Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen Nan-Hi Lee(Ewha Womans University) I. Vorbemerkungen Mit Hilfe ihrer Feldereinteilung hat die Stellungsfeldertheorie zu einer Beschreibung von Wortstellungsphänomenen im Deutschen beigetragen und u. a. gezeigt, daß rechte und linke Satzklammer(SK) nur in ganz bestimmten Kombinationen auftreten können. 1 Ausgehend von der Beobachtung, daß in Sätzen mit Verbendstellung die einleitende Konjunktion der linken, das finite Verb der rechten SK entspricht, gibt es unter den Linguisten verschiedene Meinungen über die Zusammenhänge zwischen nebensatzeinleitenden Konnektiven und der Verbendstellung. Es gibt Linguisten, die glauben, daß es ‘tiefere Zusammenhänge’ zwischen Komplementierereinleitung und Verbendstellung gibt. Zu ihnen gehört die Mehrheit der Generativisten, obwohl ihre Begründungen dafür nicht immer gleich sind. Andererseits gibt es Linguisten, wie Rinas (1997), die solche ‘tieferen Zusammenhänge’ bezweifeln. Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein Beitrag zu dieser Diskussion und hat vor, anhand der Komplementierer2 daß und ob, die Ergänzungssätze einleiten, die bisherigen Pro-und Contra- Positionen kritisch zu betrachten und ihren 1 2 Zu Bemerkungen über die Geschichte der Felderterminologie vgl. Dürscheid (1989:6ff), Abraham(1995a). Die Komplementsätze einleitenden Lexeme wie z.B. daß sind in wissenschaftlichen Abhandlungen unter den Bezeichnungen „Complementizer“, „Anschlußformen“, „Nominalisator“, „Konnexe“ oder „Komplementierer“ zu finden. In der vorliegenden Arbeit werde ich sie je nach Kontext „Komplementierer“ oder „Ergänzungssatz-konnektive“ (EGS-Konnektive) nennen. 308 Status noch einmal zu reflektieren. Obwohl die deskriptive Relevanz der Stellungsfeldereinteilung außer Frage steht, ist es eigentlich nicht der Gegenstand der Stellungsfeldertheorie, zu untersuchen, welche Zusammenhänge zwischen den beobachteten Fakten bestehen bzw. ob und wie diese in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden könnten. Dieses Modell kann nur beschreiben, welche Regularitäten existieren. Im folgenden wollen wir hauptsächlich über die Probleme der deutschen Komplementierer im Rahmen der generativen Syntax diskutieren. Vor allem die Generativisten haben nämlich zum Status der satzeinleitenden Komplementierer Stellung bezogen, und viele Linguisten übernehmen ohne nähere Überprüfung die Grundannahmen der Generativisten. Zunächst wollen wir einen chronologischen Überblick zu den verschiedenen Vorschlägen geben. Danach wollen wir Argumente gegen die Annahmen der Generativisten anführen. Ich kann schon vorausschicken, daß bei der Bestimmung der Komplementierer eine Reduktion auf die syntaktische Analyse, wie dies die Generativisten tun, den Daten nicht gerecht wird. II. Die Komplementierer im Rahmen der Generativen Syntax II.1. Die Generative Grammatik hat verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen. Vor dem Hintergrund der jeweiligen Entwicklungsphase wurde über die deutschen Satzanalysen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten diskutiert. Sie läßt sich grob in die Phase der Standardtheorie (etwa 60er Jahre), der Revidierten Erweiterten Standardtheorie (etwa 70er Jahre), der Government-Bindung-Theorie (80er Jahre) und in die Phase des Minimalistischen Programms (90er Jahre) einteilen. Was Komplementierer wie daß, ob, Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 309 die Ergänzungssätze einleiten, angeht, so wurden sie meistens im Zusammenhang mit den Beschreibungsproblemen der Satzkategorie behandelt. In frühen generativen Modellen (Chomsky 1957, 1965) werden Sätze als Einheit aus Subjekt und Prädikat aufgefaßt wie (1), wobei von der angemessenen Beschreibung der nebensatzeinleitenden Konnektiven kaum die Rede war: (1) S NP VP3 Der entscheidene Anstoß zur eingehenden Untersuchung der nebensatzeinleitenden Konnektiva wie daß kam von Bresnans (1970, 1972) Studien zur Struktur von Sätzen, insbesondere von eingebetteten Sätzen. Bresnan schlug vor, vor dem ‘eigentlichen’ Satzverband S eine eigenständige strukturelle, funktionale Kategorie COMP anzusetzen, um die Struktur von Nebensätzen befriedigend zu beschreiben, zunächst wie in (2): (2) S´ COMP S (Bresnan 1970: 300) In den 70er Jahren wurden im Rahmen der Generativen Syntax die Probleme der Konnektiva wie daß im Zusammenhang mit den Komplementsätzen behandelt. Eines der meist diskutierten Themen in diesem Zusammenhang war die Frage, wie Komplementierer wie daß zu betrachten sind. Sind sie als bedeutungsleere Einheiten nur durch Transformationsregeln in die Syntax einzuführen oder als bedeutungstragende Morpheme durch Phrasenstrukturregeln einzuführen? Rosenbaum (1967: 25) z.B. ist der Ansicht, daß es keine zwingenden Beweise dafür gibt, daß eine Position der 3 Die Numerierung sämtlicher Beispielsätze und Regeln in dieser Arbeit stammt von mir. 310 anderen vorzuziehen ist. Er bevorzugt jedoch die transformationelle Alternative. Auch Lakoff (1968) vertritt die transformationelle Hypothese, weil er glaubt, daß Komplementierer keine eigenen semantischen Inhalte haben. Hingegen ist z.B. Bresnan (1970: 300) der Meinung, daß Komplementierer schon in die Tiefenstruktur durch eine Konstituentenregel einzuführen sind, weil sie keine bedeutungsleeren Einheiten, sondern bedeutungstragende Morpheme sind. In diesen Diskussionen wurde jedoch kaum der Frage nachgegangen, welche eigenen Bedeutungen bzw. welche Zulassungsbedingungen die jeweiligen Komplementierer haben. II.2. Anfang der 80er Jahre wurden die EGS-einleitenden Komplementierer im Deutschen vor dem Hintergrund der GovernmentBinding-Theorie (im folgenden GB-Theorie) meistens im Zusammenhang mit Problemen der satzeinleitenden COMP-Struktur diskutiert. In Chomsky (1981: 52f) wird im Rahmen der GB-Theorie angenommen, daß COMP zwei Positionen enthält: eine, die durch in COMP bewegte Kategorien (z.B. WElemente, PRO) gefüllt werden kann, sowie eine, die durch das Merkmal WH repräsentiert ist. Diese kann durch basiserzeugte Elemente wie that, whether, for, gefüllt sein, die vom Matrixverben subkategorisiert sind. (3) WH X COMP for COMP (Vgl. Chomsky 1981: 53) In der GB-Theorie hat man Versuche unternommen, die Analysen des Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 311 Deutschen mit Hilfe der topologischen Feldertheorie (Stellungsfeldertheorie) mit der generativen Syntaxanalyse in Verbindung zu bringen.4 Wie wir in den Vorbemerkungen geschrieben haben, geht das topologische Modell im Deutschen von der Korrelation zwischen der Anwesenheit von satzeinleitenden Ausdrücken und der Endstellung des Finitums aus. Wenn die linke SK mit einer Konjunktion besetzt ist, steht das finite Verb in der rechten SK. Ist die linke SK frei, muß sie vom finiten Verb besetzt werden. Aus dieser Beobachtung scheinen viele Linguisten im Rahmen der GB-Theorie implizit anzunehmen, daß die Satzanfangsposition entweder mit einer Konjunktion oder mit einem Finitum besetzt werden muß. In diesem Zusammenhang wurde u.a. diskutiert, wie diese satzeinleitende Position zu interpretieren ist, d.h. ob im Deutschen auf der D-Struktur bestimmte strukturelle satzeinleitende Positionen (COMP-Positionen) vorzusehen sind. Im Rahmen der GB-Theorie gehen die Meinungen darüber auseinander: Es gibt Linguisten, die für alle Sätze des Deutschen - sowohl Hauptsätze wie auch Nebensätze - ein oder zwei strukturelle satzeinleitende COMP-Positionen annehmen. Andererseits gibt es welche, die die COMP-Position nur für Nebensätze akzeptieren und für Hauptsätze ganz fallenlassen. In diesem Zusammenhang wurde dann die Frage gestellt, ob im Deutschen nur eine einzige Satzkategorie für Hauptsätze und Nebensätze anzusetzen ist. Mit anderen Worten: Gehören Verb-ZweitSätze (V/2-Sätze) und Verb-End-Sätze (V/1-Sätze) beide der gleichen Satzkategorie an (Symmetrie-Hypothese, Uniformitätsthese) oder ist für VerbZweit-Sätze nicht eventuell eine andere Kategorie anzunehmen (AsymmetrieHypothese, Differenzthese)? Diese Vorstellung gibt Reis (1985) mit folgenden Thesen wieder: 4 Nach Haider (1993: 67) war es ein amerikanischer Forscher, Klima (1975), der die Verknüpfung von Felder-theorie und generativer Syntaxanalyse erkannt hat. Für die deutschen Satzstrukturen siehe u.a. den Besten (1977, 1983), Olsen (1982), 312 (4) a. (SH): Alle Satztypen des Deutschen gehen auf eine einheitliche D-Struktur mit initialem COMP zurück. (Reis 1985: 274) b. (AH): Nur Complementizer-eingeleitete Sätze weisen in der D-Struktur eine initiale COMP-Position auf; V/2- und V/1-Sätze sind COMPlos. (Reis 1985: 273) Die an der revidierten erweiterten Standardtheorie orientierten Analysen, die u.a. von Thiersch (1978), Lenerz (1981), den Besten (1983) und Olsen (1982) durchgeführt werden, gehen in der Regel davon aus, daß alle Satztypen des Deutschen eine einheitliche Struktur besitzen und daß diese Struktur ein initiales COMP mit zwei Positionen aufweist. Tiersch (1978) gilt als der erste, der die Prinzipien der Revidierten Erweiterten Standardtheorie (REST) aufs Deutsche überträgt. Seine Arbeit bildet die Grundlage für die spätere Diskussion über die deutsche COMP-Struktur. Tiersch (1978: 38) teilt die Bewegungsregel in R1 und R2: R1 bewegt finite, R2 bewegt nicht-finite Konstituenten: Aufgrund von Strukturerhaltungsprinzip wird durch Anwendung der R1 das finite Verb in die mit Tps spezifizierte COMP2-Position (COMP B) gestellt, R2 bewegt eine beliebige nicht-finite maximale Projektion zu einer mit dem Merkmal -Tps spezifitierten COMP1-Position (COMP A). Unterbleiben sowohl R1 und auch R2, erhält man an der S-Struktur Konjunktion eingeleitete Sätze mit V/E-Stellung. Aufgrund der Annahme, daß es zwei COMP-initiale Positionen gibt, nennt Reis(1985) diese Arbeiten Doppelkopf-Analyse (DK-Analyse), gegen die sie Reis (1985) und Abraham (1995a). Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen in verschiedenen Punkten argumentiert. 5 313 Ein Punkt davon betrifft den Umstand, daß die DK-Analyse W-Phrasen sowohl in Hauptsätzen als auch in Nebensätzen (in indirekten Fragesätzen) genauso wie andere X´´-Phrasen behandelt und durch Anwendung der R2 zur COMP-Position A bewegt. In diesem Zusammenhang weist Reis auf die deskriptiven und strukturellen Unterschiede zwischen Haupt-und Nebensätzen hin, denen bei der Beschreibung des Deutschen Rechnung getragen werden müssen (vgl. S. 293f.). Reis (1985: 294ff.) glaubt, daß es bei der Hauptsatz-NebensatzAsymmetrie in W-Fragesätzen nicht nur um die Verbstellung geht, sondern auch und vor allem um den Status der W-Phrasen. Sie bringt unabhängige Argumente6 dafür, daß W-Phrasen in eingebetteten Sätzen im Gegensatz zu denen in Hauptsätzen den Status eines Complementizers haben. Anhand der Daten plädiert Reis dafür, daß man anders als bei der DK-Analyse für WPhrasen je nach Vorkommen in V/2- oder V/E-Sätzen unterschiedliche Landeplätze annehmen sollte. In V/2-Sätzen besetzen W-Phrasen wie normale X´´-Phrasen die erste COMP-Position A, in V/E-Sätzen müssen sie wie eine Art subordinierter Complementizer in der zweiten COMP-Position B stehen. Die Reis'sche Kritik gilt ebenso für alle Ansätze 7, die in der zugrundeliegenden Struktur zwei COMP-Positionen annehmen, gleichgültig ob sie einen COMP-Knoten mit zwei Positionen oder zwei unabhängige COMPPositionen ansetzen, und die davon ausgehen, daß W-Phrasen sich in Hauptsätzen und Nebensätzen immer einheitlich wie X´´-Phrasen zur ersten COMP-Position A bewegen. Um für die Voranstellung der W-Phrasen nicht 5 6 7 Zu gemeinsamen Grundzügen der DK-Analysen und zu ihrer Kritik daran siehe Reis (1985: 276-296). Das sind beispielsweise Positionierung von W-Phrasen, Koordinationsphänomene, Flexionsphänomene, usw. Näheres siehe Reis (1985: 294ff.). Vgl. u.a. Thiersch (1978), Lenerz (1981), Olsen (1985), den Besten (1983), Bayer (1984), Fanselow (1987). 314 zwei verschiedene Regeln annehmen zu müssen, macht Reis (vgl. 1985: 305f. ) u.a. den Vorschlag, daß alle Hauptsätze COMP-los sind und daß alle Nebensätze mit COMP beginnen. D.h. im Deutschen ist die Satzanfangsposition je nach Satztyp unterschiedlich gefüllt. Außerdem läßt sich eine W-Voranstellung einheitlich als Bewegung einer W-Phrase in die erste kategoriale Position eines Satzes definieren. Daraus folgt, daß nur im Nebensatz bei W-Voranstellung eine Bewegung nach COMP vorliegt. Mit ihrer Kritik an der DK-Analyse hat Reis zu zeigen versucht, daß bei der Bestimmung der Satzkategorie die Asymmetrie-Hypothese der SymmetrieHypothese überlegen ist. In diesem Zusammenhang bezeichnet Grewendorf (1986: 7) folgende Hauptpunkte als das Reis'sche Dilemma, das allen Vorschlägen zur deutschen COMP-Struktur Schwierigkeiten bereitet: (5) a. die Position basiserzeugter Complementizer muß zugleich als Position für das finite Verb in Frage kommen (mit entsprechenden Konsequenzen nach dem Strukturerhaltungsprinzip); b. die positionale Trennung zwischen einem Landeplatz für W-Bewegung und einer Complementizerposition kann einerseits nicht aufrechterhalten werden (cf. indirekte W-Fragen) und muß andererseits doch aufrechterhalten werden (cf. direkte W-Fragen). II.3. Dieses Dilemma schien sich zunächst mit dem X´-Schema von Chomsky (1986) zu lösen, mit dem der Strukturaufbau von Phrasen beschrieben wird. Im Zuge der Vereinheitlichung der X´-Theorie wird in Chomsky (1986) angenommen, daß eine COMP-Phrase (CP), wie jede andere maximale Projektion auch, eine endozentrische Phrase darstellt, daß also die maximale Projektion COMP´´ und nicht S´ ist. Der eingebettete Satz als Komplement eines Komplementierers wird wiederum als INFL-Phrase (IP) Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 315 analysiert. Der Knoten INFL umfaßt die Flexionsmerkmale für Finitheit, Person und Numerus, die als die Kongruenzmerkmale von Subjekt und Prädikat gelten. Diesem Vorschlag zufolge gibt es zwei verschiedene Projektionen des Satzsystems: Das traditionelle S wird analysiert als maximale Projektion von INFL(I) und das traditionelle S´ wird analysiert als maximale Projektion von COMP(C). Die Satzstruktur entsteht also im Zusammenspiel eines INFL(I)- und eines COMP(C)-Systems.8 Damit ist die Satzstruktur/CP-Struktur (wie auch S durch die Analyse als IP) in das generelle X´-Schema integriert: Die CP enthält dieselbe Anzahl von Projektionsstufen wie andere maximale Phrasen auch, wobei die Projektion von einem Kopf den Ausgang nimmt. Die XP-Position wird von maximalen Phrasen (z.B. NP oder PP) besetzt. Die C-Position bleibt dagegen für lexikalische Ausdrücke der X0-Stufe reserviert. Nach dieser Analyse gibt es in der CP neben der Position für 'echte' Komplementierer wie daß, ob, usw., eine zweite Position. In V/E-Sätzen ist diese zweite Position (die SpezifiziererPosition der CP) aufgrund des Strukturerhaltungsprinzips der Landeplatz für W- und Relativausdrücke, d.h. für einen spezifischen Typ von maximalen Phrasen; in V/2-Sätzen repräsentiert sie das Vorfeld. Aus demselben Grund kann die Position C als Landeplatz für ein finites Verb dienen. Denn sowohl bei V als auch bei C handelt es sich um X0-Konstituenten (vgl. Oppenrieder 1991:172f.). Die X´-Analyse des Satzes kann jedoch das Reis'sche Dilemma nicht besser lösen. Wie wir an der Grundstruktur der X´-Analyse gesehen haben, hat diese Analyse schon in der zugrundeliegenden Struktur zwei Positionen für COMP vorgesehen, wie die Doppelkopf-Analyse, gegen die Reis (1985) argumentiert. Außerdem bewegen sich W-Phrasen im Hauptsatz und 8 Eine ausführliche Begründung für die Annahme dieser Satzstruktur geben u.a. 316 Nebensatz immer einheitlich wie XP-Phrasen zur ersten COMP-Position. Ein grundlegendes Problem scheint darin zu liegen, daß eine Doppelfüllung im allgemeinen nur dann möglich ist, wenn die C-Position durch ein finites Verb besetzt ist. Wenn das nicht der Fall ist, muß, wie die folgenden Beispiele zeigen, eine der beiden zugrundeliegenden Positionen leer bleiben. Sonst ergeben sich ungrammatische Sätze: Wenn die C-Position durch einen basisgenerierten Komplementierer besetzt ist, muß die CP-Spec Position leer sein. So ist (6a.) möglich, während die Sätze (6b.), (6c.) nicht zulässig sind. (6) a. Ich weiß, [CP [Spec e][C´[C daß][IP Peter das Buch liest]]] b. *Ich weiß, [CP [Spec Peteri][C´[C daß][IP ti das Buch liest]]] c *Ich weiß, [CP [Spec wasi][C´[C daß][IP Peter ti liest] Umgekehrt: wenn die CP-Spec Position in den V/E-Sätzen mit W-Phrasen oder Relativpronomina besetzt ist, darf die C-Position nicht gleichzeitig besetzt sein. Im Unterschied zu den Sätzen in (7a.) sind die Sätze in (7b.), (7c.) ungrammatisch. (7) a. Ich weiß, [CP [Spec wasi][C´[C e][IP Peter ti liest]]] b. *Ich weiß, [CP [Spec wasi][C´[C daß/ob][IP Peter ti liest]]] c. *Ich weiß, [CP [Spec wasi][C´[C liestj][IP Peter ti tj]]] Hierbei ergibt sich die Frage, warum im Deutschen in eingebetteten Fragesätzen und in Relativsätzen V/E-Stellung vorliegt, obwohl die CPosition leer ist. Mit anderen Worten: Was blockiert die Voranstellung des finiten Verbs in die C-Position? Hierzu gibt es kaum Lösungsvorschläge, die Fanselow/Felix (1987: 54ff.) und Grewendorf (1991 2: 48ff.). Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 317 ohne weiteres zu akzeptieren sind. Grewendorfs Vorschlag 9 , der im allgemeinen angenommen wird, sieht folgendes vor: In eingebetteten W-Fragen wird die CP (=der eingebettete Satz) vom Matrixsatz subkategorisiert, d.h. die Selektionsmerkmale perkolieren vom Matrixverb an den Kopf der CP, also an C0. Von C0 aus werden sie auf Grund des Spec-head-agreement an die SpecCP-Position vererbt, in der sie von einer maximalen Projektion realisiert werden können. Doch wie Rinas (1997: 167) dazu richtig bemerkt, bleibt auch bei Grewendorf unklar, „von welchen Merkmalen die Rede ist, d.h., was denn das für Merkmale sind, (... ) Wer oder was perkoliert weshalb bis wohin?“ Eine weitere Frage, die die X´-COMP-Analyse zu beantworten hat, ist die nach dem Spezifizierer von CP (Spec-CP). Spezifizierer sind im X´-System Chomskys Ausdrücke, die strukturell als Tochter der jeweiligen XP (maximalen Phrase) analysiert werden, d.h. als Schwester der durch X0 und potentielle Komplemente gebildeten X’-Kategorie (vgl. Grewendorf 1991: 43). In der Literatur erfährt man kaum etwas darüber, welche gemeinsamen Eigenschaften die verschiedenen Spezifizierer haben, die strukturell einheitlich wie oben angegeben definiert sind. Nach Stechow/Sternefeld (1988: 132) sind Spezifizierer "gewisse Elemente, die Phrasen sozusagen abschließen" . In seiner Kritik an der Annahme eines Spezifizierers bemerkt auch Oppenrieder (vgl. 1991: 176) in einer Fußnote, daß Spezifizierer bei der Klassifikation der im X´-Schema auftretenden Elemente die übriggebliebenen, nämlich weder lexikalische Köpfe, noch subkategorisierte Komplementphrasen, noch frei hinzufügbare Adjunktphrasen sind. Was Spezifizierer außer diesem 'Rest-Charakter' gemeinsam haben, bleibt nach Oppenrieder unklar.10 Was die Spezifizierer von CP angeht, so schließen sich, 9 10 Er skizziert drei Lösungsvorschläge (vgl. Grewendorf 19912: 247-262). Als besonders kritisch sieht er die Identifikation der Spezifizierer im VP-Bereich an. Im VP-Bereich müßte gezeigt werden, wie sich Spezifizierer und Adjunkte 318 wie wir oben beobachtet haben, die beiden COMP-Positionen (Spezifizierer von CP und C0) immer gegenseitig aus: Der Spezifizierer von CP darf nicht mit seinem Kopf gleichzeitig vorkommen (vgl. (6)). Umgekehrt: Der Kopf (C0) von CP kann wiederum nicht mit seinem Spezifizierer gleichzeitig besetzt sein (vgl. (7)). Wenn die X´-COMP-Analyse die (Spec-)CP als eine zugrundliegende Struktur annimmt, läßt sich fragen, welchen Sinn das hat: ein Kopf ohne seinen Spezifizierer und umgekehrt. Ich bin mit Oppenrieder (1991: 176) der Meinung, daß der Begriff des Spezifizierers ein problematischer ist. II. 4. In den 90er Jahren wurde die GB-Theorie zum Minimalistischen Programm modifiziert. Die Veränderungen betreffen die Kasuszuweisung (Dürscheid 1999, 80), die Frage, an welcher Position das Subjekt basisgeneriert werden muß (vgl. dazu ausführlich die Diskussion in Haider 1993: 132-176, Chomsky/ Lasnik 1993: 531, Lenerz 1994: 163, Dürscheid 1999), die Frage, ob die IP ihrerseits aus der Projektion von mehreren funktionalen Kategorien besteht (sog. ‘Split-Infl-Hypothese’)11, die Art einer komplexeren Agr-Analyse. 12 Dennoch ist im Hinblick auf die Behandlung der EGSKonnektiva Wesentliches aus dem Modell der Phase des X´-Schemas von Chomsky (1986) unverändert geblieben. Dieses Modell geht aber von der gleichen COMP-Position wie bei der GB aus und von der Korrelation zwischen der Anwesenheit von satzeinleitenden Ausdrücken und der 11 12 unterscheiden lassen. In neueren Arbeiten wird im übrigen davon ausgegangen, daß der Spezifizierer der VP mit dem Subjekt besetzt ist. Wie viele Projektionen IP intern angesetzt werden müssen und ob die IP überhaupt gesplittet wird, ist in der generativen Literatur umstritten(vgl. Lalande 1997: 127f., Schmidt 1994, Abraham 1995b.1997). Vgl. ausführlich zu diesem Thema auch Dürscheid (1999: 73-85) und die dort angegebene Literatur. Zu den Argumenten vgl. ausführlich Pollock (1989) oder eine dem neueren Theoriestand verpflichtete Einführung (z.B. Radford 1997: Kap.10) Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 319 Endstellung des Finitums. Wir wollen uns hier nur auf Haider (1993, 1997) beziehen. Er (1993: 58-78) hebt nämlich die Frage hervor, ob die Annahme einer satzfinalen I-Position für die Beschreibung der Endstellung des finiten Verbs ausreiche und ob die Finitposition in V-erst-und V-zweit-Sätzen tatsächlich die Position mit der Kategorie C ist. Er ist der Meinung, daß es Evidenz dagegen gibt, daß für Deutsch ein funktionaler Kopf INFL am Satzende postuliert wird. Haider nimmt an, daß sowohl die C-Position als auch die Finit-position vor dem Mittelfeld eine funktionale Kopfposition ist und daß die beiden Positionen, die C-Position und die Position des Finitums, alternative Kategorisierungen desselben Ortes in der Struktur sind und daß ein Verb an dieser Stelle eine abgeleitete Position einnimmt.13 Entprechend dieser Sichtweise sind dann nach Haider (1993: 77) V-zweit-Satz und C-Satz zwar strukturell, aber nicht kategorial äquivalent. Um zu beweisen, daß Verb-zweit-Strukturen kategorial verschieden von CPs sind, beruft sich Haider auf Höhle (1989). Nach Beobachtungen von Höhle sind in Koordinationen Verb-zweit-Muster mit dem Mittelfeld einer CP koordinierbar. Ersetzung des V-zweit-Musters durch eine CP ist aber ungrammatisch: (8) a. Wenn du an das Satzende kommst und du findest das finite Verb nicht b. *Wenn du an das Satzende kommst und daß du das finite Verb nicht findest ( zitiert nach Haider 1993: 77 ) Aus obengenannten Beispielen schließt Haider (1993: 77-78) zweierlei. 13 Ansätze zu dieser Analyse finden sich schon in Haider (1986). Er erhärtet in seiner Deutschen Syntax (1993: 75-78) seineArgument anhand von Höhles(1988) Beobachtungen von Serialisierungseigenschaften von Elementen wie man oder der Verum-Fokus. 320 „Erstens ist eine V-zweit-Struktur kein kategoriales Äquivalent einer CP und zweitens ist das Mittelfeld koordinierbar mit einer V-zweit-Struktur.“ Nach seiner Meinung ist „es nicht offensichtlich, weshalb ein C-Satz in einem Konjunkt nicht sein angebliches kategoriales Äquivalent ersetzen könnte. Bei Koordination gibt es für die Kategorie der Köpfe der Konjunkte kein striktes Erfordernis der Identität der Merkmale der Köpfe der Konjunkte, wie das Beispiel(9) belegt, in dem ein W-Satz mit einem daß-Satz koordiniert ist.“ (9) Er hat gesagt, wo sie wohnt und daß sie erst kürzlich eingetroffen ist Haider nennt ferner Beispiele für das Subkategorisierungsverhalten von satzeinleitenden Köpfen, wie beispielsweise bei Präpositionen, um zu beweisen, daß es verfehlt ist, V-zweit-Sätze als CPs zu kategorisieren (vgl. S. 78): (10) a. ohne daß ich davon gewußt habe. b. *ohne ich habe davon gewußt c. ohne sie zu kennen d. anstatt daß sie mich gefragt hätte e. *anstatt sie hätte mich gefragt f. anstatt mich zu fragen Haider sagt mit Recht, „Wäre ein V-zweit-Satz bloß eine der möglichen Varianten einer deklarativen CP, sollte er so wie ein satzwertiger Infinitiv auch als P-Komplement auftreten können, da Präpositionen nicht wählerisch zu sein scheinen, was die funktionale Ausstattung ihres Komplements anbelangt:“ (S.78) (11) a. ohne mich/ Max /Milch Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 321 b. ohne einen Pfennig/ ihre Tochter c. ohne jede Scheu/ viel Aufhebens In diesem Zusammenhang fragt sich Haider, „Wie muß eine beliebige Präposition als X0-n-Kategorie, die ein CP-Komplement erlaubt, subkategorisiert sein, damit darin zum Ausdruck kommt, daß ein V-zweit-Satz kein zulässiges Komplement ist?“ (S. 78). Haider kommt zu der einfachen Antwort: V-zweit-Sätze sind keine CPs. III. Argumente gegen die Analyse der Generativen Syntax III.1. Im vorigen Kapitel haben wir im Hinblick auf die COMP-Strukturen die Grundzüge der Generativen Syntax betrachtet. Wir haben gesehen, daß die Frage, ob man alle Satzmuster des Deutschen von einem Grundmuster herleiten könne (Uniformitätsthese) oder ob es mehrere gleichberechtigte Muster gebe (vgl. Uniformitätsthese vs. Differenzthese, v. Stechow & Sternefeld 1988: 388ff.), trotz eingehender Diskussion nach wie vor offen ist. Außerdem ist noch in der Diskussion, ob die Finitposition in V-erst- und Vzweit-Sätzen tatsächlich die Position mit der Kategorie C ist. Diese Fragen hängen, wie wir bis jetzt gesehen haben, damit zusammen, daß die Generativisten implizit von der Annahme ausgehen, daß die Finitposition in V-erst-und V-zweit-Sätzen irgendwie mit der Position der Kategorie C korreliert, kategorial oder strukturell. Für diese These werden meistens folgende Argumente herangezogen: 1. In der traditionellen Stellungsfeldertheorie wurde angenommen, daß die linke 322 Satzklammer entweder mit einer nebensatzeinleitenden Konjunktion oder mit einem finiten Verb besetzt sein muß. Dies wird im allgemeinen als Indiz dafür genommen, daß das finite Verb die Position des Komplementierers einnimmt und daß das finite Verb und der Komplementierer komplementär verteilt sind. 2. Von der Art der Konjunktion hängt es ab, ob der Nebensatz finit oder infinit ist. Um fordert z.B. einen infiniten, daß einen finiten Nebensatz. 3. Auch Konjunktionen können in flektierten Formen auftreten.: wenn - e kumm 1. Pers. Sg. wenn - st kumm - st 2. Pers. Sg. wenn - a kumm - t 3. Pers. Sg. (Bayer 1984: 233) Was den Punkt 1) angeht, so ist klar, daß V-zweit-Sätze im Deutschen in normalen Fällen keine satzeinleitenden Konjunktionen haben und daß sich das finite Verb in den von Konjunktionen eingeleiteten Sätzen in der Endstellung befindet. Aber daraus kann man nicht ohne weiteres schließen, daß satzeinleitende Konjunktionen und finite Verben komplementär verteilt sind, oder sogar, daß eine kategoriale Identität von C und INFL vorliegt. Stechow/Sternefeld (1988: 403) sind z.B. der Meinung, daß die Übertragung des strukturalistischen Terminus Komplementarität auf die Syntax verfehlt oder zumindest höchst problematisch ist. Stechow/Sternefeld (1988: 405) sehen den Fehler vor allem darin, daß "man auf der Ebene, wo Komplementarität feststellbar ist, überhaupt nicht davon reden kann, daß z.B. ein Komplementierer nur Verb-End-Sätze einbettet, niemals aber Verb-ZweitSätze. Die Kategorie des Satzes kann es auf der betrachteten Ebene nämlich noch gar nicht geben. Genau solche Generalisierungen hat man bei den hier thematisierten distributionellen Überlegungen aber im Auge." III. 2. Rinas (1997) z.B. bezweifelt, daß es solche ‘tieferen Zusammenhänge zwischen Complementizereinleitung und Verbletztstellung wirklich Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 323 gibt. 14 Gegen diese Standardannahme der GB-Theorie nennt er folgende Punkte: 1. Sowohl für das Ahd. als auch für das Mhd. sind eine ganze Reihe von Sätzen belegt, bei denen sich das Verb des Nebensatzes in Endposition befindet, obwohl dieser Satz keinen Complementizer enthält. Rinas nennt die folgenden Beispiele aus dem Althochdeutschen (vgl. S. 121, Hervorhebung im Original) : (12) mir duncket, ih nu sehe (NOTKER 37,22) (13) ih weiz, sie thaz ouh woltun (OTFRIED IV,27,5) Für das Mittelhochdeutsche gibt Rinas (S.122) folgende Beispielsätze an: (14) ih vürhte ez im versmähe. (15) ich waen die tugende hie ze lande tiuwer ist und fremde. Rinas schreibt, „Daß-lose VL-Sätze treten noch im Mhd. (und zwar sogar in der Prosa-literatur) auf. Sie treten noch zu der Zeit auf, in der die germanische Verbletztstellung im Deutschen bereits aufgegeben war und in nicht-eingebetteten Sätzen V2-Stellung verwendet wurde (...), zu einer Zeit also, in der Endstellung des Verbs bereits ein Indikator für Subordination des Satzes ist.“(S. 122). Daraus zieht er den Schluß, daß bei diesen ahd. und mhd. Sätzen eindeutig mit Subordinationsstrukturen zu tun haben müßten. Rinas sieht es als gestützt, daß diese Konstruktionen nur nach Verben auftreten, die als Matrixverben verwendet werden. Gerade aus diesem Phänomen schließt Rinas, daß zumindest in früheren Stadien des Deutschen Complementizerein14 Im folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen in Rinas (1997: 121-132). 324 leitung und VL-Stellung unabhängig voneinander waren, und in diesem Zusammenhang fragt sich Rinas, ob es wirklich sinnvoll ist, für das Nhd. von einem ‘tieferen’ Zusammenhang von Complementizerpräsenz und VLStellung auszugehen. Er ist der Meinung, daß „der Zusammenhang viel schlichter und ‘oberflächlicher’ ist: Sowohl der daß-Complementizer als auch die VL-Stellung sind Indikatoren für Subordination, und die Anwendung gleich beider Indikatoren in vielen subordinierten Sätzen des Nhd. stellt daher offenbar schlicht ein Redundanzphänomen dar, was nichts ungewöhnliches ist, denn Redundanzen treten ja in natürlichen Sprachen häufig auf. (Man denke an ‘doppelte Negation’ und desgleichen.)“(S.129). 2. Es gibt die folgenden Hörbelege im gesprochenen Deutsch, die gegen die Standardannahme der GB sprechen (vgl. S. 129f.): (16) Ich glaube aber, daß durch den Sieg bleib´ich noch ´ne Weile Trainer. (17) Ich glaube, daß wenn das Ventil kaputt wäre, müßte Öl auslaufen. Solche Kontaminationen von Complementizer-Einleitung und V2Einbettung sind nach Rinas in der gesprochenen Sprache zu frequent, um sie als „bloßen Performanzmüll“ zu werten. Rinas wertet das häufige Vorkommen solcher Sätze eher als ein Indiz dafür, daß der Zusammenhang zwischen Complementizereinleitung und VL-Stellung in der gesprochenen Sprache gar nicht uneingeschränkt gilt (vgl. S. 130). 3. Die flektierenden Complementizer in den Dialekten können kein zuverlässiges Kriterium für die Annahme des obengenannten Zusammenhangs sein (vgl. S. 131f): Nach Rinas ist Complementizerflexion in diesen Dialekten durchaus optional. Es gibt auch in diesen Dialekten nicht-flektierte Complementizer, denn in den meisten (oder in allen?) Dialekten flektieren die Complementizer Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 325 nur dann, wenn das Verb des finiten Satzes, den sie einbetten, in der 2. Person Singular oder Plural steht (vgl. etwa Bayer 1984: 233, Grewendorf 1991: 207). 4. Auch die in der GB-Theorie häufig vorgetragene Annahme, daß eingebettete Sätze, die von einer W-Konstituente eingeleitet werden, VLStellung aufweisen müssen (vgl.etwa Grewendorf 19912: 205f.), gilt nach Beobachtung von Rinas für die gesprochene Sprache nur bedingt. Rinas nennt zwei weiterere Hörbelege (S.132): (18) Man wußte, wer war zuverlässig, und so suchte man die Leute dann aus. (19) Und da war einer, der hat geguckt,wo geh’n wir hin, und begleitete uns ständig. 5. Der Complementizer weil kann in der gesprochenen Sprache sowohl mit V2- als auch mit VL-Sätzen kombiniert werden (vgl. S. 132): (20) Sie konnte nicht trainieren, weil sie verletzt war. (21) Sie konnte nicht trainieren, weil sie war verletzt. Sätze wie (21) sind in der gesprochenen Sprache derartig frequent, daß auch die DUDEN-Grammatik (vgl. 19986: §731, Fn.1) sie bereits zur Kenntnis genommen hat. Wenn aber der Compementizer weil V2-Sätze dominieren kann, warum soll, fragt Rinas, dies dann nicht auch beim Complementizer daß moglich sein? III. 3. Abgesehen von dem oben genannten Bedenken Rinas´ erfährt man sehr spärlich, unter welchen Bedingungen die jeweiligen komplementsatzeinleitenden Konnektive zugelassen sind. Bei der Wahl der eingebetteten Satztypen gehen die meisten nicht über die 326 Annahme von Grewendorf (19912) hinaus , daß die Selektionsmerkmale vom Matrixverb an den Kopf der CP, also an C0 perkolieren. Wie Rinas(1997: 167) dazu richtig bemerkt, gibt es bei Grewendorfs Analyse Probleme (s.o.). Hinzuzufügen ist, daß die Wahl der nebensatzeinleitenden Komplementierer nicht ausschließlich vom Matrixverb abhängt, wie die folgenden Beispiele zeigen: (22)a. Er weiß nicht, daß Hans kommt. b. Er weiß nicht, ob Hans kommt. (23)a. Er hat vergessen, daß noch jemand wartet. b. Er hat vergessen, ob noch jemand wartet. (24)a. Er vermutet, daß sein Vater kommen wird. b. *Er vermutet, ob sein Vater kommen wird. (25)a. Der Student fürchtet, daß er durch die Prüfung fällt. *Der Student fürchtet, ob er durch die Prüfung fällt. (26)a. *Peter hat gefragt, daß Hans kommt. b. Peter hat gefragt, ob Hans kommt. (27)a. *Wir warten ab, daß das Wetter besser wird. b. Wir warten ab, ob das Wetter besser wird. Die oben genannten Beispielpaare (22ab.) - (27ab.) sind in ihrer Bedeutung verschieden zu interpretieren, obwohl sie sich nur in der Formulierung der EGS-Konnektive daß und ob unterscheiden. Bei (22ab.) (23ab.) sind beide Konnektive daß und ob möglich, während sie sich in (24ab.) - (27ab.) gegenseitig ausschließen. Bei den Beispielpaaren (24ab.) (27ab.) würde man sagen, daß die Ungrammatikalität (24b.) - (25b.); (26a.) (27a.) auf die Matrixprädikate (MS-Prädikate) zurückzuführen ist, nicht jedoch auf den verschiedenen Konnektiven daß und ob beruht. Gerade diese Beobachtung, daß die Prädikate semantische Merkmale haben müssen, die Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 327 einen bestimmten Satztyp erfordern und andere Satztypen ausschließen, besagt andererseits, daß die verschiedenen Satztypen bestimmte semantische Merkmale haben müssen, die die Verbindung mit den bestimmten Prädikaten ermöglichen oder ausschließen. Wenn man davon ausgeht, daß die EGSKonnektive keine Bedeutung haben, kann dieses Argument jedoch bei den Satzpaaren (22ab.) - (23ab.) nicht angewendet werden. Die beiden Satzpaare sind gleichsam grammatisch. Die Matrixprädikate lassen beide Formen daß und ob zu. Jedoch ist die Bedeutung der jeweiligen Sätze verschiedenen, was nur auf die verschieden Konnektive daß und ob zurückzuführen ist. Obwohl die Komplementierer daß und ob im Deutschen sehr vielseitig verwendet werden, wurde der semantischen Seite des daß-und ob-Lexems bislang relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt und wenn, dann ist ihm sehr oberflächlich Rechnung getragen worden. So bezeichnet Erben (1996 12: 210) daß (und ob) in Anlehnung an Pollak als „einfache `Struktursymbole´, die in der heutigen Sprache fast `keinerlei Bedeutungswert und nur syntaktischen Beziehungswert´ haben“. Diese Meinung vertreten auch die meisten gängigen Grammatiken (vgl. Grebe (in der älteren Ausgabe des DUDEN) 1973: 380, Schulz und Griesbach 1970: 289, H. Griesbach 1986: 225, Jung 1984 8: 37, Engel 1988: 717). Diese Tradition scheint in der generativen Theorie fortzuleben, wo die Wahl des daß oder ob von den Merkmalen W des Matrixprädikates abhängig gemacht wird. Nach Meinung von Brauße (1994: 14) gewinnt jedoch in den jüngsten Arbeiten zur lexikalischen Semantik die Frage eine neue Aktualität, ob man hinsichtlich der Bedeutung von Wörtern grundsätzlich von der Grundannahme der zwei unterscheidenden Typen15 ausgehen kann: Begriffs-und Beziehungs15 Hinsichtlich der Bedeutungstypen von Wörtern begegnet man in den Grammatiken unterschiedlichen Bezeichnungen von Begriffspaaren, die Brauße (1994: 14) folgendermaßen zusammengestellt hat: kategorematische - synkategorematische 328 bedeutung. Aus ihrer Untersuchung (Brauße 1994: 15) geht hervor, „daß es vielfältige Begründungen für Auffassungen gab, daß Wörter Bedeutungen entweder in einer direkten, unmittelbaren Weise ausdrücken können, in einer „Begriffsbedeutung“ (das sind dann Autosemantika, Begriffs-oder Vollwörter) oder aber in einer indirekten, von anderen Wörtern abhängenden Weise, einer sogenannten „Beziehungsbedeutung“, (die in den Synsemantika, Funktionsoder Strukturwörtern zum Ausdruck kommt).“ Es gibt aber andererseits auch Linguisten, die gegen die Annahme zweier unterscheidenen Bedeutungstypen sind. So will Burkhardt (1979) z.B. drei Typen von Wortbedeutungen annehmen. Lutzeier (1985: 26) geht wiederum von derselben Art von Bedeutung aus: „Es gibt also keine zwei klar voneinander unterschiedene Arten von Bedeutungen, die wir für bestimmte Wörter reservieren müssen; alle Wörter haben vielmehr mehr oder weniger dieselbe Art von Bedeutung.“ Wir wollen hier nicht näher auf die Frage eingehen, wie die Bedeutungstypen von Wörtern zu unterscheiden sind und wie ihre Grenzen zu ziehen sind. Jedoch läßt sich nicht ohne weiteres sagen, daß die Komplementierer daß und ob keine eigene Bedeutung haben und daß ihre Wahl allein von der Bedeutung des Matrixprädikates (Un)sicherheit (Un)entschiedenheit, (Un)informiertheit oder (Un)gewißheit u.ä abhängt. Zifonun (1997: 2254) hält auch „die semantische Strukturierung des Gesamtbereichs durch die Dichotomie ‘Unsicherheit (ob) / Sicherheit (daß)’ für „nicht sinnvoll“, „da ob-Sätze und W-Phrasen z.B. in Sätzen vorkommen wie:“ Sie führt folgende Beispielsätze an ( Hervorhebung im Original ): (28)a. Man könnte feststellen, ob/wo der Unfall stattgefunden hatte. Wörter/ Autosemantika - Synsemantika/ Begriffswörter – Funktionswörter/ Vollwörter- Strukturwörter/ Höhere Wortarten - Dienstwörter/ Haupt- Nebenwortarten/ deskriptive- logische Konstanten/ offene-geschlossene Klassen/ Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 329 b. Man erfuhr, ob/wann die Veranstaltung stattfindet. Zifonun (1997: 2254) fährt fort: „Hier besteht für diejenigen, die die entsprechenden Feststellungen trafen bzw. Informationen erhielten, keineswegs irgendeine Unsicherheit. Außerdem wird die Dichotomie der Tatsache nicht gerecht, daß eine Gruppe von Verben sowohl daß-Sätze als auch obSätze zulassen. Die traditionelle Einteilung scheint dagegen Disjunktheit zu suggerieren: denn es ist ja recht konterintuitiv anzunehmen, daß dasselbe übergeordnete Verb einmal zur Mitteilung über ‘Inhalte’, einmal zum Formulieren von ‘Fragen’ verwendet wird.“ Schon Lee (1981) hat ausdrücklich hervorgehoben, daß es vielmehr wichtig ist, zu wissen, was unter "Ungewißheit", "Unsicherheit", "Zweifel", "Frage" u.ä. zu verstehen ist und ferner, um wessen Ungewißheit es sich dabei handelt, wenn jedoch diese Faktoren bei der Bestimmung des ob eine gewisse Rolle spielen sollten. 16 So sagt z.B. Zifonun (1997: 2260 ) für die Wahl zwischen daß und ob folgendes: „- Daß wird gewählt, wenn (i) p den Wahrheitswert ‘wahr’ hat - dies kann auch bezüglich mehrerer einschlägiger Auswertungsintervalle für P gelten, an denen p wahr ist. (ii) dieser Wahrheitswert dem Sprecher bekannt ist (iii) der Sprecher bereit ist, den Wahrheitwert von P zu erkennen zu geben „ Ob wird in allen anderen gewählt. Zifonun (1997: 2260 ) nennt folgende Fälle für die obligatorische Wahl des ob: Ob wird gewählt, wenn (i) der Wahrheiswert von p zeitabhängig wechselt. (ii) der Wahrheitswert der Person A, also dem Denotat des Obersatz-Subjektes, flektierbare- nicht flektierbare Wortarten/. 330 bekannt sein muß, der Sprecher jedoch diesen entweder nicht kennt oder nicht zu erkennen geben will. Als Beispielsätze führt Zifonun (1997: 2260 ) an: (29) Sie erfuhren immer nur kurzfristig, ob sie eine Verlängerung erhielten oder nicht. (30) Gott wußte, ob er wohl daran tat. Wie aus obengenannten Beispielen ersichtlich, können bei den ob-Sätzen sowohl das MS-Subjekt als auch der Sprecher über den Wahrheitsgehalt des EGS informiert sein. Wichtig scheint mir bei der Wahl des ob, daß man die Einstellung des MS-Subjekts bezüglich des Wahrheitsgehaltes der Aussage im eingebetteten Satz von dem Sprecher nicht erfährt (sei es, daß der Sprecher diesen nicht kennt oder nicht zu erkennen geben will). D.h. bei der Wahl des daß oder ob spielt die (Nicht-) Informiertheit des Sprechers oder die des MSSubjekts bezüglich des Wahrheitsgehaltes der Aussage im eingebetteten Satz keine direkte Rolle, entscheidend dabei ist vielmehr die Relation zwischen dem Sprecher und dem MS-Subjekt, d.h. wie der Sprecher die Einstellung des MS-Subjekts bezüglich des Wahrheitsgehaltes der Aussage im eingebetteten Satz einschätzt bzw. wie er diese Einstellung zum Ausdruck bringt. Die Kategorie INFL, die im eingebetteten Satz mit den finiten Verbflexionen verbunden die Satzendstellung einnimmt, hat keine der Eigenschaften, die die Komplementierer daß und ob haben. Sie beteiligt sich eher daran, daß der Sprecher die eigene Einstellung über den Wahrheitsgehalt des EGS zum Ausdruck bringt. Im Deutschen kommt die Sprechereinstellung über den EGS in Verbindung mit den anderen sprachlichen Mitteln zum 16 Siehe auch u.a. Bäuerle (1991), Eisenberg (1994 3) und Vater (1973) Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen 331 Ausdruck, so z.B. durch die Wahl der verschiedenen Prädikate, durch die verschiedenen Verb-Modi, durch das Vorhandensein der Modalwörter oder durch die veränderte Satzbetonung um einiges zu nennen ( vgl. u.a. Breslauer 1996, Butulussi 1991, Dietrich 1992, Doherty1985, Öhlschläger 1989, Reis 1977 und Thieroff 1992). Wir wollen uns nicht weiter dafür interessieren, durch welche weiteren Mittel noch das Wissen des Sprechers über den eingebetteten Satz ausgedrückt werden kann. Jedoch läßt sich sagen, daß die verschiedenen Verb-Modi als ein Mittel dazu dienen, daß der Sprecher seine eigene Einstellung über den Wahrheitsgehalt des EGS zum Ausdruck bringt. Auf die Wahl des daß oder ob hat die Sprecherseinstellung bezüglich des Wahrheitswertes des eingebetteten Satzes keinen Einfluß, wie es bisher fälschlicherweise von den Grammatikern meistens angenommen wurde. Aus obigen Beobachtungen läßt sich sagen, daß die Relationen zwischen Komplementierer und INFl ohne Einbeziehung außersprachlicher Faktoren schwer zu bestimmen sind und daß bei der Bestimmung des Status der Komplementierer eine Reduktion auf die syntaktische Analyse, wie dies die Generativisten tun, den Daten nicht gerecht wird. Die Komplementierer daß und ob im Deutschen sind keine leeren Partikeln, sondern müssen eigene semantische Merkmale haben. Die verschiedenen Bedeutungen der jeweiligen EGS-Konnektive daß und ob sind nicht ganz von den MS-Prädikaten her vorhersagbar, sondern beruhen auf den verschiedenen die EGS einleitenden Formen daß und ob. Außerdem läßt sich schließen, daß im Deutschen Komplementierer und INFL kategorial nicht zu identifizieren sind17 und daß es nicht ohneweiteres solche ‘tieferen Zusammenhänge’ zwischen Komplementierereinleitung und Verbendstellung geben kann, wie das die 17 Im Gegensatz zum Deutschen scheint im Koreanischen eine enge Beziehung zwischen der Kategorie COMP und INFL vorzuliegen, so daß man sie CONFL nennen kann. Über diese Probleme gehe ich hier nicht näher ein. 332 Generativisten glauben. Ich schließe mich diesbezüglich an Rinas (1997) an, der, wie wir schon oben gesehen haben, folgender Meinung ist, daß Sowohl der daß-Complementizer als auch die VL-Stellung Indikatoren für Subordination sind, und daß die Anwendung beider Indikatoren in vielen subordinierten Sätzen des Nhd. ein Redundanzphänomen darstellt (vgl. S. 129). Diese Ansicht muß natürlich in einer weiteren Untersuchung noch bewiesen werden. IV. Schlußbemerkungen In der vorliegenden Arbeit hatte ich das Ziel, die Behandlung der satzeinleitenden Komplementierer im Rahmen der Generativen Syntax kritisch zu betrachten und ihre Beziehungen zu INFL neu zu bestimmen. Wir haben feststellen können, daß satzeinleitenden Komplementierer und INFL entgegen den Grundannahmen der Generativisten kategorial nicht zu identifizieren sind. Die Hauptmängel der Generativisten scheinen darin zu liegen, daß sie sich einerseits zu sehr mit der Formalisierung beeilen, nicht aber das Funktionieren der jeweiligen Zusammenhänge beschreiben, und daß sie andererseits oft mit semantischen Angaben operieren, ohne daß dabei deutlich wird, wie diese semantischen Merkmale in der Syntax funktionieren, und vor allem in welchem Verhältnis sie zu den an der Kommunikation beteiligten Personen und zu den mitzuteilenden Sachverhalten stehen. Wie Dürscheid (1999: 84) in ihrer Habilitationsschrift mit Blick auf die generativen Syntaxanalysen richtig bemerkt hat, „liegen alle die Faktoren, die einen Sprecher dazu veranlassen, zur Beschreibung eines außersprachlichen Sachverhalts auf diese oder jene lexikalische bzw. syntaktische Mittel zurückzugreifen, außerhalb des generativen Untersuchungsrahmens. Das zu Zum Status der satzeinleitenden Komplementierer im Deutschen beschreibende Sprachsystem wird völlig aus dem 333 funktionalen Zusammenhang, in dem es Anwendung findet, heraus genommen. “ In diesem Zusammenhang sagt Chomsky (1995: 237) selbst folgendes: „The fact that these features are present is determined (we assume) by UG, but the choice among them is not. Recall that we are concerned here only with mechanismus, not with choices and intentions of speakers. “ In der Analyse von Komplementierer-Strukturen müssen, wie wir oben gesehen haben, außersprachliche Faktoren und die Sprecherintention im Mittelpunkt stehen. Meiner Meinung nach besteht derzeit ein großer Mangel an exakten Beobachtungen zur Semantik und Pragmatik der EGS-Komplementierer, auf deren Basis die generative Syntax angemessene Aussagen über die Komplementierer-Struktur machen kann. Literatur Abraham, W. (1995a): Deutsche Syntax im Sprachenvergleich: Grundlegung einer typologischen Syntax des Deutschen. Tübingen. Abraham, W. (1995b): Morphological Case: No Need for Functional Projections in German. In: Jonkers, R./Kaan, E./Wiegel, J. (eds.) (1995): Language and Cognition 5, Groningen, 1-12. Abraham, W. (1997): The base structure of the German clause under discourse functional weight: contentfull functional categories vs.derivative ones. In: Abraham, W./van Gelderen, E. (eds.) (1997), 11-42. Abraham, W./van Gelderen, E. (eds.) (1997): German: Syntactic ProblemsProblematic Syntax. Tübingen. Bäuerle, R. (1991): Verben der propositionalen Einstellung. In: Stechow. A. v./ Wunderlich, D. ( eds.) (1991): Semantik. 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