten Gesamtwert (= höchsten Gesamtnutzen) führt im Beispiel zur Annahme von A. Gegen die Nutzwertananalyse ist einzuwenden, daß die Einstufungen (Gewichte plus Zielerreichungsbeiträge) nur subjektiv vorgenommen werden können. Das Verfahren kann aber als Ergänzung von quantitativen Analysen durchaus sinnvoll eingesetzt werden. © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 3 Die Berücksichtigung von Unsicherheit im Investitionskalkül Die Unsicherheiten, die bei der Investitionsplanung Bachtung finden sollten, können folgende Ursachen besitzen: 1. Fehleinschätzung der Anschaffungsauszahlung(en), 2. Fehleinschätzung der Ein- und Auszahlungen, 3. Fehleinschätzung der Nutzungsdauer des Investitionsobjektes. Die Verfahren zur Berücksichtigung dieser Unsicherheiten lassen sich wie folgt strukturieren: Berücksichtigung von Unsicherheit Korrekturverfahren Sensitivitätsanalysen Risikoanalysen Korrektur von Zahlungsgrößen Abweichungsanalysen Diskrete Verteilungen Korrektur des Kalk.zinsfusses Ermittlung kritischer Werte Kontinuierliche Verteilungen © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 4 Grundsätzlich lässt sich die Unsicherheit bei allen Verfahren der Investitionsrechnung berücksichtigen. Nachfolgend sei dies jedoch nur anhand der Kapitalwertmethode beispielhaft dargestellt. Das bislang gewählte Zahlenbeispiel ist zu diesem Zweck zunächst zu erweitern: Projekt A t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 Auszahlungen - 4.000 1.700 1.700 1.700 1.700 3.000 3.000 3.000 3.000 1.300 1.300 1.300 1.300 Einzahlungen Einzahlungsüberschuss -4.000 diskontierter Überschuss x1= - 4.000 x 0.909 = x 0,826 = x 0,751 = x 0,683 = 1.181,70 1.073,80 976,30 887,90 Kapitalwert r = 10 % 119,70 Projekt B Auszahlungen -2.000 Einzahlungen Einzahlungsüberschuss -2.000 diskontierter Überschuss x1= - 2.000 © Hans-Jörg Fechner 1.250 1.250 1.250 1.250 2.000 2.000 2.000 2.000 750 750 750 750 x 0.909 = x 0,826 = x 0,751 = x 0,683 = 681,75 619,50 563,25 512,25 376,75 Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 5 1. Korrekturverfahren 1. Die Bestandteile der Zahlungsreihe werden mit Zuschlägen (Auszahlungen) und/oder Abschlägen (Einzahlungen) versehen. Beispiel: Auszahlungen ab t = 1 erhalten einen 10 %-igen Aufschlag Einzahlungen ab t = 1 erhalten einen 5 %-igen Abschlag. Projekt A t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 Auszahlungen - 4.000 1.970 1.970 1.970 1.970 2.850 2.850 2.850 2.850 880 880 880 880 Einzahlungen Einzahlungsüberschuss -4.000 diskontierter Überschuß x1= - 4.000 x 0.909 = x 0,826 = x 0,751 = x 0,683 = 799,92 660,88 601,04 726,88 Kapitalwert r = 10 % -1.211,28 Projekt B Auszahlungen -2.000 Einzahlungen Einzahlungsüberschuss -2.000 diskontierter Überschuss x1= - 2.000 © Hans-Jörg Fechner 1.375 1.375 1.375 1.375 1.900 1.900 1.900 1.900 525 525 525 525 x 0.909 = x 0,826 = x 0,751 = x 0,683 = 477,23 433,65 394,28 358,58 -336,26 Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 6 Der Kalkulationszinssatz erhält einen Risikoaufschlag. Projekt A t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 Auszahlungen - 4.000 1.700 1.700 1.700 1.700 3.000 3.000 3.000 3.000 1.300 1.300 1.300 1.300 Einzahlungen Einzahlungsüberschuss -4.000 diskontierter Überschuss x1= - 4.000 x 0.870 = x 0,756 = x 0,658 = x 0,572 = 1.131,00 855,40 743,60 982,80 Kapitalwert r = 15 % -287,20 Projekt B Auszahlungen -2.000 Einzahlungen Einzahlussgsüberschuß -2.000 diskontierter Überschuss x1= - 2.000 1.250 1.250 1.250 1.250 2.000 2.000 2.000 2.000 750 750 750 750 x 0.870 = x 0,756 = x 0,658 = x 0,572 = 652,50 567,00 493,50 429,00 142,00 Bei beiden Varianten der Korrekturmethode setzt die Kritik an der möglichen Willkürlichkeit der Korrekturmaßnahmen an. Gegen die Erhöhung des Kalkulationszinsfußes sprechen die implizite Verletzung der Wiederanlageprämisse zum unkorrigierten Zinssatz und die Gefahr der Diskriminierung langfristiger Investitionsvorhaben. © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 7 2. Sensitivitätsanalyse Mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen läßt sich klären, wie sich ein Zielkriterium (im Beispiel also der Kapitalwert) bei Variation der Einflußgrößen verändert. Mit Hilfe dieser Analysen läßt sich also feststellen, welche Einflußgrößen im Hinblick auf die Zielsetzung besonders bedeutend sind bzw. ab wann sich ein Investitionsobjekt nicht mehr lohnt (ab wann wird der Kapitalwert < 0 ?). Am Beispiel von Projekt A sei das Vorgehen bei der Sensitivitätsanalyse genauer erläutert. Dazu ist eine Veränderung des Datenmaterials erforderlich: Projekt A Auszahlungen: Investition Rohstoffe Löhne t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 700 1.000 700 1.000 700 1.000 700 1.000 50 80 4.000 50 80 4.000 50 80 4.000 50 80 4.000 2.300 2.300 2.300 2.300 Kapitalwert r = 10 % -4.000 Einzahlungen: Preis x Menge = Umsatz Einzahlungsüberschuss -4.000 diskontierter Überschuss x 1= -4.000 x 0,909 = x 0,826 = x 0,751 = x 0,683 = 2.090,70 1.899,80 1.727,30 1.570,90 3.288,70 Die Einflußgrößen auf den Kapitalwert werden nun um jeweils 10 % variiert: 1. Erhöhung der Investitionssumme um 10 %, 2. Erhöhung der Rohstoffpreise um 10 %, 3. Erhöhung der Löhne um 10 %, 4. Reduktion des Preises um 10 %, 5. Reduktion der Menge um 10 %. © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 8 1. Erhöhung der Anschaffungsauszahlung um 10 % = 400 DM Neuer Kapitalwert = 2888,70 DM. Prozentuale Veränderung = - 12,2 %. 2. Erhöhung der Rohstoffkosten um 10 % = 70 DM Der jährliche Einzahlungsüberschuss sinkt auf 2.230 DM. Neuer Kapitalwert = - 4.000 + 2.230 x RBF (n = 4 J., r = 10 %) = - 4.000 + 2.230 x 3,1699 = 3.068,88 DM. Prozentuale Veränderung = - 6,7 %. 3. Erhöhung der Löhne um 10 % = 100 DM Der jährliche Einzahlungsüberschuss sinkt auf 2.200 DM. Neuer Kapitalwert = - 4.000 + 2.200 x RBF (n = 4 J., r = 10 %) = - 4.000 + 2.200 x 3,1699 = 2.973,78 DM. Prozentuale Veränderung = - 9,6 %. 4. Reduktion des Preises um 10 % = 5 DM Der jährliche Einzahlungsüberschuss sinkt auf 1.900 DM. Neuer Kapitalwert = - 4.000 + 1.900 x RBF (n = 4 J., r = 10 %) = - 4.000 + 1.900 x 3,1699 = 2.022,81 DM. Prozentuale Veränderung = - 38.5 %. 5. Reduktion der Menge um 10 % = 8 Stück Der jährliche Einzahlungsüberschuss sinkt auf 1.900 DM. Neuer Kapitalwert = - 4.000 + 1.980 x RBF (n = 4 J., r = 10 %) = - 4.000 + 1.900 x 3,1699 = 2.022,81 DM. Prozentuale Veränderung = - 38.5 %. © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 9 Die prozentualen Veränderungen des Kapitalwertes lassen sich grafisch in Form der sog. "Hoechster Spinne" veranschaulichen: Veränderungen des Kapitalwertes Veränderung von Anfangsauszahlung Rohstoffkosten Löhnen in % Preis-/Mengenveränderung in % -10 +10 Rohstoffkosten - 10 Löhne Anfangsauszahlung - 20 - 30 Menge bzw. Preis - 40 Die Berechnung und die Grafik belegen, dass der Kapitalwert in diesem Beispiel auf Veränderungen auf der Absatzseite besonders empfindlich reagiert. © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 10 Bestimmung der kritischen Werte für die Einflußgrößen, bei deren Über- bzw. Unterschreitung der Kapitalwert negativ wird: 1. Für die Anschaffungsauszahlung: Kapitalwert = 0 = X + 2.300 x RBF (n = 4 J., r = 10 %) X = - 2.300 x 3.1699 = 7.290,77 DM 2. Für die Rohstoffkosten, Löhne: Kapitalwert = 0 = - 4.000 + (4.000 - X) x RBF (n = 4 J., r = 10 %) X = (- 4.000 + 4.000 x 3,1699) / 3,1699 X = 2.738,13 DM Die Summe aus Rohstoffkosten und Löhnen darf bis 2.738,13 DM steigen, d.h. die Rohstoffkosten dürfen bis auf 1.738,13 DM oder die Löhne bis auf 2.038,13 DM steigen. 3. Für den Preis: Kapitalwert = 0 = - 4.000 + (X x 80 - 1.700) x RBF (n = 4 J., r = 10 %) X = (4.000 + 1.700 x 3,1699) / 80 x 3,1699 X = 37,02 DM. 4. Für die Menge: Kapitalwert = 0 = - 4.000 + (50 x X - 1.700) x RBF (n = 4 J., r = 10 %) X = (4.000 + 1.700 x 3,1699) / 50 x 3,1699 X = 59 (,24) Stück. Achtung: Die Ermittlung der kritischen Werte auf dem oben beschriebenen Wege stößt an Grenzen, wenn die Parameter nicht voneinander unabhängig sind (dies dürfte in aller Regel für die Größen Absatzmenge und Preis gelten) ! © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 11 3. Risikoanalyse Falls sich für die Ausprägungen der Einflußgrößen auf einen Zielwert im Voraus Bandbreiten mit ihren Wahrscheinlichkeiten abschätzen lassen, so kann auf dem Wege der Simulation eine Wahrscheinlichkeitsfunktion bestimmt werden. Mit deren Hilfe lassen sich Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens bestimmter Zielwerte (z.B. Kapitalwerte) treffen. Arbeitsschritte der Risikoanalyse (am Beispiel Kapitalwert) 1. Schritt: Bestimmung der Einflußgrößen auf den Kapitalwert, z.B. n C0 a0 ((P M)t (R L)t) (1 r ) t t 1 mit P = Preis, M = Menge, R = Rohstoffkosten, L = Löhne 2. Schritt: Bestimmung von Verteilungsfunktionen für die Einflußgrößen. Zumeist werden repräsentative Werte bestimmt, z.B. 0,50-Quantile: p 1 0,5 0 p' p'' p''' Preis Interpretation: Mit 50 %-iger Wahrscheinlichkeit wird der Preis p'' über- und unterboten. Er ist mit Sicherheit größer als p' und auf jeden Fall kleiner als p'''. © Hans-Jörg Fechner Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite 3. Schritt: Pro Einflußgröße: Ziehen einer Zufallszahl aus dem Intervall von 0 bis 1,0 und Bestimmung der Ausprägung der Einflußgröße per Verteilungsfunktion (siehe 2. Schritt). 4. Schritt: Berechnung eines Kapitalwertes unter Berücksichtigung der im 3. Schritt bestimmten Werte. 5. Schritt: Wiederholung der Schritte 2 bis 4 ca. 300 bis 500 Male. Das Ergebnis sind entsprechend viele Ausprägungen des Kapitalwertes. 6. Schritt. Darstellung der Ergebnisse als Chance-RisikoProfil (statistisch: Verteilungsfunktion) des Kapitalwertes z.B.: p 1 0,5 0,1 maximaler Verlust © Hans-Jörg Fechner Kapitalwert Verlustwahrscheinlichkeit maximaler Kapitalwert 12 Betriebswirtschaftliches Management Investitionsrechnung Seite Der Vergleich von alternativen Investitionsprojekten kann anhand des Vergleichs der Chance-Risiko-Profile erfolgen, z.B.: p 1 A B C Werden nur die Alternativen A und B verglichen, hängt die Auswahl eines Projektes von der Risikopräferenz des Entscheidungsträgers ab. Steht auch die Alternative C zur Verfügung, so fällt deren Auswahl eindeutig aus, da sie A und B dominiert. Die Kritik an der Risikoanalyse basiert auf folgenden Argumenten: 1. Die Güte der abgeleiteten Chance-Risiko-Profile ist von der Schätzgenauigkeit der Verteilungsfunktionen der Einflußparameter (2. Schritt) abhängig. 2. In den gängigsten Einsatzvarianten wird die Unabhängigkeit der Einflußparameter vorausgesetzt. 3. Die gewählten Verfahrenstechniken (insbesondere Zahl der Simulationsläufe) beeinflussen die Ergebnisse. Dennoch kann der Risikoanalyse ein hoher Informationsgehalt zugesprochen werden. Da vergleichbare, alternative Methoden nicht existieren, überwiegen im Trade-Off zwischen Vor- und Nachteilen des Verfahrens die positiven Aspekte. © Hans-Jörg Fechner 13