272 Stochastik Wahrscheinlichkeit Bedingte Wahrscheinlichkeit Zufallsvariablen Wahrscheinlichkeitsverteilung, Histogramme Erwartungswert und Varianz Hypothesentests E-Mail: [email protected], Internet: www.elearning-freiburg.de Begriffe 273 Ein Zufallsexperiment ist ein Versuch mit ungewissem Ausgang. Beispiel: Würfeln, Ziehen aus einer Urne, Glücksrad, … Alle möglichen Ausgänge eines Zufallsexperiments werden zu einem Stichprobenraum S (manchmal auch Ω) zusammengefasst. Jede beliebige Teilmenge von S nennt man ein Ereignis. Dabei ist ∅ (also die leere Menge) das unmögliche Ereignis und S das sichere Ereignis. Ereignisse werden als Mengen notiert und mit großen Buchstaben, z.B. mit E, bezeichnet. Wahrscheinlichkeit 274 Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses E ist definiert als πΈ π΄ππ§πβπ „πüππ π‘πππ“ π πΈ = = π π΄ππ§πβπ „πöππππβπ“ Dabei bezeichnet πΈ die Anzahl der Elemente in πΈ und π die Anzahl der Elemente im Stichprobenraum π. Beispiele Wahrscheinlichkeit 275 Rechenbeispiel 1 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man bei einmaligem Ziehen aus einem Kartenspiel mit 32 Karten einen König zieht? Lösung: In einem Kartenspiel mit 32 Blatt gibt es 4 Könige. Man hat also 4 von 32 Möglichkeiten, einen König zu ziehen. Somit ist die 4 1 Wahrscheinlichkeit π(„πΎöπππ“) = = = 0,125 = 12,5%. 32 8 Beispiele Wahrscheinlichkeit 276 Rechenbeispiel 2 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass beim gleichzeitigen würfeln mit zwei fairen Würfeln die Differenz der Augenzahlen drei ist? Lösung: Es gilt πΈ = 1,4 , 4,1 , 2,5 , 5,2 , 3,6 , 6,3 und πΈ enthält 6 Elemente. Der gesamte Stichprobenraum π besteht aus allen Paarungen, die man mit zwei Würfeln erzielen kann und enthält 6 1 36 Elemente. Damit ist π πΈ = = ≈ 0,1667 = 16,67%. 36 6 Beispiele Wahrscheinlichkeit 277 Rechenbeispiel 3 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man bei einmaligem Ziehen aus einer Urne mit 5 roten, 4 blauen und einer gelben Kugel ausgerechnet die gelbe Kugel erwischt? Lösung: In der Urne liegen insgesamt 10 Kugeln, eine davon ist gelb. Man hat also eine von zehn Möglichkeiten, eine gelbe Kugel zu 1 ziehen und es gilt π „ππππ“ = = 0,1 = 10%. 10 Zusammengesetzte Ereignisse 278 Die Frage nach dem Ausgang eines Zufallsexperiments kann aus einzelnen Teilfragen zusammengesetzt sein, die mit und bzw. oder verknüpft sind. Natürlich kann man auch nach der Wahrscheinlichkeit fragen, dass ein Ereignis nicht eintritt. Es seien π΄ und π΅ zwei Ereignisse, dann bedeutet … • π΄ ∪ π΅ (gelesen „π΄ oder π΅“ oder „ π΄ vereinigt π΅“), dass π΄ oder π΅ eintritt, wobei das oder nicht im Sinne von „entweder oder“ verstanden werden darf! • π΄ ∩ π΅ (gelesen „π΄ und π΅“ oder „ π΄ Schnitt π΅“), dass π΄ und π΅ eintritt. • π΄ (gelesen „π΄ quer“ oder „nicht π΄“), dass A nicht eintritt. Wahrscheinlichkeit von A oder B 279 Großer Additionssatz: Wahrscheinlichkeit von „π¨ oder π©“ (wenn „oder“ nicht als „entweder oder“ zu verstehen ist): π π΄∪π΅ =π π΄ +π π΅ −π π΄∩π΅ Spezialfall, wenn es keine Schnittmenge gibt, also π΄ ∩ π΅ = ∅ gilt π π΄∪π΅ =π π΄ +π π΅ Rechenbeispiel 1: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit bei einmaligem Ziehen, aus einer Urne mit zehn durchnummerierten Kugeln (1 bis 10) eine Kugel mit einer geraden Zahl oder mit einer Primzahl zu ziehen? Erläuterung großer Additionssatz 280 Lösungsweg 1 (direkt): π΄=„gerade Zahl“= 2,4,6,8,10 , π΅= „Primzahl“= 2,3,5,7 . Es folgt „π΄ oder π΅“= π΄ ∪ π΅ = 2,3,4,5,6,7,8,10 , also π π΄∪π΅ = π΄∪π΅ π = 8 10 = 0,8 = 80%. Lösungsweg 2 (Großer Additionssatz): Mit A und B wie oben ist π΄ ∩ π΅ = 2 . Damit ist π π΄ = 4 10 und π π΄ ∩ π΅ = 1 , 10 5 , 10 π π΅ = also 5 4 1 8 π π΄∪π΅ =π π΄ +π π΅ −π π΄∩π΅ = + − = = 80% 10 10 10 10 Erläuterung großer Additionssatz 281 Intuitive aber FALSCHE Lösung zum Vergleich: Hätten wir hier einfach die Einzelwahrscheinlichkeiten addiert, so hätten wir die Zahl 2 doppelt verwendet. Damit wäre wie vorher π π΄ = 5 und 10 π π΅ = 4 also 10 π π΄ ∪ π΅ = π π΄ + π π΅ = 90%, was falsch ist. Wir müssen also tatsächlich gemäß dem großen Additionssatz die gemeinsamen Elemente, also die Schnittmenge, wieder abziehen! Die Einzelwahrscheinlichkeiten können nur zusammengezählt werden, wenn es keine Schnittmenge gibt! Wahrscheinlichkeit von A und B 282 Wahrscheinlichkeit von „π¨ und π©“, sofern π΄ und π΅ unabhängig voneinander sind: π π΄∩π΅ = π π΄ ⋅π π΅ Erläuterung: Wenn Sie festgestellt haben, dass die Ereignisse völlig unabhängig voneinander sind, d.h. dass sie sich nicht gegenseitig beeinflussen, dann können Sie die Wahrscheinlichkeit einfach mit obiger Formel bestimmen. Wir werden später im Zusammenhang mit den bedingten Wahrscheinlichkeiten Fälle mit Ereignissen kennenlernen, die sich gegenseitig beeinflussen, in denen diese Formel nicht gilt! Wahrscheinlichkeit von π΄ und π΅ 283 Rechenbeispiel 2: Von 22 Kindern einer Schulklasse mögen 18 Kinder Schokoladeneis und 17 Kinder Vanilleeis 2 Kinder mögen weder das eine noch das andere. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit bei zufälliger Auswahl, ein Kind zu wählen, das Schokoladeneis und Vanilleeis mag? Lösung mit Venn-Diagrammen 284 Hier besteht die Schwierigkeit, die Anzahl der Kinder in der Schnittmenge zu bestimmen. Am Einfachsten verdeutlicht man sich die Situation in einem Venn-Diagramm: S Der Kasten ist die Menge aller Schüler, A B also der Stichprobenraum S. π΄ ist die Menge der Kinder, die Schokoladeneis mögen. π΅ die Menge der Kinder, die Vanilleeis mögen. Jetzt müssen wir nur noch die korrekten Anzahlen für jeden Bereich ermitteln. Bestimmung der Anzahlen 22 Gesamt 18 Schoko 17 Vanille 2 weder noch 285 Schritt 4 Schritt 3 S A B 3 15 2 2 Schritt 1 Schritt 2 Schritt 1: 2 Kinder mögen weder Schokoladeneis noch Vanilleeis, d.h. sie liegen außerhalb von π΄ und π΅. Schritt 2: Es bleiben noch 20 Kinder für beide Ovale, also für π΄ ∪ π΅. Da π΄ 18 Kinder enthält, bleiben für den Teil von π΅ außerhalb von π΄ noch 2 Kinder übrig. Schritt 3: π΅ enthält 17 Kinder, aber 2 davon gehören nicht zu π΄. Also bleiben 15 Kinder für die Schnittmenge π΄ ∩ π΅. Schritt 4: π΄ enthält 18 Kinder und die Schnittmenge umfasst 15 Kinder. Also bleiben für den „Rest“ von π΄ noch 3 Kinder. Abschließende Rechnung 286 Damit haben wir nun alle Angaben vervollständigt! Es folgt: π΄∩π΅ 15 π π΄∩π΅ = = ≈ 0,682 = 68,2% π 22 Ergebnis: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,2% wählt man ein Kind, das sowohl Schokoladeneis als auch Vanilleeis mag. Wahrscheinlichkeit von π΄ 287 Rechenbeispiel 3: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, bei gleichzeitigem Würfeln mit zwei Würfeln, keinen Pasch (zweimal dieselbe Zahl) zu bekommen? Lösung (mit Gegenereignis) 288 Es gibt 6 Möglichkeiten bei einem Wurf mit zwei Würfeln, einen Pasch (= zwei gleiche Zahlen) zu würfeln. Insgesamt gibt es 36 mögliche Kombinationen. Wenn wir das Ereignis „Pasch“ mit π΄ bezeichnen, dann bedeutet π΄ „kein Pasch“. Es folgt: π(π΄) = 6 36 1 6 = und somit π π΄ =1−π π΄ =1 1 − 6 5 6 = ≈ 0,833 = 83,3%. Ergebnis: Mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 83,3% würfelt man bei einem Wurf mit zwei Würfeln keinen Pasch. Mehrstufige Zufallsexperimente 289 Ein Zufallsexperiment kann aus mehreren Einzelexperimenten zusammengesetzt sein. Diese können sich gegenseitig beeinflussen oder auch nicht. Das Baumdiagramm ist dabei das wichtigste Werkzeug, um dies darzustellen. Bei der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten verwendet man die Pfadregel: • Wahrscheinlichkeiten entlang eines Astes werden multipliziert. • Die Wahrscheinlichkeiten einzelner „Äste“ werden addiert. Rechenbeispiel 1 290 Es soll zweimal gewürfelt werden. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, im ersten Wurf eine ungerade Zahl und im zweiten Wurf eine Zahl größer als vier zu würfeln? Lösung mit Hilfe eines Baumdiagramms: Zuerst legt man die Äste für die Ausgänge der >π π ≤π ersten Stufe des Zufallsexperiments an und notiert die Wahrscheinlichkeiten. Im Beispiel >π haben wir Äste für „gerade“ π und „ungerade“ π’ π ≤π jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/2 . An die Endpunkte hängt man nun die Äste für die Ausgänge der zweiten Stufe usw. Rechenbeispiel 1 291 Jetzt kann man die Wahrscheinlichkeit entlang des rot markierten Pfades berechnen (denn dieser entspricht dem gesuchten Ereignis). >π π ≤π >π π ≤π 1 1 2 3 1 6 Es folgt π πΈ = ⋅ = ≈ 16,7%. Ergebnis: Die gesuchte Wahrscheinlichkeit (erster Wurf ungerade, zweiter Wurf größer 4) beträgt etwa 16,67%. Rechenbeispiel 2 292 Markus und Stefan veranstalten ein kleines Kickerturnier. Markus gewinnt üblicherweise 60% seiner Spiele gegen Stefan. Das Turnier endet wenn einer der Spieler zwei Spiele gewonnen hat. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Markus gewinnt? Lösung mit Hilfe eines Baumdiagramms: π bedeutet „Markus gewinnt“ und π΄ π΄ π΄ π bedeutet „Stefan gewinnt“ πΊ πΊ Die Pfade auf denen Markus das Turnier π΄ gewinnt sind blau markiert. π΄ πΊ πΊ πΊ Rechenbeispiel 2 293 Es sei nun E=“Markus gewinnt das Turnier“, dann ist E={(M;M), (M;S;M), (S;M;M)}. Unter Verwendung der Pfadregel („entlang eines Pfades multiplizieren“, „Pfade addieren“) erhält man: π πΈ = 0,6 ⋅ 0,6 + 0,6 ⋅ 0,4 ⋅ 0,6 + 0,4 ⋅ 0,6 ⋅ 0,6 = 0,648 ≈ 65% Ergebnis: Markus gewinnt das Kickerturnier mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 65%. Bedingte Wahrscheinlichkeiten 294 Es kann vorkommen, dass man zwar den Ausgang eines Zufallsexperiments nicht kennt, aber dennoch gewisse Teilinformationen hat. Thomas Bayes * um 1701 in London Wenn wir beispielsweise bei einem Würfel† 7.4.1761 experiment wissen, dass eine gerade Zahl geworfen wurde und wir nach der Wahrscheinlichkeit für 1 1 eine 4 fragen, so beträgt diese ≈ 33,3% und nicht etwa . (Quelle: Wikipedia) 3 Warum ist das so? 6 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 295 Dadurch, dass wir bereits wissen, dass es sich um eine gerade Zahl handelt, schränkt sich unser Stichprobenraum von ursprünglich S = {1,2,3,4,5,6} auf ππππ’ = {2,4,6} ein und wir haben nur noch drei Elemente, wovon eines die 4 ist. Es sei π΄ = 4 das Ereignis, dessen Wahrscheinlichkeit wir suchen und π΅ = „ππππππ ππβπ“ = 2,4,6 das Ereignis, von dem wir wissen, dass es bereits eingetreten ist. In dem Zusammenhang nennt man π΅ die Bedingung oder das „bedingende Ereignis“ und die gesuchte Wahrscheinlichkeit nennt man eine bedingte Wahrscheinlichkeit. Bedingte Wahrscheinlichkeiten 296 Man schreibt ππ΅ (π΄) oder π π΄ π΅ und liest „P von A bedingt B“ oder „P von A wenn B“. Wir verwenden hier ππ΅ (π΄). In der Schule haben Sie vor allem zwei Formeln zur Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten kennen gelernt: Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten π π΄∩π΅ ππ΅ π΄ = π π΅ Bayes’sche Regel ππ΅ π΄ ⋅ π(π΅) ππ΄ π΅ = π π΄ Bedingte Wahrscheinlichkeiten 297 Die Wahrscheinlichkeit von ππ΅ (π΄) bestimmt man also dadurch, dass man die Wahrscheinlichkeit der Schnittmenge (also des gemeinsamen Eintretens von π΄ und π΅) durch die Wahrscheinlichkeit des bedingenden Ereignisses teilt. Wenn wir die Wahrscheinlichkeit ππ΅ π΄ bereits kennen, so ist es gemäß der Bayes’schen Regel auch kein Problem, die „umgekehrte“ Wahrscheinlichkeit ππ΄ (π΅) zu bestimmen. Rechenbeispiel 1 298 Ein Fernsehsender möchte eine neue Serie in ihr Programm aufnehmen. Eine Pilotsendung wurde bereits ausgestrahlt und eine Meinungsumfrage ergab folgende Angaben: 60% der Zuschauer waren älter als 30 Jahre. 20% von diesen und 70% der übrigen fanden die Pilotsendung gut. a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem zufällig befragten Zuschauer die Pilotsendung gefallen hat? b) Ein Zuschauer dem die Pilotsendung gefallen hat, wird nun zufällig ausgewählt. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist dieser Zuschauer über 30 Jahre alt? c) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Pilotsendung einem über Dreißigjährigen gefallen hat? Lösung zu Rechenbeispiel 1 299 a) Wenn 60% der Zuschauer älter als 30 Jahre > 30 0,6 sind, dann sind die restlichen 40% jünger oder genau 30 Jahre alt. 0,4 ≤ 30 20% der über 30jährigen und 70% der höchstens Dreißigjährigen fanden die Pilotsendung gut, d.h. 0,2 g 0,8 ng 0,7 g 0,3 ng π π = π > 30 π’ππ π + π ≤ 30 π’ππ π = 0,6 ⋅ 0,2 + 0,4 ⋅ 0,7 = 0,12 + 0,28 = 0,4. Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewählter Zuschauer die Pilotsendung gut fand, beträgt 40%. Lösung zu Rechenbeispiel 1 300 b) Wir wissen bereits, dass der Zuschauer die Pilotsendung gut fand. Folglich ist ππ (> 30) gesucht. Laut Definition gilt ππ > 30 = π >30 π’ππ π π(π) Wegen π(π) = 0,4 (siehe Teilaufgabe a)) und π > 30 π’ππ π = 0,6 ⋅ 0,2 = 0,12 0,12 folgt ππ > 30 = = 0,3. 0,4 0,2 g . 0,6 0,4 > 30 0,8 ng 0,7 g ≤ 30 0,3 ng Ergebnis: Ein zufällig ausgewählter Zuschauer, dem die Pilotsendung gefallen hat ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 30% älter als 30 Jahre. Lösung zu Rechenbeispiel 1 301 c) Gesucht ist π>30 (π). Mit den vorangehenden Ergebnissen reicht es, die Bayes’sche Regel anzuwenden. π>30 π = ππ >30 ⋅π π π >30 = 0,3⋅0,4 0,6 = 0,2. Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Pilotsendung einem über Dreißigjährigen gefallen hat beträgt 20%. Natürlich hätte man auch die Formel π>30 π = statt der Bayes‘schen Regel verwenden können! π >30 π’ππ π π(>30) Rechenbeispiel 2 302 Von den 400.000 Einwohnern einer Großstadt leiden 200 an einer speziellen Form von Krebs, ohne es zu wissen. Ein neues Diagnoseverfahren hat folgende Fehlerquote: 2% aller Personen, die erkrankt sind und dies nicht wissen, werden als gesund eingestuft. 3 % aller Personen, die gesund sind, werden als krank eingestuft. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Untersuchung … a) eine durch das Diagnoseverfahren als krank festgestellte Person die Krankheit nicht hat? b) eine als gesund eingestufte Person die Krankheit doch hat? Lösung zu Rechenbeispiel 2 303 Man löst diese Art von Aufgabe, indem man eine so genannten Vierfeldertafel aufstellt: krank Diagnose positiv (d.h. Person ist erkrankt) Diagnose negativ (d.h. Person ist nicht krank) Summe gesund Summe 196 (= 200 − 4) ο 11.994 (= 399.800 ⋅ 0,03) 4 (= 200 ⋅ 0,02) ο 387.806 ο 387.810 ο (= 399.800 − 11.994) 200 ο 399.800 ο 12.190 ο ο 400.000 ο Aus der Vierfeldertafel kann man dann die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten ablesen. Lösung zu Rechenbeispiel 2 304 a) ππππ ππ‘ππ£ πππ π’ππ = = π πππ π’ππ π’ππ πππ ππ‘ππ£ π πππ ππ‘ππ£ 11.994/400.000 12.190/400.000 = 11.994 12.190 ≈ 0,984. Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine durch die Diagnose als krank eingestufte Person tatsächlich aber gesund ist beträgt etwa 98,4%. Lösung zu Rechenbeispiel 2 305 b) ππππππ‘ππ£ πππππ = = π πππππ π’ππ πππππ‘ππ£ π πππππ‘ππ£ 4/400.000 387.810/400.000 = 4 387.810 ≈ 0,00001 = 0,001%. Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine durch die Diagnose als gesund eingestufte Person doch erkrankt ist beträgt etwa 0,001%. Aufgabe 306 Die Villa eines wohlhabenden Unternehmers ist mit einer Alarmanlage gesichert. Bei einem Einbruch wird mit 98% Sicherheit ein Alarm ausgelöst. Falls aber kein Einbruch stattfindet, kann durch äußere Ursachen trotzdem ein Alarm ausgelöst werden. Dies geschieht mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,4%. Im Stadtviertel des Unternehmers beträgt die Wahrscheinlichkeit eines Einbruchs 0,1%. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einbruch stattfindet, wenn die Alarmanlage gerade einen Alarm ausgelöst hat? Lösung 307 Es gelte: π΄ = Alarm, π΄ = kein Alarm πΈ πΈ = Einbruch, πΈ = kein Einbruch Gesucht ist die bedingte Ws. ππ΄ (πΈ). πΈ Wir ermitteln π πΈ ∩ π΄ und π π΄ mit dem Baumdiagramm: π πΈ ∩ π΄ = 0,001 ⋅ 0,98 = 0,00098 π π΄ = 0,001 ⋅ 0,98 + 0,999 ⋅ 0,004 = 0,004976. Damit erhält man ππ΄ πΈ = π πΈ∩π΄ π π΄ = 0,00098 0,004976 π΄ π΄ π΄ π΄ ≈ 0,197 = 19,7%. Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einbruch stattfindet, wenn die Alarmanlage ausgelöst wird, beträgt etwa 19,7%. Wahrscheinlichkeit von A und B 308 Die Formel für die bedingte Wahrscheinlichkeit ππ΅ π΄ = π π΄∩π΅ π π΅ kann auch dafür verwendet werden, die Wahrscheinlichkeit der Schnittmenge zu bestimmen. Durch Umstellen erhält man: π π΄ ∩ π΅ = ππ΅ π΄ ⋅ π π΅ Warum kann man nicht einfach π π΄ ⋅ π π΅ bilden? Das liegt daran, dass die Ereignisse π΄ und π΅ voneinander abhängig sein können, beispielsweise beim Ziehen aus einer Urne ohne Zurücklegen. Fallbeispiel 309 In einer Urne liegen 3 rote und 3 gelbe Kugeln. Es werden nun nacheinander 2 Kugeln ohne Zurücklegen gezogen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass … a) im ersten Zug eine rote Kugel (π1 ) gezogen wurde? b) im zweiten Zug eine gelbe Kugel (π2 ) gezogen wurde? c) im ersten Zug eine rote und im zweiten Zug eine gelbe Kugel gezogen wurde? 3 rote 3 gelbe Lösung zum Fallbeispiel 310 a) π b) π 1 π1 = = 50% 2 1 3 1 2 π2 = ⋅ + ⋅ 2 5 2 5 2/5 r 1/2 = 5 10 = 50% 1/2 c) Wir berechnen π π1 ∩ π2 zunächst anhand des 1 3 3 Baumdiagramms: π π1 ∩ π2 = ⋅ = = 30% 2 5 1 r g 3/5 g 3/5 r 2/5 g 10 Nun ist aber π π1 ⋅ π π2 = = 25% und man sieht, dass in 4 diesem Fall nicht π π ∩ π = π π ⋅ π π gilt! Die Ereignisse hängen voneinander ab, sie „bedingen“ sich gegenseitig! Stochastische Unabhängigkeit 311 Ereignisse können auf verschiedene Arten voneinander abhängen. Deshalb wird der Begriff Stochastische Unabhängigkeit eingeführt. Zwei Ereignisse π΄ und π΅ nennt man stochastisch unabhängig, wenn π π΄ ∩ π΅ = π π΄ ⋅ π π΅ gilt, andernfalls heißen π΄ und π΅ stochastisch abhängig. Im vorigen Fallbeispiel sind die Ereignisse „π1 “ und „π2 “ demnach stochastisch abhängig. Neuberechnung von P A ∩ B 312 In vielen Fällen ist die Verwendung von Baumdiagrammen zu aufwändig, weshalb man bei der Berechnung von π π΄ ∩ π΅ den Weg über die bedingten Wahrscheinlichkeiten geht. Man verwendet also die Formel π π΄ ∩ π΅ = ππ΅ π΄ ⋅ π π΅ . Im vorigen Fallbeispiel setzen wir π΄ = π2 und π΅ = π1 und 3 1 3 erhalten π π2 ∩ π1 = ππ1 π2 ⋅ π π1 = ⋅ = = 30%. 5 2 2/5 r 1/2 1/2 r g π/π g 3/5 r 2/5 g 10 Abschließende Aufgabe 313 Eine Urne enthält 40 Kugeln wobei 30 Kugeln aus Kunststoff und 10 Kugeln aus Metall sind. Von den 30 Kunststoffkugeln sind 10 schwarz und der Rest weiß. Unter den 10 Metallkugeln befinden sich 4 schwarze, der Rest ist ebenfalls weiß. Nun wird in einem Zufallsexperiment eine Kugel gezogen. a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass eine schwarze Kugel aus Metall ist? b) Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist eine metallene Kugel schwarz? Lösung: 4 ππ πβπ€πππ§ πππ‘πππ = ≈ 28,6%. 14 ππππ‘πππ (π πβπ€πππ§) = 0,4 = 40% Zufallsvariablen 314 Häufig sind Ereignisse mit gewissen Zahlenwerten verbundenBeispielsweise ist die Augensumme beim zweimaligen Würfeln ein solcher Zahlenwert und die Augensumme 5 wird durch πΈ = 1,4 , 2,3 , 3,2 , 4,1 realisiert. In dem Zusammen-hang bezeichnet man die Augensumme als eine Zufallsvariable, die die Werte 2 bis 12 annehmen kann. Zufallsvariablen werden üblicherweise mit π, π usw. bezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Zufallsvariable den Wert k annimmt notiert man als π π = π . Rechenbeispiel 1 - Zufallsvariablen 315 Eine Urne enthält fünf weiße und drei rote Kugeln. Es wird dreimal mit Zurücklegen gezogen. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass die Ziehung keine, eine, zwei oder drei rote Kugeln enthält. Lösung: Es sei π die Anzahl der roten Kugeln. π = 0, also „keine rote Kugel“, wird durch πΈ0 = π€, π€, π€ realisiert. Somit ist π π = 0 = π πΈ0 = 5 3 8 ≈ 0,244 = 24,4%. Rechenbeispiel 1 - Zufallsvariablen 316 π = 1, d.h. „eine rote Kugel“, wird realisiert durch πΈ1 = π, π€, π€ , π€, π, π€ , π€, π€, π , also gilt π π = 1 = π πΈ1 = 3 ⋅ 5 2 8 3 ⋅ 8 ≈ 0,439 = 43,9%. Die Ereignismengen zu π = 2 und π = 3 sind πΈ2 = π, π, π€ , π, π€, π , π€, π, π und πΈ3 = π, π, π . Entsprechend gilt: π π=2 = π π=3 = 5 3 2 3⋅ ≈ 0,264 = 26,4% 8 8 3 3 ≈ 0,053 = 5,3%. 8 und Rechenbeispiel 2 - Zufallsvariablen 317 Einem Kartenspiel mit 32 Karten werden nacheinander drei Karten ohne Zurücklegen entnommen. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass die Ziehung keine, eine, zwei oder drei Bildkarten (Bube, Dame oder König) enthält. Lösung: Es sei π die Anzahl der Bildkarten. Dann gilt: π π=0 = π π=1 = π π=2 = π π=3 = 20 19 18 ⋅ ⋅ ≈ 0,23 = 23%, 32 31 30 12 20 19 3 ⋅ ⋅ ⋅ ≈ 0,46 = 46%, 32 31 30 12 11 20 ⋅ ⋅ ⋅ 3 ≈ 0,266 = 26,6% 32 31 30 12 11 10 ⋅ ⋅ ≈ 0,044 = 4,4%. 32 31 30 und Verteilung einer Zufallsvariablen 318 Spricht man von der Verteilung einer Zufallsvariablen π, so meint man damit die Gesamtheit aller Wahrscheinlichkeiten, mit denen die einzelnen Werte von π angenommen werden. Wahrscheinlichkeitsverteilungen werden häufig in Tabellen oder Histogrammen, dargestellt. Auf der nächsten Seite werden die Verteilungen der Zufallsvariablen aus den vorangehenden Beispielen als Histogramme und in Form von Tabellen dargestellz. Verteilung einer Zufallsvariablen 319 ππ 0 1 2 3 Summe: π· πΏ = π± π’ in % 24,4 43,9 26,4 5,3 100,0 ππ 0 1 2 3 Summe: π· πΏ = π± π’ in % 23,0 46,0 26,6 4,4 100,0 Erwartungswert 320 Im Zusammenhang mit Zufallsvariablen gibt es gewisse Kenngrößen, mit denen man sich eine ungefähre Vorstellung über die zugehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung machen kann. Wir denken uns nun einen Stab, der für jeden Wert einer Zufallsvariablen π eine Markierung enthält. An jeder Markierung hängt ein Gewicht, das der jeweiligen Wahrscheinlichkeit entspricht. Erwartungswert 321 Die Stelle des Schwerpunkts bzw. Gleichgewichtspunkts nennt man den Erwartungswert. Man bestimmt ihn wie folgt: Erwartungswert einer Zufallsvariablen πΏ πΈ π = π₯1 ⋅ π π = π₯1 + π₯2 ⋅ π π = π₯2 + β― + π₯π ⋅ π π = π₯π Man kann den Erwartungswert als eine Art gewichteten Mittelwert auffassen kann. In den Prüfungsaufgaben wird der Erwartungswert häufig in Zusammenhang mit dem Ausgang eines Spiels abgefragt. Man soll dann beantworten, ob ein Spiel fair ist oder nicht bzw. für welche Partei das Spiel günstiger ist. Rechenbeispiel 1 322 Eines der folgenden fünf Wörter werde zufällig gezogen: DER ZUFALL REGIERT DIE WELT. Die Zufallsvariable π beschreibe die Anzahl der Buchstaben und die Zufallsvariable π die Anzahl der Vokale des gezogenen Wortes. Bestimmen Sie die Erwartungswerte der beiden Zufallsvariablen. Lösung zu Rechenbeispiel 1 323 π kann die Werte 3, 4, 6 oder 7 annehmen. Der Satz DER ZUFALL REGIERT DIE WELT hat 5 Worte, von denen zwei die Länge 3 2 haben. Also folgt π π = 3 = = 0,4. Entsprechend gilt: 5 1 5 1 5 1 5 π(π = 4) = = 0,2, π(π = 6) = = 0,2 und π π = 7 = = 0,2. Der Erwartungswert ergibt sich dann durch: 2 5 1 5 1 5 1 5 πΈ π =3⋅ +4⋅ +6⋅ +7⋅ = 23 5 = 4,6 Lösung zu Rechenbeispiel 1 324 Die Zufallsvariable π kann die Werte 1, 2, oder 3 annehmen. Mit 2 2 1 π π = 1 = , π π = 2 = , π π = 3 = folgt: 5 2 5 2 5 πΈ π =1⋅ +2⋅ +3⋅ 5 1 9 = 5 5 5 = 1,8 Ergebnis: Die gesuchten Erwartungswerte sind πΈ π = 4,6 und πΈ π = 1,8, das bedeutet, dass man (bei langen Versuchs-reihen) im Schnitt eine Wortlänge von 4,6 erhält und dass ein Wort im Schnitt 1,8 Vokale besitzt. Rechenbeispiel 2 325 Bei einem Spiel wird ein Würfel zwei Mal hintereinander geworfen. Der Spieler gewinnt 2 €, wenn er einen Pasch (=zweimal dieselbe Zahl) geworfen hat. a) Berechne den erwarteten Gewinn! b) Berechne, wie groß der auszuzahlende Betrag im Gewinnfall sein müsste, damit bei einem Einsatz von 1€ das Spiel fair ist! Lösung zu Rechenbeispiel 2 326 a) Hier stellt die Zufallsvariable π den Gewinn dar. Der Spieler gewinnt 0 €, wenn er zwei verschiedene Zahlen wirft und 2 €, wenn er einen Pasch wirft. Demnach ist 30 5 6 1 π π = 0 = = und π π = 2 = = . 36 6 36 6 Der erwartete Gewinn ist dann 5 1 1 πΈ π = 0 ⋅ + 2 ⋅ = = 0,33. 6 6 3 Ergebnis: Der erwartete Gewinn beträgt etwa 33 Cent. Lösung zu Rechenbeispiel 2 327 b) Ein Spiel ist dann fair, wenn der erwartete Gewinn genauso hoch ist wie der Einsatz, d.h. wenn πΈ π = 1 gilt. Den Auszahlungsbetrag π im Gewinnfall berechnen wir dann mit 5 1 πΈ π = 0 ⋅ + π ⋅ = 1, woraus π = 6 (Euro) folgt. 6 6 Ergebnis: Damit das Spiel fair wird muss der Auszahlungsbetrag im Falle eines Gewinns auf 6 € festgelegt werden. Bernoulli-Experimente 328 Wird ein Zufallsexperiment durchgeführt, bei dem als Ergebnis nur „Treffer“ oder „kein Treffer“ herauskommen kann, so nennt man dieses ein Bernoulli-Experiment. Führt man dasselbe Bernoulli-Experiment π mal hintereinander aus, so hat man eine Bernoulli-Kette der Länge π. Wir führen die Zufallsvariable π ein, welche die Anzahl der Treffer in einer Bernoulli-Kette der Länge π beschreibt. Ist die Wahrscheinlichkeit p eines einzelnen Treffers bekannt, so kann man nach der Wahrscheinlichkeit fragen, dass eine bestimmte Trefferanzahl π vorliegt. π(π = π) =? Berechnung von P(X = k) 329 Die Trefferwahrscheinlichkeit eines einzelnen Treffers sei π. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Bernoulli-Kette der Länge π π Treffer erzielt werden ist gegeben durch den Ausdruck π π π−π π π=π = π ⋅π π π Hierbei ist π = 1 − π und (gelesen „π über π“) der so π genannte Binomialkoeffizient, welchen man mit dem GTR über 5 MATH PRB nCr bestimmen kann. Beispiel: gibt man im GTR so 3 ein: 5 MATH PRB nCr 3 ENTER. Das Ergebnis ist 10. Rechenbeispiel 330 Bei einem Würfelexperiment fragen wir nach der Wahrscheinlichkeit einer 3. Somit gibt es zwei mögliche Ausgänge, nämlich eine 3 (Treffer) oder keine 3 (kein Treffer). Das Experiment wird zweimal wiederholt und die Anzahl der der Treffer notiert. Die Zufallsvariable π beschreibt die Anzahl der Treffer. Dann kann π die Werte 0, 1 oder 2 annehmen und es gilt: π π=0 = π π=1 = π π=2 = 5 2 ≈ 69,44%, 6 1 5 2⋅ ⋅ ≈ 27,78% 6 6 1 2 6 ≈ 2,78% 1/6 5/6 3 3 1/6 3 5/6 3 1/6 3 5/6 3 Rechenbeispiel 331 Die Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Trefferanzahlen können wir wieder als Histogramm darstellen und erhalten so die eine Veranschaulichung der Wahrscheinlichkeitsverteilung von π. Binomialverteilung 332 Die Wahrscheinlichkeitsverteilung, die sich aus einer BernoulliKette ergibt nennt man Binomialverteilung. Aus dem Ausdruck π π π−π π π=π = π ⋅π zur Berechnung der π Wahrscheinlichkeit einzelner Trefferanzahlen erkennt man, dass dieser nur von π (der Länge der Bernoulli-Kette) und π (der Trefferwahrscheinlichkeit) abhängt. Da π = 1 − π ist, hängt π π = π tatsächlich nur von π und π ab. Man nennt die Zufallsvariable π π΅π;π -verteilt. In unserem Rechenbeispiel ist π π΅2;1 -verteilt. 6 Eigenschaften der Binomialverteilung 333 Zur besseren Veranschaulichung betrachten wir nun drei Bernoulli-Ketten der Länge 10. Die Trefferwahrscheinlichkeit im ersten Experiment sei π = 0,2 im zweiten π = 0,5 und im dritten π = 0,8. Wir variieren also π und betrachten das Verhalten die zugehörigen Histogramme: Eigenschaften der Binomialverteilung 334 Man erkennt, dass bei geringen Trefferwahrscheinlichkeiten die durch die Binomialverteilung beschriebene „Welle“ eher linkslastig und bei hohen Trefferwahrscheinlichkeiten eher rechtslastig ist. Dies sollte auch anschaulich klar sein, denn bei steigenden Trefferwahrscheinlichkeiten wird es auch immer wahrscheinlicher, mehr Treffer zu erzielen! Eigenschaften der Binomialverteilung 335 Variiert man die Anzahl π der Versuche, also die Länge der Bernoulli-Kette so verändert sich lediglich die Höhe der einzelnen Balken im Histogramm, d.h. mit größer werdenden Versuchszahlen werden die einzelnen Trefferwahrscheinlichkeiten immer geringer. Binomialverteilung mit dem GTR 336 Bei langen Bernoulli-Ketten ist man weniger an der Wahrscheinlichkeit einzelner Treffer interessiert sondern eher daran, wie wahrscheinlich es ist, dass die Trefferanzahl sich in einem gewissen Bereich bewegt. Eine Zufallsvariable π sei π΅10;0,4 -verteilt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für … a) mindestens 5 Treffer? ο°π b) höchstens 8 Treffer? ο°π c) weniger als 7 Treffer? ο°π d) eine Trefferzahl zwischen 3 und 9? ο° π π ≥ 5 =? π ≤ 8 =? π < 7 =? 3 ≤ π ≤ 9 =? Binomialverteilung mit dem GTR 337 Wegen π π ≥ 5 = π π = 5 + β― + π π = 10 kann es sehr aufwändig werden, solche Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen. Mit dem GTR kann man über die Funktion binomcdf(n,p,k) (über 2ND DISTR)den Ausdruck π π ≤ π berechnen. Alle anderen Ausdrücke lassen sich darauf zurückführen. Lösung der Aufgaben: a) Es gilt π π ≥ 5 = 1 − π π ≤ 4 Eingabe mit dem GTR 1-binomcdf(10,0.4,4) liefert 0,3669, d.h. π π ≥ 5 ≈ 36,69%. π = 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 π π≥5 Weitere Beispiele mit dem GTR 338 b) π π ≤ 8 = binomcdf(10,0.4,8) ≈ 99,8% c) π π < 7 = π π ≤ 6 =binomcdf(10,0.4,6) ≈ 94,5% d) π 3 ≤ π ≤ 9 = π π ≤ 9 − π π ≤ 2 = binomcdf(10,0.4,9) - binomcdf(10,0.4,2) ≈ 83,2% π = 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 π 3≤π≤9 Die Wahrscheinlichkeit z.B. von π π = 4 rechnet man 10 entweder direkt über den Ausdruck 0,44 ⋅ 0,66 aus oder 4 über binomcdf(10,0.4,4) - binomcdf(10,0.4,3) oder über binompdf(10,0.4,4). π = 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Es folgt: π π = 4 ≈ 25,1%. π π=4 Erwartungswert und Varianz 339 Falls eine Zufallsvariable X binomialverteilt ist, lassen sich Erwartungswert und Varianz sehr einfach bestimmen. Die entsprechenden Formeln wurden in der Schule hergeleitet und lauten: Erwartungswert bei Binomialverteilung: πΈ π =π⋅π Varianz bei Binomialverteilung: πππ π = π ⋅ π ⋅ π wobei π = 1 − π ist. π ist die Anzahl der Versuche, π die Trefferwahrscheinlichkeit. Einführungsbeispiel Hypothesentests 340 Die Firma Knopfloch AG stellt Knöpfe her. Die Ausschussrate beträgt 1%. Nach der Modernisierung der Maschinen soll die Ausschussrate nun auf höchstens 0,5% gesunken ist. Dies nennt man die Nullhypothese π»0 . Wir, die Hemdenträger GmbH, wollen diese Aussage prüfen und fordern eine Stichprobe von 1000 Knöpfen. In dieser Stichprobe befinden sich 9 schadhafte Knöpfe. Sollen wir aufgrund dieser Daten nun die (oder der?) Behauptung der Knopfloch AG glauben? Verteilung prüfen kritischer Wert 341 10 oder mehr schadhafte Knöpfe in der Stichprobe wird immer „unwahrscheinlicher“! Irrtumswahrscheinlichkeit πΌ … Summe der Einzelwahrscheinlichkeiten Ablehnungsbereich 342 Wir veranschaulichen uns die Ws.verteilung wie in der vorherigen Folie und überlegen uns, ab wie vielen schadhaften Knöpfen wir die Behauptung (also die Nullhypothese π»0 ) ablehnen wollen. Sagen wir mal ab 10 schadhaften Knöpfen. Damit legen wir einen Ablehnungsbereich fest von [10; 1000]. Die 10 ist sozusagen unsere „Schmerzgrenze“. Das Gegenstück ist der Annahmebereich 0; 9 . Wenn wir nämlich zwischen 0 und 9 schadhafte Knöpfe zählen, glauben wir der Knopfloch AG die Behauptung. Irrtumswahrscheinlichkeit πΌ 343 Angenommen wir finden tatsächlich 10 beschädigte Knöpfe in der Stichprobe und lehnen somit π»0 ab. ABER: Wir könnten uns auch irren und die Behauptung zu Unrecht ablehnen! Wenn auch die WS gering ist, so kann es doch vorkommen, dass wir 10 schadhafte Knöpfe zählen! Wie groß ist denn nun diese Irrtumswahrscheinlichkeit πΌ? Wir zählen einfach die Einzelws. für 10, 11, 12 usw. schadhafter Knöpfe zusammen, berechnen also πΌ = π π ≥ 10 . Wozu braucht man πΌ? 344 Statt eine konkrete Anzahl π festzulegen, ab der man π»0 ablehnen sollte, könnte man auch eine Obergrenze für π=9; πΌ>5% die Irrtumsws. πΌ angeben. π=10; πΌ≤5% Man möchte sich also höchstens mit einer Ws. von πΌ (meistens 5%) irren und π»0 zu unrecht ablehnen. Mathematisch lautet die Aufgabe also: Finde ein „erstes“ π, so dass π π ≥ π ≤ πΌ gilt. Hier gilt π = 10. Rechtsseitiger bzw. linksseitiger Test 345 In unserem Beispiel liegt der Ablehnungsbereich am rechten Ende der Ws.verteilung. π=10; πΌ≤5% Daher nennt man diese Art von Test einen rechtsseitigen Test. In anderen Aufgabentypen liegt der Ablehnungsbereich am linken Ende. Dies ist dann ein linksseitiger Test. Bei einem rechtsseitigen Test müssen wir ein π finden, so dass π π ≥ π ≤ πΌ ist, bei einem linksseitigen Test suchen wir hingegen ein π, so dass π π ≤ π ≤ πΌ ist. Signifikanzniveau 346 Die Irrtumsws. πΌ nennt man auch das Signifikanzniveau. Wenn wir also ein „falsches“ π wählen (in unserem Fall eine zu geringe Anzahl an beschädigten Knöpfen), dann überschreiten wir das Signifikanzniveau, d.h. es wird immer wahrscheinlicher, dass wir π»0 zu unrecht ablehnen. Wählen wir π = 9 (beschädigte Knöpfe), so überschreiten wir das Signifikanzniveau. Für π = 10 liegen wir unterhalb des Signifikanzniveaus, also unterhalb der Irrtumswahrscheinlichkeit. Entscheidungsregel 347 Das Signifikanzniveau liefert uns somit eine Entscheidungsregel, d.h. eine Anzahl π (an schadhaften Knöpfen) ab der wir π»0 „guten Gewissens“ ablehnen können. In unserem Beispiel lautet die Entscheidungsregel: Wenn wir in einer Stichprobe von 1000 Knöpfen 10 oder mehr schadhafte Knöpfe finden, dann lehnen wir die Behauptung der Knopfloch AG, nämlich, dass die Ausschussrate unter 0,5% liegt, ab! Wir glauben dann vielmehr, dass die Ausschussrate größer ist, was man auch die Gegenhypothese nennt. Allgemeine Beschreibung 348 Gegeben sei eine Stichprobe vom Umfang π. Die Zufallsvariable π gibt die Anzahl an Treffern an. π sei binomialverteilt und die Trefferwahrscheinlichkeit sei π. Manchmal ist eine Irrtumswahrscheinlichkeit πΌ gegeben. Je nach Aufgabentyp kann nun gesucht sein … 1. Ein Ablehnungs- oder Annahmebereich 2. Eine Entscheidungsregel 3. Das Signifikanzniveau (falls nicht gegeben) Rechenbeispiel 1: Rechtsseitiger Test 349 Eine Kleinstadt will ein neues Kulturzentrum erbauen. Der Bürgermeister geht davon aus, dass höchstens 50% der Einwohner dem Vorhaben zustimmen. Einige Kunst- und Kulturexperten vermuten dagegen, dass die Zustimmungsrate höher ist. Bei einer Umfrage unter 200 Personen befürworten 140 Personen den Bau des Kulturzentrums. Kann man nun bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 4% davon ausgehen, dass die Annahme des Bürgermeisters falsch ist? Lösung Rechenbeispiel 1 350 Da man bei der Stichprobe nur zwischen „Treffer“ (=Zustimmung) oder „kein Treffer“ (= Ablehnung) unterscheidet, handelt es sich um ein Zufallsexperiment mit Binomialverteilung. Der Umfang der Stichprobe ist π = 200. Der Bürgermeister vermutet eine Trefferwahrscheinlichkeit von π ≤ 0,5 . Damit ist π»0 mit π ≤ 0,5 die Nullhypothese. Die Alternative ist π»1 mit π > 0,5. Die Zufallsvariable π, welche die Anzahl der Treffer beschreibt, ist gemäß π»0 π΅200;0,5 verteilt. Wenn sich nun herausstellt, dass die Anzahl der Treffer π höher ist als erwartet, so wird π»0 zugunsten von π»1 abgelehnt. Lösung Rechenbeispiel 1 351 Es handelt sich demnach um einen rechtsseitigen Test und es muss ein Ablehnungsbereich der Form A = π, … , 200 gefunden werden. Mit Hilfe der Irrtumswahrscheinlichkeit lässt sich π bestimmen. Damit π»0 abgelehnt wird, muss π π ≥ π < 0,04 gelten. Nun ist π(π ≥ π) = 1 − π(π ≤ π − 1). Somit gibt man im Y-Editor den Ausdruck 1-binomcdf(200,0.5,X-1) und sucht sich über 2ND TABLE den Wert von π, beim dem dieser Ausdruck erstmals < 0,04 wird. Für π = 112 stellt man πΌ = 0,05182 und π = 113 stellt man πΌ = 0,03842 fest. Somit ist π = 113 der gesuchte Wert für das Ablehnungsintervall. Lösung Rechenbeispiel 1 352 Das Ablehnungsintervall lautet also π΄ = 113, … , 200 . Da bei der Stichprobe eine Trefferzahl π von 140 (d.h. 140 Zustimmungen) festgestellt wurden und π ∈ A ist, wird π»0 abgelehnt. Ergebnis: Die Kunst- und Kulturexperten haben bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 4% Recht (d.h. π»1 gilt) und die Zustimmungsrate für das Kulturzentrum liegt über 50%. Rechenbeispiel 2: Linksseitiger Test 353 In einem Supermarkt hatte das Fertiggericht „Maxi Lunch“ bisher einen Marktanteil von 30%. Nach einer Untersuchung von Stiftung Warentest erhielt „Maxi Lunch“ die Note 3. Eine Woche nach dem Testbericht stellt der Marktleiter fest, dass von 240 Käufern von Fertiggerichten 60 „Maxi Lunch“ gekauft haben. Kann man bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10% davon ausgehen, dass der Marktanteil von „Maxi Lunch“ gesunken ist? Lösung Rechenbeispiel 2 354 Hier bedeutet „Treffer“ = „gekauft“ und „kein Treffer“ = „nicht gekauft“. Der Umfang der Stichprobe ist π = 240. Die Nullhypothese π»0 geht von einem Marktanteil von 30% aus, d.h. π = 0,3. Die Alternative ist π»1 mit π < 0,3. Die Zufallsvariable π, welche die Anzahl der Käufer beschreibt, ist gemäß π»0 π΅240;0,3 verteilt. Wenn sich nun herausstellt, dass die Anzahl der Treffer π kleiner ist als erwartet, so wird π»0 zugunsten von π»1 abgelehnt, was bedeutet, dass der Marktanteil tatsächlich abgenommen hat. Lösung Rechenbeispiel 2 355 Es handelt sich um einen linksseitigen Test und es muss ein Ablehnungsbereich der Form A = 0, … , π gefunden werden. Mit Hilfe der Irrtumswahrscheinlichkeit lässt sich π bestimmen. Damit π»0 abgelehnt wird, muss π π ≤ π < 0,1 gelten. Man gibt im Y-Editor den Ausdruck binomcdf(240,0.3,X) ein und sucht sich über 2ND TABLE den Wert von π, beim dem dieser Ausdruck erstmals < 0,1 wird. Für π = 62 stellt man πΌ = 0,08909 und π = 63 stellt man πΌ = 0,11471 fest. Somit ist π = 62 der gesuchte Wert für das Ablehnungsintervall. Lösung Rechenbeispiel 2 356 Das Ablehnungsintervall lautet also π΄ = 0, … , 62 . Da bei der Stichprobe eine Trefferzahl π von 60 (Käufer) festgestellt wurde und π ∈ A ist, wird π»0 abgelehnt. Ergebnis: Der Marktanteil von „Maxi Lunch“ ist nach dem Testbericht von Stiftung Warentest mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10% gesunken. Rechenbeispiel 3 357 Leo ist Mitglied eines Schützenvereins und hat eine Trefferquote von 70%. Nach einem mentalen Training nimmt Leo an, dass sich seine Trefferquote verbessert hat. Leo testet dies auf dem Schießstand mit 100 Schuss. Wie viele Treffer muss Leo mindestens erzielen, damit man mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von höchstens 5% davon ausgehen kann, dass sich seine Trefferquote wirklich verbessert hat? Lösung Rechenbeispiel 3 358 Der Umfang der Stichprobe ist π = 100. Die Nullhypothese π»0 besagt π = 0,7. Die Alternative π»1 besagt π > 0,7. Die Zufallsvariable π, ist gemäß π»0 π΅100;0,7 verteilt. π»0 wird abgelehnt, wenn die Trefferanzahl besser als erwartet ist, d.h. es liegt ein rechtsseitiger Test vor und das Ablehnungsintervall hat die Gestalt π΄ = [π, … , 100]. Für „Ablehnung“ muss π π ≥ π ≤ 0,05 gelten. Nun ist π π ≥ π = 1 − π(π ≤ π − 1), d.h. im GTR gibt man den Ausdruck 1-binomcdf(100,0.7,X-1) ein und prüft über 2ND TABLE wann dieser Wert erstmals 0,05 unterschreitet. Lösung Rechenbeispiel 3 359 Für π =77 erhält man πΌ = 0,07553 und π = 78 liefert πΌ = 0,04787. Somit ist π = 78 der gesuchte Wert für das Ablehnungsintervall π΄ = 78, … , 100 . Ergebnis: Leo muss mindestens 78 Treffer erzielen, damit man bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% davon ausgehen kann, dass sich seine Trefferquote verbessert hat. Rechenbeispiel 4 360 Ein Hersteller von Speicherchips gibt an, dass erfahrungsgemäß höchstens 7% der Chips fehlerhaft sind. Nach einer baulichen Änderung in den Produktionsräumen des Herstellers vermutet ein Kunde, dass sich die Fehlerrate vergrößert hat. Der Kunde und der Hersteller vereinbaren einen Test, bei dem 210 Chips geprüft werden. Die Nullhypothese π»0 mit π ≤ 0,07 wird abgelehnt, wenn dabei mehr als 23 Chips fehlerhaft sind. Mit welcher Wahrscheinlichkeit irrt man sich und lehnt somit π»0 zu unrecht ab? Lösung Rechenbeispiel 4 361 Wir haben π = 210. π»0 besagt π ≤ 0,07. π»1 besagt π > 0,07. Die Zufallsvariable π, ist gemäß π»0 π΅210;0,07 verteilt. Das Ablehnungsintervall ist mit π΄ = [24, … , 210] vorgegeben. Die Irrtumswahrscheinlichkeit ist gegeben durch π π ≥ 24 = 1 − π π ≤ 23 . Über die Eingabe von 1-binomcdf(210,0.07,23) im GTR erhält man πΌ ≈ 0,0126. Ergebnis: Mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von etwa 1,26% kann man davon ausgehen, dass die Fehlerquote sich tatsächlich verschlechtert hat.