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Artikel:Soziales_Kapital
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Mit dem soziologischen Begriff Soziales Kapital bezeichnet Pierre Bourdieu (1983) die Gesamtheit der aktuellen
und potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen Kennens und
Anerkennens verbunden sein können. Im Gegensatz zum Humankapital bezieht sich das soziale Kapital nicht auf
natürliche Personen an sich, sondern auf die Beziehungen zwischen ihnen.
Soziales Kapital bietet für die Individuen einen Zugang zu den Ressourcen des sozialen und gesellschaftlichen
Lebens wie Unterstützung, Hilfeleistung, Anerkennung, Wissen und Verbindungen bis hin zum Finden von
Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Es produziert und reproduziert sich auch über Tauschbeziehungen, wie
gegenseitige Geschenke, Gefälligkeiten, Besuche und Ähnliches.
Die Differenzierung der Sozialstruktur in Klassen wird mit der Verfügung über die drei Kapitalsorten
ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital und soziales Kapital und durch Unterschiede in Geschmack und
Lebensstil definiert. Hinzu kommt das symbolische Kapital, welches Anerkennung und Prestige verleiht.
Individuen und Klassen kämpfen im Rahmen ihrer Habitus- und Kapitalausstattung um die Position in der
Gesellschaft.
Erstmalig verwendete Lyda Judson Hanifan den Begriff des sozialen Kapitals 1916 bzw 1920. Er wurde 1939 von
Norbert Elias und später von Vertretern der Frankfurter Schule, insbesondere von Theodor W. Adorno benutzt.
Um 1950 wurde der Terminus durch John Seeley aufgegriffen. Danach, in den 60er Jahren bis heute, folgten viele
weitere Autoren. Einige bekannte sind: Jane Jacobs (1961), Glenn C. Loury (1977), Pierre Bourdieu (1983),
Robert D. Putnam (1993, 2000), James S. Coleman (1987), Thomas Faist(1995) sowie Nan Lin (2001) und atrick
Hunout (2003-2004).
Inhaltsverzeichnis
• 1 Definition
• 2 Gesellschaftliche
Wirkungen
• 3 Verwandte Themen
• 4 Einzelnachweise
• 5 Fachliteratur
• 6 Weblinks
Definition
In der nordamerikanischen Soziologie wurde das Konzept Anfang der 1990er Jahre von James S. Coleman und
Robert D. Putnam aufgenommen und soziales Kapital als Schlüsselmerkmal von Gemeinschaften charakterisiert.
Soziales Kapital entsteht durch die Bereitschaft der Bürger (Akteure), miteinander zu kooperieren. Es benötigt
eine Basis des Vertrauens (Soziales Vertrauen), auf der sich Kooperation und gegenseitige Unterstützung
entwickeln können. Diese ist Folge der Norm der Reziprozität, also der Erwartung für eine Leistung vom anderen
wieder etwas zu erhalten. Vertrauen entsteht dadurch, dass diese Norm der Reziprozität eingehalten wird. In
einem Klima des Vertrauens kann auch die Bereitschaft entstehen, anderen zu vertrauen, vor allem aber auch
Fremden, ohne sofort eine Gegenseitigkeit voraussetzen zu müssen. Vertrauen ist auch nicht einfach ein Produkt
von Sanktionsmöglichkeiten und der Angst vor Bestrafung. Ein oft angeführtes Beispiel für das Vorhandensein
oder Fehlen eines Vertrauensklimas als Maß für soziales Kapital, ist folgendes: Lässt eine Mutter ihr Kind allein
in einem Park spielen, oder wagt sie dies nicht und begleitet es oder lässt es begleiten?
Darüber hinaus gibt es in nordamerikanischer soziologischer Literatur einen Ansatz, der soziale Netzwerke in das
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Zentrum des Konzepts stellt (siehe z. B. Nan Lin).
Eine neue Debatte, die auch Putnam aufgenommen hat, bezieht sich auf die Unterscheidung von ?bridging? und
?bonding? Sozialkapital. Wird im ersteren das Vertrauen aus der Primärgruppe auf die Gesellschaft übertragen,
so schafft ?bonding? Sozialkapital zwar Identität und Vertrauen innerhalb der Gruppe, aber nicht zu
Außenstehende.
Die ?nordamerikanische? Bedeutung des social capital weicht allerdings in einigen wichtigen Punkten von
Bourdieus Vorstellung ab.
Zunehmend herrscht in der nordamerikanischen Literatur Konsens, dass das soziale Kapital konzeptionell auf
sozialen Netzwerken beruht. Während Robert Putnam den kollektiven Wert sozialer Netzwerke betont, basiert
Nan Lins Konzept von sozialem Kapital mehr auf der individuellen Akteursebene: Er definiert soziales Kapital als
die Ressourcen, welche über soziale Beziehungen mobilisiert werden können. Um diese Ressourcen erlangen zu
können, muss in soziale Beziehungen ?investiert? werden.
Hinter dem Begriff steht hier die soziale Dynamik von Kennen und Anerkennen, wie sie etwa in Golfclubs (aber
auch in allen anderen Bekanntschaftsnetzwerken) zu beobachten ist: Aus dem Kennen von Personen kann ein
Informationsvorsprung entstehen (beispielsweise das Wissen um einen neuen Job, der noch nicht offiziell
ausgeschrieben ist), der dann auch in einen Vertrauensvorschuss "umgemünzt" werden kann (wenn der Bewerber
sich gegenüber dem Personalchef auf gemeinsame Bekannte als Informationsquelle beruft). Die netzwerkbasierte
Konzeption von sozialem Kapital kann auch auf der Ebene von Kollektiven (wie etwa Organisationen oder
ökonomischen Clustern) sinnvoll angewandt werden.[1]
Gesellschaftliche Wirkungen
Für die Gesellschaft verringert soziales Kapital soziale Kosten in dem Maße, wie Hilfeleistungen und
Unterstützung im Rahmen der Beziehungsnetzwerke erbracht werden. Umgekehrt steigen die (?externalisierten?,
auf die Allgemeinheit abgewälzten) Kosten für Unterstützung und Hilfeleistung für Kranke, Alte, Behinderte und
anderweitig beeinträchtigte Personen in dem Maße, wie in modernen Gesellschaften im Zuge der
Individualisierung und steigenden Mobilität Beziehungsnetze wie Nachbarschaften, Freundeskreise,
Vereinsstrukturen usw. nicht mehr greifen.
In einer Gesellschaft mit geringem sozialen Kapital ist Rechts- und Polizeigewalt zum Schutz des Eigentums und
staatliche Regulation von größerer Bedeutung, weil Vertrauen und Kooperationsbereitschaft bei der Lösung von
Problemen und Konflikten nicht ausreichend vorhanden sind. So besteht die Tendenz, dass für kollektive
Handlungsprobleme wie z. B. für Probleme des Umweltschutz]]es keine einvernehmlichen Lösungen gefunden
werden können. Integrationsprobleme durch zugewanderte Bevölkerungsgruppen können ebenfalls nur schwer
bewältigt werden, da sie sich rein regulativ nicht lösen lassen. Gelungene ?Integration? hieße, zugewanderten
Gruppen einen Zugang zum sozialen Kapital (z. B. durch Schulbildung) zu eröffnen, das entwickelt genug sein
muss, um diese zunächst zusätzliche Leistung zu tragen.
Der Umfang des vorhandenen sozialen Kapitals in einer Gesellschaft ist weiterhin am Wachstum oder Niedergang
einer Volkswirtschaft beteiligt: Geschäftsbeziehungen, wirtschaftliche Transaktionen und Investitionen sind in
einem mangelnden Vertrauensklima unsicherer (hohe ?kalkulatorische Wagniskosten?) und werden weniger
risikofreudig und zügig getätigt. Sie benötigen wesentlich mehr Aufwand an Vorsondierung auftretender
Probleme, rechtliche Absicherungen, längere Vertragsverhandlungen, Aushandlungen von Garantieansprüchen
bei nicht eingehaltenen Verträgen usw. Geringes soziales Kapital erhöht somit die Transaktionskosten und
verringert potenziell die Produktivität. Ökonomische Auswirkungen besitzt das Sozialkapital im positiven Sinn
auf Allokation (Standortpolitik), Wachstum und Beschäftigung.
Definition
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Artikel:Soziales_Kapital
Verwandte Themen
• Ehrenamt
• Soziale Unterstützung
• Soziales Vertrauen
Einzelnachweise
1. ? Huber, F. (2009) Social Capital of Economic Clusters: Towards a Network-based Conception of Social
Resources. Journal of Economic and Social Geography (TESG) 100(2):160-170
Fachliteratur
• Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital - Kulturelles Kapital - Soziales Kapital. In: Kreckel,
Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheiten, Göttingen, S. 183-198.
• Burt, Ronald S. (2005): Brokerage & Closure. An Introduction to Social Capital, Oxford University Press
• Coleman, J. S. (1988): Social capital in creation of human capital, in: American Journal of Sociology, Jg.
94 (Supplement), S. 95-120
• Evers (2002): Bürgergesellschaft und soziales Kapital. Die politische Leerstelle im Konzept Robert
Putnams, in: Haus, M. (Hg.): Bürgergesellschaft, soziales Kapital und lokale Politik. Theoretische
Analysen und empirische Befunde, Opladen, S. 59-75
• Gehmacher E./Kroismayr S./Neumüller J. (2006): Sozialkapital. Neue Zugänge zu gesellschaftlichen
Kräften, Verlag Mandelbaum.
• Grimme, Alexander (2009): Vom Reichtum sozialer Beziehungen. Zum Verhältnis von Gemeinschaft und
Sozialkapital, Tectum Verlag, Marburg.
• Harriss, John/de Renzio, Paolo (1997): `Missing Link or Analytically Missing? The Concept of Social
Capital, in: Journal of International Developmen, Bd. 9, H. 7, S. 919-937
• Hunout, Patrick (2003-2004): The Erosion of the Social Link in the Economically Advanced Countries, in:
The International Scope Review, Issues 9-10, [www.socialcapital-foundation.org], Brüssel
• Keller, Boris (2007): Sozialkapital und die Illusion sozialer Gleichheit. Ein Vergleich der Ansätze von
Bourdieu, Coleman und Putnam zur Erklärung sozialer Ungleichheit., Scientia Bonnensis
• Kroggel, Steffen (2009): Sozialkapital und Wohlfahrtsstaat. Wirkungen und Wechselwirkungen zwischen
sozialem Kapital und dem Wohlfahrtsstaat auf Basis von Rational Choice, Diplomica Verlag
• Kroll, Christian (2008): Social Capital and the Happiness of Nations. The Importance of Trust and
Networks for Life Satisfaction in a Cross-National Perspective, Peter Lang, Frankfurt am Main
• Kroll LE, Lampert T (2007). Sozialkapital und Gesundheit in Deutschland. Gesundheitswesen; 69:
120-127.
• Levi, M. (1996). `Social and unsocial capital: a review essay of Robert Putnam's Making Democracy
Work', Politics and Society, 24(1), 45-55.
• Nan Lin (2001): Social Capital. A Theory of Social Structure and Action, Cambridge University Press,
New York
• Putnam, Robert D. (1993): Making Democracy Work. Civic Traditions in Modern Italy, Princeton
University Press.
• Ders. (1995): Bowling alone. America's declining social capital, in: Journal of Democracy, Jg. 6, H. 1, S.
65-78
• Ders./Goss, Kristin A. (2001): Einleitung, in: Putnam/Robert D. (Hgg.): Gesellschaft und Gemeinsinn.
Sozialkapital im internationalen Vergleich, Verlag Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh, S. 15-43
• Riemer (2005): Sozialkapital und Kooperation, Mohr Siebeck, Tübingen Siebeck
• Schechler, Jürgen M. (2002): Sozialkapital und Netzwerkökonomik, Frankfurt am Main
Verwandte Themen
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Artikel:Soziales_Kapital
• Schnur, O. (2003): Lokales Sozialkapital für die 'soziale' Stadt. Opladen.
• Tarrow, Sidney (1996): Making Social Science Work across Space and Time. A Critical Reflection on
Robert Putnam?s Making Democracy Work, in: American Political Science Review, Jg. 90, H. 2, S.
389-397
• Täube, Volker G. (2002):Zur Messung des Sozialkapitals von Akteuren mit Einfluß in empirischen
Netzwerken, Peter Lang, Frankfurt am Main
• Yetim, Nalan (2008): Social Capital in Female Entrepreneurship, in: International Sociology, Jg. 23, H.
6, S. 864-885
Weblinks
• Landhäußer Sandra/ Micheel Heinz-Günter: Kollektives Sozialkapital als individuelle Ressource?
(PDF-Datei; 202 kB)
• Social Capital Gateway, Resources for the study of social capital
• The Social Capital Foundation, an NGO dedicated to the promotion of social capital
• New Papers on Social Capital, a Newsletter edited by the RePEc Project - verlangt Registrierung
• Nan Lin: Building a network theory of social capital (PDF-Datei; 1,77 MB)
• Sozialkapital, Lebensqualität und IuK-Nutzung (Internet und Mobilfunk)
• Österreichisches Umweltministerium im Rahmen der ?Nachhaltigkeitsdebatte?
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Fachliteratur
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