PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik 1. Blick auf die Schaltalgebra Aussagenlogische Verknüpfungen lassen sich in Gestalt von Schaltkreisen darstellen, in denen einige binäre Variablen (Stellungen der Schalter x und y jeweils „an“ und „aus“) für die Wahrheitswerte der Teilaussagen stehen und eine andere binäre Variable (z.B. Leuchten oder Nicht-Leuchten einer Lampe) den Wahrheitswert der Gesamtaussage repräsentiert (Schaltalgebra bzw. BOOLEsche Algebra). Hier ein Überblick über die technische Darstellung von Disjunktion, Konjunktion und Negation: Logische Operation x y x y ¬ x (nach: GUMM/POGUNTKE 1981, 5) Der große und kleine waagrechte Strich stehen dabei für eine Stromquelle, die durchgezogenen Striche für Leitungen, die länglichen Kästchen für Schalter mit zwei Positionen und der Kreis mit Kreuz für eine Lampe. Die beiden länglichen Kästchen im unteren Teil der Komplementierung (Non-Schaltung) bedeuten einen Relaisschalter, bei dem der Stromfluss im inneren Stromkreis Stromfluss im äußeren Stromkreis verhindert. Literatur: Gumm, H.-P. / Poguntke, W. (1981): Boolesche Algebra. Mannheim-Wien-Zürich ÜBUNG 1: Sie bekommen ein Kästchen mit zwei Schaltern und einer Lampe geschenkt. An diesem Kästchen beobachten Sie: Wenn Schalter p auf „an“ und Schaler q auf „an“ steht, leuchtet die Lampe. Wenn Schalter p auf „aus“ und Schalter q auf „aus“ steht, leuchtet die Lampe. Wenn Schalter p auf „an“ und Schalter q auf „aus“ steht, leuchtet die Lampe nicht. Wenn Schalter p auf „aus“ und Schalter q auf „an“ steht, leuchtet die Lampe nicht. Die Schalterstellung „an“ soll für die Wahrheit einer Teilaussage stehen, das Leuchten der Lampe für die Wahrheit der Gesamtaussage. Nennen Sie eine aussagenlogische Verknüpfung, die von diesem Kästchen dargestellt wird: Seite 1 von 8 PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik 2. Modale Logik (nach ZOGLAUER 22002, 119-123) In der Umgangssprache ist auch von Modalitäten wie Notwendigkeit, Wirklichkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit. Diese Modalitäten lassen sich folgendermaßen darstellen: Notwendigkeit: „nicht anders sein können“ Wirklichkeit: „so und nicht anders sein“ Möglichkeit: „so sein können“ Unmöglichkeit: „nicht so sein können“ bzw. „anders sein müssen“ Die herkömmliche Aussagenlogik befasst sich lediglich mit Aussagen in der Modalität der Wirklichkeit. Um auch Aussagen in anderen Modalitäten zu formalisieren, verwendet die modale Logik folgende Operatoren: M (auch: ): „Es ist möglich, dass …“ N (auch: ): „Es ist notwendig dass …“ ‚Mp’ bedeutet: ‚Es ist möglich, dass p’ bzw. ‚p ist möglicherweise wahr’; ‚Np’ bedeutet: ‚Es ist notwendig, dass p’ bzw. ‚p ist notwendigerweise wahr“. Sowohl ‚Mp’ als auch ‚Np’ sind nicht mit ‚p’ identisch, denn es könnte sein, dass p zutrifft, obwohl dies nicht notwendig ist, oder dass p möglich, aber nicht wirklich ist. Beispiel: Das von der Menschheit bewohnte Sonnensystem hat acht Planeten, obwohl diese Anzahl von Planeten nicht notwendig ist; es wäre auch möglich, dass dieses Sonnensystem zwanzig Planeten hätte, das ist aber in Wirklichkeit nicht so. Zwischen modalen Aussagen bestehen folgende Beziehungen: ‚Mp’ („Es ist möglich, dass p wahr ist“) ≡ ‚¬ N (¬ p)’ („Es ist nicht notwendig, dass p falsch ist“) ‚M (¬ p)’ („Es ist möglich, dass p falsch ist“) ≡ ‚¬ N p’ („Es ist nicht notwendig, dass p wahr ist“) ‚¬ M p’ („Es ist nicht möglich, dass p wahr ist“) ≡ ‚N ¬ p’ („Es ist notwendig, dass p falsch ist“) ‚¬ M ¬ p’ („Es ist nicht möglich, dass p falsch ist“) = ‚N p’ („Es ist notwendig, dass p wahr ist“) Der Himmelskörper Pluto, der seit seiner Entdeckung als neunter Planet galt, wurde vor kurzem von der ‚International Astronomical Union’ zum Zwergplaneten degradiert. Vgl. http://www.iau.org/iau0603.414.0.html. Seite 2 von 8 PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik Daraus ergeben sich zwei Negationsregeln: ‚N (¬ p)’ ≡ ‚¬ M p’ ‚M ¬ p’ ≡ ‚¬ N p’ Das logische Quadrat der modalen Logik sieht demnach so aus: Np Notwendigkeit N (¬ p) Unmöglichkeit Mp Möglichkeit M (¬ p) keine Notwendigkei t Es enthält folgende Gegensätze: zwischen N p und M (¬ p) sowie zwischen M p und N (¬ p): kontradiktorisch zwischen N p und N (¬ p): konträr zwischen M p und M (¬ p): subkonträr zwischen N p und M p sowie zwischen N (¬ p) und M (¬ p): Subalternation Übung 2: Leiten Sie aus jeder der folgenden Aussagen im Hinblick auf das logische Quadrat der modalen Logik jeweils eine weitere Aussage her und formalisieren Sie die beiden Aussagen! a) Es ist möglich, dass der Inspektor ein altes Auto fährt. b) Es ist unmöglich, dass der Inspektor den Fall nicht löst. c) Es ist nicht unmöglich, dass der Täter übermütig wird. Seite 3 von 8 PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik d) Es ist notwendig, dass der Täter den Inspektor für dumm hält. Seite 4 von 8 PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik 3. Deontische Logik (nach ZOGLAUER 22002, 139-141) Die deontische Logik (von griech. ‚deomai’: ‚ich soll’) befasst sich mit den formalen Zusammenhängen zwischen Aussagen, in denen von Verpflichtungen (Normen) die Rede ist. In der Umgangssprache gibt es vier Typen solcher Aussagen: Eine Handlung ist geboten: „Du sollst x tun.“, z.B.: „Du sollst Vater und Mutter ehren.“ Eine Handlung ist verboten: „Du sollst x nicht tun.“, z.B.: „Du sollst nicht töten.“ Eine Handlung ist nicht geboten: „Es trifft nicht zu, dass du x tun sollst.“, d.h.: „Du musst nicht x tun.“, z.B.: „Du musst nicht schwätzen.“ Eine Handlung ist nicht verboten, also erlaubt: „Es trifft nicht zu, dass du x nicht tun darfst.“, d.h.: „Du darfst x tun.“, z.B.: „Du darfst formale Logik treiben.“ Die deontische Logik verwendet folgende Operatoren: Die großen Buchstaben (Normoperator) außerhalb der Klammern stehen für Verpflichtungen, die großen Buchstaben in der eckigen Klammer für Handlungen und die kleinen Buchstaben in den runden Klammern für Adressaten der Aussagen. Gebotenheitsoperator O (von ‚obligation’, d.h. ‚Verpflichtung’) O[H (x)]: „Es ist geboten, dass H x tut.“, d.h.. „x soll H tun.“ Erlaubnisoperator P (von ‚permission’, d.h. Erlaubnis) P [H (x)]: „Es ist erlaubt, dass x H tut.“, d.h.: „x darf H tun.“ Verbotsoperator F (von ‚forbidden’, d.h. ‚verboten’) F [H (x)]: „Es ist verboten, dass x H tut.“, d.h.: „x darf nicht H tun.“ So dargestellte Verpflichtungen haben einen präskriptiven Teil – den Normoperator – und einen deskriptiven Teil: den Ausdruck in der eckigen Klammer, der besagt, welche Handlung der Adressat x vollzieht. Der deskriptive Teil kann durch eine mit einem in runden Klammern stehenden kleinen Buchstaben (a, b, c, …) dargestellte Variable ersetzt werden. Dies ergibt einen formalisierten Normsatz, z.B. O (a) („Es ist geboten, a zu tun)“, O (¬ a) („Es ist geboten, a nicht zu tun“) usw. Zwischen deontischen Aussagen bestehen folgende Beziehungen: ‚O (¬ a)’ („Es ist geboten, a nicht zu tun.“) ≡ ‚¬ P (a)“ („Es ist nicht erlaubt, a zu tun.“) ≡ ‚F (a)’ („Es ist verboten, a zu tun.“) ‚P (¬ a)’(„Es ist erlaubt, a nicht zu tun.“) ≡ ‚¬ O (a)’ („Es ist nicht geboten, a zu tun.“) ¬ F (a) P (a) („Wenn es nicht verboten ist, a zu tun, dann ist es erlaubt, a zu tun.“) ¬ P (a) F (a) („Wenn es nicht erlaubt ist, a zu tun, dann ist es verboten, a zu tun.“) P (¬ a) ¬ O (a) („Wenn es erlaubt ist, a nicht zu tun, dann ist es nicht geboten, a zu tun.“) O (a) P (a) („Wenn es geboten ist, a zu tun, dann ist es auch erlaubt, a zu tun.“) Seite 5 von 8 PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik Diese Beziehungen lassen sich im logischen Quadrat der deontischen Logik darstellen: O (a) geboten O (¬ a) verboten P (a) erlaubt P (¬ a) nicht geboten Es enthält folgende Gegensätze: zwischen O (a) und P (¬ a): kontradiktorisch zwischen O (a) und O (¬ a): konträr, auch: „deontischer Widerspruch“ (Gebot steht gegen Verbot) zwischen P (a) und P (¬ a): subkonträr zwischen O (¬ a) und P (¬ a): Subalternation Nach dem logischen Quadrat sind manche Handlungen weder geboten noch verboten, d.h. indifferent. Dies wird mit dem Indifferenzoperator I ausgedrückt: ‚I (a)’ ≡ ‚P (a) P (¬ a)’ ≡ ‚¬ O (a) ¬ F (a)’ Übung 3: Leiten Sie mit Hilfe der Regeln der modalen Logik aus den folgenden Aussagen jeweils eine weitere Aussage her und formalisieren Sie beide Aussagen! a) Studierende sollen aufmerksam zuhören. b) Studierende dürfen während eines Seminars keine Privatgespräche führen. c) Es ist Dozenten nicht gestattet, Studierende zu beschimpfen. d) Es ist Dozenten weder geboten noch verboten, schwierige Klausurthemen zu stellen. Seite 6 von 8 PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik 4. Epistemische Logik (nach SPIES 2004, 204-206) Aussagen über Wissen lassen sich folgendermaßen formalisieren: Sherlock Motschmichler weiß, dass Lassie ein Hund ist. Sherlock Motschmichler weiß, dass p. A weiß, dass p. K [A (p)] K (für ‚knowledge’) ist der Wissensoperator; der große Buchstabe steht für die Instanz, die etwas weiß, und der kleine Buchstabe für das als Aussage formulierte Wissen. Beachte: Aufgrund von semantischer Notwendigkeit ist es wahr, dass p zutrifft, wenn gilt: K [A (p)]. ‚A weiß, dass p’ ist nämlich aufgrund der Bedeutung von ‚wissen’ wahr, wenn p wahr ist. Diese Aussage lässt sich jedoch nicht umkehren: Wenn p zutrifft, ist es nicht notwendig, dass A davon weiß! Insbesondere ist zu beachten: Wenn gilt: p q, dann folgt daraus nicht: K [A (p)] K [A (q)]. Wenn aus p q folgt, dann folgt daraus, dass A weiß, dass p, nicht, dass A auch weiß, dass q. Beispiel: Wenn jeder Hund ein Raubtier ist, dann folgt daraus, dass Sherlock Motschmichler weiß, dass Lassie ein Hund ist, nicht, dass Sherlock Motschmichler weiß, dass Lassie ein Raubtier ist. Das logische Quadrat der epistemischen Logik lautet: K [A (p)] Wissen, dass p K [A (¬ p)] Wissen, dass nicht p ¬ K [A (¬ p)] Nicht wissen, dass nicht p ¬ K [A (p)] Nicht wissen, dass p Um Verwirrung im Zusammenhang mit der bisher befolgten Konvention zu vermeiden, wurde gegenüber SPIES die Groß- bzw. Kleinschreibung der Variablen umgedreht. Seite 7 von 8 PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008) Handout zur Sitzung vom 4. Dezember 2007: Varianten und Erweiterungen der Aussagenlogik Hausaufgabe: 1. Benennen Sie die Beziehungen innerhalb dieses logischen Quadrats! 2. Formulieren Sie je eine Aussage, die einem Eckpunkt dieses Quadrates entspricht, leiten Sie daraus eine weitere Aussage her, und formalisieren Sie diese Aussagen! Was haben wir gelernt? Aussagenlogische Verknüpfungen lassen sich in Gestalt von Schaltkreisen darstellen. Die Erweiterungen der Aussagenlogik formalisieren bestimmte Typen von Aussagen und bestimmen die Beziehungen zwischen diesen Typen jeweils in einem logischen Quadrat: o modale Logik: Aussagen über Notwendigkeit, Wirklichkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit o deontische Logik: Aussagen über Verpflichtungen o epistemische Logik: Aussagen über Wissen Die Operatoren dieser Logiken und die grundlegenden Beziehungen zwischen den formalisierten Aussagen sollten bekannt sein. Seite 8 von 8