LMU Institut für Soziologie Übung Sozialstrukturanalyse Dozentin: Dr. Cordula Kropp Wintersemester 2008/2009 Input zum Thema Soziale Ungleicheit Am 18.11.2008 Text 1 Bourdieu - Kapital ökonomisches Kapital kulturelles Kapital inkorporiertes Kapital objektiviertes Kapital institutionalisiertes Kapital soziales Kapital Kapitalumwandlungen Text 2 Hradil – Soziale Ungleichheit Definition Grundbegriffe Verteilungsgleichheit Chancengleicheit Ursache Determinante Dimensionen Folgen Stände Klassen Schichten Entwicklung der sozialen Ungleichheit vorindustrielleGesellschaft frühe Industriegesellschaft fortgeschrittene Industriegesellschaft postindustrielle Gesellschaft Theorien Funktionalistische Schichtungstheorie Modernisierungstheorien Ana Paula P. Santos CynthiaMaier Katharina Nedza Miroslara Kinska Olga Titovskaya Thomas Fischer Text 1 Bourdieu - Kapital „Das Roulette entspricht ziemlich genau dem Bild eines Universums vollkommener Konkurrenz und Chancen- gleichheit.“ (Bourdieu, 1992) Akkumulation und Vererbung von Kapital als Ursache. a) ökonomisches Kapital - Austausch und Ansammlung von Geld und Gütern. - Relativ leicht und offensichtlich vererblich. b) kulturelles Kapital - Ansammlung von Wissen und Bildung - 3 verschiedene Zustände 1) inkorporierter Zustand - Verinnerlichtes Wissen. (erlerntes Wissen) - Kann nur von einem selbst durch Investition von Zeit erlangt werden. - Schulbesuch + Primärerziehung in der Familie. - Zeit als Bindeglied zwischen ökonomischem und kulturellem Kapital. 2) objektivierter Zustand - Bücher, Gemälde, Musik - Besitzanspruch übertragbar – kulturelles Kapital nur unter bestimmten Vorraussetzungen. 3) institutionalisierter Zustand - In Form von schulischen Titeln. - Wechselkurs zwischen ökonomischem Kapital aufgrund von Seltenheitswert. Soziales Kapital: Gesamtheit der aktuellen + potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionellen Beziehungen gegenseitigen Kennes oder Anerkennens verbunden ist = Ressourcen, die auf d. Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen - - Sozialkapitalbeziehungen können nur in der Praxis auf der Grundlage v. materiellen +/oder symbolischen Tauschbeziehungen existieren Tauschbeziehungen können auch gesellschaftlich institutionalisiert + garantiert werden; durch Institutionalisierungsakte (z.B. Namensübernahme) Gesamtkapital einer Gruppe dient deren Mitgliedern als Sicherheit und verleiht Kreditwürdigkeit Umfang Sozialkapital: - abhängig von Ausdehnung d. Netzes v. Beziehungen die tatsächlich mobilisierbar sind - abhängig vom Unfang d. Kapitals (ökonomisch, kulturell), dass diejenigen besitzen, mit denen man in Beziehung steht Sozialkapital nicht unmittelbar auf ökonomisches + kulturelles Kapital reduzierbar; jedoch auch nicht unabhängig davon Wie entsteht Sozialkapital? - das Beziehungsnetz, so wie es existiert, ist das Produkt einer fortlaufenden Institutionalisierungsarbeit; keine zufällige Gegebenheit von Beziehungen, die ohne diese so bestehen bleiben; Arbeit wird bewusst oder unbewusst auf die Schaffung + Erhaltung v. Sozialbeziehungen gerichtet, die früher oder später einen unmittelbaren Nutzen versprechen (Profite z.B. Ich kenne jemanden berühmtes, es lohnt sich ihn zu kennen) Zufallsbeziehung werden in solche umgewandelt, die Verpflichtungen nach sich ziehen - dauerhafte Verpflichtungen: subjektive Gefühle (Freundschaft, Respekt) oder institutionelle Garantien (Rechtsansprüche) - Zurückzuführen auf bestimmte soziale Institutionen (Verwandschaft, Adel…) symbolische Wirklichkeit - wird durch ständigen Austausch (von Worten, Geschenken…) reproduziert; gegenseitiges Kennen und Anerkennen sowohl Grundlage als auch Ergebnis o implizierte Anerkennung d. Gruppenzugehörigkeit o Gruppe reproduziert + Grenzen bestätigt o Jedes Gruppenmitglied wird zum Wächter d. Grenzen; jeder Neuzugang gefährdet die Gruppe in ihrer ursprünglichen Institution - Ziel: möglichst homogene Gruppenmitglieder - Zufallsbegegnungen können gesteuert werden, in dem Anlässe (z.B. Bälle, Kreuzfahrt) Orte (Wohngegend, Schule) und Praktiken (Sportarten) entsprechend gewählt werden Delegation - Sozialkapital einer Gruppe wird auf einen einzelnen übertragen - Diffuse (innerhalb Familie der Vater; stillschweigende Legitimation) und institutionelle Delegation (anerkannte Mandatsträger begrenzen Folgen v. Verfehlungen in dem Verantwortungsbereiche explizit abgegrenzt werden Gesamtgruppe vor Unehre schützen; Macht Individuen auszuschließen) Regelung, wie man Gruppenmitglied wird und wie man zum Mandatsträger wird Macht Prinzip der Zweckentfremdung Reproduktion v. Sozialkapital: - unaufhörliche Beziehungsarbeit in Form von ständigen Austauschakten - bestätigt durch gegenseitige Anerkennung - Investition von Zeit und Geld (direkt oder indirekt auch ökonomisches Kapital) Kapitalumwandlungen andere Kapitalarten können mit Hilfe von ökonomischen Kapital erworben werden Transformationsarbeit - bestimmte Güter und Dienstleistungen können mit Hilfe von ökonomischen Kaptial erworben werden; andere nur aufgrund eines sozialen Beziehungsoder Verpflichtungskaptials kann nur kurzfristig, zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden, wenn seit langem etabliert und lebendig gehalten wurde Beziehungsarbeit muss zum Selbstzweck erfolgt sein (außerhalb der Zeit ihres tatsächlichen Nutzens) - Universelle Wertgrundlage aller Kapitalarten: Arbeitszeit Wirkungsgrundlage bei allen Kapitalumwandlungen: Prinzip der Erhaltung sozialer Energie - für jeden gegebenen Fall die in Form von Kapital akkumulierte Arbeit als auch die Arbeit in Rechnung stellen, die für die Umwandlung von einer Kapitalart in eine andere nötig ist - Gewinne auf einem Gebiet sind notwendiger Weise mit Kosten auf einem anderen Gebiet verbunden; Begriff Verschwendung wird überflüssig Umwandlung von ökonimischem zu sozialen Kapital: - setzt spezifische Arbeit voraus scheinbar kostenlose Verausgabung von Zeit, Aufmerksamkeit, Sorge und Mühe - Austausch verliert rein monetäre (geldliche) Bedeutung; z.B. Bemühen bei persönlicher Gestaltung eines Geschenks - Sinn der Austauschbeziehung: o Im engen ökonomischer Betrachtungsweise als Verschwendung o In der umfassenden Logik des sozialen Austausches als sichere Investition, deren Profite sich über kurz oder lang in sowohl monetärer als auch anderer Gestalt wahrnehmen lassen Umwandlung von ökonomischem zu kulturellen Kapital - Maß für kulturelles Kapital: Dauer der Zeit, die für dessen Erwerb aufgewendet wird - Umwandlung setzt einen Aufwand an Zeit voraus, der durch die Verfügung über ökonomisches Kapital ermöglicht wird - Kulturelles Kapital wird in der Familie weitergegeben; deshalb hängt es von der Zeit ab, die die Familie aufbringen kann um die Weitergabe des Kapitals zu ermöglichen; abhängig vom ökonomischen Kapital Allgmein: - auf ersten Blick scheint es, verschiedenen Kapitalarten seien unvereinbar trägt Unsicherheit in alle Transaktionen zwischen den Inhabern unterschiedlicher Kapitalarten hinein - z.B. beim Sozialkapital: während Akkumulation Ertrag sehr unsicher - Gefahr der Undankbarkeit; Austauschbeziehungen basieren auf Vertrauen, nicht vertraglich abgesichert Text 2 Hradil – Soziale Ungleichheit Definition Als „soziale Ungleichheiten“ bezeichnet man Lebensbedingungen (Arbeitsbedingungen, Einkommen, Vermögen, Bildungsgrad etc.),die es Menschen erlauben, in ihrem alltäglichen Handeln allgemein geteilte Ziele eines „guten Lebens“ (wie z.B. Gesundheit, Sicherheit, Wohlstand, Ansehen) besser als andere Menschen zu erreichen. Es gibt zwei Arten sozialer Ungleichheit: Verteilungsgleichheit ist die ungleiche sozialstrukturelle Verteilung eines wertvollen Gutes. (z.B. des Einkommens) in der Bevölkerung schlechthin gemeint. Chancenungleichheit heißt die Chance einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (der Frauen, der Ausländer, der Arbeiter, etc.),innerhalb dieser Verteilung besser bzw. schlechter als andere vergleichbare Gruppen abschneiden. Grundbegriffe In Theorien sozialer Ungleichheit werden (vermutete) Ursachenzusammenhänge systematisch dargestellt und u.a. bestimmte Arten der Macht, Leistungsunterschiede, funktionale Notwendigkeit etc. als Ursachen genannt. Determinanten sozialer Ungleichheit sind soziale Merkmale von Menschen (Berufe bzw. Berufsgruppen, Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit, etc.),die an sich keine Vor-oder Nachteile darstellen, mit denen aber empirisch nachweisbar mit erheblicher Wahrscheinlichkeit soziale Ungleichheiten einhergehen. Es bestehen also Chancenungleichheiten zwischen den Trägern unterschiedlicher Determinanten (z.B. Männern und Frauen) (Un)vorteilhafte Lebensbedingungen existieren in großer Anzahl und Vielfalt. Um sie soziologisch übersichtlich zu halten, werden sie in beschriebene Dimensionen gegliedert. Die wichtigsten Dimensionen sozialer Ungleichheit in modernen Gesellschaften gruppieren sich um die berufliche Stellung: Bildung, materieller Wohlstand, Macht und Prestige. Eine höhere oder niedrigere Stellung eines Menschen im berufsnahen Oben und Unten von Bildung, Wohlstand, Macht, und/oder Prestige wird Status genannt. Unter Lebensbedingungen werden die äußeren Rahmenbedingungen des Lebens und Handels von Menschen verstanden( Wohnung, Arbeitsplatz, etc.) Die in Dimensionen versammelten ungleichen Lebensbedingungen (z.B. Einkommen oder Bildungsabschlüsse) haben umfangreiche Folgen. So wird von (un)vorteilhaften Lebensbedingungen u.a. das Denken und Handeln der Einzelnen beeinflusst(Sprache,Kindererziehung,Kontaktverhalten,Kriminalität, Parteineigung und Wahlverhalten, Lebensstil usw.) Diese Mentalitätsmuster können, je nach Ausprägung, wiederum Vorteile oder Nachteile nach sich ziehen. Stände: Oft durch Geburt bestimmte Einteilung binnen einer Struktur sozialer Ungleichheit, in der ungleiche Existenzbedingungen und Lebensweisen beträchtlich geregelt und in ihren Unterscheidung von anderen Ständen genau vorbestimmt sind. (z.B Adel) Klassen: Gruppierung binnen eines Gefüges sozialer Ungleichheit, die aufgrund ihrer ökonomische Position anderen Gruppen über- oder unterlegen ist (z.B durch Besitz bzw. Nichtbesitz von Produktionsmitteln und damit verbundenen beruflichen Machtpositionen) und sich dessen bewusst ist. Schichten: Gruppierungen von Menschen mit änlich voteilhafter oder unvorteilhafter beruflicher Stellung hinsichtlich Qualifikation, Macht, Einkommen und Prestige. Entwicklung der sozialen Ungleichheiten 1. vorindustrielle Gesellschaften („Ständegesellschaften“) - „Geburt“ - die wichtigste Determinante sozialer Ungleichheiten - soziale Herkunft bestimmte die Lebensbedingungen der Menschen lebenslang - Ungleiche Rechte (z.B. Steuerpflichte) und Regeln der Lebensführung determinieren bestimmte Gruppierungen („Stände“) - Auf- oder Abstieg über Standesgrenze kaum möglich 2. frühe Industriegesellschaften („Klassengesellschaften“) - „Besitz“ die zentrale Determinante sozialer Ungleichheiten - die Personen mit Produktionsmittelbesitz haben wirtschaftliche, politische sowie gesellschaftliche Macht ausgeübt - die Nicht-Besitzender um ihren Lebensunterhalt zu sichern mussten sich den Besitzenden unterordnen - Soziale Auf- und Abstieg - rechtlich möglich aber praktisch selten 3. fortgeschrittene Industriegesellschaften („Schicht-Gesellschaften“) - „Stellung in der Berufshierarchie“ determiniert soziale Ungleichheiten - Einkommen, Prestige, Macht, soziale Beziehungen hingen von Berufsposition ab - Gruppierungen von Menschen mit ähnlich beruflicher Stellung (Qualifikation, Macht, Einkommen) - „Schichten“ - Soziale Auf- und Abstieg - durch individuellen Leistungen häufiger als in Klassengesellschaft möglich 4. postindustrielle Gesellschaften - „Bildung“ die entscheidende Determinante sozialer Ungleichheiten - Einfluss von Bildung auf Berufsstatus und Lebensstil - geschlechtsspezifische, ethnische, altersbedingte und regionale Ungleichheiten werden immer wirksamer - „soziale Lage“ - die Gesamtheit der Lebensbedingungen einer soziale Gruppierung „Lebenslage“ - die Gesamtheit der ähnlich vorteilhaften und nachteiligen Lebensbedingungen Theorien Funktionalistische Schichtungstheorie Grundgedanke: Gewisse Positionen sind gewichtiger für das Weiterbestehen der Gesellschaft als andere. Die Ausübung solcher Positionen setzt eine „Begabung“ voraus, die eine Verschmelzung von angeborenen und erworbenen Fähigkeiten darstellt. Nur eine begrenzte Anzahl von Menschen in einer Gesellschaft verfügt über solche „Begabungen“, die die optimale Ausübung einer solchen Tätigkeit ermöglicht. Daher gelten solche Tätigkeiten als unerlässlich. Um diese „Wunderkinder“, die geeignet sind eine besondere Stelle in der Gesellschaft zu besetzen, zu motivieren, werden finanzielle Mittel (überdurchnittliches Einkommen) sowie Anerkennung (Berufsprestige) eingesetzt. Dieses Belohnungssystem dient durch das daraus entstehende hohe Konkurrenzniveau zur geeigneten Besetzung dieser wichtigen Positionen. Kritik: Auf die folgenden Fragen hat die Schichtungstheorie keine Antwort Wie lassen sich funktional wichtigere Positionen bestimmen? Welche Position ist funktional relevanter als eine andere? Wie viel Ungleichheit ist überhaupt nötig für das Bestehen einer Gesellschaft? Lässt sich das Ausmaß an Ungleicheit im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung verändern? Modernisierungstheorien Grundgedanke: Einkommens- und Vermögensungleichheit werden abnehmen aufgrund von Bildungsexpansion (J. S. Mill) bzw. Modernisierung im Agrarsektor (S.Kutznets), denn: durch ein höheres Angebot an qualifizierten Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt werden die Löhne angeglichen. (Mill) durch die Modernisierung der Gesellschaft fließt ein großer Anteil der Arbeitenden aus dem agrarischen Niedriglohnsektor in den modernen Sektor mit dem Ziel besser bezahlt zu werden. Indem diese Gesellschaft immer weiter voranschreitet, befinden sich beinahe alle Erwerbstätigen im modernen Hoch-Lohn Sektor. Chancenungleichheit zwischen wichtigen sozialen Gruppierungen wird im Laufe der Modernisiserung abnehmen. All das soll nach diesen Theorien folgende Ergebnisse bringen: 1. Verringerung der Einkommensungleichheit in vormodernen Gesellschaften (Bsp. Agrargesellschaften) 2. Wachstum der Einkommensungleicheit in der Entwicklungsphase zur Industriegeselleschaft 3. Erneute Verringerung der Einkommensungleichheit durch fortgeschrittene Modernisierung, denn die Mehrheit der Erwerbstätigen befindet sich im Hochlohnsektor. Kritik: Empirisch Befunde zeigen, dass die extremen Formen physischer Armut und Unterentwicklung in der Welt zwar abnehmen, aber die Einkommensungleichheit zwischen den Ländern wächst. der Wohlstand in Industrieländern wächst deutlich schneller als in Entwicklungsländern Obwohl die Prognose einer allmälichen Angleichung von Einkommen und Vermögen im Laufe des 20. Jhdts. in modernen Gesellschaften de facto zugetroffen hat, wird in den letzten beiden Jahzehnten die Verteilung von Einkommen und Vermögen in diesen Gesellschaften immer ungleicher.