Auslösezählrohre (Geiger-Müller-Zählrohre) 1. Wirkungsweise Unterscheiden sich im Aufbau nicht von Proportionalzählrohren (gasgefüllte zylindrische Anordnungen mit dünnem Zähldraht). Die Betriebsspannung oberhalb des Proportionalitätsbereiches / im Auslösebereich. Gasverstärkung nicht mehr von der Primärionisation unabhängig. Infolge der höheren elektrischen Feldstärke entstehen beim Aufbau de Ladungsträgerlawinen in zunehmendem Maße angeregte Gasatome, die Photonen emittieren. Durch Photoeffekt an der Katodenwand und im Zählgas werden im ganzen Zählrohr Sekundärelektronen gebildet, die neue Ladungsträgerlawinen auslösen. Im Gegensatz zu den Proportionalzählrohren bleibt die Lawinenbildung jedoch nicht auf die Orte der Primärionisation beschränkt, sondern breitet sich über das gesamte Zählrohr aus. Während die gebildeten Elektronen in etwa 10^-8 s abgesaugt werden, baut sich um den Zähldraht eine schlauchförmige Raumladungswolke schwerbeweglicher Ionen auf. Diese wirkt als virtuelle Anode und setzt die Feldstärke in Nähe des Zähldrahtes so stark herab, daß die Lawinenbildung zunächst abbricht. Die in Auslösezählrohren erzeugte Ladungsmenge ist von der Primärladung unabhängig. Sie ist nur eine Funktion der elektrischen Feldstärke und der Zähldrahtlänge. Zwischen dieser Signalladung und der absorbierten Strahlungsenergie besteht also keine Proportionalität. Die in das empfindliche Zählrohrvolumen einfallenden Teilchen lösen lediglich den Entladungsvorgang aus. Unabhängig von der Primärionisation entstehen stets Impulse gleicher Höhe. Damit Auslösezählrohre zur Zählung aufeinanderfolgender Teilchen verwendet werden können, muß der einmal eingeleitete Entladungsvorgang abbrechen. Das ist zunächst nicht der Fall. In etwa 10^-4 s wandern die positiven Ionen zur Katode und können bei ihrer Neutralisation aus der Oberfläche Sekundärelektronen befreien. Außerdem entstehen durch angeregte Gasatome Photoelektronen. Da inzwischen die elektrische Feldstärke am Anodendraht wieder angestiegen ist, setzt durch diese Ladungsträger der Entladungsvorgang von selbst erneut ein. Die durch ein einziges Teilchen gezündete Entladung würde in eine Dauerentladung übergehen und nicht zum Erlöschen kommen. Damit eine neue Gasentladung erst dann wieder ausgelöst wird, wenn ein ionisierendes Teilchen das Zählrohr durchsetzt, muß durch besondere Vorkehrungen die Unterbrechung dieses Vorganges erzwungen werden. Die Löschung der Entladung kann auf zweierlei Weise erfolgen. Je nach der Art des Löschprozesses unterscheidet man nichtselbstlöschende und selbstlöschende Zählrohre. 2. Löschung der Zählrohrentladung Bei den mit ein- oder zweiatomigen Gasen gefüllten nichtselbstlöschenden Zählrohren bewirkt eine äußere elektronische Schaltung die Löschung der Entladung. Die Zählrohrspannung wird nach der Zündung der Entladung solange unter den zur Vermehrung der Ladungsträger erforderlichen Wert abgesenkt, bis alle positiven Ionen den Katodenmantel erreicht haben. Das läßt sich mit einem hochohmigen Arbeitswiderstand oder einem speziellen elektronischen Löschkreis erreichen. Heute werden vorwiegend selbstlöschende Zählrohre benutzt. Wenn man dem Zählgas (Argon) ein sog. Löschgas beimengt, bricht die Entladung ohne äußere Hilfsmittel ab. Als Löschzusätze eignen sich mehratomige organische Dämpfe und Gase (Ethanol, Methan) oder Halogene (Brom, Chlor). Eine oft verwendete Zählrohrfüllung besteht aus Argon und Ethanol im Verhältnis 10:1 bei einem Gesamtdruck von etwa 13 kPa. Der Löschzusatz beeinflußt den Entladungsmechanismus in zweifacher Weise. Zunächst bildet sich auch in einem selbstlöschenden Zählrohr die erste Ladungsträgerlawine aus. Die Löschgasmoleküle absorbieren nun aber weitgehend die längs des Zähldrahtes von angeregten Edelgasatomen ausgesandten Photonen, so daß diese nicht bis zur Katode gelangen und Photoelektronen befreien können. Außerdem übergeben die positiven Edelgasionen den Löschgasmolekülen bei Zusammenstößen ihre Ladung, weil deren Ionisierungsenergie geringer als die der Zählgasatome ist. Anstatt der Zählgasionen wandern daher geladene Löschgasmoleküle zur Zählrohrwand. Die bei der Neutralisation an der Katode freiwerdende Anregungsenergie führt in der Regel zur Dissoziation der Moleküle, so daß auch die Bildung von Sekundärelektronen unterbleibt. Damit kommt der Entladungsvorgang zum Stillstand. Eine Gasentladung kann erst dann wieder gezündet werden, wenn ein neues Teilchen in das Zählrohr eintritt und das Füllgas ionisiert. 3. Zählrohrcharakteristik Bei konstanter Einstrahlung ergibt sich die Charakteristik eines Geiger-Müller-Zählrohres durch Messung der Impulsrate in Abhängigkeit von der angelegten Spannung. Die Abb.2 zeigt schematisch eine solche Kennlinie. Erst ab einer bestimmten Mindestspannung, der Einsatzspannung UE, beginnt das Zählrohr zu arbeiten. Dieser Spannungswert ist von der Ansprechschwelle der Zählanordnung und von den Eigenschaften des Zählrohres abhängig. Bei selbstlöschenden Zählrohren mit organischem Löschgas beträgt UE etwa 800 bis 1000 V. Halogenzählrohre besitzen Einsatzspannungen zwischen 200 und 400 V. Oberhalb der Einsatzspannung steigt die Impulsrate zunächst steil an und verändert sich zwischen den Spannungswerten UP und UD nur noch wenig. Dieser Bereich annähernd konstanter Impulsrate wird Zählrohrplateau genannt. Bei guten Zählrohren beträgt die Plateaulänge UD Up etwa 100 bis 200 V. Die Arbeitsspannung UA wird in das untere Drittel des Plateaus gelegt. Meist betreibt man Auslösezählrohre etwa 100V oberhalb der Einsatzspannung: UA = UE + 100V. Außer der Plateaulänge ist die Steigung s des Plateaus ein Kriterium für die Güte von Zählrohren. Sie wird als relative Impulsratenänderung je 100 V Spannungsänderung definiert und in Prozent je 100 V angegeben. 4. Zeitliches Auflösungsvermögen Das zeitliche Auflösungsvermögen eines selbstlöschenden Geiger- Müller-Zählrohres steht in engem Zusammenhang mit der bereits beschriebenen Ausbildung einer positiven Raumladungswolke um den Zähldraht. Solange sich die Ionen in mittelbarer Nähe des Anodendrahtes befinden, ist die elektrische Feldstärke soweit herabgesetzt, daß einfallende Teilchen keinen Impuls auslösen können. Nach der Zündung einer Entladung ist daher das Zählrohr während der sog. Totzeit tT für einfallende Teilchen unempfindlich. Mit wachsendem Abstand des Ionenschlauches von der Anode nimmt die Feldstärke allmählich zu, so daß erneut eine Lawinenbildung einsetzen kann. Die entstehenden Impulse sind zunächst klein und erreichen erst nach Ablauf der Auflösungszeit tA die erforderliche Minimalgröße u min, um das Zählgerät wieder zum Ansprechen zu bringen. Der Zeitabschnitt von der Zündung einer Entladung bis zur Ausbildung von Impulsen der ursprünglichen Höhe heißt Erholungszeit tE. Die Abb.2 veranschaulicht diese charakteristischen Zeiten eines Zählrohres anhand der schematischen Darstellung des zeitlichen Verlaufes der Impulshöhe und der Zählrohrspannung. Die Totzeit handelsüblicher Auslösezählrohre beträgt etwa 100 bis 300 µs. Das zeitliche Auflösungsvermögen wird durch die etwas größere Auflösungszeit bestimmt. Insbesondere bei hohen Teilchenflußdichten treten infolge der Auflösungszeit Zählverluste auf. Von einer Zählanordnung werden daher grundsätzlich zu wenig Impulse registriert. Die wahre Impulsrate kann bei bekannter Auflösungszeit tA aus der gemessenen Impulsrate tA mit Hilfe des Auflösungsfaktors rechnerisch ermittelt werden. 5. Nachweiseffektivität Unter der Nachweiseffektivität eines Zählrohres versteht man die Wahrscheinlichkeit, mit der ein in das empfindliche Volumen eindringendes direkt oder indirekt ionisierendes Teilchen einen Impuls auslöst. Es wird durch das Verhältnis der registrierten Impulszahl zur Anzahl der einfallenden Teilchen ausgedrückt. Für - und ß-Teilchen ist das Ansprechvermögen nahezu 100 %. Der Nachweis von Röntgen- und y-Strahlung beruht auf den aus der Zählrohrwand befreiten Sekundärelektronen. Die Nachweiseffektivität hängt daher für diese Strahlungsarten in starkem Maße von der Art und Dicke des Katodenmaterials ab. Während für weiche Röntgenstrahlung eine Ansprechwahrscheinlichkeit bis zu 50 % erreichbar ist, liegt sie für energiereiche Röntgen- und -Strahlung nur in der Größenordnung von 1 %. 6. Lebensdauer selbstlöschender Zählrohre Selbstlöschende Zählrohre haben infolge der Dissoziation der Löschgasmoleküle eine begrenzte Lebensdauer. Wenn die Plateaulänge 100 V unterschreitet und die Plateausteigung 10 % je 100 V übertrifft, ist die Grenze der Nutzungsdauer erreicht. Sie liegt bei Zählrohren mit organischem Löschdampf in der Größenordnung von 10^8 Impulsen. Halogenzählrohre besitzen dagegen eine Impulslebensdauer von mindestens 10^10 Impulsen, weil die dissoziierten Halogenmoleküle wieder rekombinieren, so daß der Halogenanteil weitgehend erhalten bleibt. 7. Zählrohrtypen und Anwendung Geiger-Müller-Zählrohre sind im Gegensatz zu Proportionalzählrohren wegen der Unabhängigkeit der Impulshöhe von der Primärionisation weder zur Messung der Strahlungsenergie noch zur Teilchendiskriminierung geeignet. Sie können lediglich als reine Zähler verwendet werden. Von Vorteil sind die großen Impulshöhen (1 bis 100 V), so daß der Einsatz einfacher und robuster Impulszählgeräte oder Impulsdichtemesser möglich ist. Von der Industrie werden für die verschiedensten Verwendungszwecke Zählrohre angeboten. Die Ausführungsformen sind dem Aggregatzustand der Meßproben sowie der nachzuweisenden Strahlungsart angepaßt. Die Abb. 3 zeigt den schematischen Aufbau von drei häufig angewendeten Zählrohrtypen. Zylindrische Mantelzählrohre dienen zur Messung von energiereicher ß- und y-Strahlung. Für den Nachweis von - und energiearmer ß-Strahlung werden sog. Glocken- oder Endfensterzählrohre benutzt. Die Strahlung tritt durch ein dünnes Glimmerfenster, das den Katodenzylinder abschließt, in das Zählrohrinnere. Radioaktive Flüssigkeiten lassen sich mit Becher-, Eintauch- oder Durchflußzählrohren ausmessen.