Osteoporose (Knochenschwund) Melanie Iris Zimmermann, Apothekerin Was ist Osteoporose? Osteoporose ist eine Stoffwechselerkrankung der Knochen. Durch den Abbau von Knochenmasse verliert der Knochen seine Stabilität. Schmerzhafte Knochenbrüche sind die Folgen. Frauen leiden häufiger an Osteoporose als Männer. Mehr als ein Drittel aller Frauen über 60 Jahre ist betroffen. Insgesamt rechnet man in Deutschland mit bis zu sieben Millionen Menschen. Mehr als 130 000 Bundesbürger erleiden pro Jahr einen Oberschenkelhalsbruch und Wirbelbrüche. Diese Brüche führen nach mehrjährigem Krankheitsverlauf dazu, dass ein Drittel der Patienten auf Hilfe im Alltag angewiesen ist. Bestehen bereits Knochenbrüche, ist eine Behandlung sehr schwierig. Daher ist es wichtig, vorzubeugen. Osteoporose: Knochen verliert Stabilität Wie entsteht Osteoporose? Knochen bestehen aus einem Gewebe, das ihnen die Form gibt (Matrix), und den Mineralstoffen Kalzium und Phophat. Die Mineralstoffe werden in diese Matrix eingelagert und machen den Knochen hart und dicht. Das Knochengewebe ist eine lebende Verbindung von Zellen, die ständig neu aufgebaut, umgebaut und abgebaut werden. Bis zum 40. Lebensjahr überwiegen die Aufbauprozesse. Ab dem 40. Lebensjahr wird jährlich ein geringer Prozentsatz der Knochenmasse wieder abgebaut. Die Regulation des Auf- und Abbaus erfolgt unter anderem durch verschiedene Hormone. Vitamin D und das Schilddrüsenhormon Calcitonin lagern Kalzium in den Knochen ein. Das Parathormon aus der Nebenschilddrüse dagegen löst es aus den Knochen heraus. Die Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron sind verantwortlich für die Bildung und Wirkung dieser "Knochenhormone". Bei Osteoporose ist dieser Regulationsmechanismus gestört. Das Knochenmaterial wird weit über das normale Maß hinaus abgebaut. Die Matrix wird löchrig und Kalzium wird nicht ausreichend eingebaut. Dadurch wird der Knochen dünner und verliert an Festigkeit: Er kann leichter brechen. Brüche, aber auch die Zerstörung der Knochenstruktur selbst können sehr schmerzhaft sein. Ursachen von Osteoporose Die häufigste Ursache von Osteoporose ist der Östrogenmangel bei Frauen nach den Wechseljahren. Männer sind von Osteoporose durch Testosteronmangel dagegen nur selten betroffen. Etwa zehn Jahre nachdem die Hormonproduktion eingestellt wurde kommt es zum ersten Knochenbruch, vor allem von Wirbelkörpern. Ebenfalls häufig ist die Altersosteoporose ab dem 70. Lebensjahr. Sie tritt bei beiden Geschlechtern auf. Brüche ereignen sich in den meisten Fällen am Oberschenkelhals. In diesem Alter sind vor allem jahrelange geringe Bewegung und Mangelerscheinungen an Kalzium und Vitamin D die Ursache für den Substanzverlust. Osteoporose wird durch Umstände begünstigt, die einen stabilen Knochenaufbau bis zum 40. Lebensjahr verhindern. Die größten Risikofaktoren: • Spätes Einsetzen der ersten Regel, früher Eintritt der Wechseljahre oder eine frühzeitige Entfernung der Eierstöcke verkürzt die Zeit der schützenden Hormonproduktion. • Mangelnde Bewegung fördert den Knochenabbau. • Übermäßige Diäten, überhöhter Kaffeegenuss, Missbrauch von Abführmitteln und zuviel Phospat in der Nahrung führen zur Mangelversorgung mit Kalzium und Vitamin D. • Schlanke Menschen sind häufiger betroffen als fülligere. • Man vermutet als Ursache auch genetische Faktoren und damit gehäuftes Auftreten von Osteoporose innerhalb der Familie. Aber auch andere Erkrankungen oder Medikamente rufen das Erscheinungsbild Osteoporose hervor: • Eine übermäßige Kortisonproduktion im Körper oder Langzeitbehandlung mit Kortisontabletten oder Spritzen führt zum Knochenabbau, da Kortison ein Gegenspieler der Geschlechtshormone ist. Das Inhalieren von Kortison bei der Asthma-Therapie hingegen schadet nicht! • Eine nicht behandelte Schilddrüsenüberfunktion und damit ein Überschuss an Schilddrüsenhormonen beschleunigt den Stoffwechsel und begünstigt den Knochenabbau. • Bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüse wird zu viel Parathormon gebildet und damit zu viel Kalzium aus den Knochen herausgelöst. • Das Wachstumshormon kontrolliert das Längenwachstum und ist an der Verknöcherung des Skeletts beteiligt. Ein Mangel an diesem Hormon verhindert den regulären Knochenaufbau. • Langjährige Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder des Darms wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, aber auch Magersucht verhindern die Aufnahme von Kalzium und Vitamin D. Eine Milchzuckerunverträglichkeit verhindert die Aufnahme von Kalzium aus Milchprodukten. • Bei langjährigen Nierenerkrankungen, wie Nierenschwäche bei Diabetes, wird übermäßig viel Kalzium ausgeschieden. Um die lebensnotwendige Kalziumkonzentration im Blut aufrecht zu erhalten, mobilisiert die Nebenschilddrüse vermehrt Kalzium aus den Knochen. • Gelenkerkrankungen wie Rheuma, Morbus Bechterew und Lupus erythematodes führen zu Knochenschäden. • Alkohol führt im Übermaß zu Leberschäden. In der Leber kann dann der Grundstoff für die schützenden Sexualhormone, das Cholesterin, nicht mehr produziert werden. • Rauchen schädigt die Knochen durch mangelnde Versorgung des Knochengewebes. Der jährliche Knochenverlust ist bei Rauchern etwa doppelt so hoch wie bei Nichtrauchern. • Ist die Funktion der Eierstöcke oder der Hoden gestört (Hypogonadismus), wird zuwenig Östrogen oder Testosteron produziert. • Manche Tumoren können die Aktivitäten der im Knochenstoffwechsel beteiligten Hormone und Substanzen negativ beeinflussen. Welche Beschwerden treten bei Osteoporose auf? Zu Beginn der Erkrankung treten nur wenige Beschwerden wie gelegentliche Rückenschmerzen auf. Typisch für die fortschreitende Osteoporose sind Knochenbrüche ohne erkennbaren Anlass, so genannte Spontanfrakturen. Diese Brüche führen zu starken Schmerzen und zu Fehlstellungen, die wiederum starke Muskelverspannungen auslösen können. Bei der Altersosteoporose sind Brüche des Oberschenkels (Oberschenkelhalsfraktur) sehr häufig. Typisch für die hormonell bedingte Osteoporose sind Einbrüche der Wirbelkörper. Sie werden häufig als "Hexenschuss" fehlgedeutet. Dadurch werden die Patienten immer kleiner und es entsteht ein Rundrücken ("Witwenbuckel"). Wie stellt man die Diagnose Osteoporose? Beschwerden und die körperliche Untersuchung geben dem Arzt erste Hinweise. Mit Laboruntersuchungen von Blut und Urin kann der Arzt die Ursache der Osteoporose näher bestimmen. Die Knochendichte kann durch eine Dichtemessung (Densitometrie) bestimmt werden. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Patienten, die trotz normaler Werte bei der Dichtemessung osteoporosebedingte Knochenbrüche erleiden. Veränderungen im Röntgenbild sieht man erst, wenn bereits etwa 30 Prozent der Knochenmasse abgebaut sind oder wenn Knochenbrüche vorliegen. In seltenen Fällen wird eine Knochenprobe entnommen. Wie behandelt man eine Osteoporose? Wichtig ist die frühe Behandlung noch vor dem ersten Knochenbruch. Hat der Körper erst einmal Knochenmasse verloren, ist ein Wiederaufbau nur noch schwer möglich. Ziel der Behandlung ist deshalb in erster Linie, das Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und Knochenabbau wieder ins Lot zu bringen und Knochenbrüche zu vermindern. Die Behandlung erfolgt mit Medikamenten, physikalischer Therapie und spezieller Therapie bei Brüchen. Medikamentöse Behandlung Basistherapie ist die tägliche Zufuhr von mindestens 1 Gramm Kalzium und mindestens 400 I.E. (Internationale Einheiten) Vitamin D. Wird der Bedarf durch die Nahrung nicht gedeckt, kann man beides auch durch Medikamente ergänzen. Bisher konnte man nur den Knochenabbau vermindern mit Bisphosphonaten, selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM), Östrogenen, Calcitonin und Fluoriden. Neu ist Teriparatid, das erste Medikament, das auch den Knochenaufbau stimulieren kann. Anabolika steigern den Muskelzuwachs und üben damit einen positiven Reiz auf den Knochenaufbau aus. Sie sind als Unterstützung bei Patienten sinnvoll, die sich nur noch wenig bewegen können. Vor Knochenbrüchen schützen am besten Bisphosphonate, SERMs und dan neue Teriparatid. Sie senken das Risiko um etwa 50 Prozent. Aber auch die Geschlechtshormone, Kalzitonin und Fluoride mindern das Bruchrisiko. Kalzitonin lindert zusätzlich Schmerzen in der Wirbelsäule. Eine Hormonersatztherapie mit Östrogenen sollten jedoch wegen erhöhter Risiken nur noch Frauen mit hohem Bruchrisiko bekommen. Und auch nur dann, wenn alle Alternativen ausgeschöpft sind. Ob bei Männern eine Hormonersatztherapie mit Testosteron ähnliche Risiken birgt, ist bisher nicht erwiesen, aber auch nicht unwahrscheinlich. Schmerzbehandlung Osteoporose kann in einem Teufelkreis enden. Die Wirbelbrüche verursachen chronische Schmerzen, dadurch bewegen sich die Betroffenen weniger. Doch wer körperlich nicht aktiv ist, beschleunigt seinen Knochenabbau zusätzlich. Die Osteoporoseschmerzen sind daher ohne eine sinnvolle, natürliche Bedeutung und müssen auf jeden Fall behandelt werden. Am häufigsten werden Medikamente verordnet, die vor allem die durch die Knochenbrüche hervorgerufenen Entzündungen und damit auch den Schmerz hemmen. Dazu gehören nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID). Bei langfristiger Einnahme verursachen Sie allerdings häufig Magen-Darm-Beschwerden. Werden sie nicht vertragen sind COX-2-Hemmer eine Alternative, da sie magenverträglicher sind. Sie sind aber wiederum nicht für Patienten mit HerzKreislauf-Erkrankungen geeignet. Muskelentspannende Medikamente tragen dazu bei, Schmerzen, die durch Fehlstellungen hervorgerufen werden, zu lindern. Es gibt stärkere Arzneimittel, die den Schmerz an sich bekämpfen. Leider haben viele Patienten und Ärzte Vorbehalte gegenüber einer reinen Schmerztherapie. Sie glauben, dass starke Schmerzmittel, wie Opioide, auch starke Nebenwirkungen haben und befürchten dass diese Mittel abhängig machen. Schmerzexperten der Deutschen Schmerzliga und der Deutschen Schmerzgesellschaft wissen, dass eine ständige Schmerzbehandlung mehr Vorals Nachteile bringt. Nur werden in der Praxis häufig Fehler gemacht. Wer zu wenig oder nur „nach Bedarf“ Schmerzmittel einnimmt, "trainiert" seinen Nervenzellen die Schmerzmeldung an und dem Körper das Verlangen nach Medikamenten. Eine richtige Schmerztherapie besteht aus regelmäßigen, ausreichend starken und ausreichend hohen Arzneimittelgaben. Erst wenn der Schmerz dauerhaft gedämpft oder sogar ausgeschaltet wird, kann sich der Körper erholen. Dann kann eventuell auch die Dosis der Schmerzmittel verringert werden. Die Nebenwirkungen der Schmerzmittel sind im Vergleich zu dem, was Schmerzen dem Körper antun, geradezu harmlos. Schmerzen haben erheblichen Einfluss auf die Psyche des Menschen. Sie können sogar Depressionen auslösen. Um Schmerzen zu lindern können auch Antidepressiva helfen. Eine Psychotherapie weist den Weg, chronische Schmerzen besser zu verarbeiten. Physikalische Therapie Man muss keine sportlichen Höchstleistungen vollbringen, um der Osteoporose sinnvoll vorzubeugen. Schon regelmäßiges Spazierengehen und zweimal pro Woche eine halbe Stunde Rückenschwimmen oder Wassergymnastik fördern den Knochenaufbau. Besser noch sind zweimal pro Woche gezieltes Kraft- und Koordinationstraining sowie ein Gehtraining oder ein leichtes Lauftraining. Mit krankengymnastischen Übungen werden Muskelverspannungen durch Fehlbelastung gelindert. Schmerzlindernd wirken auch örtliche Wärmeanwendungen wie Moorbäder oder Fangopackungen. Behandlung von Brüchen Knochenbrüche müssen meistens operiert werden. Bei der Oberschenkelhalsfraktur wird häufig ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Wirbelkörperbrüche können durch speziell angepasste Stützmieder (Orthesen) stabilisiert und entlastet werden. Kalziumzufuhr Alter in Jahren mg/Tag ab 1 800 ab 12 1200 Frauen ab 25 bis 45 1000 Schwangere/Stillende 1200 Frauen ab 45 1500 Männer ab 25 bis 65 1000 Männer über 65 1500 Wie kann man einer Osteoporose vorbeugen? Das erfolgreichste Mittel gegen Osteoporose ist die Vorbeugung. Folgendes sollten Sie beachten: • Haben Sie mehrere Risikofaktoren für Ostoporose? Dann besprechen Sie mit Ihrem Arzt eine vorbeugende Therapie mit Medikamenten. Da die Knochendichtemessung allein nicht aussagekräftig genug ist, wird sie nicht pauschal zur Vorbeugung eingesetzt. • Bewegen Sie sich regelmäßig, da Bewegung die Knochenmasse vermehrt. • Ernähren Sie sich kalziumreich mit Milchprodukten. Je nach Lebensumständen sind bis zu 1,5 Gramm täglich empfehlenswert. • Vitamin D ist reichlich enthalten in Fisch, Eiern, Milch und Butter. Außerdem wird es vom Körper mit Hilfe der UV-Strahlung selbst gebildet. Gerade ältere Leute sollten jeden Tag mindestens eine halbe Stunde draußen verbringen. Auch bei bewölktem Wetter reicht die UVStrahlung für die Vitaminproduktion aus. • Verwenden Sie Speisesalz mit Fluorid. • Vermeiden Sie übermäßigen Genuss phosphathaltiger Lebensmittel. Zu viel Phosphate senken die Verfügbarkeit von Kalzium für die Knochen. Viel Phosphat enthalten Fleisch und Wurst, Schmelzkäse und Softdrinks wie Coca-Cola. Phosphate erkennen Sie an den Nummern für Lebensmittelzusatzstoffe E 338-341 und E 450. • Vermeiden Sie das Rauchen und schränken Sie Ihren Alkoholkonsum ein. Kalziumgehalt Produkt mg/100g Butter 0,13 Buttermilch 110 Milch (3,5%) 120 Magerquark 120 Gorgonzola 530 Camenbert 570 Emmenthaler 1020 Parmesan 1120 Was können Sie selbst tun bei Osteoporose? Wenn Sie bereits an einer Osteoporose leiden, ist bei Ihnen die Gefahr von Knochenbrüchen sehr hoch. Daher sollten Sie folgendes beachten: • Richten Sie Ihr Zuhause so ein, dass Sie vor Stürzen geschützt sind. Tragen Sie zweckmäßige, flache Schuhe mit rutschfesten Sohlen, sorgen Sie für eine gute Beleuchtung im Haus und vermeiden Sie rutschende Teppichläufer. • Vermeiden Sie es, schwere Gewichte zu heben. • Verlassen Sie an Tagen mit Glatteis die Wohnung nur für unbedingt notwendige Besorgungen. • Lassen Sie Ihre Sehkraft regelmäßig beim Augenarzt kontrollieren. • Manche Medikamente wie Schlafmittel, Mittel gegen Allergien, hohen Blutdruck und Antidepressiva können die Reaktionsfähigkeit einschränken. Beobachten Sie sich selbst, wie Ihr Körper auf diese Medikamente reagiert, und besprechen Sie mit Ihrem Arzt alternative Therapiemöglichkeiten. • Bei Selbsthilfegruppen finden Sie Rat und Hilfe. Prognose Unbehandelt schreitet die Osteoporose voran und führt auf Dauer zu vielfachen Knochenbrüchen und sehr starken Knochenschmerzen. Diese Bewegungseinschränkung und die Dauerschmerzen können Invalidität und Abhängigkeit von fremder Hilfe zur Folge haben. Eine Einweisung in ein Pflegeheim ist dann oft unumgänglich. Eine gute Vorbeugung oder Behandlung der Osteoporose wirkt in den meisten Fällen sowohl der Entstehung als auch dem Voranschreiten der Erkrankung sowie Komplikationen entgegen. Quellen Osteoporose DOP e.V. www.osteoporose-dop.org Kuratorium Knochengesundheit e.V. www.osteoporose.org Dachverband Osteologie e.V. www.dv-osteologie.org Deutsches Ernährungsberatun