Bindungsstörungen bei Kindern im Schulalter

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Bindungsstörungen bei
Kindern im Schulalter
Kirsten von Sydow
Praxis für Psychotherapie, HH & Universität Hamburg
[email protected]
1
Überblick
Theoretische Grundlagen
Bindungsdiagnostik
Bindungsstile
Bindungsstörungen
Bindungstheorie & Psychopathologie
Bindungsorientierte Therapie
Fazit
Literatur
2
Theoretische Grundlagen
3
Die Bindungstheorie (attachment theory)
Begründer: John Bowlby (19071990), brit. Kinderpsychiater &
Psychoanalytiker
Publikationen: Bowlby, 1969, 1973,
1980
Forschungsinteresse: Beziehungen
zwischen kleinen Kindern & Müttern
(Vätern); Trennung & Verlust
Hintergrund:
psychoanalytische
Konzepte,
Verhaltensforschung,
empirische Orientierung (Konflikte
mit d. Analytikern seiner Zeit!)
4
Ausgangspunkt
Beobachtung: Menschen- & Primaten-Kinder
regieren auf Trennungen von ihren Müttern
ähnlich & vorhersehbar:
Schreien, aktive Suche nach Mutter & Weigerung,
sich von anderen Personen beruhigen zu lassen
(Protest),
passives
und
traurig
wirkendes
Verhalten
(Verzweiflung)
aktive Vermeidung der Mutter bei ihrer Wiederkehr
( detachment ).
Komplex von Bindungs-Gefühlen & Verhaltensweisen = Bindungs-System (attachment system).
5
Definition: Bindung / attachment
= "die stabile Neigung eines Individuums,
die Nähe und den Kontakt zu einer oder
mehreren
anderen
spezifischen
Person(en)
zu
suchen
und
aufrechtzuerhalten, die dem Betreffenden
subjektiv ein Gefühl von physiologischer
und/oder
psychologischer
Sicherheit
vermitteln" (Berman & Sperling, 1994, p. 8,
eigene Übersetzung)
6
Zentrale Merkmale von Bindung
I
Nähesuche (einschl. Trennungsprotest)
Sichere Basis"
Sicherer Hafen"
7
Zentrale Merkmale von Bindung
II
Spezifität
Auf wenige Personen gerichtet
Hierarchie von Bindungsbeziehungen
Engste Bindung meist bei engstem Kontakt
Lange Dauer, z. T. lebenslang
Wird in ersten 9 Monaten erworben, dann
intensiv Intensität des Ausdrucks nimmt ab
ca. 3 Jahren langsam ab, bleibt aber
lebenslang bedeutsam!
8
Zentrale Merkmale v. Bindung
III
Intensive Gefühle
Biologische Funktion
Bei allen Menschen & Säugetieren
Sichert das Überleben von Kindern
Lernen
Zentral: Fähigkeit, Vertrautes von Fremdem
unterscheiden zu können; Belohnung & Bestrafung
kaum relevant!
Bindung entsteht auch an misshandelnde
Elternteile/Bezugspersonen!
9
Def.: innere Arbeitsmodelle
(Bowlby) (inner working models / mental models)
="kognitiv-affektiv-motivationale Schemata
von Beziehungen, die abgeleitet sind aus
den realen Beziehungs-Erfahrungen des
Individuums."
Berman & Sperling, 1994, p. 8, eigene Übers.
10
11
Stellenwert
innerer Arbeitsmodelle
= zentraler Bestandteil der Persönlichkeit
Fokus: Selbst & andere
Unterschiedliche Gedächtnisinhalte beteiligt:
Prozedural, semantisch, episodisch
Inhalte:
Kognitionen, Affekte, Motivationen
Funktion:
Vorhersage des Verhaltens anderer
Organisation des eigenen Verhaltens
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Bestens gerüstet um die erfahrungsgemäß recht häufigen Abweisungen der
Damen mental zu verkraften, machte sich Karl Schiefer auf den Weg zum
Tanztee.
13
Zentrale Annahmen (Bowlby, 1973)
Das Bedürfnis, emotionale Sicherheit in
Beziehungen zu finden, ist angeboren.
Reale Beziehungserfahrungen werden in die
Persönlichkeit internalisiert (working models)
Sensible Perioden: Kindheit & Jugend
Bindungssicherheit steht in Zusammenhang mit
psychischer Gesundheit.
Innere Arbeitsmodelle prägen das
Beziehungsverhalten (Wiederholungsneigungen, selbst-erfüllende Prophezeiungen).
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Eigenschaften / Verhalten einer
guten Bindungsperson
Zugänglichkeit
Verhaltenskonsistenz
Feinfühligkeit
Respekt für die Bindungswünsche des Kindes
Respekt für die Wünsche des Kindes nach
Exploration & der allmählichen Ausweitung
seiner Beziehungen zu Gleichaltrigen & zu
anderen Erwachsenen
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Diagnostik:
Bindungshaltungen
16
Verfahren zur Erfassung der
kindl. Bindungssicherheit
(Solomon & George, 1999)
Verhaltensbeobachtung
FST
Modifikationen d. FST für ältere Kinder
Attachment Q-Sort
Maße die auf symb. Repräsentation beruhen
Reaktionen auf Bilder
Puppen-Spiel
Familien-Zeichnungen
Klinische Bindungsstörungen
Klassifikation nach ICD-10 & DSM-IV
Standardisierte Erfassung
17
Fremde Situation Test (FST)
18
Fremde Situation Test (FST)
Mary Ainsworth et al., 1978
Laborexperiment
Wie reagieren 1jährige Kinder
auf eine kurze Trennung von
Mutter (Vater)?
Videoaufnahme
Verhaltensanalyse: Wie reagiert
das Kind auf die Rückkehr der
Bezugsperson?
19
FST: 4 Typen
B sicher: flexibler Wechsel von
Bindungsverhalten und Exploration
A vermeidend: kaum Bindungs-, viel
Explorationsverhalten
C ambivalent: hypervigilant bzgl. Bindung,
kaum Exploration
D desorganisiert: keine erkennbare
Strategie
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Verhaltensbeobachtung
(5-7 Jahre; Main-Cassidy)
B Sicher: Verhalten bei Wiedervereinigung ist
vertrauensvoll, entspannt, offen.
A Vermeidend: Kind bleibt affektiv neutral; minimiert
subtil Möglichkeiten für Interaktion.
C Ambivalent: Erhöhte Intimität mit & Abhängigkeit vom
Elternteil. Bei Wiedervereinigung Ambivalenz, subtile
Feindseligkeit, übertrieben cute oder babyhaftes
Verhalten.
D Kontrollierend: Anzeichen von Rollenumkehr: strafend (zurückweisend, demütigend) oder caregiving
cheering , rückversichernd, falsch positiv)
U unklassifizierbar: unklare Mischung unsicherer
Verhaltensweisen
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Verfahren, die auf symbolischer
Repräsentation beruhen
Grundannahmen:
Die Reaktionen älterer Kinder auf
symbolische beziehungsbezogene
Anforderungen erlauben Rückschlüsse auf
ihre inneren Arbeitsmodelle von Bindung.
Projektive Verfahren
Reaktionen auf Bilder (4-7 Jahre)
Puppen-Spiel (3 Jahre)
Familien-Zeichnungen
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Diagnostik:
Klinische Bindungsstörungen
23
ACHTUNG!
Bindungsstile Bindungsstörungen
Unsicherer
Bindungsstil
Sicherer
Bindungsstil
BindungsStörung
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Klassifikation kindlicher Bindungsstörungen (attachment disorders)
ICD-10: F9: Verhaltens- & emotionale Störungen
mit Beginn in Kindheit / Jugend
F94.1: reaktive Bindungsstörung d. Kindesalters
Stark widersprüchliche Reaktionen auf Bezugspersonen
(Annäherung, Vermeidung & Widerstand); Apathie,
Unglücklichsein oder Furchtsamkeit; Rückzugs- oder
aggressive Reaktionen. Fast immer die Folge von massiver
Vernachlässigung oder Missbrauch. 0-5 Jahre.
F94.2: Bindungsstörung d. KA mit Enthemmung
Unübliche Diffusität im selektiven Bindungsverhalten ( sozial
promisk ); zunächst wahlloses Anklammerungsverhalten,
dann wahllos freundliches, aufmerksamkeitssuchendes
Verhalten. 0-5 Jahre.
DSM-IV: 313.89 (inhibited / disinhibited type)
25
Standardisierte Erfassung
kindlicher Bindungsstörungen
1. stand. Methode:
Connor & Rutter et al., 2000
Eltern-Interview über Verhalten des Kindes
Ungehemmte Form (3 items, summed score 0-6)
Fehlende Differenzierung zwischen Erwachsenen
Anzeichen, dass das Kind bereit wäre einfach so mit einem
Fremden wegzugehen
Fehlendes Absichern checking back ) bei den Eltern in
angstauslösenden Situationen
Gehemmte Form (1 item, score 0-2)
Fehlende emotionale Rektionen in Situationen in denen
Bindungs-Verhalten erwartet werden kann
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Definition
Beginn: in den ersten 5 Lebensjahren
Ursachen:
Vermutlich schwerwiegende Milieuschäden & Deprivation
Keine primär organischen Ursachen
Ausschlussdiagnose:
Tiefgreifende Entwicklungsstörungen
Für Reaktive Bindungsstörung: Psychosoziale/körperliche Probleme
infolge von sexueller oder körperlicher Misshandlung im Kindesalter (?!)
Komorbidität:
Umschriebene (kombinierte) Entwicklungsstörungen häufig
Wachstums- & Gedeihstörungen: Manchmal
Epidemiologie:
Bislang keine repräsentativen Daten über die Häufigkeit (Inzidenz,
Prävalenz) von Bindungsstörungen.
Unter ehemaligen rumänischen Heimkindern mit langer
Deprivationsdauer vor einer Adoption in englische Familien lag die
Häufigkeit schwerer Bindungsstörungen im Alter von 6 Jahren bei 30%.
27
Reaktive Bindungsstörung des
Kindesalters (F94.1)
(DSM-IV: "gehemmte Form")
Störungen der sozialen Funktionen
Abnormes Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen mit einer
Mischung aus Annäherung, Vermeidung & Widerstand gegen
Zuspruch
Eingeschränkte Interaktion mit Gleichaltrigen
Beeinträchtigung des sozialen Spielens
Gegen sich selbst und andere gerichtete Aggressionen.
Emotionale Auffälligkeiten
Furchtsamkeit, Übervorsichtigkeit, Rückzug
(aggressive Reaktion auf) Unglücklichsein, ängstliche
Überempfindlichkeit
Mangel an emotionaler Ansprechbarkeit, Verlust/Mangel an
emotionalen Reaktionen, Apathie
Gefrorene Wachsamkeit ("frozen watchfulness ).
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Bindungsstörung des KA mit
Enthemmung (F94.2)
(DSM-IV: "ungehemmte Form")
Störungen der sozialen Funktionen
Abnormes Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen mit einer
Mischung aus Annäherung, Vermeidung & Widerstand gegen
Zuspruch; Inadäquate Reaktionen auf Beziehungsangebote von
Bezugspersonen
Situationsübergreifend nicht-selektives Bindungsverhalten (z. B.
Anklammern, Aufmerksamkeitssuche) mit wahlloser
Freundlichkeit & Distanzlosigkeit gegenüber Fremden soziale
Promiskuität )
Eingeschränkte Interaktion mit Gleichaltrigen
Beeinträchtigung des sozialen Spielens
Gegen sich selbst & andere gerichtete Aggressionen.
Emotionale Auffälligkeiten: nicht im Vordergrund, aber kommen vor.
29
Untergruppen
Reaktive Bindungsstörung (F94.1):
Besonders bei jüngeren Kindern
Bindungsstörung mit Enthemmung (F94.2)
Entwickelt sich in der Regel aus F94.1 im 5.
Lebensjahr.
30
Bindungstheorie &
Psychopathologie
31
Bindungstheorie &
Psychopathologie
Bowlbys These:
traumatisierende Bindungserfahrungen in der Kindheit
-> unsichere innere Arbeitsmodelle
-> erhöhtes Risiko für psychopathologische Störungen in Kindheit
& Erwachsenenalter
Relevante Fragen:
Traumatische Bindungserfahrungen -> Bindungsunsicherheit?
Traumatische Bindungserfahrungen -> psychische Störungen?
Bindungsunsicherheit -> psychische Störungen?
Greenberg, 1999; O Connor, Rutter et al., 2000: prospektiv
32
Prognostische Bedeutung von
FST-Klassifikationen
Ehemals bindungssichere Kinder (FST, Beob. 5-7 Jahre):
Werden von Kindergärtnerinnen mehr gemocht
Sind sozial kompetenter
Komplexeres & kompetenteres Spielverhalten
Weniger Trennungsangst mit 6 Jahren
Weniger Verhaltensprobleme (externalisierend, internalisierend) in der
Schule
Prognose späterer klinischer Störungen aus FST:
A-B-C Klassifikationen stehen nicht in engem Zusammenhang mit
späteren klinischen Störungen (!)
D desorganisiert prognostiziert ein erhöhtes Risiko klinischer
Auffälligkeit:
Z.B. große Feindseligkeit 7jähriger in Schule
FST-Befunde halbwegs stabil über 20 Jahre, in high-risk samples
weniger stabil
Änderungen durch Verluste, Missbrauch, ernste Krankheiten
33
Traumatische Bindungserfahrungen
-> Bindungsunsicherheit?
Elterndeprivation in den ersten Monaten/Jahren
(rumän. Adoptivkinder)
-> klinische Bindungsstörungen
Körperliche Probleme des Kindes (z.B.
Frühgeburtlichkeit) -> kaum Effekte
Psychiatrische Störungen der Eltern
Schwere mütterl. Depressionen -> 70% der Kinder
unsicher, meist desorganisiert!
Milde mütterl. Depressionen -> kein Effekt
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Bindungsunsicherheit (FST)
-> psychische Störungen?
Effekte schwach bei low-risk samples
Effekte deutlich bei high-risk samples
Schlechtere peer-Beziehungen
Moodiness
Depressive Symptome
Aggressive Symptome
Effekte
deutlicher
bei
Jungen
bzgl.
externalisierendem Verhalten
Interaktionseffekte: Bindung & Intelligenz ->
externalisierende Probleme
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Traumat. Bindungserfahrungen
-> Psychische Störungen?
Belegt bei Erwachsenen:
Früher Tod 1 Elternteils ->
Verlassenwerden
von
Eltern ->
Vernachlässigung,
Zurückweisung ->
Rollenumkehr ->
Sexueller Missbrauch ->
Körperl. Misshandlung ->
schwere Depression
leichtere Depression &
Wut
psychische
Störungen
Dozier, Stovall & Albus, 1999
36
Erziehung in Institutionen
Kinder, die in Heimen aufwuchsen vs. Kinder die
in Pflegefamilien aufwuchsen (Roy, Rutter & Pickles, 2004):
Im Grundschulalter zeigen 1/5 der Heim-, aber keines
der Pflegefamilien-Kinder einen Mangel an selektiven
Bindungsbeziehungen mit ihren Bezugspersonen (oder
mit Freunden)
Diese Bindungsstörung ist eng assoziiert mit
Konzentarionsstörungen in der Schule (inattention,
overactivity)
Risikogruppe: Männliche Heimkinder!
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Deprivationszirkel
Von ihren Eltern vernachlässigte Kinder haben
ein erhöhtes Risiko, psychische Störungen zu
entwickeln.
Diese ehemals vernachlässigten Kinder sind als
Erwachsene ihren Kindern gegenüber dann oft
selbst auch vernachlässigende Eltern.
So werden oft Vernachlässigung & psychische
Störungen von einer Generation auf die nächste
weitergegeben.
Bowlby, 1953: Child care & the growth of love
38
Bindungstheorie & Gewalt I
(Bowlby, 1988)
Aggressionen sind normal & adaptiv, wenn die
Sicherheit zentraler Beziehungen bzw. das Leben wichtiger Menschen in Gefahr scheint.
Familiäre Gewalt ist eine verzerrte, übertriebene
Version adaptiver Aggressionen.
Gewalterfahrungen erschüttern &
beeinträchtigen die emotionale Sicherheit von
Kindern & Erwachsenen ganz grundlegend.
Gewalt von engen Bezugspersonen (z.B. Eltern,
Partnern) ist psychisch weitaus belastender als
Gewalt von Fremden.
39
Bindungstheorie & Gewalt II
(Bowlby, 1988)
Gewalt von Bezugspersonen führt zu einem unlösbaren
emotionalen Paradox: Kinder brauchen & fürchten den
Missbraucher gleichzeitig.
Gewaltopfer sind depressiv, passiv, gehemmt, freudlos &
gleichzeitig wütend & aggressiv.
Innere Arbeitsmodelle sind nach Gewalterfahrungen gleichzeitig
auf Hinwendung & auf Flucht eingestellt sie sind also kaum
arbeitsfähig.
Weder ambivalenzfreie Hinwendung noch klare Abwendung ist
möglich.
Bindungssystem ist ständig aktiviert es gibt keine Entspannung.
Kind zu misshandelndem Elternteil:
Kleinkinder zeigen oft widersprüchliches Verhalten zu Elternteil:
Z.B. zu ihr/ihm hinlaufen & gleichzeitig den Kopf wegdrehen (FST).
Permanente Aufmerksamkeit für den Täter
Gefrorene Wachsamkeit (frozen watchfulness)
Ständiges Bemühen, Bedürfnisse des Elternteils zu erfüllen.
40
Bindungsorientierte
Beratung & Psychotherapie
41
Bindung & Psychotherapie
Hypothese:
erfolgreiche
Therapie
->
erhöhte
Bindungssicherheit (Strauß & Schmidt, 1997)
bisher kaum erforscht
LangzeitPT: bei 30-40% erhöhte Bindungssicherheit
evtl.
differentieller
Therapieerfolg
je
nach
Bindungshaltung (stationär: Vermeidende mehr Erfolg
als Ambivalente).
Es gibt erste spezielle Bindungstherapien in den USA oder ist jede gute Therapie auch Bindungstherapie?!
Attachment Based Family Therapy (ABFT; Diamond et al.; s.
Sydow et al., im Druck)
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Implikationen der Bindungstheorie für
die Psychotherapie-Praxis
1.
2.
TherapeutIn als sichere Basis für Klienten.
Exploration
der
Beziehungen
zu
Bezugspersonen.
§
wichtigen
Keine Entwertung von Bezugspersonen!!!
Überprüfung der therapeutische Beziehung.
Fokus auf Zusammenhängen zwischen gegenwärtigen
& früheren Beziehungserfahrungen & Überprüfung
alter Muster.
5. Unterstützung des Klienten bei der Verarbeitung seiner
Affekte.
6. Berücksichtigung von Beziehungs-Traumata
3.
4.
§
Z. B. Verluste, Gewalt
(auch inherited traumata )
Bowlby, 1988; Brisch, 1999; Bräutigam, 1991; Holmes, 1996;
Strauß & Schmidt, 1997; Sydow, 2002.
43
Interventionen bei
Bindungsstörungen
Auswahl des Interventions-Settings
Ambulant teilstationär - stationär
Je nach Schweregrad der Störung, evtl.
Entwicklungsbeeinträchtigungen & Funktionsfähigkeit
des psychosozialen Umfeldes.
Hierarchie der Behandlungsentscheidungen
Hauptziel: Herstellung eines entwicklungsfördernden
bindungsstabilen Milieus in Familie, Pflegefamilie,
Heim, Kindergarten & Schule (ggf. Herausnahme aus
einem deprivierenden Milieu).
Weiteres Ziel: Aufarbeitung eventuell bestehender
Entwicklungsbeeinträchtigungen.
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Bindungsstörungen:
Ambulante Behandlung
Aufklärung & Beratung von
Bezugsperson(en)
Patient (altersentsprechend)
Erziehern & Lehrern (mit Einverständnis des Sorgeberechtigten)
Beratung, Psychotherapie & Supervision
Familienberatung/-therapie
Einzel-/Gruppentherapie des Kindes
Supervision (Pflegefamilie, Heim, Kindergarten & Schule)
Funktionelle Therapien
Krankengymnastik, Logopädie, Ergotherapie (bei umschr.
Entwicklungsstör.)
Medikamentöse Therapie: selten
Verlaufskontrolle hinsichtlich:
Zielsymptome, Entwicklungsstörungen, Familie, Schule, Peers
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Bindungsstörungen:
Weitere Behandlungsoptionen
Teilstationäre Behandlung
Enge Kooperation mit den Bezugspersonen erforderlich, damit
Patienten durch den täglichen Milieuwechsel nicht überfordert werden.
Stationäre Behandlung
Wesentlich: Feste Bezugspersonen in der therapeutischen Institution institutionell bedingten Betreuerwechsel vermeiden!
Jugendhilfe- & Rehabilitationsmaßnahmen
Wenn entwicklungsförderndes, bindungsstabiles Milieu nicht gegeben
ist oder wegen der Symptomatik des Kindes nicht aufrechterhalten
werden kann.
Maßnahmen im Rahmen der Hilfeplanung nach KJHG.
Dauer: In der Regel mehrjährige Betreuung der Patienten.
Eventuelle Entwicklungsverzögerungen müssen aufgearbeitet werden.
Generell fehlt es an Studien zur Wirksamkeit der verschiedenen
Behandlungsmassnahmen. Einschätzung beruht auf
Expertenwissen.
46
Fazit
47
Fazit I
Die Bindungstheorie befasst sich mit der
Wechselwirkung von Beziehungserfahrungen & Persönlichkeitsentwicklung
( innere Arbeitsmodelle )
Das Thema Bindung ist für Menschen
lebenslang wichtig:
"Attachment behavior [characterizes] human
beeings from the cradle to the grave"
(Bowlby, 1979, p. 129)
48
Fazit II
Sensible Periode: Kindheit
Änderungen möglich:
doch auch später sind noch
Nach Scheidung / Tod der Eltern;
neue Bezugsperson / Partnerschaftserfahrungen
gelungene Psychotherapie
Diagnostik von Bindungshaltungen bei Kindern:
Fremde Situation Test (FST; 1-2 Jahre)
Weitere Beobachtungs- & projektive Verfahren für ältere Kinder
2 Arten von klinischen Bindungsstörungen
Beginn jeweils: 0-5 Jahre
Nur ein kleiner Teil der Kinder mit unsicherer
Bindungshaltung hat tatsächlich eine Bindungsstörung!
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Anzeichen für eine mögliche
Bindungsstörung
Gehemmte Form (Reaktive Bindungsstörung des KA;
F94.1)
Kein Bindungs-Verrhalten dann wenn Bindungs-Verhalten
erwartet werden kann (z. B. Angst, Schmerzen, krank, traurig)
Kind zeigt widersprüchliches Bindungsverhalten gegenüber
Bezugspersonen (Annäherung, Vermeidung & Widerstand)
Ungehemmte Form (Bindungsstörung des KA mit
Enthemmung; F94.2)
Fehlende Differenzierung zwischen Erwachsenen
Anzeichen, dass das Kind bereit wäre einfach so mit einem
Fremden wegzugehen
Fehlendes Absichern checking back ) bei den Eltern in
angstauslösenden Situationen
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Anzeichen für mögliche BindungsProbleme, keine Bindungsstörung
Anzeichen von Rollenumkehr zwischen
Kind & Bezugsperson: Kind ist strafend
(zurückweisend, demütigend) oder
caregiving ( cheering , rückversichernd)
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Hinweise auf Gewalt/Misshandlung
Widersprüchliches Verhalten des Kindes zum Elternteil:
Z.B. zu ihr/ihm hinlaufen & gleichzeitig den Kopf wegdrehen
Permanente Aufmerksamkeit für Elternteil
Gefrorene Wachsamkeit
Ständiges Bemühen, Bedürfnisse des Elternteils zu erfüllen
ACHTUNG: Traumatisierung des Kindes kann auch
daher rühren, dass das Elternteil selbst traumatisiert ist
(z. B. durch Todesfall, Gewalt-/ Kriegserfahrungen)
Vorsicht vor leichtfertigen Fehlinterpretationen!!!
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KEIN Anzeichen für eine
Bindungsstörung
Kind verhält sich nach einer Trennung
zum Elternteil scheinbar gleichgültig oder
sogar ablehnend
Kind scheinbar gleichgültig: Hinweis auf eine
unsicher-vermeidende Bindung keine
Störung
Kind ablehnend: Kind ist ärgerlich über die
lange Dauer der Trennung typisches
Bindungsverhalten (Phase 3 detachment ) (!)
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Fazit III
Menschen, die Bindungstraumata erlitten haben,
haben ein erhöhtes Risiko, psychische
Störungen zu entwickeln.
Beratung, Therapie & Jugendhilfe sollte immer
auf bindungsrelevante Themen eingehen.
JEDOCH: Der Kontext, in dem sich
Bindungsbeziehungen entwickeln, darf nicht
übersehen werden!
Ziel: Die Weitergabe gestörten
Bindungsverhaltens von einer Generation an die
nächste zu durchbrechen.
54
Zitat: Bowlby (1979/1982, S. 173)
"Jeder von uns ... neigt [dazu], anderen
das anzutun, was ihm angetan wurde.
Der tyrannisierende Erwachsene ist das
tyrannisierte Kind von gestern .
55
Literatur (Weitere Literaturangaben siehe genannte Arbeiten)
Bowlby, J. (1979). The making and breaking of affectional bonds. London:
Tavisock.
Bowlby, J. (1988). Violence in the family. In J. Bowlby, A secure base (p. 7798). Basic.
Brisch, K.H. (1999). Bindungsstörungen: Von der Bindungstheorie zur
Therapie. Stuttgart: Klett Cotta.
Cassidy, J. & Shaver, P.R. (1999). Handbook of attachment. New York:
Guilford.
Dt.Ges.f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a. (Hrsg.)
(2003). Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen
im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Deutscher Ärzte Verlag. (2.
überarb. Aufl.) http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/028-024.htm
Holmes, J. (2002). John Bowlby und die Bindungstheorie (John Bowlby &
attachment theory). München: Ernst-Reinhardt Verlag.
Sydow, K. v. (2002). Systemic attachment theory and therapeutic practice: A
proposal (Invited Review). Clinical Psychology & Psychotherapy, 9(2), 7790.
Sydow, K. v., Beher, S., Retzlaff, R. & Schweitzer-Rothers, J. (im Druck). Die
Wirksamkeit von Systemischer Therapie/Familientherapie. Göttingen:
Hogrefe.
56
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