Skript zur Vorlesung Grundlagen der Elektrotechnik für Luft- und Raumfahrttechniker FT 2008 1 Vorwort zum Skript Grundlagen der Elektrotechnik für LRT (B.Sc.) Studenten Dieses Skript basiert auf dem Skript zur Vorlesungsreihe „Grundlagen der Elektrotechnik für Maschinenbauer“, die an der Ruhr-Universität Bochum von Herrn Prof. Dr. J. Mentel und Herrn Dr. G. Roll seit vielen Jahren als Pflichtveranstaltung angeboten wird. Da die Vorlesung GdE für LRT Studenten an der UniBw München nur eine 1-trimestrige, 4stündige Veranstaltung ist, wurde der Stoff gegenüber der Bochumer Veranstaltung wesentlich gekürzt und auf einige Teilbereiche reduziert, was sich natürlich auch in dem Skript widerspiegelt. Voraussetzung für ein Verständnis der Vorlesung und einen sinnvollen Gebrauch dieses Skriptes sind Grundlagen aus der Elektrostatik und Magnetostatik, die aus den vorangehenden Physikvorlesungen bekannt sein sollten. Diese erste Fassung vom FT 2008 wird sicherlich noch einige Fehler enthalten, die hoffentlich nach und nach verschwinden werden. Unterstützende Literatur ist reichlich vorhanden wie z.B. die Bücher „Grundlagen der Elektrotechnik 1-3“ aus der Reihe Pearson Studium, aber auch viele andere. Viel Spaß Inhalt: 1 2 3 4 5 Gleichstromlehre Gleichstrommaschinen Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen Wechselstromlehre Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 2 6 Elektrischer Strom und Ladungsträgerbewegung 1 Gleichstromlehre 1.1 Elektrischer Strom und Ladungsträgerbewegung Bewegt sich eine zeitlich konstante Ladungsmenge ΔQ in einem Zeitintervall Δt gleichmäßig durch einen Leiter, so fließt ein Gleichstrom mit der elektrischen Stromstärke (3-1) (1.1) Man sagt, es fließt der Strom I. Bild 1.1 zeigt die sich bewegende Ladungsmenge. Bild 1.1. Ein elektrischer sich Ladungen bewegen. Strom fließt, wenn Wenn die Ladungsmenge zeitlich schwankt, ergibt sich ein zeitabhängiger Strom (1.2) Für zeitabhängige Ströme werden die Formelzeichen i(t) oder i benutzt. Wir werden in Kapitel 3 in der Regel stationäre Vorgänge behandeln und das Formelzeichen I verwenden. Lediglich in einigen Fällen, die ausdrücklich nichtstationäre Vorgänge betreffen, benutzen wir das Formelzeichen i. Bild 1.2. Wird an einen Leiter eine Spannung U angelegt, so entsteht in dem Leiter ein elektrisches Feld, das Kräfte auf die Ladungen in dem Leiter ausübt. 3 1 Gleichstromlehre Wir legen gemäß Bild 1.2 an einen geraden Leiter der Länge A eine Spannung U an. Dabei entsteht die elektrische Feldstärke JG im Leiterinneren (im Gegensatz zur Elektrostatik, wo E = 0 im Leiterinneren gilt!). Auf die Ladungsträger im Leiter wirkt aufgrund des elektrischen Feldes die Kraft Durch die Einwirkung der Kraft werden die Ladungsträger beschleunigt. Dabei wirkt G gleichzeitig eine Reibungskraft R auf die Ladungsträger, die der Geschwindigkeit v der Ladungsträger proportional ist. Die Proportionalitätskonstante α ist im allgemeinen für Elektronen und positive Ladungsträger verschieden: Die Reibungskraft für Elektronen und positive Ladungsträger ergibt sich damit zu: G JG Die Geschwindigkeit v der Ladungsträger wird so groß, daß die Reibungskraft R JG die Kraft F aufgrund des elektrischen Feldes kompensiert. Es folgt (1.3) Elektronen bewegen sich im Leiter entgegengesetzt zum elektrischen Feld, positive Ladungsträger bewegen sich in Richtung des elektrischen Feldes. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Ladungsträger bewegen, wird als Driftgeschwindigkeit bezeichnet. 4 1.2 Elektrischer Strom im Teilchenbild 1.2 Elektrischer Strom im Teilchenbild JG Wir betrachten einen geraden Leiter gemäß Bild 1.3 mit der Querschnittsfläche A , G in dem sich positive Ladungsträger mit der Geschwindigkeit v + senkrecht zur Querschnittsfläche bewegen: Bild 1.3. Der in einem Leiter fließende Strom soll berechnet werden als Funktion der Ladungsträgerdichte G n, der Ladungsträgergeschwindigkeit v und der LeiterJG querschnittsfläche A . Die Ladungsträger legen innerhalb der Zeit dt die Strecke zurück. Bezeichnet man nun die Zahl der positiven Ladungsträger pro Volumeneinheit mit n+ (Ladungsträgerdichte), so ergibt sich die Gesamtzahl der Ladungsträger im Volumen A ⋅ dx zu Die Zahl der Ladungsträger, die in der Zeit dt die Fläche A passieren, ist dann Die Zahl der Ladungsträger, die pro Zeiteinheit die Fläche A passieren, ist schließlich dQ (Ladung pro Zeiteinheit) ist der Strom I. Für diesen erhalten wir dt im Ladungsträgerbild Der Quotient (1.4 a) 5 1 Gleichstromlehre JG G oder bei Berücksichtigung des vektoriellen Charakters von A und v + (1.4b) Aus der Bewegungsrichtung der Ladungsträger folgt, daß der Strom eine Orientierung hat. Man unterscheidet zwei Stromrichtungen: - Technische Stromrichtung: sie entspricht der Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger. - Elektronenbewegung: sie ist entgegengesetzt zur technischen Stromrichtung. G 1.3 Stromdichte j und Ladungsbilanz, Ströme im nicht stationären Fall Die Stromdichte ist definiert als Quotient aus Strom und stromdurchflossener Fläche in elektrischen Leitern: (1.5) Im Teilchenbild ergibt sich für die Stromdichte j = q+ · n+ · v+ für positive Ladungsträger j = -e · ne · ve für Elektronen. Schreiben wir v als Vektor, so wird auch j zum Vektor: G G G G j = q+ · n+ · v + (positive Ladungsträger) G j = q+ · n+ · v + - e · ne · v e G (1.6 a) (positive Ladungsträger und Elektronen) (1.6 b) Die Stromdichte j bildet wie das elektrische Feld ein Vektorfeld. Da dieses die Bewegung der Ladungsträger beschreibt, wird es elektrisches Strömungsfeld genannt. Bei konstanter Stromdichte erhalten wir in einem Strömungsfeld den Strom durch eine Fläche A in Analogie zu GL 1.12, mit der wir einen Massefluß berechnet hatten, aus dem Skalarprodukt G JG I = j · A. Bild 1.4. In einem elektrischen Strömungsfeld berechnet sich der Strom I durch eine Fläche A im allgemeiG JG nen Fall zu I = ∫∫ j ⋅ d A . A 6 1.3 Stromdichte j und Ladungsbilanz, Ströme im nichtstationären Fall Ist die Stromdichte des elektrischen Strömungsfeldes ortsabhängig, wie in Bild 1.4 skizziert, so ergibt sich der Gesamtstrom durch die Fläche A aus dem Flächenintegral (1.7) Wird die Integration über eine geschlossene Fläche ausgeführt (Hüllenintegral), so ergibt sich im stationären Fall (1.8) da innerhalb der Hüllfläche weder Ladungen erzeugt noch vernichtet werden können. Es gilt das Gesetz der Ladungserhaltung. Wie Bild 1.5 veranschaulicht, treten alle Feldlinien des Strömungsfeldes, die in das von der Hüllfläche aufgespannte Volumen eindringen, aus dem Volumen wieder aus. Die Ladungsträger, die in das Volumen hineinfließen, fließen auch wieder hinaus. Bild 1.5. Wird das Integral w ∫∫ G A JG j ⋅ d A über eine ge- schlossene Fläche gebildet, beispielsweise über eine Kugeloberfläche, so hat dieses Integral im stationären Fall den Wert Null. Im nichtstationären Fall, d.h. bei zeitlich veränderlichen Strömen i oder bei der Speicherung von Ladungen in Kondensatoren, werden im Stromkreis Ladungen auf- und abgebaut. Für das Hüllenintegral gilt dann (1.9) GL 1.9 stellt die Gleichung für die Ladungsbilanz dar. Sie sagt aus, daß der aus dem von der Hüllfläche eingeschlossenen Volumen herausfließende Ladungsträgerstrom der Abnahme der Ladungen in dem Volumen entspricht. Mit GL 2.12 ergibt sich aus der Ladungsbilanz 7 1 Gleichstromlehre und es folgt für zeitlich konstantes A (1.10) JG G ∂D In Gl. 1.10 steht gleichberechtigt neben der Stromdichte j . Die Zeitableitung ∂t JG ∂D der elektrischen Flußdichte kann deshalb als Verschiebungsstromdichte be∂t zeichnet werden. („Verschiebung“: durch die Einwirkung des elektrischen Feldes kommt es zu einer reversiblen Verschiebung der positiven und der negativen Ladungsträger im Dielektrikum.) Die zeitliche Änderung der elektrischen Flußdichte stellt einen Strom pro Flächeneinheit außerhalb von elektrischen Leitern dar. Dieser Strom kann auch dann fließen, wenn keine Materie vorhanden ist, also im Vakuum. Er spielt eine wichtige Rolle in der Hochfrequenztechnik. Der elektrische Strom ergibt sich damit im nichtstationären Fall zu (1.11) Ströme können als Leitungsströme oder als Verschiebungsströme fließen. Beispiel: Aufladen eines Kondensators Wie in Bild 1.6 skizziert, wird ein Kondensator aufgeladen, indem ein Strom i mit G der Stromdichte j Ladungen auf die eine Kondensatorplatte transportiert. Wird Gl. 1.10 auf den Kondensator in der Weise angewandt, daß beide Kondensatorplatten innerhalb der geschlossenen Integrationsfläche liegen, so erkennt man, daß mit der gleichen Stromstärke Ladungen von der anderen Kondensatorplatte abfließen. Daraus folgt, daß bei der Aufladung des Kondensators stets beide Platten die gleiche Ladungsmenge unterschiedlichen Vorzeichens aufnehmen. Durch die Ladungen auf den Kondensatorplatten entsteht zwischen den Kondensatorplatten ein D-Feld, das mit fortschreitender Aufladung wächst. Wird, wie in Bild 1.6 skizziert, nur eine der beiden Kondensatorplatten von der geschlossenen Integrationsfläche umschlossen, so liefert Gl. 1.10: 8 1.3 Stromdichte j und Ladungsbilanz, im nichtstationären Fall Bild 1.6. Wir wenden die Ladungsbilanzgleichung auf einen Kondensator an, der gerade aufgeladen wird. Die geschlossene Integrationsfläche ist der gestrichelt dargestellte Quader, der die linke Kondensatorplatte umschließt. Dabei tritt in der Zuleitung der linken Kondensatorplatte eine Stromdichte j auf, die auf der Leiterfläche Aj konstant sei. Zwischen den Kondensatorplatten mit der Fläche AD bildet sich ein mit fortschreitender JG Aufladung anwachsendes homogenes D -Feld aus. Der Strom i fließt mit der gleichen Stromstärke sowohl in den Zuleitungen (als Leitungsstrom) als auch zwischen den Kondensatorplatten (als Verschiebungsstrom). Der Strom i, der in der Zuleitung als Leitungsstrom fließt, fließt in gleicher Größe als Verschiebungsstrom im Dielektrikum des Kondensators. Aus GL 1.11 folgt 9 1 Gleichstromlehre 1.4 Stromzählpfeile Der Strom hat eine Flußrichtung. Diese müssen wir beim Berechnen von Strömen kenntlich machen. Wir führen dazu willkürlich in den Leitern Zählpfeile für den Strom ein. Fließt ein Strom in Richtung des Zählpfeils, so erhält der Strom einen positiven Zahlenwert, andernfalls einen negativen Zahlenwert. Erst aus dem Vorzeichen des Ergebnisses und der willkürlich für die Rechnung angesetzten Zählpfeilrichtung kann man die tatsächliche Stromrichtung bestimmen. Beispiel: Ein Strom I wurde für die Rechnung in Richtung 1 → 2 positiv angesetzt, erhält aber im Ergebnis ein negatives Vorzeichen. Damit fließt der Strom I in der Schaltung tatsächlich in der Richtung 2 → 1. G Ist eine Stromdichte j vorgegeben, so können wir den Strom I aus Gl. 1.7 berechnen: G JG Bild 1.7. Bei der Berechnung des Integrals I = ∫ j ⋅ d A A wählen wir die Zählpfeilrichtung von I in Richtung JG JG von d A . Unabhängig von der Wahl der Richtung von d A ergibt sich für I das korrekte Vorzeichen: links positiv in Zählpfeilrichtung, rechts negativ in Zählpfeilrichtung. Unabhängig von allen formalen Regeln fließt der G Strom in die Richtung, in die der über die Fläche A gemittelte Stromdichtevektor j zeigt. Damit der Strom I das richtige Vorzeichen in bezug auf den Zählpfeil erhält, müssen wir denJG Stromzählpfeil gemäß Bild 1.7 in Richtung des mittleren Flächenelementvektors d A ansetzen. Orientierung des Zählpfeils für I ↑↑ JG Richtung des Vektors d A In Kapitel 2.6 hatten wir die Orientierung des Zählpfeils einer Spannung U, die bei einer vorgegebenen elektrischen Feldstärke aus G folgt, in Richtung von ds gewählt. 10 1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz 1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz Die Driftgeschwindigkeit v von Ladungsträgern in Leitern ist gemäß GL 1.3 proportional zur elektrischen Feldstärke E. Gemäß Gl. 1.6 ist die Geschwindigkeit von Ladungsträgern außerdem der Stromdichte j proportional: Damit wird, wie Bild 1.8 zeigt, auch der Strom I der Spannung U proportional: (1.12) Diesen Zusammenhang nennen wir OHMsches11 Gesetz. Die Proportionalitätskonstante R stellt den elektrischen Widerstand dar. Bild 1.8. Kennlinie eines OHMschen Widerstandes. In OHMschen Widerständen, wie z.B. realen elektrischen Leitern, sind die angelegte Spannung und der Strom zueinander proportional. Das Schaltzeichen eines OHMschen Widerstandes zeigt Bild 1.9. OHMsche Widerstände treten beispielsweise bei der Energieübertragung als Leitungswiderstände störend in Erscheinung. Andererseits sind OHMsche Widerstände wichtige Schaltelemente in der Elektrotechnik, die sehr häufig verwendet werden. Es gibt eine Vielzahl von Ausführungsformen mit jeweils spezifischen Eigenschaften. 11 GEORG SIMON OHM, * 16.3.1789 in Erlangen, † 6.7.1854 in München. Physiker, grundlegende Arbeiten zur Elektrizitätslehre und Akustik, OOPLEY-Medaille 1841 (vergleichbar mit dem NOBELPreis). 11 1 Gleichstromlehre Bei der Anwendung des OHMschen Gesetzes zur Berechnung von Schaltungen müssen die Orientierungen der Zählpfeile für Strom und Spannung berücksichtigt werden: - Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung gleich gerichtet (VerbraucherZählpfeilsystem), wie am Schaltzeichen eines OHMschen Widerstandes in Bild 1.9 gezeigt, so gilt (1.12 a) Bild 1.9. Schaltzeichen des OHMschen Widerstandes. Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung an einem OHMschen Widerstand gleich orientiert, so gilt U = R ·I. - Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung entgegengesetzt gerichtet (Erzeugerzählpfeilsystem), wie an einem OHMschen Widerstand in Bild 1.10 gezeigt, so gilt (1.12 b) Bild 1.10. Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung an einem OHMschen Widerstand entgegengesetzt orientiert, so gilt U = -R ⋅ I. 12 1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz Das OHMsche Gesetz im Ladungsträgerbild G Für die Stromdichte j gilt GL 1.6 G G G j = q+ ⋅ n+ ⋅ v + − e ⋅ ne ⋅ v e . G G v + und v e sind dieJGDriftgeschwindigkeiten der Ladungsträger. Sie sind der elektrischen Feldstärke E proportional. Dies läßt sich mit Hilfe der Beweglichkeiten µ+ der positiven Ladungsträger und µe der negativen Ladungsträger ausdrücken: G JJG G JJG v + = μe ⋅E v e = − μe ⋅E Mit den Beweglichkeiten als G Proportionalitätskonstanten JG erhalten wir j = (q+ ⋅ μ+ ⋅ n+ + e ⋅ μe ⋅ ne ) ⋅ E. (1.13) Die Proportionalitätskonstante zwischen j und J5 σ= 1 ρ = q+ ⋅ μ+ ⋅ n+ + e ⋅ μe ⋅ ne (1.14) wird als elektrische Leitfähigkeit, p = - wird als spezifischer Widerstand bezeichnet. Die Beziehung G JG j = σ ⋅E (1.15) ist das OHMsche Gesetz in differentieller Form. Stromdichte und elektrisches Feld sind über die elektrische Leitfähigkeit miteinander verknüpft. Existiert ein elektrisches Feld, beispielsweise wegen einer angelegten Spannung an einem Leiter, so erzwingt dieses einen Stromfluß. Bewegen sich Ladungen in einer Anordnung, in die sie hineinbeschleunigt wurden, so erzwingt diese Ladungsträgerbewegung ein elektrisches Feld. Die elektrische Feldstärke kann somit als Ursache der Stromdichte aufgefaßt werden, gleichzeitig kann aber auch die Stromdichte als Ursache der elektrischen Feldstärke angesehen werden. Diese Tatsache läßt sich verallgemeinern: Die MAXWELLsche Theorie gibt Verknüpfungen der Feldgrößen an, ohne Aussagen bezüglich Ursache und Wirkung zu machen. 13 1 Gleichstromlehre Beispiel: Berechnung des Widerstandes eines homogenen Leiters Bild 1.11. Für JGeinen Leiter der Länge A mit der Querschnittsfläche A soll der OHMsche Widerstand berechnet werden. An den Leiter wird eine Spannung U angelegt, die ein elektrisches Feld E = U A erzeugt. Über die elektrische Leitfähigkeit σ ist mitJGder elektrischen FeldJG G stärke E eine Stromdichte j = σ ⋅ E verknüpft. Der Strom durch einen Leiter gemäß Bild 1.11 ergibt sich zu Mit folgt und (1.16) ρ= 1 : spezifischer Widerstand des Leitermaterials A : Leiterlänge A : Leiterquerschnittsfläche σ Der Widerstand des Leiters ist abhängig vom Material des Leiters (über ρ ) und von der Geometrie des Leiters (über A /A). 14 1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz Die Einheit des spezifischen Widerstandes folgt mit Häufig wird anstelle GL 1.16 die zugeschnittene Größengleichung benutzt. Damit wird der Widerstand eines Drahtes mit dem Drahtquerschnitt in mm² und der Länge in m direkt in Ohm berechnet. Typische Werte des spezifischen Widerstandes ρ enthält die folgende Tabelle: Anstelle von R und ρ werden auch die reziproken Größen G= 1 Leitwert R und σ= 1 ρ Leitfähigkeit (1.17 a, b) mit den Einheiten G = 1 Ω = S (Siemens 12 ) und σ = 1 = Sm −1 Ωm benutzt. Für den homogenen Draht gilt dann (1.18) 12 WERNER VON SIEMENS, * 13.12.1816 in Lenthe (Hannover), † 6.12.1892 in Berlin. Ingenieur und Industrieller, zahlreiche grundlegende Erfindungen auf dem Gebiet der Elektrotech- 15 nik, u.a. Dynamomaschine, Induktoren für Telegraphie und Erdkabel, Realisierung der ersten brauchbaren elektrischen Lokomotive und Straßenbahn. 16 1 Gleichstromlehre 1.6 Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes Der spezifische Widerstand ρ und damit auch der OHMsche Widerstand R sind temperaturabhängig. Häufig ist ein linearer Ansatz gemäß Bild 1.12 zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit ausreichend: RΘ = R20 ⋅ (1 + α20 ⋅ ΔΘ20 ) RΘ R20 (1.19) : tatsächlicher Widerstand bei der Temperatur Θ : Widerstand bei 20 °C α20 Temperaturkoeffizient bei 20 °C Θ : Θ =20°C + ΔΘ20 Temperatur des Widerstandes ΔΘ20 : Temperaturabweichung von 20 °C : Bild 1.12. Der Wert OHMscher Widerstände ist im allgemeinen temperaturabhängig. Metalle weisen positive Temperaturkoeffizienten α20 auf; ihr Widerstand steigt mit steigender Temperatur. Halbleiter oder Graphit sind Beispiele für Materialien mit negativem Temperaturkoeffizienten. Typische Temperaturkoeffizienten enthält die folgende Tabelle. Material α20 in K −1 Kupfer Stahl 0,0039 0,0041... 0,006 Bei sehr niedrigen Temperaturen setzt bei einigen Materialien sprunghaft Supraleitung ein. Die dazu erforderlichen Temperaturen liegen meist bei wenigen K. Spezielle Materialien zeigen Supraleitung bei Temperaturen <100K. Supraleitung ist u.a. durch einen verschwindenden OHMschen Widerstand gekennzeichnet. 17 1.7 Elektrische Leistung P 1.7 Elektrische Leistung P Bild 1.13. Wird an einen Leiter der Länge A eine Spannung U angelegt, so entsteht in dem Leiter ein elektrisches Feld mit der elektrischen Feldstärke E = U/ A . Elektrische Ladungen erfahren in dem Feld Kräfte. Werden die Ladungen aufgrund dieser Kraftwirkung bewegt, so leistet das Feld Arbeit. Wird an einen Leiter gemäß Bild 1.13 eine Spannung JG U angelegt, so entsteht, wie in Kapitel 1.1 beschrieben, ein elektrisches Feld E im Leiter. Dieses leistet an einer Ladung Q, die von 1 nach 2 fließe, die Arbeit (1.20) Betrachtet man die in einem Zeitintervall Δt transportierte Ladung so ergibt sich die in dem Zeitintervall geleistete Arbeit zu (1.21) Dividiert man nun die geleistete Arbeit durch das Zeitintervall Δt, so erhält man die elektrische Leistung P (von power) (1.22) Bei zeitlich veränderlichen Strömen und Spannungen machen wir den Übergang Die Formelzeichen für Spannung, Strom und Leistung werden bei zeitabhängigen Größen in Kleinbuchstaben gesetzt. (Großbuchstaben sind bei diesen Größen für Gleichgrößen bzw. die später zu definierenden Effektivwerte reserviert.) Mit den 18 1 Gleichstromlehre obigen Substitutionen erhalten wir einen allgemeinen, nicht nur für Gleichstrom gültigen Ausdruck für die elektrische Leistung: (1.23) Damit folgt für die Einheit der elektrischen Leistung: Die elektrische Arbeit ergibt sich als Zeitintegral über die Leistung: (1.24) Für die Einheit der elektrischen Arbeit folgt In einem OHMschen Widerstand wird, wie in Bild 1.14 skizziert, elektrische Leistung PE durch Reibungseffekte der Ladungsträger in Wärme umgesetzt. Bild 1.14. Ein OHMscher Widerstand wandelt elektrische Energie in Wärmeenergie um. Für den Leistungsumsatz in einem OHMschen Widerstand gilt PE = PWärme = P P = U ⋅I U = R ⋅I P = I2 ⋅ R U2 P= R (1.25) (1.26) Bei konstanter Spannung U gilt: Je kleiner der Widerstand R ist, umso größer ist der Leistungsumsatz in ihm. Bei konstantem Strom I gilt: Je größer der Widerstand R ist, umso größer ist der Leistungsumsatz in ihm. 19 1.8 Energieerzeuger — Energieverbraucher 1.8 Energieerzeuger — Energie Verbraucher Die Begriffe „Energieerzeuger" und „Energieverbraucher" sind strenggenommen falsch, da jeweils nur eine Umwandlung der verschiedenen Energiearten stattfindet. Bild 1.15. In einem konventionellen Kraftwerk wird elektrische Energie aus einer Primärenergiequelle wie Kohle oder Erdgas gewonnen. Beispielsweise wird in einem Kraftwerk gemäß Bild 1.15 chemische Energie zunächst in Wärme, diese teilweise in mechanische Arbeit und diese wiederum in elektrische Energie umgewandelt. Man sagt: elektrische Energie wird erzeugt. Der Gesamtwirkungsgrad solcher Wärmekraftwerke liegt z.Zt. bei ca. 40%. Als Kraftwerksgeneratoren werden Synchronmaschinen eingesetzt, die Drehstrom erzeugen. Die Eigenschaften von Drehstromsystemen werden wir in Kapitel 10 behandeln, die Synchronmaschinen in Kapitel 13. In diesem Kapitel 1.8 geht es um die grundsätzlichen Zusammenhänge von Strom und Spannung an „Erzeugern" und „Verbrauchern". Dazu reicht es aus, sich vorzustellen, daß der Erzeuger Gleichstrom liefert. Erzeuger und Verbraucher von elektrischer Energie sind im allgemeinen über eine verlustbehaftete Leitung miteinander verbunden, wie Bild 1.16 zeigt. Die Verluste der Leitung werden im Leitungswiderstand RL zusammengefaßt. Der Erzeuger treibt über die verlustbehaftete Leitung einen Strom I durch den Verbraucher. Der Strom I bewirkt nach dem OHMschen Gesetz Spannungsabfälle am Leitungswiderstand und am Verbraucher. Betrachtet man in Bild 1.16 die Orientierung der Zählpfeile von Strom und Spannung am Erzeuger und am Verbraucher, so stellt man fest, daß Strom und Spannung am Verbraucher gleich orientiert sind und am Erzeuger entgegengesetzt. Bei entgegengesetzt gerichteten Zählpfeilen spricht man von einem Erzeugerzählpfeilsystem, bei gleich gerichteten Zählpfeilen von einem Verbraucherzählpfeilsystem. 20 1 Gleichstromlehre Bild 1.16. Wird ein Verbraucher über eine verlustbehaftete Leitung mit dem Leitungswiderstand RL an eine elektrische Energiequelle angeschlossen, so fließt ein Strom /. Der Strom bewirkt nach dem OHMschen Gesetz Spannungsabfälle am Leitungswiderstand und am Verbraucher. Betrachtet man die Orientierung der Zählpfeile von Strom und Spannung am Erzeuger und am Verbraucher, so stellt man fest, daß Strom und Spannung am Verbraucher gleich orientiert sind und am Erzeuger entgegengesetzt. Erzeuger-Zählpfeile: I ↑↓ UE . Spannungs- und Stromzählpfeile sind entgegengesetzt, Ladungsträger werden auf ein hohes elektrisches Potential gebracht, gewissermaßen auf einen Potentialberg hinaufgepumpt. Verbraucher-Zählpfeile: I ↑↓ UV . Spannungs- und Stromzählpfeile sind gleich gerichtet, Ladungsträger fließen den Potentialberg hinab. Die Leistungen an Erzeuger und Verbraucher sowie am Leitungswiderstand berechnen sich zu PE = I ⋅ UE PV = I ⋅ UV : : erzeugte elektrische Leistung, Leistung am Verbraucher, PL = I 2 ⋅ RL : Verlustleistung in der Übertragungsleitung, RL : OHMscher Widerstand der Leitung. Es gilt PE = PV + PL (1.27) 21 1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen 1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen DieKIRCHHOFFschen13 Gleichungen werden für die Berechnung von Schaltungen benötigt. Wir unterscheiden Maschen- und Knotenpunktsgleichungen. 1.9.1 Maschengleichungen Wir wollen die in der Elektrostatik abgeleitete Maschengleichung auf Gleichstromkreise anwenden. Dazu stellen wir analog zu Kapitel 2.6 die Maschengleichung für den Stromkreis nach Bild 1.17 auf. Wir berücksichtigen die folgende Regel: Bild 1.17. Links von den Klemmen A und B befindet sich eine ideale Spannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 , die eine belastungsunabhängige Klemmenspannung UAB = U0 liefert. An die Klemmen A und B wird ein Verbraucherwiderstand RV über eine verlustbehaftete Leitung angeschlossen. Die Leitung stellen wir durch den Widerstand des Hinleiters RH und den Widerstand des Rückleiters RR dar. Der Strom I bewirkt nach dem OHMschen Gesetz an allen Widerständen Spannungsabfälle in Stromrichtung. Die Masche M stellt einen beliebigen geschlossenen Umlauf dar, dieser muß nicht unbedingt einem Stromkreis folgen. Alle Spannungen mit Zählpfeilen in Umlaufrichtung werden positiv, alle Spannungen mit Zählpfeilen entgegengesetzt zur Umlaufrichtung werden negativ gezählt. UV ↑↑ M : +Uv UV ↑↓ M : −Uv Grundsätzlich sind wir in der Wahl der Zählpfeilrichtungen völlig frei. Wir wählen jedoch im allgemeinen die Zählpfeile von Strom und Spannung an Quellen antiparallel und an Verbrauchern parallel. 22 13 GUSTAV ROBERT KIRCHHOFF, * 12.3.1824 in Königsberg, † 17.10.1887 in Berlin. Physiker, grundlegende theoretische Arbeiten u.a. auf dem Gebiet der Elektrizitätslehre, gemeinsam mit GUSTAV ROBERT BUNSEN Entdeckung der Spektralanalyse optischer und thermischer Strahlung. 23 1 Gleichstromlehre Die Summe der Spannungen in einer Masche, also auf einem geschlossenen Umlauf, muß Null sein. (1.28) Angewendet auf die Schaltung in Bild 1.17 ergibt sich Erhalten wir bei unserer Rechnung einen negativen Zahlenwert, so ist der tatsächliche Spannungsabfall entgegengesetzt zum Zählpfeil gerichtet. Sind die physikalischen Richtungen von Strom und Spannung parallel, so wird in dem Schaltelement tatsächlich Leistung verbraucht. Sind sie antiparallel, so gibt das Schaltelement elektrische Leistung ab: Die unterschiedlichen Orientierungen von Strom und Spannung an Energieerzeugern und Energieverbrauchern folgen aus dem Verlauf des elektrischen Potentials in einem Stromkreis. Bild 1.18. Prinzipielle Darstellung des Verlaufs des elektrischen Potentials φ in der Schaltung aus Bild 1.17. Auf den idealen Verbindungsleitungen zwischen den einzelnen Widerständen ist das elektrische Potential konstant. In den Widerständen kommt es zu einem Abfall des elektrischen Potentials. Da durch alle Widerstände der gleiche Strom fließt, ist der Abfall des elektrischen Potentials in jedem Widerstand proportional zum Widerstandswert. 24 1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen Der Generator „pumpt" Ladungsträger auf einen Potentialberg hinauf. Diese Ladungsträger gewinnen elektrische Energie ( U0 ↑↓ I ). Dann fallen die Ladungsträger in den verschiedenen Widerständen den Potentialberg wieder hinab ( U0 ↑↑ I ). Dieser Zusammenhang ist in Bild 1.18 skizziert. Im Generator werden Ladungsträger von einer Kraft, die nicht elektrostatische Ursprung ist, den Potentialberg hinaufgepumpt. Weshalb dürfen wir U0 trotzdem in die Maschengleichung einsetzen? Bild 1.19. Die Klemmen eines Generators können prinzipiell als „Kondensatorplatten" aufgefaßt werden, denen eine Streukapazität CS zugeordnet werden kann. Die Generatorspannung liegt dann als elektrostatische Spannung an den Klemmen an und kann so in der Maschengleichung berücksichtigt werden. Wir können sagen, daß die Kraft auf die Ladungsträger im Generator durch die Spannung U0 kompensiert wird. Die Spannung U0 wird von Ladungsträgern erzeugt, die auf einer Streukapazität CS sitzen, die entsprechend Bild 1.19 parallel zum Generator angeordnet ist. Schaltelemente, zu deren Beschreibung ein Spannungs- und ein Stromzählpfeil benötigt werden, heißen Zweipole. 25 1 Gleichstromlehre 1.9.2 Knotenpunktsgleiehungen In Bild 1.20 ist ein Knotenpunkt zweier elektrischer Leiter skizziert. Bild 1.20. In einem Knotenpunkt zweier elektrischer Leiter können Ladungen weder erzeugt noch vernichtet noch gespeichert werden. Folglich müssen alle in den Knotenpunkt fließenden Ladungen auch wieder herausfließen. Im linken Teil des Bildes zeigen alle Stromzählpfeile aus dem Knotenpunkt heraus, im rechten Teil wurden unterschiedliche Zählpfeilrichtungen gewählt. Im stationären Fall gilt Gl. 1.8 und es folgt die Knotenpunktsgleichung (1.29) Allgemein gilt: Die Summe der zufließenden Ströme ist gleich der Summe der abfließenden Ströme. (1.30) Im nichtstationären Fall müssen auch die Verschiebungsströme berücksichtigt werden. Es gilt dann GL 1.10 26 1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen und die Ströme berechnen sich nach Gl. 1.11 Leitungsströme oder als Verschiebungsströme fließen. Mit Hilfe der Knotenpunktsgleichung können wir einen unbekannten Strom aus den restlichen bekannten Strömen am Knotenpunkt berechnen. Für die Schaltung gemäß Bild 1.21 gilt beispielsweise Bild 1.21. An eine Spannungsquelle werden drei Verbraucher angeschlossen. Der Gesamtstrom IG den die Quelle liefern muß, ergibt sich aus der Knotenpunktsgleichung. 27 1 Gleichstromlehre 1.10 Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen, Spannungs- und Stromteiler Wir wollen berechnen, welcher Widerstand wirksam ist, wenn wir verschiedene Einzelwiderstände kombinieren. Die einfachsten Kombinationen sind Reihen- und Parallelschaltungen. Häufig lassen sich kompliziertere Zusammenschaltungen auf miteinander verschachtelte Reihen- und Parallelschaltungen zurückführen. Spannungs- und Stromteiler stellen wichtige Grundschaltungen dar. 1.10.1 Die Reihenschaltung Das Kennzeichen einer Reihenschaltung (auch Serienschaltung genannt) von Zweipolen ist, daß alle Zweipole vom gleichen Strom I durchflössen werden. Gemäß Bild 1.22, das die Reihenschaltung von Widerständen zeigt, liegt somit an jedem der Widerstände ein Teil der an die Reihenschaltung angelegten Spannung U. Bild 1.22. Reihenschaltung von Widerständen. Der Gesamtwiderstand Rges = U I der Reihenschaltung ergibt sich mit der Ma- schengleichung zu (1.31) 28 1.10 Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen, Spannungs- und Stromteiler 1.10.2 Die Parallelschaltung Das Kennzeichen einer Parallelschaltung von Zweipolen ist, daß alle Zweipole an der gleichen Spannung U liegen. Gemäß Bild 1.23, das die Parallelschaltung von Widerständen zeigt, fließt somit in jedem der Widerstände ein Teil des in der Parallelschaltung insgesamt fließenden Stromes I. Bild 1.23. Parallelschaltung von Widerständen. Der Gesamtwiderstand Rges = U der Parallelschaltung ergibt sich mit der I Knotenpunktsgleichung und zu (1.32) 29 1 Gleichstromlehre 1.10.3 Der Spannungsteiler Spannungsteiler bestehen aus zumindest zwei in Serie geschalteten Widerständen. An die Serienschaltung wird eine (hohe) Spannung angelegt. An jedem einzelnen Widerstand fällt eine Teilspannung ab. Bild 1.24. Die Serienschaltung der Widerstände R1 und R2 stellt einen Spannungsteiler dar. Ein Teil der angelegten Spannung U1 fällt am Widerstand R2 als Teilspannung U2 ab. Ein Verbraucherwiderstand RV kann an die Spannung U2 angeschlossen werden. Dabei wird U2 jedoch kleiner. In Bild 1.24 wird ein Spannungsteiler aus den Widerständen R1 und R2 gebildet. An die Serienschaltung wird die Spannung U1 angelegt. Die Spannung U2 wird über dem Widerstand R2 abgegriffen. Ein Verbraucherwiderstand RV kann an die Spannung U2 angeschlossen werden. Für RV → ∞ gilt die Gleichung des unbelasteten Spannungsteilers (1.33a) Für endliche Werte von RV wirkt anstelle von R2 nun die Parallelschaltung von R2 und RV. Es gilt die Gleichung des belasteten Spannungsteilers Die durch R1 und R2 eingestellte Teilspannung (1.33b) 30 wird durch die Belastung des Spannungsteilers mit RV reduziert. 31 1.10 Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen, Spannungs- und Stromteiler 1.10.4 Der Stromteiler Stromteiler bestehen aus zumindest zwei parallelgeschalteten Widerständen. In die Parallelschaltung fließt ein (hoher) Strom. In jedem einzelnen Widerstand fließt ein Teilstrom. Bild 1.25. Die Parallelschaltung der Widerstände R1 und R2 stellt einen Stromteiler dar. Der Strom I teilt sich in die Teilströme I1 und I2 auf. Die Aufteilung erfolgt in der Weise, daß an beiden Widerständen die gleiche Spannung abfällt. In Bild 1.25 wird ein Stromteiler aus den Widerständen R1 und R2 gebildet. Der Strom I teilt sich auf in die Teilströme I1 und I2, und es gilt Da die Spannung über beiden Widerständen gleich U ist, gilt für das Verhältnis der aufgeteilten Ströme (1.34a) Mit folgt bzw. (1.34b) 32 1 Gleichstromlehre 1.11 Beispiel für die Berechnung eines Stromkreises Gegeben seien - die Schaltung gemäß Bild 1.26 - die Werte der Widerstände R1, R2, R3 - die Spannungen und Polaritäten der Quellen U01 und U02. - Gesucht werden die Ströme I1, I2, I3. Bild 1.26. In der abgebildeten Schaltung sind die Ströme I1, I2 und I3 gesucht. Zu ihrer Berechnung aus den gegebenen Werten R1, R2 und R3 sowie U01 und U01 werden Maschen- und Knotenpunktsgleichungen aufgestellt. Für die Berechnung der drei Unbekannten werden drei voneinander unabhängige Gleichungen benötigt. Die folgenden Maschen- und Knotenpunktsgleichungen können aufgestellt werden: Knotenpunktsgleichungen: Die zweite Knotenpunktsgleichung ist nicht unabhängig von der ersten. Maschengleichungen: Davon sind nur zwei Gleichungen unabhängige Maschengleichungen, da sich die Maschengleichung M13 aus der Summe der Maschengleichungen M12 und M23 ergibt. 33 1.11 Beispiel für die Berechnung eines Stromkreises Die Spannungen an den Widerständen können über das Gesetz ausgedrückt werden zu OHMsche Damit liegen drei geeignete Gleichungen vor: (1.35) Löst man diese drei Gleichungen beispielsweise nach der Determinantenmethode, so erhält man für die drei Ströme (1.36) wobei D die Determinante der Koeffizientenmatrix ist: Mit der Matrix R und den Spaltenvektoren und können wir das Gleichungssystem in dem Beispiel in folgender Form schreiben: (1.37) Bei größeren Gleichungssystemen werden die Ströme durch Berechnung der inversen Matrix R −1 ermittelt. (1.38) Für später benötigen wir (1.39) 34 1 Gleichstromlehre 1.12 Anzahl verfügbarer Maschen- und Knotenpunktsgleichungen Als „Zweige" bezeichnen wir im folgenden die galvanische Verbindung zwischen zwei Knotenpunkten. Besteht eine Schaltung aus Z Zweigen und K Knotenpunkten, so benötigen wir zur Berechnung der Z unbekannten Ströme oder Spannungen NK = (K - 1) Knotenpunktsgleichungen und NM = Z - (K - 1) unabhängige Maschengleichungen (kleinste Maschen). Für die Schaltung in Kapitel 1.11 galt: Z = 35 K = 2. Daraus berechnet sich die Anzahl der benötigten Maschen- und Knotenpunktsgleichungen zu Nκ = K - 1 = 1 NM = Z - ( K - 1 ) = 3 - 1 = 2 Zur Berechnung der Schaltung sind also 1 Knotenpunktsgleichung und 2 Maschengleichungen aufzustellen. Diese Erkenntnis hatten wir in Kapitel 1.11 bereits gewonnen, indem wir überprüften, welche der überhaupt aufstellbaren Maschenund Knotenpunktsgleichungen voneinander unabhängig waren. Beispiel: Die WHEATSTONEsche Brückenschaltung Wir wollen die Anzahl von verfügbaren Maschen- und Knotenpunktsgleichungen für die WHEATSTONEsche14 Brückenschaltung nach Bild 1.27 ermitteln. Bild 1.27. Die WHEATSTONEsche Brückenschaltung weist 4 Knotenpunkte auf (K = 4) und 6 Zweige (Z = 6). 14 SIR CHARLES WHEATSTONE, * Februar 1802 in Gloucester, † 19.10.1875 in Paris. Experimentalphysiker, wichtige Arbeiten auf dem Gebiet der elektrischen Telegraphie, fand unabhängig von WERNER VON SIEMENS das dynamoelektrische Prinzip. 35 1.12 Anzahl verfügbarer Maschenund Knotenpunktsgleichungen Aus K=4 Z=Q folgt Nκ = K - 1 = 3 NM = Z - (K - 1) = 6 - 3 = 3 Zur Berechnung beispielsweise der sechs unbekannten Ströme stehen somit je 3 Maschen- und Knotenpunktsgleichungen zur Verfügung. Die WHEATSTONEsche Brückenschaltung ist eine wichtige Grundschaltung in der Meßtechnik. Sie erlaubt sehr empfindliche Messungen physikalischer Größen, die über geeignete Sensoren erfaßt werden können. Hier sind geeignete Sensoren Bauteile, deren Widerstand sich in Abhängigkeit von der physikalischen Größe ändert. Ein solcher Sensor wird anstelle eines OHMschen Widerstandes in der WHEATSTONEschen Brückenschaltung benutzt. Beispielsweise möge R1 aus der Schaltung gemäß Bild 1.27 ein temperaturabhängiger Widerstand sein. Dann wird durch eine geeignete Wahl von R2, R3 und R4 für eine bestimmte Temperatur die Spannung U5 zu Null eingestellt. Damit wird auch I5 = 0. Wenn wir nun anstelle von R5 beispielsweise ein hochempfindliches Strommeßgerät verwenden, so zeigt dieses den Wert Null. Man bezeichnet die Brückenschaltung in diesem Zustand als „abgeglichen". Im abgeglichenen Zustand gilt mit I5 = 0 U1 = U2 U3 = U4. Es folgt für die Widerstände in der Schaltung (1.40) Wird durch eine Temperaturänderung an R1 das Widerstandsverhältnis aus Gl. 1.40 verstimmt, so führt das zu einem Stromfluß in Zweig 5. Bei geeigneter Dimensionierung der Schaltung können sehr kleine Widerstandsänderungen gemessen werden. Eine Steigerung der Empfindlichkeit läßt sich erreichen, wenn zusätzlich zu R1 auch R4 ein Sensorwiderstand ist. 36 1 Gleichstromlehre 1.13 Ersatzschaltungen Ersatzschaltungen dienen der vereinfachten Darstellung der Zusammenhänge zwischen Strom und Spannung in komplizierten Schaltungen. Sie verdienen deshalb auch das besondere Interesse von Nicht-Elektrotechnikern. 1.13.1 Spannungs- und Stromquellen Die Ursache für den elektrischen Strom können wir durch idealisierte Ersatzquellen, die idealen Strom- und Spannungsquellen, beschreiben. Ideale Quellen sind nur näherungsweise durch besondere Schaltungen mit aktiven Elementen, wie Transistoren, realisierbar. 1.13.1.1 Spannungsquellen Eine ideale Spannungsquelle liefert an ihren Klemmen eine konstante, eingeprägte Spannung U0, die unabhängig vom Quellenstrom I ist. (1.41) Die ideale Spannungsquelle kann beliebige Ströme liefern. Ihr Innenwiderstand ist gleich Null. Das Schaltzeichen und die Kennlinie zeigt Bild 1.28. Bild 1.28. Schaltzeichen und Kennlinie der idealen Spannungsquelle. Bei realen Spannungsquellen, wie in Bild 1.29 gezeigt, hängt die Klemmenspannung UAB vom Strom I und damit vom Verbraucherwiderstand ab. Diese Belastungsabhängigkeit können wir durch einen Innenwiderstand Ri berücksichtigen, der in Serie zur idealen Spannungsquelle angeordnet wird. An ihm fällt ein Teil der 37 1.13 Ersatzschaltungen Spannung U0 ab, wenn ein Strom fließt. (1.42) Bild 1.29. Darstellung eines Generators G als reale Spannungs- quelle. Indem wir einen Widerstand in Serie zu einer idealen Spannungsquelle anordnen, machen wir die Klemmenspannung UAB belastungsabhängig. Trägt man die Ausgangsspannung der Quelle UAB Funktion des von der Quelle gelieferten Stromes I in einem Diagramm auf, so erhält man die Kennlinie der Quelle, wie in Bild 1.30 dargestellt. Bild 1.30. Kennlinie einer realen Spannungsquelle. Die Kennlinie enthält zwei charakteristische Betriebszustände, die durch die beiden Endpunkte der Kennlinie auf den Achsen dargestellt sind: den Leerlauf- und den Kurzschlußfall. 38 1 Gleichstromlehre Leerlauf (Bild 1.31): (1.43) Bild 1.31. Im Leerlauf sind die Klemmen A und B offen. Die dann an den Klemmen anliegende Spannnung UAB wird Leerlaufspannung UL genannt. Kurzschluß (Bild 1.32): (1.44) Bild 1.32. Im Kurzschluß sind die Klemmen A und B verbunden. Es fließt der Kurzschlußstrom Ik = U0 / Ri 39 1.13 Ersatzschaltungen Die Steigung der Kennlinie ΔU UL = wird durch Ri festgelegt. Durch eine MesΔI IK sung von UL und IK bzw. ΔU und ΔI kann Ri für eine reale Quelle bestimmt werden nach . (1.45) Für die Klemmenspannung gilt allgemein (1.46) 1.13.1.2 Stromquellen Die ideale Stromquelle liefert einen konstanten, eingeprägten Strom R0, der unabhängig von angeschlossenen Verbraucherwiderständen ist. Das Schaltzeichen und die Kennlinie zeigt Bild 1.33. Die Spannung an einer idealen Stromquelle kann beliebige Werte annehmen. Ihr Innenwiderstand ist unendlich groß, so daß die Größe eines Verbraucherwiderstandes keinen Einfluß auf die Größe des Stromes hat. (1.47) Bild 1.33. Schaltzeichen und Kennlinie der idealen Stromquelle. Analog zur realen Spannungsquelle hängt bei der realen Stromquelle, die in Bild 1.34 gezeigt ist, der Ausgangsstrom I von der Ausgangsspannung UAB und damit vom Verbraucherwiderstand ab. Diese Belastungsabhängigkeit des Ausgangsstromes können wir durch einen Widerstand RQ (bzw. einen Leitwert GQ), der parallel zur idealen Stromquelle angeordnet wird, berücksichtigen. Er nimmt einen Teil des 40 1 Gleichstromlehre Bild 1.34. Darstellung eines Generators G als reale Stromquelle. Stromes I0 auf, auch wenn ein Verbraucher an die Klemmen A und B angeschlossen wird. Wir nennen RQ den Quellwiderstand. Mit Bild 1.34 folgt (1.48) Trägt man den von der Quelle gelieferten Strom I als Funktion der Ausgangsspannung UAB der Quelle in einem Diagramm auf, so erhält man wiederum die Kennlinie der realen Quelle. Die Kennlinie ist in Bild 1.35 dargestellt. Bild 1.35. Kennlinie einer realen Stromquelle. Die Steigung der Kennlinie folgt aus dem Quellwiderstand (1.49) 41 1.13 Ersatzschaltungen Wiederum stellen die Schnittpunkte der Kennlinien mit den Achsen des Diagramms in Bild 1.35 Kurzschluß- und Leerlauffall dar: Leerlauf (Bild 1.36): (1.50) Bild 1.36. Wird die reale Stromquelle im Leerlauf betrieben, so fließt der eingeprägte Strom I0 ausschließlich durch den Quellwiderstand RQ. An diesem fällt dann die Leerlaufspannung UL, = RQ · I0 ab. Kurzschluß (Bild 1.37): (1.51) Bild 1.37. Wird die reale Stromquelle kurzgeschlossen, so fließt der eingeprägte Strom I0 ausschließlich durch den Kurzschluß. Die Klemmenspannung UAB ist Null. 42 1 Gleichstromlehre Werden an der Kennlinie der realen Stromquelle nach Bild 1.35 Ordinate und Abszisse vertauscht, so führt dies, wie Bild 1.38 zeigt, zum gleichen Zusammenhang zwischen Klemmenspannung UAB und Ausgangsstrom I wie bei der realen Spannungsquelle. (1.52) Bild 1.38. Vertauschen wir in Bild 1.35 Ordinate und Abszisse, so erhalten wir die gleiche Darstellung wie in Bild 1.30. Daraus kann man folgern, daß Ersatzspannungsquellen und Ersatzstromquellen in gleicher Weise geeignet sind5 das Verhalten realer Quellen an ihren Klemmen A und B zu beschreiben. Folglich kann man eine beliebige reale (lineare) Quelle sowohl durch eine reale Ersatzspannungsquelle als auch durch eine reale Ersatzstromquelle darstellen. Dieser Zusammenhang wird in Kapitel 1.13.2 vertieft. Außerdem können reale Strom- und Spannungsquellen beliebig ineinander umgewandelt werden. Dabei gilt: (1.53) (1.54) (1.55) 43 1.13 Ersatzschaltungen 1.13.2 Ersatzzweipolquelle für lineare Schaltungen Bild 1.39. An eine komplizierte Schaltung wird der variable Verbraucherwiderstand RV angeschlossen. Der Pfeil durch das Widerstandssymbol kennzeichnet einen variablen Widerstand. Wir wollen den Strom IAB durch RV berechnen. Gegeben sei eine komplizierte Schaltung. Untersucht wird die Frage, wie in einem bestimmten Zweig AB dieser Schaltung der Strom IAB in diesem Zweig vom Widerstand RV in diesem Zweig abhängt. Dazu soll die komplizierte Schaltung als ein „schwarzer Kasten" („black box") mit dem interessierenden Zweig als Belastung gemäß Bild 1.39 dargestellt werden. Gesucht ist der Zusammenhang In der Theorie elektrischer Netzwerke wird bewiesen, daß der schwarze Kasten, sofern er ausschließlich aus linearen Bauteilen wie Stromquellen, Spannungsquellen und linearen Widerständen aufgebaut ist, durch - eine (reale) Spannungsquelle, gekennzeichnet durch U0 und Ri oder - eine (reale) Stromquelle, gekennzeichnet durch I0 und RQ dargestellt werden kann. Welche Darstellung die günstigere ist, der speziellen Problemstellung ab. hängt von 44 1 Gleichstromlehre Spannungsquelle mit Innenwiderstand als Ersatzzweipolquelle (Bild 1.40) Bild 1.40. Die komplizierte Schaltung wird durch eine reale Spannungsquelle (Ersatzspannungsquelle) dargestellt. Die Ersatzspannungsquelle soll an ihren Klemmen A, B die gleiche Kennlinie aufweisen wie die komplizierte Schaltung in der black box von Bild 1.39. Dazu müssen die eingeprägte Spannung U0 und der Innenwiderstand Ri die geeignete Größe haben. Die Werte für U0 und Ri müssen aus der komplizierten Schaltung ermittelt oder gemessen werden. (1.56) Stromquelle mit Quellwiderstand als Ersatzzweipolquelle (Bild 1.41) Bild 1.41. Die komplizierte Schaltung wird durch eine reale Stromquelle (Ersatzstromquelle) dargestellt. Auch diese Ersatzquelle soll an ihren Klemmen A, B die gleichen Eigenschaften haben wie die komplizierte Schaltung in der black box aus Bild 8.39. 45 1.13 Ersatzschaltungen (1.57) Es ist uns gelungen, mit Hilfe der Ersatzzweipolquellen eine sehr einfache, allgemeingültige Beziehung für den gesuchten Strom IAB zu erhalten. Die Elemente I0 und RQ bzw. U0 und Ri müssen aus der komplizierten Schaltung des schwarzen Kastens bestimmt oder durch Messung des Kurzschlußstromes und der Leerlaufspannung ermittelt werden. Beispiel: Gegeben sei die Schaltung in Bild 1.26 aus Kapitel 1.11. Der herausgeführte Zweig sei R3. Berechnet werden sollen die Elemente einer Ersatzspannungsquelle U0 und Ri sowie die einer Ersatzstromquelle I0 und RQ, die jeweils an den Klemmen AB die gleiche Wirkung zeigen wie das Netzwerk aus U01, U02, R1 und R2. Bild 1.42. Das links der Klemmen A und B liegende Netzwerk stellt den Inhalt der black box aus Bild 1.39 dar. Wir wollen für dieses Netzwerk die Elemente einer Ersatzspannungsquelle und einer Ersatzstromquelle berechnen. Wir benennen die Größen der Schaltung aus Bild 1.42 um in unsere Bezeichnungsweise gemäß Bild 1.39, Bild 1.40 und Bild 1.41. 46 1 Gleichstromlehre Der Kurzschlußstrom IK berechnet sich mit UAB = 0 (d.h. R3 = 0) zu Die Leerlaufspannung UL berechnet sich mit I’3 = 0 (d.h. R3 = ∞ ) und I1 = - I2 = I sowie der Maschengleichung und damit zu Daraus folgt für Ri bzw. RQ Aus dieser Rechnung lassen sich nun die beiden möglichen Ersatzquellen bestimmen: Bild 1.43. Ersatzspannungsquelle zu der Schaltung aus Bild 8.42. 47 1.13 Ersatzschaltungen Ersatzspannungsquelle gemäß Bild 1.43: Bild 1.44. Ersatzstromquelle zu der Schaltung aus Bild 1.42. Ersatzstromquelle gemäß Bild 1.44 h = R Q In diesem Beispiel konnte Ri bzw. RQ sehr einfach bestimmt werden, nachdem sowohl UL als auch IK berechnet worden waren. Unabhängig davon läßt sich Ri bzw. RQ nach folgender Vorschrift leicht ermitteln: Wir ersetzen alle Quellen durch ihren Innenwiderstand, d.h. wir schließen alle idealen Spannungsquellen kurz und trennen alle idealen Stromquellen auf. Dann berechnen wir den Widerstand zwischen den Klemmen A und B. Dieser ist gleich Ri bzw. RQ. 48 1 Gleichstromlehre Auf das obige Beispiel angewandt, ergibt sich mit Bild 1.45 (1.58) Bild 1.45. Zur Berechnung des Innenwiderstandes einer Schaltung werden alle Stromquellen und Spannungsquellen durch ihren Innenwiderstand ersetzt. Das heißt, ideale Stromquellen werden durch eine Unterbrechung ersetzt, ideale Spannungsquellen durch einen Kurzschluß. Dann wird der Gesamtwiderstand des verbleibenden Netzwerkes zwischen den Klemmen A und B berechnet. Das Bild zeigt das verbleibende Widerstandsnetzwerk für die Schaltung aus Bild 1.42. Ersatzzweipolquellen sind außerordentlich nützlich. Sie erlauben eine einfache Beschreibung einer komplizierten Schaltung. Wir können damit Strom und Spannung an einem Verbraucher berechnen, ohne daß wir die Einzelheiten der Quelle kennen. 1.13.3 Ersatzvierpole für lineare Schaltungen Gegeben ist ein aus passiven, linearen Schaltelementen (Widerständen) bestehendes Netzwerk mit 4 Anschlüssen, nämlich 2 Eingangs- und 2 Ausgangsklemmen gemäß Bild 1.46. 49 1.13 Ersatzschaitungen Bild 1.46. Ein Netzwerk, d.h. eine beliebige Zusammenschaltung aus linearen, passiven Schaltelementen, wird an seinen Eingangsklemmen C, D von einer realen Spannungsquelle mit U0 und Ri versorgt. An seinen Ausgangsklemmen A, B wird ein variabler Verbraucherwiderstand RV betrieben. Wir wollen für das Netzwerk, das über vier Anschlüsse verfügt, eine Ersatzschaltung (Ersatzvierpol) ermitteln. In den Eingang des Netzwerkes wird mit einer Spannungsquelle elektrische Leistung eingespeist. Der Ausgang ist mit einem Verbraucher (RV) belastet. Betrachten wir den Eingang des Netzwerkes von der Quelle aus, so können wir das Netzwerk einschließlich RV durch einen einzigen Widerstand RE (entsprechend einem Eingangswiderstand des belasteten Netzwerkes) gemäß Bild 1.47 beschreiben. Würde das Netzwerk auch nichtlineare Elemente wie beispielsweise Dioden oder aktive Elemente (Quellen) enthalten, ginge das nicht! Bild 1.47. Von der Quelle aus betrachtet erscheint das Netzwerk und auch der Verbraucherwiderstand aus Bild 1.46 wie eine OHMsche Belastung. Wir können uns diese Belastung in einem Widerstand RE konzentriert denken. RE ist dann der Eingangswiderstand des mit RV belasteten Netzwerkes. Betrachten wir den Ausgang des Netzwerkes vom Verbraucher RV aus, so können wir das Netzwerk einschließlich Quelle gemäß Bild 1.48 durch eine Ersatzspannungs50 1 Gleichstromlehre quelle mit der Leerlaufspannung U’0 und dem Innenwiderstand RA (Ausgangswiderstand des von der Quelle versorgten Netzwerkes) beschreiben. Es gilt: U’0 = µ ⋅ U0 µ<1: vom Netzwerk abhängiger Faktor (1.59) Bild 1.48. An den Klemmen A und B wirken die Quelle und das Netzwerk aus Bild 1.46 wie eine Spannungsquelle, die durch die Leerlaufspannung U’0 und den Innenwiderstand RA dargestellt werden kann. Beide Teilersatzschaltbilder können zu einem einzigen des Vierpols zusammengefaßt werden, wie in Bild 1.49 gezeigt. Ersatzschaltbild Bild 1.49. Wir fassen die Ersatzschaltungen aus Bild 1.47 und Bild 1.48 zu einer Vierpolersatzschaltung zusammen. Das Netzwerk aus Bild 1.46 erscheint jetzt an seinem Eingang als Eingangs widerstand RE ⋅ RE muß berechnet werden aus der inneren Schaltung des Netzwerkes und aus RV. Der Ausgang des Netzwerkes erscheint als Ersatzspannungsquelle, deren eingeprägte Spannung U’0 = µ · U0 und deren Innenwiderstand RA abhängig sind vom Netzwerk und der realen Eingangsspannungsquelle. Beide Teilersatzschaltbilder werden meistens galvanisch verbunden. Diese Verbindung wurde hier willkürlich zwischen D und B angenommen. 51 1.13 Ersatzschaltungen Anstelle der Ersatzspannungsquelle hätten wir auch eine Ersatzstromquelle im Ausgang des Ersatzvierpols einführen können. Die Schaltung dieses Ersatzvierpols zeigt Bild 1.50. Der eingeprägte Strom und der Quellwiderstand wurden entsprechend Bild 1.49 berechnet. Bild 1.50. Wir formen die Ersatzspannungsquelle im Ausgang des Ersatzvierpols aus Bild 1.49 um in eine Ersatzstromquelle. Dieser Ersatzvierpol hat das identische Verhalten wie der Ersatzvierpol aus Bild 1.49. Wir haben damit das komplizierte Netzwerk zurückgeführt auf die Ersatzschaltung mit den Elementen RE, µ ⋅ U0 und RA. Die Elemente des Ersatzvierpols müssen für das jeweilig vorgegebene Netzwerk berechnet werden. Beispiel: Als Beispiel diene die in Bild 1.51 gezeigte Schaltung. Das Netzwerk besteht aus den Widerständen R1 und R2. Bild 1.51. Für das umrahmte Netzwerk, bestehend aus den Widerständen R1 und R2, sollen die Elemente eines Ersatzvierpols berechnet werden. 52 1 Gleichstromlehre Die Elemente eines Ersatzvierpols ergeben sich zu Ersatzschaltbilder werden benötigt, um kompliziertere Bauteile wie beispielsweise Transistoren, Operationsverstärker und Transformatoren oder auch ganze Schaltungen wie beispielsweise Verstärker darzustellen. Man kann ohne Kenntnis des physikalischen Aufbaus das Verhalten von Schaltungen berechnen, wenn das Ersatzschaltbild bekannt ist. Im Kapitel 1.13.4 werden wir Operationsverstärkerschaltungen berechnen, ohne den physikalischen Aufbau von Operationsverstärkern zu kennen. 1.13.4 Elektrische Verstärker - Operationsverstärker Häufig müssen kleine elektrische Signale gemessen oder verarbeitet werden. Dies ist im allgemeinen leichter möglich, wenn die Signale zuvor verstärkt werden. Abhängig vom Eingangssignal können Verstärkungen von Spannungen, Strömen oder Leistungen erforderlich sein. Spezielle elektronische Geräte, die eine solche Verstärkung durchführen, werden als Verstärker bezeichnet. Die Schaltungstechnik von Verstärkern ist im allgemeinen recht kompliziert und kann im Rahmen dieser Vorlesung nicht behandelt werden. Mit speziellen elektronischen Bauteilen, den Operationsverstärkern, können jedoch Verstärkerschaltungen in sehr einfacher Weise realisiert werden. Der Operationsverstärker ist dadurch gekennzeichnet, daß seine Wirkungsweise (innerhalb bestimmter Grenzen) ausschließlich durch seine äußere Beschaltung festgelegt werden kann, während die Eigenschaften eines normalen Verstärkers mehr oder minder stark durch seinen inneren Aufbau bestimmt werden. Operationsverstärker sind als integrierte Bauelemente preiswert erhältlich. Schaltsymbol und spezielle Begriffe des Operationsverstärkers Die für eine Verstärkung von Signalen erforderliche Leistung wird dem Operationsverstärker über die Betriebsspannung zugeführt. Für bipolaren Betrieb sind eine positive und eine negative Betriebsspannung UB (jeweils auf das Null- oder Massepotential bezogen) erforderlich. Typische Pegel sind ±12 V oder ±15 V. Die Ausgangsspannungen können nur innerhalb des durch die Betriebsspannungen abgedeckten Bereiches liegen, 53 1.13 Ersatzschaltungen Das Bauteil „Operationsverstärker" hat mindestens fünf, meist jedoch noch mehr Anschlüsse. Unbedingt erforderlich sind - zwei Eingangsanschlüsse - ein Ausgangsanschluß - zwei Betriebsspannungsanschlüsse (spezielle Operationsverstärker arbeiten mit nur einer Betriebsspannung). In Schaltungen zeichnet man meist nur die beiden Eingänge und den Ausgang. Bild 1.52 zeigt das Schaltsymbol des Operationsverstärkers und die bei einem Betrieb relevanten Spannungen. Bild 1.52. Schaltsymbol des Operationsverstärkers. Rechts sind die Betriebsspannungen UB+ und UB− , die Ausgangsspannung UA und die Eingangsspannung UE zusätzlich eingezeichnet. Mit Ausnahme der Eingangsspannung sind diese Spannungen auf ein gemeinsames elektrisches Potential, das sogenannte Massepotential, bezogen. Die Eingangsspannung UE kann als Differenz zweier Spannungen U2 und U1, die ihrerseits auf Massepotential bezogen sind, aufgefaßt werden. Den mit „+" gekennzeichneten Eingang des Operationsverstärkers bezeichnet man als nichtinvertierenden Eingang, den mit „-“ gekennzeichneten Eingang als invertierenden Eingang. Der Strom in die Eingangsanschlüsse möge für beide Eingänge gleich sein. Wir nennen ihn den Eingangsstrom IE. Die Eingangsspannung UE liegt zwischen den mit „+“ und „-" bezeichneten Eingängen des Operationsverstärkers. Es gilt entsprechend Bild 1.52 (1.60) Die Ausgangsspannung eines unbeschalteten Operationsverstärkers berechnet sich zu (1.61) v0 > 0 : Leerlaufverstärkung des unbeschalteten Operationsverstärkers. 54 1 Gleichstromlehre Bild 1.53. Ersatzschaltbild des realen Operationsverstärkers. Der Operationsverstärker wird als Ersatzvierpol gemäß Kapitel 1.13.3 dargestellt. Zwischen invertierendem und nichtinvertierendem Eingang befindet sich der Eingangswiderstand RE. Die zwischen den beiden Anschlüssen liegende Eingangsspannung UE wird, mit der Leerlaufverstärkung v0 multipliziert, als Ausgangsspannung UA = v0 ⋅ UE zur Verfügung gestellt. Die Ausgangsspannung ist aber nicht völlig belastungsunabhängig; wir ergänzen deshalb einen Ausgangswiderstand RA gemäß Kapitel 1.13.1.1. RA ist vom inneren Aufbau des Operationsverstärkers abhängig und sehr klein. Im rechten Teil wurde das Ersatzschaltbild in das Schaltsymbol des Operationsverstärkers eingezeichnet. Die Ausgangsspannung ist positiv für U2 > U1 Daher wird der „+"-Eingang als nichtinvertierender Eingang bezeichnet. Sie ist negativ für U1 > U2, weshalb der „-"Eingang die Bezeichnung invertierender Eingang trägt. Bild 1.53 zeigt das Ersatzschaltbild eines realen Operationsverstärkers. Die Vierpolersatzschaltung stellt eine spannungsgesteuerte Spannungsquelle dar. Wir können einen Operationsverstärker mit idealisierten Eigenschaften definieren. Dieser ideale Operationsverstärker besitzt folgende Kenngrößen: (1.62) Voraussetzung dafür, daß UE gegen Null strebt, ist außerdem, daß der Operationsverstärker in einer geeigneten Schaltung betrieben wird. Die Eigenschaften realer Operationsverstärker kommen denen idealer recht nahe. Typische Werte sind 55 1.13 Ersatzschaltungen Grundschaltungen idealer gegengekoppelter Operationsverstärker Durch eine geeignete externe Beschaltung kann die Betriebsweise eines Operationsverstärkers festgelegt werden. Im folgenden werden einige Grundschaltungen angegeben. Der nicht invertierende Verstärker Die Schaltung des nichtinvertierenden Verstärkers zeigt Bild 1.54. Bild 1.54. Beschaltung eines Operationsverstärkers zum nichtinvertierenden Verstärker. Die zu verstärkende Eingangsspannung U1 der Schaltung, (nicht zu verwechseln mit der Eingangsspannung UE am Operationsverstärker!) wird auf den nichtinvertierenden Eingang des Operationsverstärkers gelegt. Ein Teil der Ausgangsspannung UA wird über dem Widerstand R1 abgegriffen und auf den invertierenden Eingang zurückgeführt. Gesucht ist der Verstärkungsfaktor v der Schaltung, also das Verhältnis aus Ausgangsspannung UA und Eingangsspannung U1. Die Eingangsspannung U1 der Schaltung bewirkt eine Ausgangsspannung UA mit gleicher Polarität. Würde die Rückführung eines Teiles der Ausgangsspannung auf den invertierenden Eingang des Operationsverstärkers fehlen und sich der invertierende Eingang beispielsweise auf Massepotential befinden, so wäre die Eingangsspannung des Operationsverstärkers UE gleich U1 und damit, wegen v0 → ∞ , UA = v0·UE unendlich groß bzw. beim Maximalwert der Ausgangsspannung. Eine solche Schaltung wäre unbrauchbar. Indem man aber einen Teil der Ausgangsspannung UA über dem Widerstand R1 abgreift und auf den invertierenden Eingang des Operationsverstärkers zurückführt, wird die Eingangsspannung des Operationsverstärkers UE reduziert. Man spricht von einer Gegenkopplung. Für eine ganz bestimmte Ausgangsspannung UA wird UE = 0. Genau diese Ausgansspannung wird vom idealen Operationsverstärker in der gegebenen Schaltung eingestellt: Wäre nämlich bei konstantem, beispielsweise positivem U1 die Ausgangsspannung UA zu klein, so wäre damit UE positiv und UA 56 1 Gleichstromlehre würde größer. Wäre UA zu groß, würde UE negativ und UA würde kleiner. Durch die Gegenkopplung schwingt der ideale Operationsverstärker genau auf denjenigen Wert der Ausgangsspannung ein, für den UE Null wird: lim UE = 0. Vorraussetzung v0 →∞ dazu ist, wie oben bereits bemerkt, eine geeignete Beschaltung des Operationsverstärkers. Für die Berechnung des Verstärkungsfaktors dürfen wir UE = 0 und als Folge davon U1 = R1 · I1 setzen. Damit ergibt sich (1.63) Wählt man beispielsweise R1 = 1kΩ und R2 = 10kΩ, so wird die Spannung U1 um den Faktor 11 verstärkt. Für R2 = 0 oder R1 → ∞ erhält man v = 1 und UA = U1. Der so beschaltete Operationsverstärker wird als Spannungsfolger bezeichnet. Die Schaltung ist in Bild 1.55 dargestellt. Bild 1.55. Beschaltung eines Operationsverstärkers zum Spannungsfolger. Eine wichtige Eigenschaft dieser Schaltung ist, daß die Eingangsspannung U1 durch den Operationsverstärker praktisch nicht belastet wird (RE → ∞ ). Durch die Beschaltung des Operationsverstärkers steht eine nahezu ideale Spannungsquelle für UA und damit für U1 zur Verfügung. Der Verstärkungsfaktor der Schaltung wird ausschließlich durch die externe Beschaltung (R1, R2) des idealen Operationsverstärkers bestimmt. Da die Daten realer Operationsverstärker den idealisierten Werten recht nahe kommen, kann bei einfachen Schaltungen ohne besondere Anforderungen an die Genauigkeit praktisch mit den idealisierten Werten gerechnet werden, wenn bestimmte Randbedingungen eingehalten werden. Zum Beispiel muß v0 v sein. Weiterhin muß das Zeitverhalten des Operationsverstärkers beachtet werden. Dieser Gesichtspunkt wird in Kapitel 9 behandelt werden. 57 1.13 Ersatzschaltungen Der invertierende Verstärker Die Schaltung des invertierenden Verstärkers zeigt Bild 1.56. Bild 1.56. Beschaltung eines Operationsverstärkers zum invertierenden Verstärker. Gesucht ist wiederum der Verstärkungsfaktor v, also das Verhältnis aus Ausgangsspannung UA und Eingangsspannung U1 der Schaltung. Die Spannung U1 liegt über den Widerstand R1 am invertierenden Eingang des Operationsverstärkers. Der nichtinvertierende Eingang liegt auf Masse-Potential. Über den Widerstand R2 wird die Ausgangsspannung UA, die das umgekehrte Vorzeichen der Eingangsspannung U1 hat, auf den invertierenden Eingang zurückgeführt. Dadurch wirkt die Ausgangsspannung UA der Eingangsspannung U1 entgegen, und UE wird reduziert. Die Schaltung bewirkt wie beim nichtinvertierenden Verstärker eine Gegenkopplung. Der Ausgang des idealen Operationsverstärkers stellt sich so ein, daß UE Null wird. Durch die Gegenkopplung wird der Knotenpunkt K virtuell auf Masse gelegt. Damit gelten die Maschengleichungen . (1.64) Für den Knotenpunkt K gilt mit IE = 0: (1.65) Es folgt . (1.66) Das Minuszeichen gibt an, daß die Polarität der Eingangsspannung invertiert wird (invertierender Verstärker). 58 1 Gleichstromlehre Die Addierschaltung Die in Bild 1.57 dargestellte Addierschaltung ist eine Erweiterung des invertierenden Verstärkers. Bild 1.57. Beschattung eines Operationsverstärkers zum (invertierenden) Addierer. Analog zum invertierenden Verstärker ergibt sich mit IE = 0 und UE = 0: (1.67) Für R10 = R20= R2 folgt (1.68) Die Ausgangsspannung ist gleich der negativen Summe der Eingangsspannungen. 59 1.13 Ersatzschaltungen Der Strom-Spannungs-Wandler Strom-Spannungs-Wandler werden auch als I-U-Konverter oder Transimpedanzverstärker bezeichnet. Die Schaltung zeigt Bild 1.58. Bild 1.58. Beschattung eines Operationsverstärkers zum Strom-Spannungs-Wandler. Der Operationsverstärker wird wie beim invertierenden Verstärker über den Widerstand R gegengekoppelt. Die Stromquelle treibt den Strom I0 wegen IE = 0 durch den Widerstand R. Mit UE = 0 folgt (1.69) Die Schaltung setzt Ströme in Spannungen um. Da die Stromquelle wegen UE = 0 kurzgeschlossen ist, wird auch bei realen Stromquellen stets der Kurzschlußstrom der Quelle gemäß Gl. 1.69 in die Ausgangsspannung umgesetzt. Eine Anwendung der Schaltung werden wir in Kapitel 15.2 (Photodioden) kennenlernen. 60 1 Gleichstromlehre 1.14 Anpassung und Wirkungsgrad Gegeben sei die Schaltung gemäß Bild 1.59. Sie besteht aus einer realen Spannungsquelle mit bekanntem U0 und Ri sowie einem variablen Verbraucherwiderstand RV. Bild 1.59. Ein variabler Verbraucherwiderstand RV wird an eine reale Spannungsquelle angeschlossen. Uns interessiert, welchen Wert RV haben muß, damit er aus der gegebenen Quelle die maximale Leistung entnimmt. Wir wollen berechnen, welchen Wert RV haben muß, damit er aus der gegebenen realen Quelle die maximal mögliche Leistung entnimmt. Dazu führen wir folgende Bezeichnungen ein: PV(RV) = Leistung in RV Pi(RV) = Leistung in Ri PQ(RV) = Leistung der Quelle Der in der Schaltung fließende Strom I berechnet sich zu (1.70) Damit ergibt sich für die Leistungen (1.71 a) (1.72 a) (1.73 a) Die in RV umgesetzte Leistung wird in zwei Grenzfällen Null: 61 1.14 Anpassung und Wirkungsgrad Für einen Wert 0 < RV < ∞ muß PV ein Maximum haben. Diesen Wert von RV, bei dem das Maximum von PV liegt, erhalten wir aus der Nullstelle der ersten Ableitung: Damit PV = RVmax wird, muß also gelten (1.74) Diese Bedingung können wir in Gl. 1.71 a einsetzen: Für PVmax ist in der Nachrichtentechnik die Bezeichnung Pav (von „available power", verfügbare Leistung) üblich. Für eine übersichtliche graphische Darstellung der Abhängigkeit der Leistungen PV, Pi und PQ vom Verbraucherwiderstand RV ist es vorteilhaft, alle Leistungen auf Pav und RV auf Ri zu normieren: (1.71 b,c) (1.72 b,c) (1.73 b,c) Bild 1.60 stellt Gl. 1.71 c, Gl. 1.72 c und Gl. 1.73 c graphisch dar. 62 1 Gleichstromlehre Bild 1.60. Die im Verbraucherwiderstand RV umgesetzte Leistung PV, die im Innenwiderstand Ri der Quelle umgesetzte Leistung Pi und die von der Quelle aufgebrachte Leistung PQ sind, jeweils normiert auf die maximal verfügbare Leistung Pav im Verbraucherwiderstand, als Funktion des Verbraucherwiderstandes RV, der auf den Innenwiderstand Ri der Quelle normiert ist, aufgetragen. RV = 1 ein Maximum der in RV umgeRi setzten Leistung PV. Der Fall RV = Ri wird Anpassung genannt. Bei Anpassung ist die in RV umgesetzte Leistung maximal. Allerdings gilt gleichzeitig Wie bereits berechnet, ergibt sich für PV(RV = Ri) = Pi(RV = Ri). (1.75) Im Innenwiderstand der Quelle und im Verbraucher wird bei Anpassung die gleiche Leistung umgesetzt. Anpassung ist immer dort wichtig, wo Signale bei kleinen Leistungen unverfälscht übertragen werden sollen, also beispielsweise in der Nachrichtentechnik oder der Meß- und Regeltechnik. P Wie die Breite des Maximums von V zeigt, ist es zumeist nicht erforderlich, Pav die Bedingung für die Anpassung (RV = Ri) exakt einzuhalten. In der Energietechnik wäre Anpassung Unsinn, da ein Kraftwerk nicht genausoviel Verlustleistung verbrauchen darf wie es an das Netz liefert. In der Energietechnik fragt man deshalb vielmehr nach dem Wirkungsgrad 77, das heißt dem Verhältnis von abgegebener zu eingesetzter Leistung. 63 (1.76) 64 1.14 Anpassung und Wirkungsgrad In Bild 1.61 ist der Wirkungsgrad η zusätzlich zu den normierten Leistungen aus Bild 1.60 eingetragen. Ein hoher Wirkungsgrad ergibt sich für RV Ri. Bild 1.61. Der Wirkungsgrad η einer mit RV belasteten realen Spannungsquelle nimmt mit steigendem RV oder fallendem Ri zu. Mit steigendem RV sinkt der Strom in RV und damit auch die in RV umgesetzte Leistung. Das Maximum der in RV umgesetzten Leistung PV liegt bei RV / Ri = 1. Dann ist die Leistung Pi, die im Innenwiderstand der Quelle umgesetzt wird, genauso groß wie PV. Vorsicht bei der Leistungsbilanz, wenn Ersatzschaltungen aufgestellt wurden! Wurde für die Ersatzschaltung beispielsweise eine Leistungsanpassung durchgeführt, so gilt für die Ersatzschaltung Für die ursprüngliche Schaltung gilt dies im allgemeinen aber nicht! Gewährleistet ist nur, daß PV im Falle der Anpassung ein Maximum hat. 65 1 Gleichstromlehre 1.15 Messung von Strom und Spannung 1.15.1 Strommessung Wir wollen die Stromaufnahme eines Verbraucherwiderstandes RV messen, der an einer realen Spannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 und dem Innenwiderstand Ri0 angeschlossen ist. Dazu unterbrechen wir den Stromkreis und erhalten dadurch die Klemmen A und B. An diese schließen wir das Meßinstrument, ein Amperemeter, gemäß Bild 1.62 an. Bild 1.62. Ein Amperemeter wird zur Strommessung in den Stromkreis geschaltet. Dazu wird der Stromkreis aufgetrennt. Es entstehen die Klemmen A und B. Für die Schaltung aus Bild 1.62 stellen wir die in Bild 1.63 abgebildete Ersatzschaltung auf. Bild 1.63. Ersatzschaltbild zur Schaltung aus Bild 1.62. Rechts der Klemmen A-B sehen wir das Schaltzeichen für ein ideales Amperemeter. Der Widerstand RM ist der Innenwiderstand des realen Amperemeters. Ohne Meßgerät flösse der Strom I direkt zwischen den kurzgeschlossenen Klemmen A und B, Wird das Meßgerät in den Stromkreis geschaltet, fließt der Strom I’. 66 1.15 Messung von Strom und Spannung Dabei wird das reale Amperemeter durch ein „ideales" Amperemeter A und einen Serienwiderstand RM, der den Innenwiderstand des realen Amperemeters beschreibt, dargestellt. Das ideale Amperemeter ist widerstandslos. Die Innenwiderstände RiO und RV fassen wir zu (1.77) zusammen. Ohne Meßinstrument fließt der Strom I= U0 . Ri (1.78) Wird das Meßinstrument zugeschaltet, fließt ein kleinerer Strom (1.79) Um den Meßfehler durch das Zuschalten des Amperemeters möglichst klein zu halten, muß (1.80) gewählt werden. Amperemeter müssen im Vergleich zum Stromkreis möglichst niederohmig sein! Ideale Amperemeter haben den Innenwiderstand Null. Beispiel: Strommessung mit einem Drehspulinstrument Drehspulinstrumente sind häufig eingesetzte Meßwerke in Amperemetern (und auch in Meßgeräten für die elektrische Spannung, den Voltmetern). Sie bestehen aus einer kleinen Leiterschleife (Spule), die von dem zu messenden Strom durchflossen wird. Die Leiterschleife ist drehbar in einem magnetischen Feld gelagert. Wie wir in Kapitel 4 noch sehen werden, wirkt dabei ein dem Strom proportionales Drehmoment auf die Leiterschleife, das zur Betätigung eines Zeigers ausgenutzt wird. Typische Daten eines Drehspulinstruments sind: RM = 200Ω Vollausschlag bei Imax = 3mA und Umax = Imax · RM = 0,6V. Wenn wir den Strom mit einer Genauigkeit von 1 % messen wollen, muß der Innenwiderstand des Stromkreises Ri ≈ 20 000Ω = 20kΩ sein. Wird Ri größer, steigt die Meßgenauigkeit. Es ist zu beachten, daß sich Ri aus dem Verbraucherwiderstand RV und dem Innenwiderstand RiO der Quelle zusammensetzt. 67 1 Gleichstromlehre Meßbereichserweiterung am Amperemeter Eine Meßbereichserweiterung für ein Amperemeter wird durch einen Stromteiler gemäß Kapitel 1.10.4 realisiert. Dazu wird ein Parallelwiderstand RS, ein sog. Shunt, parallel zum Meßgerät geschaltet. Bild 1.64 zeigt die Anordnung. Bild 1.64. Der Meßbereich des an die Klemmen A und B aus Bild 1.63 angeschlossenen Amperemeters soll erweitert werden. Der bei Vollausschlag zu messende Strom I’max teilt sich auf in einen Anteil IS durch den Shunt und einen Anteil I’max durch das Meßgerät. RS und RM bilden einen Stromteiler. Mit Imax I’max IS : Strom durch das Instrument bei Vollausschlag : Strom im gewünschen Meßbereich bei Vollauschlag : Strom durch den Shunt und I’max = Imax + IS (1.81) folgt für die Dimensionierung von RS, bei welchem das Meßgerät genau bei I’max Vollausschlag zeigt (1.82) Der Innenwiderstand des Meßgerätes mit parallelgeschaltetem Shunt R’M ist dabei kleiner als der Innenwiderstand des Meßgerätes RM: (1.83) 68 1.15 Messung von Strom und Spannung Beispiel: Meßbereichserweiterung am Amperemeter mittels Shunt Der Meßbereich des oben beschriebenen Drehspulinstruments (RM = 200Ω, Imax = 3mA soll auf I’max = 3A erweitert werden. Der Shunt berechnet sich zu Der resultierende Gesamtwiderstand des Amperemeters beträgt In diesem Fall darf für eine auf 1 % genaue Messung der Innenwiderstand des Stromkreises ≈ 20Ω betragen. 1.15.2 Spannungsmessung Wir wollen den Spannungsabfall an einem Verbraucherwiderstand RV messen, der aus einer Spannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 und dem Innenwiderstand RiO versorgt wird. An die Anschlußklemmen A und B des Verbrauchers wird das Meßinstrument, ein Voltmeter, gemäß Bild 1.65 angeschlossen. Bild 1.65. Zur Messung der Spannung UAB wird ein Voltmeter an die Klemmen A und B angeschlossen. Durch das Meßgerät fließt ein Teilstrom IM. Dadurch sinkt die zu messende Spannung UAB. Für die Schaltung aus Bild 1.65 läßt sich eine Ersatzschaltung bezüglich der Klemmen A und B gemäß Bild 1.66 angeben. Wir wählen diesmal eine Ersatzstromquelle. 69 1 Gleichstromlehre Die Daten der Ersatzquelle berechnen sich zu . (1.84) Das reale Voltmeter aus Bild 1.65 ersetzen wir durch ein ideales Voltmeter V, dem der Innenwiderstand des realen Voltmeters RM parallelgeschaltet ist. Das ideale Voltmeter nimmt keinen Strom auf, es ist durch einen unendlich hohen Innenwiderstand gekennzeichnet. Bild 1.66. Ersatzschaltung zu der Schaltung nach Bild 1.65. Das Voltmeter stellen wir dar durch die Parallelschaltung eines idealen Voltmeters V und des Meßgeräteinnenwiderstandes RM. Mit angeschlossenem Meßinstrument ergibt sich die Klemmenspannung zu (1.85) ohne Meßinstrument (IM = 0) dagegen zu (1.86) Durch den Anschluß des Meßinstruments sinkt die Spannung UAB, da nicht mehr der gesamte Strom I0 durch RQ hindurchfließt: (1.87) 70 1.15 Messung von Strom und Spannung Damit die zu messende Spannung durch den Anschluß des Meßgerätes nicht verfälscht wird, muß gelten (1.88) Das ist eine schwächere Forderung als RM RV. Voltmeter müssen möglichst hochohmig sein! Mit elektronischen Voltmetern lassen sich Eingangs widerstände von 1010Ω und mehr erreichen. Sie kommen idealen Voltmetern häufig sehr nahe. Meßbereichserweiterung am Voltmeter 1. Möglichkeit: Serienwiderstand Rs bei niederohmigen Instrumenten wie z.B. Drehspulinstrumenten gemäß Bild 1.67. Bild 1.67. Meßbereichserweiterung an einem DrehspulVoltmeter durch Serienschaltung eines Widerstandes Rs zum Voltmeter. Mit Umax : Spannung am Instrument bei Vollausschlag U’max : Spannung im gewünschten Meßbereich bei Vollauschlag ergibt sich der Serienwiderstand mit der Maschengleichung (1.89) (1.90) 71 1 Gleichstromlehre Beispiel: Meßbereichserweiterung am Voltmeter mittels Serienwiderstand Der Meßbereich des oben beschriebenen Drehspulinstruments (RM = 200Ω, Umax = 0,6V soll auf U’max = 300V erweitert werden. Der Serienwiderstand berechnet sich zu Hochspannung sollte nicht nach dieser Methode gemessen werden, da die Gefahr besteht, daß die volle Spannung am Meßgerät anliegt, wenn der Stromkreis im Instrument unterbrochen wird. 2. Möglichkeit der Meßbereichserweiterung: Spannungsteilung gemäß Bild 1.68. Bild 1.68. Messbereichserweiterung an einem hochohmigen Voltmeter durch Vorschaltung des Spannungsteilers R1, R2. Spannungsteiler haben wir in Kapitel 1.10.3 kennengelernt. Gemäß Gl. 1.33 gilt für RM → ∞ die Gleichung des unbelasteten Spannungsteilers (1.91) Für endliche Werte von RM gilt die Gleichung des belasteten Spannungsteilers (RM als Belastungswiderstand) (1.92) 72 1.15 Messung von Strom und Spannung Die durch R1 und R2 eingestellte Teilspannung (1.93) wird durch die Belastung des Spannungsteilers reduziert. Die Möglichkeit der Meßbereichserweiterung durch Spannungsteilung wird ausgenutzt bei - hochohmigen Instrumenten, - Instrumenten mit variablem Innenwiderstand (z.B. elektronischen Voltmetern), - und der Messung von Hochspannung. Eine Messung von Hochspannung sollte mit einem Spannungsteiler, der aus Sicherheitsgründen beispielsweise in einem Tastkopf angeordnet ist, erfolgen. Bei einer Meßbereichserweiterung mit einem Serienwiderstand Rs gemäß Bild 1.67 liegt im Falle einer Unterbrechung des Stromkreises im Voltmeter, d.h. für RM → ∞ , die gesamte Spannung U’max an den Klemmen des Voltmeters an. Für eine möglichst genaue Spannungsmessung muß entsprechend Gl. 1.93 gelten: (1.94) In diesem Fall gilt Es folgt (1.95) und Gl. 1.91 Beispiel: Meßbereichserweiterung am Voltmeter mittels Spannungsteiler Der Meßbereich eines hochohmigen Voltmeters soll von Umax = 100V auf U'max = 10kV erweitert werden. Der Gesamtwiderstand des Spannungsteilers wird (hier willkürlich) festgelegt auf R1 + R2 = 1MΩ. Die Widerstände R1 und R1 berechnen sich damit zu 73 2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise 2 Gleichstrommaschinen Elektrische Maschinen wandeln elektrische Leistung in mechanische Leistung (Motorbetrieb) oder mechanische Leistung in elektrische Leistung (Generatorbetrieb) um. Gleichstrommaschinen werden heute ausschließlich als Motoren verwendet. Das besondere Merkmal von Gleichstrommotoren ist, daß Drehzahl und Drehmoment in weiten Grenzen einstellbar sind. Gleichstrommotoren kommen verstärkt zum Einsatz, seitdem sich mit Hilfe der modernen Leistungselektronik regelbare Gleichspannungsquellen billig und zuverlässig bauen lassen. Das ist gleichzeitig der Grund dafür, daß Gleichstromgeneratoren heute nicht mehr verwendet werden. Etwa 20% der installierten Leistung elektrischer Motoren entfällt zur Zeit auf Gleichstrommotoren. Der wesentliche Nachteil der Gleichstrommotoren liegt darin, daß sie nicht wartungsfrei sind. Bestimmte Teile des Motors, deren Funktion wir noch kennenlernen werden, sind störanfällig (das gilt für den Kommutator) oder verschleißen (das gilt insbesondere für die Kohlebürsten). Außerdem haben Gleichstrommotoren im Vergleich zu Drehstrommotoren ein hohes Leistungsgewicht. Die wichtigsten Einsatzgebiete des Gleichstrommotors sind - Fahrzeug- und Schwerantriebe - Kräne und Aufzüge - Werkzeug- und Textilmaschinen - Walzstraßen - Bohrtürme - Bahnen - Kleinverbraucher wie Haushaltsmaschinen. Typische Leistungsbereiche liegen zwischen 10W und 10MW. Bei kleinen Maschinen sind Drehzahlen bis 12 000 min-1 möglich. 2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise Das Prinzip des Gleichstrommotors :. Auf eine drehbare, stromdurchflossene Leiterschleife in einem homogenen Magnetfeld, wie in Bild 2.1 skizziert, wirkt ein winkelabhängiges Drehmoment. Es gibt eine labile und eine stabile drehmomentfreie Stellung der Leiterschleife gemäß Bild 2.2. Wird die Leiterschleife in dem labilen Gleichgewichtszustand geringfügig ausgelenkt, kippt sie in den stabilen Gleichgewichtszustand um. Das Prinzip des Gleichstrommotors beruht auf diesem Mechanismus. Um eine andauernde Drehung des Motors zu erreichen, wird zusätzlich die Richtung des 74 2 Gleichstrommaschinen Bild 2.1. Es zeigt, wie ein Magnetfeld auf eine drehbar gelagerte, stromdurchflossene Leiterschleife ein Drehmoment ausübt. Bild 2.2. Es zeigt, daß der stabile Gleichgewichtszustand durch Änderung der Stromflußrichtung labil wird. Wenn der Strom in der Leiterschleife immer gerade beim Erreichen der stabilen Lage seine Richtung ändert, führt die Leiterschleife eine kontinuierliche Drehung aus. Stromflusses in der Leiterschleife umgekehrt, wenn diese sich in einem stabilen Gleichgewichtszustand befindet. Dadurch wird der stabile Gleichgewichtszustand labil, und aufgrund ihres Drehimpulses dreht sich die Leiterschleife weiter in den nächsten stabilen Gleichgewichtszustand, Sobald dieser erreicht ist, wird er durch erneute Umkehrung der Stromrichtung ebenfalls labil. So stellt sich eine andauernde Drehung der Leiterschleife ein. Durch die Drehung der Leiterschleife in einem Magnetfeld wird in der Leiterschleife eine Spannung induziert. (Auch im Motorbetrieb, bei dem die Drehung durch einen Leiterschleifenstrom erzeugt wird!) Die gleiche Anordnung kann auch als Generator betrieben werden. Auch eine erzwungene Drehung der Leiterschleife bewirkt, daß in der Leiterschleife eine Spannung induziert wird. Wir können uns leicht davon überzeugen, daß wegen der 75 Einrichtung, die im Motorbetrieb den Strom umkehrt, die induzierte Spannung stets die gleiche Polarität aufweist. Bild 2.3. Prinzipieller Aufbau einer Gleichstrommaschine. In dem äußeren magnetischen Kreis, dem Stator oder Ständer der Maschine, wird durch Stromfluß in den oben und unten angeordneten Erregerspulen ein magnetisches Feld erregt. Speziell geformte Polschuhe sorgen dafür, daß dieses Feld in dem Luftspalt zwischen den Polschuhen und dem Anker des Motors radial gerichtet ist. Der drehbare Anker ist ebenfalls Teil des magnetischen Kreises des Stators. Zur Erzielung einer hohen magnetischen Flußdichte besteht er ebenfalls aus einem Material mit hoher Permeabilität (z.B. Eisen). Auf den Anker, auch Läufer genannt, ist die Ankerspule aufgebracht. Die Anschlüsse der Ankerspule werden über Schleifkontakte und Bürsten abgegriffen. Die Schleifkontakte sind so aufgebaut, daß sie die Ankerstromrichtung zu den geeigneten Zeitpunkten umpolen. Sie werden deshalb als Kommutator bezeichnet. Da der Anker bei der Drehung des Motors ständig ummagnetisiert wird, ist er zur Minimierung von Wirbelstromverlusten aus dünnen, voneinander isolierten Blechen aus weichmagnetischem Material aufgebaut. Dieses Modell soll nun auf die Terminologie der Maschinentechnik übertragen werden. Die drehbare, stromdurchflossene Leiterschleife wird Ankerspule oder Ankerwicklung genannt, der darin fließende Strom heißt Ankerstrom. Die Einrichtung, die zu den geeigneten Momenten die Umkehrung des Ankerstromes bewirkt, ist der Kommutator. Er besteht aus einzelnen Lamellen auf der Drehachse, an welche periodische Anzapfungen der Ankerspule angeschlossen sind. Die elektrische Verbindung der 76 2 Gleichstrommaschinen Lamellen und damit der Ankerspule mit der Gleichstromquelle erfolgt über Schleifkontakte, die sogenannten (Kohle-) Bürsten. Das „homogene" Magnetfeld wird in dem feststehenden Motorteil, dem Stator oder Ständer, erzeugt. Dieser ist wie ein magnetischer Kreis aufgebaut: Ein entsprechend geformtes Joch aus weichmagnetischem Material bildet zwischen zwei gegenüberliegenden Polschuhen ein Magnetfeld aus. Es wird von einem Strom durch eine Spule erzeugt, die auf diesen magnetischen Kreis aufgebracht wurde. Diese Spule heißt Erregerspule oder Erregerwicklung und der Spulenstrom entsprechend Erregerstrom. In Bild 2.3 sehen wir eine realitätsbezogene Skizze. Durch geeignete Formgebung der Polschuhe wird erreicht, daß auf die Ankerspule ein weitgehend radial gerichtetes Magnetfeld wirkt. Das von dem skizzierten Motor erzeugte Drehmoment ist winkelabhängig. Die Ankerstellungen mit M = 0 werden ausschließlich durch die Rotationsenergie des Ankers und ggf. der Last überwunden. Um die Schwankungen des Drehmoments zu reduzieren, wird in der Praxis eine Spule mit mehreren Anzapfungen auf den Anker aufgebracht, wobei jeweils gegenüberliegende Anzapfungen an gegenüberliegende Lamellenpaare angeschlossen werden. Alternativ dazu finden auch mehrere, gegeneinander versetzte Ankerspulen Verwendung. Dadurch läßt sich erreichen, daß sich immer stromführende Leiter unter den Polschuhen befinden und der Strom in der Ankerspule unter den Polschuhen immer dieselbe Richtung hat. Außerdem können die Eigenschaften des Motors durch die Hinzufügung weiterer Polschuhpaare verbessert werden. Diese Gesichtspunkte des Aufbaus einer Gleichstrommaschine können im Rahmen unserer Betrachtungen nicht weiter verfolgt werden. Für uns ist das grundsätzliche Betriebsverhalten interessant. Motorbetrieb Wir betrachten einen einzelnen Leiter der Ankerspule mit der Länge t, der sich gemäß Bild 2.4 mit der Geschwindigkeit v durch das als radial vorausgesetzte MagJG netfeld mit der magnetischen Flußdichte B bewegt. In G G dem Leiter fließt der Ankerstrom IA in Richtung des Stromdichtevektors j = j · e j . Auf den stromdurchflossenen Leiter in dem Magnetfeld wirkt die Kraft Die Richtung des Kraftvektors FL entspricht der Richtung des GeschwindigkeitsG vektors v . Dadurch ist Motorbetrieb charakterisiert. Für Motorbetrieb gilt stets (2.1 a) 77 2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise Bild 2.4. Wir sehen einen Polschuh einer Gleichstrommaschine, unter dem sich G ein Leiter der Ankerspule mit der Geschwindigkeit v nachG rechts bewegt. Das Feld JG unter dem Polschuh soll radial gerichtet sein, so daß v stets senkrecht auf B steht. In dem Leiter der Ankerspule, der eine Länge A habe, fließt ein Ankerstrom IA. Die Orientierung des Ankerstromes haben wir so gewählt, daß die DreG hung des Motors in Richtung von vG erfolgt. IA fließt von hinten nach vorne. Die Richtung des Stromdichtevektors j , gekennzeichnet durch den Einheitsvektor G e j , zeigt deshalb ebenfalls nach vorne. Auf den stromdurchffossenen Leiter wirkt G JG die Kraft FL in der Richtung e j x B . Sie ist nach rechts gerichtet. Sie übt auf die G Ankerspule ein Drehmoment aus, das wie gewünscht in Richtung von v wirkt. Durch die Bewegung des Leiters in dem Magnetfeld wirkt auf die Ladungsträger G JG die LORENTZ-Kraft in der Richtung v x B und damit in entgegengesetzter G Richtung zu e j und zum von außen angelegten Feld. - Hätten wir die Orientierung des Ankerstromes IA entgegengesetzt gewählt, so wäre auch die Richtung von FL entgegengesetzt. Der rotierende Anker wäre abgebremst und in entgegengesetzter Richtung beschleunigt worden. Alle Ergebnisse hätten sich für die umgekehrte Drehrichtung identisch ergeben. Bei G der Bewegung des Leiters der Ankerspule in dem Magnetfeld wirkt auf die mit v bewegtem Ladungsträger die LORENTZ-Kraft Dadurch wird in dem Leiter eine Spannung induziert. Diese ergibt sich aus dem Induktionsgesetz zu Die Richtung der LORENTZ-Kraft ist entgegengesetzt zur Richtung des Stromdichtevektors: (2.1 b) Wie man der Orientierung des Ankerstromes IA entnehmen kann, ist die induzierte Spannung U12 genauso orientiert wie die angelegte Spannung, die den Strom IA treibt, Bei Vernachlässigung des OHMschen Widerstandes des Leiters sind angelegte und induzierte Spannung gleich groß. 78 2 Gleichstrommaschinen Die in einem Leiter umgesetzte elektrische Leistung berechnet sich zu und für die von dem Leiter entwickelte mechanische Leistung gilt (2.2) (2.3) Werden die Anteile der einzelnen Leiter der Ankerspule summiert, so ergibt sich für die gesamte im Anker induzierte Spannung (2.4) Es folgt für die gesamte im Anker umgesetzte Leistung (2.5) Bild 2.5. Vereinfachtes Ersatzschaltbild eines Gleichstrommotors. Dargestellt ist das Schaltzeichen des Ankers unter Vernachlässigung des Ankerwiderstandes. Im Anker wird die Spannung U0 induziert, die mit der angelegten Spannung U gleich orientiert ist. Damit kann für die Gleichstrommaschine im Motorbetrieb ein vereinfachtes Ersatzschaltbild gemäß Bild 2.5 angegeben werden. Das Schaltzeichen stellt den Anker der Maschine dar für RA = 0 (RA: OHMscher Widerstand der Ankerwicklung). 79 2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise Generatorbetrieb Wird der Anker der Maschine gedreht, ohne daß ein Ankerstrom durch eine angelegte Spannung eingeprägt wird, so wird wieder eine Spannung in dem Leiter des Ankers G JG induziert. Diese Spannung treibt dann einen Ankerstrom IA in der Richtung v x B . Die Maschine arbeitet als Generator. Bild 2.6 zeigt die Bewegung eines Leiters der Ankerspule unter dem Polschuh. Bild 2.6. Wir sehen wiederum einenG Leiter der Ankerspule, der mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt wird. Im Gegensatz zu Bild 2.4 wird die Bewegung durch ein äußeres Drehmoment erzwungen. Durch die Bewegung des wirkt wiederum die G Leiters JG LORENTZ-Kraft FM = q · v x B auf die Ladungsträger und es wird eine Spannung zwischen den Punkten 1 und 2 induziert. Die induzierte Spannung treibt einen Ankerstrom Gnach hinten, was wir mit einem nach hinten weisenden e j kennzeichnen. Aufgrund des Stromflusses im Leiter wirkt auf den Leiter die Kraft FL entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung nach links. Bei der erzwungenen Drehbewegung muß diese Kraft überwunden werden. Im Generatorbetrieb ist die Kraft auf den Leiter G entgegengesetzt zum Geschwindigkeitsvektor v gerichtet. Lorentzkraft und Ankerstrom sind gleich orientiert und induzierte Spannung und Ankerstrom sind entgegengesetzt orientiert. (2.6) 80 2 Gleichstrommaschinen Der Maschine wird mechanische Leistung zugeführt. Sie gibt elektrische Leistung ab. Für die an einem Leiter der Ankerwicklung umgesetzten Leistungen gilt (2.7) (2.8) Analog zum Motorbetrieb kann man ein vereinfachtes Ersatzschaltbild gemäß Bild 2.7 angeben. Bild 2.7. Vereinfachtes Ersatzschaltbild eines Gleichstromgenerators. Im Gegensatz zu Bild 2.5 bilden U0 und IA nun ein Erzeugerpfeilsystem. Ein Motor wird gelegentlich als Generator betrieben, um die Last abzubremsen und gleichzeitig elektrische Leistung zurückzuspeisen (Energierückgewinnung). Die Stromrichtung in dem Motor wird dabei umgekehrt. 81 2.2 Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine 2.2 Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine Unsere bisher benutzten Ersatzschaltbilder betrafen den Anker der Gleichstrommaschine unter Vernachlässigung des OHMschen Widerstandes der Ankerwicklung RA. Weiterhin wurde die Erregerwicklung, deren Strom das Magnetfeld mit der JG magnetischen Flußdichte B erregt, nicht berücksichtigt. Ein zusätzliches Element der Gleichstrommaschine, das hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt wird, ist die sogenannte Wendepolwicklung. Durch einen Strom in dieser Wicklung, meist den Ankerstrom IA, wird die bei der Stromumkehrung im Anker kurzzeitig induzierte Spannung reduziert. Erreger- und Wendepolwicklung stellen Spulen mit einer Selbst Induktivität dar, Da wir Gleichströme benutzen, wirken diese jedoch nur mit ihrem OHMschen Innenwiderstand. Im Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine treten daher die in Bild 2.8 gezeigten Komponenten auf. Die Wendepolwicklung werden wir im weiteren vernachlässigen. Bild 2.8. Ersatzschaltbild einer Gleichstrommaschine. Bezeichnungen im Klemmenkasten der Gleichstrommaschine: A-B C-D G-H RA: RE1: RE2: IA: IE: U0: U: Ankerwicklung Erregerwicklung Wendepolwicklung OHMscher Widerstand der Ankerwicklung OHMscher Widerstand der Erregerwicklung OHMscher Widerstand der Wendepolwicklung Ankerstrom Erregerstrom induzierte Ankerspannung Klemmenspannung 82 2 Gleichstrommaschinen 2.3 Spannung und Drehzahl der Gleichstrommaschine In der Ankerspule einer Gleichstrommaschine wird gemäß Gl. 2.4 eine Spannung induziert. Mit den Bezeichnungen R =Radius der Ankerspule, ω = Winkelgeschwindigkeit und ƒ =Anzahl der Umdrehungen pro Sekunde läßt sich die Geschwindigkeit v ausdrücken als (2.9) oder in einer zugeschnittenen Größengleichung unter Benutzung der Anzahl der Umdrehungen pro Minute n als Die magnetische Flußdichte B unter den Polschuhen kann durch die Fläche der Polschuhe A und den magnetischen Fluß durch die Polschuhe, den sogenannten magnetischen Polfluß Φ, ausgedrückt werden. Unter der vereinfachten Annahme einer konstanten magnetischen Flußdichte über den Polschuh gilt und es folgt für die induzierte Spannung (2.10) oder in einer zugeschnittenen Größengleichung Die damit eingeführte dimensionslose Größe (2.11) ist ausschließlich von dem geometrischen Aufbau der Maschine abhängig und damit für eine bestimmte Maschine konstant, c wird deshalb Maschinenkonstante genannt. Wie man GL 2.10 entnehmen kann, ist U0 dem Produkt aus dem magnetischen Polfluß Φ und der Motordrehzahl proportional. Der magnetische Polfluß Φ ist 83 2.4 Strom und Drehmoment der Gleichstrommaschine Bild 2.9. Zwischen der im Anker induzierten Spannung U0 und der Drehzahl n besteht ein linearer Zusammenhang, wenn der magnetische Polfluß Φ konstant ist. Bei kleinem Erregerstrom, d.h. bei kleinem magnetischem Polfluß, muß die Maschine schnell drehen, um U0 zu induzieren. Folglich verläuft die Kennlinie umso steiler, je kleiner der Erregerstrom wird. ausschließlich vom Erregerstrom IE abhängig. Wird IE konstant gehalten, ist auch Φ konstant, und zwischen U0 und der Drehzahl existiert ein linearer Zusammenhang. Mit IE kann die Steigung der n-U0-Kennlinie eingestellt werden. In Bild 2.9 gilt: Für ein konstantes Φ bzw. IE kann die Drehzahl des Gleichstrommotors über die Klemmenspannung U = U0 + RA · IA gesteuert werden. Mit thyristorgesteuerten Gleichspannungsquellen (Thyristoren werden wir in Kapitel 15 kennenlernen) läßt sich die Klemmenspannung heute in weiten Bereichen ohne Leistungsverlust verändern, so daß die Drehzahlsteuerung über die Klemmenspannung bzw. U0 in der Praxis weit verbreitet ist. Durch Umkehrung der Polarität von U und damit U0 wird die Drehrichtung des Motors umgekehrt. Bei einem kleinen magnetischen Polfluß muß die Drehzahl des Gleichstrommotors entsprechend hoch werden, damit U0 induziert wird. Der Gleichstrommotor muß deshalb vor einem zu kleinen magnetischen Polfluß geschützt werden, damit nicht unerlaubt hohe Drehzahlen auftreten können, die zur Zerstörung des Motors führen. 2.4 Strom und Drehmoment der Gleichstrommaschine In Kapitel 2.1 wurde die innere mechanische Leistung, die an den Leitern der Ankerspule entwickelt wird, berechnet. Diese Leistung erzeugt das innere Drehmoment Mi nach (2.12) 84 2 Gleichstrommaschinen. Gemäß Gl. 2.2, Gl. 2.4 und Gl. 2.5 gilt weiterhin Wird noch unter Benutzung von Gl. 2.10 U0 = c · Φ · ω eingesetzt, so ergibt sich das innere Drehmoment zu (2.13) Das innere Drehmoment ist proportional dem Produkt aus magnetischem Polfluß und Ankerstrom. Für IA = 0 wird das Drehmoment und damit auch die abgegebene Leistung Pi,mech = 0 (Leerlauf). 2.5 Wirkungsgrad η Bisher wurden OHMsche Verluste in den Motorwicklungen und Reibungsverluste des Motors vernachlässigt. Werden mechanische Verluste des Motors berücksichtigt, so wird die tatsächlich an der Welle abgegebene Leistung Pmech kleiner sein als die unter idealisierten Bedingungen ermittelte Größe Pi,mech. Werden OHMsche Verluste in den Wicklungen berücksichtigt, so muß dem Motor eine größere elektrische Leistung Pel zugeführt werden als die elektromagnetisch umgesetzte Leistung P0,el. Der Zusammenhang zwischen der tatsächlich zugeführten elektrischen Leistung und der verfügbaren mechanischen Leistung wird durch den Wirkungsgrad η gegeben: (2.14) Mit Einführung der mechanischen Verlustleistung Pv,mech und dem Verlustmoment Mv ergibt sich für die abgegebene Leistung (2.15) Die aufgenommene elektrische Leistung Pel ergibt sich mit den OHMschen Verlusten in der Ankerwicklung IA2 · RA und der Erregerwicklung IE2 · RE zu (2.16) Für den Wirkungsgrad ergibt sich damit (2.17) 85 2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine 2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine Die bisher aufgestellten Gleichungen wurden für die Modellmaschine nach Kapitel 2.1 abgeleitet. Dabei hat es nicht interessiert, wie beispielsweise ein Erregerstrom zustandekommt. Jede Beziehung betrifft ausschließlich das physikalische Verhalten der Maschine und ist somit unabhängig von der elektrischen Beschattung der Anker - und der Erregerwicklung. In der Praxis muß die Modellmaschine zu einem funktionsgerechten, möglichst einfachen System mit möglichst gutem Betriebsverhalten ausgestaltet werden. Ein wesentliches Kriterium ist dabei, wie die wichtigsten Komponenten, Ankerwicklung und Erregerwicklung, beschaltet werden. Im folgenden sollen verschiedene Möglichkeiten untersucht werden. Die bisher abgeleiteten Gleichungen gelten für jeden beliebigen Betriebszustand des Motors. Es muß jedoch streng darauf geachtet werden, daß alle benutzten Größen oder benutzten Zahlenwerte auch tatsächlich diesen Betriebszustand betreffen. Änderungen des Betriebszustandes stellen sich beispielsweise ein, wenn die Betriebsspannung, die Drehzahl oder das Lastmoment des Motors verändert werden. Ein besonders hervorzuhebender Betriebszustand ist der Nennbetrieb. Die Konstruktion des Motors ist für den Nennbetrieb ausgelegt. Die Nenndaten sind auf dem Typenschild des Motors angegeben: UN: IN: PN: Klemmenspannung UAB im Nennbetrieb Klemmenstrom im Nennbetrieb (entsprechend noch IAN, IEN) Im Nennbetrieb an der Welle tatsächlich abgegebene mechanische Leistung (daher PN < UN · IN) MN: Im Nennbetrieb an der Welle verfügbares Drehmoment nN: Drehzahl im Nennbetrieb ΦN: magnetischer Polfluß im Nennbetrieb Neben diesen Größen kann jede weitere Größe wie beispielsweise oder als Nenngröße angegeben werden. Ein wichtiges Hilfsmittel bei der Berechnung eines bestimmten Betriebszustandes ist der Bezug auf einen bekannten Betriebszustand wie beispielsweise den Nennbetrieb. 86 2 Gleichstrommaschinen 2.6.1 Nebenschlußerregung Bei Maschinen mit Nebenschlußerregung sind Anker- und Erregerwicklung parallelgeschaltet. Die Erregerwicklung wird damit direkt am Netz betrieben. Sie ist deshalb zumeist hochohmig. Beim Einschalten des Motors ist U0 = 0. Daraus folgt ein sehr großer Einschaltstrom, der nur durch die OHMschen Widerstände im Ankerkreis begrenzt wird. Da RA sehr klein ist, wird ein Vorwiderstand RVA im Ankerkreis benutzt, der den Anlaßstrom auf eine zulässige Größe begrenzt. Beim Anlauf des Motors baut sich U0 auf, und der Vorwiderstand kann kurzgeschlossen werden (RVA = 0Ω). Heute sind anstelle von Anlaßwiderständen elektronische Strombegrenzungen üblich. Bild 2.10 zeigt das Ersatzschaltbild der NebenschlußGleichstrommaschine. Bild 2.10. Ersatzschaltbild einer NebenschlußGleichstrommaschine. Ankerkreis und Erregerkreis sind parallelgeschaltet. Der Klemmenstrom I berechnet sich zu I = IA + IE. allgemeinen ist der Ankerstrom wesentlich größer als der Erregerstrom. RVA ist ein Schutzwiderstand, der den Ankerstrom IA beim Einschalten der Maschine, wenn U0 = 0V ist, auf einen zulässigen Wert begrenzt. Außer bei Schwankungen der Netzspannung gilt IE = konst. Φ = konst. Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen Drehzahl und Drehmoment untersucht werden. 87 2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie für nebenschlußerregte Motoren Im Betrieb des Motors ist der Anlaßwiderstand kurzgeschlossen. Damit gilt für die Klemmenspannung UAB:· (2.18) In Gl. 2.18 können Drehzahl und Drehmoment mit Gl. 2.10 und Gl. 2.13 eingebracht werden Mechanische Verluste des Motors sollen vernachlässigt werden. Bei exakter Betrachtung müßte ein Verlustmoment Mv gemäß berücksichtigt werden. Mit Mv = 0 und damit Mi = M folgt (2.19) Der grundsätzliche Zusammenhang von ω und M ist damit gewonnen. Für eine graphische Darstellung ist jedoch eine normierte Schreibweise übersichtlicher. Für diese Normierung stellen wir GL 2.13 in Nenngrößen auf (2.20) und setzen Gl. 2.20 in Gl. 2.19 ein: (2.21) IAN ⋅ UN hat die Dimension einer Kreisfrequenz oder WinkelgeschwinMN digkeit. Wir können ihn als Normierungswinkelgeschwindigkeit ωnorm bezeichnen. (2.22) (2.23) Der Faktor 88 2 Gleichstrommaschinen Bild 2.11. Drehzahl-Drehmoment-Diagramm der Nebenschlußmaschine für Φ = ΦN = konst. . In Bild 2.11 ist das Drehzahl-Drehmoment-Diagramm gemäß GL 2.23 für Φ = ΦN = konst. und UAB = UN = konst. dargestellt. Man erkennt einen linearen Zusammenhang zwischen Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit. Für M = MN, UAB = UN und Φ = ΦN gilt für den relativen Drehzahlabfall Der in Bild 2.12 skizzierte Generatorbetrieb tritt auch bei Motoren auf, wenn zum Abbremsen die Stromrichtung umgekehrt wird. Man erkennt an Gl. 2.23, daß die Kennlinie von der Klemmenspannung UAB abhängt. Die Abhängigkeit ist schwierig zu überblicken, da der magnetische Polfluß Φ sich mit ändernder Betriebsspannung ebenfalls ändert. Setzt man näherungsweise Φ = konst. , so würden die Kennlinien mit sich änderndem UAB eine Parallelverschiebung erfahren. Die wesentlichen Eigenschaften des Nebenschlußmotors sind - eine starke Abhängigkeit der Drehzahl von der Betriebsspannung (thyristorgesteuerte Netzgeräte erlauben eine einfache Drehzahlregelung), - eine geringe Abhängigkeit der Drehzahl von dem Lastmoment. 89 2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine 2.6.2 Fremderregung Bei Maschinen mit Fremderregung wird entweder gemäß Bild 2.12 eine eigene Stromquelle an die Erregerspule angeschlossen, so daß für gilt, oder der Polfluß wird mittels eines Permanentmagneten erregt und ist somit ebenfalls konstant. Insbesondere bei kleineren Maschinen werden vorzugsweise Permanentmagnete eingesetzt. RVA schützt die Maschine beim Anlauf wie bei der Nebenschlußmaschine vor zu großen Strömen. Bild 2.12. Ersatzschaltbild einer fremderregten Gleichstrommaschine. Die Erregerspule wird aus einer Stromquelle mit konstantem Erregerstrom versorgt. Daher ist der magnetische Polfluß ebenfalls konstant. Bei Maschinen, die mittels Permanentmagneten erregt werden, läßt man im Ersatzschaltbild den Erregerstromkreis weg. Für die fremderregte Maschine soll die Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie ermittelt werden. Dazu gehen wir von Gl. 2.23 aus und setzen Φ = ΦN = konst. . Es folgt Man erkennt wie bei der Nebenschlußerregung den linearen Zusammenhang zwischen Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit. Ferner erkennt man, daß die Kennlinie eine Parallelverschiebung bei sich ändernder Klemmenspannung UAB erfährt. Bild 2.13 zeigt das Drehzahl-Drehmoment-Diagramm der fremderregten Gleichstrommaschine. 90 2 Gleichstrommaschinen Bild 2.13. fremderregten U über AB UN Drehzahl-Drehmoment-Diagramm der Gleichstrommaschine parametrisiert Die wesentlichen Eigenschaften des fremderregten Motors sind die gleichen wie beim Nebenschlußmotor: - eine starke Abhängigkeit der Drehzahl von der Betriebsspannung, - eine geringe Abhängigkeit der Drehzahl vom Lastmoment. 2.6.3 Reihenschlußerregung Eine weitere Anschlußmöglichkeit stellt die Reihenschaltung von Erreger- und Ankerwicklung gemäß Bild 2.14 dar. Diese werden vom gleichen Strom / durchflössen. Motoren in dieser Betriebsart werden Reihenschluß- oder Hauptschlußmotoren genannt. Die konstruktive Auslegung der Erregerwicklung eines Reihenschlußmotors, dessen großer Ankerstrom durch die Erregerwicklung fließt und eines Nebenschlußmotors, bei dem die volle Betriebsspannung an der Erregerwicklung liegt, ist so verschieden, daß ein Wechsel der Betriebsarten für einen Motor nicht möglich ist. 91 2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine Bild 2.14. Ersatzschaltbild der ReihenschlußGleichstrommaschine. Erregerkreis und Ankerkreis sind in Reihe geschaltet. Für den Klemmenstrom gilt I = IA = IE. Strom und Drehmoment des Reihenschlußmotors In Kapitel 2.4 wurde Gl. 2.13 abgeleitet. Für den magnetischen Polfluß Φ kann näherungsweise gesetzt werden, wenn IE nicht zu große Werte annimmt. Wegen IA = IE = I folgt für den Reihenschlußmotor mit der Reihenschlußmotorkonstanten (2.24) für das innere Drehmoment (2.25 a) Unter der Vernachlässigung von Reibungsverlusten ergibt sich (2.25 b) und für Nennbetrieb (2.26) Es folgt (2.27) 92 2 Gleichstrommaschinen Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie des Reihenschlußmotors Wir gehen völlig analog zum Nebenschlußmotor von der Maschengleichung für das Motorersatzschaltbild aus und erhalten mit GL 2.10, GL 2.24 und GL 2.27: Dieser Ausdruck soll mit Gl. 2.22 wieder auf ωnorm normiert werden. Mit Gl. 2.26 folgt in Analogie zum Nebenschlußmotor (2.28) Die Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie zeigt Bild 2.15. Bild 2.15. Drehzahl-Drehmoment-Kennlίnίe und Klemmenstrom-Drehmoment-Kennlinie des Reihenschlußmotors. 93 2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine Die wesentlichen Eigenschaften des Reihenschlußmotors sind - ein großes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen (daher günstig zum Anfahren unter schwerer Last; typisches Beispiel: Kraftfahrzeuganlasser), - ein steiler Anstieg der Drehzahl bei kleinem Lastmoment und konstanter Klemmenspannung aufgrund des mit der abnehmenden Stromaufnahme sinkenden Polflusses (dadurch besteht die Gefahr einer Zerstörung des Motors durch nicht zulässige hohe Drehzahlen, der Motor kann „durchgehen"), - ein Anstieg des Stromes nur mit der Wurzel aus dem Lastmoment, - die Möglichkeit eines Betriebes an Wechselspannung, da Anker- und Erregerwicklung stets vom gleichen Strom durchflossen werden. In diesem Fall muß auch der Stator aus gegenseitig isolierten Blechen bestehen, um Wirbelstromverluste zu minimieren. Typische Anwendungen sind Kraftfahrzeuganlasser, Bahnmotoren und Motoren für Haushaltsmaschinen. 2.6.4 Doppelschlußmotor Der Doppelschlußmotor gemäß Bild 2.16 stellt einen Kompromiß aus Reihenschlußmotor und Nebenschlußmotor dar. Er weist zwei Erregerwicklungen auf, von denen eine vom Ankerstrom durchflössen wird und die zweite direkt an der Klemmenspannung liegt. Dadurch wird ein Durchgehen des Motors auch im Leerlauf (IA → 0 bzw. M → 0) verhindert. Die Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie entspricht der nach links verschobenen Kennlinie des Reihenschlußmotors. Bild 2.16. Ersatzschaltbild eines Doppelschlussmotors. 94 3.1 Einleitung 3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen 3.1 Einleitung Es sollte bekannt sein, daß Kondensatoren bzw. Induktivitäten elektrische bzw. magnetische Energie speichern können. Werden Schaltungen, die derartige Energiespeicher enthalten, an eine Gleichspannungsquelle angeschlossen, so wird für eine gewisse Zeit Leistung aus der Quelle benutzt, um die vorhandenen Energiespeicher zu füllen. Danach, im stationären Zustand, nehmen die Speicher keine Energie mehr auf. Daraus folgt, daß die Strom- und Spannungsverteilung in der Schaltung während des Füllens der Speicher vom stationären Endzustand abweicht. Auch beim Abschalten der Quellen können kurzfristig Ströme und Spannungen in der Schaltung auftreten, wenn sich die Energiespeicher wieder entleeren. Wir beobachten also selbst bei der Benutzung von Gleichspannungs- oder Gleichstromquellen eine zeitliche Änderung der einzelnen Ströme und Spannungen. Diese zeitlichen Änderungen sollen im folgenden untersucht werden. Dabei beschränken wir uns auf einen einzigen zeitlich nicht veränderlichen Energiespeicher in der zu untersuchenden Schaltung. In diesem speziellen Fall werden die Vorgänge beim Füllen und Entleeren der Speicher durch lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten beschrieben. Die homogene Differentialgleichung in x (3.1) ist im allgemeinen noch um einen Term ƒ (t) erweitert: (3.2) Die Größe x kann ein Strom oder eine Spannung aus der Schaltung sein. Die Differentialgleichung wird zunächst in einer für den betrachteten Fall stetigen Größe aufgestellt. Bei Kondensatoren ist die Spannung am Kondensator stetig du i di u ( C = C ), bei Induktivitäten der Strom in der Induktivität ( L = L ). Die Grödt L dt C ße τ wird als Zeitkonstante bezeichnet. Wie wir noch sehen werden, ist τ ein Maß für die Dauer eines Ausgleichs Vorgangs. Die Lösung der erweiterten Differentialgleichung setzt sich zusammen aus einer allgemeinen Lösung xh der homogenen Differentialgleichung (ƒ (t) = 0) und einer speziellen (partikulären) Lösung xp der erweiterten Differentialgleichung. (3.3) Die Lösung der homogenen Differentialgleichung besitzt die Form (3.4) 95 3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen Die partikuläre Lösung (3.5) kann dann für t → ∞ ,also den stationären Endzustand, leicht ermittelt werden (exp(- ∞ ) = 0). Die Lösung der erweiterten Differentialgleichung ergibt sich somit in allgemeiner Form zu (3.6) Die Integrationskonstante A folgt aus den Anfangsbedingungen: (3.7) Die Ausgleichsvorgänge lassen sich somit in folgenden Schritten berechnen: - Aufstellung der erweiterten Differentialgleichung in der stetigen Größe und Ermittlung der Zeit konstanten τ . - Einsetzen der Zeit konstanten τ in den allgemeinen Lösungsansatz. - Berechnung der partikulären Lösung aus dem stationären Zustand. - Bestimmung der Integrationskonstanten A aus den Anfangsbedingungen. Im folgenden wollen wir Ausgleichsvorgänge an Kondensatoren und Induktivitäten berechnen. 3.2 Laden und Entladen eines Kondensators In der Schaltung nach Bild 3.1 wird der Schalter zum Zeitpunkt t = 0 von a nach b umgelegt (LADEN) oder von b nach a (ENTLADEN). 1. Schritt: Aufstellen der Differentialgleichung in uC mit Hilfe der Maschengleichung Der Strom i muß durch uC ausgedrückt werden. Um den Zusammenhang von Strom und Spannung an einem Kondensator herzuleiten, gehen wir von GL 2.19 aus. Eine Differentiation nach der Zeit liefert für C = konst. 96 3.2 Laden und Entladen eines Kondensators Bild 3.1. Wir wollen den zeitlichen Verlauf der Spannung an einem Kondensator berechnen, wenn dieser aufgeladen oder entladen wird. Dazu können wir den Kondensator C über einen OHMschen Widerstand R entweder an eine ideale Gleichspannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 anschließen oder den Kondensator über R kurzschließen. Beide Schalt Vorgänge lassen sich durch Umlegen des Schalters einleiten: Wird der Schalter von a nach b umgelegt, so wird der entladene Kondensator über R an U0 angelegt und aufgeladen. Wird der Schalter von b nach a umgelegt, so wird der auf U0 geladene Kondensator über R kurzgeschlossen und somit entladen. Die Ladungsänderung dq ist gemäß Gl. 1.2 gleich dem Strom: dt (1.8) Für die Maschengleichung folgt (3.9) Die homogene Differentialgleichung lautet in verallgemeinerter Form (3.10) Daraus folgt für die Zeitkonstante (3.11) 2. Schritt: Einsetzen von τ in den Lösungsansatz der homogenen Differentialgleichung: . (3.12) 97 3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen 3. Schritt: Berechnung der partikulären Lösung aus dem eingeschwungenen Zustand: Damit folgt für die Lösung der erweiterten Differentialgleichung uC = uCh + uCp: 4. Schritt: Berechnung der Integrationskonstanten A aus der Anfangsbedingung: Damit lautet die Lösung der erweiterten Differentialgleichung: Der zeitliche Verlauf der Spannung uR über dem OHMschen Widerstand R kann aus der Maschengleichung uE = uC + uR oder aus dem OHMschen Gesetz berechnet werden: 98 3.2 Laden und Entladen eines Kondensators 3.18 a 3.18 b Der zeitliche Verlauf von uC(t) und uR(t) ist in Bild 3.2 dargestellt. Bild 3.2. Zeitlicher Verlauf der Spannungen an Kondensator und Widerstand, wenn zum Zeitpunkt t=0 der Schalter aus Bild 3.1 umgelegt wird. Links ist der Ladevorgang (a → b), rechts der Entladevorgang (b → a) dargestellt. Die Zeitkonstante τ gibt diejenige Zeit an, zu welcher die Exponentialfunktion auf 1 ca. 37% ( ) ihres Ausgangswertes abgefallen ist. Die Tangente an die Kurven für e t = 0 hat die Steigung . (3.19) 99 3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen Der zeitliche Verlauf der Spannungen aus Bild 3.2 ist einfach interpretierbar. Bei einem Kondensator kann die anliegende Spannung uC nicht sprunghaft geändert q werden. Wegen uC = und q = ∫ i · dt wäre für eine sprunghafte SpannungsänC derung ein unendlich großer Ladestrom erforderlich. Der in der Schaltung fließende Ladestrom wird jedoch durch den OHMschen Widerstand begrenzt. Die Spannung über dem OHMschen Widerstand ist proportional dem Ladestrom des Kondensators. Mit fortschreitender Ladung bzw. Entladung des Kondensators sinkt diese Spannung und der Ausgleichsstrom nimmt ab. Der stationäre Zustand wird schließlich asymptotisch erreicht. Die Zeitkonstante τ , die sich bei der Berechnung zu R · C ergab, drückt aus, wie schnell sich der stationäre Zustand einstellt. Ist der OHMsche Widerstand groß, so wird der stationäre Endzustand langsam erreicht, da der Lade- bzw. Entladestrom klein wird. Bei einer großen Kapazität des Kondensators stellt sich der stationäre Endzustand ebenfalls sehr langsam ein, da viel Ladung im Kondensator gespeichert werden muß, um eine entsprechende Spannung aufzubauen. 3.3 Einschalt- und Abklingvorgang an einer Induktivität In der Schaltung nach Bild 3.3 wird der Schalter zum Zeitpunkt t = 0 von a nach b umgelegt (INDUKTIVITÄT ANSCHLIESSEN) oder von b nach a (INDUKTIVITÄT KURZSCHLIESSEN). Bild 3.3. Wir ersetzen in der Schaltung nach Bild 3.1 den Kondensator C durch eine Induktivität L, um den Schaltvorgang an einer Induktivität zu untersuchen. 1. Schritts Aufstellen der Differentialgleichung in i mit Hilfe der Maschengleichung: 100 3.3 Einschalt- und Abklingvorgang an einer Induktivität (3.20) Die homogene Differentialgleichung lautet in verallgemeinerter Form (3.21) Daraus folgt für die Zeitkonstante (3.22) 2. Schritt: Aufstellen des Lösungsansatzes der homogenen Differentialgleichung: (3.23) 3. Schritt: Berechnung der partikulären Lösung aus dem eingeschwungenen Zustand: 3.24 a 3.24 b Damit folgt für die Lösung der erweiterten Differentialgleichung i = ih + ip: 3.25 a 3.25 b 4. Schritt: Berechnung der Integrationskonstanten A aus der Anfangsbedingung: 3.26 a 3.26 b Damit lautet die Lösung der erweiterten Differentialgleichung 101 3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen 3.27 a 3.27 b Der zeitliche Verlauf der Spannung uR über dem OHMschen Widerstand R kann aus dem OHMschen Gesetz uR = R · i berechnet werden: 3.28 a 3.28 b Der zeitliche Verlauf der Spannung uL über der Induktivität L kann aus der Beziedi hung uL = L · berechnet werden: dt 3.29 a 3.29 b Selbstverständlich hätte eine der beiden Spannungen auch aus der Maschengleichung ue = uR + uL berechnet werden können. Der zeitliche Verlauf der berechneten Spannungen ist in Bild 3.4 dargestellt. Bild 3.4. Zeitlicher Verlauf der Spannungen an Widerstand und Induktivität beim Umlegen des Schalters aus Bild 3.3 von a → b (links) und b → a (rechts). Man beachte die Analogie zu Bild 3.2! 102 3.3 Einschalt- und Abklingvorgang an einer Induktivität Die Einschalt- und Abklingvorgänge an Kondensator und Induktivität verhalten sich völlig analog. Die Bemerkungen zu dem Lade- und Entladevorgang des Kondensators können daher auch auf die Induktivität übertragen werden. Es ist zu beachten, daß der Strom in einer Induktivität keine sprunghaften Änderungen erfahren kann, da dies mit einer unendlich hohen Spannung an der Induktivität verknüpft wäre. Der in Bild 3.3 gezeichnete Prinzipschalter würde beim Umlegen des Schalters von b nach a den Strom in der Induktivität kurzzeitig unterbrechen, so daß in der Induktivität eine unendlich hohe Spannung induziert würde. Dadurch käme es in dem Schalter zur Zündung eines Funkens, über den der Strom während des Schaltens weiter fließen würde. Die Folge könnte ein Kurzschließen der Quelle sein. Es ist zu beachten, daß in einer Schaltung, die Kondensatoren und Induktivitäten enthält, auch dann noch Ströme und Spannungen auftreten können, nachdem die Schaltung von der Quelle abgetrennt worden ist. 103 4.1 Grundlagen und Begriffsbestimmung 4 Wechselstromlehre 4.1 Grundlagen und Begriffsbestimmung In Kapitel 3 behandelten wir zeitabhängige Ströme und Spannungen, die bei einmaligen Schaltvorgängen auftraten. In Kapitel 4 wollen wir uns mit periodischen, sinusförmigen Spannungen und Strömen befassen. Grundsätzlich sind zeitlich periodisch veränderliche Größen dadurch gekennzeichnet, daß jeder Momentanwert genau nach einer Periodendauer T wieder auftritt: 104 (4.1) Der zeitliche Verlauf der periodisch veränderlichen Größen ist dabei beliebig. Eine Einschränkung dieser Größen auf reine Wechselgrößen ist mit der Definition des Mittelwertes u bzw. i einer zeitlich periodisch veränderlichen Größe möglich: (4.2) Wechselgrößen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie periodisch sind und ihr Mittelwert Null ist: (4.3) Jede beliebige zeitlich periodisch veränderliche Größe kann als Überlagerung einer Wechselgröße und einer Gleichgröße aufgefaßt werden. Ein Beispiel dafür ist in Bild 4.1 dargestellt. Bild 4.1. Die abgebildete zeitabhängige Größe ist periodisch. Sie ist aber keine reine Wechselgröße, da ihr Mittelwert nicht Null ist. Sie kann beispielsweise eine zeitabhängige Spannung oder einen zeitabhängigen Strom darstellen. 105 4 Wechselstromlehre Eine sehr wichtige Größe zur Kennzeichnung von Wechselgrößen ist die Wurzel aus dem quadratischen Mittelwert, die als Effektivwert bezeichnet wird: (4.4) Effektivwerte werden durch Großbuchstaben gekennzeichnet. Aus ihrer Definition folgt, daß Effektivwerte stets positiv sind. Eine Einschränkung der Wechselgrößen auf sinusförmige Wechselgrößen führt Uns auf diejenigen Zeitverläufe, die wir im weiteren betrachten wollen. Sinusförmige Wechselspannungen oder sinusförmige Wechselströme werden von den Generatoren bei der rotatorischen Spannungserzeugung geliefert. Diesen Zusammenhang haben wir bereits grundsätzlich in Kapitel 2 berechnet. In Bild 2.2 wurde die in einer rotierenden Leiterschleife induzierte Spannung konstruiert. Bild 4.2. In dem nach oben gerichteten homogenen Magnetfeld der magnetiJG schen Flußdichte B rotiert eine Leiterschleife, deren Anschlüsse über Schleifringe abgegriffen werden und über einen OHMschen Widerstand verbunden sind. Aufgrund der Änderung des die Leiterschleife durchsetzenden magnetischen Flusses wird in der Leiterschleife eine Spannung induziert, die wegen der Verbindung der Anschlüsse mit dem OHMschen Widerstand einen Strom treibt, der in Phase zur induzierten Spannung ist. Strom und Spannung in der Leiterschleife wurden rechts konstruiert. Bei waagerecht liegender LeiterschleidΦ fe ist die Änderung des magnetischen Flusses gerade Null. Wegen u = N · dt hat die induzierte Spannung gerade eine Nullstelle. Durchläuft die Spule die senkrechte Position, so kehrt der magnetische Fluß in der Leiterschleife seine Richtung um. Hier liegt die größtmögliche Änderung des magnetischen Flusses vor, was sich durch ein Maximum (oder Minimum) der induzierten Spannung äußert. Die Änderung des Flusses durch die Leiterschleife erfolgt sinusförmig. Deshalb ist auch die induzierte Spannung sinusförmig. 106 4.1 Grundlagen und Begriffsbestimmung Wir können die Zeitabhängigkeit von Strom und Spannung schreiben als (4.5) wobei û bzw. î als Scheitelwerte oder Amplituden bezeichnet werden und (4.6) die Kreisfrequenz darstellt. Für die Einheit der Periodendauer gilt Aus der Kreisfrequenz folgt mit (4.7) die Frequenz ƒ. Wir haben diese Größen bereits in Kapitel 5.2 kennengelernt. In unserem Stromversorgungsnetz ist ƒ = 50Hz und damit T = 20ms und ω = 314 s-1. Beispiele für die Größenordnung der Frequenz: Europäisches Stromversorgungsnetz: Amerikanisches Stromversorgungsnetz: Netz der Bundesbahn: In der Elektrotechnik benutzter Frequenzbereich: quenzbereich der sichtbaren Lichtstrahlung: 50 Hz 60 Hz 16,667 (= 50/3) Hz 0 ... 40 GHz Fre400 ... 800THz Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen der Amplitude und dem Effektivwert für sinusförmige Wechselgrößen berechnet werden: Für das Integral über eine volle Periode gilt und es folgt (4.8) (4.9) 107 4 Wechselstromlehre Die Amplitude einer sinusförmigen Wechselgröße ist um den Faktor 2 größer als ihr Effektivwert. Dieser Zusammenhang gilt nur für sinusförmige Wechselgrößen. Der Effektivwert der Spannung unseres Wechselspannungsnetzes beträgt U = 230V (entsprechend û = 325V). Für die Leiterspannung unseres Dreiphasennetzes (Drehstromnetzes) gilt U = 400V (entsprechend û = 565V). Mehrphasensysteme wie das Drehstromsystem werden wir in Kapitel 10 kennenlernen. Bild 4.3. An zwei Zweipolen werden die dargestellten Verläufe von Strom und Spannung gemessen. Die Phasenwinkel von Strom und Spannung sind bezogen auf t = 0 eingetragen. Oben sind beide Phasenwinkel positiv (in +(ω · t)-Richtung zeigend), wobei φu größer ist als φi. Der Phasenwinkel φui = φu – φi zwischen Strom und Spannung ist deshalb positiv. Unten sind φu und φi negativ, wobei φi betragsmäßig größer als φu ist. Deshalb ist auch hier φui = φu φi positiv. In beiden Fällen eilt der Strom der Spannung nach. Man erkennt, daß im oberen und unteren Teil der Zeichnung φui gleich groß ist. Da auch die Amplituden von Strom und Spannung in beiden Fällen gleich sind, müssen beide Zweipole identisch sein. Die unterschiedlichen Darstellungen treten auf, da der Zeitpunkt t = 0 verschieden gewählt wurde. Wir werden später noch sehen, daß der Zweipol beispielsweise eine Serienschaltung einer Induktivität und eines OHMschen Widerstandes sein könnte. 108 4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung Zur allgemeinen Darstellung sinusförmiger Wechselgrößen sind Phasenwinkel φ erforderlich: (4.10) Diesen Phasenwinkeln, insbesondere der Differenz der Phasenwinkel und damit der Phasenverschiebung φui von Strom und Spannung, wird im weiteren noch eine besondere Bedeutung zukommen. Phasenverschiebungen zwischen Strom und Spannung treten in Wechselstromkreisen sehr häufig auf. Unter Berücksichtigung der Definitionen (4.11) sind zwei Beispiele für eine Phasenverschiebung von Strom und Spannung in Bild 4.3 angegeben. 4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung Wir wollen den Zusammenhang zwischen Strom und Spannung berechnen, wenn die einzelnen Schaltelemente an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen werden. Wir können auch für Wechselgrößen die in Kapitel 3 eingeführten idealen Spannungs- bzw. Stromquellen benutzen, die jetzt belastungsunabhängig eine eingeprägte Spannung u(t) bzw. einen eingeprägten Strom i(t) liefern. Wir verwenden die gleichen Schaltzeichen wie in Kapitel 1. Zur Vereinfachung kennzeichnen wir später eine angelegte Wechselgröße häufig nur durch einen Zählpfeil. OHMscher Widerstand Bild 4.4. An einen OHMschen Widerstand R wird eine Wechselspannung u(t) angelegt. 109 4 Wechselstromlehre An einen OHMschen Widerstand R wird gemäß Bild 4.4 die Spannung angelegt. In jedem Augenblick gilt das OHMsche Gesetz: (4.12) Gl. 4.12 enthält zwei Informationen: - eine Betragsgleichung (4.13) - eine Phasenbeziehung (4.14) Bild 4.5. Zeitliche Darstellung von Strom und Spannung an einem OHMschen Widerstand. Strom und Spannung sind gleichphasig, d.h. die Nulldurchgänge bzw. Extremwerte beider Kurven liegen zu gleichen Zeitpunkten vor. Damit können wir den zeitlichen Verlauf von Strom und an einem OHMschen Widerstand wie in Bild 4.5 darstellen. Spannung Das OHMsche Gesetz gilt gemäß Gl. 4.13 auch für Effektivwerte. Gemäß Gl. 4.14 sind bei einem OHMschen Widerstand Strom und Spannung „in Phase" (d.h. φui = 0°). 110 4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung Bild 4.6. An eine Induktivität L wird eine Wechselspannung u(t) angelegt. Induktivität An eine Induktivität mit der Selbstinduktivität L wird gemäß Bild 4.6 die Spannung angelegt. In jedem Augenblick gilt gemäß Gl. 5.17 Für i(t) machen wir gemäß Gl. 4.10 den Ansatz und erhalten (4.15) Bild 4.7. Der Blind widerstand XL einer Induktivität steigt linear mit der Kreisfrequenz ω an. 111 4 Wechselstromlehre Gl. 4.15 enthält zwei Informationen, eine Betragsgleichung und eine Phasenbeziehung: - Die Betragsgleichung lautet (4.16) Die Abkürzung XL wird Blindwiderstand der Induktivität oder induktiver Blindwiderstand genannt. Diese Bezeichnung werden wir verstehen, sobald wir den Leistungsumsatz in einer Induktivität untersucht haben. Im Moment ist es für uns nur wichtig, zu sehen, daß der Blindwiderstand einer Induktivität proportional der Kreisfrequenz ω ist, wie Bild 4.7 zeigt. (Wir werden später spezifizieren: XL = ω · L.) - Die Phasenbeziehung lautet cos (ω · t + φi) — sin (ω · t + φu). Diese Gleichung können wir umformen zu Es folgt . (4.17) An einer Induktivität sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben. Für φu = 0 gilt φi = - π 2 , und es ergibt sich: Damit können wir den zeitlichen Verlauf von Strom und Spannung an einer Induktivität wie in Bild 4.8 darstellen. Bild 4.8. Zeitliche Darstellung von Strom und Spannung an einer Induktivität. Zwischen Strom und Spannung liegt eine Phasenverschiebung φui = φu – φi = +90° vor. Der Strom eilt der Spannung um 90° nach. 112 4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung An einer Induktivität eilt der Strom der Spannung um π (90°) nach. Eine In2 duktivität wirkt durch die in ihr induzierte Spannung einer Stromänderung entgegen. Der Strom in einer Induktivität folgt daher dem Verlauf der angelegten Spannung mit einer zeitlichen Verzögerung. Kondensator Bild 4.9. An einen (idealen) Kondensator mit der Kapazität C wird eine Wechselspannung u(t) angelegt. An einen Kondensator mit der Kapazität C wird gemäß Bild 4.9 die Spannung angelegt. In jedem Augenblick gilt für die auf dem Kondensator gespeicherte Ladung q gemäß Gl. 2.19 Der Strom i(t) ist die zeitliche Änderung dieser Ladung: (4.18) Gl. 4.18 enthält zwei Informationen, eine Betragsgleichung und eine Phasenbeziehung: - Die Betragsgleichung lautet (4.19) Die Abkürzung XC wird Blindwiderstand des Kondensators oder kapazitiver Blindwiderstand genannt. Wir werden später noch sehen, daß es vorteilhaft ist, XC als negative Größe (4.20) 113 4 Wechselstromlehre zu betrachten. Der Betrag des Blindwiderstandes eines Kondensators ist reziprok proportional der Kapazität C und der Kreisfrequenz ω wie Bild 4.10 zeigt. Bild 4.10. Der Betrag des Blindwiderstandes eines Kondensators fällt mit wachsendem ω. In Gleichspannungskreisen (ω = 0) wirkt ein Kondensator wie eine Unterbrechung. Die Phasenbeziehung lautet sin (ω · t + φu + π 2 ) = sin (ω · 1 + φi). (4.21) An einem Kondensator sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben. Für φu = 0 gilt φi = + π 2 , und es folgt: Damit können wir den zeitlichen Verlauf von Strom und Spannung an einem Kondensator wie in Bild 4.11 darstellen. Bei einem Kondensator eilt der Strom der Spannung um π (90°) vor. Kondensato2 ren benötigen zum Aufbau einer Spannung Ladungen. Diese müssen in Form eines Stromflusses zugeführt werden, damit sich als Folge eine Spannung aufbauen kann. 114 4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung Bild 4.11. Auch hier beträgt die Phasenverschiebung von Strom und Spannung 90°, allerdings läuft hier die Spannung dem Strom nach. Induktivität und Kondensator weisen also eine Phasenverschiebung von Strom und Spannung von π auf. Bei einer Induktivität eilt der Strom nach, bei einem 2 Kondensator eilt der Strom vor. Um sich diesen Sachverhalt einfacher merken zu können, wurde eine große Zahl dummer Merksprüche geprägt. Einer davon lautet: „Im Normalfall läuft er ihr nach, nur bei Kapazitäten läuft sie ihm nach." Dazu muß man wissen, daß Wechselstromnetze im Normalfall eine induktive Belastung haben und berücksichtigen, daß Strom bzw. Spannung maskulines bzw. feminines Genus aufweisen. Die Phasenwinkel φui = -90°, φui = 0° und φui = +90° treten an reinen (idealen) Kondensatoren, OHMschen Widerständen und Induktivitäten auf. Werden Kondensatoren, OHMsche Widerstände und Induktivitäten zusammengeschaltet, so kann der Phasenwinkel beliebige Werte zwischen φui = -90° und φui = +90° annehmen: φui = -90° : rein kapazitives Verhalten -90° < φui < 0° : OHMsch – kapazitives Verhalten einfachste Realisierung durch Serien- oder Parallelschaltung von Kondensator und OHMschem Widerstand φui = 0° : rein OHMsches Verhalten 0° < φui < +90° : OHMsch - induktives Verhalten einfachste Realisierung durch Serien- oder Parallelschaltung von Induktivität und OHMschem Widerstand φui = +90° : rein induktives Verhalten 115 4 Wechselstromlehre 4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren Wir haben bisher Wechselgrößen in Zeitdiagrammen dargestellt. Diesen konnten wir beispielsweise Phasenverschiebungen von Strom und Spannung sowie Amplituden der einzelnen Größen entnehmen. Die Darstellung in Zeitdiagrammen ist jedoch recht mühsam. Außerdem ist eine mathematische Behandlung der zeitabhängigen Größen, beispielsweise beim Aufstellen von Maschengleichungen, in der bisher benutzten Form sehr umständlich. Aus diesen Gründen soll im folgenden eine effizientere Darstellungsform für Wechselgrößen hergeleitet werden. 4.3.1 Sinusförmige Wechselgrößen als rotierende Zeiger Bild 4.12. Rechts sehen wir die zeitliche Darstellung von Strom und Spannung an einem Zweipol. (Zweipole wurden in Kapitel 1.9.1 definiert.) Wir wollen diejenigen Zeiger konstruieren, die Strom und Spannung für den Zeitpunkt t1 darstellen. Dazu zeichnen wir in das linke Achsenkreuz zunächst zwei (Viertel-)kreise mit den Durchmessern der Amplituden von Strom bzw. Spannung. Dann fällen wir das Lot von u(t1) und i(t1) auf die y-Achse. Der Schnittpunkt jedes Lotes mit dem zugehörigen Kreis ist der Endpunkt des gesuchten Zeigers. Der Zeigeranfang liegt im Ursprung des Achsenkreuzes. Wir haben für die Konstruktion nur den Viertelkreis im ersten Quadranten des Achsenkreuzes benötigt, da der Spannungszeiger für ω · t = 0 in x-Richtung T zeigen soll und außerdem der Zeitpunkt t1 für u(t) und i(t) bei 0 < t1 < vor 4 T T dem Maximum der Kurven liegt. Für < t1 < lägen die Zeiger im zweiten 4 2 Quadranten der xy-Ebene usw. . Der ermittelte Phasenwinkel φui = φu – φi liegt zwischen den Zeigern. Er ist in diesem Beispiel negativ, da φi > φu > 0 ist. Negative Winkel sind entgegengesetzt zur Rotationsrichtung gerichtet. — Aus einem Zeiger läßt sich der zugehörige Momentanwert u(t1) bzw. i(t1) durch eine Projektion des Zeigers auf die y-Achse gewinnen. Eine geeignete Darstellung einer sinusförmigen Wechselgröße bestellt aus einem Zeiger, der mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω im Gegenuhrzeigersinn um den 116 4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren Nullpunkt einer xy-Ebene rotiert. Die Länge des Zeigers kennzeichnet die Amplitude der Wechselgröße. Der Momentanwert der Wechselgröße kann aus der Projektion des Zeigers auf die y-Achse ermittelt werden. Für einen beliebigen Zeitpunkt t1 können die zu Wechselgrößen gehörigen Zeiger aus einem Zeitdiagramm konstruiert werden. Wir ermitteln dazu gemäß Bild 4.12 jeweils den Schnittpunkt des Lotes vom Momentanwert auf die y-Achse mit demjenigen Kreis um den Nullpunkt, der die Amplitude repräsentiert. Der Schnittpunkt mit dem Kreis ist der Endpunkt des gesuchten Zeigers. Der Anfangspunkt liegt vereinbarungsgemäß im Nullpunkt der xy-Ebene. Die Projektionen der rotierenden Zeiger aus dem vorstehenden Beispiel auf die y-Achse liefern die zeitabhängigen Größen Unter Beachtung von Gl. 4.11 kann aus dem Diagramm der Zeiger ebenfalls der Phasenwinkel φui entnommen werden. 4.3.2 Addition von Zeigern Beim Aufstellen von Knotenpunkts- oder Maschengleichungen ist es erforderlich, Ströme oder Spannungen zu addieren. Bei zeitabhängigen Größen müßten dabei die Additionstheoreme benutzt werden, was bekanntermaßen recht umständlich ist. Hier zeigt sich der Vorteil der Zeigerdarstellung. In Bild 4.13 sind gegeben. Gesucht ist u3(t) = u1(t) + u2(t). Bild 4.13. Aus der Maschengleichung ergibt sich die Spannung u3(t) als Summe der Spannungen u1(t) und u2(t). 117 4 Wechselstromlehre Bild 4.14. und u2(t) durch punktweise Addition berechnet und gezeichnet. Links werden die zu den drei Spannungen gehörenden Zeiger für den Zeitpunkt t1 gemäß Kapitel 4.3.1 konstruiert. Man erkennt, daß sich der Zeiger für u3 aus der Addition der Zeiger für u1 und u2 ergibt, wenn die Zeiger als gerichtete Größen, wie z.B. Vektoren, aufgefaßt werden. Umgekehrt ist es möglich, aus dem berechneten und gezeichneten Zeiger die zeitabhängige Größe zu konstruieren. Die Zeitverläufe der Spannungen u1(t).. .u3(t) sowie die Zeiger u1(t)... u3(t) sind in Bild 4.14 skizziert. Man erkennt, daß sich der Zeiger u3(t) der Spannung u3(t) aus der Addition der Zeiger der Spannungen u1(t) und u2(t) ergibt, wenn die Zeiger als gerichtete Größen (z.B. Vektoren) aufgefaßt werden. Voraussetzung ist dabei, daß alle Wechselgrößen die gleiche Frequenz aufweisen und sinusförmig sind. Wenn wir die Zeigerdarstellung durch eine Unterstreichung der betreffenden Größe kennzeichnen, so können wir die Addition der Zeiger in folgender Form schreiben: (4.22) Parallel dazu benutzen wir nicht unterstrichene Größen entsprechend den bisher getroffenen Vereinbarungen. Den Zeiger u(t) bezeichnen wir als „rotierenden Scheitelwertzeiger der Spannung u(t)“. 118 4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren 4.3.3 Vereinfachte Zeigerdarstellung Um auf unsere endgültige Darstellungsform von Wechselgrößen durch Zeiger zu kommen, werden noch zwei Vereinfachungen vorgenommen: - Wir können die Rotation der Zeiger weglassen, da diese für alle Zeiger gleich (da Frequenzgleichheit vorausgesetzt wurde) und konstant ist. Benötigt werden nur die Zeigerlängen und die Phasenwinkel zwischen den Zeigern. Die Zeiger û(φu) und î(φi) werden als „ruhende Scheitelwertzeiger" bezeichnet. Sie sind mit den rotierenden Scheitelwertzeigern für den Zeitpunkt t = 0 identisch. - Wir kennzeichnen durch die Zeigerlänge nicht mehr den Scheitelwert der Wechselgröße, sondern ihren Effektivwert. Als Formelzeichen benutzen wir unterstrichene Großbuchstaben. Die Zeiger U und I werden als „ruhende Effektivwertzeiger" bezeichnet. Im folgenden werden wir überwiegend diese Zeiger benutzen. Für die Addition der Spannungen u1(t) und u2(t) aus Bild 4.13 gilt völlig analog zu Gl. 4.22 für die ruhenden Effektivwertzeiger, wie in Bild 4.15 skizziert, (4.23) Bild 4.15. Der Zeiger U3 der Spannung u3(t) aus Bild 4.13 folgt aus der Addition der Zeiger für u1(t) und u2(t), wenn die Zeiger als gerichtete Größen aufgefaßt werden. Die Momentanwerte einer sinusförmigen Wechselgröße können aus dem ruhenden Effektivwertzeiger ermittelt werden, indem der Übergang zum rotierenden Scheitelwertzeiger gemacht wird. Dessen Projektion auf die y-Achse liefert den Momentanwert. Ein analytisches Verfahren werden wir in Kapitel 4.4 kennenlernen. 119 4 Wechselstromlehre Zwei Beispiele für die Anwendung der ruhenden Effektivwertzeiger zeigt Bild 4.16. Bild 4.16. Zur Beschreibung von Strom und Spannung an einem Zweipol durch Zeiger benötigen wir die Länge der Strom- und Spannungszeiger sowie den Phasenwinkel φui. Die Lage des ersten Zeigers können wir beliebig wählen. Jeder weitere Zeiger muß dann in seiner Richtung relativ zum ersten Zeiger richtig eingetragen werden. Links wurde beispielsweise der Spannungszeiger horizontal angeordnet (φu = 0°). Der Winkel des Stromzeigers muß dann φi = φu - φui = -φui bezogen auf die Horizontale sein. Wir können die gesamte Skizze beliebig in der Zeichenebene drehen, ohne die korrekte Darstellung zu verfälschen. Rechts wurde ein positiver Phasenwinkel φu bei der Zeichnung berücksichtigt (stets bezogen auf die Horizontale). Der Zeiger des Stromes wird mit seinem Phasenwinkel φi = φu - φui (bezogen auf die Horizontale) gezeichnet. Die Phasenverschiebung von Spannung und Strom ergibt sich stets aus dem Winkel φui zwischen Spannungs- und Stromzeiger. Die Phasenverschiebung ist abhängig von dem Zweipol, dessen Strom- und Spannungszeiger wir betrachten. In beiden Beispielen gilt φui < 0°. Da die Längen der Strom- und Spannungszeiger links und rechts identisch sind und auch φui gleich ist, beschreibt die linke und rechte Darstellung den gleichen Zweipol. Zeiger zur Darstellung von Betrag und Phase einer Wechselgröße werden in der Literatur häufig als Phasoren bezeichnet. Diese Bezeichnung werden wir im folgenden teilweise benutzen. Effektivwertzeiger können in beliebige Komponenten (z.B. in x- oder yRichtung) zerlegt werden. Diese Komponenten können jedoch anders als die Effektivwerte selbst positive und negative Zahlenwerte annehmen. Es darf daher nur die Länge eines Effektivwertzeigers mit dem Effektivwert gleichgesetzt werden. 120 4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren 4.3.4 Strom und Spannung an Widerstand, Induktivität und Kondensator in Zeigerdarstellung Bild 4.17. Links: An einem Widerstand sind Strom und Spannung in Phase (φui =0°). Mitte: An einer Induktivität eilt der Strom der Spannung um 90° nach (φui = +90°). Rechts: An einem Kondensator eilt der Strom der Spannung um 90° voraus (φui = -90°). Wir wollen unsere Erkenntnisse aus Kapitel 4.2 umsetzen in die Zeigerdarstellung. In Bild 4.17 sind die Zeiger für Strom und Spannung an Widerstand, Induktivität und Kondensator gezeichnet, wobei die Richtung des Spannungszeigers willkürlich nach rechts gewählt wurde. 121 4 Wechselstromlehre 4.3.5 Die KIRCHHOFFschen Gleichungen für Zeiger Wir haben die KIRCHHOFFschen Gleichungen für Gleichspannungen und Gleichströme abgeleitet. Für Wechselgrößen müssen die KIRCHHOFFschen Gleichungen in jedem beliebigen Zeitpunkt ebenfalls erfüllt sein. Knotenpunktsgleichung: Die Summe der Strommomentanwerte an einem Knotenpunkt, beispielsweise gemäß Bild 4.18, ist Null: (4.24) Bild 4.18. zeitabhängige Größen iv(t) oder als Zeiger lv darstellen können. Die entsprechend der Zählpfeilrichtung in den Knotenpunkt hineinfließenden Ströme werden mit negativem Vorzeichen berücksichtigt, die herausfließenden Ströme mit positivem Vorzeichen. Eine Umkehr aller Vorzeichen führt zum gleichen Ergebnis. Die Ströme i1(t) ... i4(t) können wir als Zeiger darstellen. Aus Gl. 4.24 folgt in Analogie zu GL 4.23 (4.25) Aus Gl. 4.25 folgt, daß die Stromzeiger eines Knotenpunktes gemäß Bild 4.19, linker Teil, ein Vieleck bilden. Diese Darstellung wird Zeigerdiagramm oder Zeigerbild (von Strömen) genannt. Zur Darstellung der Zeitabhängigkeit transformiert man die ruhenden Effektivwertzeiger I in die rotierenden Scheitelwertzeiger i(t). Diese werden so verschoben, daß der Zeigeranfang im Ursprung der xy-Ebene liegt. Die Projektion der einzelnen Zeiger auf die y-Achse liefert den jeweiligen Momentanwert des entsprechenden Stromes. Im rechten Teil von Bild 4.19 sind die rotierenden Scheitelwertzeiger für den Zeitpunkt t = 0 skizziert. Die Zeigerlänge ist um den Faktor 2 größer als die der 122 4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren Bild 4.19. Links: Zeigerdiagramm von Strömen an einem Knotenpunkt. Die Summe der Ströme, die in den Knotenpunkt hineinfließen, ist Null. Folglich muß die Addition der Stromzeiger ein in sich geschlossenes Vieleck ergeben. Rechts: Zur Ermittlung der Momentanwerte der Ströme wurden die rotierenden Scheitelwertzeiger konstruiert. Im Zeitpunkt t = 0 sind sie wie die Effektivwertzeiger orientiert. Effektivwertzeiger. Wie Bild 4.19 zu entnehmen ist, sind die Momentanwerte für t = 0 von i1(t) und i4(t) negativ. In diesem Fall fließt der Strom in dem Zeitpunkt, für den das Zeigerdiagramm gezeichnet wurde, entgegengesetzt zur Zählpfeilrichtung. Positive Momentanwerte: Strom fließt zum betrachteten Zeitpunkt in Zählpfeilrichtung Negative Momentanwerte: Strom fließt zum betrachteten Zeitpunkt entgegen der Zählpfeilrichtung Maschengleichung: Wir gehen von einer Serienschaltung aus Zweipolen Zv gemäß Bild 4.20 aus. Zum betrachteten Zeitpunkt ist die Summe aller Spannungen in der Masche M Null: (4.26) Spannungen, deren Zählpfeilrichtung mit der Umlaufrichtung übereinstimmt, werden positiv gezählt. Ist der Zählpfeil entgegen der Umlaufrichtung orientiert, wird die Spannung negativ gezählt. Die Spannungen u0(t)... u4(t) können wieder durch Zeiger U0 ... U4 dargestellt werden. Für diese Zeiger muß ebenfalls gelten, daß ihre Summe Null ist: (4.27) 123 4 Wechselstromlehre Bild 4.20. An die Serienschaltung von Zweipolen Zv wird eine Wechselspannung U0 angelegt. Die Summe der Spannungsabfälle an den Zweipolen muß für jeden Zeitpunkt gleich der angelegten Spannung sein, wie man der Maschengleichung für die Masche M entnehmen kann. Aus Gl. 4.27 folgt, daß die Spannungszeiger einer Masche ein Vieleck gemäß Bild 4.21 bilden. Die Ermittlung der Momentanwerte der Spannungen aus dem Zeigerdiagramm erfolgt in gleicher Weise wie aus dem Zeigerdiagramm von Strömen. Wie Bild 4.21 zu entnehmen ist, sind die Momentanwerte für t = 0 von u3(t) und u4(t) negativ. Zu dem betrachteten Zeitpunkt ist die Spannung entgegengesetzt zur Zählpfeilrichtung orientiert. Bild 4.21. Zeigerdiagramm von Spannungen. Die Maschengleichung der Schaltung aus Bild 4.20 liefert ein geschlossenes Vieleck. Positive Momentanwerte: Spannung liegt zum betrachteten Zeitpunkt in Zählpfeilrichtung an. Negative Momentanwerte: Spannung liegt zum betrachteten Zeitpunkt entgegen der Zählpfeilrichtung an. 124 4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren 4.3.6 Beispiel einer Schaltungsberechnung mit der Zeigerdarstellung Gegeben sei die Schaltung gemäß Bild 4.22. Der Betrag der Spannung U sowie die Elemente R, L und C und ω sind bekannt. Gesucht ist der Betrag des Stromes I und sein Phasenwinkel φui bezüglich der Spannung U. Bild 4.22. An die gezeichnete Schaltung mit den bekannten Elementen R, L und C wird eine Wechselspannung U angelegt. Wir wollen den Strom I ermitteln, d.h. seinen Betrag und seine Phasenlage bezogen auf U. (Hinweis zur Bezeichnung: UP = Spannung über der Parallelschaltung aus L und C.) Es gelten die Maschen- und Knotenpunktsgleichungen sowie die Beziehungen zwischen den Effektivwerten von Strom und Spannung gemäß GL 4.13, Gl. 4.16 und GL 4.19 Aufgrund unserer bisherigen Kenntnisse über die Phasenbeziehung von Strom und Spannung an den Elementen der Schaltung ist es uns möglich, ein prinzipielles Zeigerdiagramm (ohne die exakten Zeigerlängen) zu erstellen. Mit Hilfe der obigen Gleichungen und diesem Zeigerdiagramm kann der gesuchte Strom I berechnet werden. 125 4 Wechselstromlehre Bild 4.23. Prinzipielles Zeigerdiagramm zur Schaltung gemäß Bild 4.22. Wir können dieses Zeigerdiagramm prinzipiell (d.h. ohne die exakten Zeigerlängen) ohne Rechnung direkt aus der Schaltung entwickeln. Dazu definieren wir eine xy-Ebene, in der die Zeiger liegen sollen, und wählen beliebig die Lage eines Zeigers. In diesem Fall soll der Zeiger UP in +x-Richtung zeigen. Alle anderen Zeiger müssen in ihrer Phasenlage bezüglich UP richtig gewählt werden. Um das Zeigerdiagramm in Bild 4.23 zu erstellen, gehen wir von der Spannung UP aus. Der Zeiger von UP möge in +x-Richtung zeigen. Wenn ein Zeiger aus der Schaltung festgelegt ist, müssen alle übrigen Zeiger bezüglich ihrer Phasenlage darauf bezogen werden. So eilt der Strom durch die Induktivität IL der an der Induktivität liegenden Spannung UP um 90° nach. Der Zeiger IL weist somit in -y-Richtung. Der Strom Ic durch den Kondensator eilt der Spannung UP um 90° voraus. Sein Zeiger weist somit in +y-Richtung. Gemäß der Knotenpunktsgleichung folgt aus der Summe der Ströme IL und Ic der Gesamtstrom I. Dieser zeigt, je nachdem, ob der Betrag von Ic oder IL größer ist, in +y- oder -y-Richtung. Im Beispiel wurde IC > IL (kapazitives Verhalten der Parallelschaltung) angenommen. Aus der Richtung des Zeigers des Gesamtstromes I folgt die Richtung des Zeigers der Spannung UR. Da I durch den Widerstand R fließt und an einem OHMschen Widerstand Strom und Spannung in Phase sind, ist die Richtung des Zeigers von UR gleich der Richtung des Zeigers von I. Aus der Addition der Zeiger Up und UR folgt der Zeiger der Gesamtspannung U. Zwischen U und I liegt der Phasenwinkel φui der Gesamtschaltung. Aus dem prinzipiellen Zeigerdiagramm und den oben aufgestellten Beziehungen für die Effektivwerte von Strom und Spannung kann der Effektivwert (also der Betrag) des Stromes I und seine Phasenlage bezüglich U (also der Phasenwinkel φui) berechnet werden. Für den Effektivwert des Stromes ergibt sich 126 4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren Für den Betrag des Phasenwinkels gilt Aus dem Zeigerbild ist zu entnehmen, daß φui kleiner Null ist. (Hätten wir |IL| >|IC| gewählt, wäre φui größer Null.) Deshalb gilt für unser Zeigerbild Die obige Berechnung konnten wir durchführen, da es uns gelungen war, das prinzipielle Zeigerdiagramm zu konstruieren. Eine direkte Benutzung der oben aufgestellten Betragsgleichungen hätte zu einem fehlerhaften Ergebnis geführt. Nun ist das geometrische Verfahren bei komplizierten Schaltungen sehr schwer durchführbar. Deshalb soll im folgenden ein rationelles algebraisches Verfahren zur Berechnung von Wechselstromkreisen eingeführt werden. 127 4 Wechselstromlehre 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen 4.4.1 Beschreibung von Phasoren durch komplexe Zahlen Bei der Ableitung der Phasoren in Kapitel 4.3 hatte es sieh gezeigt, daß sinusförmige Wechselgrößen u(t) und i(t) durch Zeiger dargestellt werden können. Wir haben die rotierenden Scheitelwertzeiger u(t) und i(t) sowie die ruhenden Effektivwertzeiger U und I kennengelernt. In Bild 4.24 sind diese Zeiger skizziert. Bild 4.24. Links: Die rotierenden Scheitelwertzeiger u(t) und i(t) laufen mit der Kreisfrequenz ω als Winkelgeschwindigkeit in einer xy-Ebene um. Die Länge der Zeiger entspricht dem Scheitelwert der Wechselgröße. Die Projektion der Zeiger auf die y-Achse liefert den Momentanwert. Zwischen den Zeigern liegen feste Phasenwinkel, hier der Phasenwinkel φui = φu – φi. Rechts: Die ruhenden Effektivwertzeiger liegen fest in der xy-Ebene. Auch zwischen ihnen liegt in diesem Beispiel der Phasenwinkel φui. Alle Zeiger dürfen in der xy-Ebene verschoben werden, beispielsweise um zwei Zeiger graphisch wie Vektoren zu addieren. Die Zeiger sind durch ihre Länge und den Winkel bestimmt, den sie zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der x-Achse bilden: Die Zeigerdarstellung ist sehr günstig, allerdings fehlt noch die Möglichkeit, effektiv mit den Zeigern zu rechnen. Diese Möglichkeit bietet sich durch die Verwendung komplexer Zahlern Die Zeiger können nämlich durch komplexe Zahlen z gemäß Bild 4.25 in der GAUSSschen Zahlenebene dargestellt werden. 128 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen (4.28) (4.29) (4.20) (4.31) (4.32) (4.33) Bild 4.25. Eine komplexe Zahl z kann in einer GAUSSschen Zahlenebene dargestellt werden. Die GAUSSsche Zahlenebene wird aufgespannt durch eine Achse (Re) für den Realteil und eine Achse (Im) für den Imaginärteil der komplexen Zahl. Beide Achsen stehen orthogonal zueinander. Eine komplexe Zahl kann angegeben werden durch ihren Real- und Imaginärteil (z = x + j · y) oder durch ihren Betrag und ihren Winkel bezüglich der Achse des Realteils (z = z · exp(j · φ)). Wenden wir auf GL 4.33 den EULERschen26 Satz (4.34) an, so können wir für die komplexe Zahl z schreiben (4.35) Gl. 4.35 ist die Darstellung einer komplexen Zahl in Polarkoordinaten. Wir können GL 4.35 entnehmen, daß eine komplexe Zahl z zwei Größen vereint, nämlich den 26 LEONAHRD EULER, * 15.4.1707 in Basel, † 18.9.1783 in St. Petersburg. Mathematiker und Physiker, Arbeiten zur Integral-, Differential- und Variationsrechnung, zur Algebra und Zahlentheorie, zur Elementar- und Differentialgeometrie sowie zur Mechanik. 129 4 Wechselstromlehre Betrag z und den Phasenwinkel φ. Damit sind komplexe Zahlen geeignet, Zeiger und somit sinusförmige Wechselgrößen darzustellen. Zeiger können durch komplexe Zahlen dargestellt werden. Komplexe Zahlen können ihrerseits als Zeiger aufgefaßt werden. Deshalb kennzeichnen wir komplexe Zahlen wie Zeiger durch eine Unterstreichung des Formelzeichens. Wir werden im folgenden teilweise die Bezeichnung „komplexer Zeiger" benutzen, um hervorzuheben, daß der Zeiger durch eine komplexe Zahl dargestellt wird. 4.4.2 Die Zeiger u(t), i(t), U und I als komplexe Größen Wollen wir Phasoren durch komplexe Zahlen darstellen, so muß offenbar z dem Betrag des Phasors entsprechen und φ dem Winkel zwischen dem Phasor und der x-Achse. Ein Vergleich von Bild 4.24 mit Bild 4.25 zeigt dies. Mit den in Kapitel 4.4.1 zusammengestellten Winkeln folgt für die rotierenden Scheitelwertzeiger u(t) und i(t) in komplexer Darstellung (4.36) Für die ruhenden Effektivwertzeiger U und I gilt (4.37) U bzw. I werden abkürzend als komplexe Spannung bzw. komplexer Strom bezeichnet. Aus Gl. 4.36 und GL 4.37 folgt (4.38) Die Drehung der rotierenden Zeiger bewirkt der Term exp(jωt). Die zeitabhängigen Größen u(t) und i(t) werden aus der Projektion der rotierenden Scheitelwertzeiger auf die y-Achse, d.h. für die komplexe Größe auf die Achse des Imaginärteils gewonnen. Die Projektion ist aber der Imaginärteil selbst: (4.39) Um die Übersichtlichkeit zu verbessern, werden wir auch im folgenden in Produkttermen teilweise das Multiplikationszeichen „·“ weglassen. 130 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen 4.4.3 Die Zeitableitung in komplexer Darstellung Beim Zusammenhang von Strom und Spannung an Induktivitäten und Kondensatoren tritt eine Zeitableitung auf. Zur Berechnung von Wechselstromschaltungen mit Hilfe komplexer Größen wird deshalb die Zeitableitung in komplexer Darstellung benötigt. Wir betrachten zunächst die Zeitableitung einer „normalen", zeitabhängigen Größe, einer sog. reellen Wechselgröße: (4.40) Die Zeitableitung einer Wechselgröße in komplexer Darstellung liefert (4.41) (4.42) Mit und Gl. 4.37 U = U · exp(jφu) folgt (4.43) Probe: Die Projektion dieses komplexen Zeigers auf die Achse des Imaginärteils muß das obige Ergebnis der Zeitableitung der reellen Größe liefern: Das entsprechende Ergebnis gilt für die Zeitableitung von Strömen. Wir können für die Zeitableitung eine Operatorschreibweise einführen; Außerdem können wir die Zeitableitung und die Bildung des Imaginärteils vertauschen: (4.44) 131 4 Wechselstromlehre 4.4.4 Strom und Spannung in komplexer Darstellung an Widerstand, Induktivität und Kondensator Voraussetzungen: u(t), i(t) sinusförmig, R, L und C = konst. Für die Momentanwerte von Strom das OHMsche Gesetz | das Induktionsgesetz und Spannung gilt: | q(t) = C · u(t) = ∫ i(t) · dt Die Momentanwerte können als Imaginärteile der zugehörigen rotierenden Scheitelwertzeiger in komplexer Darstellung aufgefaßt werden (Projektion auf die Achse des Imaginärteils): (4.45) (4.45) Wir machen den Übergang von der Projektion der komplexen Zeiger auf die komplexen Zeiger selbst: (4.46) (4.46) 132 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen Wir machen den Übergang von den rotierenden Scheitelwertzeigern auf die ruhenden Effektivwertzeiger: (4.47) Gl. 4.45, Gl. 4.46 und Gl. 4.47 sind wichtige Ergebnisse. Wir haben den Zusammenhang von Strom und Spannung an den Schaltelementen in komplexer Darstellung berechnet. Um zu überprüfen, welche Informationen Gl. 4.45, Gl. 4.46 und Gl. 4.47 enthalten, stellen wir die komplexen Zeiger unter Benutzung von j = exp(j · und π 1 = exp(-j · ) in Polarkoordinaten dar: j 2 π 2 ) Eine Zerlegung nach Betrag und Phase liefert: Die ermittelten Phasenverschiebungen und Betragsgleichungen kennen wir bereits aus Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3.4. Allerdings konnten wir hier in sehr einfacher Weise beide Informationen aus jeweils einer einzigen Gleichung (Gl. 4.45, Gl. 4.46 und Gl. 4.47) gewinnen. Durch die Darstellung von Strom und Spannung als komplexe 133 4 Wechselstromlehre Größen steht uns somit eine leistungsfähige algebraische Methode zur Berechnung von Wechselstromkreisen zur Verfügung. 4.4.5 Mathematische Ergänzung zum Rechnen mit komplexen Größen Darstellung von komplexen Größen (Bild 4.26) Bild 4.26. Darstellung einer komplexen Zahl z. Wir haben die Komponentendarstellung und die Polarkoordinatendarstellung einer komplexen Zahl z kennengelernt. Beide Darstellungsformen sind einander gleichwertig. Bestimmte mathematische Operationen sind jedoch in der einen oder anderen Darstellungsform einfacher durchzuführen. Deshalb ist es oft erforderlich, mit Hilfe von Gl. 4.30 und (4.48) bzw. GL 4.31 und GL 4.32 die Darstellungsformen zu wechseln, Diese Operationen werden von vielen Taschenrechnern mit je einem Tastendruck ausgeführt (Umwandlung in Polarkoordinaten bzw. in kartesische Koordinaten), 134 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen Bild 4.27. Die zu einer komplexen Zahl z konjugiert komplexe Zahl z* weist ein invertiertes Vorzeichen des Imaginärteils bzw. des Phasenwinkels auf. Konjugiert komplexe Größen (Bild 4.27) Häufig wird die zu einer komplexen Größe z = x + j · y „konjugiert komplexe Größe" z* mit (4.49) benötigt. Sie weist gegenüber der Originalgröße ein invertiertes Vorzeichen des Imaginärteils auf, d.h. sie kann durch Spiegelung des Zeigers an der Achse des Realteils gebildet werden. Es gilt (4.50) Für die Beträge gilt (4.51) Addition von komplexen Größen (Bild 8.28) Bild 4.28. Die Summe zweier komplexer Zahlen ergibt sich aus der Summe der Realteile und der Summe der Imaginärteile. 135 4 Wechselstromlehre Günstig ist hier die Komponentendarstellung: (4.52) Multiplikation von komplexen Größen Günstig ist hier die Polarkoordinatendarstellung: (4.53) In der Komponentendarstellung ergibt sich: (4.54) Division von komplexen Größen Günstig ist hier wieder die Polarkoordinatendarstellung: (4.55) In der Komponentendarstellung ergibt sich: 136 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen Eine Trennung nach Real- und Imaginärteil ist über eine Erweiterung des Bruches mit der konjugiert komplexen Größe des Nenners möglich, da für das Produkt z · z* gilt: (4.56 a) oder (4.56 b) Mit einer derartigen „konjugiert komplexen Erweiterung“ folgt (4.57) 4.4.6 Komplexer Widerstand (Impedanz) und komplexer Leitwert (Admittanz) Impedanz Wir haben an den Schaltelementen R, L und C gemäß Gl. 4.45, Gl. 4.46 und Gl. 4.47 einen linearen Zusammenhang zwischen U und I festgestellt. Diesen linearen Zusammenhang können wir unter Benutzung einer komplexen Größe Z durch (4.58) ausdrücken. Die Größe Z wird als komplexer Widerstand oder Impedanz bezeichnet. Gl. 4.58 kann als verallgemeinertes OHMsches Gesetz an einem beliebigen (linearen und passiven) Zweipol aufgefaßt werden. Die Impedanz Z ist im Gegensatz zu Strom und Spannung stets eine zeitunabhängige Größe: (4.59) (4.60) mit (4.61a,b) 137 4 Wechselstromlehre Der Betrag Z der Impedanz eines Zweipols ergibt sich aus dem Quotienten der Effektivwerte von Spannung und Strom an dem Zweipol, der Phasenwinkel φz ist gleich der Phasendifferenz φui von Strom und Spannung an dem Zweipol. Die Impedanz Z eines Zweipols ist der Quotient aus der komplexen Spannung U und dem komplexen Strom I. Wir können die Impedanz Z gemäß Bild 4.29, links, in einen Realteil und einen Imaginärteil zerlegen. Unabhängig davon, mit welchen Schaltelementen die Impedanz realisiert wird, bezeichnen wir den Realteil von Z mit R und den Imaginärteil von Z mit X. Wir können R und j X einer Impedanz auch als Zeiger auffassen. Die Summe dieser Zeiger liefert, wie in Bild 4.29, rechts, skizziert, die Impedanz Z. Diese Darstellungsform wird Zeigerbild der Impedanz genannt. Bild 4.29. Links: Die Impedanz Z eines Zweipols besteht aus dem Realteil R und dem Imaginärteil X. Sie kann auch durch ihren Betrag Z und ihren Phasenwinkel φz als Z = Z · exp(jφz) ausgedrückt werden. Dabei ergibt sich Z aus dem Quotienten U/I und φz aus der Phasenverschiebung φui an dem Zweipol. Für Z gilt auch Z = U/ I. Rechts: Zeigerbild der Impedanz Z. R und j X werden als Zeiger aufgefaßt. (4.62) (4.63) (4.64) Werden mehrere Impedanzen in Reihe geschaltet, so ergibt sich die Gesamtimpedanz als Summe der Teilimpedanzen. (4.65) 138 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen (4.66) (4.67) Admittanz Wir können den linearen Zusammenhang zwischen U und I gemäß Gl. 4.58 auch als (4.68) schreiben. Y wird als komplexer Leitwert oder Admittanz bezeichnet. In Analogie zur Impedanz gilt (4.70) mit (4.71a,b) Wir können auch Y gemäß Bild 4.30, links, in einen Realteil und einen Imaginärteil zerlegen. Unabhängig davon, mit welchen Schaltelementen der komplexe Leitwert realisiert wird, bezeichnen wir den Realteil von Y mit G und den Imaginärteil von Y mit B. Wir können auch G und j B gemäß Bild 4.30, rechts, als Zeiger auffassen und erhalten damit das Zeigerbild der Admittanz. Bild 4.30. Links: Real- und Imaginärteil der Admittanz. Rechts: Zeigerbild der Admittanz. Die Admittanz Y eines Zweipols ist der Kehrwert der Impedanz Z. 139 4 Wechselstromlehre (4.72) (4.73) (4.74) Werden mehrere Admittanzen parallelgeschaltet, so ergibt sich die Gesamtadmit-tanz als Summe der Einzeladmittanzen. (4.75) (4.76) (4.77) Impedanz und Admittanz von Widerstand, Induktivität und Kondensator Für die Schaltelemente R, L und C sind in der folgenden Tabelle die bisher allgemein definierten Größen angegeben. Wir müssen beachten, daß diese auch für beliebige Zusammenschaltungen der Elemente berechnet werden können. Die Bezeichnung für X ist Blindwiderstand oder Reaktanz, die für B Blindleitwert oder Suszeptanz. Z wird als Scheinwiderstand, Y als Scheinleitwert bezeichnet. R ist der Wirkwiderstand oder die Resistanz der Impedanz, G der Wirkleitwert oder die Konduktanz der Admittanz. (Vorsicht: in der Literatur wird manchmal die Bezeichnung „Impedanz" für |Z| benutzt.) Die Einheiten ergeben sich zu Für Impedanzen und Admittanzen wird das Schaltzeichen des OHMschen Widerstandes benutzt. Auch Reaktanzen und Suszeptanzen können in verallgemeinerter Darstellung durch das Schaltzeichen des OHMschen Widerstandes dargestellt werden. 140 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen 4.4.7 Komplexe Berechnung einfacher Schaltungen Indem wir elektrische Größen, die durch Betrag und Phase gekennzeichnet sind, durch komplexe Größen darstellen, haben wir die Voraussetzungen geschaffen, mit denen wir die Berechnungsmethoden der Gleichstromlehre auf Wechselstromschaltungen übertragen können. Wir wollen für zwei einfache Schaltungen den Strom aus der angelegten Spannung und den Elementen der Schaltung berechnen. Serienschaltung aus R und C gemäß Bild 4.31, gegeben: U, R, C; gesucht: I. Bild 4.31. An die Schaltung mit bekanntem R und C wird die Spannung U angelegt. Wir wollen den Strom I berechnen. Wir gehen völlig analog zu Gleichstromkreisen vor, setzen aber Ströme, Spannungen und Schaltelemente als komplexe Größen an. Wir können die Maschengleichung aufstellen und erhalten: Die Berechnung von I können wir in der Komponentendarstellung mit 141 4 Wechselstromlehre oder in der Polarkoordinatendarstellung durchführen: Der Phasenwinkel φu ist aus der Aufgabenstellung bekannt, φz wird mit der angegebenen Beziehung ermittelt. Die Berechnung erfolgt vollkommen losgelöst von geometrischen Hilfen. Eine Ergänzung, mit der sich das Ergebnis anschaulich interpretieren läßt, liefert das zugehörige Zeigerbild gemäß Bild 4.32. In dem Zeigerbild wurde I willkürlich in Richtung der reellen Achse gelegt. Bild 4.32. Zeigerbild der Spannungen und Ströme der Schaltung nach Bild 4.31 (links) und Zeigerbild der Gesamtimpedanz der Schaltung (rechts). In dem linken Zeigerbild wurde willkürlich der Strom I als reell vorausgesetzt. Damit muß auch die Spannung UR reell sein. Die Spannung UC eilt I um 90° nach. Die Summe UR + UC liefert die angelegte Gesamtspannung U. Zwischen U und I liegt der Phasenwinkel φui = φu – φi (φui < 0°). Rechts ist das Zeigerbild der Impedanz Z der Schaltung abgebildet. Z enthält einen Realteil, der gleich dem OHMschen Widerstand R ist, und einen Imaginärteil, der gleich dem Blindwiderstand XC des Kondensators ist. In komplizierteren Schaltungen können auch OHMsche Widerstände im Ausdruck für den Imaginärteil auftreten oder Blindwiderstände im Realteil. Der Strom I ist in beiden Schaltelementen gleich. Die Beträge der Teilspannungen an R und C ergeben sich zu Für den Betrag (Scheinwiderstand) und den Phasenwinkel der Impedanz erhalten wir 142 4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen Parallelschaltung aus R und C gemäß Bild 4.33, gegeben: U, R, C; gesucht: I. I Bild 4.38. Die Parallelschaltung eines Widerstandes R und eines Kondensators C wird an eine Wechselspannung gelegt. Wir wollen die Ströme IR, IC und I berechnen. Wir gehen wieder völlig analog zu Gleichstromkreisen vor, setzen aber Ströme. Spannungen und Schaltelemente als komplexe Größen an. Wir können die Knotenpunktsgleichung aufstellen und erhalten: Eine Ergänzung zur anschaulichen Interpretation des Ergebnisses liefert auch hier das zugehörige Zeigerbild gemäß Bild 4.34. U wurde willkürlich in Richtung der reellen Achse gelegt. Bild 4.34. Zeigerbild der Spannungen und Ströme zur Schaltung nach Bild 4.33 (links) sowie Zeigerbild der Admittanz der Gesamtschaltung (rechts). 143 4 Wechselstromlehre Die Spannung U ist an beiden Schaltelementen gleich. Die Beträge der Teilströme in R und C ergeben sich zu Der Betrag des komplexen Leitwertes, also der Scheinleitwert, berechnet sich zu und für den Phasenwinkel der Admittanz ergibt sich In den Beispielen wurde der komplexe Strom I berechnet. Im folgenden soll noch einmal zusammenfassend dargestellt werden, wie, ausgehend von einer zeitabhängigen Größe u(t) mit Hilfe der komplexen Rechnung die zugehörige zeitabhängige Größe i(t) berechnet werden kann: Übergang auf den rotierenden Scheitelwertzeiger in komplexer Darstellung: Übergang auf den ruhenden Effektivwertzeiger, also auf die komplexe Spannung: Berechnung des komplexen Stromes mit Hilfe der Impedanz Z: Übergang auf den rotierenden Scheitelwertzeiger: Projektion des Zeigers, d.h. in der komplexen Darstellung Bildung des Imaginärteils: 144 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes 4.5.1 Elektrische Leistung als Funktion der Zeit In Kapitel 1.7 hatten wir die elektrische Leistung allgemein berechnet zu Gl. 1.23 Bei sinusförmigem Zeitverlauf von Strom und Spannung ergibt sich für den Zeitverlauf der Leistung Mit folgt (4.78) Die Leistung ist dem Produkt der Effektivwerte von Strom und Spannung proportional. Die Frequenz, mit der die Leistung schwankt, ist doppelt so hoch wie die von Strom und Spannung. Für den Mittelwert P der Leistung p(t) über n Perioden (als zeitunabhängige Größe durch einen Großbuchstaben gekennzeichnet) erhalten wir (4.79) cos φui wird als Leistungsfaktor bezeichnet. Die zeitabhängige Leistung p(t) können wir unter Benutzung des Mittelwertes P darstellen durch (4.80) Der Momentanwert der Leistung schwankt mit der Kreisfrequenz 2ω um den Mittelwert. Entsprechend Bild 4.35, das für φui = 45° gezeichnet wurde, kann p(t) positive wie negative Werte annehmen. Positive Momentanwerte bedeuten, daß Leistung von der Quelle zum Verbraucher gelangt. Bei negativen Momentanwerten wird Leistung vom Verbraucher zur Quelle zurücktransportiert. Da ein echter „Verbraucher" wie ein OHMscher Widerstand keine Leistung an die Quelle zurückgeben kann, wollen wir im 145 4 Wechselstromlehre Bild 4.35. Gegeben sind Strom und Spannung an einer Lastimpedanz. Sie weisen eine Phasenverschiebung von 45° auf. Berechnet und eingezeichnet wurden die zeitabhängige Leistung p(t) = u(t) · i(t). Man erkennt Bereiche, in denen die Leistung positiv ist. Hier nimmt die Last Leistung auf. Es gibt aber auch Bereiche, in denen p(t) negativ wird. Hier gibt die Last wieder Leistung an die Quelle zurück. weiteren für den Verbraucher den allgemeineren Begriff „Last“ oder „Lastimpedanz" verwenden. p(t) < 0 : Last gibt Leistung an die Quelle zurück p(t) > 0 : Last nimmt Leistung aus der Quelle auf 4.5.2 Leistungsaufnahme von Widerstand, Induktivität und Kondensator in Wechselstromnetzen Ausgehend von Gl. 4.78 wollen wir den Leistungsumsatz in Widerstand, Induktivität und Kondensator berechnen, indem wir die jeweils gültigen Phasenbeziehungen einsetzen. Wir werden den Mittelwert der Leistung berechnen und daraus Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Schaltelemente ziehen. Elektrische Leistung an einem OHMschen Widerstand Die Phasendifferenz von Strom und Spannung beträgt an einem OHMschen Widerstand gemäß GL 4.14 146 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Es folgt Damit lautet Gl. 4.78 für einen OHMschen Widerstand (4.81) und der Mittelwert der Leistung ergibt sich zu (4.82) Damit läßt sich für pR(t) schreiben (4.83) In Bild 4.36 wurden u(t), i(t) und pR(t) für φi = 0 gezeichnet. Bild 4.36. An einem OHMschen Widerstand sind Strom und Spannung in Phase. Die umgesetzte Leistung ist immer positiv. Die Momentanleistung pR(t) schwankt mit der Amplitude U ·I um den Mittelwert U · I. Sie ist somit niemals negativ. Ein OHMscher Widerstand nimmt folglich elektrische Leistung auf, die er vollständig in Wärme umsetzt. Er liefert zu keinem Zeitpunkt Leistung an die Quelle zurück. 147 4 Wechselstromlehre Elektrische Leistung an einer Induktivität Die Phasendifferenz von Strom und Spannung beträgt gemäß GL 4.17 bei einer Induktivität Es folgt Damit lautet Gl. 4.78 für eine Induktivität (4.84) und der Mittelwert der Leistung ergibt sich, wie man Bild 4.37 unmittelbar entnimmt, zu (4.85) Bild 4.37. An einer Induktivität sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben (φui = +90°). Die Leistung pL(t) = u(t) · i(t) ergibt sich damit zu einer reinen Wechselgröße mit dem Mittelwert Null. Die Leistung, die die Induktivität aufnimmt, gibt sie zu anderen Zeitpunkten wieder ab. Dabei speichert die Induktivität Energie in ihrem Magnetfeld. Die Zeitabhängigkeit der gespeicherten Energie WM(t) ist unten dargestellt. 148 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Die Induktivität nimmt Leistung aus der Quelle auf, die sie zu anderen Zeitpunkten wieder an die Quelle zurückspeist. Sie ist somit kein „Verbraucher" wie ein OHMscher Widerstand, sondern ein Zwischenspeicher für Energie. Die Energie wird dabei im Magnetfeld der Induktivität gespeichert. Die zeitabhängige, im Magnetfeld der Induktivität gespeicherte Energie WM(t) ergibt sich gemäß Gl. 5.25 für L = konst. zu Wir setzen willkürlich φi = 0 und erhalten (4.86) (4.87) Die Induktivität entnimmt der Quelle Leistung, solange der Betrag des Stromes durch die Induktivität ansteigt. Dabei steigt der Energieinhalt der Induktivität. Sinkt der Betrag des Stromes, so gibt die Induktivität Leistung an die Quelle ab. Dabei sinkt der Energieinhalt der Induktivität. Die Induktivität versucht dabei, den Stromfluß konstant zu halten. Im unteren Teil von Bild 4.37 wurde die in der Induktivität gespeicherte Energie in Abhängigkeit von der Zeit gezeichnet. Es wird also ständig Energie ausgetauscht zwischen der Induktivität und den übrigen Elementen der Gesamtschaltung, ohne daß die Induktivität Leistung verbraucht. Es können allerdings große Ströme in den Leitungen auftreten. Diese sind in Stromversorgungsnetzen unerwünscht, da große Kabelquerschnitte erforderlich sind, ohne daß eine entsprechende Leistung wirklich zu den Verbrauchern transportiert wird. 149 4 Wechselstromlehre Elektrische Leistung an einem Kondensator Die Phasendifferenz von Strom und Spannung beträgt gemäß Gl. 4.21 an einem Kondensator Es folgt Damit lautet GL 4.78 für einen Kondensator (4.88) und der Mittelwert der Leistung ergibt sich zu wie in Bild 4.38 dargestellt. (4.89) Bild 4.38. An einem Kondensator sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben (φui = -90°). Die Leistung PC(t) = u(t) · i(t) ist wie bei der Induktivität eine reine Wechselgröße. Der Kondensator speichert Energie in seinem elektrischen Feld und gibt diese wieder zurück an die speisende Quelle. Die Zeitabhängigkeit der gespeicherten Energie WE(t) ist unten dargestellt. 150 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Auch der Kondensator nimmt Leistung aus der Quelle auf, die er zu anderen Zeitpunkten wieder an die Quelle zurückspeist. Er ist somit ebenfalls kein „Verbraucher" wie ein OHMscher Widerstand, sondern ein Zwischenspeicher für Energie wie eine Induktivität. Die Energie wird hier aber im elektrischen Feld des Kondensators gespeichert. Die zeitabhängige, im elektrischen Feld des Kondensators gespeicherte Energie WE(t) ergibt sich gemäß GL 2.26 für C = konst. zu Wir setzen wiederum willkürlich φi = 0, Daraus folgt (4.90) (4.91) Ein Kondensator entnimmt der Quelle Leistung, solange der Betrag der Kondensatorspannung ansteigt. Dabei steigt der Energieinhalt des elektrischen Feldes. Sinkt der Betrag der Kondensatorspannung, so gibt der Kondensator Leistung an die Quelle ab. Dabei sinkt sein Energieinhalt. Der Kondensator versucht, die Kondensatorspannung konstant zu halten. Dieser Zusammenhang wird im unteren Teil von Bild 4.38 verdeutlicht, in dem der Zeitverlauf der gespeicherten elektrischen Energie dargestellt ist. Wird ein Kondensator an eine Wechselspannung angeschlossen, so tritt ein ständiger Energieaustausch zwischen dem Kondensator und den übrigen Elementen der Gesamtschaltung auf, ohne daß der (ideale) Kondensator Leistung verbraucht. Auch hier können, wie im Fall der Induktivitäten, große Ströme in den Leitungen auftreten. Ein Vergleich des Zeit Verlaufs der gespeicherten Energie in Induktivität und Kondensator in Bild 4.89 zeigt, daß bei gleicher Spannung an den Elementen eine Phasenverschiebung von 180° zwischen WE(t) und WM(t) vorhanden ist. Schaltet man Kondensator und Induktivität, die so dimensioniert sind, daß die Scheitelwerte der gespeicherten Energien übereinstimmen, parallel an eine Spannungsquelle, so pendelt die Energie zwischen Kondensator und Induktivität. Große Ausgleichströme fließen 151 4 Wechselstromlehre Bild 4.39. Die Spannung u(t) wird an eine Parallelschaltung aus Kondensator und Induktivität gelegt. Wenn die Beträge der Blindwiderstände dieser beiden Schaltelemente gleich groß sind, so sind auch ihre Ströme betragsmäßig gleich groß. Es ist aber zu beachten, daß der Strom in der Induktivität der angelegten Spannung um 90° nacheilt, während der Strom im Kondensator der angelegten Spannung um 90° voreilt. Beide Ströme sind damit um 180° gegeneinander phasenverschoben wie auch die Wechselanteile der gespeicherten Energien um 180° gegeneinander phasenverschoben sind. Wegen sin2 α + cos2 α = 1 ist die Summe der gespeicherten Energie konstant. dann nur noch in diesem sog. Schwingkreis und nicht mehr auf den Leitungen zur Quelle. Im Falle einer Reihenschaltung von Induktivität und Kondensator, die mit einem eingeprägten Strom betrieben wird, kompensieren sich die Spannungen an Induktivität und Kondensator, wenn die Scheitelwerte der gespeicherten Energien übereinstimmen. Diese Spannungen können wesentlich größer sein als die angelegte Spannung. In Kapitel 9 werden wir derartige Schaltungen genauer untersuchen. 152 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes 4.5.3 Wirk-, Blind- und Scheinleistung In Kapitel 4.5.2 haben wir gesehen, daß nur OHMsche Widerstände elektrische Leistung verbrauchen. Die Darstellung von Verbrauchern elektrischer Leistung (z.B. Heizgeräte, Lampen, Motoren, Hochfrequenzgeneratoren, Sendeantennen) durch Ersatzschaltelemente enthält daher zumindest einen OHMschen Widerstand. Für die in einer Schaltung in andere nichtelektrische Energieformen umgesetzte elektrische Leistung führen wir den Begriff der Wirkleistung P ein. Sie wird definiert als die tatsächlich in der Schaltung umgesetzte mittlere Leistung und ergibt sich aus GL 4.79 zu (4.92) U und I sind die Effektivwerte von Strom und Spannung an den Schaltungsklemmen. Sie werden als sinusförmig vorausgesetzt. φui ist der Phasenwinkel zwischen Strom und Spannung. Die so berechnete Leistung stellt die in den OHMschen Widerständen der Schaltung umgesetzte mittlere Leistung dar. Induktivitäten und Kondensatoren verbrauchen im Zeitmittel keine elektrische Leistung. Sie stellen Energiespeicher dar, die beim Betrieb mit sinusförmiger Wechselspannung die aufgenommene Leistung wieder abgeben. Die Aufnahme und Abgabe elektrischer Energie stellt eine Belastung der Zuleitungen und der Quelle dar. Sie ist im Falle sinusförmiger Wechselgrößen (die hier immer vorausgesetzt werden) proportional zur Differenz der im Zeitmittel gespeicherten magnetischen und elektrischen Energien. Zur Erfassung dieses Energieaustausches zwischen einer Schaltung und dem Netz führen wir den Begriff der Blindleistung Q ein. Die Größe der Blindleistung ist durch folgende Rechenvorschrift festgelegt: (4.93) Diese Rechenvorschrift läßt sich im Falle sinusförmiger Wechselgrößen durch physikalische Größen interpretieren: (4.94) Wie man an GL 4.93 und Gl. 4.94 erkennt, kann die Blindleistung positiv oder negativ sein: Q > 0 : für WM > WE bzw. φui > 0, induktive Blindleistung Q < 0 : für WE > WM bzw. φui < 0, kapazitive Blindleistung Schließlich definieren wir eine als Scheinleistung S bezeichnete Größe (4.95) Den geometrischen Zusammenhang zwischen diesen Leistungsgrößen stellt Bild 4.40 dar. Es gilt (4.96) (4.97) (4.98) 153 4 Wechselstromlehre Bild 4.40. Geometrischer Zusammenhang zwischen der Wirkleistung P, der Blindleistung Q und der Scheinleistung S. Die Einheiten der einzelnen Leistungen sind jeweils Volt · Ampere, VA. Für Wirkleistungen wird die Abkürzung W (Watt) benutzt. Für Schein- und Blindleistungen ist diese Bezeichnung nicht üblich. Die Einheit der Blindleistung wird häufig mit dem Zusatz „reaktiv" versehen: VAr. Ein Vergleich von GL 4.92 bzw. Gl. 4.95 mit Gl. 4.78 zeigt, daß die Scheinleistung S gleich der Amplitude und die Wirkleistung P gleich dem Mittelwert der zeitabhängigen Leistung p(t) ist. Bild 4.41 zeigt nochmals Strom, Spannung und Leistung an dem Zweipol aus Bild 4.35, ergänzt um S und P. Bild 4.41. Die Wirkleistung P ist der Mittelwert, die Scheinleistung S die Amplitude der zeitabhängigen Leistung p(t). Zur Verdeutlichung der Leistungsbegriffe werden im folgenden zwei einfache Beispiele durchgerechnet. 154 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Beispiel 1: Serienschwingkreis gemäß Bild 4.42 Bild 4.42. An eine Serienschaltung aus R, L und C wird die Spannung U angelegt. Das Zeigerbild aller Spannungen und Ströme wurde rechts gezeichnet unter der Annahme UL > UC. Die Spannung UR ist in Phase mit I. Hier wird Wirkleistung umgesetzt. UL und UC sind gegenüber I um 90° phasenverschoben. Hier wird Blindleistung umgesetzt. Es gilt die Maschengleichung Wirkleistung wird nur im OHMschen Widerstand umgesetzt: Aus dem Zeigerbild, das in Bild 4.42, rechts, gezeigt ist, folgt und damit Die Größe U · cos φui wird auch als „Wirkspannung" UW bezeichnet. Blindleistung wird in der Induktivität und in dem Kondensator umgesetzt. Der Betrag der Blindleistung ergibt sich aus dem Produkt der Effektivwerte von Strom und Spannung an diesen Elementen. Bezeichnen wir den Effektivwert der Spannung über Induktivität und Kondensator mit UB, so ergibt sich mit dem Zeigerdiagramm in Bild 4.42 Für den Betrag der insgesamt umgesetzten Blindleistung gilt daher UB = U · |sin φui| wird auch als „Blindspannung" bezeichnet. 155 4 Wechselstromlehre Beispiel 2: Parallelschwingkreis gemäß Bild 4.43 Bild 4.43. Die Elemente aus Bild 4.42 sind nun parallelgeschaltet. Das Zeigerbild wurde gezeichnet mit der Annahme IC > IL. Wirkleistung wird nur im OHMschen Widerstand umgesetzt. Es gilt die Knotenpunktsgleichung Wirkleistung wird nur im OHMschen Widerstand umgesetzt: Analog zum ersten Beispiel folgt mit Die Größe I · cos φui wird auch als „Wirkstrom" IW bezeichnet. Blindleistung wird wieder in der Induktivität und in dem Kondensator umgesetzt. Ihr Betrag berechnet sich aus dem Produkt der Effektivwerte von Strom und Spannung an diesen Elementen. Bezeichnen wir den Effektivwert des Gesamtstromes durch Induktivität und Kondensator mit IB, so ergibt sich mit dem Zeigerdiagramm in Bild 4.43 Für den Betrag der insgesamt umgesetzten Blindleistung gilt daher IB = I · |sin φui| wird auch als „Blindstrom" bezeichnet. 156 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Wir können unsere Ergebnisse aus den Beispielen wie folgt zusammenfassen und verallgemeinern: Bild 4.44. Die Wirkanteile von Strom und Spannung können bei einem beliebigen Zweipol dadurch ermittelt werden, daß Strom- bzw. Spannungszeiger auf den jeweils anderen Zeiger projiziert werden. Diese Zeiger sind dann in Phase. Die Beträge von UW und IW haben wir als Wirkspannung und Wirkstrom bezeichnet. Zur Ermittlung der Blindanteile von Strom und Spannung wird ein Zeiger auf das Lot des anderen Zeigers projiziert. Die Beträge von UB und IB haben wir als Blindspannung und Blindstrom bezeichnet. Für einen beliebigen Zweipol mit der Impedanz Z gemäß Bild 4.44 kann die Wirkleistung berechnet werden nach (4.99 a) Für den Betrag der umgesetzten Blindleistung ergibt sich (4.99 b) Die vorzeichenbehaftete Blindleistung ergibt sich aus (4.99 c) Bei Benutzung der Blindspannung oder des Blindstroms, die als Effektivwerte positiv definiert sind, muß das Vorzeichen der Blindleistung gesondert erfaßt werden: (4.99 d) Die Scheinleistung ergibt sich gemäß Gl. 4.95 zu S = U · I. 157 4 Wechselstromlehre 4.5.4 Leistungsmessung Zur Leistungsmessung sind Drehspulgeräte geeignet. Deren Wirkungsprinzip entspricht der in Kapitel 6.1 beschriebenen stromdurchflossenen Spule, die von einem Magnetfeld durchsetzt wird. Der Aufbau entspricht dem ebenfalls dort beschriebenen Funktionsmodell der Gleichstrommaschine. Eine am Anker befestigte Rückholfeder erlaubt jedoch nur eine dem Drehmoment auf den Anker proportionale Auslenkung des Ankers, die mit einem Zeiger angezeigt wird. Zur Wirkleistungsmessung wird das Drehspulinstrument wie in Bild 4.45 beschaltet. Die Feldspule wird u(t ) von dem Strom i(t) durchflössen. Durch die Ankerspule fließt der Strom iu(t)= RV Bild 4.45. Mit einem Drehspulinstrument D soll die in einem Zweipol mit der Impedanz Z umgesetzte Wirkleistung gemessen werden. Dazu wird der Strom i(t) des Zweipols durch die Feldspule des Drehspulinstruments geführt. Durch die Ankerspule wird ein Strom iu(t) geleitet, der der Spannung am Zweipol proportional ist. Dieser Strom wird über einen begrenzenden Vorwiderstand RV gewonnen. Wie in Kapitel 6.4 abgeleitet wurde, gilt für das Drehmoment dieser Anordnung gemäß Gl. 6.13 Im weiteren werden mit c verschiedene Konstanten benannt, deren Größe für uns nicht wichtig ist. Mit Φ(t) ~ i(t) folgt Das Drehmoment ist somit proportional dem Produkt aus Strom und Spannung an der Last Z, deren Wirkleistungsaufnahme gemessen werden soll. Wegen der Trägheit des Systems tritt nur der Mittelwert in Erscheinung: (4.100) Das Gerät zeigt, wie gewünscht, die in Z umgesetzte Wirkleistung an. 158 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Bild 4.46. Zur Messung der in einem Zweipol umgesetzten Blindleistung wird der Widerstand RV aus Bild 4.45 durch einen Kondensator ersetzt. Der Feldstrom ist damit um 90° phasenverschoben gegenüber dem Ankerstrom. Maximaler Zeigerausschlag tritt nun bei seinerseits 90° phasenverschobenem Feldstrom auf, d.h. bei Blindleistungsaufnahme des Zweipols. Zur Messung der Blindleistung wird gemäß Bild 4.46 der Widerstand RV durch einen Kondensator C ersetzt. Es gilt Zum Mittelwert liefert der zweite Summand der Klammer keinen Anteil: (4.101) Wie gewünscht, wird die umgesetzte Blindleistung angezeigt. Die bekannten Haushalts-„Stromzähler" messen die verbrauchte Energie in kWh. 159 4 Wechselstromlehre 4.5.5 Leistungsberechnung aus den komplexen Größen U und I Die vorteilhafte komplexe Darstellung von Strom und Spannung soll auf die Leistungsgrößen übertragen werden. Dazu gehen wir von dem geometrischen Zusammenhang der Leistungen aus, den wir aus Bild 4.40 kennen. In Bild 4.47, links, ist dieser nochmals skizziert. Die Wirkleistung P und die Blindleistung Q addieren sich geometrisch zur Scheinleistung S, wobei zwischen P und Q ein rechter Winkel liegt. Wir können gemäß Bild 4.47, Mitte, eine neue Leistungsgröße definieren, die komplexe Leistung S, deren Betrag gleich der Scheinleistung S ist und die die Wirkleistung P als Realteil und die Blindleistung Q als Imaginärteil enthält: (4.102) Bild 4.47. Links: Den geometrischen Zusammenhang zwischen der Scheinleistung S, der Wirkleistung P und der Blindleistung Q kennen wir aus Bild 4.40. Mitte: Wir definieren die komplexe Leistung S so, daß ihr Realteil die Wirkleistung P und ihr Imaginärteil die Blindleistung Q ist. Der Betrag der komplexen Leistung S ist die Scheinleistung S. Rechts: Wir können P und jQ als Zeiger auffassen. Diese Darstellungsform wird Zeigerdiagramm der Leistung genannt. Mit Gl. 4.92 und Gl. 4.93 folgt für die komplexe Leistung 160 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Unter Berücksichtigung von GL 4.37 und Gl. 4.50 setzen wir und es folgt für die komplexe Leistung (4.103) Mit GL 4.103 können wir die komplexe Leistung aus der komplexen Spannung und dem komplexen Strom (konjugiert komplex genommen) berechnen. Da aus der komplexen Leistung die Wirkleistung, die Blindleistung und die Scheinleistung durch Realteil-, Imaginärteil- und Betragsbildung sehr einfach zu ermitteln sind, ist Gl. 4.103 eine sehr wichtige Beziehung zur Ermittlung des Leistungsumsatzes in Wechselstromschaltungen. Die komplexe Leistung ist wie die Impedanz und die Admittanz zeitunabhängig. Ihr Zeiger S liegt ruhend in der GAUSSschen Zahlenebene. Machen wir nämlich in GL 4.103 den Übergang auf die rotierenden Scheitelwertzeiger u(t) und i(t), so fällt, da i(t) konjugiert komplex genommen wird, 1 die Zeitabhängigkeit heraus. Gemäß GL 4.95 muß außerdem der Faktor 2 berücksichtigt werden: Wie in Bild 4.47, rechts, skizziert, können wir analog zum Zeigerbild der Impedanz bzw. Admittanz ein Zeigerdiagramm der Leistung aufstellen, wenn wir P und j Q als Zeiger auffassen. Unter Benutzung der in Kapitel 4.4.6 definierten Impedanz bzw. Admittanz können wir schreiben (4.104) bzw. (8105) 161 4 Wechselstromlehre Zerlegen wir die Impedanz bzw. Admittanz in Real- und Imaginärteil, so erhalten wir (4.106) bzw. (4.107) Damit folgt für Wirk- und Blindleistung (4.108) (4.109) Aus dieser Darstellung folgt für eine Lastimpedanz: 162 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes 4.5.6 Blindleistungskompensation und Anpassung Elektrische Maschinen wie Wechselstrommotoren oder Transformatoren nehmen große Blindleistungen auf. Wie in Kapitel 4.5.2 beschrieben, können große Ströme entstehen, für die das Versorgungsnetz dimensioniert werden muß, obwohl viel kleinere Wirkströme fließen, die wirklich Leistung transportieren. Aus diesem Grunde ist häufig eine Kompensation der Blindleistungsaufnahme von technischen Lasten sinnvoll. Für die Quelle erscheint eine so kompensierte Last wie ein OHMscher Verbraucher. Eine Last, deren Blindleistungsaufnahme kompensiert werden soll, habe das in Bild 4.48 gezeigte Ersatzschaltbild. Bild 4.48. Ersatzschaltbild einer induktiven Last und Zeigerbild der Spannungen und Ströme. Die Blindleistungskompensation soll dafür sorgen, daß die Quelle nur noch den Wirkstrom IW liefern muß. Wir teilen den Strom I in zwei Komponenten auf, von denen die eine in Phase mit U sein soll und somit Wirkleistung produziert und in eine Komponente, die mit U einen Phasenwinkel von 90° bildet und somit Blindleistung produziert: (4.110a) IW ist in Phase mit U. IB eilt IW und damit U um 90° nach (induktive Last). Wenn die Blindleistungsaufnahme, d.h. der Blindstrom IB, kompensiert werden soll, muß am Ort der Last ein zusätzliches Schaltelement eingebaut werden, das genau einen Strom (4.110 b) aufnimmt. Dieser Kompensationsstrom IK muß also betragsmäßig gleich IB. aber um 180° phasenverschoben sein bezüglich IB. Das heißt, der Kompensationsstrom 163 4 Wechselstromlehre muß der Spannung U um 90° voreilen. Ein solcher Strom läßt sich mit einer Kapazität, die parallel zur Last an U liegt, realisieren. Ein Schaltelement in Serie zur Last wäre nicht einsetzbar, da dann der Strom durch die Last verändert würde. Bild 4.49 zeigt die Schaltung. Bild 4.49. Die Schaltung aus Bild 4.48 wurde um den Kondensator C ergänzt. Dieser soll den Kompensationsstrom IK aufnehmen. dessen Betrag gleich dem Betrag des Blindstromes IB der zu kompensierenden induktiven Last ist. Dazu muß C die passende Kapazität aufweisen. Die blindleistungskompensierte Last erscheint der Quelle wie ein OHMscher Verbraucher. Zur Dimensionierung des Kondensators setzen wir Gl. 4.110 an und erhalten (4.111) mit Xu : Blindwiderstand der unkompensierten Last Zu : Scheinwiderstand der unkompensierten Last Qu : Blindleistung der unkompensierten Last Su : Scheinleistung der unkompensierten Last Φui,u : Phasenwinkel der unkompensierten Lastimpedanz. Die umgesetzte Leistung wird rein reell: 164 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Die Quelle sieht in der kompensierten Last einen OHMschen Verbraucher der Größe ω 2 ⋅ L2 . Auf den Leitungen zwischen der Quelle und der Last fließt nur der R+ R Wirkstrom. Die von der Last umgesetzte Blindleistung wird zwischen der Last und dem Kompensationselement ausgetauscht. Der Blindstrom fließt nur zwischen der Last und dem Kompensationselement. Anpassung In Kapitel 1.14 wurde der Begriff „Anpassung" eingeführt. Anpassung liegt vor, wenn für eine gegebene reale Quelle die Last so dimensioniert wird, daß sie die maximal mögliche Wirkleistung aus der Quelle aufnimmt. In Wechselstromkreisen kann eine reale Quelle durch eine ideale Quelle und eine Innenimpedanz Zi bzw. eine Quellimpedanz ZQ völlig analog zu realen Gleichspannungs- bzw. Gleichstromquellen dargestellt werden. Bild 4.50 zeigt eine reale Wechselspannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 und der Innenimpedanz Zi = Ri + j · Xi für die eine Lastimpedanz ZV = RV + j · XV so dimensioniert werden soll, daß Anpassung vorliegt. Bild 4.50. Die Lastimpedanz ZV soll so dimensioniert werden, daß sie die maximal mögliche Wirkleistung aus der realen Wechselspannungsquelle aufnimmt. Die in der Lastimpedanz umgesetzte Wirkleistung berechnet sich zu (4.112) PV erreicht in Abhängigkeit von Xi und XV ein Maximum, wenn sich die Blindwiderstände kompensieren. (4.113) Setzt man GL 4.113 in GL 4.112 ein und ermittelt analog zu Kapitel 1.14 das Maximum von PV in Abhängigkeit von RV, so erhält man GL 1.74 (4.114) 165 4 Wechselstromlehre Fassen wir Gl. 4.113 und Gl. 4.114 zusammen, so erhalten wir die Anpaßbedingung für die Wirkleistung in Wechselstromschaltungen (4.115) GL 1.74 ist ein Spezialfall für rein OHMsche Impedanzen ZV und Zi. Wegen XV = -Xi wird bei der Wirkleistungsanpassung die in der Innenimpedanz der Quelle umgesetzte Blindleistung von der Lastimpedanz kompensiert. Anpassungsnetzwerke Häufig, insbesondere bei hohen Frequenzen, liegt die Situation vor, daß eine gegebene Lastimpedanz ZV an eine Quelle mit gegebener Innenimpedanz Zi * ≠ ZV so angeschlossen werden soll, daß dennoch Wirkleistungsanpassung vorliegt. In diesem Fall muß ein geeignetes Anpassungsnetzwerk zwischen Quelle und Lastimpedanz geschaltet werden. Ein einfaches Beispiel für ein Anpassungsnetzwerk haben wir bei der Blindleistungskompensation bereits kennengelernt. Bild 4.51 zeigt die Schaltung, die durch Hinzufügen einer Quelle und Umzeichnen aus Bild 4.49 gewonnen wurde. Bild 4.51. Der Widerstand R soll so an eine Quelle mit dem Innenwiderstand Ri ≠ R angeschlossen werden, daß Wirkleistungsanpassung besteht. Dazu wird zwischen Quelle und Widerstand ein Anpassungsnetzwerk aus der Induktivität L und dem Kondensator C geschaltet. Wie bereits mit Gl. 4.110 berechnet, wird die Quelle an den Klemmen A-B mit dem OHMschen Widerstand belastet. Dazu maß L bei gegebenem R und ω so dimensioniert werden, daß sich Ri = RAB einstellt, und C muß so dimensioniert werden, daß die Blindleistung kompensiert wird. 166 4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes Die Schaltung gemäß Bild 4.51 funktioniert nur für Ri = RAB > R. Für den Fall Ri = RAB < R muß der Kondensator statt an die Klemmen A-B an die Klemmen C-D angeschlossen werden. 167 5.1 Bemerkungen zu Halbleitern 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Elektronische Schaltelemente auf Halbleiterbasis werden heute in den unterschiedlichsten Anwendungen eingesetzt. Ihre Vielfalt ist auch für Fachleute nur noch schwer zu überblicken. Auffallend sind insbesondere die wachsende Komplexität der Halbleiterschaltelemente und der schnelle Wandel von Technologien und Produkten. Daher ist es unmöglich, einen aktuellen Überblick über die verfügbaren Schaltelemente im Rahmen einer Grundlagenvorlesung zu geben. Stattdessen wollen wir einige typische Elemente kennenlernen und ihre Funktionsweise verstehen. 5.1 Bemerkungen zu Halbleitern Die ersten Halbleiterschaltelemente waren Detektoren aus Bleiglanzkristallen mit aufgesetzten Metallspitzen, die Anfang dieses Jahrhunderts eingesetzt wurden. Es folgten um 1920 Kupfer(I)oxidgleichrichter und Selengleichrichter. 1948 wurden die ersten Transistoren realisiert. Heute wird für die meisten Halbleiterschaltelemente Silizium verwandt. Für spezielle optische Detektoren benutzt man Germanium, und für optische Sender wie Leuchtdioden und Laserdioden werden Verbindungshalbleiter wie Galliumarsenid eingesetzt. 5.1.1 Leiter, Halbleiter und Isolatoren im Bändermodell Wir haben bisher in verschiedenen Kapiteln das elektrische Verhalten von Stoffen betrachtet. Bezüglich der elektrischen Leitfähigkeit haben wir elektrische Leiter, also Stoffe, die einen Strom führen können, und Nichtleiter oder Isolatoren, durch die im allgemeinen kein Strom fließt, unterschieden. Bevor wir uns den Halbleitern zuwenden, d.h. Stoffen, deren Leitfähigkeit zwischen der der Leiter und der der Isolatoren liegt, wollen wir in vereinfachter Form eine physikalische Modellvorstellung für die elektrische Leitung in Stoffen kennenlernen. Gute elektrische Leiter sind dadurch charakterisiert, daß in ihnen eine große Zahl von Ladungsträgern frei beweglich ist. Diese werden in einem angelegten elektrischen Feld beschleunigt und bewirken einen Stromfluß. In einem Isolator, der wie ein elektrischer Leiter aus Atomen und damit auch aus Ladungsträgern aufgebaut ist, sind zwar auch viele Ladungsträger vorhanden, aber diese sind nicht frei beweglich und daher nicht in der Lage, einen Strom zu führen. Sie sind fest in die Struktur des betreffenden Materials eingebunden. Führt man einem Isolator eine hohe Energie zu, indem man ihn beispielsweise stark erhitzt und hohe Spannungen an ihn anlegt, so beobachtet man, daß die Isolationseigenschaften des Materials schlechter werden: Der Isolator weist eine geringfügige elektrische Leitfähigkeit auf. Schließlich kann es zum elektrischen Durchschlag im Isolator kommen. Die 168 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente physikalischen Aspekte der elektrischen Leitung in Festkörpern werden durch die Quantenmechanik beschrieben. Die komplizierten Zusammenhänge lassen sich in einem Modell, dem sogenannten Bändermodell, zusammenfassen, das wir in stark vereinfachter Darstellung betrachten wollen. Grundlage des Bändermodells ist die Aussage der Quantenmechanik, daß in einem Festkörper die einzelnen Bausteine des Festkörpers (z.B. Elektronen, aber auch Atome) wegen der starken gegenseitigen Beeinflussung nur bestimmte Energiezustände einnehmen können. Dabei treten im Festkörper mit steigender Energie abwechselnd Bereiche auf, in denen erlaubte Energiezustände und nicht erlaubte Energiezustände der Elektronen liegen. Die Bereiche mit erlaubten Energiezuständen nennen wir Bänder, die nicht erlaubten Bereiche Energielücken oder Bandlücken des betreffenden Festkörpers. Die Lage der Energiebänder und ihre Breite kann mit Hilfe der Quantenmechanik für den jeweiligen Festkörper ermittelt werden. Bild 5.1 zeigt ein Beispiel für die Energiebänder eines Festkörpers. Bild 5.1. Wir sehen die Darstellung der Energiebänder eines Festkörpers. In den schraffierten Bereichen liegen Energiezustände, die von den Elektronen im Festkörper eingenommen werden können. In den dazwischenliegenden Bereichen liegen Energie-zustände, die in dem Festkörper von den Elektronen nicht besetzt werden können. Die einzelnen Bausteine eines Festkörpers, insbesondere die Elektronen, nehmen nun bestimmte Energiezustände ein. Man sagt, sie besetzen einen Energiezustand oder ein Band. Je nach Art des Festkörpers können Bänder vollständig oder teilweise besetzt sein. Veränderungen in der Besetzung der Bänder sind durch Beeinflussung von außen möglich. Beispielsweise kann dem Festkörper Energie zugeführt werden in Form von Wärme, Bestrahlung mit Licht, elektrischer Energie durch angelegte elektrische Felder usw.. Nimmt ein Baustein des Festkörpers Energie auf, so verläßt er seinen alten Energiezustand und nimmt einen neuen, höher gelegenen Energiezustand ein. Wenn die aufgenommene Energie groß genug ist, werden die Elektronen dabei in Energiezustände in einem höher gelegenen Band gehoben. 169 5.1 Bemerkungen zu Halbleitern Für die elektrische Leitfähigkeit eines Materials sind nur die beiden energetisch höchst gelegenen Bänder relevant. Das oberste Energieband heißt Leitungsband, das darunterliegende Valenzband. Dazwischen liegt die Bandlücke als „verbotene Zone". Ein Material ist nur dann elektrisch leitend, wenn entweder ein Teil der Energiezustände im Leitungsband durch Elektronen besetzt ist oder ein Teil der Energiezustände im Valenzband unbesetzt ist. Ein guter Isolator weist deshalb ein vollständig von Elektronen besetztes Valenzband und ein unbesetztes Leitungsband auf. Außerdem weist ein guter Isolator eine sehr breite verbotene Zone auf. Daraus folgt, daß einem Isolator eine besonders große Energie zugeführt werden muß, um ein Elektron ins Leitungsband zu heben und damit elektrische Leitfähigkeit zu erzeugen. Elektrische Leiter sind demgegenüber durch ein teilweise mit Elektronen besetztes Leitungsband und vollständig besetzte tiefere Energiebänder charakterisiert. Halbleiter entsprechen im Bändermodell Isolatoren, die jedoch im Unterschied zu Isolatoren nur eine schmale verbotene Zone aufweisen. Die Folge ist, daß bei einem Halbleiter bereits die Zufuhr geringer Energiemengen dazu führen kann, daß Energiezustände im Leitungsband besetzt werden. Bei Raumtemperatur reicht die thermische Energie bei vielen Halbleitermaterialien schon aus, um Elektronen ins Leitungsband zu heben. Am absoluten Nullpunkt der Temperatur sind Halbleiter Isolatoren. Einen Vergleich der Bändermodelldarstellung von Leitern, Halbleitern und Isolatoren zeigt Bild 5.2. Bild 5.2. Vergleich der Bändermodelldarstellung von Leitern, Halbleitern und Isolatoren bei Raumtemperatur. Gezeichnet sind jeweils Valenz- und Leitungsband. Besetzte Energiezustände sind schraffiert. 170 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.1.2 Dotierte Halbleiter Unsere bisherigen Betrachtungen betrafen reine Halbleiter, die als Eigenhalbleiter bezeichnet werden. Technisch genutzte Halbleiter werden (von wenigen Ausnahmen abgesehen) gezielt in ganz geringem Maße verunreinigt (dotiert). Die Wirkung dieser Dotierung soll im folgenden untersucht werden. Dazu betrachten wir beispielhaft Silizium (Si) in Bild 5.3. Elektronenfehlstelle Bild 5.3. Reines Silizium (links), n-dotiertes Silizium (Mitte) und p-dotiertes Silizium (rechts), Im reinen Halbleitermaterial werden alle Elektronen der äußeren Schale für kovalente Bindungen mit den Nachbaratomen benötigt. Durch die Zufuhr äußerer Energie kann ein SiAtom ionisiert werden, wobei ein Elektron in das Leitungsband gehoben wird. Dabei bleibt ein Loch im Valenzband zurück. Elektron und Loch können den Strom leiten oder unter Energieabgabe rekombinieren. Im ndotierten Halbleiter steht ein Überschußelektron im Leitungsband für den Stromtransport zur Verfügung. Im pdotierten Halbleiter kann sich eine Elektronenfehlstelle im Valenzband durch den Kristall bewegen und dadurch den Strom leiten. Reines Silizium kristallisiert in einer Diamantstruktur. Jedes Si-Atom „teilt sich" entsprechend seiner Wertigkeit „4“ jeweils ein Elektron mit vier Nachbaratomen, es bildet vier sogenannte kovalente Bindungen. Werden in diese Kristallstruktur Verunreinigungen aus 5-wertigen Atomen (z.B. Arsen, As; Phosphor, P; Antimon, Sb) anstelle von Siliziumatomen eingebaut, so werden vier Elektronen dieser sogenannten Dotierungsatome für die kovalenten Bindungen mit den benachbarten Siliziumatomen benötigt. Das fünfte Elektron wird nicht zum Aufbau der Kristallstruktur benötigt und kann durch eine sehr kleine Energiezufuhr von dem Dotierungsatom gelöst werden. Es steht dann als Überschußelektron für die elektrische Leitung im Leitungsband zur Verfügung. Bereits durch den Austausch jedes 10-5-ten Si-Atoms durch ein As-Atom läßt sich die bei Raumtemperatur mäßige elektrische Leitfähigkeit um den Faktor 103 erhöhen. Durch die Dotierung mit 5-wertigen Elementen (n-Dotierung) entsteht 171 5.1 Bemerkungen zu Halbleitern ein sogenannter n-leitender Halbleiter. Für einen Ladungstransport stehen negativ geladene Überschußelektronen im Leitungsband zur Verfügung. Werden in einen Siliziumkristall Verunreinigungen von 3-wertigen Atomen (z.B. Bor, B; Indium, In; Gallium, Ga; Aluminium, AI) eingebaut (p-Dotierung), so entsteht ein p-Halbleiter. Diesem fehlt an der Störstelle ein Elektron für die kovalenten Bindungen zu den benachbarten Si-Atomen. Die Fehlstelle kann von einem Elektron eines Nachbaratoms aufgefüllt werden, wenn diesem eine sehr geringe Energie zugeführt wird. Dadurch wandert die Elektronenfehlstelle (Loch genannt) zu dem Nachbaratom. Unter dem Einfluß eines elektrischen Feldes kann das Loch im Valenzband gerichtet durch den Kristall wandern und einen Strom erzeugen wie ein Überschußelektron in einem n-Halbleiter. Der Stromfluß in einem p-dotierten Halbleiter wird durch die positiv geladenen Elektronenfehlstellen (Löcher) getragen. Im Bändermodell entsteht durch die Dotierung ein neuer erlaubter Energiezustand in der verbotenen Zone zwischen Valenz- und Leitungsband. Bei n-Dotierung liegt dieser Zustand (Donatorniveau genannt) dicht an der Leitungsbandkante. Durch eine geringe Energiezufuhr kann dieser Zustand entleert werden und ein Zustand im Leitungsband besetzt werden. Wie wir wissen, erzeugt eine Besetzung des Leitungsbandes elektrische Leitfähigkeit. Bei p-Dotierung entsteht ein neuer erlaubter Energiezustand in der verbotenen Zone in der Nähe der Valenzbandkante. Durch eine geringe Energiezufuhr kann ein elektronischer Zustand des Valenzbandes entleert und der neue Zustand (Akzeptorniveau) besetzt werden. Auch dadurch entsteht elektrische Leitfähigkeit. Bild 5.4 zeigt die Lage von Donator- und Akzeptorniveau von dotierten Halbleitern. Bild 5.4. Durch die Dotierung eines Halbleiters entstehen in der verbotenen Zone neue erlaubte Energiezustände. 172 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.1.3 Der pn-Übergang Wir haben bisher gesehen, daß die mäßige elektrische Leitfähigkeit eines Halbleiters durch eine Dotierung erhöht werden kann. Die Konzentration der Dotierungsatome bestimmt die elektrischen Eigenschaften. Außerdem haben wir gesehen, daß in p-dotierten Halbleitern ein Ladungstransport durch Löcher bewirkt wird und in n-dotierten Halbleitern durch Elektronen. Wird nun ein Kristall so dotiert, daß eine n-dotierte Zone und eine p-dotierte Zone aneinander grenzen, so entsteht ein sogenannter pn-Übergang. Ein pnÜbergang hat spezielle Eigenschaften, die in vielen elektronischen Schaltelementen ausgenutzt werden. Bild 5.5. n- und p-dotierte Zonen eines Halbleiters stoßen an einer Grenzschicht aneinander. In der n-Zone sind zahlreiche Elektronen vorhanden, die sich frei bewegen können. Da diese in der p-Zone fehlen, diffundieren die Elektronen aufgrund des Konzentrationsunterschiedes in die p-Zone. Dort finden die Elektronen zahlreiche Löcher vor, mit denen sie rekombinieren können. Analog dazu diffundieren Löcher der p-Zone in die n-Zone und rekombinieren mit Elektronen. Da vor der Diffusion jedes Material elektrisch neutral war, verbleiben im p-Material negativ geladene Atomrümpfe und im n-Material positiv geladene Atomrümpfe. Zwischen den Atomrümpfen entsteht ein elektrisches Feld, das von der n-Zone zur p-Zone gerichtet ist und damit den Diffusionsprozessen entgegenwirkt, die von den Konzentrations-unterschieden angetrieben werden. Die skizzierte Ortskoordinate x benötigen wir später. An einer Grenzschicht zwischen p- und n-dotierten Halbleitern diffundieren Elektronen aus dem n-Material in das p-Material und rekombinieren dort mit den zahlreich vorhandenen Löchern. In gleicher Weise diffundieren Löcher aus dem p-Material in das n-Material und rekombinieren dort mit den zahlreich vorhandenen Elektronen. Jede diffundierte Ladung hinterläßt in ihrem Ausgangsbereich eine 173 5.1 Bemerkungen zu Halbleitern Ladung entgegengesetzten Vorzeichens, da vor der Diffusion jede Zone elektrisch neutral war. Die zurückbleibenden Ladungen sind ortsfest an die Dotierungsatome gebunden. Wir nennen sie deshalb Raumladungen. Zwischen den Raumladungen bildet sich ein elektrisches Feld aus, das einer weiteren Diffusion der Ladungsträger entgegenwirkt und einen Gleichgewichtszustand herbeiführt. Bild 5.5 zeigt die Ladungsverteilung an einem pn-Übergang. Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen den Raumladungen und dem elektrischen Feld berechnet werden. Wir machen den Ansatz mit Gl. 2.18 und beschreiben die Raumladungen mit der Raumladungsdichte p: (5.1) mit Bild 5.6. Modellmäßige Darstellung der Raumladung, der elektrischen Feldstärke und des elektrischen Potentials zu beiden Seiten des pn-Übergangs. Das Vorzeichen der elektrischen Feldstärke wurde passend zu Bild 5.5 gezeichnet. Als Bezugspotential wurde das elektrische Potential des p-dotierten Bereichs gewählt. 174 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Im eindimensionalen Fall folgt (5.2) Die Änderung der elektrischen Feldstärke in der Raumladungsschicht ist folglich proportional der Ladungsdichte: (5.3) Sie ändert ihr Vorzeichen mit der Raumladung. Unter Benutzung von Gl. 2.8 können wir das elektrische Potential φ einführen. Im ebenen Fall können wir schreiben (5.4) Die Ladungsdoppelschicht führt zu einem steilen Anstieg des elektrischen Potentials in der Raumladungszone. Bild 5.6 zeigt den Zusammenhang von Raumladung, elektrischer Feldstärke und elektrischem Potential an einem pn-Übergang. Bild 5.7. An einen pn-Übergang wird eine Spannung angelegt. Wird der pn-Übergang in Sperrichtung betrieben (d.h. an der n-dotierten Seite liegt der Pluspol der Spannungsquelle und an der p-dotierten Seite liegt der negative Pol der Spannungsquelle), so wird die Raumladungszone verbreitert und es ist kein Stromfluß möglich. Bei umgepolter Spannung (sog. Durchlaßrichtung) wird die Breite der Raumladungszone verringert und es fließt ein Strom. Legen wir eine Spannung an den Halbleiter an, so können wir die Breite der Raumladungszone verändern. Dabei bewirkt eine negative Spannung gemäß Bild 5.7 (positiver Pol der Spannungsquelle am n-dotierten Halbleitermaterial), daß 175 5.1 Bemerkungen zu Halbleitern die Raumladungszone breiter wird. Wegen des Fehlens freier Ladungsträger in der Raumladungszone fließt kein Strom. Der pn-Übergang sperrt. Polen wir die Spannung um, so daß der positive Pol der Spannungsquelle am p-dotierten Bereich liegt, so wird die Raumladungszone schmaler, bis sie bei hinreichend hoher Spannung sogar verschwindet. In diesem Fall sind in ausreichender Zahl freie Ladungsträger vorhanden. Der pn-Übergang ist elektrisch leitend. Ein pn-Übergang zeigt also einen richtungsabhängigen nichtlinearen Zusammenhang zwischen Strom und Spannung, der in vielerlei Anwendungen ausgenutzt werden kann. Schaltelemente, deren Eigenschaften durch das Verhalten eines pnÜbergangs bestimmt werden, heißen Dioden und werden im folgenden genauer betrachtet. 176 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.2 Dioden Dioden sind gemäß Bild 5.8 aus einem pn-Übergang aufgebaut. Die Anschlüsse einer Diode werden mit Anode und Kathode bezeichnet. Die Anode ist mit dem p-dotierten Bereich verbunden, die Kathode mit dem n-dotierten Bereich. Die Diodenspannung u fällt von der Anode zur Kathode ab. Bild 5.8. Aufbau und Schaltzeichen einer Diode. Der Zusammenhang von Strom und Spannung an einer Diode ist nichtlinear. Er wird näherungsweise durch die Beziehung (5.5) mit i0 = Sperrstrom m = positiver Korrekturfaktor ≈ 1...2 UT = kT Temperaturspannung e k = 1,380658 J = BOLTZMANN-Konstante31 K T = absolute Temperatur e = Elementarladung beschrieben. Eine typische Kennlinie zeigt Bild 5.9. Wegen ihrer nicht linearen Kennlinie werden Dioden als nicht lineare Schaltelemente bezeichnet. Bisher hatten wir nur lineare Schaltelemente kennengelernt. Der nichtlineare Zusammenhang von Strom und Spannung wird für verschiedene technische Anwendungen ausgenutzt. Je nach Anwendungsfall wird der Aufbau der 31 LUDWIG BOLTZMANN, * 20.2.1844 in Wien, † 5.9.1906 in Duino (bei Triest). Physiker, theoretische Arbeiten u.a. auf dem Gebiet der Thermodynamik, Mitbegründer der statistischen Mechanik. 177 5.2 Dioden Bild 5.9. Links: Strom-Spannungs-Kennlinie einer Diode. Für u < 0 fließt nur ein sehr geringer Sperrstrom. Erst bei hohen negativen Spannungen usperr,max kommt es zu einem rapiden Stromanstieg. In diesem Bereich dürfen Dioden im allgemeinen nicht betrieben werden. Sie würden thermisch zerstört. Im Bereich u > 0 ist die Diode leitend. Der Strom steigt exponentiell mit der Spannung an. Oberhalb eines Grenzwertes imax darf die Diode nicht betrieben werden, da sie sonst ebenfalls thermisch zerstört würde. Rechts sehen wir eine idealisierte Kennlinie (Kennlinie der idealen Diode). Hier sind Sperrstrom und Durchlaßspannung Null. Diode optimiert, beispielsweise durch eine bestimmte Konzentration der Dotierungsstoffe, die Abmessungen des Halbleiterkristalls oder die Wahl eines geeigneten Halbleitermaterials. Im folgenden sollen einige typische Ausführungsformen von Dioden und die entsprechenden Anwendungen betrachtet werden. Nicht eingehen werden wir beispielsweise auf Hochfrequenzanwendungen (z.B. Demodulation amplitudenmodulierter Signale) und sehr spezielle Diodentypen wie Kapazitätsvariationsdioden, Tunneldioden, Backward-Dioden und die einen MetallHalbleiter-Kontakt aufweisenden SCHOTTKY-Dioden32. 32 WALTER SCHOTTKY, * 23.7.1886 in Zürich, † 4.3.1976 in Pretzfeld (Bayern), Physiker, maßgebende Arbeiten auf dem Gebiet der Elektronenröhren und der Theorie der Halbleiter, z.B. MetallHalbleiter-Kontakte. 178 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.2.1 Gleichrichterdioden Hier wird die Eigenschaft der Diode ausgenutzt, daß ein Stromfluß in der Diode nur in einer Richtung möglich ist. Wird eine Diode gemäß Bild 5.10 an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen, so führen nur positive Halbwellen zu einem Stromfluß im Verbraucherwiderstand RV. Der Verbraucher wird somit nicht von einem Wechselstrom, sondern von einem pulsierenden „Gleichstrom“ durchflossen. Bild 5.10. Links sehen wir eine Wechsel- spannungsquelle, die über eine Diode D einen Verbraucherwiderstand RV speist. Rechts sind die Quellenspannung, die Spannungen an Diode und Widerstand sowie der Strom über die Zeit aufgetragen. Es wird eine ideale Diode vorausgesetzt. Der Mittelwert der am Verbraucher anliegenden Spannung beträgt bei der sogenannten Einweggleichrichtung aus Bild 5.10 unter der Voraussetzung einer idealen Diode (5.6) Eine Möglichkeit, auch die negative Halbwelle der Quellenspannung für einen Stromfluß im Verbraucherwiderstand auszunutzen, bietet die Gleichrichterbrückenschaltung gemäß Bild 5.11. Für den Mittelwert der Gleichspannung am Verbraucherwiderstand ergibt sich für die Gleichrichterbrückenschaltung unter der Annahme idealer Dioden (5.7) 179 5.2 Dioden Bild 5.11. Der Verbraucherwiderstand RV wird über vier Dioden an die Wechselspannungsquelle angeschlossen. Für positive Quellenspannungen leiten die Dioden D1 und D4, für negative Quellenspannungen die Dioden D2 und D3. Rechts sind die Quellenspannung, die Spannungen an den Dioden, die Spannung und der Strom am Verbraucherwiderstand und der Strom der Quelle unter der Voraussetzung idealer Dioden skizziert. 180 5.2 Dioden Maßnahmen zur Verringerung der Welligkeit gleichgerichteter Spannungen Die Welligkeit gleichgerichteter Spannungen und Ströme kann durch den Einsatz von Energiespeichern verbessert werden. Dazu betrachten wir Bild 5.13, das die Einweggleichrichterschaltung aus Bild 5.10 zeigt, die um den Kondensator C erweitert wurde. Bild 5.13. Durch das Parallelschalten eines Kondensators C zum Verbraucherwiderstand RV kann die Welligkeit der gleichgerichteten Wechselspannung reduziert werden. Der Kondensator ist zum Zeitpunkt t± auf die Spannung uC(t1) aufgeladen und 1 hat die Energie WE = ⋅ C ⋅ uC2 (t1) gespeichert. Durch den Verbraucherwiderstand 2 u (t ) u (t ) RV fließt zu diesem Zeitpunkt der Strom iR(t1) = R 1 = C 1 . Dieser Strom wird R R aus der Spannungsquelle über die Diode getrieben. Für t > t1 sinkt die Wechselspannung unter die Kondensatorspannung. Jetzt übernimmt der Kondensator die Stromlieferung an den Verbraucherwiderstand, da seine Spannung größer ist als die Wechselspannung und die Diode damit in Sperrichtung geschaltet ist. Indem der Kondensator den Verbraucherstrom iR treibt, wird er entladen. Dadurch sinkt seine Spannung exponentiell, bis die Wechselspannung in der folgenden Periode wieder über die Kondensatorspannung angestiegen ist. Jetzt liefert wieder die Quelle den Verbraucherstrom und lädt außerdem den Kondensator auf. Der Strom i wird über 181 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente den Innenwiderstand Ri der Quelle begrenzt. Je nach der Größe des Kondensators und des Verbraucherwiderstandes wird die Welligkeit der Gleichspannung mehr oder weniger gut reduziert. Eine sehr grobe Abschätzung des Spannungseinbruchs ist mit folgender Überlegung möglich: Der Kondensator mit der Kapazität C werde nach einer Zeit τ jeweils neu geladen. ( τ entspricht bei einem 50-Hz-Wechselspannungsnetz annähernd 20ms bei Einweggleichrichtung, 10ms bei Brückengleichrichtung und 3,3ms bei Drehstrombrückengleichrichtung.) Für diese Zeit muß der Kondensator den Verbraucherstrom liefern. Mit sinkender Spannung sinkt auch der Verbraucherstrom. Gehen wir vereinfachend von einem konstanten Verbraucherstrom I aus, so muß der Kondensator die Ladung Δ Q = I · τ liefern. Daraus resultiert dann ein Spannungseinbruch (5.9) Eine gute Gleichspannung mit kleiner Welligkeit läßt sich mit einem Kondensator großer Kapazität bei kleinen Verbraucherströmen erzielen. Eine weitere Möglichkeit liegt darin, τ zu verkürzen. Das wird in Schaltnetzteilen ausgenutzt, in denen eine Gleichspannung aus einer zuvor erzeugten Wechselspannung höherer Frequenz gewonnen wird. Bei großen Strömen ist es sinnvoll, Energie nicht in einem Kondensator, sondern in einer Induktivität zwischenzuspeichern, die in Serie zum Verbraucherwiderstand RV angeordnet ist. In diesem Fall ist eine zweite Diode D2 (Freilaufdiode) erforderlich, die den aus Induktivität und Verbraucherwiderstand bestehenden Stromkreis schließt, wenn die Gleichrichterdiode D1 stromlos ist. Bild 5.14 zeigt die Schaltung. Bild 5.14. Reduzierung der Welligkeit einer gleichgerichteten Spannung mit einer Induktivität. Zusätzlich zur Gleichrichterdiode D1 wird die Freilaufdiode D2 benötigt. Diese übernimmt den Strom iR des Verbraucherkreises, wenn die Gleichrichterdiode stromlos ist. Quellen, bei denen die Glättung mit Kondensatoren erfolgt, stellen näherungsweise Spannungsquellen dar. Dient zur Glättung eine Induktivität, so wirkt die Schaltung annähernd wie eine Stromquelle. 182 5.2 Dioden Gleichrichterdioden sind in vielen Ausführungsformen am Markt erhältlich. Es wird ein Sperrspannungsbereich bis zu mehreren kV und ein Strombereich bis zu einigen kA abgedeckt. Außerdem sind vollständige Brückengleichrichter und Drehstrombrückengleichrichter verfügbar. 183 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.2.2 Schaltdioden Von einer Schaltdiode wird dann gesprochen, wenn die Diode abhängig von der Polarität an Anode und Kathode als Schalter mit den Schalterstellungen offen (Sperrbetrieb) oder geschlossen (Durchlaßbetrieb) betrieben wird. Als ein einfaches Beispiel wird die Schaltung in Bild 5.15 betrachtet. In Kapitel 7 haben wir berechnet, mit welcher Zeitkonstanten ein Kondensator über einen OHMschen Widerstand R geladen wird. Hier ist der Widerstand aufgeteilt in zwei Widerstände R1 und R2. Parallel zu R2 ist eine ideale Diode geschaltet. Abhängig von dem Vorzeichen der Spannung über der Diode und damit von der Stromrichtung in R2 stellt diese einen Kurzschluß oder eine Unterbrechung dar. Die Eingangsspannung uE(t) möge periodisch zwischen Null und +U0 geschaltet werden. Zu den Zeitpunkten mit uE = U0 wird der Kondensator geladen und zu den Zeitpunkten mit uE = 0 entladen. Bild 5.15. Ein Kondensator wird über eine Serienschaltung zweier Widerstände geladen und entladen. Eine Diode wird benutzt, um die Entladezeitkonstante zu verkleinern. Wir wollen den zeitlichen Verlauf der Spannung uC(t) berechnen. Dazu stellen wir die Maschengleichung mit für das Laden und das Entladen des Kondensators auf: 184 5.2 Dioden Laden und Entladen des Kondensators finden also mit unterschiedlichen Zeitkonstanten statt. Bild 5.16 zeigt den Lade- und Entladevorgang für R1 = R2 = R. Bild 5.16. Lade- und Entladevorgang des Kondensators aus Bild 5.15. Für den Einsatz in Schaltanwendungen ist das dynamische Verhalten der Diode wichtig. Insbesondere kommt derjenigen Zeit, die eine Diode benötigt, um von dem leitenden in den sperrenden Zustand zu schalten, eine besondere Bedeutung zu. Damit die Diode in den sperrenden Zustand übergehen kann, müssen alle freien Ladungsträger aus der Raumladungszone entfernt werden. Dieses Ausräumen der Ladungen ist vergleichbar mit dem Entladen eines Kondensators. Man kann der Diode eine Kapazität, die sogenannte Sperrschicht- kapazität, zuordnen, die dieses Verhalten beschreibt. Die Sperrschichtkapazität und damit die Sperrverzögerungszeit ist vom Aufbau der Diode abhängig. Dioden mit besonders kleinen Sperrverzögerungszeiten werden als schnelle Dioden bezeichnet. 185 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.2.3 Z-Dioden Z-Dioden weisen eine Kennlinie und ein Schaltzeichen gemäß Bild 5.17 auf. Bild 5.17. Schaltzeichen und Kennlinie einer Z-Diode. Die Spannung UZ, bei der der Durchbruch erfolgt, ist genau spezifiziert. Sie liegt je nach Typ der Diode zwischen einigen Volt und ca. 400V. Während bei herkömmlichen Dioden ein Betrieb im Durchbruchbereich zur thermischen Zerstörung der Diode führt, sind Z-Dioden so aufgebaut, daß sie gerade im Durchbruchbereich, also generell in Sperrichtung, betrieben werden können. Um thermische Überlastungen der Diode auszuschließen, darf eine für jeden Z-Diodentyp spezifizierte maximal zulässige Verlustleistung nicht überschritten werden. Eine häufige Anwendung von Z-Dioden findet sich in Schaltungen zur Stabilisierung von Gleichspannungen. Eine einfache Schaltung zeigt Bild 5.18. Bild 5.18. Einfache Schaltung zur Stabilisierung einer Gleichspannung an einem Verbraucherwiderstand RV mittels der Z-Diode ZD. 186 5.2 Dioden Die Schaltung in Bild 5.18 möge aus einer gleichgerichteten Wechselspannung mit Glättungskondensator betrieben werden, die wir aus Bild 5.13 kennen. Unser Ziel ist es, an den Ausgangsklemmen A-B eine stabilisierte Gleichspannung UAB, also eine Spannung mit genau definierter, konstanter Größe, bereitzustellen. Diese kann nur kleiner sein als die kleinste Spannung an den Ausgangsklemmen der Schaltung nach Bild 5.13. Wir wählen eine Z-Diode, deren Spannung UZ genau der gewünschten Gleichspannung entspricht. Mit dem Widerstand R stellen wir einen Arbeitspunkt auf der Diodenkennlinie im Durchbruchbereich ein. Da die Kennlinie sehr steil ist, ändert sich die Spannung an der Z-Diode nur wenig, wenn sich der Strom iZ durch die Z-Diode ändert. Eine Stromänderung könnte durch die Welligkeit der Eingangsspannung oder durch einen sich ändernden Verbraucherwiderstand RV entstehen. Beide Effekte werden durch die Stabilisierungsschaltung innerhalb bestimmter Grenzen, die durch die Steilheit der Kennlinie der Z-Diode und die auftretenden Stromänderungen bestimmt werden, aufgefangen. Eine Dimensionierung der Schaltung ist in folgenden Schritten möglich: 1. Die gewünschte Ausgangsspannung UAB bestimmt die Spannung UZ der Z-Diode: 2. Der maximale Ausgangsstrom IAB,max bestimmt die erforderliche Verlustleistung der Z-Diode. Als Faustformel gilt: Damit sind die wichtigsten Kenngrößen der Z-Diode bestimmt. 3. Der OHMsche Widerstand R muß den Strom durch die Z-Diode begrenzen: Die einfache Schaltung ist nur für sehr geringe Verbraucherströme sinnvoll, da sonst zu große Verlustleistungen in der Z-Diode und im Widerstand R auftreten. Wir werden später eine um einen Transistor erweiterte Schaltung kennenlernen, die eher praxistauglich ist. 187 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.2.4 Photodioden Photodioden dienen zum Empfang optischer Strahlung. Dabei wird der sogenannte innere Photoeffekt ausgenutzt. Der innere Photoeffekt beschreibt die Absorption von Photonen in einem Halbleitermaterial. Bei Photodioden wird in dem Halbleitermaterial ein pn-Übergang dotiert. Um die Wirkungsweise von Photodioden zu verstehen. betrachten wir Bild 5.19. Bild 5.19. Eine Photodiode wird an ihren Klemmen über ein ideales Amperemeter kurzgeschlossen. Am pn-Übergang der Diode bildet sich wie bei der normalen Diode eine Raumladungszone aus, in der keine freien Ladungsträger vorhanden sind. Einfallende Photonen sind in der Lage, Elektron-LochPaare zu erzeugen, sofern ihre Energie EP = h · ƒ dazu ausreicht. Wird ein solches Elektron-Loch-Paar in der Raumladungszone erzeugt,JG so wirkt auf die getrennten Ladungen das elektrische Feld E der Raumladungszone. Als Folge wird die entstandene Minorität (im n-Bereich: Loch, im p-Bereich: Elektron) durch den ladungsträgerfreien Bereich transportiert und bewirkt so einen Photostrom iP in Feldrichtung, der mit dem Meßgerät registriert werden kann. Der Photostrom fließt in Sperrichtung der Diode. Wir wissen, daß an einem pn-Übergang eine Raumladungszone entsteht, in der keine freien Ladungsträger vorhanden sind. Nur wenn wir eine Spannung in Durchlaßrichtung anlegen, überschwemmen wir die Raumladungszone mit freien Ladungsträgern und es fließt ein Strom. Wird die Diode kurzgeschlossen, fließt zunächst kein Strom. Zusatzladungen an den Diodenanschlüssen kompensieren den Spannungsabfall an der Raumladungszone. Fällt jedoch Licht auf den pnÜbergang, 188 5.2 Dioden so fließt ein Photostrom iP in Sperrichtung durch die Diode. Diese Erscheinung soll im folgenden erläutert werden. Licht kann sowohl als eine sinusförmige elektromagnetische Welle mit der Frequenz ƒ und der Wellenlänge λ, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, als auch als Photonenstrom dargestellt werden. Photonen sind Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie werden auch als Lichtquanten bezeichnet. Sie besitzen eine Energie EP, die gegeben ist durch (5.10) mit dem PLANCKschen Wirkungsquantum und der Frequenz ƒ des Lichts. Diese kann aus der Vakuumwellenlänge des Lichts λ0 und der in Gl. 4.25 eingeführten Vakuumlichtgeschwindigkeit c gemäß Gl. 9.43 berechnet werden zu mit Wenn Licht aus dem Vakuum in ein Medium eintritt, so bleibt die Frequenz des Lichts unverändert, während sich die Wellenlänge und die Ausbreitungsgeschwindigkeit ändern. Diese Änderungen werden durch die Brechzahl des Mediums n beschrieben: λ : Wellenlänge des Lichts im Medium mit der Brechzahl n v : Phasengeschwindigkeit des Lichts im Medium mit der Brechzahl n Typische Zahlenwerte der Brechzahl sind beispielsweise Mit den angegebenen Größen kann man für die Photonenenergie des Lichts auch schreiben Wir haben in Anlehnung an die Literatur für die Photonenenergie das Formelzeichen E benutzt. Um Verwechselungen mit der elektrischen Feldstärke zu vermeiden, 189 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente haben wir den Index P hinzugefügt, der bei uns nicht als Index einer elektrischen Feldstärke auftritt. Die Energie eines Photons EP ist somit von der Frequenz oder Wellenlänge (im sichtbaren Bereich von der Farbe) der Strahlung abhängig. Die Intensität eines Lichtstrahls ist im Teilchenmodell proportional der Anzahl der Photonen pro Zeiteinheit. Dringt ein Photon in den Halbleiter ein, dessen Energie EP = h · ƒ größer als der Bandabstand des Halbleiters ist, so kann das Photon absorbiert werden. Dabei hebt es ein Elektron vom Valenzband in das Leitungsband, so daß ein ElektronLoch-Paar entsteht. Findet die Absorption eines Photons in einer feldfreien Zone des Halbleiters statt, so besteht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, daß Elektron und Loch wieder rekombinieren, ohne daß die Entstehung des Elektron-LochPaares in einem äußeren Stromkreis registriert werden kann. Werden dagegen Photonen in der Raumladungszone absorbiert, so sind plötzlich dort freie Ladungsträger vorhanden, die durch das elektrische Feld in der Raumladungszone getrennt werden und einen im äußeren Stromkreis der (beispielsweise kurzgeschlossenen) Diode registrierbaren Photostrom bewirken. Der Photostrom fließt in Sperrichtung der Diode. Wie wir gesehen haben, liefert nicht jedes Photon ein Elektron-Loch-Paar, das in einem äußeren Stromkreis detektiert werden kann. Zur Kennzeichnung dieses Verhaltens wird der Quantenwirkungsgrad η benutzt. Anzahl der registrierbaren Elektron-Loch-Paare pro Zeiteinheit η = Anzahl der einfallenden Photonen pro Zeiteinheit (5.11) Der Quantenwirkungsgrad einer Photodiode ist vom Halbleitermaterial, dem physikalischen Aufbau der Diode und von der Wellenlänge der zu messenden Strahlung abhängig. Der in Bild 5.19 im äußeren Stromkreis der Photodiode meßbare Photostrom iP ergibt sich mit dem Quantenwirkungsgrad gemäß Kapitel 3.2 zu (5.12) mit e = Elementarladung dNe = pro Zeiteinheit in der Photodiode erzeugte Elektron-Loch-Paare dt dNP = pro Zeiteinheit an der Photodiode eintreffende Photonen dt PL = h ⋅ ƒ ⋅ dNP an der Photodiode einfallende Lichtleistung. dt 190 5.2 Dioden Im folgenden werden einige für den technischen Einsatz von Photodioden wichtige Aspekte behandelt. Kennlinie von Photodioden Bild 5.20. Kennlinie einer Photodiode bei Beleuchtung. Durch die Beleuchtung verschiebt sich die Kennlinie nach unten. Die Verschiebung ist proportional zur einfallenden Lichtleistung. Bild 5.20 zeigt die Kennlinie einer beleuchteten Photodiode. Der Kurzschlußstrom einer Photodiode ist über einen sehr großen Dynamikbereich von ca. 7 Dekaden linear mit der einfallenden Lichtleistung verknüpft. Wir sehen, daß der Photostrom ein Strom in Sperrichtung ist. 191 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Beschaltung von Photodioden - in Sperrichtung mit Arbeitswiderstand Bild 5.21. Die Photodiode PD wird in Sperrichtung betrieben. Der Photostrom erzeugt einen Spannungsabfall am Widerstand R, Die Bandbreite der Schaltung wird durch die Sperrschichtkapazität der Diode und den Widerstand R entsprechend τ = R ⋅ C Sperrschicht begrenzt. Rechts sehen wir die Kennlinie der beleuchteten Photodiode aus Bild 5.20. Die Arbeitsgerade, die durch ΔuR die Gleichspannung U0 und den Widerstand R = Δi gegeben ist, liefert die Spannung über der beleuchteten Photodiode. Die Arbeitsgerade liegt im dritten Quadranten. Die Photodiode wird als Strahlungsdetektor betrieben. Im Solarzellenbetrieb verschiebt sich die Arbeitsgerade in den 4. Quadranten. Hier arbeitet die Photodiode als Generator auf den Widerstand R. Der Photostrom einer Photodiode ist gemäß Gl. 5.12 proportional zur einfallenden Lichtleistung PL und dem Quantenwirkungsgrad η: An einem Widerstand kann entsprechend Bild 5.21 der Photostrom in eine Spannung (5.13) umgesetzt und einem Verstärker zugeführt werden. Aus der Maschengleichung folgt für die Spannung über der Photodiode mit iP = - iD (5.14) Wie aus Bild 5.21 zu ersehen ist, hat für Arbeitspunkte im 3. Quadranten uD praktisch keinen Einfluß auf iP. 192 5.2 Dioden Wenn die Schaltung schnelle Beleuchtungsänderungen erfassen soll, wählt man neben einem kleinen Widerstand R eine möglichst große Spannung U0. Dann wird die Sperrschichtkapazität der Photodiode minimal. Wegen des kleinen Widerstandes kann die Spannung uR dadurch allerdings sehr klein werden. Die Spannung uD ist in dieser Schaltung immer < 0. - als Solarzelle Für U0 = 0 in Bild 5.21 folgt für die Diodenspannung Die Photodiode arbeitet jetzt als Generator auf den Widerstand R. Man nennt diese Schaltungsart Solarzellenbetrieb. Wegen des nicht linearen Zusammenhangs zwischen einfallender Lichtleistung und Photostrom für uD > 0 wird diese Schaltung zur Messung optischer Signale nicht benutzt. - in Sperrichtung mit Strom-Spannungs-Wandler Eine Schaltung, mit der sehr kleine Photoströme gemessen werden können, zeigt Bild 5.22. Die Schaltung des Operationsverstärkers haben wir als StromSpannungs-Wandler oder Trans-Impedanz-Verstärker in Kapitel 3.13.4 kennengelernt. Bild 5.22. Photodiode mit Strom-Spannungs-Wandler. Die Ausgangsspannung des als ideal vorausgesetzten Operationsverstärkers ergibt sich mit Gl. 3.69 sowie iP = iR zu (5.15) Durch die Wahl eines großen Widerstandes: R (z.B. 10M Ω ) können noch sehr geringe Lichtintensitäten erfaßt werden. Bei sehr großen Widerstandswerten kann die Schaltung instabil werden und wie ein Oszillator schwingen. Zur Unterdrückung 193 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente solcher Schwingungen kann ein kleiner Kondensator zum Widerstand parallelgeschaltet werden. Dabei wird im allgemeinen die Bandbreite der Schaltung, d.h. die obere Grenzfrequenz, bis zu der Intensitätsschwankungen des Lichts registriert werden können, verkleinert. Detektierbare Wellenlängenbereiche Die Wellenlänge der detektierbaren Strahlung wird im Wesentlichen durch folgende Effekte bestimmt: - Die Energie der einfallenden Photonen EP = h ⋅ f muß größer als der Bandabstand des verwendeten Halbleitermaterials sein, damit überhaupt ElektronLoch-Paare erzeugt werden können. Daraus resultiert eine minimale Frequenz oder maximale Wellenlänge der registrierbaren Strahlung für das betreffende Halbleitermaterial. - Die zu registrierende Strahlung muß bis in die Raumladungszone gelangen und dort absorbiert werden. Mit steigender Energie der Photonen steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Photonen schon absorbiert werden, ehe sie die Raumladungszone erreichen. Daraus resultiert eine von der Bauart der Photodiode und vom Halbleitermaterial abhängige maximale Frequenz oder minimale Wellenlänge der registrierbaren Strahlung. Zwischen den Grenzwellenlängen ist die Empfindlichkeit im allgemeinen wellenlängenabhängig. In der folgenden Tabelle sind die Grenzwellenlängen einiger typischer Halbleitermaterialien bei Raumtemperatur aufgeführt. Zum Vergleich: Das menschliche Auge nimmt Strahlung etwa zwischen 0,4 µm (blau) und 0,7 µm (rot) wahr. Material untere Grenzwellenlänge in µm obere Grenzwellenlän- in µm Si 0,4 1,15 Ge 0,6 1,9 InGaAs 0,8 1,7 InSb 1 7,3 Ge:Cu bis 30 Die aufgeführten Materialien InSb und Ge:Cu finden nicht in Photodioden, sondern in Photowiderständen, das sind Widerstände, deren Widerstands wert durch die Beleuchtung verändert wird, Verwendung. Die Empfindlichkeit von Photowiderständen reicht weit bis in den langwelligen Infrarotbereich hinein. Ge:CuPhotowiderstände können daher z.B. für den Nachweis von CO2-Laserstrahlung bei 10,6 µm eingesetzt werden. CO2-Laser finden in der Materialbearbeitung beispielsweise zum Schweißen und Schneiden Verwendung. Detektoren zur Messung von langwelliger Infrarotstrahlung müssen gekühlt werden, beispielsweise mit flüssigem Stickstoff auf 77K. 194 5.2 Dioden Ausführungsformen von Photoempfängern Photodioden werden in vielfältigen Ausführungsformen angeboten. Manchmal ist es schwierig, zu erkennen, ob eine Bezeichnung, die ein Hersteller für eine bestimmte Ausführung angibt, wirklich einen besonderen Typ mit besonderen Eigenschaften kennzeichnet oder ob ein neuer Name nur beispielsweise eine spezielle Herstellungsmethode mit vergleichbaren Eigenschaften der Dioden anderer Hersteller beschreibt. Im folgenden sollen einige Begriffe aus der Photodetektortechnik vorgestellt werden: PIN-Dioden besitzen zwischen der p-dotierten Zone und der n-dotierten Zone einen undotierten, sogenannten eigenleitenden Bereich (englisch: intrinsic). Durch den Einbau der i-Zone wird die Raumladungszone vergrößert. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für die Absorption von Photonen in der Raumladungszone. Außerdem wird die Sperrschichtkapazität verringert. PIN-Dioden sind aus diesen Gründen sehr schnelle Detektoren und werden häufig eingesetzt. Lawinenphotodioden (Avalanche Photo Diodes, APDs) weisen einen inneren Verstärkungsmechanismus des Photostromes auf. Durch eine geeignete Dotierung und eine Betriebsspannung von einigen hundert Volt entsteht in der Diode ein Bereich sehr hoher elektrischer Feldstärke. Durch Absorption von Photonen erzeugte Elektronen werden in diesem Bereich so stark beschleunigt, daß ihre Energie ausreicht, um weitere Elektron-Loch-Paare zu erzeugen. Diese erhöhen den Photostrom. Es gelingt, den Photostrom um einen Faktor 100 bis 200 zu verstärken. Der Betrieb von Lawinenphotodioden erfordert die Beachtung verschiedener Randbedingungen und ist nicht trivial. Der erforderliche hohe Aufwand wird in Kauf genommen, wenn sehr kleine optische Leistungen registriert werden müssen. Typische Einsatzbereiche liegen in der optischen Nachrichtenübertragung mit Lichtleitfasern. Solarzellen sind Photodioden, die einfallende Lichtleistung in elektrische Leistung umsetzen. Sie werden großflächig und mit dem Ziel eines hohen Quantenwirkungsgrades gebaut. Ihr Einsatz dient der Umwandlung von Sonnenenergie in elektrische Energie. CCDs (Charge Coupled Devices, Ladungsgekoppelte Schaltelemente) weisen eine große Zahl von Photodetektoren auf, die beispielsweise linear in einer Zeile von 2048 Einzelelementen (Pixeln) oder in einem Rechteck von beispielsweise 604 x 576 Einzelelementen angeordnet sein können. Durch eine Beleuchtung der Einzelelemente erzeugte Ladungsträger werden in einem Potentialtopf unter dem jeweiligen Element festgehalten. Durch geeignete Potential Verschiebungen werden die festgehaltenen Ladungen nacheinander einem Ladungs-SpannungsWandler zugeführt. Dieser stellt an dem Ausgang des CCD eine Spannung zur Verfügung, die nacheinander die Beleuchtung aller Einzelzellen repräsentiert. Dazu ist eine intelligente digitale Signalverarbeitung auf dem CCD erforderlich. Moderne Fernsehkameras und Videokameras enthalten CCDs. 195 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Photowiderstände (LDRs, Light Dependent Resistors) bestehen aus Halbleitermaterial, und ihre Wirkungsweise beruht wie die der Photodioden auf dem inneren Photoeffekt. Im Unterschied zu Photodioden wird hier jedoch kein pn-Übergang dotiert. Die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren durch Beleuchtung führt hier zu einer Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit und damit zu einem kleineren Widerstandswert als im unbeleuchteten Zustand. Die Wirkungsweise von Photozellen und Photomultipliern beruht nicht auf dem oben beschriebenen inneren Photoeffekt, sondern auf dem sogenannten äußeren Photoeffekt. 196 5.2 Dioden 5.2.5 LEDs und Laserdioden Lichtemittierende Dioden (LEDs, light emitting diodes) und Laserdioden (LASER: Kunstwort für „light amplification by stimulated emission of radiation") senden Licht aus, wenn ihr pn-Übergang in Durchlaßrichtung stromdurchflossen wird. Das Licht entsteht im pn-Übergang durch die Rekombination von Elektronen und Löchern, wie in Bild 5.23 angedeutet. Bild 5.23. Durch die Rekombination von Elektronen und Löchern wird Energie frei. Diese wird in Form von Photonen abgestrahlt, Man unterscheidet spontane und induzierte Emissionsprozesse. Bei der Rekombination eines Elektrons und eines Lochs wird Energie frei, die in der Form eines Photons abgestrahlt wird. In LEDs erfolgt die Rekombination in einem statistisch verteilten spontanen Prozeß. Dabei entsteht inkohärente Strahlung in alle Raumrichtungen. Wir kennen inkohärente Strahlung beispielsweise vom Glühlampenlicht, das aber im Unterschied zum LED-Licht über einen großen Spektralbereich verteilt ist. LED-Licht ist auf einen kleinen Spektralbereich konzentriert. Die Farbe der Strahlung ist vom Bandabstand des Halbleitermaterials abhängig. In Laserdioden rekombinieren die Elektronen und Löcher hauptsächlich in einem durch ein äußeres Strahlungsfeld induzierten Prozeß. Dieser induzierte Prozeß stellt die Umkehrung des Absorptionsprozesses dar, bei dem mit der Energie des Photons in dem Halbleiter ein Elektron-Loch-Paar gebildet wird. Beim induzierten Emissionsprozeß wird dagegen von einem auf das Elektron-Loch-Paar einfallenden Photon ein zweites Photon mit gleichen Eigenschaften erzeugt. Sind die Endflächen der Diode außerdem parallel, eben und genügend hochreflektierend, so bildet sich 197 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente zwischen ihnen eine stehende Welle mit einer festen Frequenz aus. Ein Teil dieses Lichtes wird von der Laserdiode senkrecht zu den spiegelnden Endflächen abgestrahlt, wobei die Verluste durch induzierte Emissionsprozesse in der Diode ersetzt werden. Bild 5.24. Spektrale Emission von Glühlampe, LED und Laserdiode. Für die Glühlampe wurde eine Fadentemperatur von 2000K angenommen. Das Maximum der Emission liegt im infraroten Spektralbereich. Nur der Anteil der Strahlung zwischen etwa 400nm und 700nm ist für das menschliche Auge sichtbar. Die Kurve der „blauen LED" wurde an einer LED aus Siliziumkarbid (SiC) gemessen. Die relativ breitbandige Emission erweckt einen weißlichblauen Farbeindruck. Moderne blau emittierende LEDs aus Galliumnitrid (GaN) sind erheblich schmalbandiger und rufen einen tiefblauen Farbeindruck hervor. Die Emission der Laserdiode ist extrem schmalbandig. Im Gegensatz zur LED-Strahlung ist Laserdiodenlicht extrem schmalbandig und stark gebündelt (wenngleich die Laserdiodenstrahlung nicht so schmalbandig wie von anderen Lasertypen ist). Bild 5.24 zeigt einen Vergleich der spektralen Emission verschiedener Lichtquellen. Die besondere Eigenschaft der Laserstrahlung ist ihre Kohärenz. Eine exakte Beschreibung erfolgt im Rahmen einer mathematisch aufwendigen Theorie, die wir 198 hier nicht betrachten können. Der Unterschied zwischen kohärenter und inkohärenter Strahlung kann mit Bild 5.25 verdeutlicht werden: Ein Laser gibt monochromatische 199 5.2 Dioden Strahlung in einer Raumrichtung ab. Im einfachsten Fall läßt sich die Intensitätsverteilung quer zum Strahl durch eine GAUSSsche Glockenkurve darstellen. Die Ausbreitung dieser GAUSSschen Strahlen im Raum kann sehr leicht berechnet werden, würde aber den Rahmen unserer Darstellung sprengen. Inkohärente Strahlung besteht aus einer Vielzahl von Schwingungen in unterschiedlichen Raumrichtungen mit unterschiedlichen Wellenlängen. Ein elektrisches Analogon zum Laser ist gemäß Bild 5.25 eine Wechselspannungsquelle, die einen sinusförmigen Strom mit einer festen Frequenz in einen Verbraucherwiderstand treibt. Eine inkohärente Lichtquelle entspricht einer Rauschspannungsquelle, die über einen großen Frequenzbereich Signale verschiedener Amplituden liefert. Bild 5.25. Vergleich kohärenter und inkohärenter Strahlung, Der Unterschied zwischen kohärenter und inkohärenter Strahlung kann an einem elektrischen Analogon gezeigt werden: Kohärentes Licht ist vergleichbar mit einem sinusförmigen Signal bei einer festen Frequenz. Inkohärentes Licht ist vergleichbar mit dem Signal eines Rauschgenerators, der eine statistisch schwankende Spannung abgibt, die Anteile aus einem großen Frequenzbereich enthält. Aus der Kohärenz folgen einige spezielle Eigenschaften der Laserstrahlung: - Ein Laserstrahl ist stark gebündelt. - Die gesamte Strahlungsleistung eines Lasers kann auf einen winzigen Punkt konzentriert werden. Sein Durchmesser liegt in der Größenordnung der Lichtwellenlänge. - Die Strahlung eines Lasers ist sehr schmalbandig. Der Laser liefert eine „Spektralfarbe" (oder auch mehrere diskrete Frequenzen gleichzeitig). - Wird Laserlicht überlagert und damit zur Interferenz gebracht, so entsteht als Folge seiner Kohärenz eine Hell-Dunkel-Verteilung, An den dunklen Stellen heben sich die (elektrischen) Feldstärken auf. Wird inkohärentes Licht überlagert, so addieren sich die Intensitäten und es kann keine Auslöschung geben. 200 5 Grundzüge elektronischer Halbleitersehaltelemente LEDs und Laserdioden können nicht aus allen Halbleitermaterialien aufgebaut werden. Es werden sogenannte „direkte" Halbleiter benötigt. Direkte Halbleiter sind beispielsweise Galliumarsenid (GaAs) oder Indiumphosphid (InP). Silizium und Germanium sind indirekte Halbleiter, bei denen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten strahlender Übergänge im Festkörper verschwindend klein ist. Der Aufbau von modernen Laserdioden ist kompliziert. Namen wie Doppelheterostrukturlaser kennzeichnen bestimmte Ausführungsformen. Ziel aller Entwicklungen ist eine hohe Laserausgangsleistung bei niedrigem Strom, hoher Lebensdauer und guter Strahlqualität. Für bestimmte Anwendungen sind zusätzlich weitere Kriterien wie z.B. eine hohe Frequenzstabilität des Laserlichts, eine sehr konstante Ausgangsleistung oder eine besonders geringe Bandbreite der Strahlung wichtig. Häufig müssen Laserdioden dazu temperaturstabilisiert betrieben werden. Bild 5.26 zeigt die Strahlungsleistung einer typischen Laserdiode in Abhängigkeit vom Strom und der Temperatur im Vergleich zu einer LED. Bild 5.26. Strahlungsleistung von LED und Laserdiode. Bei kleinen Strömen emittiert eine Laserdiode inkohärente Strahlung wie eine LED. Ab einem Schwellstrom IS setzt die Lasertätigkeit ein. Der Zusammenhang zwischen Leistung und Strom ist annähernd linear. Durch eine Temperaturerhöhung verschiebt sich der Schwellstrom zu größeren Strömen. Temperaturschwankungen führen bei konstantem Strom zu Schwankungen der Strahlungsleistung. Damit es zu einem kontrollierten Stromfluß in LED und Laserdiode kommt, müssen beide in Durchlaßrichtung betrieben werden. Ein kritischer Punkt beim Betrieb von LEDs und Laserdioden ist ihre geringe Sperrspannung. Laserdioden sind überaus empfindlich gegen Spannungsspitzen, die häufig beim Einschalten von Versorgungsgeräten auftreten. Daher sind Schutzbeschaltungen der Laserdioden zwingend erforderlich. Außerdem sind beim Betrieb von Lasern Sicherheitsvorschriften zu beachten. 201 5.2 Dioden Die Farbe der Strahlung von LEDs und Laserdioden ist vom Bandabstand des verwandten Halbleitermaterials abhängig. Der Bandabstand bestimmt die Energie der Photonen EP = h · ƒ. Im Handel sind weiß, blau, grün, gelb, orange, rot und bei verschiedenen Wellenlängen im Infrarotbereich (IR) emittierende LEDs erhältlich. Bei weiß emittierenden LEDs handelt es sich um blau emittierende LEDs, in deren Vergußmasse Stoffe eingebettet sind, die einen Teil des blauen Lichts absorbieren und Fluoreszenzstrahlung über den gesamten sichtbaren Spektralbereich abgeben. Es resultiert ein meist leicht blaustichig weißer Farbeindruck. LEDs werden vor allem als Anzeigeelemente, in Optokopplern und in Lichtschranken eingesetzt. Ferner kennen Sie Infrarot-Fernbedienungen, in denen ebenfalls LEDs benutzt werden. Weiß emittierende LEDs werden auch zu Beleuchtungszwecken bei kleinen Leistungen, wie z.B. in Taschenlampen, eingesetzt. Als Anzeigeelemente haben LEDs gegenüber kleinen Glühlampen entscheidende Vorteile. Ihre Lebensdauer ist erheblich höher. Sie fallen zudem nicht plötzlich aus wie eine durchgebrannte Glühlampe, sondern ihre Helligkeit läßt in der Regel nur allmählich nach. Zudem sind sie kleiner, erschütterungsunempfindlich, in nahezu beliebigen Formen herstellbar und, besonders wichtig, sie haben mittlerweile eine bessere Lichtausbeute, benötigen also weniger Strom als vergleichbare Glühlampen, vor allem, wenn diese mit Farbfiltern betrieben werden. So finden sich LEDs heute auch in Verkehrsampeln und beispielsweise Fahrzeugrückleuchten. Optokoppler bestehen aus LEDs als Sender und Photodioden als Empfänger. Sie dienen der galvanischen Entkopplung bei der Signalübertragung. Optokoppler und meist auch Lichtschranken arbeiten im allgemeinen mit Infrarotlicht, da die LEDs für infrarote Strahlung einen besonders guten Wirkungsgrad besitzen. Die ersten Laserdioden wurden auf der Basis von Galliumarsenid (GaAs) bei einer Wellenlänge von 850nm, also im nahen Infrarotbereich, realisiert. Heute sind Laserdioden bei verschiedenen Infrarot-Wellenlängen sowie im roten Spektralbereich verfügbar und am Markt etabliert. Blau emittierende Laserdioden aus Galliumnitrid (GaN) sind zwar auch verfügbar, setzen sich aber nur langsam durch. Laserdioden werden in großen Mengen zum Abtasten kleiner Vorlagen eingesetzt (z.B. im CD-Spieler), in der optischen Meßtechnik und bei der optischen Nachrichtenübertragung in Lichtleitfasern. 202 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.3 Transistoren Eine Behandlung des Themas „Transistoren" kann leicht eine vollständige Vorlesung füllen. Eine umfassende Behandlung der Transistorschaltungen benötigt einen mindestens ebenso großen Rahmen. Es ist klar, daß hier nur wenige der wichtigsten Aspekte in stark vereinfachter Darstellung gebracht werden können. Darüber hinaus beschränken wir uns auf Bipolartransistoren. Transistoren werden heute zumeist als Bausteine in integrierten Schaltungen eingesetzt und nur in Ausnahmefällen als separate Schaltungselemente. 5.3.1 Aufbau und Wirkungsweise Den Aufbau und die Schaltzeichen von Transistoren zeigt Bild 5.27. Bild 5.27. Ein Transistor besteht aus drei abwechselnd p- und n-dotierten Zonen eines Halbleiterkristalls. Dabei ist die Reihenfolge npn und pnp möglich. Entsprechend spricht man von npn-Transistoren und pnpTransistoren. Jede der Zonen wird mit einem Anschlußdraht kontaktiert und steht als Transistoranschluß zur Verfügung. Die mittlere Zone ist sehr dünn. Sie wird als Basis des Transistors bezeichnet. Die beiden anderen Anschlüsse heißen Emitter und Kollektor des Transistors. Wegen ihrer unterschiedlich hohen Dotierung darf man sie nicht vertauschen. Rechts sehen wir die Schaltzeichen von npn- und pnpTransistoren. Der Ring wird häufig nicht gezeichnet. Die prinzipielle Wirkungsweise von Transistoren wollen wir stellvertretend am npnTransistor untersuchen. Wir betrachten Bild 5.28. Bei offenem Basisanschluß ist in dem Transistor kein Stromfluß im KollektorEmitter-Kreis möglich, da der pn-Übergang zwischen Basis und Kollektor wegen der gewählten Polarität von U0 in Sperrichtung betrieben wird. Man sagt, der Transistor sperrt. Wird die einstellbare Spannung uE an die Basis angeschlossen und auf 0V eingestellt, so ändert sich an dem Zustand nichts. Erhöhen wir uE und damit die Basis-Emitter-Spannung uBE, so wird ein Basisstrom fließen, da für die gegenüber dem Emitter positive Basis der Basis-Emitter-pn-Übergang in 203 5.3 Transistoren Bild 5.28. Ein npn-Transistor ist mit seinem Emitter an den negativen Pol einer Gleichspannungsquelle mit der Spannung U0 angeschlossen. Der positive Pol der Spannungsquelle ist über einen Widerstand RC mit dem Kollektor des Transistors verbunden. An die Basis kann der positive Pol einer weiteren Gleichspannungsquelle mit der einstellbaren Spannung uE gelegt werden, deren negativer Pol ebenfalls am Emitter liegt. - Spannungen und Ströme am Transistor kennzeichnen wir wie folgt: die in Basis, Emitter und Kollektor hineinfließenden Ströme heißen Basisstrom iB, Emitterstrom iE und Kollektorstrom iC. Die Spannungen kennzeichnen wir durch zwei Indizes für Anfangs- und Endpotential, uBE ist folglich die Spannung zwischen Basis und Emitter. Durchlaßrichtung geschaltet ist. Der Basisstrom ist mit der angelegten Spannung über die Kennlinie des pn-Übergangs, also über eine Diodenkennlinie verknüpft. Entscheidend für die Wirkungsweise des Transistors ist, daß die Basis nur als sehr dünne Zone zwischen Emitter und Kollektor dotiert wird. Durch den im BasisEmitter-Kreis fließenden Strom, den wir uns durch Elektronen getragen vorstellen können, die sich aus dem Emitter in die Basis bewegen, wird in der Basis die Zahl freier Ladungsträger erhöht. Diese überschwemmen die dünne Basiszone und auch die Raumladungszone zwischen Basis und Kollektor. Damit sind aber nun in dem ursprünglich gesperrten pn-Übergang zwischen Basis und Kollektor freie Ladungsträger für einen Stromfluß im Kollektor-Emitter-Kreis vorhanden. Die Größe des fließenden Kollektorstromes ist dabei abhängig vom Grad der Überschwemmung der Basiszone mit Ladungsträgern und damit vom Basisstrom. Entscheidend ist, daß es eines sehr geringen Basisstromes bedarf, um die Sperrwirkung des Basis-Kollektor-pn-Übergangs zu steuern, während der Kollektorstrom sehr große Werte annehmen kann. Wir beobachten einen Verstärkungsmechanismus, wobei mit einem sehr kleinen Basisstrom ein großer Kollektorstrom gesteuert wird. 204 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Für einen pnp-Transistor gelten die Erläuterungen sinngemäß. Es müssen nur die Polaritäten der angelegten Spannungen umgekehrt werden. 5.3.2 Charakteristische Größen und Kennlinien des Transistors Wir wollen auch in diesem Kapitel den npn-Transistor stellvertretend für beide Transistorarten betrachten. Alle Ergebnisse lassen sich auf den pnp-Transistor übertragen. Wir haben gesehen, daß ein kleiner Basisstrom iB einen großen Kollektorstrom iC steuern kann. Den Basisstrom haben wir über eine Spannungsquelle zwischen Basis und Emitter erzeugt. Der Zusammenhang zwischen iB und uBE wird durch die Kennlinie des pn-Übergangs, also über eine Diodenkennlinie, beschrieben. Bei einer genauen Betrachtung stellt man fest, daß diese Kennlinie beeinflußt wird durch die angelegte Kollektor-Emitter-Spannung. Es tritt eine Spannungsrückwirkung (5.16a) ein. Da diese jedoch sehr gering ist, wollen wir sie im weiteren vernachlässigen: (5.16b) Eine Rückwirkung kann auch in der Form (5.17a) auftreten. Auch diese wollen wir im folgenden vernachlässigen: (5.17b) Damit können wir als Eingangskennlinie des Transistors die Diodenkennlinie gemäß Bild 5.29 angeben, die hier nur für positives uBE sinnvoll ist. Sie lautet (5.18) Der in Gl. 5.5 angegebene Korrekturfaktor ist hier mit guter Näherung m = 1. Trägt man statt iB den Strom iC über uBE auf, so ergibt sich ebenfalls eine e-Funktion in der Form (5.19) 205 5.3 Transistoren Bild 5.29. Eingangskennlinie eines Transistors. Links ist iB und rechts iC als Funktion von uBE aufgetragen. Wobei ist. Die Veränderung der Kurve mit uCE ist nur gering. Die Belastung, die ein Transistoreingang für die steuernde Spannungsquelle darstellt, ist nichtlinear von uBE abhängig. Sie wird durch den Kehrwert des Anstiegs der Eingangskennlinie bei dem betreffenden uBE beschrieben und differentieller Eingangswiderstand rBE genannt. (5.20) Eine Näherungsformel für rBE kann durch eine Differentiation der Diodenkennlinie gewonnen werden. Es ergibt sich (5.21) Als Eingangskennlinie haben wir den Zusammenhang von Strom und Spannung im Eingangskreis, also zwischen Basis und Emitter, bezeichnet. Analog dazu können wir den Zusammenhang von Strom und Spannung im Ausgangskreis, also zwischen Kollektor und Emitter, als Ausgangskennlinie des Transistors bezeichnen. Die Ausgangskennlinie ist vom Basisstrom abhängig, da über den Basisstrom der Ausgang des Transistors gesteuert wird. Bild 5.30 zeigt ein typisches Ausgangskennlinienfeld eines Transistors. Für einen bestimmten Basisstrom steigt der Kollektorstrom mit der KollektorEmitter-Spannung zunächst steil an, bis eine Sättigung des Kollektorstromes eintritt und die Kennlinie in einen nur noch schwach ansteigenden Ast übergeht. Analog zum differentiellen Eingangswiderstand rBE eines Transistors können wir einen differentiellen Ausgangswiderstand (5.22) 206 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Bild 5.30. Ausgangskennlinienfeld eines Transistors. Aufgetragen wird iC als Funktion von uCE. Der Basisstrom iB dient als Parameter. Die Hyperbel kennzeichnet den sicheren Arbeitsbereich eines Transistors. Rechts von der Hyperbel liegen Arbeitspunkte, deren Produkt aus Strom und Spannung zu einer unzulässig hohen Verlustleistung im Transistor führt. Außerdem dürfen die im Datenblatt spezifizierten Maximalwerte iC,max und uCE,max nicht überschritten werden. definieren. Dieser ist im flachen Ast der Ausgangskennlinie erheblich größer als im steilen Ast. Dem Ausgangskennlinienfeld kann man weiterhin die sogenannte Kleinsignalstromverstärkung (5.23) entnehmen. Wären Gl. 5.18 und Gl. 5.19 exakt gültig, so würde sich ein konstanter Wert für β ergeben. Tatsächlich durchläuft β in Abhängigkeit von iC ein flaches Maximum. In Datenblättern von Transistoren wird die maximal zulässige Verlustleistung, die ein Transistor aufnehmen kann, ohne thermisch zerstört zu werden, spezifiziert. Da uBE ⋅ iB uCE ⋅ iC ist, kann die maximal zulässige Verlustleistung im Ausgangskennlinienfeld als eingetragen werden. Es ergibt sich eine Hyperbel. Eine weitere Größe, die für die Berechnung von Schaltungen benötigt wird, ist die Steilheit S: (5.24) Mit Gl. 5.19 läßt sich die Steilheit berechnen zu (5.25) 207 5.3 Transistoren Mit den zuletzt definierten Größen kann der differentielle Eingangswiderstand des Transistors aus Gl. 5.20 umgeschrieben werden: (5.26) Alle berechneten Größen werden in Datenblättern von Transistoren entweder unmittelbar angegeben oder sind Diagrammen zu entnehmen. Ihre Zahlenwerte gelten stets für bestimmte Arbeitspunkte, die durch eine besondere Beschaltung des Transistors eingestellt werden müssen. Im folgenden werden wir die definierten Größen und die vorgestellten Kennlinien benutzen, um TransistorGrundschaltungen zu berechnen und die Einstellung von Arbeitspunkten vorzunehmen. 5.3.3 Die Emitterschaltung als Beispiel einer Transistor-Grundschaltung Ein Transistor besitzt drei Anschlüsse. Eine Schaltung wie z.B. ein Verstärker ist ein Vierpol mit vier Anschlüssen. Deshalb muß einer der Transistoranschlüsse zumindest für die zeitabhängigen Signale, die von der Schaltung übertragen werden, sowohl mit den Eingangsklemmen als auch mit den Ausgangsklemmen verbunden sein. Je nachdem, welcher Anschluß dies ist, spricht man von Transistoren in Basis-, Emitter- oder Kollektorschaltung. Jede dieser möglichen Schaltungsarten hat bestimmte Vor- und Nachteile. Bild 5.31 zeigt die Schaltungsarten. Bei der Basisund Emitterschaltung läßt sich die Bezeichnung anhand des Schaltbildes unmittelbar nachvollziehen. Bei der Kollektorschaltung ist der Kollektor an eine Spannungsquelle angeschlossen, deren Innenwiderstand im Idealfall Ri = 0 ist. Für Wechselsignale liegt daher der Kollektor auf Masse. Bild 5.31. Schaltungsarten von Transistoren am Beispiel des npn-Transistors. Links: Basisschaltung, Mitte: Emitterschaltung, rechts: Kollektorschaltung, auch Emitterfolger genannt. 208 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Für eine Berechnung von Schaltungen machen wir den Ansatz, daß der Basisstrom iB und der Kollektorstrom iC von uBE und uCE abhängen: Die totalen Differentiale liefern uns gerade diejenigen Differentialquotienten, die wir in Kapitel 5.3.2 definiert und berechnet haben: (5.27) (5.28) Mit Gl. 5.20, Gl. 5.17, Gl. 5.24 und Gl. 5.22 folgt (5.29) (5.30) Mit Gl. 5.29 und Gl. 5.30 stehen uns zwei Grundgleichungen für die Berechnung von Transistorschaltungen zur Verfügung. Im folgenden wollen wir beispielhaft die Emitterschaltung untersuchen. Bild 5.82. Emitterschaltung des npn-Transistors T. Ein pnp-Transistor würde mit umgepolten Spannungsquellen analog zum npn-Transistor arbeiten. 209 5.3 Transistoren Die grundsätzliche Wirkungsweise eines Transistors haben wir am Beispiel der Emitterschaltung in Kapitel 5.3.1 bereits diskutiert. Bild 5.32 zeigt noch einmal eine vollständige Schaltung. Aus Gl. 5.29 und Gl. 5.30 können die Eigenschaften der Emitterschaltung berechnet werden. Dynamischer Eingangswiderstand Mit Gl. 5.26 ergibt sich für den dynamischen Eingangswiderstand rE der Emitterschaltung mit uCE = konst. (5.31) Durch die endliche Größe des Eingangswiderstandes wird die dem Transistor zugeführte Eingangsspannung reduziert, wenn die Eingangsspannungsquelle mit einem Innenwiderstand Ri behaftet ist. Durch eine geeignete Wahl von iC sollte rE so eingestellt werden, daß gilt rE Ri. Dynamischer Ausgangswiderstand Zur Berechnung des dynamischen Ausgangswiderstandes rA der Emitterschaltung machen wir den Ansatz: Das negative Vorzeichen berücksichtigt, daß uA wegen des Spannungsabfalls an RC mit steigendem iA sinkt. Wir stellen am Kollektor des Transistors die Knotenpunktsgleichung für die Stromänderungen auf: Mit Gl. 5.30, uCE = uA und duBE = 0 folgt Damit ergibt sich für den Ausgangswiderstand (5.32) Der dynamische Ausgangswiderstand rA der Emitterschaltung ergibt sich aus der Parallelschaltung von rCE und RC. 210 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Leerlauf-Spannungsverstärkung Die Leerlauf-Spannungsverstärkung vU0 der Emitterschaltung tritt bei einem nicht belasteten Ausgang auf (RV → ∞ , iA = 0, iRC = iC). Gemäß Bild 5.32 setzen wir und erhalten für die Leerlauf-Spannungs Verstärkung aus Gl. 5.30 (5.33) rA = (rCE||RC) kann als der Quellwiderstand einer Ersatzstromquelle mit dem eingeprägten Strom di0 = S · duE interpretiert werden. Typische Werte der Leerlauf-Spannungsverstärkung von Kleinsignaltransistoren in Emitterschaltung liegen bei -100… - 200. Das negative Vorzeichen bedeutet, daß eine positive Eingangsspannungsänderung eine negative Ausgangsspannungsänderung bewirkt. Die Ausgangsspannung selbst ist in unserer Schaltung immer positiv. Spannungsverstärkung Wird ein Verbraucherwiderstand RV an den Ausgang der Emitterschaltung angeschlossen, so bewirkt dieser, daß die Ausgangsspannung kleiner wird. Für die bei der Behandlung der Leerlauf-Spannungsverstärkung soeben eingeführte Ersatzstromquelle mit dem eingeprägten Strom di0 = S · duE und dem Quell- widerstand rA = (rCE||RC) stellt RV eine Parallelschaltung zum Quellwiderstand dar. Der resultierende Widerstand, der von di0 durchflossen wird, berechnet sich zu Mit RV erhalten wir für die Spannungsverstärkung vU der Emitterschaltung (5.34) Um die Veränderung der Spannungsverstärkung durch die Belastung der Schaltung mit RV gegenüber der Leerlaufspannungs Verstärkung vU0 zu sehen, formen wir Gl. 5.34 um: Die Leerlaufspannung wird im Verhältnis an dem durch den Verbraucherwiderstand RV und den Ausgangswiderstand rA gebildeten Spannungsteiler aufgeteilt. 211 5.3 Transistoren Kleinsignalersatzschaltbild Mit den bisher berechneten Größen ist es uns möglich, ein vereinfachtes Kleinsignalersatzschaltbild eines Transistors in Emitterschaltung anzugeben. Mit dem Kleinsignalersatzschaltbild soll es möglich sein, die Verstärkung einer kleinen Eingangswechselspannung zu ermitteln. Die Versorgungsgleichspannungen am Transistor sind dabei nicht relevant: Wir ersetzen sie durch ihren Innenwiderstand und damit für den Fall idealer Spannungsquellen durch einen Kurzschluß. Das dann gültige Kleinsignalersatzschaltbild zeigt Bild 5.33. Der Transistor wird durch den Eingangswiderstand rBE, eine ideale Stromquelle mit dem eingeprägten Strom S · uBE und den Quellwiderstand rCE dargestellt. In der Schaltung wurden die Differentiale für Strom und Spannung weggelassen. Wir können die bisher berechneten Größen unmittelbar entnehmen. Bild 5.33. Kleinsignalersatzschaltung eines Transistors in Emitterschaltung. Die Ersatzschaltung des Transistors besteht aus dem umrahmten Teil der Schaltung. Der Eingangswiderstand rBE belastet die Eingangsspannung uE. Der Transistor setzt die Eingangsspannung in eine Stromquelle mit dem eingeprägten Strom S · uBE um. Der Innenwiderstand der Stromquelle ist rCE. Der Transistor wird von einer realen Wechselspannungsquelle mit dem Innenwiderstand Ri angesteuert. Der Kollektorwiderstand RC hegt zwischen Kollektor und Emitter, da die Betriebsgleichspannung U0 für „Signale", d.h. Wechselspannungen, wegen ihres kleinen Innen-widerstandes einen Kurzschluß darstellt. Der Verbraucherwiderstand RV liegt ebenfalls zwischen Kollektor und Emitter und damit signalmäßig parallel zu rCE und RC. Die Ersatzschaltung ist uns bereits in Kapitel 3.13 begegnet. Der in Gl. 3.59 eingeA führte Faktor µ < 1 ist hier durch S > 1 zu ersetzen, da der Transistor ein aktives V Schaltelement ist und die Eingangsspannung verstärken kann. 212 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Gegenkopplung Die Kennlinien des Transistors sind nichtlinear. Das führt dazu, daß die verstärkten Signale verzerrt werden. Um diesem unerwünschten Effekt entgegenzuwirken, wird der Transistor im allgemeinen gegengekoppelt betrieben. Dadurch wird die Verstärkung zwar reduziert, aber die Ausgangsgrößen sind weniger stark verzerrt. In der Emitterschaltung sind zwei Gegenkopplungsschaltungen möglich, die in Bild 5.34 gezeigt werden. Bild 5.34. Gegengekoppelte Emitterschaltungen, links Stromgegenkopplung, rechts Spannungsgegenkopplung. Durch eine Gegenkopplung wird ein Signal vom Ausgang des Transistors so auf den Eingang zurückgeführt, daß der Wirkung der Eingangsspannung entgegengewirkt wird. Bei der Stromgegenkopplung im linken Teil von Bild 5.34 bewirkt eine positive Änderung der Eingangsspannung ein positives Δ uBE und einen steigenden Kollektorund Emitterstrom. Der Spannungsabfall am Gegenkopplungswiderstand RGegen steigt dadurch, so daß Δ uBE reduziert wird. Es resultiert eine kleinere Spannungsverstärkung, die mit Gl. 5.30 mit den Ansätzen gemäß Bild 5.34 (5.35) 213 5.3 Transistoren und wie folgt berechnet werden kann: Die Spannungsverstärkung wird gegenüber dem Ausdruck in Gl. 5.33 durch den Term (S · rCE + 1) · RGegen im Nenner von Gl. 5.36 reduziert. Für S · RGegen (1 + RC ) wird die Spannungsverstärkung von den TransistorrCE eigenschaften unabhängig: Im Falle der Spannungsgegenkopplung, deren Schaltung rechts in Bild 5.34 gezeigt ist, ergibt eine Berechnung für den Grenzfall einer starken Spannungsgegenkopplung eine von den Transistoreigenschaften unabhängige Spannungsverstärkung: 214 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Arbeitspunkteinstellung Die bisherigen Berechnungen betrafen das sogenannte Kleinsignal verhalten der jeweiligen Schaltung. Es wurde untersucht, wie eine kleine Eingangsspannungsänderung sich auf den Ausgang der Schaltung auswirkt. Eine solche Änderung könnte beispielsweise durch eine Wechselstromkomponente der Eingangsspannung erzeugt werden. Wir waren stets davon ausgegangen, daß sich der Transistor in einem geeigneten Arbeitspunkt befindet. Im Arbeitspunkt soll ein möglichst stabiler Betrieb des Transistors möglich sein. Dazu ist eine Einstellung mit Gleichspannungen oder Gleichströmen erforderlich, die der Basis des Transistors zugeführt werden müssen. Da das Verhalten von Transistoren stark von der Temperatur abhängig ist, können Arbeitspunkte nur in gegengekoppelten Schaltungen annähernd stabil eingestellt werden. Wir wollen die prinzipiellen Gesichtspunkte einer Arbeitspunkteinstellung kennenlernen. Zur Vereinfachung gehen wir von einer nicht gegengekoppelten Schaltung aus. Außerdem soll nicht das Kleinsignal verhalten, sondern das Großsignal verhalten betrachtet werden: die Schaltung aus Bild 5.35 soll eine möglichst große Ausgangsspannung produzieren. Das Ausgangskennlinienfeld des zur Verfügung stehenden Transistors zeigt Bild 5.30. Bild 5.35. Schaltung einer Verstärkerstufe in Emitterschaltung. U0, RB und RC sollen so dimensioniert werden, daß bei Ansteuerung mit einer geeigneten sinusförmigen Eingangsspannung uE(t) eine möglichst große Ausgangsspannung uA(t) erreicht wird. Der Kondensator C sorgt dafür, daß die Eingangsquelle und die Basis des Transistors gleichspannungsmäßig entkoppelt sind. 215 5.3 Transistoren Die Dimensionierung erfolgt in folgenden Schritten: - U0 wird etwas kleiner als uCE,max gewählt. - RC begrenzt den Kollektorstrom des Transistors und darf bei der gewählten Betriebsspannung U0 nur einen Strom iC < iCE,max zulassen. Es folgt U0 RC > . iCE ,max U0 − uCE gemäß RC Bild 5.36 eingezeichnet. Es muß überprüft werden, ob die Arbeitsgerade zu nahe an die Verlustleistungshyperbel heranreicht oder diese sogar schneidet. In diesen Fällen muß U0 verkleinert und/oder RC solange vergrößert werden, bis die Arbeitsgerade einen sicheren Abstand zur Verlustleistungshyperbel hat. Festlegung des Arbeitspunktes. Unter der Randbedingung einer möglichst großen, symmetrischen Aussteuerbarkeit sollte der Arbeitspunkt etwa in der Mitte des nutzbaren Bereichs der Arbeitsgeraden liegen. Dieser befindet sich in dem Bereich des flachen Anstiegs der Kennlinie. Ermittlung des zu dem gewählten Arbeitspunkt gehörenden iBA, eventuell durch Interpolation. Ermittlung des zu iBA gehörenden uBEA entweder aus der Eingangskennlinie iB = ƒ (uBE) oder aus Gl. 5.18. U − uBEA Berechnung von RB aus RB = 0 . i BEA - In das Ausgangskennlinienfeld wird die Arbeitsgerade iC = - - Bild 5.36. In das Ausgangskennlinienfeld eines Transistors sind Arbeitspunkt und Arbeitsgerade eingetragen. 216 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Spannungsstabilisierung mit einer Kollektorschaltung Die Eigenschaften der Kollektorschaltung und der Basisschaltung können in vergleichbarer Weise wie für die Emitterschaltung berechnet werden. Wir wollen aber nur ein Beispiel einer Kollektorschaltung, die auch als Emitterfolger bezeichnet wird, als Ergänzung zu Kapitel 5.2.3 betrachten. Im Kapitel 5.2.3 über Z-Dioden haben wir eine Methode zur Stabilisierung einer Gleichspannung kennengelernt. Die in Bild 5.18 angegebene Schaltung ist jedoch nur für sehr kleine Verbraucherströme geeignet, da sonst eine zu große Leistung in der Z-Diode und dem Widerstand R umgesetzt werden muß. Wird die Schaltung mit dem Transistor T gemäß Bild 5.37 ergänzt, so entfällt die Einschränkung auf kleine Verbraucherströme. Bild 5.37. Die Schaltung aus Bild 5.18 wird um den Transistor T in Kollektorschaltung ergänzt. Ein Transistor in Kollektorschaltung wird auch als Emitterfolger bezeichnet, da die Spannung am Emitter der angelegten Basisspannung folgt. Die Basisspannung wird mit einer Z-Diode stabilisiert. Die Folge ist eine gleichfalls stabilisierte Spannung am Emitter. Rechts sind typische Spannungsverlaufe skizziert. Die Schaltung in Bild 5.37 möge mit einer gleichgerichteten Wechselspannung uE mit Glättungskondensator betrieben werden, deren Verlauf wir aus Bild 5.13 kennen. Unser Ziel ist es, an den Ausgangsklemmen A-B eine stabilisierte Gleichspannung UAB bereitzustellen, die unabhängig vom Verbraucher widerstand RV und der Eingangsspannung uE ist. Dazu erzeugen wir aus uE mittels der Z-Diode ZD und dem Widerstand R eine Referenzspannung UZ, die der Basis des Transistors zugeführt 217 5.3 Transistoren wird. Über eine Stromgegenkopplung stellt sich die Ausgangsspannung ein. Über der Kollektor-Emitter-Strecke fällt die Differenzspannung ab. Der Vorteil dieser Schaltung gegenüber der Schaltung aus Bild 5.18 besteht zum einen darin, daß der Strom iZ nicht mehr ein Vielfaches des Verbraucherstromes iAB sondern des Basisstromes iB sein muß, der um den Faktor der Stromverstärkung des Transistors kleiner ist. Dadurch wird die Verlustleistung in ZD und R erheblich reduziert. Ein weiterer Vorteil ist der sehr niedrige Ausgangswiderstand der Kollektorschaltung. Dadurch führen Laständerungen nur zu einer geringen Änderung der Ausgangsspannung. Änderungen der Eingangsspannung bewirken Veränderungen der Referenzspannung UZ und damit direkt auch Änderungen der Ausgangsspannung. Da die Kennlinie der Z-Diode sehr steil ist, sind diese Änderungen jedoch auch klein. Letztlich erzeugen Temperaturänderungen von Z-Diode und Transistor Änderungen der Ausgangsspannung. Durch geeignete Maßnahmen wie z.B. den Betrieb der Z-Diode mit einer Konstantstromquelle oder den Einsatz von Regelverstärkern kann die Stabilität der Ausgangsspannung weiter verbessert werden. Im Handel sind derartige Schaltungen als „Spannungsstabilisatoren" im Transistorgehäuse erhältlich. Im Rahmen der Grenzdaten der Ausgangstransistoren können stabilisierte Spannungsversorgungen als ideale Spannungsquellen angesehen werden. 218 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente 5.4 Weitere elektronische Schaltelemente - Thyristoren Bild 5.38. Aufbau und Schaltzeichen des Thyristors. Ein Thyristor kann als eine einschaltbare Diode angesehen werden. Den prinzipiellen Aufbau und das Schaltzeichen zeigt Bild 5.38. Ohne eine Beschaltung des Gate sperrt der Thyristor in beiden Richtungen, da immer zumindest ein pn-Übergang in Sperrichtung geschaltet ist. Wird an das Gate eine bezüglich der Kathode positive Spannung (als Gleichspannung oder als kurzer Impuls) angelegt, so schaltet der Thyristor in den leitenden Zustand, sofern die Spannung u positiv ist. Für eine negative Spannung u sperrt der Thyristor stets. Der Übergang vom leitenden in den nichtleitenden Zustand des Thyristors ist nur durch das Absinken des Stromes i auf Null möglich, der Thyristor kann nicht „abgeschaltet“ werden. Die prinzipielle Kennlinie zeigt Bild 5.39. Für unsere weiteren Betrachtungen wollen wir davon ausgehen, daß der Sperrstrom und die Durchlaßspannung vernachlässigbar klein sind. Bild 5.39. Kennlinie des Thyristors. Thyristoren sind wichtige Schaltelemente der modernen Leistungselektronik. Sie werden überwiegend in Stromrichtern eingesetzt. Ein typisches Beispiel ist die Drehstrombrückenschaltung aus Bild 5.12. Hier könnte man die Dioden D1, D3 und D5 (halbgesteuerte Brücke) gemäß Bild 5.40 oder alle sechs Dioden (vollgesteuerte 219 5.4 Weitere elektronische Schaltelemente Bild 5.40. Der Verbraucherwiderstand RV wird über eine halbgesteuerte Brückenschaltung an ein Drehstromsystem angeschlossen. Die Thyristoren Th1...Th3 werden mit impulsförmigen Gate-Kathoden-Spannungen uGK1… uGK3 in diesem Beispiel jeweils dann gezündet, wenn die Spannung an der Anode ihren Scheitelwert erreicht, also 60° später als zu demjenigen Zeitpunkt, zu dem eine Diode anstelle des Thyristors den Stromfluß durch Kommutierung übernehmen würde. Am Beispiel des Dioden-Thyristor-Paares D1 –Th1 erkennt man, daß Th1 ab t1 den Stromfluß übernehmen könnte. Für t1 < t < t 2 ist der Thyristor jedoch gesperrt und uTh1 wird positiv. Während dieser Zeit bleibt der Thyristor Th3 leitend. Er kann nicht in den sperrenden Zustand übergehen, da Th1 noch nicht gezündet wird, um den Strom zu übernehmen und an der Anode von Th2 unabhängig vom Zündzustand, eine negativere Spannung anliegt. Deshalb erfolgt für t1 < t < t2 der Stromfluß aus Leiter 3 durch Th3, Rv und D2 in den Leiter 2. Die Spannung uR und der Verbraucherstrom sinken dabei bis zum Zeitpunkt t2 auf Null ab. Würde Th1 jetzt nicht gezündet, so bliebe uR Null. Im Zeitpunkt t2 wird Th1 gezündet, uTh1 wird vernachlässigbar klein. Die Spannung am Verbraucherwiderstand erreicht sprungförmig den Wert einer ungesteuerten Brückenschaltung. - Zum Zeitpunkt t3 wird u2M > u1M. Jetzt könnte Th2 den Strom von Th1 übernehmen, falls Th2 gezündet würde. Bis zum Zeitpunkt der Zündung von T½ bleibt Th\ leitend. - Durch eine Variation des Zündzeitpunktes läßt sich der Mittelwert der Gleichspannung uR ändern. Abgesehen von Schaltverlusten und kleinen Verlusten aufgrund der Durchlaßspannung der Thyristo220 ren treten dabei keine Verluste auf, da die Thyristoren als Schalter betrieben werden. 221 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Brücke) durch Thyristoren ersetzen. Durch eine geeignete Ansteuerung der Thyristoren ist es möglich, den Mittelwert der Gleichspannung am Verbraucherwiderstand zu verändern. Die Welligkeit der Gleichspannung wird dabei vergrößert. Eine in Serie zum Verbraucherwiderstand geschaltete Spule kann in Verbindung mit einer Freilaufdiode zur Glättung eingesetzt werden. Thyristoren sind in vielerlei Bauformen für ein breites Anwendungsspektrum verfügbar. Bei Hochleistungstypen werden Sperrspannungen von einigen kV und Ströme bis in den kA-Bereich erreicht. - GTOs GTOs (Gate turn off-Thyristoren) sind in einer speziellen Technologie gefertigte Thyristoren, die durch eine negative Spannung am Gate vom leitenden in den sperrenden Zustand umgeschaltet werden können. Durch das Absinken des Stromes i auf Null geht ein GTO wie ein Thyristor ebenfalls in den sperrenden Zustand über. Das Schaltzeichen eines GTO zeigt Bild 5.41. Die Kennlinie eines GTO entspricht der des Thyristors aus Bild 5.39. Bild 5.41. Schaltzeichen des GTO. GTOs werden überwiegend als Leistungsschalter eingesetzt, wenn die Leistungsfähigkeit von Transistorschaltmodulen, die durch eine entsprechende Ansteuerung beliebig ein- und ausgeschaltet werden können, nicht ausreicht. Typische Anwendungen sind in der Antriebstechnik zu finden. GTOs erreichen Sperrspannungen von einigen kV und Ströme von über 1kA. 222 5.4 Weitere elektronische Schaltelemente - Triacs Bild 5.42. Links: Prinzipieller Aufbau des Triacs aus zwei Thyristoren. Mitte: Dotierungsschema des Triacs. Rechts: Schaltbild des Triacs. Ein Triac (Triode AC-switch) kann gemäß Bild 5.42 als eine Antiparallelschaltung zweier Thyristoren aufgefaßt werden, die an einem gemeinsamen Gate-Anschluß angesteuert werden können. Ohne Gate-Ansteuerung sperrt ein Triac in beiden Richtungen, bei Ansteuerung des Gate mit einer positiven oder negativen Spannung gegenüber Anode 1 oder Anode 2 (auch nur mit einem kurzen Puls) wird der Triac in beiden Richtungen leitend. Ein Übergang in den sperrenden Zustand ist nur möglich, wenn der Strom i Null wird. Die prinzipielle Kennlinie zeigt Bild 5.43. Triacs werden dann eingesetzt, wenn Wechselströme geschaltet werden müssen. Sie arbeiten vorzugsweise in Phasenanschnittsteuerungen. Dabei wird ein Verbraucher in Serie mit dem Triac an eine Wechselspannung gelegt. Bei einer bestimmten Phasenlage der Spannung wird der Triac mit einem Gatepuls gezündet. Der Triac leitet dann bis zum nächsten Stromnulldurchgang. Ein Beispiel für eine Anwendung kennen Sie als Dimmer, mit dem die Helligkeit von Lampen reduziert werden kann. Triacs erreichen nicht die Leistungsklasse der Thyristoren. Verfügbar sind Bauformen mit Sperrspannungen bis 1kV und Strömen bis in den 100 A-Bereich. 223 5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente Bild 5.48. Kennlinie des Triac. 224