Sperrfrist: Donnerstag, 7. Februar 2008, 12.00 Uhr Medienmitteilung Pfizer Forschungs-Preis 2008 für Medizin verliehen Zürich, 7. Februar 2008 - Mit einer Preissumme von 360'000 Schweizer Franken ist der Pfizer Forschungs-Preis einer der bedeutendsten Forschungspreise für Medizin in der Schweiz. Er wurde heute bereits zum 17. Mal an führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unseres Landes vergeben. Prämiert wurden Forschungsarbeiten der Fachbereiche Herzkreislauf; Rheumatologie, Immunologie und klinische Immunologie; Infektiologie; Neurowissenschaften und Erkrankungen des Nervensystems sowie Urologie und Nephrologie. Zudem wurde dieses Jahr zum ersten Mal eine Arbeit im Fachgebiet Onkologie mit dem Preis gewürdigt. Die prämierten Arbeiten entstanden in Basel, Bern, Zürich und Lausanne. So kamen diese ForscherInnen etwa den Mechanismen unfairen Verhaltens auf die Spur und fanden Erstaunliches über die Bildung neuer menschlicher Blutgefässe heraus. Letzteres führt möglicherweise zu einem völlig neuen Ansatz in der Entwicklung künftiger Medikamente gegen Krebs. Weiter konnte gezeigt werden, dass ein Krebsgeschwür aus einer Vielzahl verschiedener Krebszellen besteht. Auch diese Erkenntnis wird in naher oder ferner Zukunft zu einem Überdenken bisheriger Therapieansätze führen. Pfizer Forschungs-Preis – Führende Auszeichnung für Schweizer Spitzenforschung Der Pfizer Forschungs-Preis für Medizin wird alljährlich verliehen. Er geht an herausragende junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an Schweizer Forschungsinstituten oder Spitälern hervorragende und zukunftsweisende Beiträge im Bereich Grundlagenforschung oder klinische Forschung erbracht haben. Die Preissumme von insgesamt 360’000 Schweizer Franken verteilt sich auf die sechs Bereiche: Herzkreislauf; Rheumatologie, Immunologie und klinische Immunologie; Infektiologie; Neurowissenschaften und Erkrankungen des Nervensystems; Urologie und Nephrologie und neu auf den Bereich Onkologie. Die prämierten Forschungsarbeiten sind in der Regel das Ergebnis umfassender Teamarbeiten. Ausgezeichnet werden jeweils die für die Ideen und die Durchführungen verantwortlichen WissenschafterInnen. Neben dem Preisgeld erhalten die PreisträgerInnen als zusätzliche Ehrung die Bronzeplastik „Der Forscher”, die der bekannte Schweizer Künstler Kurt Laurenz Metzler in limitierter Auflage eigens für den Pfizer Forschungs-Preis geschaffen hat. Der Pfizer Forschungs-Preis wird dieses Jahr zum siebzehnten Mal verliehen. Bis und mit heute wurden 180 Preisträger geehrt. Einige davon werden bereits heute als potentielle Kandidaten für den Nobelpreis gehandelt. Die bisher ausgeschüttete Preissumme liegt bei mehr als 4 Millionen Schweizer Franken. 1/6 PreisträgerInnen aus Basel vor Bern, Zürich und Lausanne Die prämierten Arbeiten entstanden in Basel, Bern, Zürich und Lausanne. Dabei ist Basel mit 9 PreisträgerInnen am stärksten vertreten, gefolgt von Bern mit 3, Zürich mit 3 und Lausanne mit 1 Preisträger. Folgend finden Sie einen Auszug aus den prämierten Forschungsarbeiten: Kaulquappen, Mäuse und menschliche Blutgefässe Parakrine und autokrine Mechanismen des Apelin/APJ-Signalwegs vermitteln embryonale und pathologische Blutgefässbildungsprozesse Glioblastoma Multiforme sind äusserst bösartige Hirntumoren, die durch eine hohe Zellteilungsund Zellsterberate sowie durch ein ausgeprägtes Blutgefässwachstum gekennzeichnet sind. Bei der Behandlung von Glioblastomen zeigen die gängigen Therapieverfahren wie chirurgische Eingriffe, Bestrahlungs- und Chemotherapien kaum lebensverlängernde Wirkung, weshalb dringend neue therapeutische Ansätze erforderlich sind. In den letzten Jahren haben sich bei der Behandlung von Krebserkrankungen Wirkstoffe, welche die Bildung von Blutgefässen – die sogenannte Angiogenese – durch gezielte Blockierung des sezernierten Wachstumsfaktors VEGF und seiner auf den Gefässzellen befindlichen Rezeptoren VEGFR hemmen und auf diese Weise die Durchblutung des Tumors unterbinden, als viel versprechend erwiesen. Diese Tumortherapien können zu einer Lebensverlängerung führen und werden heute mit einigem Erfolg in der Klinik eingesetzt. Allerdings scheinen sich auch Resistenzen zu entwickeln, indem die Tumoren die VEGF-Blockade umgehen und zur Stimulation des Blutgefässwachstums vermehrt alternative Proteine und Signalwege nutzen. In Anbetracht der Tatsache, dass der G-Protein-gekoppelte Rezeptor APJ auf der Oberfläche von Blutgefässen vorgefunden wird und spezifisch vom sezernierten Protein Apelin aktiviert wird, untersuchten Roland Kälin und André Brändli die Bedeutung des Apelin/APJ-Signalwegs für die Blutgefässbildung während der Entwicklung des Wirbeltierembryos und bei Krebserkrankungen. Mit diesen an Xenopus-Kaulquappen, Maus-Embryonen und menschlichen Blutgefässzellen durchgeführten Untersuchungen konnte nun erstmals gezeigt werden, dass die Apelin- und APJGene während der Bildung neuer Blutgefässe aktiviert werden. Im Gegensatz zum APJ, welcher in allen Blutgefässen vorgefunden wird, erfolgt die Expression von Apelin parakrin, das heisst in unmittelbarer Nachbarschaft und meist kurz vor der Bildung des neuen Gefässes. Im Weiteren zeigen die Untersuchungen von Gehirntumorbiopsien, dass der Apelin/APJ-Signalweg auch eng mit der pathologischen Blutgefässbildung oder Tumorangiogenese verknüpft ist. So kann in gesundem Hirngewebe kein Apelin und nur wenig APJ auf den Blutgefässen nachgewiesen 2/6 werden, wogegen in den sauerstoffarmen Regionen von Glioblastomen und ihren Tumorgefässen eine stark erhöhte Aktivierung der beiden Gene gefunden wird. Mittels funktioneller Studien in Kaulquappen konnte gezeigt werden, dass das Apelin und APJ für die Vaskulogenese, das heisst die Bildung des primären embryonalen Blutgefässsystems, nicht benötigt werden, und dass die Sprossung neuer Blutgefässe durch die Blockierung des Apelin/APJ-Signalwegs spezifisch unterbunden wird. Nach den Resultaten von FunktionsgewinnExperimenten kann Apelin im Gegensatz zu VEGF die vorzeitige Bildung von Blutgefässen in Kaulquappen auslösen. Ausserdem gelang es anhand von menschlichen Blutgefässzellen nachzuweisen, dass Apelin keinen Einfluss auf die Zellproliferationsrate hat, aber die Wanderung von Blutgefässzellen stimuliert. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse dürften VEGF und Apelin während der embryonalen Gefässbildung unterschiedliche, sich ergänzende Aufgaben wahrnehmen. So regt VEGF die Blutgefässe an, sich auf das Auswachsen von Kapillaren vorzubereiten, während Apelin anschliessend die effektive Bildung eines neuen Blutgefässes auslöst und dabei die Zellwanderung stimuliert. Die Resultate der vorliegenden Arbeit zeigen, dass der Apelin/APJ-Signalweg sowohl bei embryonalen als auch bei pathologischen Blutgefässbildungsprozessen eine wichtige Rolle spielt. Bei Gehirntumoren wie dem Glioblastoma Multiforme ist die Tumorangiogenese durch eine hohe Expression von Apelin und APJ charakterisiert, was für die Diagnose und Prognose von Gehirntumorerkrankungen herangezogen werden könnte. Darüber hinaus könnte die Entwicklung von Arzneimitteln, welche den APJ-Rezeptor oder das Apelin spezifisch hemmen, zu einem alternativen Therapieansatz für die Behandlung von Krebserkrankungen führen. Unfaires Verhalten bald heilbar? Verminderung der gegenseitigen Fairness durch Zerstörung des rechten präfrontalen Kortex Das Erreichen eines Ziels erfordert ein gewisses Mass an Selbstkontrolle, um störende Reize auszublenden und automatisierte, inadäquate Reaktionen und unmittelbare Impulse zu unterdrücken. Dies gilt insbesondere in Situationen, in denen der Verwirklichung einer Absicht starke Gewohnheiten oder emotionale Impulse entgegenstehen oder für das Erreichen eines Ziels das Zurückstellen eines aktuellen Bedürfnisses notwendig ist. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle trägt auch zu einer harmonischen sozialen Interaktion bei, da das zivilisierte menschliche Zusammenleben die Einhaltung sozialer Normen erfordert. Die Einhaltung dieser Normen wird unter anderem durch die Bereitschaft des Menschen sichergestellt, Normverletzer gegebenenfalls auf eigene Kosten zu bestrafen. Ein solches Verhalten steht häufig im Widerspruch zum 3/6 ökonomischen Eigennutz des Bestrafenden und setzt die Fähigkeit zur Kontrolle eigennütziger Interessen voraus. Seit ersten Fallberichten vor mehr als hundert Jahren wird vermutet, dass ein intaktes Frontalhirn, insbesondere das vordere Stirnhirn, für die Selbstkontrolle und die Ausrichtung des Verhaltens an Normen und sozialen Regeln entscheidend ist. So zeigen Patienten mit Schädigungen dieses Areals trotz oftmals intakter kognitiver Leistungsfähigkeit häufig ein Unvermögen, unmittelbaren Bedürfnissen und Impulsen zu widerstehen. Ausserdem weisen Ergebnisse aus früheren Studien mit bildgebenden Verfahren auf eine enge Korrelation zwischen dem vorderen Stirnhirn und dieser Art der Selbstkontrolle hin, wobei aber diese Methoden nur die passive Messung der mit einer bestimmten Aufgabe einhergehenden Hirnaktivität ermöglichen und damit keine kausalen Schlüsse bezüglich Veränderungen der Hirnaktivität und der kognitiven Tätigkeit erlauben. Zur direkten Klärung der Auswirkungen der Hirnaktivität auf die Verhaltensweise untersuchte Daria Knoch bei freiwilligen Versuchspersonen, deren neuronale Aktivität des vorderen Stirnhirns mit Hilfe der niederfrequenten transkraniellen Magnetstimulation vorübergehend reduziert wurde, das Verhalten bei einem Entscheidungskonflikt zwischen wirtschaftlichem Eigeninteresse und Fairnesspräferenzen. Im dabei verwendeten Ultimatum-Spiel müssen sich zwei anonyme Personen, ein «Anbieter» und ein «Empfänger», über die Teilung einer bestimmten Geldsumme einigen. Der Anbieter kann dem Empfänger einen Vorschlag machen, wie der Geldbetrag zwischen den beiden aufgeteilt werden soll. Im Falle der Annahme des Angebotes durch den Empfänger, behält jeder Spieler den ihm vom Anbieter zugeteilten Betrag, wogegen bei Ablehnung des Angebotes durch den Empfänger keiner der beiden Geld erhält. Falls der Empfänger allein durch das Eigeninteresse motiviert ist, wird er selbst ein sehr tiefes Angebot annehmen, während ein von Fairnesspräferenzen gelenkter Empfänger ein solches Angebot ausschlagen könnte. Da die Bestrafung mit Kosten verbunden ist, muss die Versuchsperson, wenn sie bestrafen will, den materiellen Eigennutz überwinden beziehungsweise unter Kontrolle halten. Gemäss den Resultaten dieser Untersuchungen waren die Probanden, bei denen die neuronale Erregbarkeit verringert wurde, weit weniger in der Lage, ihren materiellen Eigennutz aufzugeben als Probanden, die nur scheinstimuliert wurden. Interessanterweise beurteilten alle Probanden, unabhängig davon, ob ihr vorderes Stirnhirn stimuliert wurde oder nicht, das Verhalten des Verhandlungspartners als sehr unfair. Demnach scheint die verminderte neuronale Erregbarkeit des vorderen Stirnhirns nicht die „Fairnessurteile“ zu verändern, sondern sie reduziert die Fähigkeit, den materiellen Eigennutz im Dienste der Fairness zu unterdrücken. Mit den vorliegenden Untersuchungen ist es gelungen, die wichtige Rolle des vorderen Stirnhirns bei den Selbstkontrollprozessen direkt nachzuweisen. Ein vertieftes Verständnis der relevanten 4/6 neuronalen Mechanismen dieser Prozesse könnte von therapeutischer Relevanz sein, da Störungen der Selbstkontrolle ein zentrales Merkmal vieler neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen sind. Starwars an der Krebsfront Tumorinvasion bei fehlender epithelial-mesenchymaler Transition: Podoplanin-vermitteltes Remodeling des Aktinzytoskeletts Bösartige Tumoren sind durch eine vermehrte Zellteilung, welche von einem invasiven und destruktiven Tumorwachstum begleitet ist, sowie durch die Bildung von Metastasen gekennzeichnet. Die mikroskopische Untersuchung von Gewebsschnitten invasiver Tumoren hat gezeigt, dass zwei Mechanismen der Tumorzellinvasion existieren. Bei der sogenannten Einzelzellinvasion lösen sich aus dem Tumorverband einzelne Zellen ab und wandern aus, während bei der kollektiven Invasion eine geschlossene Front von Tumorzellen als Gruppe ins umgebende Gewebe einwächst. In beiden Fällen wird das gesunde Gewebe durch das Vordringen des Tumors zerstört. Im menschlichen Körper sind die meisten Zellen durch Adhäsionsmoleküle mit ihren Nachbarzellen verbunden. Ein solches klassisches Haftmolekül ist das E-Cadherin, das vor allem in oberflächennahen Geweben wie der Haut für den Zusammenhalt der Zellen sorgt. Bei der Einzelzellinvasion verlieren die Tumorzellen Adhäsionsmoleküle wie E-Cadherin und können sich deshalb freier im Gewebe bewegen, was als epithelial-mesenchymale Transition bezeichnet wird. Demgegenüber wird bei der kollektiven Invasion wie sie bei Plattenepithelkarzinomen der Haut, der Speiseröhre oder der Lunge, aber auch beim Darmkrebs anzutreffen ist, der Kontakt zwischen den wandernden Tumorzellen und ihren ebenfalls krebsartig veränderten Nachbarn beibehalten. Während die über eine epithelial-mesenchymale Transition zur Einzelzellinvasion führenden Mechanismen bereits Gegenstand intensiver Forschung waren, sind die SignaIwege, die eine kollektive Tumorzellinvasion bei Patienten induzieren, bisher nur ungenügend verstanden. Andreas Wicki und François Lehembre haben in ihrer Arbeit gezeigt, dass die Expression von Podoplanin in Tumorzellen zu einer kollektiven Invasion führen kann. Der extrazelluläre Teil dieses in der Zellmembran verschiedener Körperzellen verankerten, kleinen Proteins ist mit vielen Seitenketten aus Zuckermolekülen bestückt und kann unter anderem mit Blutplättchen interagieren, während der intrazelluläre Teil dieses Proteins über die sogenannten ERM-Proteine mit dem Zytoskelett der Zelle verbunden ist. Podoplanin beeinflusst die Phosphorylierung der ERM-Proteine wie auch die Aktivität von kleinen GTPasen, welche die Bildung hochmotiler 5/6 Zellausstülpungen wie der Filopodien induzieren. Die Anwesenheit von Podoplanin in der Zellmembran erhöht die Wanderbewegungen einer Zelle selbst dann, wenn die Verbindung zu den Nachbarzellen durch das E-Cadherin sichergestellt ist. Aus diesem Grund kommt es zur Ausbildung einer grossen invasiven Tumorfront, die sich sowohl ins umgebende Gewebe als auch in tumornahe Gefässe vorschiebt. Untersuchungen der bei Tumorpatienten entnommenen Biopsien zeigten, dass Podoplanin bei ungefähr 80 Prozent der Plattenepithelkarzinome in der invasiven Front dieser Tumoren exprimiert wird und dort an der Regulation der kollektiven Zellinvasion mitwirkt. Die durch Podoplanin kontrollierte kollektive Tumorzellinvasion gehört somit zu den häufigsten Mechanismen, welche die Progression bösartiger Tumoren steuern. Die Identifikation und molekulare Charakterisierung verschiedener Invasionsformen hat für die Krebsbehandlung zwei wichtige Implikationen. So sprechen verschiedene Invasionsmechanismen unterschiedlich auf Chemotherapien oder gezielte Krebstherapien an, indem die kollektive Invasion beispielsweise wegen der stärkeren Zell-Zell-Adhäsion zu einer höheren Zelldichte und damit zu einer schlechteren Penetration von Zytostatika wie Doxorubicin in den Tumor führt. Darüber hinaus zeigt die Existenz der kollektiven Invasionsform, dass in einem Tumor verschiedene Populationen von Krebszellen vorliegen und dass sich eine Zelle am äussersten invadierenden Tumorrand von einer Zelle im Tumorinnern unterscheidet. Aufgrund dieser Tatsache wird es mittelfristig nötig sein, sowohl in der Krebsdiagnostik wie auch in der Krebstherapie diesen verschiedenen Mechanismen der Tumorprogression Rechnung zu tragen. Die Namen aller in diesem Jahr mit dem Pfizer Forschungs-Preis ausgezeichneten ForscherInnen sowie eine Zusammenfassung ihrer Forschungsarbeiten entnehmen Sie bitte der beigefügten Dokumentation „Die Forscher und ihre prämierten Arbeiten“. Hinweis für Medienschaffende: Die Medienmitteilung, Zusammenfassungen der PreisträgerInnen zu ihren Forschungsarbeiten sowie Fotomaterial sind auf der Homepage: www.pfizerforschungspreis.ch abrufbar. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Medienstelle Pfizer Forschungs-Preis c/o PR-SCHWEGLER AG Hermetschloostrasse 73 8048 Zürich Ansprechpartnerin: Susanne Thost Telefon 044 / 434 20 20, Telefax 044 / 434 20 21 E-Mail: [email protected] 6/6