Éducation et Sociétés Plurilingues n°32-juin 2012 Hans Jürgen HERINGER, Interkulturelle Kommunikation. Grundlagen und Konzepte. Tübingen/Basel: A. Francke Verlag. 2010. Christine WOLF Im Zeitalter fortschreitender Globalisierung nimmt die Bedeutung von internationalen sowie interkulturellen Beziehungen zu. Mit der Internationalisierung wächst auch das Bewusstsein für die Interkulturelle Kommunikation, die durch tiefgreifende Kenntnisse anderer Sprach- und Kulturräume eine erfolgreiche Kommunikation ermöglicht. Aufgrund der Aktualität des Themas wird die Interkulturelle Kommunikation als Wissenschaft der wortlosen Sprache im Kulturkontakt in zahlreichen Büchern aufgegriffen. Äußerst lesenswert hierzu ist das Buch Interkulturelle Kommunikation von Prof. Dr. Hans Jürgen Heringer. Er vermittelt in dem Buch die linguistischen Grundlagen der Interkulturellen Kommunikation und führt eine detaillierte Darstellung der Aspekte auf, die für ein erfolgreiches interkulturelles Kommunizieren wesentlich sind. Zum Verständnis des komplexen Themas setzt Heringer sein Augenmerk auf die Aspekte Kultur und Sprache. Das Buch besteht aus neun Kapiteln, von denen jedes einzelne breite Themenkomplexe behandelt. Aufgrund der inhaltlichen Kohärenz können diese zu drei Teilen komprimiert werden. Die ersten Kapitel (1-4) behandeln verschiedene Aspekte der Kommunikation, während die späteren Kapitel (5-7) der Beziehung zwischen Sprache und Kultur gewidmet sind. In den letzten beiden Kapiteln (8-9) werden die kulturellen Unterschiede analysiert. Im einführenden Kapitel "Grundlagen der Kommunikation" werden die wichtigsten Kommunikationsmodelle vorgestellt. Der Leser wird unter anderem mit dem Sender-Empfänger- und dem Organon-Modell bekannt gemacht. Ausgehend von diesen theoretischen Grundlagen benutzt Heringer eine weite Definition der Kommunikation, die verbale wie nonverbale Elemente einschließt. Kommunikation beruht auf gegenseitigen Erwartungen und Annahmen: ,,Kommunikation basiert auf reziprokem Wissen“ (S.33). Das Kapitel "Was ist Konversation" behandelt die Grundlagen der Konversationsanalyse, bei der entgegen allgemeiner Annahme nicht die Sprechakte, sondern der reale Verlauf einer kommunikativen Handlung untersucht wird. Im folgenden Kapitel "Nonverbale Kommunikation" geht es um die nichtsprachlichen Kommunikationsformen Gestik, Mimik und Paraverbales. Anhand von Beispielen veranschaulicht der Autor die Bedeutung von nonverbalen Kommunikationshandlungen zwischen Menschen unterschiedlicher Informations Kulturen und Sprachen. Die zusammenfassende Feststellung im Hinblick auf die nonverbale Kommunikation ist, dass in der Konversation Verbales, Nonverbales und Paraverbales zusammenwirken. Um die komplexe Beziehung von Sprache und Kultur zur verstehen, werden in Kapitel 5 die Begriffe Kultur und Sprache definiert. Anschließend wird die Sprache unter den Gesichtspunkten ihrer Entstehung, Entwicklung und des kindlichen Spracherwerbs betrachtet. Als zentraler Aspekt des Verstehens stellt sich das Wissen heraus. Und zwar brauchen wir Wissen über die Welt, um sprachliche Handlungen zu verstehen: „Wir verstehen uns, soweit das Wissen gemeinsam ist in dem Sinn, dass wir voneinander wissen, was wir wissen„ (S. 126). Kapitel 6 behandelt den Aufbau des Wissens sowie kulturelle Unterschiede. Anhand eines Dialogs, in dem es um ein offensichtliches Missverständnis geht, werden die Schwierigkeiten des gegenseitigen Verständnisses dargestellt. Denn Fakt ist, dass einschlägiges Wissen und vor allem kulturelle Unterschiede die Hauptprobleme der Interkulturellen Kommunikation darstellen. Im darauffolgenden Kapitel "Kultur und Sprache" widmet sich Heringer den Hotspots, Hotwords und Somatismen und ihrer Bedeutung in der Interkulturellen Kommunikation im Hinblick auf Kommunikationsprobleme. Im Mittelpunkt steht dabei das Konzept der Rich Points. Damit bezeichnet er Stolpersteine der Kommunikation, die aus mangelnder Kenntnis kultureller Hintergründe entstehen. Anhand von zahlreichen Beispielen macht Heringer dem Leser in diesem Abschnitt deutlich, dass die Quellen der interkulturellen Missverständnisse nur durch Auseinandersetzung mit anderen Kulturen verhindert werden können. In den letzten zwei Kapiteln widmet sich Heringer den Kulturstandards, also den Spielregeln des gesellschaftlichen Lebens in einer Kultur. Anhand von Beispielen der chinesischen Kultur veranschaulicht der Autor, inwieweit die (Nicht-)Kenntnis fremder Kulturstandards unser Handeln beeinflussen kann. Sobald fremde Kulturstandards fehlen, bilden sich Stereotypen heraus, die in engem Zusammenhang mit Vorurteilen stehen. Auf der Grundlage der Stereotypen geht Heringer zu dem kulturellen und sprachlichen Relativismus über, der als Sapir-Whorf-Hypothese bezeichnet wird. Laut dieser Hypothese wird die Sprache von unserem Denken und Weltbild bestimmt. Das Buch löst mit seinen 235 Seiten die Erwartung einer fachkundigen Behandlung der Interkulturellen Kommunikation ein. Die linguistischen Themen, die man in einer Einführung erwartet, werden auf eine neue, unkonventionelle Weise behandelt und im Gegensatz zu anderen Einführungen ins Thema vertieft. Mit der vorliegenden Arbeit ist es Heringer gelungen, das umfassende Thema der Interkulturellen Kommunikation in einer kohärenten Argumentationsweise verständlich zu 96 Informations übermitteln. Darum ist das Buch nicht nur für Fachleute, sondern auch für Studenten und interessierte Laien geeignet, die sich mit dem Thema der Interkulturellen Kommunikation vertraut machen wollen. Darüber hinaus wird dem Leser das Entstehen von Kommunikationsproblemen, die in der heutigen Kultur- und Sprachenvielfalt nahezu unvermeidbar sind, deutlich. Ob bei geschäftlichen Kontakten, internationalen Beziehungen oder privaten Unterhaltungen – es können überall größere Schwierigkeiten aufkommen, wenn Menschen unterschiedlicher Sprach – und Kulturgemeinschaften aufeinandertreffen. Zu loben ist das sinnvolle Layout des Buchs mit einem breiten Rand, der Platz für Notizen bietet und bereits nützliche Stichwörter enthält. Der Text ist abwechslungsreich und mit vielen Bildern und Diagrammen gestaltet. Ebenfalls positiv ist, dass es sich bei der vorliegenden Arbeit nicht um eine theoretische Wissensvermittlung, sondern eine praktische Einführung in das Gebiet der Interkulturellen Kommunikation handelt. Dafür sprechen vor allem die offenen Fragestellungen am Ende der Kapitel, die den Leser zu einer kritischen Auseinandersetzung und Selbstreflexion mit dem Thema der Interkulturellen Kommunikation anregen sollen. Durch fehlende Ausführungen zu bestimmten Themen wird der Leser zur Eigenrecherche motiviert. Solche Denkanstöße in Form von Fragen bzw. Aufgaben sind zwar als Bereicherung für das Buch zu sehen, jedoch wäre zu bemängeln, dass weder Lösungen noch Hinweise gegeben werden, so dass sich das Buch weniger gut für ein Selbststudium eignet. Des Weiteren ist der häufige Gebrauch von englischen Termini zu kritisieren. Es werden viele Begriffe aus dem Englischen übernommen wie zum Beispiel turn. Der Autor gibt die Übersetzung "Gesprächsbeitrag" an, benutzt aber sonst ausschließlich den englischen Terminus turn (S. 53). Die vielen englischen Termini sind gerade in einem einführenden deutschen Werk nicht hilfreich und an einigen Stellen sogar störend. An dieser Stelle kommt beim Leser die Frage auf: Wer schafft die deutschen sprachwissenschaftlichen Termini, wenn nicht die deutschen Linguisten? Diese kleinen Mängel sind von der Gewichtung her für das Buch irrelevant, da der durchaus positive Gesamteindruck bis zur letzten Seite des Buches bestehen bleibt. Es muss sogar positiv hervorgehoben werden, dass beim Leser der Wunsch aufkommt, sich eingehender mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dieser überaus lesenswerten und zugleich empfehlenswerten Publikation sei auch in der dritten Auflage weiterhin Erfolg gegönnt! 97