Entwicklung einer neuen Technikwissenschaft

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PdN BIOLOGIE in der Schule / BIOTECHNOLOGIE – SYNTHETISCHE BIOLOGIE
HEFT 3 / 64. JAHRGANG / 2015
Entwicklung einer neuen
Technikwissenschaft
Von der Molekulargenetik zur Synthetischen Biologie*
A. Pühler
In diesem Beitrag wird das Forschungsgebiet Synthetische Biologie als neue Technikwissenschaft vorgestellt. Die Wurzeln der Synthetischen Biologie sowie Grundprinzipien und Einsatzfelder werden beschrieben. Die Bedeutung der Synthetischen Biologie für die zukünftige
Biotechnologie wird herausgearbeitet.
Stichwörter: Synthetische Biologie, Biotechnologie, Technikwissenschaft, Gentechnik
1 Einleitung – Das Forschungsgebiet
Synthetische Biologie
Der vorliegende Artikel beschäftigt sich
mit der Entwicklung einer neuen Technikwissenschaft, die auf Elementen der
Synthetischen Biologie aufbaut. Zunächst
ist vorgesehen, den Begriff „Synthetische
Biologie“ zu erläutern und deren Wurzeln
zu benennen. Ein besonderes Augenmerk
wird dann auf die mediale Geburtsstunde
der Synthetischen Biologie gerichtet, bevor einige ausgewählte Aspekte präsentiert werden. Dabei wird zunächst als
Erfolg der Synthetischen Biologie die Produktion des Antimalariamittels Artemisinin beschrieben. Anschließend wird auf
allgemeine Grundprinzipien und Vorgehensweisen der Synthetischen Biologie
eingegangen. Weitere Aspekte betreffen
dann die Einbeziehung der Synthetischen
Biologie in die universitäre Lehre sowie
die Erfolge Bielefelder Studierender im
Rahmen des weltweiten sogenannten
iGEM-Wettbewerbs. Schließlich wird auch
der Frage nachgegangen, ob das deutsche
Gentechnikgesetz zur Überwachung der
Aktivitäten auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie geeignet ist. Das Herzstück
des Artikels behandelt dann die Synthetische Biologie als neue Technikwissenschaft, wobei besonders ihre Bedeutung
für eine zukünftige Biotechnologie herausgearbeitet werden soll.
2 Was versteckt sich nun hinter dem
Begriff „Synthetische Biologie“?
Leider fehlt bis heute eine prägnante Definition. Ein brauchbarer Ansatz ist in einer
Studie mit dem Titel „Synthetische Biologie“ enthalten, die im Juli 2009 von den
drei Organisationen Deutsche Akademie
4
der Technikwissenschaften, Nationale
Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben wurde [1].
Diese Studie verfolgt den Zweck, das Forschungsgebiet Synthetische Biologie
möglichst umfassend der Öffentlichkeit
vorzustellen und der Politik Empfehlungen für den Umgang mit diesem Forschungsgebiet zu geben. In der genannten Studie wird Synthetische Biologie nun
wie folgt definiert:
Die Synthetische Biologie basiert auf den Erkenntnissen der molekularen Biologie, der Entschlüsselung kompletter Genome, der ganzheitlichen Betrachtung biologischer Systeme und
dem technologischen Fortschritt bei der Synthese und Analyse von Nukleinsäuren. Sie führt
ein weites Spektrum an naturwissenschaftlichen Disziplinen zusammen und verfolgt da-
bei ingenieurwissenschaftliche Prinzipien. Das
spezifische Merkmal der Synthetischen Biologie
ist, dass sie biologische Systeme wesentlich verändert und gegebenenfalls mit chemisch synthetisierten Komponenten zu neuen Einheiten kombiniert. Dabei können Eigenschaften entstehen,
wie sie in natürlich vorkommenden Organismen
bisher nicht bekannt sind.
Diese Definition greift also die Wurzeln
der Synthetischen Biologie auf, weist auf
den Einsatz von ingenieurwissenschaftlichen Prinzipien hin und endet mit der
Feststellung, dass biologische Systeme
mit neuen Eigenschaften konstruiert werden können, die so in der Natur nicht vorkommen. Damit sind die Kernpunkte der
Synthetischen Biologie genannt: Synthetische Biologie nutzt Eigenschaften natürlich vorkommender Zellen, führt diese in
geeigneten Wirtssystemen mittels geno-
Abb. 1: Bilder von DNA-Sequenzierautomaten sowie eines Ausdrucks des Kapillarsequenzierers.
Dargestellt sind drei unterschiedliche Sequenzierautomaten. Das Gerät von Applied Biosystems gehört
der ersten Sequenziergeneration an. In der unteren Bildhälfte ist der Ausdruck eines Sequenzierlaufs
dieses Geräts wiedergegeben. Die Interpretation der vier eingefärbten Kurven führt zur Festlegung der
Basensequenz. Im weiteren werden noch 2 weitere Sequenierautomaten der zweiten Sequenziergeneration gezeigt.
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mischer Programmierung zusammen und
konstruiert so neuartige Zellen.
Start
DMTO
O
B1
O
3 Die Wurzeln der Synthetischen
Biologie
Die Aufklärung der DNA-Struktur durch
Watson und Crick im Jahre 1953 lässt sich
als eine der frühesten Wurzeln der Synthetischen Biologie identifizieren [2]. Die damals postulierte DNA-Doppelhelix hat die
Molekulargenetik begründet und viele Anstöße zu bahnbrechenden Erkenntnissen
geliefert. So wurde der genetische Code in
den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts
komplett aufgeklärt [3]. Dieser grundsätzlich für alle Lebewesen geltende genetische Code gibt Auskunft darüber, wie der
Bauplan von Proteinen als genetische Information im DNA-Molekül gespeichert
wird. Dazu liegen molekularbiologisch
folgende Erkenntnisse vor. Proteine bestehen aus einer linearen Kette von 20 unterschiedlichen Aminosäuren. DNA-Einzelstränge hingegen stellen eine lineare
Kette von vier unterschiedlichen Nukleotiden dar. Der genetische Code gibt nun
Auskunft darüber, wie jede einzelne Aminosäure in den Proteinen durch Basentripletts genetisch kodiert wird. Kurz zusammengefasst bedeutet dies, dass die
Abfolge von Aminosäuren in Proteinen
durch die Abfolge der Basentripletts in
den Einzelsträngen der DNA-Doppelhelix
niedergelegt ist.
Ein Durchbruch auf dem Weg zur Synthetischen Biologie ist dann mit der Entwicklung der Gentechnik verbunden.
Diese Entwicklung wurde im Jahr 1973 zunächst bei Bakterien als Plasmid-basierte
Technologie in Californien, USA, aus der
Taufe gehoben [4]. Bereits die ersten Publikationen legten die Leistungsfähigkeit
dieser Technologie offen, da Erbinformationen aus beliebigen Organismen in
Bakterien eingeführt und dort stabil vererbt werden können. Kurz darauf konnten schon neben Bakterien auch eukaryotische Mikroorganismen wie Hefen und
Pilze und schließlich auch mehrzellige
Organismen aus dem Pflanzen- und Tierreich gentechnisch bearbeitet werden. Die
Etablierung der Gentechnik, die praktisch
Gentransfer zwischen beliebigen Organismen ermöglicht, löste eine weitreichende
gesellschaftliche Diskussion über deren
Gefahrenpotenziale aus. Um mögliche
Gefahren durch Gentechnik von Mensch
und Umwelt abzuwenden, wurden Richtlinien zum Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen entwickelt, die in
Deutschland Eingang in das Gentechnikgesetz fanden [5].
DMTO
O
O
B2
O
O
NC
O
P
N
Detritylierung
HO
O
DMTO
Step 1
Aktivierung und
Kopplung
B1
O
O
O
B2
O
NC
O P
O
O
O
O
O
O
nächster
Zyklus
B1
Step 2
Schneiden
O
O
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B1
O
O
O
Step 3
Oxidation
HO
Abspaltung
des fertigen
Oligonukleotids
HO
O
NC
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DMTO
O
O
O
O
O P O
O
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B2
O
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O
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Step 4
Detritylierung
B2
O
NC
O P O
O
O
O
B1
B1
O
O
O
Cl
HO
Cl
OH
O
Cl
Entfernung des Schutzes
HO
O
B2
O
O P O
O
O
B1
HO
Abb. 2: Ablauf der chemischen DNA-Synthese. Die chemische DNA-Synthese besteht aus den vier
gezeigten Schritten. Pro Zyklus verlängern diese vier Syntheseschritte einen gegebenen DNA-Strang
um ein Nukleotid. Der Prozess kann automatisiert werden und liefert DNA-Fragmente von bis zu 100
Nukleotiden Länge.
Als eine weitere Wurzel der Synthetischen Biologie etablierte sich anschließend die DNA-Sequenzierung. Nachdem
der genetische Code entschlüsselt vorlag,
wurde intensiv an Verfahren zur Sequenzierung von DNA-Einzelsträngen gearbeitet. Im Jahr 1977 konnten schließlich
zwei Sequenziertechnologien in der Zeitschrift PNAS vorgestellt werden, nämlich die chemische Degradationsmethode
von Maxam und Gilbert [6] und die Kettenabbruchmethode von Sanger et al.
[7]. Da die Sanger-Methode automatisiert
werden konnte, setzte sich diese schließlich durch und führte zur Konstruktion
von Sequenzierautomaten, mit denen zunächst kleinere Genome von Bakterien,
dann aber auch größere Genome wie das
menschliche Genom, sequenziert werden
konnten. In der Zwischenzeit haben sich
Sequenziergeräte der zweiten Generation
durchgesetzt, die hoch parallel viele DNAEinzelstränge gleichzeitig bearbeiten können, wodurch das Sequenziergeschehen
eine ungeahnte Beschleunigung erfuhr.
Häufig verwendete Sequenzierautomaten
der ersten und zweiten Generation werden in Abbildung 1 präsentiert.
Als eine weitere Technologie, die für die
Synthetische Biologie von großer Bedeutung ist, muss die chemische DNA-Synthese genannt werden [8]. In biologischen
Systemen gilt die Molekularbiologie der
DNA-Synthese als aufgeklärt. An einem
vorhandenen DNA-Einzelstrang als Matrize wird der komplementäre DNA-Strang
enzymatisch synthetisiert. Diese biologische DNA-Replikation kann bei der chemischen DNA-Synthese allerdings nicht
genutzt werden, denn hier liegt als Blaupause eine vorgegebene Basensequenz
vor, die bei der Synthese eines DNA-Einzelstrangs verwirklicht werden muss.
Die chemische DNA-Synthese beruht daher auf einem komplett neuen Ansatz,
der sich insbesondere der Methoden der
Schutzgruppenchemie bedient (Abb. 2).
Die Technologie ließ sich automatisieren,
so dass heute mit entsprechenden Maschinen DNA-Einzelstränge bis zu einer
Länge von rund 100 Basen hergestellt werden können.
5
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Abb. 3: Herstellung einer synthetischen Mycoplasma-mycoides-Zelle durch Einführung des chemisch
synthetisierten Mycoplasma-mycoides-Genoms nach Mycoplasma capricolum (verändert nach [17]).
Die geschilderten Erkenntnisse und
Technologien spielen bei der Entwicklung
der Synthetischen Biologie die entscheidende Rolle und werden deshalb als Wurzeln dieses Forschungsfeldes betrachtet.
Wie die Synthetische Biologie schließlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangte, wird im nächsten Kapitel
geschildert.
4 Die mediale Geburtsstunde
der Synthetischen Biologie
Als mediale Geburtsstunde der Synthetischen Biologie wird allgemein das Frühjahr 2010 gesehen. Anlass dazu war eine
Publikation der Arbeitsgruppe um Craig
Venter in der Zeitschrift Science, die die
Konstruktion einer bakteriellen Zelle beschreibt, die von einem chemisch synthetisierten Genom gesteuert wird [9]. Craig
Venter gelang mit dieser Publikation ein
weiterer Paukenschlag. Er wurde ja ursprünglich durch seinen unkonventio6
nellen DNA-Sequenzierungsansatz, die
menschliche Genomsequenz durch Parallelschaltung von vielen Sequenziergeräten zu entschlüsseln, international bekannt [10]. In einem zweiten Großprojekt
widmete er sich der Analyse mikrobieller
Gemeinschaften aus dem marinen Bereich, was erneut den Einsatz von Sequenzierautomaten im industriellen Maßstab
erforderte [11]. Das jüngste Großprojekt
beinhaltet nun die chemische Synthese
eines gesamten bakteriellen Genoms. Er
wählte dazu das tierpathogene Bakterium
Mycoplasma mycoides, das als Erreger der
Lungenseuche bekannt ist. Dieses Bakterium bot sich aufgrund einer geringen Genomgröße von 1,08 Millionen Basenpaaren für eine chemische Gesamtsynthese
an. Die Sequenz des Mycoplasma-mycoidesGenoms war bereits bekannt, sodass ein
Ablaufplan zur chemischen Synthese dieses Genoms entworfen werden konnte.
Der Umfang dieser Gesamtsynthese war
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enorm, denn es musste aus DNA-Fragmenten mit einer Größe von rund 100 Basen das über 1 Million Basenpaare große
Gesamtgenom zusammengesetzt werden. Diese Aufgabe meisterte die CraigVenter-Gruppe, wobei das chemisch synthetisierte bakterielle Genom schrittweise
als künstliches Chromosom in einer Hefezelle aufgebaut wurde.
Mit der Fertigstellung des chemisch
synthetisierten
Mycoplasma-mycoidesGenoms war zunächst aber nur der erste
Schritt getan. Das chemisch synthetisierte
Genom musste noch in eine Bakterienzelle transplantiert und dort zum Arbeiten
gebracht werden. Auch dieser Schritt verlangte Entwicklungsarbeit, denn es gab
dazu noch kein etabliertes Verfahren. Die
Craig-Venter-Gruppe wählte für den Transplantationsschritt das Bakterium Mycoides capricolum. Die Transplantation verlief
erfolgreich. Das chemisch synthetisierte
Mycoplasma-mycoides-Genom
etablierte
sich in der Mycoplasma-capricolum-Zelle
und wandelte diese in eine Mycoplasmamycoides-Zelle um. Die Sensation war damit perfekt. Die Craig-Venter-Gruppe hat
mit diesem Verfahren Geschichte geschrieben und die erste Bakterienzelle mit
einem chemisch synthetisierten Genom
realisiert. Als Ergebnis liegt eine synthetische Zelle vor, die von einem chemisch
synthetisierten Genom gesteuert wird.
Weltweit wurde dieses Ergebnis von den
Medien als großer Durchbruch gefeiert
und die Craig-Venter-Publikation als die
Geburtsstunde der Synthetischen Biologie bezeichnet. Ohne die Bedeutung dieses Erfolgs herunterzuspielen, ist anzumerken, dass die Craig-Venter-Gruppe nur
einen Ausschnitt aus dem Gesamtansatz
der Synthetischen Biologie bearbeitet hat.
Sie hat gezeigt, dass die chemische DNASynthese ein wertvolles Werkzeug bei der
Herstellung von DNA-Fragmenten darstellt, die nach Transfer in eine geeignete
Zelle biologisch aktiv werden können. In
Abbildung 3 wird das bahnbrechende Experiment der Craig-Venter-Gruppe in seinen Grundzügen dargestellt.
Ein weiterer Kommentar soll den medialen Hype um die Craig-Venter-Publikation beleuchten. Craig Venter trug dazu
nicht unwesentlich bei, denn die Überschrift der Publikation „Creation of a
Bacterial Cell Controlled by a Chemically
Synthesized Genome“ sprach von der Erschaffung einer synthetischen Zelle. Diese
Wortwahl ist jedoch unangebracht, denn
es handelt sich nicht um die Erschaffung
einer synthetischen Zelle, sondern lediglich um den Nachbau einer in der Natur
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vorkommenden bakteriellen Spezies. Die
Craig-Venter-Gruppe nutzte für die chemische Synthese des bakteriellen Genoms
die Genomsequenz von Mycoplasma mycoides und anschließend für den Transplantationsschritt das Empfängerbakterium
Mycoplasma capricolum. Damit wurde auf in
der Natur vorhandene Informationen und
Strukturen zurückgegriffen, also Vorhandenes nachgebaut und nicht etwas Neues
erschaffen [12]. Mit dieser Bewertung des
Craig-Venter-Experiments nähert man
sich der Frage, wie sich Synthetische Biologie und Künstliches Leben voneinander
abgrenzen. Synthetische Biologie konstruiert lebende Systeme unter Verwendung von biologischen Komponenten.
Künstliches Leben hingegen erschafft Systeme, die Grundeigenschaften des Lebens
aufweisen, ohne dass dazu biologische
Komponenten verwendet werden. Nach
dem heutigen Stand der Wissenschaft
liegt die Erschaffung von künstlichem Leben jenseits aller Vorstellungskraft. Die
Begriffe Synthetische Biologie und Künstliches Leben grenzen sich also scharf voneinander ab und sollten im allgemeinen
Sprachgebrauch nicht vermengt werden.
5 Aspekte der Synthetischen Biologie
Heutzutage wird Synthetische Biologie oft mit einer komplexeren Gentech-
nik gleichgesetzt. Man transferiert nicht
mehr nur einzelne Gene, sondern konzentriert sich auf größere Gencluster. Solche Gencluster können für synthetische
Stoffwechselwege kodieren, aber auch
als synthetische Genschalter aktiv sein.
Das bekannteste Beispiel für synthetische
Stoffwechselwege stellt die Biosynthese
der Antimalaria-Substanz Artemisinin
dar. Bis heute wird Artemisinin auf klassische Weise durch Extraktion aus getrockneten Pflanzen des einjährigen Gelben
Beifuß gewonnen. Allerdings ist die ausreichende landwirtschaftliche Produktion
von Pflanzenmaterial nicht gewährleistet, so dass ein Projekt ins Leben gerufen
wurde, Artemisinin mit Hilfe der Synthetischen Biologie zu produzieren. Dazu soll
das Darmbakterium Escherichia coli oder
die Hefe Saccharomyces cerevisiae mit einem
synthetischen Gencluser ausgerüstet werden, das die Biosynthese von Artemisinin vermittelt [13, 14]. Die Arbeiten sind
bereits weit gediehen. Die synthetischen
Mikroorganismen werden in Fermenterkulturen gezogen und produzieren die
medizinisch wertvolle Substanz Artemisinin. Dieses prominente Projekt wurde übrigens von einer Reihe von interessanten
Kooperationspartnern
vorangetrieben.
Neben der Nichtregierungsorganisation
„One World Health“ und der Bill-Gates-
Mevalonatweg
(Anfang)
Acetylcholin
atoB
HMGS
IHMGR
Mevalonatweg
(Ende)
Mervalonat
MK
PMK
MPD
iDi
Stiftung sind zwei Industrieunternehmen, nämlich Amyris und Sanofi-Aventis
an der Durchführung beteiligt. Dieses Projekt zeigt beispielhaft, welche Rolle die
Synthetische Biologie in Zukunft auf dem
biotechnologischen Sektor spielen kann.
Der Stoffwechselweg zur Herstellung von
Artemisinin mittels Synthetischer Biologie wird in Abbildung 4 präsentiert.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Entwicklung von Minimalzellen, die ein sogenanntes Minimalgenom enthalten. Das
Minimalgenom soll per Definition nur essentielle Gene enthalten, die eine Zelle für
das Überleben unter vorgegebenen Fermentationsbedingungen benötigt. Damit
können aus einem Genom all die Gene
entfernt werden, die einer Zelle das Überleben in einer komplexen Umwelt ermöglichen. Eine Minimalzelle mit einem reduzierten Genom ist also nur an definierte
Fermentationsbedingungen angepasst.
Man kann eine solche Minimalzelle auch
als Chassis nutzen, das mit Genkassetten
beladen gewünschte Substanzen produzieren kann. Minimalzellen spielen übrigens bei biologischen Sicherheitsfragen
eine entscheidende Rolle. Zu den nicht
essentiellen Genen eines Mikroorganismus zählen z. B. alle Gene, die dazu beitragen, Stresssituationen in einer komplexen Umwelt zu bewältigen. Werden nun
Synthase
iapA FPP
ADS Amorphadien
HydroxylaseEinheit
CPR
p450
Artemisinsäure
H
O
H3C
H3C
SCoA
HOOC
OH
H
OPP
OH
H
H
H
O
O
Artemisinsäure
O O
H
H
O
O
Artemisin
Abb. 4: Darstellung des Biosynthesewegs zur Herstellung des Antimalariamittels Artemisinin. Der Biosyntheseweg zur Herstellung von Artemisininsäure
geht von Acetyl-CoA aus. Zunächst wird der Mevalonat-Stoffwechselweg der Bierhefe Saccharomyces cerevisiae genutzt, gefolgt von drei Biosyntheseschritten aus der Pflanze Artemisia annua. Artemisininsäure wird dann chemisch zu Artemisinin umgewandelt.
7
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diese Stress-Gene aus dem mikrobiellen
Genom entfernt, dann ist ein solcher Mikroorganismus für ein Überleben in einer
komplexen Umwelt wenig geeignet. Eine
synthetische Zelle, die als Ausgangspunkt
eine Minimalzelle nutzt, besitzt damit ein
intrinsisches Sicherheitssystem. Die Verwendung von Minimalzellen bei der Konstruktion von synthetischen Zellen ist aus
Sicht der biologischen Sicherheit also ein
wichtiges Argument.
Synthetische Biologie als ein sich neu
entwickelnder Wissenschaftszweig benötigt wissenschaftlichen Nachwuchs.
Universitäten sind gefordert, vernünftige
Ausbildungsprogramme ins Leben zu rufen. Ein Ansatzpunkt ist sicherlich die Einrichtung von Graduiertenschulen, die sich
mit Fragen der Synthetischen Biologie
beschäftigen. Solche Graduiertenschulen
liefern gut ausgebildete Nachwuchswissenschaftler, die dann für Leitungsaufgaben in Akademia und Industrie zur Verfügung stehen. Man sollte aber bereits
frühzeitig darüber nachdenken, wie man
Synthetische Biologie auch in die universitäre Grundausbildung, also in Bachelorund Masterprogramme integrieren kann.
Eine interessante Variante, Studierende
an diesen neuen Wissenschaftszweig heran zu führen, wird mit dem iGEM-Wettbewerb realisiert. Beim iGEM-Wettbewerb
(international genetically engineered
machine competition) handelt es sich
um den bedeutendsten internationalen
Wettbewerb für Studierende auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie [15]. Dieser Wettbewerb wird von dem berühmten
Massachusetts Institute of Technology in
Boston, USA, durchgeführt. Er wurde 2003
ins Leben gerufen und entwickelte eine
ungeahnte Anziehungskraft. In der Zwischenzeit nehmen mehr als 200 studentische Gruppen aus allen Erdteilen an diesem Wettbewerb teil und ringen um eine
der begehrten Goldmedaillen. Aufgabe
des Wettbewerbs ist es, eine relevante
Forschungsfrage mit Mitteln der Synthetischen Biologie zu lösen und dabei sogenannte Biobausteine (Biobricks) zu entwickeln, die von den iGEM-Organisatoren
gesammelt und anderen iGEM-Teams wieder zur Verfügung gestellt werden. Die entwickelten Biobausteine funktionieren als
synthetische Genschalter, kodieren aber
auch für synthetische Stoffwechselwege.
Ein Spezifikum des iGEM-Wettbewerbs
ist es, dass die beteiligten Gruppen selbst
großen Einsatz und viel Eigeninitiative
entwickeln müssen. Diese Initiative beginnt bei der Auswahl des Forschungsthemas und dessen Bearbeitung und führt
hin bis zur Finanzierung des Projekts
und zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Es ist verblüffend, mit welchem
Enthusiasmus sich iGEM-Gruppen den
vielfältigen Aufgaben stellen und bereits
frühzeitig ein vertieftes Wissen auf dem
Gebiet der Synthetischen Biologie erwerben. Am Centrum für Biotechnologie der
Universität Bielefeld hat sich bereits im
Jahr 2010 das erste iGEM-Team von Studierenden aus Masterstudiengängen formiert. Seitdem haben Bielefelder iGemTeams kontinuierlich an dem Wettbewerb
teilgenommen. Als Themen wurde die
Konstruktion von Biosensoren für Capsaicin und Bisphenol A aufgegriffen. Im
Abb. 5: Das Bielefelder iGEM-Team des Jahres 2014 nach erfolgreicher Vorstellung ihres Projektes
beim internationalen Wettbewerbs-Finale in Boston, USA. Die Stellwand nennt das im Wettbewerb
vorgestellte Projekt „The Transformers – From Carbondioxide to Biofuel“.
Foto: Justin Knight/iGEM Foundation
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Weiteren erfolgte die Entwicklung eines
zellfreien Filtersystems für Mikrokontaminanten in Abwasser sowie der mikrobiellen Stromproduktion in einer Brennstoffzelle. Im Wettbewerb 2010 beteiligte
sich das Bielefelder iGEM-Team mit dem
Thema „Bakterielle Produktion von Biokraftstoff durch CO2-Fixierung“. Die Beiträge der Bielefelder iGEM-Teams wurden
jedesmal prämiert. Besonders im Jahr
2013 wurde das Team in der Vorauswahl
Europasieger und anschließend Vizeweltmeister. Abbildung 5 zeigt das Bielefelder iGEM-Team des Jahres 2014 mit einem
Hinweis auf das behandelte Thema.
Es wurde bereits darauf hingewiesen,
dass gentechnische Verfahren in Deutschland dem Gentechnik-Gesetz unterliegen. Da die Synthetische Biologie als eine
komplexere Gentechnik verstanden wird,
muss die Frage beantwortet werden, ob
das Gentechnikgesetz auch bei synthetisch erzeugten Organismen angewendet
werden kann. Zur Beantwortung dieser
Frage ist von Bedeutung, dass experimentell hergestellte synthetische Zellen zur
Zeit ausnahmslos in großer Nähe zu ihren Ausgangszellen liegen, und dass dadurch das Prinzip der Risikoabschätzung
greift. Das geltende Gentechnikgesetz
kann daher für Fragen der biologischen
Sicherheit von synthetischen Zellen herangezogen werden. Damit benötigt das
Gebiet der Synthetischen Biologie augenblicklich keine neuen Regulierungsvorschriften. Diese Überlegungen begründen
auch, warum in Deutschland von einem
Moratorium, also von einem Forschungsverbot auf dem Gebiet der Synthetischen
Biologie Abstand genommen wird. Diese
Sichtweise wird auch in der eingangs erwähnten Studie zur Synthetischen Biologie vertreten. An Stelle eines Moratoriums wird in dieser Stellungnahme der
Politik ein begleitendes Monitoring empfohlen. Die Politik hat diese Empfehlung
umgesetzt und in der Zwischenzeit eine
Monitoringstelle bei der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit eingerichtet [16].
Nicht verschwiegen werden soll, dass
die Synthetische Biologie natürlich auch
Potenziale beinhaltet, die bei der Entwicklung von biologischen Waffen genutzt
werden können. Ein einfaches Szenario
ist z. B. die chemische Synthese von pathogenen Virengenomen oder auch von
Genen, die die Gefährlichkeit von pathogenen Mikroorganismen erhöhen. Da die
chemische DNA-Synthese augenblicklich
aber weltweit in Händen von einigen Firmen liegt, kann darauf geachtet werden,
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BIOTECHNOLOGIE – SYNTHETISCHE BIOLOGIE / PdN BIOLOGIE in der Schule
dass keine DNA-Fragmente aus dem sicherheitsrelevanten Bereich synthetisiert
werden. Allerdings liegen keine Patentrezepte vor, mit denen die Synthese von
problematischen DNA-Fragmenten unterbunden werden kann.
7 Synthetische Biologie als neue
Technikwissenschaft
Die Definition des Begriffs Synthetische
Biologie beinhaltet den Hinweis, dass dieses Fachgebiet ingenieurwissenschaftliche Prinzipien nutzt. Diese Aussage bedarf weiterer Erläuterungen, wobei geklärt
werden muss, welche besonderen ingenieurwissenschaftlichen Prinzipien zur
Anwendung kommen. Hierzu soll als Beispiel die technische Entwicklung eines
neuen Flugzeugtyps herangezogen werden. Zunächst werden am Reißbrett oder
am Computer erste Pläne skizziert. Diese
Pläne dienen dazu, die Flugeigenschaften
des neuen Flugzeugs zu ermitteln, wobei
Methoden eingesetzt werden, die mittels
Simulation Voraussagen über das Flugverhalten des neuen Flugzeugs ermöglichen.
Erst wenn diese Simulationen erfolgreich
abgeschlossen sind, wird man daran gehen, einen ersten Prototyp zu bauen. Ein
solcher Prototyp lässt sich dann unter realen Bedingungen experimentell auf seine
Flugeigenschaften testen.
Die geschilderte Vorgehensweise gilt
nun auch für die Synthetische Biologie.
Zunächst muss festgelegt werden, welche Eigenschaften die zu konstruierende
synthetische Zelle besitzen soll. Dazu ist
der Bauplan für die synthetische Zelle zu
entwerfen, d. h. auf genomischer Ebene
müssen die für die gewünschten Eigenschaften zuständigen Genfragmente zusammengestellt werden. Als nächstes
wird dann in silico geprüft, ob der entworfene Bauplan zu einer lebensfähigen synthetischen Zelle mit den gewünschten
Eigenschaften führt. Dazu benötigt man
ebenfalls Modelle, die das System ‚synthetische Zellen‘ beschreiben und Simulationsschritte erlauben. Fallen diese Prüfungen zur Zufriedenheit aus, dann wird
man auch hier den Prototyp einer synthetischen Zelle verwirklichen, also den genetischen Bauplan der synthetischen Zelle
mittels genomischer Programmierung
umsetzen. Diese analoge Vorgehensweise
sowohl beim Bau eines neuen Flugzeugs
als auch bei der Konstruktion einer synthetischen Zelle macht deutlich, warum
man der Synthetischen Biologie ingenieurmäßige Prinzipien zuschreibt.
Die ingenieurmäßige Vorgehensweise
bei der Konstruktion von synthetischen
Abb. 6: Präsentation der vier omics-Technologien. Die vier omics-Technologien Genomik, Transkriptomik, Proteomik und Metabolomik werden durch typische Geräte und die damit erzeugten Ergebnisse
dargestellt. In (A) ist ein DNA-Sequenzierautomat und als typisches Ergebnis das zirkuläre Genom
eines Bakteriums dargestellt. Teil (B) zeigt eine Maschine zur Herstellung von Mikroarrays und deren
Einsatz bei der Messung von Transkriptionsvorgängen. Teil (C) zeigt ein spezielles Massenspektrometer, das zur Identifizierung von Proteinen eingesetzt wird. In Teil (D) ist erneut ein Massenspektrometer
abgebildet, mit dem Metabolite entsprechend ihrer Masse und Quantität detektiert werden können.
Zellen wirft die Frage auf, wie das Gesamtgeschehen in einer Zelle modellhaft
erfasst werden kann. Dazu wurde im Vorfeld der Synthetischen Biologie bereits
die Systembiologie auf Basis von omicsDaten entwickelt. Omics-Daten, die das
Geschehen in einer Zelle ganzheitlich beschreiben, werden mit den omics-Technologien Genomik, Transkriptomik, Proteomik und Metabolomik gewonnen. In
Abbildung 6 werden die vier grundlegenden omics-Technologien anhand der eingesetzten Apparaturen dargestellt. Mittels omics-Technologien werden dabei
hochparallel alle Gene, alle Transkripte,
die meisten Proteine und viele Metabolite
einer Zelle erfasst, wobei die identifizierten Transkripte, Proteine und Metabolite
jeweils vom Zustand der Zelle und seiner
Umgebung abhängen und dadurch zeitlich stark variieren können. Omics-Daten
entwerfen ein ganzheitliches Bild des
zellulären Geschehens. Die Systembiologie versucht nun auf diesen omics-Daten
aufbauend das Gesamtgeschehen in einer Zelle modellhaft zu erfassen. So wird
versucht die Genregulation in einer Zelle
anhand der Transkripte und den Stofffluss über das Auftreten von Metaboliten
zu modellieren. Solche Modelle erleichtern anschließend die Entwicklung von
genomischen Bauplänen für synthetische
Zellen und spielen auch eine wesentliche
Rolle, wenn erste Prototypen von synthetischen Zellen detailliert analysiert
werden.
Die obige Darstellung zeichnet den
Weg vor, der der Synthetischen Biologie
den Übergang von einer biologischen Wissenschaft zu einer Technikwissenschaft
ermöglicht. Allerdings ist der Weg noch
weit. Die Systembiologie ist über Anfangserfolge noch nicht hinaus gekommen und
die modellhafte Erfassung des gesamten
zellulären Geschehens aus omics-Daten
scheint eine Jahrhundertaufgabe zu sein.
Die Gründe hierfür sind offensichtlich,
denn das zelluläre Geschehen ist hochkomplex und kann augenblicklich nur in
Teilen erfasst werden. Trotz all dem wird
der Synthetischen Biologie eine große Zukunft vorausgesagt, insbesondere wenn
man ihr Zusammenspiel mit der Biotechnologie in Betracht zieht. Die Biotechnologie nutzt ja das Synthesepotenzial von
lebenden Zellen zur Produktion von bestimmten Substanzen. In Zukunft lässt
sich nun dieses Synthesepotenzial mittels
Synthetischer Biologie ausweiten, womit
die Produktion neuartiger Substanzen
ermöglicht wird, die sich heute noch einer biotechnologischen Produktion entziehen. Die zukünftige Vorstellung einer
biotechnologischen Produktion mittels
Synthetischer Biologie geht von der Idee
aus, dass vorhandene Chassis-Zellen mit
ausgewählten Genkassetten zur Produktion von neuartigen Substanzen beladen
werden. Mit dieser Vision wird der Synthetischen Biologie eine bedeutende Rolle
bei der zukünftigen Entwicklung der Biotechnologie zugeschrieben. Synthetische
Biologie wird in Zukunft als Technikwissenschaft also besonders für die Fortentwicklung der Biotechnologie eine herausgehobene Rolle spielen.
■
Anmerkung
* Der vorliegende Artikel baut auf einem
Vortrag auf, den der Autor im Rahmen einer
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PdN BIOLOGIE in der Schule / BIOTECHNOLOGIE – SYNTHETISCHE BIOLOGIE
Schülerakademie am 7. Juli 2014 am Centrum
für Biotechnologie der Universität Bielefeld gehalten hat.
Literatur
[1] Synthetische Biologie; Synthetic Biology:
Stellungnahme. Standpunkte. (2009), Hrsg.
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Deutsche Akademie der Naturforscher
Leopoldina, WILEY-VCH.
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for Deoxyribose Nucleic Acid; Nature 171,
Nr. 4356, 737–738.
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Lecture, December 12, 1968.
[4] Cohen, S. N., Chang, A. C. Y., Boyer,
H. W., Helling, R. B. (1973): Construction of
Biologically Functional Bacterial Plasmids In
Vitro; Proc. Nat. Acad. Sci. USA 70 (11),
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[5] Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz – GenTG); http://www.gesetzeim-internet.de/gentg/index.html
[6] Maxam, A. M., Gilbert, W. (1977): A new
method for sequencing DNA, Proc. Natl. Acad.
Sci. USA. 74 (2), 560–564.
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(1977): DNA sequencing with chain-terminating inhibitors, Proc. Natl. Acad. Sci. USA. 74
(12), 5463–5467.
[8] Reese, C. B. (2005): Oligo- and poly-nucleotides: 50 years of chemical synthesis; Org. Biomol. Chem. 3, 3851–3868.
[9] Gibson, D. G. et al. (2010): Creation of a
bacterial cell by a chemically synthesized genome; Science 329 No. 5987, 52–56.
[10] Venter, J. C., et al. (2001): The sequence
of the human genome. Science 291 No. 5507,
1304–1451.
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HEFT 3 / 64. JAHRGANG / 2015
[12] Pühler, A. (2010): Leben aus der Retorte;
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[13] Martin, V. J. J., Pitera, D. J., Withers, S. T.,
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[16] Monitoring der Synthetischen Biologie
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[17] Itaya, M. (2010): A synthetic DNA transplant. Nature Biotechnology 28, 687–689.
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. A. Pühler, Centrum für Biotechnologie,
Universität Bielefeld, 33594 Bielefeld
Lösungen zu den Aufgaben des Arbeitsblattes
Zu 1.: Der Zusammenbau des Mycoplasma-mycoidesGenoms begann mit der Synthese von relativ kleinen DNAAbschnitten (Oligonukleotide). Die Oligonukleotide wurden
dann in Bakterien der Art Escherichia coli vermehrt. Das Verknüpfen der Fragmente erfolgte nun schrittweise in Hefezellen.
Dabei durften die Bruchstücke nicht wahllos aneinander gekettet werden, sondern die richtige Reihenfolge musste beachtet
werden. Durch die überlappenden Abschnitte konnten sich aufgrund der Basenpaarung die Fragmente in der vorgesehenen
Reihenfolge finden.
Zu 2.: Im Wesentlichen handelt es sich um biochemische
Methoden, zum Beispiel
• Proteomik (Bestimmung der Proteinzusammensetzung in Zellen v. a. durch 2D-Gelelektrophorese)
• DNA-Sequenzierung (Ablesen der Nukleotid-Abfolge; man unterscheidet die klassischen Methoden wie z. B. die Didesoxymethode nach Sanger, und die modernen Sequenzierungsmethoden der 2. Generation wie z. B. die Hybridisierungsmethode)
• Genexpressionsanalyse (Untersuchung der Transkriptionsaktivität einzelner Gene)
• Mikroarrays (z. B. Nachweis der mRNA-Menge bestimmter Zielgene).
Zu 3.: Durch Antibiotika werden Bakterienzellen abgetötet.
Mycoplasmen werden zum Beispiel durch Tetrazyklin zerstört.
Wenn dagegen in das Bakteriengenom das Tetrazyklin-Gen
eingebaut ist, wird ein Enzym gebildet, welches das Antibiotikum unwirksam macht. Eine Bakterienzelle, die dieses Gen
enthält, überlebt also auf tetrazyklinhaltigen Nährböden. So
können Bakterienzellen, die ein Genom mit oder ohne dieses
Gen aufweisen, unterschieden werden.
Zu 4.: Der intrazelluläre Raum ist durch sehr konstante chemische und physikalische Faktoren gekennzeichnet. Parasiti10
sche Bakterien wie die Mycoplasmen, die intrazellülär in ihren
Wirtsorganismen und damit unter gleichbleibenden Umweltbedingungen leben, haben im Lauf der Evolution einen großen Teil der Gene, die sonst zur Auseinandersetzung mit den
Umweltbedingungen nötig wären, verloren. Nicht notwendige Gene unterliegen nicht dem Selektionsdruck, mutieren relativ
rasch und werden im Lauf von relativ wenigen Generationen
abgebaut.
Zu 5.: Unter Transformation versteht man die Übertragung von blanker DNA auf lebende Bakterien. Die synthetische DNA wird
in der Bakterienzelle neben dem vorhandenen Lineom ebenfalls als Lineom eingebaut. Bei der nächsten Zellteilung erhält jede Tochterzelle eines der beiden Lineome. Wenn in das
in-vitro synthetisierte Lineom zum Beispiel ein Tetrazyklin-Gen
eingebaut wurde, ist eine gezielte Auswahl (Selektion) der
Bakterien mit dem neu synthetisierten Lineom möglich. Durch
Verwendung eines Nährbodens mit Tetrazyklin sterben die
Bakterien mit dem ursprünglichen Genom ab, während die
Bakterien mit der neu synthetisierten DNA überleben und sich
vermehren.
Zu 6.: Die Medien haben mit dieser Einschätzung gewaltig
übertrieben. Natürlich ist die wissenschaftliche Arbeit, die sich
über Jahre hinzog und von Hunderten von Wissenschaftlern
geleistet wurde, enorm. Es wurde aber kein neues Leben erschaffen. Die vorhandenen Stoffwechselkapazitäten der Mycoplasma-Zellen sowie die notwendigen Baumaterialien wurden
genutzt. Die seit der Entstehung des Lebens auf der Erde in
Milliarden Jahren entwickelten biochemischen Produktionsmöglichkeiten wurden im Labor nur nachvollzogen, wobei auf vorhandene biochemische Materialien zurückgegriffen wurde.
Das Arbeitsblatt wurde erstellt durch
Dr. Wolfgang Jungbauer, Wilhelm-Röntgen-Str. 3,
91710 Gunzenhausen, E-Mail: [email protected]
PdN BIOLOGIE in der Schule / BIOTECHNOLOGIE – SYNTHETISCHE BIOLOGIE 3 / 64. JAHRGANG / 2015
Arbeitsblatt
„Und am achten Tag erschuf Craig Venter künstliches Leben“
(Zitat Cinthia Brisenõ in www.spiegel.de/wissenschaft/natur/erster-kuenstlicher-organismus-/
sie-sollen-tun-was-wir-wollen-a-696057.html)
Kein Biogenetiker unserer Zeit ist so umstritten wie der
Abschnitt 1
Design der zu synthetisierenden DNA:
US-Amerikaner John Craig Venter. Mit seinem im Jahr Festlegung der Basensequenz mit wesent2001 erzielten Erfolg der Entschlüsselung des menschlichen Teilen des Genoms von Mycoplasma mycoides ssp. capri, dazu einige
lichen Erbgutes in seinen privaten Forschungslaweitere, für die Synthese wichtige Gene
bors – und zwar schneller als die staatlich geförderten
sowie von Markersequenzen zur Identifizierung der neuen DNA
Forschungsinstitute (HUGO, Human-Genom-Projekt) – zog er das Interesse der internationalen Medien auf
Abschnitt 2
sich. Als ihm dann noch weitere spektakuläre Erfolge
In-vitro-Synthese von Oligonukleotiden als kürzeren
gelangen, wurde er schon als zukünftiger Nobelpreis„Bausteinen“ der gewünschten DNA
träger gefeiert. Aber seine auf Grund der Profitorientierung zwiespältige Arbeit, gefördert durch Sponsorengelder, stieß auf viel Misstrauen. 2010 folgte der
Aufbau von kürzeren Fragmenten und Vervielfältigung in Coli-Bakterien (1-kbp-Fragmente)
nächste Paukenschlag: Craig Venter verkündete die
Erschaffung künstlichen Lebens.
Zusammenbau der Fragmente und Klonierung
Die wissenschaftliche Leistung von Craig Venter und
in Hefezellen (10-kbp-Fragmnente, 100 kbpFragmente, schließlich komplettes Genom)
seinem Team ist dabei unumstritten. Zum ersten Mal
gelang es, eine künstliche DNA in die Zelle einer BakAbschnitt 3
terienart zu übertragen, worauf diese Zelle nach AnFreisetzen der vervielfältigten synthetischen
weisung der synthetischen DNA aktiv wurde. Das Ziel
DNA aus den Hefezellen
Transformation der synthetisierten DNA in
war also die Konstruktion eines neuen BakterienstamZellen der Bakterienart Mycoplasma capricolum
mes mit Hilfe einer am Computer entworfenen und
Selektion der transformierten Bakterien und
dann im Labor synthetisierten DNA.
Anzucht auf Nährböden
Als Vorbild diente das als Erreger einer LungenNach 30 Teilungsschritten Überprüfung der
Funktion der synthetisierten DNA
krankheit bei Huftieren bekannte Bakterium Mycoplasma mycoides. Die Verwendung dieser Bakterienart
war sehr vorteilhaft, nämlich ein sehr kleines Genom
von nur knapp mehr als einer Million Basenpaaren sowie das Fehlen einer Zellwand. Besorgnis löste dagegen
die Tatsache aus, dass es sich um parasitär lebende Bakterien handelte, wodurch eventuell nicht kontrollierbare
Probleme entstehen könnten.
Die Forscher orientierten sich an dem damals bereits vollständig bekannten Genom von Mycoplasma
mycoides ssp. capri. Die einzelnen Arbeitsabschnitte gliederten sich wie in der Abbildung dargestellt.
Ergebnis: Es ist ein neuer Bakterienstamm mit den vorherbestimmten Eigenschaften entstanden (z. B. Blaufärbung
der veränderten Zellen auf bestimmten Nährböden).
Der neue Stamm heißt Mycoplasma mycoides JCVI syn1.0 (die Abkürzung JCVI steht für „John Craig Venter
Institute“ in San Diego (USA)
Aufgaben
1. Die von der Craig-Venter-Gruppe verwendeten DNA-Streifen („Fragmente“) enthielten jeweils einen zusätzlichen, überlappenden Abschnitt von 80 bp (Basenpaaren). Erklären Sie dies.
2. Zwischen den Genomen von Mycoplasma mycoides ssp. capri und Mycoplasma mycoides JCVI syn.1.0 bestehen große Übereinstimmungen, aber auch etliche gravierende Unterschiede. Nennen sie einige Methoden, solche Unterschiede festzustellen und kennzeichnen Sie jeweils die Methode mit einer kurzen Defi nition.
3. In das chemisch synthetisierte Genom von Mycoplasma mycoides JCVI syn1.0 wurde von der Forschungsgruppe ein Gen für bakterielle Resistenz gegen das Antibiotikum Tetrazyklin eingebaut. Formulieren Sie eine
begründete Hypothese für diesen Arbeitsschritt.
4. Das Fehlen einer Zellwand bei Mycoplasma mycoides kann als Angepasstheit an den Parasitismus interpretiert werden. Parasitisch lebende Bakterien weisen nämlich im Vergleich zu nicht parasitären Arten ein deutlich
kleineres Genom auf. Begründen Sie diesen Sachverhalt.
5. Nach der Transformation einer Mycoplasma-mycoides-Zelle befinden sich kurzfristig in dem Bakterium zwei
Genome nebeneinander. Bei der nächsten Zellteilung erfolgt dann eine Entmischung. Im Laborexperiment besteht damit die Möglichkeit zur Selektion und gezielten Weitervermehrung von Zellen, die das synthetische
Genom enthalten. Begründen Sie diese Aussagen.
6. In den Medien wurde der Erfolg der Craig-Venter-Gruppe als bahnbrechendes wissenschaftliches Ereignis
gefeiert. Bewerten Sie die Richtigkeit des in der Überschrift dieses Arbeitsblattes verwendeten Zitats. Stellen Sie Pro- und Contra-Argumente begründend gegenüber.
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