Universität Flensburg Kommunikation, Handeln und soziales Lernen Dozent: Dipl.-Päd. Jörg Pepmeyer WS 2012/13 Kommunikation in Gruppen Mareike Handschuch Matrikelnr.: 542050 E-Mail Adresse: [email protected] BA Vermittlungswissenschaften Victoria Homuth Matrikelnr.: 541334 E-Mail Adresse: [email protected] BA Vermittlungswissenschaften Jennifer Puck Matrikelnr.: 542067 E-Mail Adresse: [email protected] BA Vermittlungswissenschaften Christopher Schmidt Matrikelnr.: 542233 E-Mail Adresse: [email protected] BA Vermittlungswissenschaften Abgabedatum: 01.02.2013 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .................................................................................................. 3 2. Kommunikation in Gruppen.................................................................... 3 2.1 Was ist eine Gruppe? ............................................................................................................. 3 2.2 Abhängigkeiten einer Gruppe ................................................................................................ 5 2.3 Rangstruktur einer Gruppe .................................................................................................... 5 2.4 Gruppen als Kommunikationssysteme................................................................................... 5 3. Kommunikation zwischen Gruppen........................................................ 7 3.1 Interkulturelle Kommunikation .............................................................................................. 7 3.2 Die Akzentuierungstheorie..................................................................................................... 8 3.3 Theorie der Sozialen Identität und Theorie der Selbstkategorisierung ................................ 9 3.4 Folgerungen für den kommunikativen Prozess ................................................................... 12 3.5 Abbau von Vorurteilen ......................................................................................................... 13 4. Literaturverzeichnis ................................................................................ 14 5. Eigenständigkeitserklärung ................................................................... 15 2 1. Einleitung – Jennifer Puck Im Jahr 1913 entwickelte ein Psychologiestudent ein Experiment, mit dem er zwar wenig Wirkung in der Psychologie hinterließ, allerdings erstellte er eine sehr wichtige Arbeit, in der er als erstes sozialpsychologische Fragestellungen verfolgte. Der Student Walter Mode (1888-1958) fasste seine Arbeit in einem Buch zusammen: „Experimentelle Massenpsychologie – Beiträge zur Experimentalpsychologie der Gruppe“. Am meisten beschäftigte er sich mit den seelischen Erscheinungen von Menschen, wenn sie in einer Gruppe zusammen sind. Er untersuchte die Schmerzempfindlichkeit von Schülern im Alter von 12 bis 14 Jahren. Außerdem prüfte er die individuelle Schmerzschwelle der Schüler und nutzte diese um zu schauen, ob sie sich in einer Wettbewerbssituation verändert haben. Tatsächlich fand er heraus, dass durch Anwesenheit anderer der Wetteifer stieg und somit die Schmerzschwelle sank. Die Schüler, die an einem Stromgerät angeschlossen waren, hielten den Schmerz länger aus, wenn sie einen Konkurrenten hatten. Auch weitere Personen versuchten anschließend ähnliche Versuche und wurden auch mit ihrer psychologischen Arbeit im Bereich der Gruppe bekannt. „Die Gruppe gehört seitdem zu den prominenten Untersuchungsgegenständen der Sozial- und Kommunikationspsychologie."1 2. Kommunikation in Gruppen 2.1 Was ist eine Gruppe? Nach Ursula Piontkowski (2011) gehört jeder Mensch einer Gruppe an (Arbeitsgruppen, Freizeitgruppen, Freundesgruppen etc.). So kann man sagen, dass eine Gruppe vorhanden ist, sobald zwei oder mehrere Personen miteinander interagieren. Eine Gruppe stellt nicht nur eine objektive Verbindung dar, sondern die Zugehörigkeit einer Gruppe soll den Personen auch subjektiv bewusst werden. Wichtig ist, dass sie als Einheit wahrgenommen werden, sonst werden sie nicht als Gruppe identifiziert. Dies bezeichnet Campbell (1958) als Entitativität. Die Gruppe wird als eine Einheit angesehen, in der die Personen untereinander verbunden sind. Die intensivste und wichtigste Einheit der Gruppen ist die intime Gruppe (Familie, Freunde, etc.). Es gibt jedoch auch die aufgabenbezogenen Gruppen (Arbeitsgruppen, Lerngruppen), die als zweitwichtigste Einheit angesehen 1 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002; S.117 3 werden. Die sozialen Kategorien (Nationalität, Geschlecht) und losen Verbindungen (temporäre/Wartegruppen) werden kaum als geschlossene Entitäten wahrgenommen. Arrow, McGrath und Berdahl (2000) fassten drei Typen von Gruppenfunktionen zusammen: „Befriedigung der Gruppenbedürfnisse der Gruppenmitglieder, Fertigstellung von Gruppenprojekten und Aufrechterhaltung der Struktur und der Integrität der Gruppe als System.“2 Außerdem gibt es drei Typen von Gruppenaktivitäten: „Informationsverarbeitung und Herstellung von Bedeutung, Konfliktmanagement und Herstellung von Konsens und Motivation der Gruppenmitglieder, Regulierung und Koordinierung ihres Verhaltens.“3 Zur Definition einer Gruppe gibt es folgende formale Kriterien: Es handelt sich um zwei oder mehr Personen, die eine oder mehrere Eigenschaften gemeinsam haben, sie betrachten sich als Teil einer Einheit und interagieren miteinander. Sie verfolgen gemeinsame Ziele und stehen in einer bestimmten Zeitspanne miteinander in Verbindung. Ebenfalls entwickeln sie Normen, um die Interaktion zwischen einander zu regulieren und stellen Regeln, die mit Verpflichtungen, Aktivitäten und Rechten verbunden sind, auf.4 Natürlich werden nicht immer alle aufgeführten Kriterien erfüllt sein, trotzdem kann man oft von einer Gruppe sprechen. Sind jedoch alle Kriterien erfüllt, spricht man von einer organisierten Gruppe (Bsp.: Arbeits- und Projektgruppen, Sport- und Freizeitgruppen etc.). Eine organisierte Gruppe existiert meist über einen längeren Zeitraum hinaus, in ihnen gibt es meist Regeln über die Aktivitäten, Verpflichtungen und Rechte der Mitglieder. Bei den Funktionsgruppen fehlen diese Regeln. Zu diesen gehören zum Beispiel die Gruppen, die sich für eine Demonstration treffen. Sie sind nicht über einen längeren Zeitraum vorhanden, sondern existieren nur für eine kurze Zeitspanne. Die Quasi-Gruppen agieren nicht miteinander und verfolgen kein bestimmtes Ziel. Sie sehen sich nur als ein Teil einer Einheit (Bsp.: Christen, Nachbarn, Führungskräfte). Gruppenmitglieder werden auch meist den Außenstehenden vorgezogen, was man auch Sozialpsychologie: Eine Einführung in die Psychologie sozialer Interaktion / Ursula Piontkowski – Oldenburg Verlag 2011, S. 102 3 Sozialpsychologie: Eine Einführung in die Psychologie sozialer Interaktion / Ursula Piontkowski – Oldenburg Verlag 2011, S. 102 4 Sozialpsychologie: Eine Einführung in die Psychologie sozialer Interaktion / Ursula Piontkowski – Oldenburg Verlag 2011, S. 102-103 2 4 eine minimale Gruppe nennen kann. Das Verhalten eigene Gruppenmitglieder vorzuziehen nennt man Ingroup-Bias.5 2.2 Abhängigkeiten einer Gruppe Kurt Lewin ist der Meinung, dass eine Gruppe erst dann besteht, wenn die Mitglieder untereinander eine gewisse Abhängigkeit aufweisen. Somit müssen die ersten vier Kriterien einer Gruppe erfüllt sein. 2.3 Rangstruktur einer Gruppe Raoul Schindler, ein Psychoanalytiker und Gruppenpsychologe, beschrieb die Rangstruktur in einer Gruppe. Es gibt insgesamt 4 Rollen in einer Gruppe: Der Repräsentant der Gruppe ist Alpha, er zeigt die Gruppeninitiative auf und ist die Identifikationsfigur für die anderen Gruppenmitglieder. Zu den Beta-Mitgliedern werden jene gezählt, die Gruppenspezialisten sind. Sie haben eine gefestigte Position in der Gruppe, sind allerdings, anders als Alpha, austauschbar. Gamma entspricht dem Hauptteil der Gruppe. Gamma versucht sich, mit dem Gegner der Gruppe zu identifizieren und wird deshalb als gruppeninterner Vertreter der gegnerischen Gruppe angesehen. Ebenfalls identifiziert sich Gamma mit Alpha. Omega ist das schwächste Mitglied der Gruppe.6 2.4 Gruppen als Kommunikationssysteme – Victoria Homuth Eine Gruppe ist laut Frindte (2002) ein soziales System. Gruppenmitglieder haben ähnliche Interessen, die eine gruppenspezifische Kommunikation ermöglichen. Die gemeinsamen Interessen und die darauffolgende Gruppeninteraktionen sind die wichtigsten Merkmale, um sich von anderen sozialen Systemen abgrenzen zu können. Eine Gruppe bildet sich aus einer fortlaufenden Kommunikation zwischen den Individuen eines sozialen Systems. Dabei entwickelt sich eine „gruppenspezifische Wirklichkeitskonstruktion“ (Frindte, 2002). Jedes Individuum bringt ein gewisses Vorwissen in die Gruppe ein, durch fortlaufende Interaktionen der Mitglieder entwickelt sich aus dem individuellen Wissen ein gruppenspezifisches Wissen (GSW). Das gruppenspezifische Wissen ist ein Merkmal, durch das sich eine Gruppe identifiziert und von anderen abgrenzt. In einer Gruppe können so Ansätze für Mitglieder geschaffen 5 Sozialpsychologie: Eine Einführung in die Psychologie sozialer Interaktion / Ursula Piontkowski Oldenburg Verlag 2011, S. 102 6 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002; S.123 5 werden um die Welt zu interpretieren und zu verstehen. Das GSW schafft also eine eigene Wirklichkeit der Welt und ermöglicht eine geordnete Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern. Normen und Standards werden durch das GSW hergestellt und verfestigt, dabei muss jedoch beachtet werden, dass das GSW und dessen verbundene Standards und Normen einem sozialen Wandel unterliegen. Die Gruppe bildet folge dessen eigene Merkmale aus, die sie von ihrer Umwelt abgrenzen. Gruppencodes, Sprachspiele sowie Gruppensymbole sind einige dieser Merkmale (innere Abgrenzung). Diese innere Abgrenzung sorgt für eine Abwertung und Stigmatisierung der Umwelt (Frindte, 2002). Mit der Abgrenzung zur Umwelt entsteht ein „Wir- Gefühl“, welches eine hohe Zufriedenheit bei den Mitgliedern auslöst und zu einer strengeren Einhaltung der Gruppenregeln führt. Jedoch kann dieses „Wir- Gefühl“ so überhand nehmen, dass es der Gruppe gar nicht mehr möglich ist mit der Umwelt zu kommunizieren. Kommunikationsverdichtung oder Kohäsion führt zu einem unrealistischen Optimismus in der Gruppe. Die moralischen Bedenken der Gruppe verringern sich, dafür treten „moralische Rechtfertigungen für die gemeinsam getroffenen Entscheidungen in den Vordergrund.“7 Gegner oder andere Gruppen werden „stereotypisiert und abgewertet“8, ebenso werden „Querdenker“ der eigenen Gruppe unter sozialen Druck gestellt und sanktioniert (Frindte, 2002). Es wurden zehn Regeln entwickelt um „Group Think“ beziehungsweise „dysfunktionale Gruppenprozesse“9 vorzubeugen: Zum einen sollen die Gruppenmitglieder ermutigt werden Gruppenmerkmale, Gruppenthemen und Gruppenentscheidungen kritisch zu begutachten, Gruppenmitglieder müssen über die Gefahren des Gruppendenkens aufgeklärt werden. Mögliche Gruppengegner sollten in ihren Anliegen analysiert werden und es sollten externe Beobachter eingeschlossen werden, um eine Objektivität zu sichern.10 Ebenfalls lassen sich Probleme bei einem anderen Phänomen des Gruppendenkens feststellen, dem „Risky Shift“. „Risky Shift“ beschreibt die Eigenschaft, „dass Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.125 8 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.125 9 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.125 10 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.126 7 6 Gruppenentscheidungen häufiger risikofreudiger als Entscheidungen von Einzelpersonen getroffen werden.“11 Dass eine Gruppe eine größere Risikobereitschaft hat, versucht Frindte (2002, S. 127) mit drei verschiedenen Erklärungsversuchen darzustellen. Als erstes wird die „Verteilung von Verantwortung“ genannt, die besagt, dass sich Personen in der Gruppe für gewisse Entscheidungen weniger verantwortlich fühlen und somit risikobereiter sind. Der zweite Erklärungsansatz besagt, dass Personen die von Grund auf eine höhere Risikobereitschaft besitzen in einer Gruppe einflussreicher sind und somit den Gruppenprozess beeinflussen. Risikobereitschaft wird positiv bewertet, ob die Gruppenentscheidung jedoch positiv ist, kann erst im Vergleich mit anderen Gruppen festgestellt werden. Um die andere Gruppe zu übertrumpfen, trifft man eine Entscheidung mit einem höheren Risiko. „Das Phänomen des Group Thinks und die höhere Risikobereitschaft von Gruppen verweisen indirekt auf die zweite Seite der Grenzbildung einer Gruppe […] ihre Außenseite.“12 Ein gegenteiliges Phänomen ist die „Kommunikationsauflösung“13. Gruppenmitglieder beschäftigen sich intensiv mit ihrer Umwelt und decken somit folgende Funktionen ab (Frindte, 2002 S. 127): Sie sind Repräsentanten der Gruppe, sie stellen einen Vergleich und Wettbewerb zwischen den Gruppen her, das gruppenspezifische Wissen wird erweitert und die Intergruppenkonflikte werden reduziert. 3. Kommunikation zwischen Gruppen 3.1 Interkulturelle Kommunikation – Christopher Schmidt Interkulturelle Kommunikation wird als Interaktion zwischen Angehörigen unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Gruppen und Kulturen verstanden. Daraus resultieren verschiedene Kommunikationsprobleme, durch das Zusammentreffen von sich unterscheidenden Verhaltensweisen und Denkmustern. Kulturelle Fremdheit führt zu Unverständlichkeit, gar zu Missverständnissen und Konflikten. Interkulturelle Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.126 12 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.127 13 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.128 11 7 Kommunikation findet bei beruflichen oder privaten Auslandsreisen statt, bei der Einwanderung von Arbeitsmigranten, beim Zustrom von Flüchtlingen oder einfach durch die internationale Vernetzung von Wirtschaft und Politik. (Knapp/ Knapp-Potthoff, 1990)14 Nach Henri Tajfel (1978) sollte es eine Abgrenzung in sozialen Situationen geben, je nachdem ob sich die Gesprächspartner als Individuen verhalten oder sich als Mitglieder verschiedener Gruppen darstellen und sich dies auf die Kommunikation auswirkt. Tajfel unterscheidet hierbei also zwischen interpersonalem und intergruppalem Verhalten. In der interpersonellen Kommunikation beeinflussen die persönlichen Eigenschaften und Beziehungen der Personen das Gespräch. Ein intimes Gespräch zwischen zwei sich liebenden Menschen wäre hierfür ein gutes Beispiel (Brown/ Turner, 1981) 15. Das Gespräch wird mit Blick auf ihre persönlichen Bedürfnisse geführt, die Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen wird dabei außer Acht gelassen. Bei der intergruppalen Kommunikation präsentieren sich die Gesprächspartner als Mitglied einer Gruppe, wobei sich ihr Verhalten und ihre individuellen Urteile stets an der Zugehörigkeit ihrer Gemeinschaft orientieren. Die Auseinandersetzung zwischen Streikenden und Polizisten stellen ein passendes Bild für diese Art der Kommunikation dar. 3.2 Die Akzentuierungstheorie „Die Akzentuierungstheorie hilft, spezifische Erscheinungen von Intergruppenprozessen zu verstehen, nämlich dass wir dazu neigen, Unterschiede zwischen Gruppen, beispielsweise zwischen ethnischen Gruppen zu überschätzen und Unterschiede innerhalb von Gruppen eher zu übersehen. Die Theorie kann aber nicht erklären, warum wir oft dazu neigen, Mitglieder fremder Gruppen abzuwerten[…].“ Diese Definition von Ulrich Wagner (2006)16 verdeutlicht, dass die menschliche Wahrnehmung von einer bestimmten Akzentuierung beeinflusst wird. Ein klassisches Experiment von Tajfel und Wilkes (1963) soll dies noch einmal anschaulich machen. Bei den Versuchen ging es um die Längeneinschätzungen von kategorisierten Linien. Den Versuchspersonen wurden acht Linien unterschiedlicher Länge gezeigt. Die Aufgabe bestand darin, die exakte Länge jeder 14 Zeitschrift für Fremdsprachenforschung / Knapp, K.; Knapp-Potthoff, A. 1990, S. 1. Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.]: Beltz, 2002. S.129 16 Intergruppenbeziehungen / Ulrich Wagner. In: Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie / Bierhoff, Hans-Werner; Frey, Dieter. – Göttingen: Hogrefe, 2006, S.663. 15 8 Linie zu schätzen. Die Versuchspersonen wurden in drei Gruppen aufgeteilt, da unterschiedliche Bedingungen gegeben sein sollten. Bei den ersten beiden Gruppen wurden die ersten vier Linien mit „A“ gekennzeichnet, die nächsten vier mit „B“. Die dritte Versuchsgruppe bekam diese Kennzeichnung nicht. Die Hypothese der Forscher lautete, dass bei dem Versuch mit der Einteilung in A und B die Unterschiede zwischen den vier Linien innerhalb der Kategorie A unterschätzt und die Unterschiede zwischen den beiden Kategorien an sich überschätzt werden würden. Das Ergebnis des Experiments bestätigte diese Hypothese. Die Versuchspersonen der ersten beiden Gruppen überschätzten den Unterschied der vierten und fünften Linie an der Kategoriengrenze. Die Versuchsgruppe ohne Kategorisierung tat dies nicht (Piontkowski 2011).17 3.3 Theorie der Sozialen Identität und Theorie der Selbstkategorisierung – Mareike Handschuch Rabbie und Horowitz untersuchten 1969 die Frage, ob allein schon die Tatsache einer bestimmten Gruppe anzugehören reicht, all die auszugrenzen, die genau nicht zu dieser Gruppe zählen. Um dies festzustellen, teilten sie Schulkinder, die sich zuvor noch nie begegnet sind, zufällig in zwei Gruppen ein. Diese erhielten als Identifikation blaue bzw. grüne Abzeichen. In der Mitte platzierten sie eine Trennwand, sodass sich nur die eigenen Gruppenmitglieder sehen konnten. Nun sollten alle Gruppenmitglieder ein gemeinsames Schicksal erfahren, indem man ihnen ein neues Transistorradio gab oder wegnahm. Die Trennwand wurde entfernt und jedes Kind wurde gebeten aufzustehen und etwas über sein Leben vorzutragen, während die anderen Kinder es auf einer Skala bewerten sollten. Das Ergebnis fiel folgendermaßen aus: Die Beurteilung der Kinder war deutlich von ihrer Gruppenzugehörigkeit abhängig, denn die Mitglieder der eigenen Gruppe wurden durchgehend besser beurteilt, als die der Fremdgruppe. Tajfel u.a. hatten 1971 das Experiment fortgesetzt und für dieses Design die Bezeichnung „minimal group paradigm“ verwendet. Das trifft auf folgende Untersuchungssituationen zu: Zuvörderst haben die Versuchspersonen keine Face-to-Face Interaktion. Außerdem besteht eine Anonymität der Gruppenmitglieder und es gibt keine weiteren Informationen außer den Gruppenmitgliedschaften. Keine der Versuchspersonen 17 Sozialpsychologie: Eine Einführung in die Psychologie sozialer Interaktion / Ursula Piontkowski Oldenburg Verlag 2011, S. 165 9 kann herausfinden, warum sie dieser Gruppe zugeteilt wurden und aus ihrem Verhalten können die Versuchspersonen keinen persönlichen Nutzen ziehen. In weiteren Experimenten, fanden Tajfel u.a. 1971 heraus, dass allein die Zugehörigkeit einer beliebigen Gruppe ausreicht, um eine „maximale Ingroup-Favorisierung“ und eine „maximale Outgroup-Diskriminierung“ hervorzurufen. Die Versuchspersonen wurden aufgefordert, fiktive Geldbeträge den verschiedenen Empfängern zuzuweisen. Es zeigte sich, dass die Personen den Mitgliedern aus ihrer eigenen Gruppe (obwohl diese beliebig war und sich die Mitglieder während des Experiments nicht sahen) mehr gaben („Ingroup-Favorisierung“), als denen aus den Fremdgruppen (Outgroup-Diskriminierung“). Aufgrund dieser Tatsachen entwickelten Tajfel und seine Mitarbeiter in den folgenden Jahren die „Theorie der sozialen Identität“ zur Erläuterung für das Inter- und Intragruppenverhalten. Begonnen wird mit den Annahmen über das soziale Kategorisieren. Um die Vielschichtigkeit der Wirklichkeit zu reduzieren, kategorisieren die Menschen ihre soziale Umwelt in Personen, Objekte oder Ereignisse. Das bedeutet, dass sie sich die Welt in abgrenzbare Klassen und Strukturen einteilen. Diese Strukturen werden mit Werten verknüpft und steuern die Wahrnehmung und das Beurteilen der Welt. Unterschiede zwischen den Kategorien werden überbetont und innerhalb der Kategorien weniger wahrgenommen. Darauf aufbauend folgen die Annahmen über die soziale Identität. Das Kategorisieren hat für den Menschen eine wichtige Funktion, denn dadurch kann er sich selbst einer Kategorie zuordnen und seinen Platz innerhalb dieser Kategorie festlegen. Die Summe hieraus bildet seine „soziale Identifikation“ und ist „Teil des Selbstkonzepts eines Individuums, das aus dessen Wissen über seine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verbunden mit dem Wert und der emotionalen Bedeutung, die dieser Gruppenmitgliedschaft beigemessen werden, erwächst“.18 Tajfel nahm also an, dass jeder Mensch danach strebt, eine positive soziale Identität von sich selbst zu haben. Als nächstes kommen die Annahmen über den sozialen Vergleich. Tajfel und seine Mitarbeiter gingen einen Schritt weiter und stellten eine neue Theorie auf, in der sie 18 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.] : Beltz, 2002, S. 132 10 behaupteten, dass wenn wir eine positive soziale Identität entwickeln wollen, wir eine positive Beziehung zu relevanten Bezugsgruppen aufbauen müssen. Dadurch, kann man den Wert der eigenen Gruppe abschätzen und mit anderen Gruppen vergleichen. In Frage kommen Gruppen, die unserer Gruppe ähneln bzw. mit denen man sich austauschen kann. Wenn unsere Gruppe positiv abschneidet, dann stärkt das wiederum unsere soziale Identität. Zuletzt folgen die Annahmen über die positive Distinktheit (positiven Eigenheiten) der eigenen Gruppe. Wenn uns der Austausch mit der anderen Gruppe keine Bestätigung der eigenen sozialen Identität bringt, dann wird die eigene Gruppe unrealistisch aufgewertet und die andere abgewertet, um auf diese Weise den gewünschten Erfolg zu erlangen. Um die eigene Gruppe aufzuwerten, kann das Individuum versuchen den sozialen Vergleich zwischen der eigenen und der fremden Gruppe auf die positiven Eigenheiten der eigenen Gruppe besonders zu betonen und dadurch diese Merkmale der anderen Gruppe abzuwerten (Ingroup-Favorisierung, Outgroup-Diskriminierung). Ein Beispiel dafür wäre: „Deutsche sind fleißiger, disziplinierter und pünktlicher als Türken“. Wenn dies allerdings nicht funktioniert, kann das Individuum neue Vergleichsdimensionen kreieren, damit die eigene Gruppe besser abschneiden kann. Außerdem bleibt noch die Möglichkeit, eine relevante Vergleichsdimension (z.B. Pünktlichkeit) umzudeuten um eigentlich negative Vergleichsergebnisse in positive umzuwandeln. (z.B. „[...] Pünktlichkeit und Disziplin sind keine Merkmale für bessere Menschen.“19 Die zentrale Frage bleibt allerdings noch unbearbeitet, und zwar, wann wir als Individuum kommunizieren oder als ein Mitglied einer sozialen Gruppe, bzw. wann ist es wichtig als Person X oder Y zu kommunizieren? Um dies zu beantworten, müssen wir uns die Theorie der Selbstkategorisierung nach Turner u.a. 1987 ansehen. Diese Theorie geht erstmal von der Unterscheidung zwischen dem individuellen und dem Intergruppen-Verhalten aus. Wenn es um das individuelle Verhalten geht, versuchen Personen ihre persönliche Identität zu realisieren. Es wird auf eigene Erfahrungen und Bedürfnisse zurückgegriffen. Bei dem Intergruppen-Verhalten geht es darum, die soziale Identität zu wahren, denn es wird als ein Mitglied einer sozialen Gruppe kommuniziert. 19 Einführung in die Kommunikationspsychologie / Wolfgang Frindte. – Weinheim [u.a.] : Beltz, 2002, S. 133 11 3.4 Folgerungen für den kommunikativen Prozess – Christopher Schmidt Die Folgen der Kommunikation zwischen Personen werden durch die sozialen Identitäten bestimmt. Mitglieder einer Gruppe übernehmen den Sprachstil, Verhaltensweisen und die Normen ihrer Gemeinschaft und wenden diese an, daraus resultierend werden Gruppenidentitäten geschaffen. Dialekte oder Fachsprachen, Körperbewegungen und Symbole werden verwendet um die eigene Gruppenzugehörigkeit darzustellen und den Unterschied zu anderen Gemeinschaften zu verdeutlichen. Man spricht von Sprachdivergenz, wenn zum Beispiel „[…] Ostdeutsche kurz nach der Wende vom „Polylux“ sprachen, um den besagten Lichtprojektor zu bezeichnen, und Westdeutsche auf den „Overhead-Projektor“ verwiesen[…].“ (Frindte, 2001). Der bewusste Gebrauch von gruppenspezifischen Sprachmustern, verdeutlicht hier die gewollte Abgrenzung zu anderen Gruppen. Wenn nun jedoch die eine Gemeinschaft versuchte sich an die Sprachstile der anderen anzunähern, so wurde versucht Sprachkonvergenz herzustellen. Intergruppenkonflikte tragen meist eine Abwertung von Mitgliedern fremder Gruppen mit sich. Die Vorraussetzung hierfür ist meist das Vorliegen eines Konflikts zum Beispiel um materielle Güter. Die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland wird unter anderem durch das Vorurteil der Deutschen entfacht, dass ihnen die Arbeitsplätze durch die Ausländer weggenommen werden. Oftmals haben die Menschen diese Erfahrung jedoch gar nicht selbst erlebt, diese Vorurteile beruhen meist auf dem „Hörensagen“ oder entstehen durch eine mediale Vermittlung. (Wagner, 1997)20 Die Entstehung und Lösung von Intergruppenkonflikten hat der Sozialpsychologe Muzafer Sherif 1954 in einem Experiment untersucht. Bei dem Versuch wurden zwei Gruppen mit jeweils mehreren elfjährigen Jungen in einem Ferienlager beobachtet. Sherif wollte die beiden Gruppen erst gegeneinander aufbringen und im Folgenden untersuchen, ob es möglich sei, sie wieder zu versöhnen. In der ersten Phase sollten sich die Jungen in ihre Gruppen eingliedern, wichtig hierfür war, dass sie sich vorher nicht kannten. Sie sollten jeweils ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln um sich so von der anderen Gruppe abzugrenzen. In der zweiten Phase sollten die beiden Gruppen nun zusammengebracht werden. Konflikte sollten durch Wettbewerbe wie Seilziehen oder Baseball ausgelöst 20 Die Ausgrenzung von Minderheiten – Psychologische Erklärungen / Ulrich Wagner. In: Wissenschaft & Frieden 1997-1: Nebeneinander – Gegeneinander – Miteinander 12 werden. Im Verlauf des Experiments wurde beobachtet, dass sich die Gruppenidentitäten der Jungen sehr schnell entwickelten. Sie gaben sich Gruppennamen und entwickelten spezifische Verhaltensmuster. Die Klapperschlangen fluchten sehr häufig, die Adler hingegen badeten grundsätzlich nackt. Somit wuchs der Zusammenhalt innerhalb der Gruppen und die andere Gemeinschaft wurde herabgesetzt und bekämpft. Beschimpfungen und kleinere Raufereien waren nur Beispiele der Feindseligkeiten. In der dritten und letzten Phase sollten die verfeindeten Jungen nun wieder zusammengebracht werden. Bloßer Kontakt reichte hier jedoch nicht aus. Als Lösung für dieses Problem mussten die Forscher die Gruppen vor eine Aufgabe stellen, die sie alleine nicht bewältigen konnten. Unter anderem mussten sich die Klapperschlangen mit den Adlern zusammentun, um einen liegengebliebenen Lieferwagen anzuschieben, der die Vorräte ins Lager bringen sollte. Durch diese und andere Aufgaben kamen sich die Gruppen wieder näher und versöhnten sich schließlich sogar. An der friedensfördernden Wirkung übergeordneter Ziele wird heute kaum noch gezweifelt (Schneider, 2011).21 3.5 Abbau von Vorurteilen Wie im Experiment von Sherif bereits angesprochen, kann eine Konfliktlösung durch die Vereinigung zweier Gruppen erreicht werden, um zum Beispiel ein gemeinsames Ziel zu erreichen oder einen Feind abzuwehren. Dies führt nicht nur zur Reduktion der Konflikte untereinander, sondern soll auch Angst, Ignoranz und Ablehnung zwischen den Gruppen mindern. Eine Maßnahme ist die Auflösung der Gruppengrenzen, also der Wandel von intergruppalen zu interpersonellen Begegnungen. Die Haltung zu einzelnen Personen kann hierbei verbessert werden, nicht jedoch zur gesamten fremden Gruppe. (Hewstone/ Brown, 1986).22 Eine alternative Methode zur Lösung von Intergruppenkonflikten beschreibt die Kontakthypothese von G. W. Allport aus dem Jahr 1954. Sie sagt aus, dass durch zunehmenden Kontakt zweier Gruppen Gemeinsamkeiten entdeckt werden können. Bedingungen hierfür sind ein gleicher Status der Kontaktpersonen, gleiche Ziele, Kooperation bei der Erreichung eines gemeinsamen Ziels und die institutionelle Unterstützung durch beispielsweise Gesetze oder Normen (Piontkowski, 2011). 21 Das Experiment -- Adler gegen Klapperschlangen / Reto U. Schneider. In: Die Zeitschrift der Neuen Züricher Zeitung. NNZ Folio 10/05 – Thema: Reich und Schön 22 Die Ausgrenzung von Minderheiten – Psychologische Erklärungen / Ulrich Wagner. In: Wissenschaft & Frieden 1997-1: Nebeneinander – Gegeneinander – Miteinander 13 4. Literaturverzeichnis FRINDTE, WOLFGANG (2002): Einführung in die Kommunikationspsychologie. Weinheim: Beltz. S. 117-137. KNAPP, K.; KNAPP-POTTHOFF, A. (1990): Zeitschrift für Fremdsprachenforschung. S. 1. <http://ikwa.eu/resources/Knapp_2004.pdf> [Zugriff: 11.11.2012 um 15.10 Uhr] PIONTKOWSKI, URSULA (2011): Sozialpsychologie. Eine Einführung in die Psychologie sozialer Interaktion. München: Oldenbourg. S. 165. SCHNEIDER, RETO U.: Das Experiment – Adler gegen Klapperschlangen. In: Die Zeitschrift der Neuen Züricher Zeitung. NNZ Folio 10/0 5– Thema: Reich und Schön <http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/ 9d44ff43-9078-487a-8504-ac24bbfcbb7a.aspx> [Zugriff: 12.11.2012 um 20.10 Uhr] WAGNER, ULRICH: Die Ausgrenzung von Minderheiten – Psychologische Erklärungen. In: Wissenschaft & Frieden 1997-1: Nebeneinander – Gegeneinander – Miteinander <http://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=1205> [Zugriff: 12.11.2012 um 19.10 Uhr] 14 WAGNER, ULRICH (2006): Intergruppenbeziehungen. In: Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie / Bierhoff, Hans-Werner; Frey, Dieter. – Göttingen: Hogrefe, S. 663. 5. Eigenständigkeitserklärung "Wir versichern, dass wir die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet haben. Wörtlich oder dem Sinn nach ausgedruckten oder elektronischen Quellen entnommene oder entlehnte Textstellen sind von uns durchweg eindeutig als solche gekennzeichnet worden. Uns ist bekannt, dass auch kleinere Verstöße gegen diese Erklärung nicht nur die Annullierung dieser Arbeit und den Ausschluss aus der betreffenden Lehrveranstaltung zwingend nach sich ziehen, sondern darüber hinaus zu weiteren Sanktionen der Universität Flensburg führen können." Mareike Handschuch Victoria Homuth Jennifer Puck Christopher Schmidt 15