Leseprobe aus: Susanne Holst Klug essen - gesund bleiben Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier. Copyright © 2008 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek Einleitung: Mir zuliebe! Sie wollen sich besser ernähren als bisher? Ihre Essgewohnheiten umstellen, sich bewusster, genussvoller mit dieser alltäglichen Notwendigkeit auseinandersetzen? Gut so – dann sind wir nicht weit voneinander entfernt, denn genau das war und ist auch meine Motivation, mich mit diesem Thema gründlich zu befassen. Nicht, dass ich meine momentane Ernährungsweise nicht im Großen und Ganzen als ordentlich ansehen würde, aber besser machen als bisher kann man schließlich immer etwas. Allerdings: Viele Jahre habe ich dem Thema «Ernährung» keinen großen Stellenwert beigemessen. Essen und Trinken, das waren eher lästige Nebensächlichkeiten, die in einem mit Terminen vollgestopften Tag irgendwo irgendwie Platz finden mussten. Genau zwei hoch emotionale Ereignisse in meinem Leben haben mich eines Besseren belehrt und waren Motivation genug, den ganzen Komplex «Esstisch» noch einmal von allen Seiten her zu beleuchten, ihn mir regelrecht neu zu erarbeiten: als vor zehn Jahren bei mir eine schmerzhafte und langwierige rheumatische Erkrankung ausbrach und als ich vor drei Jahren meine Kinder zur Welt brachte. Beide Ereignisse haben meine bisherige Einstellung zur Ernährung grundlegend verändert und den Wunsch ausgelöst, es endlich einmal wirklich wissen zu wollen. Ein für alle Mal, um nicht immer wieder zurückzufallen in alte, meiner Gesundheit wenig dienliche Muster. In meinem Fall waren es zwei Fragen, auf die ich klare Antworten haben wollte: Kann eine Ernährungsumstellung meine gesundheitliche Lage verbessern? Und wie kann ich meiner Verantwortung als Mutter gerecht werden, die ihre Kleinen bestmöglich ernähren und ihnen gleichzeitig das Rüstzeug für eine gute Ernährungsweise in ihrem späteren Leben mit auf den Weg geben will? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie auf den folgenden Sei- Mir zuliebe! 7 ten. Und nicht nur das. Egal, ob Sie durch eine bessere Ernährung dauerhaft Gewicht verlieren möchten, ob Sie die Nase voll von Fast Food haben, sich für mehr Fakten und Hintergrund interessieren, den Genuss am wahren Speisen wiederentdecken wollen oder ob Sie aus ganz anderen Gründen zu dem Schluss gekommen sind, dass etwas passieren muss. Nach der Lektüre dieses Buchs werden Sie – das wünsche ich mir – klüger sein. Und Sie werden merken, wie einfach es ist, sich intelligent zu ernähren. Eigentlich braucht es gar nicht viel. Wissen und Motivation jedenfalls sind meine beiden favorisierten Essstäbchen. Dieses unschlagbare Duo möchte ich Ihnen in diesem Buch gern näherbringen. Das bedeutet, Ihnen zum einen wissenschaftliche, meiner Ansicht nach hochmotivierende Erkenntnisse mitzugeben und zum anderen praktische Tipps und Anregungen zu liefern, die sich ohne großen Aufwand im Alltag umsetzen lassen. Etwa, indem man beim Einkaufen immer wieder auf die «Gesundmacher» setzt – ganz normale, eigentlich unspektakuläre Lebensmittel, die Ihnen richtig guttun – oder indem man sich seine Lieblingsturbolader aus diesem Reservoir heraussucht (vgl. Seite 177 bis 284). Im besten Fall werden Sie sich nach diesen Seiten nicht mehr viel Gedanken übers «Besser essen» machen und bald automatisch die gesündere Wahl für Ihren Speiseplan und den Ihrer Familie treffen. Das Praktische: Sie können selbst entscheiden, wie Sie diesen Ratgeber lesen möchten. Starten Sie mit einer Reise durch den Körper, informieren Sie sich über die vielfältigen Einflüsse auf Ihr Essverhalten oder schlagen Sie einfach Ihre liebsten Fitmacher nach. Ganz gleich, welchen Einstieg Sie wählen, das Bausteinprinzip ermöglicht Ihnen, sich individuell und immer wieder anders mit den Zusammenhängen von Nahrung und Gesundheit zu beschäftigen. Eines werden Sie in diesem Buch auch immer wieder erkennen: Essen hat viel mit Psychologie zu tun, mit Emotionen und Stimmungen. Das macht es so problematisch, Althergebrachtes, falsch 8 Mir zuliebe! Gelerntes, aber emotional positiv Besetztes wieder ins rechte Lot zu bringen. Denn Emotionen und die mit ihnen verbundenen Essensvorlieben und -verhaltensweisen sind meist hartnäckig und tief in uns verwurzelt. Essen und eine gewisse Form der Stimmung gehen – zwar individuell verschieden, aber doch stets – Hand in Hand miteinander. Und auch dies ist daher nachvollziehbar: Eine gute, angemessene Ernährung ist nicht nur für unseren Körper wichtig, sondern auch für unsere Gefühlslage. Kapitel 1: Du bist, was du isst «Essen hält Leib und Seele zusammen», sagt ein altes Sprichwort. Stimmt: Je bewusster und umsichtiger wir unseren Körper mit guter Nahrung versorgen, desto größer ist die Chance, dass wir uns über unsere Gesundheit und in der Folge auch über umfassendes Wohlgefühl freuen dürfen. Denn funktioniert unser Organismus einwandfrei, tut das auch der Seele gut. Eine Erkenntnis, die sich leider immer mehr aus unserem Bewusstsein schleicht und die wir zurückerlangen müssen. Auf der Suche nach Wohlbefinden und Glückseligkeit wird jedoch gern und ausgiebig an anderen Stellschrauben gedreht. Um wieder ins gefühlte rechte Lot zu kommen, wechselt mittlerweile viel Geld den Besitzer: Für Selbstfindungskurse, Mentalliteratur, Therapiegruppen oder emotionenstimulierende Events gibt man den letzten Euro. Alles, um der gestörten Befindlichkeit auf die Beine zu helfen, namentlich Stimmungsschwankungen, miese Laune, Trübsal und Lustlosigkeit loszuwerden. Das Naheliegende aber wird häufig ignoriert, nämlich das, was auf unseren Tellern liegt: Es wird zu selten als Übeltäter ausgemacht. Messer und Gabel, aber auch Einkaufslisten und wirklich bekömmliche Essensrituale sind bei viel zu vielen derzeit nicht besonders angesagt, schon gar nicht als Rezept gegen seelischen Tiefstand und einen durch Zipperlein und andere Beschwerden aufmuckenden oder aus der Form geratenen Körper. Dabei bedarf es eigentlich gar nicht viel, das Körper-Stimmungs-Gefüge wieder nachhaltig zu kitten oder auch auf Dauer zu erhalten. Bekömmliche Ernährung ist schließlich kein Buch mit sieben Siegeln, kein Geheimwissen, das nur Auserwählten vorbehalten wäre. Vielleicht ist aber gerade das der Grund für die weitverbreitete Ignoranz? Gesunde Ernährung ist verhältnismäßig einfach zu bekommen: Sie kostet nicht viel und lässt sich relativ Du bist, was du isst 11 leicht in den Alltag integrieren. Nichts Spektakuläres also, langweilig für jene, die lieber auf neueste schlagzeilenträchtige Trends setzen; oder notwendiges Übel für diejenigen, die sich erst durch ärztliche Drohungen mit gravierenden gesundheitlichen Konsequenzen aus ihrer Schwerfälligkeit reißen lassen. Doch selbst die sind bekanntermaßen kein Garant für grundlegende Änderungen beim Thema «Essen fassen». So isst Deutschland Ernährungsexperten beklagen, dass insgesamt immer noch zu wenige Menschen wissen, wie gesunde Ernährung eigentlich konkret aussieht. Was für eine Tragödie, denn zweifellos ist unsere Gesundheit in entscheidendem Maße von einer ausgewogenen, angemessenen Ernährung abhängig. Klug essen – gesund bleiben. Diese Aussage konnte bis heute mit immer neuen eindrucksvollen Studienergebnissen untermauert werden. Was für eine unglaubliche Chance sich hier jedem Einzelnen bietet! Mit der Auswahl der Lebensmittel können wir ganz einfach gezielt über unsere Gesundheit – und auch über unsere Seelenlage – mitentscheiden. Nur nutzen wir diese Chance zum großen Teil leider nicht. Mit drastischen Folgen. Alle vier Jahre gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE ), eine der obersten Instanzen in Ernährungsfragen hierzulande, aktuelle Daten über das Essverhalten der Bevölkerung heraus – und auch über die entsprechenden Folgekrankheiten. Zahlreiche Wissenschaftler arbeiten daran, an vielen Universitäten werden Umfragen durchgeführt, Daten gesammelt, Statistiken ausgewertet und Zusammenhänge analysiert. Das Ergebnis ist eine Momentaufnahme deutscher Essgewohnheiten, die sich zwar an den Rändern von Jahr zu Jahr leicht aufhellt, im Wesentlichen aber immer noch ziemlich düster ausfällt: • Es gibt zu viele dicke Deutsche. Insgesamt essen wir in der Mehrheit noch immer zu viel, zu fett, zu süß – und bewegen 12 So isst Deutschland uns auch viel zu wenig. Das heißt im Klartext: Ernährung und Lebensstil passen nicht zusammen. Wir futtern mehr Kalorien, als wir verbrauchen. Die Folge: Inzwischen ist schon mehr als jede zweite Frau zu dick (55 Prozent), und bei den Männern sind es zwei von dreien (65 Prozent). Mit steigender Tendenz. • Unsere Essgewohnheiten haben dramatische Folgen. Falsche Ernährung und Übergewicht verursachen ernährungsbedingte Krankheiten, die für sage und schreibe rund zwei Drittel der Todesfälle verantwortlich sind. Das muss man sich vor Augen führen: Bei mehr als jedem zweiten Menschen, der an einer bestimmten Krankheit stirbt, spielt die Ernährung eine Rolle. Und diesen Faktor könnten wir beeinflussen, wenn wir nur wollten! Menschen über 50 Jahre essen übrigens insgesamt deutlich mehr als jüngere. Sie sollten ihre Energiezufuhr besonders herunterfahren, empfiehlt die DGE und rät gleichzeitig den Jüngeren, mehr auf die Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen zu achten. Am deftigsten lieben es junge Männer zwischen 19 und 25 Jahren, sie nehmen am meisten Fett zu sich. Insgesamt gibt es aber auch positive Nachrichten zum Fettkonsum: Der ist zwar insgesamt zu hoch, doch der Anteil der gesünderen pflanzlichen Öle und Fette nimmt zu und liegt inzwischen bei über 50 Prozent. • Etwas Lob gibt es für unser Verhältnis zu Obst und Gemüse. Das kommt jetzt häufiger als früher auf den Speiseplan, bei den Älteren deutlich öfter als bei den Jüngeren. Mit durchschnittlich 350 Gramm pro Tag liegen die Senioren aber immer noch weit unter der DGE -Empfehlung von 650 Gramm. Seit Mitte der neunziger Jahre haben die Bundesbürger immerhin ihre Vorliebe für Äpfel wiederentdeckt, dafür aber das Interesse an Bananen und Kartoffeln verloren. • Und auch darüber freuen sich Ernährungswissenschaftler: Milchprodukte befinden sich im Aufwind. Gesunder Joghurt liegt voll im Trend, und der stetig wachsende Käsekonsum sorgt für eine verbesserte Versorgung mit Kalzium. Auffällig ist auch Du bist, was du isst 13 der sinkende Butterverbrauch. Und obwohl wir Deutschen uns immer noch einen Namen als exzessive Fleischesser machen, lassen wir Rindfleisch immer häufiger links liegen und greifen stattdessen deutlich öfter zu Fisch und Geflügel. • Die Erkenntnisse lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Sie treffen also nicht gleichermaßen auf alle Bundesbürger zu. Unterschiede zwischen den Essgewohnheiten zeigen sich zum Beispiel in den alten und neuen Bundesländern. Die Menschen im Osten des Landes nehmen im Durchschnitt mehr Kalorien zu sich. Gleichzeitig bevorzugen sie eine eher ungesunde Ernährung, verzehren besonders viel Schweinefleisch, Butter, Wurstwaren und Spirituosen. In den alten Bundesländern wird dafür mehr Süßes genascht. • Soziale Unterschiede spielen eine zunehmend größere Rolle. Ein großer Teil der Bevölkerung ernährt sich zwar gesünder als in früheren Jahren, aber ein anderer Teil, vor allem jene aus finanziell schwachen Kreisen, ernährt sich immer ungesünder. Fest steht: Personen aus einkommensstärkeren Schichten wissen mehr über Ernährung als Personen aus einkommensschwachen. Und da kommt wieder das zum Tragen, was der gesunde Menschenverstand auch ohne Studien längst weiß: Menschen mit einem umfassenden Ernährungswissen essen in der Regel auch gesünder. Gut, dass auch Sie sich für diesen Weg entschieden haben! Essen – aber wie? Aber nicht nur das Was, sondern auch das Wie macht eine gute, bekömmliche Ernährung aus. Die Umstände, unter denen wir essen und trinken, sind nämlich breit gefächert: Sie reichen von einem liebevoll gedeckten Esstisch über Stehimbiss, Fast-FoodRestaurant und Lieferservice bis hin zum Essen zwischen Tür und Angel am offenen Kühlschrank. So richtig Zeit und Muße für Zubereitung und Genuss von Speisen nehmen wir uns immer 14 Essen – aber wie? seltener. Stattdessen haben wir uns zu einer To-go- und Fertiggerichtgesellschaft entwickelt. Bequemlichkeit ist angesagt, selber kochen out, das ist viel zu zeitaufwendig. Paradox: Es wird zwar immer weniger gekocht, aber Kochsendungen im Fernsehen haben Hochkonjunktur. Doch trotz der gewonnenen Zeit regiert weiterhin die Hetze, das ist keine sehr bekömmliche Beilage für unsere Mahlzeiten. Denn der Zeitdruck sitzt uns nicht nur im Nacken, er drückt auch auf den Magen und verstopft uns den Darm. Gut Ding will aber Weile haben, das gilt auch für unsere Verdauung. Die kriegt sie allerdings nicht: Stattdessen blähen sich unsere Bäuche durch eilig heruntergeschluckte Happen auf, während wir beim Essen gern noch zwei weitere Dinge nebenbei erledigen. Schon beim Frühstück muss schnell noch die Zeitung durchforstet werden. Die Burgerschachtel wird parallel zum Wordprogramm geöffnet und das Abendessen mit der Fernbedienung in der Hand vertilgt. Hier zeichnet sich bei vielen eine richtig ungesunde Entwicklung ab: immer weiter weg von festen Mahlzeiten und deren Ritualen, hin zu einem kauenden Nebenher, bei dem Essen und Trinken zur Nebensächlichkeit wird. Laut Soziologen erleben wir den Übergang von der patriarchalischen Familienmahlzeit zur pluralistischen Knabbergesellschaft. Darauf ein paar Salzstangen. Warum wir essen In der Zwischenzeit aber können wir schon mal eine ganze Menge tun, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Wer seine Ernährung umstellen will, sollte sie zu Anfang erst einmal gründlich unter die Lupe nehmen. Eine ehrliche Analyse zeigt Ihnen Ihre individuellen Schwachpunkte und hilft enorm, die Probleme gezielter anzugehen. Dazu werden Sie auf den folgenden Seiten ein paar Anregungen und Hilfestellungen erhalten. Aber auch bei diesem Aspekt helfen uns zunächst einmal unser Wissen und die neuesten Forschungsergebnisse. Du bist, was du isst 15