3. Philharmonisches Konzert Reihe A Mittwoch, 23. Oktober

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3. Philharmonisches Konzert Reihe A
Mittwoch, 23. Oktober 2013
20 Uhr, Volkshaus
Einojuhani Rautavaara (*1928)
Cantus arcticus (Concerto for Birds & Orchestra)
The bog
Melancholy
Swans migrating
Sergej Prokofjew (1891-1953)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 19
Andantino
Scherzo: Vivacissimo
Moderato - Andante
Pause
Dmitri Schostakowitsch (1906-1975)
Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47
Moderato
Allegretto
Largo
Allegro non troppo
Dirigent: GMD Marc Tardue
Violine: Donata Sailer
Der Dirigent
Marc Tardue wurde als Sohn franco-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte
das Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier bei Alexander
Lipsky und Wiktor Labunsky sowie Dirigieren bei Frederik Prausnitz, Leo Müller und
Constantin Bugeanu. Darüber hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und arbeitete als
Klavierbegleiter in den Meisterklassen von Francesco Valentino, Eileen Farell, Tito Gobbi
und Beverly Sills. Von 1982 bis 1984 war er Chefdirigent der National Opera von Reykjavik
(Island). 1984 gewann Marc Tardue den internationalen Dirigentenwettbewerb Concours
International d’Execution Musicale »Ernest Ansermet« (CIEM) in Genf und wurde mit dem
prestigeträchtigen Swiss Prize ausgezeichnet. Danach begleitete er die CIEM-Wettbewerbe
regelmäßig mit dem Orchestre de la Suisse Romande. Er war zu hören in Radio- und
Eurovisions-Übertragungen sowie auf der Preisträger-CD-Serie von Musica Helvetica.
Von 1985 bis 1995 war Marc Tardue Musikdirektor beim Ensemble Instrumentale de
Grenoble (EIG), dessen kammermusikalisches und zeitgenössisches Repertoire unter seiner
Leitung um die großen Sinfonien sowie Opern- und Chorwerke erweitert wurde. Zwischen
1991 und 2002 war er Chefdirigent des Symphonieorchesters Biel (Schweiz), von 1999 bis
2009 Chefdirigent des Orquestra Nacional do Porto (Portugal). Gastdirigate verbinden ihn
mit renommierten internationalen Orchestern wie dem Orchestre de la Suisse Romande, dem
Nouvel Orchestre Philharmonique de la Radio France, dem Orquesta Sinfónica Radio
Television Española oder dem Russian National Orchestra in Moskau. Opernaufführungen
leitete er u. a. bei den Opernfestspielen in Heidenheim und Schenkenberg (Schweiz) sowie an
den Opernhäusern von Dublin und Malmö.
Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc Tardue 1989 der französische Kulturorden
Chevalier des Arts et des Lettres verliehen, 2004 erhielt er vom portugiesischen
Kultusministerium die Medalha de Mérito Cultural.
Mit Beginn der Spielzeit 2012/2013 ist Marc Tardue Generalmusikdirektor der Jenaer
Philharmonie.
Die Solistin
Donata Sailer erhielt im Alter von fünf Jahren ihren ersten Violinunterricht in der Klasse von
Gesa Ruprecht an der Musikschule Lahr/Schwarzwald. Mit acht Jahren nahm sie zum ersten
Mal an einem internationalen Meisterkurs bei Prof. Wolfgang Marschner teil, der ab diesem
Zeitpunkt bis zu ihrem 17. Lebensjahr ihr Lehrer war.
Ihr Violinstudium, welches sie 1996 bei Prof. Jost Witter an der Hochschule für Musik
FRANZ LISZT in Weimar begann, schloss sie mit der Note 1,0 ab. Anschließend studierte sie
in der Meisterklasse von Prof. Jost Witter und beendete dieses Aufbaustudium mit dem
Konzertexamen.
Während der gesamten geigerischen Ausbildung nahm sie regelmäßig an internationalen
Meisterkursen bei R. Kussmaul, R. Ricci, I. Ozim, V.Gradow, I. Haendel, S. Gawriloff,
N. Brainin, T. Brandis u. a. teil.
Sie ist als Solistin verschiedener Orchester im In- und Ausland, als Kammer- und
Orchestermusikerin, sowie als Pädagogin tätig. So gibt sie regelmäßig Violinrecitals und leitet
diverse Kammermusikprojekte in unterschiedlichen Formationen.
Bereits mit zehn Jahren gewann sie den Internationalen Spohr-Violinwettbewerb.
Des Weiteren ist sie Gewinnerin des Stennebrüggen-Preises der Philharmonie Baden-Baden,
des Eduard-Söring-Preises der Deutschen Stiftung Musikleben, des Leonberger Musikpreises,
1.Bundespreisträgerin bei „Jugend musiziert“ sowie 1. Preisträgerin internationaler und
nationaler Violinwettbewerbe.
Sie war Stipendiatin der Pflüger Stiftung Freiburg, der Internationalen Carl Flesch-Akademie
und erhielt ein Graduiertenstipendium des Freistaates Thüringen. Während des gesamten
Aufbaustudiums stellte ihr die Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar eine Nicolaus
Gagliano Violine als Leihgabe für ihre besonderen Leistungen zur Verfügung.
Rundfunk- und Fernsehaufnahmen beim SWR, BR, Arte, 3sat, MDR und Deutschlandradio
Berlin belegen des Weiteren ihr Können.
Donata Sailer war Mitglied des Bundesjugendorchesters, Konzertmeisterin verschiedener
Jugend- und Festivalorchester und wurde als Konzertmeisterin zur Aushilfe bei den Hofer
Symphonikern, der Staatskapelle Weimar, des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera
u.a. verpflichtet.
Außerdem spielt sie in Kammerorchestern wie dem Mahler Chamber Orchestra und der
Camerata Bern.
Als Dozentin war sie beim LJO- Thüringen sowie am Musikgymnasium Schloss Belvedere
Weimar tätig. Sie war Mentorin der Thüringer Orchesterakademie und hat außerdem seit
2008 einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar inne, wo sie
mittlerweile eine eigene Violinklasse betreut.
Donata Sailer gewann im Alter von gerade 24 Jahren bei ihrem ersten Probespiel die Stelle
der Stellvertretenden 1. Konzertmeisterin der Jenaer Philharmonie mit der sie regelmäßig
auch als Solistin konzertiert.
Die Komponisten und ihre Werke
Musikalische Komplexität steht im Zentrum der beiden Kompositionen von Einojuhani
Rautavaara und Dmitri Schostakowitsch. Während Rautavaara aus elementaren Strukturen
vollendete musikalische Gebilde voller Raffinesse erschafft, kreiert Schostakowitsch durch
das Spiel mit Reduktion und Steigerung Klarheit und Verständlichkeit. Sergej Prokofjews
Violinkonzert bildet hierbei das Bindeglied: Melodische Einfachheit gepaart mit
vollkommener Virtuosität.
Der finnische Komponist Einojuhani Rautavaara war musikalisch vorgeprägt – sein Vater
war Kantor und Opernsänger. In Turku begann er im Alter von 17 Jahren Klavier zu
studieren. Ab 1950 studierte Rautavaara Musikwissenschaft an der Universität von Helsinki
und Komposition an der Sibelius-Akademie bei Aarre Merikanto (1893-1958). Jean Sibelius
verhalf Rautavaara zu seinem großen Durchbruch, indem er ihn für ein Stipendium vorschlug.
So konnte Rautavaara in den USA unter Aaron Copland und Roger Sessions an der Juilliard
School of Music studieren. Nach Helsinki zurück gekehrt wurde ihm klar, dass er technisch
noch nicht ausgereift war, und so entschloss er sich bei Wladimir Vogel und Rudolf Petzold
Unterricht zu nehmen. Nachdem Rautavaara seine Produktivität an nordischem
Expressionismus, Dodekaphonie und Serialismus erprobt hatte, widmete er sich in den
siebziger Jahren der Neoromantik. So verwundert es nicht, dass eine Komposition wie
Cantus arcticus (Concerto for Birds & Orchestra) aus dem Jahre 1972 nur so von
überschäumender Virtuosität und Farbenpracht erstrahlt – trotz all seiner raffinierten
Einfachheit. Geradezu spielerisch erscheint der Umgang Rautavaaras mit den musikalischen
Elementen und Strukturen, wenn er die harmonischen Melodiebögen den Naturlauten
gegenüber stellt. Rautavaara komponierte ein musikalisches Tryptichon voller Ruhe,
Abgeklärtheit und Melancholie, worauf der Mittelteil der Komposition mit dem Titel
Melancholy verweist. Den Beginn im ersten Satz gestalten die Flöten (im Duett) sowie die
Holzbläser, welche in der Folge von den Vogelstimmen begleitet werden. Ein langes
Crescendo prägt den finalen Teil mit der Bezeichnung Swans migrating. Der Laut von
Singschwänen bildet mit weiteren Vogelstimmen und dem Orchester eine Einheit, einen
anmutigen Klang, welcher ganz allmählich verhallt.
Die Arbeiten an Sergej Prokofjews Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 19
begannen bereits im Jahre 1915; die Fertigstellung ließ dann noch gut zwei Jahre auf sich
warten, die Uraufführung in Paris nochmals sechs weitere. Mit dem Violinisten Marcel
Darrieux und dem Dirigenten Serge Koussevitzky hatte Prokofjew nun endlich die richtigen
Partner gefunden. Wie so oft wurde das Violinkonzert von Publikum und Kritik mit
gemischten Gefühlen aufgenommen. Igor Strawinsky und den Violinisten Joseph Szigeti hatte
Prokofjew zumindest auf seiner Seite.
Eine hinreißende lyrische Melodie der Solovioline bildet das musikalische Zentrum des ersten
Satzes; sie wird begleitet von einem gedämpften Ton der Streicher. Als Kontrast setzt
Prokofjew ein zweites störrisches Thema in den Violoncelli dagegen. Ganz allmählich steigert
sich die Virtuosität der Solovioline – in einem kurzen solistischen Moment kehrt Prokofjew
an den Beginn des Satzes zurück. Hinzu gesellen sich filigran Harfe und Flöte, die auch das
letzte »Wort« hat. Atemberaubende Virtuosität bestimmt das Scherzo, welches mit
Vivacissimo überschrieben ist und vor Brillanz und Raffinesse nur so strotzt. Im Finalsatz
verknüpft Prokofjew den lyrischen Charakter des ersten Satzes mit der überbordenden
Brillanz des zweiten. Das Fagott greift zunächst die Melodie auf. Die Solovioline weitet,
kommentiert und variiert das Material – bleibt dabei jedoch im Hintergrund. Erneut breitet
Prokofjew einen lyrischen Ton aus und kehrt zum motivischen Material des ersten Satzes
zurück, um es mit neuem anzureichern. Die Flöte ist es erneut, welche das Violinkonzert
beschließt – verträumt und friedlich.
Die Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 von Dmitri Schostakowitsch ist die erste sinfonische
Äußerung des Komponisten seit der sein Leben verändernden Kritik in der Prawda Anfang
des Jahres 1936 über seine bisher erfolgreich aufgeführte Oper Lady Macbeth. Stalin selbst
ordnet die Verurteilung als entartet an, ist er doch vom Realismus der Handlung und der dazu
komponierten Musik schockiert. Schostakowitsch beschreibt die Zeit danach folgendermaßen:
„Ich hatte entsetzliche Angst. Nicht nur um mein Leben. Um das Leben meiner Mutter,
meiner Schwestern, meiner Frau, meiner Tochter und später noch meines Sohnes.“ In
regelmäßigen Abständen werden gute Freunde und Bekannte verhaftet und hingerichtet.
Knapp eineinhalb Jahre später tritt er mit seiner fünften Sinfonie an die Öffentlichkeit und
demonstriert damit (nur) vordergründig seine Reue und seine Verpflichtung gegenüber dem
sozialistischen Realismus, indem er ihr den Untertitel voranstellt: Die praktische
schöpferische Antwort eines sowjetischen Künstlers auf eine berechtigte Kritik und den Inhalt
der Sinfonie wie folgt umreißt: „Thema meiner Symphonie ist das Werden der Persönlichkeit.
[...] Wenn es mir gelang, in musikalischen Gestalten all das darzustellen, was ich nach den
kritischen Artikeln der »Prawda« durchdachte und durchfühlte, wenn der anspruchsvolle
Massenhörer in meiner Musik die Hinwendung auf die Seite von großer Verständlichkeit und
Einfachheit bemerkt, werde ich zufrieden sein.“ So verwundert es nicht, dass die Sinfonie
traditionell aufgebaut ist, einen hohen Tonalitätsgrad aufweist und sich stark an der
Ausdrucksästhetik des 19. Jahrhunderts in Satzanordnung und Themengestaltung, somit an
Beethoven und Brahms orientiert.
Schostakowitsch stellt an den Beginn des ersten Satzes einen komplexen Leitgedanken,
welchen er in der Folge zergliedert. Große, expressive Intervallsprünge in französischem
Rhythmus münden in eine als Unisonothema endende absteigende Linie, welche nach einer
kurzen Wiederholung vollends zum Stillstand kommt und zum ersten Thema in den
Streichern überleitet. Abwärts- und Aufwärtsbewegung gleichen sich gegenseitig aus und
dennoch drängt sich ein Gestus voller Traurigkeit und Klage in den Vordergrund.
Kontinuierlich wiederholt Schostakowitsch das Hauptthema und verwebt es mit Rückgriffen
auf das einleitende Motto. Im folgenden reduziert er die Komplexität des musikalischen
Materials, das Tempo wird gleichmäßiger und die Harfe und das Klavier kommen als neue
Klangfarben hinzu, wobei Letzteres den marschartigen Rhythmus verstärkt und voran treibt
und durch die Hörner, Trompeten und Pauken ergänz wird. Das thematische Material wird
unaufhörlich variiert und kombiniert, Streicher, Bläser und Schlagwerk führen es zu einem
gewaltigen, brachialen Höhepunkt. In ruhigem Tempo kehrt Schostakowitsch zum
Klagemotiv in den Flöten zurück und kreiert zusammen mit den Trompeten, Pauken und der
Celesta einen unwirklichen, entrückten Klang, der nur noch hintergründig an das Bedrohliche
und Bedrückende erinnert.
Ganz in der Tradition von Mahler setzt Schostakowitsch an die Stelle des Menuetts oder
Scherzos einen derben Ländler. Neben die recht lustig anmutenden musikalischen Gestalten
in den Holzbläsern und Streichern setzt er regelrecht falsche Töne und zitiert in der
Begleitung des Schlagwerks ein Thema, welches stark an Ralph Benatzkys Operette »Im
Weißen Rössl« erinnert. Das Orchestertutti beendet den Satz im Ländler-Rhythmus.
Das Largo greift nur spärlich auf bereits erklungenes musikalisches Material zurück.
Schostakowitsch präsentiert vielmehr eine Flut an neuen Gedanken. Die geteilten Streicher
kehren immer wieder und geben dem dritten Satz Halt. Das klagende Thema des ersten Satzes
wird in den Flöten und in der Harfe aufgegriffen und vermittelt in Mitten der dunklen,
düsteren, traurigen Atmosphäre einen Funken Hoffnung. Die Gesten des verzweifelten
Handausstreckens, das endlose Bitten, das Flehen, das Fordern (Koball, Wildberger) sind
Sinnbild für den dritten Satz.
Alle Bläser eröffnen mit einem Dreiklang den Schlusssatz und Triller der Holzbläser und
Paukenwirbel steigern sich zum dreifachen Forte, um das Hauptthema blitzartig in den
Posaunen und Trompeten zu artikulieren. Schostakowitsch führt nach und nach die
unterschiedlichen Motive ein und stürmt von nun an unaufhaltsam vorwärts. Variationen und
Motivaufspaltungen reihen sich kontinuierlich aneinander und führen zum zweiten Thema in
den Trompeten. Der hymnische Charakter kommt durch den Einsatz von Posaunen, Hörnern
und Violinen endgültig zum Tragen und klingt schließlich im Solohorn aus. Nochmals stellt
Schostakowitsch eine neue Melodie in den Violinen vor, die ebenfalls aus dem Bereich des
Bittens und Flehens abgeleitet ist. Die Vorwärtsbewegung kommt vor der Coda fast
vollständig zum Stillstand, um abschließend in jubelnden Trompetenfanfaren und
hämmernden Pauken zu enden.
Text: Markus Pietrass
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