Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Firmen I Die Situation der Firmen wird sehr allgemein (und gewöhnungsbedürftig) beschrieben. Von den n Gütern die in der Ökonomie existieren benutzen die Firmen einen Teil zur Produktion (also als Input) ein anderer Teil wird produziert. Das Nettoangebot eines Gutes j sei yj Pn I Der Gewinn ist Π = j=1 pj yj I Die Firmen maximieren den Gewinn durch Wahl von y unter der Nebenbedingung der Produktionsmöglichkeiten f (y) ≤ 0 I Die Nettoangebotsfunktion einer Firma ist dann y∗ = s(p) Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 48 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Überschussnachfragen Die Überschussnachfrage (bei Optimalverhalten der Haushalte und Firmen) nach einem Gut ist die Differenz zwischen aggregierter Nettonachfrage und aggregiertem Nettoangebot: zj∗ = h X i=1 i xˆ∗ j − f X y ∗ ij i=1 Die Überschussnachfrage ist damit nur Funktion des Preisvektors: zj∗ = zj∗ (p). Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 49 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Gesucht wird der Preisvektor, der zu einem simultanen Gleichgewicht in allen Märkten führt. Aber was ist ein Gleichgewicht in einem Markt? I Allgemein sagen wir, dass ein Gleichgewicht in einem Markt eine Situation ohne Tendenz zur Preisänderung ist. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 50 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Das Ausbleiben von Preisänderungen ist in 2 Situationen gegeben 1. die Überschussnachfrage in einem Markt ist Null zj∗ = 0 2. das Angebot ist immer größer als die Nachfrage zj∗ < 0, in diesem Fall ist der Preis pj = 0 Wir berücksichtigen also auch möglicherweise freie Güter. Dies ist wichtig wegen (a) Vollständigkeit und (b) die Natur der Güter kann sich ändern. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 51 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Was wollen wir tun? Wir wollen beweisen, dass es gegeben der n Überschussnachfragen zj∗ (p1 , p2 , .., pn ) einen Preisvektor gibt der zu einem Gleichgewicht in dem Sinn führt, dass die Überschussnachfrage(n) Null sind bzw. der Preis gleich Null ist. Beweis formal Wir wollen die Existenz eines Preisvektor p∗ beweisen der folgenden Bedingungen genügt: zj∗ (p∗ ) ≤ 0, pj∗ ≥ 0 und zj∗ pj∗ = 0∀i Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 52 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Der Beweis für die Existenz des allgemeinen Gleichgewichts ist sicherlich nicht trivial und rel. schwierig zu führen. I Aber: die Existenz eines Gleichgewichts ist für die Ökonomie von fundamentaler Bedeutung. I Ohne Sicherheit bzgl. der Existenz sind alle (modellbasierten) Politikempfehlungen reine Glasperlenspiele. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 53 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Idee des Beweises I Über das Optimalverhalten der Haushalte und Firmen ist jedem Preisvektor p ein Vektor z der Überschußnachfrage zugeordnet. I Die Funktion der Überschussnachfrage ordnet also jedem Preisvektor eine Überschussnachfrage zu. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 54 / 156 Mikroökonomische Theorie z1 Das Allgemeine Gleichgewicht z2 zn O K p1 pn p2 Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 55 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Idee des Beiweises II I Wenn wir nun eine Abbildung (=Funktion) definieren, die jedem Überschussvektor einen Preisvektor zuordnet, dann haben wir im Prinzip eine Abbildung der Menge der Preisvektoren in sich selbst. I Wenn aber die Menge der Preisvektoren gewisse Anforderungen erfüllt (dazu später mehr) dann können wir ein Fixpunkt Theorem anwenden. I Dieser Fixpunkt sagt, dass bei der Abbildung der Preisvektor beim ’Start’ und beim ’Ziel’ identisch sind. I Falls wir noch zeigen können, dass dies dann ein Gleichgewicht ist, so haben wir die Existenz bewiesen. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 56 / 156 Das Allgemeine Gleichgewicht Mikroökonomische Theorie U p1 pn U 6 p2 z1 z2 zn O K p1 pn p2 Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 57 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Das Problem ist, dass der Fixpunktsatz nur für Mengen gilt, die beschränkt und geschlossen sind (’Rand’ gehört zur Menge und ’Distanz zwischen Elementen der Menge muss endlich sein). I Die Menge der Preise ist aber nicht beschränkt und geschlossen. I Jedoch kann die Menge P der Preisvektoren normiert werden. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 58 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Die Normalisierung des Preise ist dabei denkbar einfach. Alle Preise eines Preisvektors werden durch den durchschnittlichen Preis des Preisvektors dividiert. I I Konkret: sei p = (p1 , p2 , ..., pn ) dann transformieren wir pj0 = Ppj j pj . Der Preisvektor im obigen Beispiel ist dann p0 = ( Pp1pj , Pp2pj , .., Ppnpj ) j Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL j May 6, 2009 j 59 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Durch die Normalisierung haben wir erreicht, dass der Preis pj0 ∈ [0, 1] ist. Damit ist aber die Menge der (transformierten) Preisvektoren P 0 beschränkt und geschlossen. I Auf diese modifizierte Menge können wir also den Fixpunktsatz anwenden. I Aber was hilft uns das, denn die Überschussnachfragen zj∗ sind eine Funktion der pj und nicht der pj0 , oder? Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 60 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Die Überschussnachfragen sind der Dreh- und Angelpunkt. Wenn diese sich durch die Transformation ändern sind wir keinen Schritt weiter. I Jedoch sind die Überschussnachfragen homogen vom Grade 0. I Es gilt also zj∗ = zj (p1 , p2 , .., pn ) = zj (λp1 , λp2 , .., λpn ) I Da wir aber durch die Transformation nichts anderes gemacht haben (λ = P1 j pj ) sind die Überschussnachfragen identisch. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 61 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Die Überschussnachfragen weisen also jedem Element der Menge P 0 ein Element der Menge Z ∗ zu. I Wie definieren wir aber die Abbildung, die jedem Element Z ein Element von P 0 zuordnet und zwar möglichst so, dass der sich ergebende Fixpunkt ein Gleichgewicht ist? I Dies ist etwas schwieriger... Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 62 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Betrachten wir folgende Abbildungsvorschrift (mit kj > 0: pj0 Jörg Lingens (WWU Münster) max[0, pj0 + kj zj∗ ] P = ∗ 0 j max[0, pj + kj zj ] VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 63 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Gegeben dieser (hypothetischen) Abbildungsvorschrift und der Tatsache, dass die Überschußnachfrage zj∗ eine Funktion des Preisvektors p0 ist gilt, dass wir die Menge der Preisvektoren in sich selbst abbilden. I Da die Menge beschränkt und geschlossen ist, können wir Brouwers Fixpunktsatz anwenden. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 64 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Brouwers Fixpunktsatz (schlampig) Betrachten wir die Abbildung f einer beschränkten und geschlossenen Menge in sich selbst f : X → X . Dann existiert (sicher!) ein x ∈ X , dass diese Abbildungsvorschrift erfüllt, d.h. x = f (x). Bildlich: es existiert ein x; wenn wir auf dieses die Vorschrift anwenden, dann erhalten wir wieder exakt das gleiche x. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 65 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Auf unser Problem bezogen bedeutet das: I Es existiert ein Preisvektor p∗ 0 , der sowohl der Überschussnachfrage als auch der obigen Abbildungsvorschrift genügt. Es gilt also pj∗ 0 = I max[0,pj∗ 0 +kj zj∗ (p∗0 )] P 0 ∗ ∗0 . j max[0,pj +kj zj (p )] Wir müssen ’nur’ noch zeigen, dass dieser Fixpunkt auch wirklich das Gleichgewicht ist. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 66 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Bei der Abbildung können wir zwei Situationen unterscheiden (wegen des max−Operators): 1. Güter für die gilt pj∗ = 0. 2. Güter für die gilt pj∗ > 0. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 67 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Im ersten Fall gilt 0 + kj zj∗ < 0, d.h. die Güter deren Überschussnachfrage negativ ist (frei Güter) haben im Fixpunkt einen Preis von Null. I Schauen wir uns nun die verbleibenden Güter an, deren Überschussnachfrage nicht Null ist. Bezeichnen wir die Menge dieser Güter mit l ∈ n Wie sieht diese im Fixpunkt aus? I Da wir uns auf den Fall pj∗ ≥ 0 und zj∗ ≥ 0 fokussieren können wir den max−Operator weglassen. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 68 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht pj ∗0 +kj zj∗ (p∗0 ) P 0 . j pj +kj zj ∗ I Aus der Abbildungsvorschrift gilt dann pj ∗0 = I Multiplizieren wir beide Seiten mit zj ∗ so ergibt sich pj ∗0 zj ∗ = I pj ∗0 zj ∗+kj (zj ∗)2 P 0 0 j pj +kj zj ∗(p∗ ) Summieren wir schließlich über alle l Güter, so gilt: P 0 2 P j∈l pj ∗ zj ∗+kj (zj ∗) 0z ∗ = P p ∗ j j∈l j p 0 +kj zj ∗(p∗0 ) j Jörg Lingens (WWU Münster) j VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 69 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht P Aus dem Walrasianischen Gesetz gilt, dass j pj∗ 0 zj∗ = 0, somit gilt P aber erste Recht, dass j∈l pj∗ 0 zj∗ = 0 (für alle j 6= l ist der Preis Null!). I Somit muss also gelten, dass für die Überschussnachfragen, die im P Fixpunkt nicht negativ sind folgendes gelten muss j∈l kj (zj∗ )2 = 0 I Dies kann aber eben nur erfüllt sein, wenn zj∗ = 0 ist. → der Fixpunktpreisvektor etabliert also ein Gleichgewicht! Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 70 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Struktur des Beweis I I Ausgangspunkt: Erkenntnis, dass im Gleichgewicht die Überschussnachfrage z Null oder negativ sein muss (Warum?). I Normierung des Preisniveaus; möglich, weil z homogen vom Grade Null ist (Intuition?) I Definition einer Abbildung; damit P 0 → P 0 Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 71 / 156 Mikroökonomische Theorie Das Allgemeine Gleichgewicht Struktur des Beweis II I Anwendung des Brouwerschen Fixpunktsatzes: es existiert immer ein Preisvektor, der die Abbildungsvorschrift erfüllt. I Die zum Fixpunkt zugehörenden Überschussnachfragen sind entweder negativ oder Null (Walras Gesetz!). I Der Fixpunktpreisvektor ist also ein Gleichgewicht → Es existiert immer ein Gleichgewicht. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 72 / 156 Mikroökonomische Theorie I Das Allgemeine Gleichgewicht Wir haben gezeigt, dass in einer allgemeinen, interdependenten Ökonomie sicher ein Gleichgewicht existiert. I Diese Erkenntnis ist entscheidend, wenn man mit dieser Art Modelle arbeitet. I Jedoch ist dies noch nicht weitreichend genug. Jörg Lingens (WWU Münster) VWL-Theorie im Masterstudiengang VWL May 6, 2009 73 / 156