1 Skript zur Vorlesung Grundlagen der Elektrotechnik für Luft

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Skript zur Vorlesung Grundlagen der Elektrotechnik für Luft- und Raumfahrttechniker
FT 2008
1
Vorwort zum Skript Grundlagen der Elektrotechnik für LRT (B.Sc.) Studenten
Dieses Skript basiert auf dem Skript zur Vorlesungsreihe „Grundlagen der Elektrotechnik
für Maschinenbauer“, die an der Ruhr-Universität Bochum von Herrn Prof. Dr. J. Mentel
und Herrn Dr. G. Roll seit vielen Jahren als Pflichtveranstaltung angeboten wird.
Da die Vorlesung GdE für LRT Studenten an der UniBw München nur eine 1-trimestrige, 4stündige Veranstaltung ist, wurde der Stoff gegenüber der Bochumer Veranstaltung
wesentlich gekürzt und auf einige Teilbereiche reduziert, was sich natürlich auch in dem
Skript widerspiegelt. Voraussetzung für ein Verständnis der Vorlesung und einen sinnvollen Gebrauch dieses Skriptes sind Grundlagen aus der Elektrostatik und Magnetostatik, die
aus den vorangehenden Physikvorlesungen bekannt sein sollten.
Diese erste Fassung vom FT 2008 wird sicherlich noch einige Fehler enthalten, die
hoffentlich nach und nach verschwinden werden.
Unterstützende Literatur ist reichlich vorhanden wie z.B. die Bücher „Grundlagen der
Elektrotechnik 1-3“ aus der Reihe Pearson Studium, aber auch viele andere.
Viel Spaß
Inhalt:
1
2
3
4
5
Gleichstromlehre
Gleichstrommaschinen
Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen
Wechselstromlehre
Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
2
6
Elektrischer Strom und Ladungsträgerbewegung
1 Gleichstromlehre
1.1 Elektrischer Strom und Ladungsträgerbewegung
Bewegt sich eine zeitlich konstante Ladungsmenge ΔQ in einem Zeitintervall Δt
gleichmäßig durch einen Leiter, so fließt ein Gleichstrom mit der elektrischen
Stromstärke
(3-1)
(1.1)
Man sagt, es fließt der Strom I. Bild 1.1 zeigt die sich bewegende Ladungsmenge.
Bild 1.1. Ein elektrischer
sich Ladungen bewegen.
Strom
fließt,
wenn
Wenn die Ladungsmenge zeitlich schwankt, ergibt sich ein zeitabhängiger Strom
(1.2)
Für zeitabhängige Ströme werden die Formelzeichen i(t) oder i benutzt. Wir werden
in Kapitel 3 in der Regel stationäre Vorgänge behandeln und das Formelzeichen I
verwenden. Lediglich in einigen Fällen, die ausdrücklich nichtstationäre Vorgänge
betreffen, benutzen wir das Formelzeichen i.
Bild 1.2. Wird an einen Leiter eine Spannung U angelegt, so entsteht in dem Leiter ein elektrisches Feld, das
Kräfte auf die Ladungen in dem Leiter ausübt.
3
1 Gleichstromlehre
Wir legen gemäß Bild 1.2 an einen geraden Leiter der Länge A eine Spannung
U an. Dabei entsteht die elektrische Feldstärke
JG
im Leiterinneren (im Gegensatz zur Elektrostatik, wo E = 0 im Leiterinneren gilt!).
Auf die Ladungsträger im Leiter wirkt aufgrund des elektrischen Feldes die Kraft
Durch die Einwirkung der Kraft werden die Ladungsträger beschleunigt. Dabei wirkt
G
gleichzeitig eine Reibungskraft R auf die Ladungsträger, die der Geschwindigkeit v
der Ladungsträger proportional ist.
Die Proportionalitätskonstante α ist im allgemeinen für Elektronen und positive
Ladungsträger verschieden:
Die Reibungskraft für Elektronen und positive Ladungsträger ergibt sich damit zu:
G
JG
Die Geschwindigkeit
v der Ladungsträger wird so groß, daß die Reibungskraft R
JG
die Kraft F aufgrund des elektrischen Feldes kompensiert. Es folgt
(1.3)
Elektronen bewegen sich im Leiter entgegengesetzt zum elektrischen Feld, positive Ladungsträger bewegen sich in Richtung des elektrischen Feldes.
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Ladungsträger bewegen, wird als Driftgeschwindigkeit bezeichnet.
4
1.2 Elektrischer Strom im Teilchenbild
1.2 Elektrischer Strom im Teilchenbild
JG
Wir betrachten einen geraden Leiter gemäß Bild 1.3 mit der Querschnittsfläche A ,
G
in dem sich positive Ladungsträger mit der Geschwindigkeit v + senkrecht zur
Querschnittsfläche bewegen:
Bild 1.3. Der in einem Leiter fließende Strom soll berechnet werden als Funktion der Ladungsträgerdichte
G
n, der Ladungsträgergeschwindigkeit
v und der LeiterJG
querschnittsfläche A .
Die Ladungsträger legen innerhalb der Zeit dt die Strecke
zurück. Bezeichnet man nun die Zahl der positiven Ladungsträger pro Volumeneinheit mit n+ (Ladungsträgerdichte), so ergibt sich die Gesamtzahl der Ladungsträger
im Volumen A ⋅ dx zu
Die Zahl der Ladungsträger, die in der Zeit dt die Fläche A passieren, ist dann
Die Zahl der Ladungsträger, die pro Zeiteinheit die Fläche A passieren, ist schließlich
dQ
(Ladung pro Zeiteinheit) ist der Strom I. Für diesen erhalten wir
dt
im Ladungsträgerbild
Der Quotient
(1.4 a)
5
1 Gleichstromlehre
JG
G
oder bei Berücksichtigung des vektoriellen Charakters von A und v +
(1.4b)
Aus der Bewegungsrichtung der Ladungsträger folgt, daß der Strom eine Orientierung hat. Man unterscheidet zwei Stromrichtungen:
- Technische Stromrichtung: sie entspricht der Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger.
- Elektronenbewegung: sie ist entgegengesetzt zur technischen Stromrichtung.
G
1.3 Stromdichte j und Ladungsbilanz, Ströme im nicht stationären Fall
Die Stromdichte ist definiert als Quotient aus Strom und stromdurchflossener Fläche in elektrischen Leitern:
(1.5)
Im Teilchenbild ergibt sich für die Stromdichte
j = q+ · n+ · v+ für positive Ladungsträger
j = -e · ne · ve für Elektronen.
Schreiben wir v als Vektor, so wird auch j zum Vektor:
G
G
G
G
j = q+ · n+ · v +
(positive Ladungsträger)
G
j = q+ · n+ · v + - e · ne · v e
G
(1.6 a)
(positive Ladungsträger und Elektronen) (1.6 b)
Die Stromdichte j bildet wie das elektrische Feld ein Vektorfeld. Da dieses die
Bewegung der Ladungsträger beschreibt, wird es elektrisches Strömungsfeld genannt.
Bei konstanter Stromdichte erhalten wir in einem Strömungsfeld den Strom
durch eine Fläche A in Analogie zu GL 1.12, mit der wir einen Massefluß berechnet
hatten, aus dem Skalarprodukt
G JG
I = j · A.
Bild 1.4. In einem elektrischen Strömungsfeld berechnet sich der Strom I durch eine Fläche A im allgemeiG JG
nen Fall zu I = ∫∫ j ⋅ d A .
A
6
1.3 Stromdichte j und Ladungsbilanz,
Ströme im nichtstationären Fall
Ist die Stromdichte des elektrischen Strömungsfeldes ortsabhängig, wie in
Bild 1.4 skizziert, so ergibt sich der Gesamtstrom durch die Fläche A aus dem
Flächenintegral
(1.7)
Wird die Integration über eine geschlossene Fläche ausgeführt (Hüllenintegral), so ergibt sich im stationären Fall
(1.8)
da innerhalb der Hüllfläche weder Ladungen erzeugt noch vernichtet werden
können. Es gilt das Gesetz der Ladungserhaltung. Wie Bild 1.5 veranschaulicht, treten alle Feldlinien des Strömungsfeldes, die in das von der Hüllfläche
aufgespannte Volumen eindringen, aus dem Volumen wieder aus. Die Ladungsträger, die in das Volumen hineinfließen, fließen auch wieder hinaus.
Bild 1.5. Wird das Integral
w
∫∫
G
A
JG
j ⋅ d A über
eine ge-
schlossene Fläche gebildet, beispielsweise über
eine Kugeloberfläche, so hat dieses Integral im
stationären Fall den Wert Null.
Im nichtstationären Fall, d.h. bei zeitlich veränderlichen Strömen i oder bei
der Speicherung von Ladungen in Kondensatoren, werden im Stromkreis Ladungen auf- und abgebaut. Für das Hüllenintegral gilt dann
(1.9)
GL 1.9 stellt die Gleichung für die Ladungsbilanz dar. Sie sagt aus, daß der aus
dem von der Hüllfläche eingeschlossenen Volumen herausfließende Ladungsträgerstrom der Abnahme der Ladungen in dem Volumen entspricht. Mit GL 2.12 ergibt sich aus der Ladungsbilanz
7
1 Gleichstromlehre
und es folgt für zeitlich konstantes A
(1.10)
JG
G
∂D
In Gl. 1.10 steht
gleichberechtigt neben der Stromdichte j . Die Zeitableitung
∂t
JG
∂D
der elektrischen Flußdichte
kann deshalb als Verschiebungsstromdichte be∂t
zeichnet werden. („Verschiebung“: durch die Einwirkung des elektrischen Feldes
kommt es zu einer reversiblen Verschiebung der positiven und der negativen Ladungsträger im Dielektrikum.) Die zeitliche Änderung der elektrischen Flußdichte
stellt einen Strom pro Flächeneinheit außerhalb von elektrischen Leitern dar. Dieser
Strom kann auch dann fließen, wenn keine Materie vorhanden ist, also im Vakuum.
Er spielt eine wichtige Rolle in der Hochfrequenztechnik.
Der elektrische Strom ergibt sich damit im nichtstationären Fall zu
(1.11)
Ströme können als Leitungsströme oder als Verschiebungsströme fließen.
Beispiel: Aufladen eines Kondensators
Wie in Bild 1.6 skizziert,
wird ein Kondensator aufgeladen, indem ein Strom i mit
G
der Stromdichte j Ladungen auf die eine Kondensatorplatte transportiert. Wird Gl.
1.10 auf den Kondensator in der Weise angewandt, daß beide Kondensatorplatten
innerhalb der geschlossenen Integrationsfläche liegen, so erkennt man, daß mit
der gleichen Stromstärke Ladungen von der anderen Kondensatorplatte abfließen.
Daraus folgt, daß bei der Aufladung des Kondensators stets beide Platten
die gleiche Ladungsmenge unterschiedlichen Vorzeichens aufnehmen. Durch die
Ladungen auf den Kondensatorplatten entsteht zwischen den Kondensatorplatten
ein D-Feld, das mit fortschreitender Aufladung wächst.
Wird, wie in Bild 1.6 skizziert, nur eine der beiden Kondensatorplatten von der
geschlossenen Integrationsfläche umschlossen, so liefert Gl. 1.10:
8
1.3 Stromdichte j und Ladungsbilanz,
im nichtstationären Fall
Bild 1.6. Wir wenden die Ladungsbilanzgleichung auf
einen Kondensator an, der gerade aufgeladen wird. Die
geschlossene Integrationsfläche ist der gestrichelt dargestellte Quader, der die linke Kondensatorplatte umschließt. Dabei tritt in der Zuleitung der linken Kondensatorplatte eine Stromdichte j auf, die auf der Leiterfläche Aj konstant sei. Zwischen den Kondensatorplatten mit der Fläche AD bildet sich ein mit fortschreitender
JG
Aufladung anwachsendes homogenes D -Feld aus. Der
Strom i fließt mit der gleichen Stromstärke sowohl in
den Zuleitungen (als Leitungsstrom) als auch zwischen
den Kondensatorplatten (als Verschiebungsstrom).
Der Strom i, der in der Zuleitung als Leitungsstrom fließt, fließt in gleicher Größe
als Verschiebungsstrom im Dielektrikum des Kondensators. Aus GL 1.11 folgt
9
1 Gleichstromlehre
1.4 Stromzählpfeile
Der Strom hat eine Flußrichtung. Diese müssen wir beim Berechnen von Strömen
kenntlich machen. Wir führen dazu willkürlich in den Leitern Zählpfeile für den
Strom ein. Fließt ein Strom in Richtung des Zählpfeils, so erhält der Strom einen
positiven Zahlenwert, andernfalls einen negativen Zahlenwert. Erst aus dem Vorzeichen des Ergebnisses und der willkürlich für die Rechnung angesetzten Zählpfeilrichtung kann man die tatsächliche Stromrichtung bestimmen.
Beispiel: Ein Strom I wurde für die Rechnung in Richtung 1 → 2 positiv angesetzt,
erhält aber im Ergebnis ein negatives Vorzeichen. Damit fließt der Strom I in der
Schaltung tatsächlich in der Richtung 2 → 1.
G
Ist eine Stromdichte j vorgegeben, so können wir den Strom I aus Gl. 1.7 berechnen:
G
JG
Bild 1.7. Bei der Berechnung des Integrals I = ∫ j ⋅ d A
A
wählen
wir die Zählpfeilrichtung von I in Richtung
JG
JG
von d A . Unabhängig von der Wahl der Richtung von d A
ergibt sich für I das korrekte Vorzeichen: links positiv in
Zählpfeilrichtung, rechts negativ in Zählpfeilrichtung.
Unabhängig von allen formalen Regeln fließt der
G Strom in die Richtung, in die der
über die Fläche A gemittelte Stromdichtevektor j zeigt. Damit der Strom I das richtige Vorzeichen in bezug auf den Zählpfeil erhält, müssen wir denJG Stromzählpfeil
gemäß Bild 1.7 in Richtung des mittleren Flächenelementvektors d A ansetzen.
Orientierung des Zählpfeils für I
↑↑
JG
Richtung des Vektors d A
In Kapitel 2.6 hatten wir die Orientierung des Zählpfeils einer Spannung U, die bei
einer vorgegebenen elektrischen Feldstärke aus
G
folgt, in Richtung von ds gewählt.
10
1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz
1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz
Die Driftgeschwindigkeit v von Ladungsträgern in Leitern ist gemäß GL 1.3 proportional zur elektrischen Feldstärke E. Gemäß Gl. 1.6 ist die Geschwindigkeit von
Ladungsträgern außerdem der Stromdichte j proportional:
Damit wird, wie Bild 1.8 zeigt, auch der Strom I der Spannung U proportional:
(1.12)
Diesen Zusammenhang nennen wir OHMsches11 Gesetz. Die Proportionalitätskonstante R stellt den elektrischen Widerstand dar.
Bild 1.8. Kennlinie eines OHMschen Widerstandes. In
OHMschen Widerständen, wie z.B. realen elektrischen
Leitern, sind die angelegte Spannung und der Strom
zueinander proportional.
Das Schaltzeichen eines OHMschen Widerstandes zeigt Bild 1.9. OHMsche Widerstände treten beispielsweise bei der Energieübertragung als Leitungswiderstände störend in Erscheinung. Andererseits sind OHMsche Widerstände wichtige
Schaltelemente in der Elektrotechnik, die sehr häufig verwendet werden. Es gibt
eine Vielzahl von Ausführungsformen mit jeweils spezifischen Eigenschaften.
11
GEORG SIMON OHM, * 16.3.1789 in Erlangen, † 6.7.1854 in München. Physiker, grundlegende
Arbeiten zur Elektrizitätslehre und Akustik, OOPLEY-Medaille 1841 (vergleichbar mit dem NOBELPreis).
11
1 Gleichstromlehre
Bei der Anwendung des OHMschen Gesetzes zur Berechnung von Schaltungen müssen die Orientierungen der Zählpfeile für Strom und Spannung berücksichtigt werden:
- Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung gleich gerichtet (VerbraucherZählpfeilsystem), wie am Schaltzeichen eines OHMschen Widerstandes in Bild
1.9 gezeigt, so gilt
(1.12 a)
Bild 1.9. Schaltzeichen des OHMschen Widerstandes.
Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung an einem
OHMschen Widerstand gleich orientiert, so gilt U = R ·I.
- Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung entgegengesetzt gerichtet (Erzeugerzählpfeilsystem), wie an einem OHMschen Widerstand in Bild 1.10 gezeigt, so gilt
(1.12 b)
Bild 1.10. Sind die Zählpfeile von Strom und Spannung
an einem OHMschen Widerstand entgegengesetzt orientiert, so gilt U = -R ⋅ I.
12
1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz
Das OHMsche Gesetz im Ladungsträgerbild
G
Für die Stromdichte j gilt GL 1.6
G
G
G
j = q+ ⋅ n+ ⋅ v + − e ⋅ ne ⋅ v e .
G
G
v + und v e sind dieJGDriftgeschwindigkeiten der Ladungsträger. Sie sind der elektrischen Feldstärke E proportional. Dies läßt sich mit Hilfe der Beweglichkeiten µ+
der positiven Ladungsträger und µe der negativen Ladungsträger ausdrücken:
G
JJG
G
JJG
v + = μe ⋅E
v e = − μe ⋅E
Mit den Beweglichkeiten als
G Proportionalitätskonstanten
JG erhalten wir
j = (q+ ⋅ μ+ ⋅ n+ + e ⋅ μe ⋅ ne ) ⋅ E.
(1.13)
Die Proportionalitätskonstante zwischen j und J5
σ=
1
ρ
= q+ ⋅ μ+ ⋅ n+ + e ⋅ μe ⋅ ne
(1.14)
wird als elektrische Leitfähigkeit, p = - wird als spezifischer Widerstand bezeichnet.
Die Beziehung
G
JG
j = σ ⋅E
(1.15)
ist das OHMsche Gesetz in differentieller Form.
Stromdichte und elektrisches Feld sind über die elektrische Leitfähigkeit miteinander verknüpft. Existiert ein elektrisches Feld, beispielsweise wegen einer angelegten Spannung an einem Leiter, so erzwingt dieses einen Stromfluß. Bewegen
sich Ladungen in einer Anordnung, in die sie hineinbeschleunigt wurden, so erzwingt diese Ladungsträgerbewegung ein elektrisches Feld. Die elektrische Feldstärke kann somit als Ursache der Stromdichte aufgefaßt werden, gleichzeitig
kann aber auch die Stromdichte als Ursache der elektrischen Feldstärke angesehen werden. Diese Tatsache läßt sich verallgemeinern: Die MAXWELLsche Theorie
gibt Verknüpfungen der Feldgrößen an, ohne Aussagen bezüglich Ursache und
Wirkung zu machen.
13
1 Gleichstromlehre
Beispiel: Berechnung des Widerstandes eines homogenen Leiters
Bild 1.11. Für JGeinen Leiter der Länge A mit der Querschnittsfläche A soll der OHMsche Widerstand berechnet werden. An den Leiter wird eine Spannung U angelegt, die ein elektrisches Feld E =
U
A
erzeugt. Über die
elektrische
Leitfähigkeit σ ist
mitJGder elektrischen FeldJG
G
stärke E eine Stromdichte j = σ ⋅ E verknüpft.
Der Strom durch einen Leiter gemäß Bild 1.11 ergibt sich zu
Mit
folgt
und
(1.16)
ρ=
1
:
spezifischer Widerstand des Leitermaterials
A
:
Leiterlänge
A
:
Leiterquerschnittsfläche
σ
Der Widerstand des Leiters ist abhängig vom Material des Leiters (über ρ ) und von
der Geometrie des Leiters (über A /A).
14
1.5 Elektrischer Widerstand R und OHMsches Gesetz
Die Einheit des spezifischen Widerstandes folgt mit
Häufig wird anstelle GL 1.16 die zugeschnittene Größengleichung
benutzt. Damit wird der Widerstand eines Drahtes mit dem Drahtquerschnitt in
mm² und der Länge in m direkt in Ohm berechnet.
Typische Werte des spezifischen Widerstandes ρ enthält die folgende Tabelle:
Anstelle von R und ρ werden auch die reziproken Größen
G=
1
Leitwert
R
und
σ=
1
ρ
Leitfähigkeit
(1.17 a, b)
mit den Einheiten
G =
1
Ω
= S (Siemens 12 ) und σ =
1
= Sm −1
Ωm
benutzt. Für den homogenen Draht gilt dann
(1.18)
12
WERNER VON SIEMENS, * 13.12.1816 in Lenthe (Hannover), † 6.12.1892 in Berlin. Ingenieur und Industrieller, zahlreiche grundlegende Erfindungen auf dem Gebiet der Elektrotech-
15
nik, u.a. Dynamomaschine, Induktoren für Telegraphie und Erdkabel, Realisierung der ersten brauchbaren elektrischen Lokomotive und Straßenbahn.
16
1 Gleichstromlehre
1.6 Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes
Der spezifische Widerstand ρ und damit auch der OHMsche Widerstand R sind
temperaturabhängig. Häufig ist ein linearer Ansatz gemäß Bild 1.12 zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit ausreichend:
RΘ = R20 ⋅ (1 + α20 ⋅ ΔΘ20 )
RΘ
R20
(1.19)
: tatsächlicher Widerstand bei der Temperatur Θ
: Widerstand bei 20 °C
α20
Temperaturkoeffizient bei 20 °C
Θ
: Θ =20°C + ΔΘ20 Temperatur des Widerstandes
ΔΘ20 : Temperaturabweichung von 20 °C
:
Bild 1.12. Der Wert OHMscher Widerstände ist im allgemeinen temperaturabhängig. Metalle weisen positive
Temperaturkoeffizienten α20 auf; ihr Widerstand steigt
mit steigender Temperatur. Halbleiter oder Graphit sind
Beispiele für Materialien mit negativem Temperaturkoeffizienten.
Typische Temperaturkoeffizienten enthält die folgende Tabelle.
Material
α20 in K −1
Kupfer
Stahl
0,0039
0,0041... 0,006
Bei sehr niedrigen Temperaturen setzt bei einigen Materialien sprunghaft Supraleitung ein. Die dazu erforderlichen Temperaturen liegen meist bei wenigen K.
Spezielle Materialien zeigen Supraleitung bei Temperaturen <100K. Supraleitung
ist u.a. durch einen verschwindenden OHMschen Widerstand gekennzeichnet.
17
1.7 Elektrische Leistung P
1.7 Elektrische Leistung P
Bild 1.13. Wird an einen Leiter der Länge A eine
Spannung U angelegt, so entsteht in dem Leiter ein elektrisches Feld mit der elektrischen Feldstärke
E = U/ A . Elektrische Ladungen erfahren in dem Feld
Kräfte. Werden die Ladungen aufgrund dieser Kraftwirkung bewegt, so leistet das Feld Arbeit.
Wird an einen Leiter gemäß Bild 1.13 eine Spannung
JG U angelegt, so entsteht, wie
in Kapitel 1.1 beschrieben, ein elektrisches Feld E im Leiter. Dieses leistet an einer Ladung Q, die von 1 nach 2 fließe, die Arbeit
(1.20)
Betrachtet man die in einem Zeitintervall Δt transportierte Ladung
so ergibt sich die in dem Zeitintervall geleistete Arbeit zu
(1.21)
Dividiert man nun die geleistete Arbeit durch das Zeitintervall Δt, so erhält man die
elektrische Leistung P (von power)
(1.22)
Bei zeitlich veränderlichen Strömen und Spannungen machen wir den Übergang
Die Formelzeichen für Spannung, Strom und Leistung werden bei zeitabhängigen
Größen in Kleinbuchstaben gesetzt. (Großbuchstaben sind bei diesen Größen für
Gleichgrößen bzw. die später zu definierenden Effektivwerte reserviert.) Mit den
18
1 Gleichstromlehre
obigen Substitutionen erhalten wir einen allgemeinen, nicht nur für Gleichstrom gültigen Ausdruck für die elektrische Leistung:
(1.23)
Damit folgt für die Einheit der elektrischen Leistung:
Die elektrische Arbeit ergibt sich als Zeitintegral über die Leistung:
(1.24)
Für die Einheit der elektrischen Arbeit folgt
In einem OHMschen Widerstand wird, wie in Bild 1.14 skizziert, elektrische Leistung PE durch Reibungseffekte der Ladungsträger in Wärme umgesetzt.
Bild 1.14. Ein OHMscher Widerstand wandelt elektrische
Energie in Wärmeenergie um.
Für den Leistungsumsatz in einem OHMschen Widerstand gilt
PE = PWärme = P
P = U ⋅I U = R ⋅I
P = I2 ⋅ R
U2
P=
R
(1.25)
(1.26)
Bei konstanter Spannung U gilt: Je kleiner der Widerstand R ist, umso größer ist der
Leistungsumsatz in ihm.
Bei konstantem Strom I gilt: Je größer der Widerstand R ist, umso größer ist der
Leistungsumsatz in ihm.
19
1.8 Energieerzeuger — Energieverbraucher
1.8 Energieerzeuger — Energie Verbraucher
Die Begriffe „Energieerzeuger" und „Energieverbraucher" sind strenggenommen falsch, da jeweils nur eine Umwandlung der verschiedenen Energiearten
stattfindet.
Bild 1.15. In einem konventionellen Kraftwerk wird elektrische Energie aus einer Primärenergiequelle wie
Kohle oder Erdgas gewonnen.
Beispielsweise wird in einem Kraftwerk gemäß Bild 1.15 chemische Energie zunächst in Wärme, diese teilweise in mechanische Arbeit und diese wiederum in elektrische Energie umgewandelt. Man sagt: elektrische Energie wird erzeugt. Der
Gesamtwirkungsgrad solcher Wärmekraftwerke liegt z.Zt. bei ca. 40%.
Als Kraftwerksgeneratoren werden Synchronmaschinen eingesetzt, die Drehstrom erzeugen. Die Eigenschaften von Drehstromsystemen werden wir in Kapitel
10 behandeln, die Synchronmaschinen in Kapitel 13.
In diesem Kapitel 1.8 geht es um die grundsätzlichen Zusammenhänge von
Strom und Spannung an „Erzeugern" und „Verbrauchern". Dazu reicht es aus, sich
vorzustellen, daß der Erzeuger Gleichstrom liefert.
Erzeuger und Verbraucher von elektrischer Energie sind im allgemeinen über
eine verlustbehaftete Leitung miteinander verbunden, wie Bild 1.16 zeigt. Die Verluste der Leitung werden im Leitungswiderstand RL zusammengefaßt. Der Erzeuger treibt über die verlustbehaftete Leitung einen Strom I durch den Verbraucher.
Der Strom I bewirkt nach dem OHMschen Gesetz Spannungsabfälle am Leitungswiderstand und am Verbraucher.
Betrachtet man in Bild 1.16 die Orientierung der Zählpfeile von Strom und
Spannung am Erzeuger und am Verbraucher, so stellt man fest, daß Strom und
Spannung am Verbraucher gleich orientiert sind und am Erzeuger entgegengesetzt. Bei entgegengesetzt gerichteten Zählpfeilen spricht man von einem Erzeugerzählpfeilsystem, bei gleich gerichteten Zählpfeilen von einem Verbraucherzählpfeilsystem.
20
1 Gleichstromlehre
Bild 1.16. Wird ein Verbraucher über eine verlustbehaftete
Leitung mit dem Leitungswiderstand RL an eine elektrische
Energiequelle angeschlossen, so fließt ein Strom /. Der
Strom bewirkt nach dem OHMschen Gesetz Spannungsabfälle am Leitungswiderstand und am Verbraucher. Betrachtet
man die Orientierung der Zählpfeile von Strom und Spannung am Erzeuger und am Verbraucher, so stellt man fest,
daß Strom und Spannung am Verbraucher gleich orientiert
sind und am Erzeuger entgegengesetzt.
Erzeuger-Zählpfeile: I ↑↓ UE . Spannungs- und Stromzählpfeile sind entgegengesetzt,
Ladungsträger werden auf ein hohes elektrisches Potential gebracht, gewissermaßen auf
einen Potentialberg hinaufgepumpt.
Verbraucher-Zählpfeile: I ↑↓ UV . Spannungs- und Stromzählpfeile sind gleich gerichtet,
Ladungsträger fließen den Potentialberg hinab.
Die Leistungen an Erzeuger und Verbraucher sowie am Leitungswiderstand berechnen sich zu
PE = I ⋅ UE
PV = I ⋅ UV
:
:
erzeugte elektrische Leistung,
Leistung am Verbraucher,
PL = I 2 ⋅ RL
:
Verlustleistung in der Übertragungsleitung,
RL
:
OHMscher Widerstand der Leitung.
Es gilt
PE = PV + PL
(1.27)
21
1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen
1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen
DieKIRCHHOFFschen13 Gleichungen werden für die Berechnung von Schaltungen
benötigt. Wir unterscheiden Maschen- und Knotenpunktsgleichungen.
1.9.1 Maschengleichungen
Wir wollen die in der Elektrostatik abgeleitete Maschengleichung auf Gleichstromkreise anwenden. Dazu stellen wir analog zu Kapitel 2.6 die Maschengleichung für
den Stromkreis nach Bild 1.17 auf. Wir berücksichtigen die folgende Regel:
Bild 1.17. Links von den Klemmen A und B befindet
sich eine ideale Spannungsquelle mit der eingeprägten
Spannung U0 , die eine belastungsunabhängige Klemmenspannung UAB = U0 liefert. An die Klemmen A und B
wird ein Verbraucherwiderstand RV über eine verlustbehaftete Leitung angeschlossen. Die Leitung stellen wir
durch den Widerstand des Hinleiters RH und den Widerstand des Rückleiters RR dar. Der Strom I bewirkt
nach dem OHMschen Gesetz an allen Widerständen
Spannungsabfälle in Stromrichtung. Die Masche M
stellt einen beliebigen geschlossenen Umlauf dar, dieser muß nicht unbedingt einem Stromkreis folgen.
Alle Spannungen mit Zählpfeilen in Umlaufrichtung werden positiv, alle Spannungen mit Zählpfeilen entgegengesetzt zur Umlaufrichtung werden negativ gezählt.
UV ↑↑ M :
+Uv
UV ↑↓ M :
−Uv
Grundsätzlich sind wir in der Wahl der Zählpfeilrichtungen völlig frei. Wir wählen
jedoch im allgemeinen die Zählpfeile von Strom und Spannung an Quellen antiparallel und an Verbrauchern parallel.
22
13
GUSTAV ROBERT KIRCHHOFF, * 12.3.1824 in Königsberg, † 17.10.1887 in Berlin. Physiker, grundlegende theoretische Arbeiten u.a. auf dem Gebiet der Elektrizitätslehre, gemeinsam mit GUSTAV ROBERT BUNSEN Entdeckung der Spektralanalyse optischer und thermischer Strahlung.
23
1 Gleichstromlehre
Die Summe der Spannungen in einer Masche, also auf einem geschlossenen
Umlauf, muß Null sein.
(1.28)
Angewendet auf die Schaltung in Bild 1.17 ergibt sich
Erhalten wir bei unserer Rechnung einen negativen Zahlenwert, so ist der tatsächliche Spannungsabfall entgegengesetzt zum Zählpfeil gerichtet. Sind die physikalischen Richtungen von Strom und Spannung parallel, so wird in dem Schaltelement
tatsächlich Leistung verbraucht. Sind sie antiparallel, so gibt das Schaltelement elektrische Leistung ab:
Die unterschiedlichen Orientierungen von Strom und Spannung an Energieerzeugern und Energieverbrauchern folgen aus dem Verlauf des elektrischen Potentials in einem Stromkreis.
Bild 1.18. Prinzipielle Darstellung des Verlaufs des elektrischen Potentials φ in der Schaltung aus Bild
1.17. Auf den idealen Verbindungsleitungen zwischen
den einzelnen Widerständen ist das elektrische Potential
konstant. In den Widerständen kommt es zu einem Abfall
des elektrischen Potentials. Da durch alle Widerstände
der gleiche Strom fließt, ist der Abfall des elektrischen
Potentials in jedem Widerstand proportional zum Widerstandswert.
24
1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen
Der Generator „pumpt" Ladungsträger auf einen Potentialberg hinauf. Diese Ladungsträger gewinnen elektrische Energie ( U0 ↑↓ I ). Dann fallen die Ladungsträger
in den verschiedenen Widerständen den Potentialberg wieder hinab ( U0 ↑↑ I ). Dieser Zusammenhang ist in Bild 1.18 skizziert.
Im Generator werden Ladungsträger von einer Kraft, die nicht elektrostatische
Ursprung ist, den Potentialberg hinaufgepumpt. Weshalb dürfen wir U0 trotzdem in
die Maschengleichung einsetzen?
Bild 1.19. Die Klemmen eines Generators können prinzipiell als „Kondensatorplatten" aufgefaßt werden, denen eine Streukapazität CS zugeordnet werden kann.
Die Generatorspannung liegt dann als elektrostatische
Spannung an den Klemmen an und kann so in der Maschengleichung berücksichtigt werden.
Wir können sagen, daß die Kraft auf die Ladungsträger im Generator durch die
Spannung U0 kompensiert wird. Die Spannung U0 wird von Ladungsträgern erzeugt, die auf einer Streukapazität CS sitzen, die entsprechend Bild 1.19 parallel
zum Generator angeordnet ist.
Schaltelemente, zu deren Beschreibung ein Spannungs- und ein Stromzählpfeil benötigt werden, heißen Zweipole.
25
1 Gleichstromlehre
1.9.2 Knotenpunktsgleiehungen
In Bild 1.20 ist ein Knotenpunkt zweier elektrischer Leiter skizziert.
Bild 1.20. In einem Knotenpunkt zweier elektrischer
Leiter können Ladungen weder erzeugt noch vernichtet
noch gespeichert werden. Folglich müssen alle in den
Knotenpunkt fließenden Ladungen auch wieder herausfließen. Im linken Teil des Bildes zeigen alle Stromzählpfeile aus dem Knotenpunkt heraus, im rechten Teil
wurden unterschiedliche Zählpfeilrichtungen gewählt.
Im stationären Fall gilt Gl. 1.8
und es folgt die Knotenpunktsgleichung
(1.29)
Allgemein gilt:
Die Summe der zufließenden Ströme ist gleich der Summe der abfließenden
Ströme.
(1.30)
Im nichtstationären Fall müssen auch die Verschiebungsströme berücksichtigt
werden. Es gilt dann GL 1.10
26
1.9 KIRCHHOFFsche Gleichungen
und die Ströme berechnen sich nach Gl. 1.11
Leitungsströme oder als Verschiebungsströme fließen.
Mit Hilfe der Knotenpunktsgleichung können wir einen unbekannten Strom aus
den restlichen bekannten Strömen am Knotenpunkt berechnen. Für die Schaltung
gemäß Bild 1.21 gilt beispielsweise
Bild 1.21. An eine Spannungsquelle werden drei
Verbraucher angeschlossen. Der Gesamtstrom IG den
die Quelle liefern muß, ergibt sich aus der Knotenpunktsgleichung.
27
1 Gleichstromlehre
1.10 Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen, Spannungs- und Stromteiler
Wir wollen berechnen, welcher Widerstand wirksam ist, wenn wir verschiedene
Einzelwiderstände kombinieren. Die einfachsten Kombinationen sind Reihen- und
Parallelschaltungen. Häufig lassen sich kompliziertere Zusammenschaltungen auf
miteinander verschachtelte Reihen- und Parallelschaltungen zurückführen.
Spannungs- und Stromteiler stellen wichtige Grundschaltungen dar.
1.10.1 Die Reihenschaltung
Das Kennzeichen einer Reihenschaltung (auch Serienschaltung genannt) von
Zweipolen ist, daß alle Zweipole vom gleichen Strom I durchflössen werden. Gemäß Bild 1.22, das die Reihenschaltung von Widerständen zeigt, liegt somit an jedem der Widerstände ein Teil der an die Reihenschaltung angelegten Spannung U.
Bild 1.22. Reihenschaltung von Widerständen.
Der Gesamtwiderstand Rges =
U
I
der Reihenschaltung ergibt sich mit der Ma-
schengleichung
zu
(1.31)
28
1.10 Reihen- und Parallelschaltung von
Widerständen, Spannungs- und Stromteiler
1.10.2 Die Parallelschaltung
Das Kennzeichen einer Parallelschaltung von Zweipolen ist, daß alle Zweipole an
der gleichen Spannung U liegen. Gemäß Bild 1.23, das die Parallelschaltung von
Widerständen zeigt, fließt somit in jedem der Widerstände ein Teil des in der Parallelschaltung insgesamt fließenden Stromes I.
Bild 1.23. Parallelschaltung von Widerständen.
Der Gesamtwiderstand Rges =
U
der Parallelschaltung ergibt sich mit der
I
Knotenpunktsgleichung
und
zu
(1.32)
29
1 Gleichstromlehre
1.10.3 Der Spannungsteiler
Spannungsteiler bestehen aus zumindest zwei in Serie geschalteten Widerständen. An die Serienschaltung wird eine (hohe) Spannung angelegt. An jedem einzelnen Widerstand fällt eine Teilspannung ab.
Bild 1.24. Die Serienschaltung der Widerstände R1 und
R2 stellt einen Spannungsteiler dar. Ein Teil der angelegten Spannung U1 fällt am Widerstand R2 als Teilspannung U2 ab. Ein Verbraucherwiderstand RV kann
an die Spannung U2 angeschlossen werden. Dabei
wird U2 jedoch kleiner.
In Bild 1.24 wird ein Spannungsteiler aus den Widerständen R1 und R2 gebildet. An die Serienschaltung wird die Spannung U1 angelegt. Die Spannung U2 wird
über dem Widerstand R2 abgegriffen. Ein Verbraucherwiderstand RV kann an die
Spannung U2 angeschlossen werden. Für RV → ∞ gilt die Gleichung des unbelasteten Spannungsteilers
(1.33a)
Für endliche Werte von RV wirkt anstelle von R2 nun die Parallelschaltung von R2
und RV. Es gilt die Gleichung des belasteten Spannungsteilers
Die durch R1 und R2 eingestellte Teilspannung
(1.33b)
30
wird durch die Belastung des Spannungsteilers mit RV reduziert.
31
1.10 Reihen- und Parallelschaltung von
Widerständen, Spannungs- und Stromteiler
1.10.4 Der Stromteiler
Stromteiler bestehen aus zumindest zwei parallelgeschalteten Widerständen. In die
Parallelschaltung fließt ein (hoher) Strom. In jedem einzelnen Widerstand fließt ein
Teilstrom.
Bild 1.25. Die Parallelschaltung der Widerstände R1
und R2 stellt einen Stromteiler dar. Der Strom I teilt sich
in die Teilströme I1 und I2 auf. Die Aufteilung erfolgt in
der Weise, daß an beiden Widerständen die gleiche
Spannung abfällt.
In Bild 1.25 wird ein Stromteiler aus den Widerständen R1 und R2 gebildet. Der
Strom I teilt sich auf in die Teilströme I1 und I2, und es gilt
Da die Spannung über beiden Widerständen gleich U ist, gilt für das Verhältnis der
aufgeteilten Ströme
(1.34a)
Mit
folgt
bzw.
(1.34b)
32
1 Gleichstromlehre
1.11 Beispiel für die Berechnung eines Stromkreises
Gegeben seien - die Schaltung gemäß Bild 1.26
- die Werte der Widerstände R1, R2, R3
- die Spannungen und Polaritäten der Quellen U01 und U02.
- Gesucht werden die Ströme I1, I2, I3.
Bild 1.26. In der abgebildeten Schaltung sind die Ströme I1, I2 und I3 gesucht. Zu ihrer Berechnung aus den
gegebenen Werten R1, R2 und R3 sowie U01 und U01
werden Maschen- und Knotenpunktsgleichungen aufgestellt.
Für die Berechnung der drei Unbekannten werden drei voneinander unabhängige
Gleichungen benötigt. Die folgenden Maschen- und Knotenpunktsgleichungen
können aufgestellt werden:
Knotenpunktsgleichungen:
Die zweite Knotenpunktsgleichung ist nicht unabhängig von der ersten.
Maschengleichungen:
Davon sind nur zwei Gleichungen unabhängige Maschengleichungen, da sich die
Maschengleichung M13 aus der Summe der Maschengleichungen M12 und M23 ergibt.
33
1.11 Beispiel für die Berechnung
eines Stromkreises
Die Spannungen an den Widerständen können über das
Gesetz ausgedrückt werden zu
OHMsche
Damit liegen drei geeignete Gleichungen vor:
(1.35)
Löst man diese drei Gleichungen beispielsweise nach der Determinantenmethode,
so erhält man für die drei Ströme
(1.36)
wobei D die Determinante der Koeffizientenmatrix
ist:
Mit der Matrix R und den Spaltenvektoren
und
können wir das Gleichungssystem in dem Beispiel in folgender Form schreiben:
(1.37)
Bei größeren Gleichungssystemen werden die Ströme durch Berechnung der inversen Matrix R −1 ermittelt.
(1.38)
Für später benötigen wir
(1.39)
34
1 Gleichstromlehre
1.12 Anzahl verfügbarer Maschen- und Knotenpunktsgleichungen
Als „Zweige" bezeichnen wir im folgenden die galvanische Verbindung zwischen
zwei Knotenpunkten. Besteht eine Schaltung aus Z Zweigen und K Knotenpunkten,
so benötigen wir zur Berechnung der Z unbekannten Ströme oder Spannungen
NK = (K - 1) Knotenpunktsgleichungen und NM = Z - (K - 1) unabhängige Maschengleichungen (kleinste Maschen).
Für die Schaltung in Kapitel 1.11 galt: Z = 35 K = 2. Daraus berechnet sich die Anzahl der benötigten Maschen- und Knotenpunktsgleichungen zu
Nκ = K - 1 = 1
NM = Z - ( K - 1 ) = 3 - 1 = 2
Zur Berechnung der Schaltung sind also 1 Knotenpunktsgleichung und 2 Maschengleichungen aufzustellen. Diese Erkenntnis hatten wir in Kapitel 1.11 bereits
gewonnen, indem wir überprüften, welche der überhaupt aufstellbaren Maschenund Knotenpunktsgleichungen voneinander unabhängig waren.
Beispiel: Die WHEATSTONEsche Brückenschaltung
Wir wollen die Anzahl von verfügbaren Maschen- und Knotenpunktsgleichungen
für die WHEATSTONEsche14 Brückenschaltung nach Bild 1.27 ermitteln.
Bild 1.27. Die WHEATSTONEsche Brückenschaltung
weist 4 Knotenpunkte auf (K = 4) und 6 Zweige (Z = 6).
14
SIR CHARLES WHEATSTONE, * Februar 1802 in Gloucester, † 19.10.1875 in Paris. Experimentalphysiker, wichtige Arbeiten auf dem Gebiet der elektrischen Telegraphie, fand unabhängig von
WERNER VON SIEMENS das dynamoelektrische Prinzip.
35
1.12 Anzahl verfügbarer Maschenund Knotenpunktsgleichungen
Aus
K=4
Z=Q
folgt
Nκ = K - 1 = 3
NM = Z - (K - 1) = 6 - 3 = 3
Zur Berechnung beispielsweise der sechs unbekannten Ströme stehen somit je 3
Maschen- und Knotenpunktsgleichungen zur Verfügung.
Die WHEATSTONEsche Brückenschaltung ist eine wichtige Grundschaltung in
der Meßtechnik. Sie erlaubt sehr empfindliche Messungen physikalischer Größen,
die über geeignete Sensoren erfaßt werden können. Hier sind geeignete Sensoren
Bauteile, deren Widerstand sich in Abhängigkeit von der physikalischen Größe ändert. Ein solcher Sensor wird anstelle eines OHMschen Widerstandes in der
WHEATSTONEschen Brückenschaltung benutzt.
Beispielsweise möge R1 aus der Schaltung gemäß Bild 1.27 ein temperaturabhängiger Widerstand sein. Dann wird durch eine geeignete Wahl von R2, R3 und
R4 für eine bestimmte Temperatur die Spannung U5 zu Null eingestellt. Damit wird
auch I5 = 0. Wenn wir nun anstelle von R5 beispielsweise ein hochempfindliches
Strommeßgerät verwenden, so zeigt dieses den Wert Null. Man bezeichnet die
Brückenschaltung in diesem Zustand als „abgeglichen".
Im abgeglichenen Zustand gilt mit I5 = 0
U1 = U2
U3 = U4.
Es folgt für die Widerstände in der Schaltung
(1.40)
Wird durch eine Temperaturänderung an R1 das Widerstandsverhältnis aus Gl.
1.40 verstimmt, so führt das zu einem Stromfluß in Zweig 5. Bei geeigneter Dimensionierung der Schaltung können sehr kleine Widerstandsänderungen gemessen
werden.
Eine Steigerung der Empfindlichkeit läßt sich erreichen, wenn zusätzlich zu R1
auch R4 ein Sensorwiderstand ist.
36
1 Gleichstromlehre
1.13 Ersatzschaltungen
Ersatzschaltungen dienen der vereinfachten Darstellung der Zusammenhänge zwischen Strom und Spannung in komplizierten Schaltungen. Sie verdienen deshalb
auch das besondere Interesse von Nicht-Elektrotechnikern.
1.13.1 Spannungs- und Stromquellen
Die Ursache für den elektrischen Strom können wir durch idealisierte Ersatzquellen, die idealen Strom- und Spannungsquellen, beschreiben. Ideale Quellen sind
nur näherungsweise durch besondere Schaltungen mit aktiven Elementen, wie
Transistoren, realisierbar.
1.13.1.1 Spannungsquellen
Eine ideale Spannungsquelle liefert an ihren Klemmen eine konstante, eingeprägte Spannung U0, die unabhängig vom Quellenstrom I ist.
(1.41)
Die ideale Spannungsquelle kann beliebige Ströme liefern. Ihr Innenwiderstand ist
gleich Null. Das Schaltzeichen und die Kennlinie zeigt Bild 1.28.
Bild 1.28. Schaltzeichen und Kennlinie der idealen
Spannungsquelle.
Bei realen Spannungsquellen, wie in Bild 1.29 gezeigt, hängt die Klemmenspannung UAB vom Strom I und damit vom Verbraucherwiderstand ab. Diese Belastungsabhängigkeit können wir durch einen Innenwiderstand Ri berücksichtigen,
der in Serie zur idealen Spannungsquelle angeordnet wird. An ihm fällt ein Teil der
37
1.13 Ersatzschaltungen
Spannung U0 ab, wenn ein Strom fließt.
(1.42)
Bild 1.29. Darstellung eines Generators G als reale
Spannungs- quelle. Indem wir einen Widerstand in Serie zu einer idealen Spannungsquelle anordnen, machen
wir
die
Klemmenspannung
UAB
belastungsabhängig.
Trägt man die Ausgangsspannung der Quelle UAB Funktion des von der Quelle
gelieferten Stromes I in einem Diagramm auf, so erhält man die Kennlinie der Quelle, wie in Bild 1.30 dargestellt.
Bild 1.30. Kennlinie einer realen Spannungsquelle.
Die Kennlinie enthält zwei charakteristische Betriebszustände, die durch die beiden
Endpunkte der Kennlinie auf den Achsen dargestellt sind: den Leerlauf- und den
Kurzschlußfall.
38
1 Gleichstromlehre
Leerlauf (Bild 1.31):
(1.43)
Bild 1.31. Im Leerlauf sind die Klemmen A und B offen.
Die dann an den Klemmen anliegende Spannnung UAB
wird Leerlaufspannung UL genannt.
Kurzschluß (Bild 1.32):
(1.44)
Bild 1.32. Im Kurzschluß sind die Klemmen A und B
verbunden. Es fließt der Kurzschlußstrom Ik = U0 / Ri
39
1.13 Ersatzschaltungen
Die Steigung der Kennlinie
ΔU UL
=
wird durch Ri festgelegt. Durch eine MesΔI
IK
sung von UL und IK bzw. ΔU und ΔI kann Ri für eine reale Quelle bestimmt werden
nach
.
(1.45)
Für die Klemmenspannung gilt allgemein
(1.46)
1.13.1.2 Stromquellen
Die ideale Stromquelle liefert einen konstanten, eingeprägten Strom R0, der
unabhängig von angeschlossenen Verbraucherwiderständen ist. Das Schaltzeichen und die Kennlinie zeigt Bild 1.33. Die Spannung an einer idealen Stromquelle
kann beliebige Werte annehmen. Ihr Innenwiderstand ist unendlich groß, so daß
die Größe eines Verbraucherwiderstandes keinen Einfluß auf die Größe des Stromes hat.
(1.47)
Bild 1.33. Schaltzeichen und Kennlinie der idealen Stromquelle.
Analog zur realen Spannungsquelle hängt bei der realen Stromquelle, die in
Bild 1.34 gezeigt ist, der Ausgangsstrom I von der Ausgangsspannung UAB und
damit vom Verbraucherwiderstand ab. Diese Belastungsabhängigkeit des Ausgangsstromes können wir durch einen Widerstand RQ (bzw. einen Leitwert GQ),
der parallel zur idealen Stromquelle angeordnet wird, berücksichtigen. Er nimmt
einen Teil des
40
1 Gleichstromlehre
Bild 1.34. Darstellung eines Generators G als reale Stromquelle.
Stromes I0 auf, auch wenn ein Verbraucher an die Klemmen A und B angeschlossen wird. Wir nennen RQ den Quellwiderstand.
Mit Bild 1.34 folgt
(1.48)
Trägt man den von der Quelle gelieferten Strom I als Funktion der Ausgangsspannung UAB der Quelle in einem Diagramm auf, so erhält man wiederum die Kennlinie der realen Quelle. Die Kennlinie ist in Bild 1.35 dargestellt.
Bild 1.35. Kennlinie einer realen Stromquelle.
Die Steigung der Kennlinie folgt aus dem Quellwiderstand
(1.49)
41
1.13 Ersatzschaltungen
Wiederum stellen die Schnittpunkte der Kennlinien mit den Achsen des Diagramms
in Bild 1.35 Kurzschluß- und Leerlauffall dar:
Leerlauf (Bild 1.36):
(1.50)
Bild 1.36. Wird die reale Stromquelle im Leerlauf betrieben, so fließt der eingeprägte Strom I0 ausschließlich durch den Quellwiderstand RQ. An diesem fällt dann
die Leerlaufspannung UL, = RQ · I0 ab.
Kurzschluß (Bild 1.37):
(1.51)
Bild 1.37. Wird die reale Stromquelle kurzgeschlossen,
so fließt der eingeprägte Strom I0 ausschließlich durch
den Kurzschluß. Die Klemmenspannung UAB ist Null.
42
1 Gleichstromlehre
Werden an der Kennlinie der realen Stromquelle nach Bild 1.35 Ordinate und
Abszisse vertauscht, so führt dies, wie Bild 1.38 zeigt, zum gleichen
Zusammenhang zwischen Klemmenspannung UAB und Ausgangsstrom I wie bei
der realen Spannungsquelle.
(1.52)
Bild 1.38. Vertauschen wir in Bild 1.35 Ordinate und
Abszisse, so erhalten wir die gleiche Darstellung wie in
Bild 1.30. Daraus kann man folgern, daß Ersatzspannungsquellen und Ersatzstromquellen in gleicher Weise
geeignet sind5 das Verhalten realer Quellen an ihren
Klemmen A und B zu beschreiben.
Folglich kann man eine beliebige reale (lineare) Quelle sowohl durch eine reale Ersatzspannungsquelle als auch durch eine reale Ersatzstromquelle darstellen.
Dieser Zusammenhang wird in Kapitel 1.13.2 vertieft. Außerdem können reale
Strom- und Spannungsquellen beliebig ineinander umgewandelt werden. Dabei
gilt:
(1.53)
(1.54)
(1.55)
43
1.13 Ersatzschaltungen
1.13.2 Ersatzzweipolquelle für lineare Schaltungen
Bild 1.39. An eine komplizierte Schaltung wird der
variable Verbraucherwiderstand RV angeschlossen.
Der Pfeil durch das Widerstandssymbol kennzeichnet
einen variablen Widerstand. Wir wollen den Strom IAB
durch RV berechnen.
Gegeben sei eine komplizierte Schaltung. Untersucht wird die Frage, wie in einem
bestimmten Zweig AB dieser Schaltung der Strom IAB in diesem Zweig vom Widerstand RV in diesem Zweig abhängt. Dazu soll die komplizierte Schaltung als ein
„schwarzer Kasten" („black box") mit dem interessierenden Zweig als Belastung
gemäß Bild 1.39 dargestellt werden. Gesucht ist der Zusammenhang
In der Theorie elektrischer Netzwerke wird bewiesen, daß der schwarze Kasten, sofern er ausschließlich aus linearen Bauteilen wie Stromquellen, Spannungsquellen und linearen Widerständen aufgebaut ist, durch
- eine (reale) Spannungsquelle, gekennzeichnet durch U0 und Ri oder
- eine (reale) Stromquelle, gekennzeichnet durch I0 und RQ
dargestellt werden kann. Welche Darstellung die günstigere ist,
der speziellen Problemstellung ab.
hängt von
44
1 Gleichstromlehre
Spannungsquelle mit Innenwiderstand als Ersatzzweipolquelle (Bild 1.40)
Bild 1.40. Die komplizierte Schaltung wird durch eine
reale Spannungsquelle (Ersatzspannungsquelle) dargestellt. Die Ersatzspannungsquelle soll an ihren
Klemmen A, B die gleiche Kennlinie aufweisen wie die
komplizierte Schaltung in der black box von Bild 1.39.
Dazu müssen die eingeprägte Spannung U0 und der
Innenwiderstand Ri die geeignete Größe haben. Die
Werte für U0 und Ri müssen aus der komplizierten
Schaltung ermittelt oder gemessen werden.
(1.56)
Stromquelle mit Quellwiderstand als Ersatzzweipolquelle (Bild 1.41)
Bild 1.41. Die komplizierte Schaltung wird durch eine
reale Stromquelle (Ersatzstromquelle) dargestellt. Auch
diese Ersatzquelle soll an ihren Klemmen A, B die gleichen Eigenschaften haben wie die komplizierte Schaltung in der black box aus Bild 8.39.
45
1.13 Ersatzschaltungen
(1.57)
Es ist uns gelungen, mit Hilfe der Ersatzzweipolquellen eine sehr einfache, allgemeingültige Beziehung für den gesuchten Strom IAB zu erhalten. Die Elemente I0
und RQ bzw. U0 und Ri müssen aus der komplizierten Schaltung des schwarzen
Kastens bestimmt oder durch Messung des Kurzschlußstromes und der Leerlaufspannung ermittelt werden.
Beispiel: Gegeben sei die Schaltung in Bild 1.26 aus Kapitel 1.11. Der herausgeführte Zweig sei R3. Berechnet werden sollen die Elemente einer Ersatzspannungsquelle U0 und Ri sowie die einer Ersatzstromquelle I0 und RQ, die jeweils an den
Klemmen AB die gleiche Wirkung zeigen wie das Netzwerk aus U01, U02, R1 und R2.
Bild 1.42. Das links der Klemmen A und B liegende
Netzwerk stellt den Inhalt der black box aus Bild 1.39
dar. Wir wollen für dieses Netzwerk die Elemente einer
Ersatzspannungsquelle und einer Ersatzstromquelle
berechnen.
Wir benennen die Größen der Schaltung aus Bild 1.42 um in unsere Bezeichnungsweise gemäß Bild 1.39, Bild 1.40 und Bild 1.41.
46
1 Gleichstromlehre
Der Kurzschlußstrom IK berechnet sich mit UAB = 0 (d.h. R3 = 0) zu
Die Leerlaufspannung UL berechnet sich mit I’3 = 0 (d.h. R3 = ∞ ) und I1 = - I2 = I
sowie der Maschengleichung
und damit
zu
Daraus folgt für Ri bzw. RQ
Aus dieser Rechnung lassen sich nun die beiden möglichen Ersatzquellen
bestimmen:
Bild 1.43. Ersatzspannungsquelle zu der Schaltung aus Bild 8.42.
47
1.13 Ersatzschaltungen
Ersatzspannungsquelle gemäß Bild 1.43:
Bild 1.44. Ersatzstromquelle zu der Schaltung aus Bild 1.42.
Ersatzstromquelle gemäß Bild 1.44
h
=
R
Q
In diesem Beispiel konnte Ri bzw. RQ sehr einfach bestimmt werden, nachdem
sowohl UL als auch IK berechnet worden waren. Unabhängig davon läßt sich Ri
bzw. RQ nach folgender Vorschrift leicht ermitteln:
Wir ersetzen alle Quellen durch ihren Innenwiderstand, d.h. wir schließen alle idealen Spannungsquellen kurz und trennen alle idealen Stromquellen auf. Dann berechnen wir den Widerstand zwischen den Klemmen A und B. Dieser ist gleich Ri
bzw. RQ.
48
1 Gleichstromlehre
Auf das obige Beispiel angewandt, ergibt sich mit Bild 1.45
(1.58)
Bild 1.45. Zur Berechnung des Innenwiderstandes einer Schaltung werden alle Stromquellen und Spannungsquellen durch ihren Innenwiderstand ersetzt. Das
heißt, ideale Stromquellen werden durch eine Unterbrechung ersetzt, ideale Spannungsquellen durch einen Kurzschluß. Dann wird der Gesamtwiderstand des
verbleibenden Netzwerkes zwischen den Klemmen A
und B berechnet. Das Bild zeigt das verbleibende Widerstandsnetzwerk für die Schaltung aus Bild 1.42.
Ersatzzweipolquellen sind außerordentlich nützlich. Sie erlauben eine einfache Beschreibung einer komplizierten Schaltung. Wir können damit Strom und
Spannung an einem Verbraucher berechnen, ohne daß wir die Einzelheiten der
Quelle kennen.
1.13.3 Ersatzvierpole für lineare Schaltungen
Gegeben ist ein aus passiven, linearen Schaltelementen (Widerständen) bestehendes Netzwerk mit 4 Anschlüssen, nämlich 2 Eingangs- und 2 Ausgangsklemmen gemäß Bild 1.46.
49
1.13 Ersatzschaitungen
Bild 1.46. Ein Netzwerk, d.h. eine beliebige Zusammenschaltung aus linearen, passiven Schaltelementen,
wird an seinen Eingangsklemmen C, D von einer realen Spannungsquelle mit U0 und Ri versorgt. An seinen
Ausgangsklemmen A, B wird ein variabler Verbraucherwiderstand RV betrieben. Wir wollen für das
Netzwerk, das über vier Anschlüsse verfügt, eine Ersatzschaltung (Ersatzvierpol) ermitteln.
In den Eingang des Netzwerkes wird mit einer Spannungsquelle elektrische Leistung eingespeist. Der Ausgang ist mit einem Verbraucher (RV) belastet. Betrachten
wir den Eingang des Netzwerkes von der Quelle aus, so können wir das Netzwerk
einschließlich RV durch einen einzigen Widerstand RE (entsprechend einem Eingangswiderstand des belasteten Netzwerkes) gemäß Bild 1.47 beschreiben. Würde das Netzwerk auch nichtlineare Elemente wie beispielsweise Dioden oder aktive Elemente (Quellen) enthalten, ginge das nicht!
Bild 1.47. Von der Quelle aus betrachtet erscheint das
Netzwerk und auch der Verbraucherwiderstand aus
Bild 1.46 wie eine OHMsche Belastung. Wir können uns
diese Belastung in einem Widerstand RE konzentriert
denken. RE ist dann der Eingangswiderstand
des mit RV belasteten Netzwerkes.
Betrachten wir den Ausgang des Netzwerkes vom Verbraucher RV aus, so
können wir das Netzwerk einschließlich Quelle gemäß Bild 1.48 durch eine Ersatzspannungs50
1 Gleichstromlehre
quelle mit der Leerlaufspannung U’0 und dem Innenwiderstand RA (Ausgangswiderstand des von der Quelle versorgten Netzwerkes) beschreiben. Es gilt:
U’0 = µ ⋅ U0
µ<1:
vom Netzwerk abhängiger Faktor
(1.59)
Bild 1.48. An den Klemmen A und B wirken die
Quelle und das Netzwerk aus Bild 1.46 wie eine
Spannungsquelle, die durch die Leerlaufspannung
U’0 und den Innenwiderstand RA dargestellt werden
kann.
Beide Teilersatzschaltbilder können zu einem einzigen
des Vierpols zusammengefaßt werden, wie in Bild 1.49 gezeigt.
Ersatzschaltbild
Bild 1.49. Wir fassen die Ersatzschaltungen aus Bild
1.47 und Bild 1.48 zu einer Vierpolersatzschaltung zusammen. Das Netzwerk aus Bild 1.46 erscheint jetzt an
seinem Eingang als Eingangs widerstand RE ⋅ RE muß
berechnet werden aus der inneren Schaltung des
Netzwerkes und aus RV. Der Ausgang des Netzwerkes
erscheint als Ersatzspannungsquelle, deren eingeprägte Spannung U’0 = µ · U0 und deren Innenwiderstand
RA abhängig sind vom Netzwerk und der realen Eingangsspannungsquelle. Beide Teilersatzschaltbilder
werden meistens galvanisch verbunden. Diese Verbindung wurde hier willkürlich zwischen D und B angenommen.
51
1.13 Ersatzschaltungen
Anstelle der Ersatzspannungsquelle hätten wir auch eine Ersatzstromquelle im
Ausgang des Ersatzvierpols einführen können. Die Schaltung dieses Ersatzvierpols zeigt Bild 1.50. Der eingeprägte Strom und der Quellwiderstand wurden entsprechend Bild 1.49 berechnet.
Bild 1.50. Wir formen die Ersatzspannungsquelle im
Ausgang des Ersatzvierpols aus Bild 1.49 um in eine
Ersatzstromquelle. Dieser Ersatzvierpol hat das identische Verhalten wie der Ersatzvierpol aus Bild 1.49.
Wir haben damit das komplizierte Netzwerk zurückgeführt auf die Ersatzschaltung mit den Elementen RE, µ ⋅ U0 und RA. Die Elemente des Ersatzvierpols müssen für das jeweilig vorgegebene Netzwerk berechnet werden.
Beispiel:
Als Beispiel diene die in Bild 1.51 gezeigte Schaltung. Das Netzwerk besteht aus
den Widerständen R1 und R2.
Bild 1.51. Für das umrahmte Netzwerk, bestehend
aus den Widerständen R1 und R2, sollen die Elemente eines Ersatzvierpols berechnet werden.
52
1 Gleichstromlehre
Die Elemente eines Ersatzvierpols ergeben sich zu
Ersatzschaltbilder werden benötigt, um kompliziertere Bauteile wie beispielsweise Transistoren, Operationsverstärker und Transformatoren oder auch ganze
Schaltungen wie beispielsweise Verstärker darzustellen. Man kann ohne Kenntnis
des physikalischen Aufbaus das Verhalten von Schaltungen berechnen, wenn das
Ersatzschaltbild bekannt ist. Im Kapitel 1.13.4 werden wir Operationsverstärkerschaltungen berechnen, ohne den physikalischen Aufbau von Operationsverstärkern zu kennen.
1.13.4 Elektrische Verstärker - Operationsverstärker
Häufig müssen kleine elektrische Signale gemessen oder verarbeitet werden. Dies
ist im allgemeinen leichter möglich, wenn die Signale zuvor verstärkt werden. Abhängig vom Eingangssignal können Verstärkungen von Spannungen, Strömen oder Leistungen erforderlich sein. Spezielle elektronische Geräte, die eine solche
Verstärkung durchführen, werden als Verstärker bezeichnet. Die Schaltungstechnik von Verstärkern ist im allgemeinen recht kompliziert und kann im Rahmen dieser Vorlesung nicht behandelt werden. Mit speziellen elektronischen Bauteilen, den
Operationsverstärkern, können jedoch Verstärkerschaltungen in sehr einfacher
Weise realisiert werden.
Der Operationsverstärker ist dadurch gekennzeichnet, daß seine Wirkungsweise (innerhalb bestimmter Grenzen) ausschließlich durch seine äußere Beschaltung festgelegt werden kann, während die Eigenschaften eines normalen Verstärkers mehr oder minder stark durch seinen inneren Aufbau bestimmt werden. Operationsverstärker sind als integrierte Bauelemente preiswert erhältlich.
Schaltsymbol und spezielle Begriffe des Operationsverstärkers
Die für eine Verstärkung von Signalen erforderliche Leistung wird dem Operationsverstärker über die Betriebsspannung zugeführt. Für bipolaren Betrieb sind eine
positive und eine negative Betriebsspannung UB (jeweils auf das Null- oder Massepotential bezogen) erforderlich. Typische Pegel sind ±12 V oder ±15 V. Die Ausgangsspannungen können nur innerhalb des durch die Betriebsspannungen abgedeckten Bereiches liegen,
53
1.13 Ersatzschaltungen
Das Bauteil „Operationsverstärker" hat mindestens fünf, meist jedoch noch mehr
Anschlüsse. Unbedingt erforderlich sind
- zwei Eingangsanschlüsse
- ein Ausgangsanschluß
- zwei Betriebsspannungsanschlüsse (spezielle Operationsverstärker arbeiten mit nur einer Betriebsspannung).
In Schaltungen zeichnet man meist nur die beiden Eingänge und den Ausgang.
Bild 1.52 zeigt das Schaltsymbol des Operationsverstärkers und die bei einem Betrieb relevanten Spannungen.
Bild 1.52. Schaltsymbol des Operationsverstärkers.
Rechts sind die Betriebsspannungen UB+ und UB− , die
Ausgangsspannung UA und die Eingangsspannung UE
zusätzlich eingezeichnet. Mit Ausnahme der Eingangsspannung sind diese Spannungen auf ein gemeinsames elektrisches Potential, das sogenannte Massepotential, bezogen. Die Eingangsspannung UE kann als
Differenz zweier Spannungen U2 und U1, die ihrerseits
auf Massepotential bezogen sind, aufgefaßt werden.
Den mit „+" gekennzeichneten Eingang des Operationsverstärkers bezeichnet man als nichtinvertierenden
Eingang, den mit „-“ gekennzeichneten Eingang als invertierenden Eingang. Der Strom in die Eingangsanschlüsse möge für beide Eingänge gleich sein. Wir
nennen ihn den Eingangsstrom IE.
Die Eingangsspannung UE liegt zwischen den mit „+“ und „-" bezeichneten
Eingängen des Operationsverstärkers. Es gilt entsprechend Bild 1.52
(1.60)
Die Ausgangsspannung eines unbeschalteten Operationsverstärkers berechnet sich
zu
(1.61)
v0 > 0 : Leerlaufverstärkung des unbeschalteten Operationsverstärkers.
54
1 Gleichstromlehre
Bild 1.53. Ersatzschaltbild des realen Operationsverstärkers. Der Operationsverstärker wird als Ersatzvierpol gemäß Kapitel 1.13.3 dargestellt. Zwischen invertierendem und nichtinvertierendem Eingang befindet sich
der Eingangswiderstand RE. Die zwischen den beiden
Anschlüssen liegende Eingangsspannung UE wird, mit
der Leerlaufverstärkung v0 multipliziert, als Ausgangsspannung
UA = v0 ⋅ UE zur Verfügung gestellt. Die
Ausgangsspannung ist aber nicht völlig belastungsunabhängig; wir ergänzen deshalb einen Ausgangswiderstand RA gemäß Kapitel 1.13.1.1. RA ist vom inneren Aufbau des Operationsverstärkers abhängig und
sehr klein. Im rechten Teil wurde das Ersatzschaltbild in
das Schaltsymbol des Operationsverstärkers eingezeichnet.
Die Ausgangsspannung ist positiv für U2 > U1 Daher wird der „+"-Eingang als nichtinvertierender Eingang bezeichnet. Sie ist negativ für U1 > U2, weshalb der „-"Eingang die Bezeichnung invertierender Eingang trägt.
Bild 1.53 zeigt das Ersatzschaltbild eines realen Operationsverstärkers. Die
Vierpolersatzschaltung stellt eine spannungsgesteuerte Spannungsquelle dar.
Wir können einen Operationsverstärker mit idealisierten Eigenschaften definieren.
Dieser ideale Operationsverstärker besitzt folgende Kenngrößen:
(1.62)
Voraussetzung dafür, daß UE gegen Null strebt, ist außerdem, daß der
Operationsverstärker in einer geeigneten Schaltung betrieben wird.
Die Eigenschaften realer Operationsverstärker kommen denen idealer recht nahe. Typische Werte sind
55
1.13 Ersatzschaltungen
Grundschaltungen idealer gegengekoppelter Operationsverstärker
Durch eine geeignete externe Beschaltung kann die Betriebsweise eines Operationsverstärkers festgelegt werden. Im folgenden werden einige Grundschaltungen
angegeben.
Der nicht invertierende Verstärker
Die Schaltung des nichtinvertierenden Verstärkers zeigt Bild 1.54.
Bild 1.54. Beschaltung eines Operationsverstärkers
zum nichtinvertierenden Verstärker.
Die zu verstärkende Eingangsspannung U1 der Schaltung, (nicht zu verwechseln
mit der Eingangsspannung UE am Operationsverstärker!) wird auf den nichtinvertierenden Eingang des Operationsverstärkers gelegt. Ein Teil der Ausgangsspannung
UA wird über dem Widerstand R1 abgegriffen und auf den invertierenden Eingang
zurückgeführt. Gesucht ist der Verstärkungsfaktor v der Schaltung, also das Verhältnis aus Ausgangsspannung UA und Eingangsspannung U1.
Die Eingangsspannung U1 der Schaltung bewirkt eine Ausgangsspannung UA
mit gleicher Polarität. Würde die Rückführung eines Teiles der Ausgangsspannung
auf den invertierenden Eingang des Operationsverstärkers fehlen und sich der invertierende Eingang beispielsweise auf Massepotential befinden, so wäre die Eingangsspannung des Operationsverstärkers UE gleich U1 und damit, wegen v0 → ∞ ,
UA = v0·UE unendlich groß bzw. beim Maximalwert der Ausgangsspannung. Eine
solche Schaltung wäre unbrauchbar. Indem man aber einen Teil der Ausgangsspannung UA über dem Widerstand R1 abgreift und auf den invertierenden Eingang
des Operationsverstärkers zurückführt, wird die Eingangsspannung des Operationsverstärkers UE reduziert. Man spricht von einer Gegenkopplung. Für eine ganz
bestimmte Ausgangsspannung UA wird UE = 0. Genau diese Ausgansspannung
wird vom idealen Operationsverstärker in der gegebenen Schaltung eingestellt:
Wäre nämlich bei konstantem, beispielsweise positivem U1 die Ausgangsspannung
UA zu klein, so wäre damit UE positiv und UA
56
1 Gleichstromlehre
würde größer. Wäre UA zu groß, würde UE negativ und UA würde kleiner. Durch die
Gegenkopplung schwingt der ideale Operationsverstärker genau auf denjenigen
Wert der Ausgangsspannung ein, für den UE Null wird: lim UE = 0. Vorraussetzung
v0 →∞
dazu ist, wie oben bereits bemerkt, eine geeignete Beschaltung des Operationsverstärkers.
Für die Berechnung des Verstärkungsfaktors dürfen wir UE = 0 und als Folge
davon U1 = R1 · I1 setzen. Damit ergibt sich
(1.63)
Wählt man beispielsweise R1 = 1kΩ und R2 = 10kΩ, so wird die Spannung U1 um
den Faktor 11 verstärkt.
Für R2 = 0 oder R1 → ∞ erhält man v = 1 und UA = U1. Der so beschaltete
Operationsverstärker wird als Spannungsfolger bezeichnet. Die Schaltung ist in
Bild 1.55 dargestellt.
Bild 1.55. Beschaltung eines Operationsverstärkers
zum Spannungsfolger.
Eine wichtige Eigenschaft dieser Schaltung ist, daß die Eingangsspannung
U1 durch den Operationsverstärker praktisch nicht belastet wird (RE → ∞ ). Durch
die Beschaltung des Operationsverstärkers steht eine nahezu ideale Spannungsquelle für UA und damit für U1 zur Verfügung.
Der Verstärkungsfaktor der Schaltung wird ausschließlich durch die externe
Beschaltung (R1, R2) des idealen Operationsverstärkers bestimmt.
Da die Daten realer Operationsverstärker den idealisierten Werten recht nahe
kommen, kann bei einfachen Schaltungen ohne besondere Anforderungen an die
Genauigkeit praktisch mit den idealisierten Werten gerechnet werden, wenn bestimmte Randbedingungen eingehalten werden. Zum Beispiel muß v0 v sein.
Weiterhin muß das Zeitverhalten des Operationsverstärkers beachtet werden.
Dieser Gesichtspunkt wird in Kapitel 9 behandelt werden.
57
1.13 Ersatzschaltungen
Der invertierende Verstärker
Die Schaltung des invertierenden Verstärkers zeigt Bild 1.56.
Bild 1.56. Beschaltung eines Operationsverstärkers
zum invertierenden Verstärker.
Gesucht ist wiederum der Verstärkungsfaktor v, also das Verhältnis aus Ausgangsspannung UA und Eingangsspannung U1 der Schaltung. Die Spannung U1 liegt über den Widerstand R1 am invertierenden Eingang des Operationsverstärkers. Der
nichtinvertierende Eingang liegt auf Masse-Potential. Über den Widerstand R2 wird
die Ausgangsspannung UA, die das umgekehrte Vorzeichen der Eingangsspannung U1 hat, auf den invertierenden Eingang zurückgeführt. Dadurch wirkt die Ausgangsspannung UA der Eingangsspannung U1 entgegen, und UE wird reduziert. Die
Schaltung bewirkt wie beim nichtinvertierenden Verstärker eine Gegenkopplung.
Der Ausgang des idealen Operationsverstärkers stellt sich so ein, daß UE Null wird.
Durch die Gegenkopplung wird der Knotenpunkt K virtuell auf Masse gelegt. Damit
gelten die Maschengleichungen
.
(1.64)
Für den Knotenpunkt K gilt mit IE = 0:
(1.65)
Es folgt
.
(1.66)
Das Minuszeichen gibt an, daß die Polarität der Eingangsspannung invertiert wird
(invertierender Verstärker).
58
1 Gleichstromlehre
Die Addierschaltung
Die in Bild 1.57 dargestellte Addierschaltung ist eine Erweiterung des invertierenden Verstärkers.
Bild 1.57. Beschattung eines Operationsverstärkers
zum (invertierenden) Addierer.
Analog zum invertierenden Verstärker ergibt sich mit IE = 0 und UE = 0:
(1.67)
Für R10 = R20= R2 folgt
(1.68)
Die Ausgangsspannung ist gleich der negativen Summe der Eingangsspannungen.
59
1.13 Ersatzschaltungen
Der Strom-Spannungs-Wandler
Strom-Spannungs-Wandler werden auch als I-U-Konverter oder Transimpedanzverstärker bezeichnet. Die Schaltung zeigt Bild 1.58.
Bild 1.58. Beschattung eines Operationsverstärkers
zum Strom-Spannungs-Wandler.
Der Operationsverstärker wird wie beim invertierenden Verstärker über den Widerstand R gegengekoppelt. Die Stromquelle treibt den Strom I0 wegen IE = 0 durch
den Widerstand R.
Mit UE = 0 folgt
(1.69)
Die Schaltung setzt Ströme in Spannungen um. Da die Stromquelle wegen UE = 0
kurzgeschlossen ist, wird auch bei realen Stromquellen stets der Kurzschlußstrom
der Quelle gemäß Gl. 1.69 in die Ausgangsspannung umgesetzt.
Eine Anwendung der Schaltung werden wir in Kapitel 15.2 (Photodioden)
kennenlernen.
60
1 Gleichstromlehre
1.14 Anpassung und Wirkungsgrad
Gegeben sei die Schaltung gemäß Bild 1.59. Sie besteht aus einer realen Spannungsquelle mit bekanntem U0 und Ri sowie einem variablen Verbraucherwiderstand RV.
Bild 1.59. Ein variabler Verbraucherwiderstand RV wird
an eine reale Spannungsquelle angeschlossen. Uns interessiert, welchen Wert RV haben muß, damit er aus
der gegebenen Quelle die maximale Leistung entnimmt.
Wir wollen berechnen, welchen Wert RV haben muß, damit er aus der gegebenen realen Quelle die maximal mögliche Leistung entnimmt. Dazu führen wir folgende Bezeichnungen ein:
PV(RV) = Leistung in RV
Pi(RV) = Leistung in Ri
PQ(RV) = Leistung der Quelle
Der in der Schaltung fließende Strom I berechnet sich zu
(1.70)
Damit ergibt sich für die Leistungen
(1.71 a)
(1.72 a)
(1.73 a)
Die in RV umgesetzte Leistung wird in zwei Grenzfällen Null:
61
1.14 Anpassung und Wirkungsgrad
Für einen Wert 0 < RV < ∞ muß PV ein Maximum haben. Diesen Wert von RV, bei
dem das Maximum von PV liegt, erhalten wir aus der Nullstelle der ersten Ableitung:
Damit PV = RVmax wird, muß also gelten
(1.74)
Diese Bedingung können wir in Gl. 1.71 a einsetzen:
Für PVmax ist in der Nachrichtentechnik die Bezeichnung Pav (von „available power",
verfügbare Leistung) üblich.
Für eine übersichtliche graphische Darstellung der Abhängigkeit der Leistungen PV, Pi und PQ vom Verbraucherwiderstand RV ist es vorteilhaft, alle Leistungen
auf Pav und RV auf Ri zu normieren:
(1.71 b,c)
(1.72 b,c)
(1.73 b,c)
Bild 1.60 stellt Gl. 1.71 c, Gl. 1.72 c und Gl. 1.73 c graphisch dar.
62
1 Gleichstromlehre
Bild 1.60. Die im Verbraucherwiderstand RV umgesetzte Leistung PV, die im Innenwiderstand Ri der Quelle
umgesetzte Leistung Pi und die von der Quelle aufgebrachte Leistung PQ sind, jeweils normiert auf die maximal
verfügbare
Leistung
Pav
im Verbraucherwiderstand, als Funktion des Verbraucherwiderstandes RV, der auf den Innenwiderstand Ri der Quelle
normiert ist, aufgetragen.
RV
= 1 ein Maximum der in RV umgeRi
setzten Leistung PV. Der Fall RV = Ri wird Anpassung genannt. Bei Anpassung ist
die in RV umgesetzte Leistung maximal. Allerdings gilt gleichzeitig
Wie bereits berechnet, ergibt sich für
PV(RV = Ri) = Pi(RV = Ri).
(1.75)
Im Innenwiderstand der Quelle und im Verbraucher wird bei Anpassung die gleiche
Leistung umgesetzt.
Anpassung ist immer dort wichtig, wo Signale bei kleinen Leistungen unverfälscht übertragen werden sollen, also beispielsweise in der Nachrichtentechnik
oder der Meß- und Regeltechnik.
P
Wie die Breite des Maximums von V zeigt, ist es zumeist nicht erforderlich,
Pav
die Bedingung für die Anpassung (RV = Ri) exakt einzuhalten.
In der Energietechnik wäre Anpassung Unsinn, da ein Kraftwerk nicht genausoviel Verlustleistung verbrauchen darf wie es an das Netz liefert. In der Energietechnik fragt man deshalb vielmehr nach dem Wirkungsgrad 77, das heißt dem Verhältnis von abgegebener zu eingesetzter Leistung.
63
(1.76)
64
1.14 Anpassung und Wirkungsgrad
In Bild 1.61 ist der Wirkungsgrad η zusätzlich zu den normierten Leistungen aus
Bild 1.60 eingetragen. Ein hoher Wirkungsgrad ergibt sich für RV Ri.
Bild 1.61. Der Wirkungsgrad η einer mit RV belasteten
realen Spannungsquelle nimmt mit steigendem RV oder
fallendem Ri zu. Mit steigendem RV sinkt der Strom in
RV und damit auch die in RV umgesetzte Leistung. Das
Maximum der in RV umgesetzten Leistung PV liegt bei
RV / Ri = 1. Dann ist die Leistung Pi, die im Innenwiderstand der Quelle umgesetzt wird, genauso groß wie PV.
Vorsicht bei der Leistungsbilanz, wenn Ersatzschaltungen aufgestellt wurden!
Wurde für die Ersatzschaltung beispielsweise eine Leistungsanpassung durchgeführt, so gilt für die Ersatzschaltung
Für die ursprüngliche Schaltung gilt dies im allgemeinen aber nicht! Gewährleistet
ist nur, daß PV im Falle der Anpassung ein Maximum hat.
65
1 Gleichstromlehre
1.15 Messung von Strom und Spannung
1.15.1 Strommessung
Wir wollen die Stromaufnahme eines Verbraucherwiderstandes RV messen, der an
einer realen Spannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 und dem Innenwiderstand Ri0 angeschlossen ist. Dazu unterbrechen wir den Stromkreis und erhalten dadurch die Klemmen A und B. An diese schließen wir das Meßinstrument,
ein Amperemeter, gemäß Bild 1.62 an.
Bild 1.62. Ein Amperemeter wird zur Strommessung in
den Stromkreis geschaltet. Dazu wird der Stromkreis
aufgetrennt. Es entstehen die Klemmen A und B.
Für die Schaltung aus Bild 1.62 stellen wir die in Bild 1.63 abgebildete
Ersatzschaltung auf.
Bild 1.63. Ersatzschaltbild zur Schaltung aus Bild 1.62.
Rechts der Klemmen A-B sehen wir das Schaltzeichen
für ein ideales Amperemeter. Der Widerstand RM ist der
Innenwiderstand des realen Amperemeters. Ohne Meßgerät flösse der Strom I direkt zwischen den kurzgeschlossenen Klemmen A und B, Wird das Meßgerät in
den Stromkreis geschaltet, fließt der Strom I’.
66
1.15 Messung von Strom und Spannung
Dabei wird das reale Amperemeter durch ein „ideales" Amperemeter A und einen
Serienwiderstand RM, der den Innenwiderstand des realen Amperemeters beschreibt, dargestellt. Das ideale Amperemeter ist widerstandslos. Die Innenwiderstände RiO und RV fassen wir zu
(1.77)
zusammen.
Ohne Meßinstrument fließt der Strom
I=
U0
.
Ri
(1.78)
Wird das Meßinstrument zugeschaltet, fließt ein kleinerer Strom
(1.79)
Um den Meßfehler durch das Zuschalten des Amperemeters möglichst klein zu
halten, muß
(1.80)
gewählt werden.
Amperemeter müssen im Vergleich zum Stromkreis möglichst niederohmig
sein!
Ideale Amperemeter haben den Innenwiderstand Null.
Beispiel: Strommessung mit einem Drehspulinstrument
Drehspulinstrumente sind häufig eingesetzte Meßwerke in Amperemetern (und
auch in Meßgeräten für die elektrische Spannung, den Voltmetern). Sie bestehen
aus einer kleinen Leiterschleife (Spule), die von dem zu messenden Strom durchflossen wird. Die Leiterschleife ist drehbar in einem magnetischen Feld gelagert.
Wie wir in Kapitel 4 noch sehen werden, wirkt dabei ein dem Strom proportionales
Drehmoment auf die Leiterschleife, das zur Betätigung eines Zeigers ausgenutzt
wird. Typische Daten eines Drehspulinstruments sind:
RM = 200Ω
Vollausschlag bei Imax = 3mA und Umax = Imax · RM = 0,6V.
Wenn wir den Strom mit einer Genauigkeit von 1 % messen wollen, muß der Innenwiderstand des Stromkreises Ri ≈ 20 000Ω = 20kΩ sein. Wird Ri größer, steigt
die Meßgenauigkeit. Es ist zu beachten, daß sich Ri aus dem Verbraucherwiderstand RV und dem Innenwiderstand RiO der Quelle zusammensetzt.
67
1 Gleichstromlehre
Meßbereichserweiterung am Amperemeter
Eine Meßbereichserweiterung für ein Amperemeter wird durch einen Stromteiler gemäß Kapitel 1.10.4 realisiert. Dazu wird ein Parallelwiderstand RS, ein sog.
Shunt, parallel zum Meßgerät geschaltet. Bild 1.64 zeigt die Anordnung.
Bild 1.64. Der Meßbereich des an die Klemmen A und
B aus Bild 1.63 angeschlossenen Amperemeters soll
erweitert werden. Der bei Vollausschlag zu messende
Strom I’max teilt sich auf in einen Anteil IS durch den
Shunt und einen Anteil I’max durch das Meßgerät. RS
und RM bilden einen Stromteiler.
Mit
Imax
I’max
IS
: Strom durch das Instrument bei Vollausschlag
: Strom im gewünschen Meßbereich bei Vollauschlag
: Strom durch den Shunt
und
I’max = Imax + IS
(1.81)
folgt für die Dimensionierung von RS, bei welchem das Meßgerät genau bei I’max
Vollausschlag zeigt
(1.82)
Der Innenwiderstand des Meßgerätes mit parallelgeschaltetem Shunt R’M ist dabei
kleiner als der Innenwiderstand des Meßgerätes RM:
(1.83)
68
1.15 Messung von Strom und Spannung
Beispiel: Meßbereichserweiterung am Amperemeter mittels Shunt
Der Meßbereich des oben beschriebenen Drehspulinstruments (RM = 200Ω, Imax =
3mA soll auf I’max = 3A erweitert werden. Der Shunt berechnet sich zu
Der resultierende Gesamtwiderstand des Amperemeters beträgt
In diesem Fall darf für eine auf 1 % genaue Messung der Innenwiderstand des
Stromkreises ≈ 20Ω betragen.
1.15.2 Spannungsmessung
Wir wollen den Spannungsabfall an einem Verbraucherwiderstand RV messen, der
aus einer Spannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 und dem Innenwiderstand RiO versorgt wird. An die Anschlußklemmen A und B des Verbrauchers
wird das Meßinstrument, ein Voltmeter, gemäß Bild 1.65 angeschlossen.
Bild 1.65. Zur Messung der Spannung UAB wird ein Voltmeter an
die Klemmen A und B angeschlossen. Durch das Meßgerät fließt ein Teilstrom IM. Dadurch sinkt die zu messende Spannung UAB.
Für die Schaltung aus Bild 1.65 läßt sich eine Ersatzschaltung bezüglich der Klemmen A und B gemäß Bild 1.66 angeben. Wir wählen diesmal eine Ersatzstromquelle.
69
1 Gleichstromlehre
Die Daten der Ersatzquelle berechnen sich zu
.
(1.84)
Das reale Voltmeter aus Bild 1.65 ersetzen wir durch ein ideales Voltmeter V, dem
der Innenwiderstand des realen Voltmeters RM parallelgeschaltet ist. Das ideale
Voltmeter nimmt keinen Strom auf, es ist durch einen unendlich hohen Innenwiderstand gekennzeichnet.
Bild 1.66. Ersatzschaltung zu der Schaltung nach Bild
1.65. Das Voltmeter stellen wir dar durch die Parallelschaltung eines idealen Voltmeters V und des
Meßgeräteinnenwiderstandes RM.
Mit angeschlossenem Meßinstrument ergibt sich die Klemmenspannung zu
(1.85)
ohne Meßinstrument (IM = 0) dagegen zu
(1.86)
Durch den Anschluß des Meßinstruments sinkt die Spannung UAB, da nicht mehr
der gesamte Strom I0 durch RQ hindurchfließt:
(1.87)
70
1.15 Messung von Strom und Spannung
Damit die zu messende Spannung durch den Anschluß des Meßgerätes nicht verfälscht wird, muß gelten
(1.88)
Das ist eine schwächere Forderung als RM RV.
Voltmeter müssen möglichst hochohmig sein!
Mit elektronischen Voltmetern lassen sich Eingangs widerstände von 1010Ω und
mehr erreichen. Sie kommen idealen Voltmetern häufig sehr nahe.
Meßbereichserweiterung am Voltmeter
1. Möglichkeit: Serienwiderstand Rs bei niederohmigen Instrumenten wie z.B.
Drehspulinstrumenten gemäß Bild 1.67.
Bild 1.67. Meßbereichserweiterung an einem DrehspulVoltmeter durch Serienschaltung eines Widerstandes Rs
zum Voltmeter.
Mit
Umax : Spannung am Instrument bei Vollausschlag
U’max : Spannung im gewünschten Meßbereich bei Vollauschlag
ergibt sich der Serienwiderstand mit der Maschengleichung
(1.89)
(1.90)
71
1 Gleichstromlehre
Beispiel: Meßbereichserweiterung am Voltmeter mittels Serienwiderstand
Der Meßbereich des oben beschriebenen Drehspulinstruments (RM = 200Ω, Umax =
0,6V soll auf U’max = 300V erweitert werden. Der Serienwiderstand berechnet sich
zu
Hochspannung sollte nicht nach dieser Methode gemessen werden, da die Gefahr
besteht, daß die volle Spannung am Meßgerät anliegt, wenn der Stromkreis im Instrument unterbrochen wird.
2. Möglichkeit der Meßbereichserweiterung: Spannungsteilung gemäß Bild 1.68.
Bild 1.68. Messbereichserweiterung an einem hochohmigen Voltmeter durch Vorschaltung des Spannungsteilers R1, R2.
Spannungsteiler haben wir in Kapitel 1.10.3 kennengelernt. Gemäß Gl. 1.33 gilt für
RM → ∞ die Gleichung des unbelasteten Spannungsteilers
(1.91)
Für endliche Werte von RM gilt die Gleichung des belasteten Spannungsteilers (RM
als Belastungswiderstand)
(1.92)
72
1.15 Messung von Strom und Spannung
Die durch R1 und R2 eingestellte Teilspannung
(1.93)
wird durch die Belastung des Spannungsteilers reduziert.
Die Möglichkeit der Meßbereichserweiterung durch Spannungsteilung wird
ausgenutzt bei
- hochohmigen Instrumenten,
- Instrumenten mit variablem Innenwiderstand (z.B. elektronischen Voltmetern),
- und der Messung von Hochspannung.
Eine Messung von Hochspannung sollte mit einem Spannungsteiler, der aus Sicherheitsgründen beispielsweise in einem Tastkopf angeordnet ist, erfolgen. Bei
einer Meßbereichserweiterung mit einem Serienwiderstand Rs gemäß Bild 1.67
liegt im Falle einer Unterbrechung des Stromkreises im Voltmeter, d.h. für RM → ∞ ,
die gesamte Spannung U’max an den Klemmen des Voltmeters an.
Für eine möglichst genaue Spannungsmessung muß entsprechend Gl. 1.93 gelten:
(1.94)
In diesem Fall gilt
Es folgt
(1.95)
und Gl. 1.91
Beispiel: Meßbereichserweiterung am Voltmeter mittels Spannungsteiler
Der Meßbereich eines hochohmigen Voltmeters soll von Umax = 100V auf U'max =
10kV erweitert werden. Der Gesamtwiderstand des Spannungsteilers wird (hier
willkürlich) festgelegt auf
R1 + R2 = 1MΩ.
Die Widerstände R1 und R1 berechnen sich damit zu
73
2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise
2 Gleichstrommaschinen
Elektrische Maschinen wandeln elektrische Leistung in mechanische Leistung
(Motorbetrieb) oder mechanische Leistung in elektrische Leistung (Generatorbetrieb) um.
Gleichstrommaschinen werden heute ausschließlich als Motoren verwendet. Das besondere Merkmal von Gleichstrommotoren ist, daß Drehzahl und
Drehmoment in weiten Grenzen einstellbar sind.
Gleichstrommotoren kommen verstärkt zum Einsatz, seitdem sich mit Hilfe der modernen Leistungselektronik regelbare Gleichspannungsquellen billig
und zuverlässig bauen lassen. Das ist gleichzeitig der Grund dafür, daß
Gleichstromgeneratoren heute nicht mehr verwendet werden.
Etwa 20% der installierten Leistung elektrischer Motoren entfällt zur Zeit
auf Gleichstrommotoren.
Der wesentliche Nachteil der Gleichstrommotoren liegt darin, daß sie nicht
wartungsfrei sind. Bestimmte Teile des Motors, deren Funktion wir noch kennenlernen werden, sind störanfällig (das gilt für den Kommutator) oder verschleißen (das gilt insbesondere für die Kohlebürsten). Außerdem haben
Gleichstrommotoren im Vergleich zu Drehstrommotoren ein hohes Leistungsgewicht.
Die wichtigsten Einsatzgebiete des Gleichstrommotors sind
- Fahrzeug- und Schwerantriebe
- Kräne und Aufzüge
- Werkzeug- und Textilmaschinen
- Walzstraßen
- Bohrtürme
- Bahnen
- Kleinverbraucher wie Haushaltsmaschinen.
Typische Leistungsbereiche liegen zwischen 10W und 10MW. Bei kleinen Maschinen sind Drehzahlen bis 12 000 min-1 möglich.
2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise
Das Prinzip des Gleichstrommotors :.
Auf eine drehbare, stromdurchflossene Leiterschleife in einem homogenen Magnetfeld, wie in Bild 2.1 skizziert, wirkt ein winkelabhängiges Drehmoment. Es gibt eine labile und eine stabile drehmomentfreie Stellung der Leiterschleife gemäß Bild 2.2. Wird die Leiterschleife in dem labilen Gleichgewichtszustand geringfügig ausgelenkt, kippt sie in den stabilen Gleichgewichtszustand um.
Das Prinzip des Gleichstrommotors beruht auf diesem Mechanismus. Um
eine andauernde Drehung des Motors zu erreichen, wird zusätzlich die Richtung des
74
2 Gleichstrommaschinen
Bild 2.1. Es zeigt, wie ein Magnetfeld auf eine drehbar
gelagerte, stromdurchflossene Leiterschleife ein Drehmoment ausübt.
Bild 2.2. Es zeigt, daß der stabile Gleichgewichtszustand durch Änderung der Stromflußrichtung labil wird. Wenn der Strom in der Leiterschleife immer gerade beim Erreichen der stabilen Lage seine
Richtung ändert, führt die Leiterschleife eine kontinuierliche Drehung
aus.
Stromflusses in der Leiterschleife umgekehrt, wenn diese sich in einem stabilen
Gleichgewichtszustand befindet. Dadurch wird der stabile Gleichgewichtszustand
labil, und aufgrund ihres Drehimpulses dreht sich die Leiterschleife weiter in den
nächsten stabilen Gleichgewichtszustand, Sobald dieser erreicht ist, wird er durch
erneute Umkehrung der Stromrichtung ebenfalls labil. So stellt sich eine andauernde Drehung der Leiterschleife ein. Durch die Drehung der Leiterschleife in einem
Magnetfeld wird in der Leiterschleife eine Spannung induziert. (Auch im Motorbetrieb, bei dem die Drehung durch einen Leiterschleifenstrom erzeugt wird!)
Die gleiche Anordnung kann auch als Generator betrieben werden. Auch eine
erzwungene Drehung der Leiterschleife bewirkt, daß in der Leiterschleife eine
Spannung induziert wird. Wir können uns leicht davon überzeugen, daß wegen der
75
Einrichtung, die im Motorbetrieb den Strom umkehrt, die induzierte Spannung stets
die gleiche Polarität aufweist.
Bild 2.3. Prinzipieller Aufbau einer Gleichstrommaschine. In dem äußeren magnetischen Kreis, dem Stator oder Ständer der Maschine, wird durch Stromfluß in
den oben und unten angeordneten Erregerspulen ein magnetisches Feld erregt.
Speziell geformte Polschuhe sorgen dafür, daß dieses Feld in dem Luftspalt zwischen den Polschuhen und dem Anker des Motors radial gerichtet ist. Der drehbare Anker ist ebenfalls Teil des magnetischen Kreises des Stators. Zur Erzielung einer hohen magnetischen Flußdichte besteht er ebenfalls aus einem Material mit hoher Permeabilität (z.B. Eisen). Auf den Anker, auch Läufer genannt, ist
die Ankerspule aufgebracht. Die Anschlüsse der Ankerspule werden über
Schleifkontakte und Bürsten abgegriffen. Die Schleifkontakte sind so aufgebaut,
daß sie die Ankerstromrichtung zu den geeigneten Zeitpunkten umpolen. Sie
werden deshalb als Kommutator bezeichnet. Da der Anker bei der Drehung des
Motors ständig ummagnetisiert wird, ist er zur Minimierung von Wirbelstromverlusten aus dünnen, voneinander isolierten Blechen aus weichmagnetischem Material aufgebaut.
Dieses Modell soll nun auf die Terminologie der Maschinentechnik übertragen
werden. Die drehbare, stromdurchflossene Leiterschleife wird Ankerspule oder Ankerwicklung genannt, der darin fließende Strom heißt Ankerstrom. Die Einrichtung,
die zu den geeigneten Momenten die Umkehrung des Ankerstromes bewirkt, ist
der Kommutator. Er besteht aus einzelnen Lamellen auf der Drehachse, an welche
periodische Anzapfungen der Ankerspule angeschlossen sind. Die elektrische
Verbindung der
76
2 Gleichstrommaschinen
Lamellen und damit der Ankerspule mit der Gleichstromquelle erfolgt über Schleifkontakte, die sogenannten (Kohle-) Bürsten. Das „homogene" Magnetfeld wird in
dem feststehenden Motorteil, dem Stator oder Ständer, erzeugt. Dieser ist wie ein
magnetischer Kreis aufgebaut: Ein entsprechend geformtes Joch aus weichmagnetischem Material bildet zwischen zwei gegenüberliegenden Polschuhen ein Magnetfeld aus. Es wird von einem Strom durch eine Spule erzeugt, die auf diesen
magnetischen Kreis aufgebracht wurde. Diese Spule heißt Erregerspule oder Erregerwicklung und der Spulenstrom entsprechend Erregerstrom.
In Bild 2.3 sehen wir eine realitätsbezogene Skizze. Durch geeignete Formgebung der Polschuhe wird erreicht, daß auf die Ankerspule ein weitgehend radial
gerichtetes Magnetfeld wirkt.
Das von dem skizzierten Motor erzeugte Drehmoment ist winkelabhängig. Die
Ankerstellungen mit M = 0 werden ausschließlich durch die Rotationsenergie des
Ankers und ggf. der Last überwunden. Um die Schwankungen des Drehmoments
zu reduzieren, wird in der Praxis eine Spule mit mehreren Anzapfungen auf den
Anker aufgebracht, wobei jeweils gegenüberliegende Anzapfungen an gegenüberliegende Lamellenpaare angeschlossen werden. Alternativ dazu finden auch mehrere, gegeneinander versetzte Ankerspulen Verwendung. Dadurch läßt sich erreichen, daß sich immer stromführende Leiter unter den Polschuhen befinden und der
Strom in der Ankerspule unter den Polschuhen immer dieselbe Richtung hat. Außerdem können die Eigenschaften des Motors durch die Hinzufügung weiterer Polschuhpaare verbessert werden.
Diese Gesichtspunkte des Aufbaus einer Gleichstrommaschine können im
Rahmen unserer Betrachtungen nicht weiter verfolgt werden. Für uns ist das
grundsätzliche Betriebsverhalten interessant.
Motorbetrieb
Wir betrachten einen einzelnen Leiter der Ankerspule mit der Länge t, der sich gemäß Bild 2.4 mit der Geschwindigkeit v durch
das als radial vorausgesetzte MagJG
netfeld mit der magnetischen Flußdichte B bewegt.
In
G
G dem Leiter fließt der Ankerstrom IA in Richtung des Stromdichtevektors j = j · e j . Auf den stromdurchflossenen Leiter in dem Magnetfeld wirkt die Kraft
Die Richtung
des Kraftvektors FL entspricht der Richtung des GeschwindigkeitsG
vektors v . Dadurch ist Motorbetrieb charakterisiert. Für Motorbetrieb gilt stets
(2.1 a)
77
2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise
Bild 2.4. Wir sehen einen Polschuh einer Gleichstrommaschine,
unter dem sich
G
ein Leiter der Ankerspule mit der Geschwindigkeit v nachG rechts bewegt. Das
Feld
JG unter dem Polschuh soll radial gerichtet sein, so daß v stets senkrecht auf
B steht. In dem Leiter der Ankerspule, der eine Länge A habe, fließt ein Ankerstrom IA. Die Orientierung des Ankerstromes
haben wir so gewählt, daß die DreG
hung des Motors in Richtung von vG erfolgt. IA fließt von hinten nach vorne. Die
Richtung des Stromdichtevektors j , gekennzeichnet durch den Einheitsvektor
G
e j , zeigt deshalb ebenfalls nach vorne. Auf den stromdurchffossenen Leiter wirkt
G
JG
die Kraft FL in der Richtung e j x B . Sie ist nach rechts gerichtet. Sie übt auf die
G
Ankerspule ein Drehmoment aus, das wie gewünscht in Richtung von v wirkt. Durch die Bewegung des Leiters in dem Magnetfeld
wirkt auf die Ladungsträger
G JG
die LORENTZ-Kraft
in der Richtung
v x B und damit in entgegengesetzter
G
Richtung zu e j und zum von außen angelegten Feld. - Hätten wir die Orientierung des Ankerstromes IA entgegengesetzt gewählt, so wäre auch die Richtung
von FL entgegengesetzt. Der rotierende Anker wäre abgebremst und in entgegengesetzter Richtung beschleunigt worden. Alle Ergebnisse hätten sich für die
umgekehrte Drehrichtung identisch ergeben.
Bei
G der Bewegung des Leiters der Ankerspule in dem Magnetfeld wirkt auf die mit
v bewegtem Ladungsträger die LORENTZ-Kraft
Dadurch wird in dem Leiter eine Spannung induziert. Diese ergibt sich aus dem
Induktionsgesetz zu
Die Richtung der LORENTZ-Kraft ist entgegengesetzt zur Richtung des Stromdichtevektors:
(2.1 b)
Wie man der Orientierung des Ankerstromes IA entnehmen kann, ist die induzierte
Spannung U12 genauso orientiert wie die angelegte Spannung, die den Strom IA
treibt, Bei Vernachlässigung des OHMschen Widerstandes des Leiters sind angelegte und induzierte Spannung gleich groß.
78
2 Gleichstrommaschinen
Die in einem Leiter umgesetzte elektrische Leistung berechnet sich zu
und für die von dem Leiter entwickelte mechanische Leistung gilt
(2.2)
(2.3)
Werden die Anteile der einzelnen Leiter der Ankerspule summiert, so ergibt sich für
die gesamte im Anker induzierte Spannung
(2.4)
Es folgt für die gesamte im Anker umgesetzte Leistung
(2.5)
Bild 2.5. Vereinfachtes Ersatzschaltbild eines Gleichstrommotors. Dargestellt ist das Schaltzeichen des Ankers unter Vernachlässigung des Ankerwiderstandes.
Im Anker wird die Spannung U0 induziert, die mit der
angelegten Spannung U gleich orientiert ist.
Damit kann für die Gleichstrommaschine im Motorbetrieb ein vereinfachtes Ersatzschaltbild gemäß Bild 2.5 angegeben werden. Das Schaltzeichen stellt den Anker
der Maschine dar für RA = 0 (RA: OHMscher Widerstand der Ankerwicklung).
79
2.1 Prinzipieller Aufbau und Wirkungsweise
Generatorbetrieb
Wird der Anker der Maschine gedreht, ohne daß ein Ankerstrom durch eine angelegte Spannung eingeprägt wird, so wird wieder eine Spannung
in dem Leiter des Ankers
G
JG induziert. Diese Spannung treibt dann einen Ankerstrom
IA in der Richtung v x B . Die Maschine arbeitet als Generator. Bild 2.6 zeigt die
Bewegung eines Leiters der Ankerspule unter dem Polschuh.
Bild 2.6. Wir sehen wiederum einenG Leiter der Ankerspule, der mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt wird. Im Gegensatz zu Bild 2.4 wird die Bewegung durch ein äußeres Drehmoment erzwungen.
Durch die Bewegung des
wirkt wiederum die
G Leiters
JG
LORENTZ-Kraft FM = q · v x B auf die Ladungsträger
und es wird eine Spannung zwischen den Punkten 1
und 2 induziert. Die induzierte Spannung treibt einen
Ankerstrom Gnach hinten, was wir mit einem nach hinten
weisenden e j kennzeichnen. Aufgrund des Stromflusses im Leiter wirkt auf den Leiter die Kraft FL entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung nach links. Bei der
erzwungenen Drehbewegung muß diese Kraft überwunden werden.
Im Generatorbetrieb ist die Kraft auf den Leiter
G
entgegengesetzt zum Geschwindigkeitsvektor v gerichtet. Lorentzkraft und Ankerstrom sind gleich orientiert und induzierte Spannung und Ankerstrom sind entgegengesetzt orientiert.
(2.6)
80
2 Gleichstrommaschinen
Der Maschine wird mechanische Leistung zugeführt. Sie gibt elektrische Leistung
ab. Für die an einem Leiter der Ankerwicklung umgesetzten Leistungen gilt
(2.7)
(2.8)
Analog zum Motorbetrieb kann man ein vereinfachtes Ersatzschaltbild gemäß Bild
2.7 angeben.
Bild 2.7. Vereinfachtes Ersatzschaltbild eines Gleichstromgenerators. Im Gegensatz zu Bild 2.5 bilden U0
und IA nun ein Erzeugerpfeilsystem.
Ein Motor wird gelegentlich als Generator betrieben, um die Last abzubremsen und gleichzeitig elektrische Leistung zurückzuspeisen (Energierückgewinnung). Die Stromrichtung in dem Motor wird dabei umgekehrt.
81
2.2 Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine
2.2 Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine
Unsere bisher benutzten Ersatzschaltbilder betrafen den Anker der Gleichstrommaschine unter Vernachlässigung des OHMschen Widerstandes der Ankerwicklung
RA. Weiterhin wurde die Erregerwicklung,
deren Strom das Magnetfeld mit der
JG
magnetischen Flußdichte B erregt, nicht berücksichtigt. Ein zusätzliches Element
der Gleichstrommaschine, das hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt wird,
ist die sogenannte Wendepolwicklung. Durch einen Strom in dieser Wicklung,
meist den Ankerstrom IA, wird die bei der Stromumkehrung im Anker kurzzeitig induzierte Spannung reduziert. Erreger- und Wendepolwicklung stellen Spulen mit
einer Selbst Induktivität dar, Da wir Gleichströme benutzen, wirken diese jedoch
nur mit ihrem OHMschen Innenwiderstand. Im Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine treten daher die in Bild 2.8 gezeigten Komponenten auf. Die Wendepolwicklung werden wir im weiteren vernachlässigen.
Bild 2.8. Ersatzschaltbild einer Gleichstrommaschine.
Bezeichnungen im Klemmenkasten der Gleichstrommaschine:
A-B
C-D
G-H
RA:
RE1:
RE2:
IA:
IE:
U0:
U:
Ankerwicklung
Erregerwicklung
Wendepolwicklung
OHMscher Widerstand der Ankerwicklung
OHMscher Widerstand der Erregerwicklung
OHMscher Widerstand der Wendepolwicklung
Ankerstrom
Erregerstrom
induzierte Ankerspannung
Klemmenspannung
82
2 Gleichstrommaschinen
2.3 Spannung und Drehzahl der Gleichstrommaschine
In der Ankerspule einer Gleichstrommaschine wird gemäß Gl. 2.4 eine Spannung
induziert. Mit den Bezeichnungen R =Radius der Ankerspule, ω = Winkelgeschwindigkeit und ƒ =Anzahl der Umdrehungen pro Sekunde läßt sich die Geschwindigkeit v ausdrücken als
(2.9)
oder in einer zugeschnittenen Größengleichung unter Benutzung der Anzahl der
Umdrehungen pro Minute n als
Die magnetische Flußdichte B unter den Polschuhen kann durch die Fläche der
Polschuhe A und den magnetischen Fluß durch die Polschuhe, den sogenannten
magnetischen Polfluß Φ, ausgedrückt werden. Unter der vereinfachten Annahme
einer konstanten magnetischen Flußdichte über den Polschuh gilt
und es folgt für die induzierte Spannung
(2.10)
oder in einer zugeschnittenen Größengleichung
Die damit eingeführte dimensionslose Größe
(2.11)
ist ausschließlich von dem geometrischen Aufbau der Maschine abhängig und
damit für eine bestimmte Maschine konstant, c wird deshalb Maschinenkonstante
genannt.
Wie man GL 2.10 entnehmen kann, ist U0 dem Produkt aus dem magnetischen Polfluß Φ und der Motordrehzahl proportional. Der magnetische
Polfluß Φ ist
83
2.4 Strom und Drehmoment der Gleichstrommaschine
Bild 2.9. Zwischen der im Anker induzierten Spannung
U0 und der Drehzahl n besteht ein linearer Zusammenhang, wenn der magnetische Polfluß Φ konstant ist. Bei
kleinem Erregerstrom, d.h. bei kleinem magnetischem
Polfluß, muß die Maschine schnell drehen, um U0 zu
induzieren. Folglich verläuft die Kennlinie umso steiler,
je kleiner der Erregerstrom wird.
ausschließlich vom Erregerstrom IE abhängig. Wird IE konstant gehalten, ist auch
Φ konstant, und zwischen U0 und der Drehzahl existiert ein linearer Zusammenhang.
Mit IE kann die Steigung der n-U0-Kennlinie eingestellt werden. In Bild 2.9 gilt:
Für ein konstantes Φ bzw. IE kann die Drehzahl des Gleichstrommotors über
die Klemmenspannung U = U0 + RA · IA gesteuert werden. Mit thyristorgesteuerten
Gleichspannungsquellen (Thyristoren werden wir in Kapitel 15 kennenlernen) läßt
sich die Klemmenspannung heute in weiten Bereichen ohne Leistungsverlust verändern, so daß die Drehzahlsteuerung über die Klemmenspannung bzw. U0 in der
Praxis weit verbreitet ist. Durch Umkehrung der Polarität von U und damit U0 wird
die Drehrichtung des Motors umgekehrt.
Bei einem kleinen magnetischen Polfluß muß die Drehzahl des Gleichstrommotors entsprechend hoch werden, damit U0 induziert wird. Der Gleichstrommotor
muß deshalb vor einem zu kleinen magnetischen Polfluß geschützt werden, damit
nicht unerlaubt hohe Drehzahlen auftreten können, die zur Zerstörung des Motors
führen.
2.4 Strom und Drehmoment der Gleichstrommaschine
In Kapitel 2.1 wurde die innere mechanische Leistung, die an den Leitern der Ankerspule entwickelt wird, berechnet. Diese Leistung erzeugt das innere Drehmoment Mi nach
(2.12)
84
2 Gleichstrommaschinen.
Gemäß Gl. 2.2, Gl. 2.4 und Gl. 2.5 gilt weiterhin
Wird noch unter Benutzung von Gl. 2.10 U0 = c · Φ · ω eingesetzt, so ergibt sich
das innere Drehmoment zu
(2.13)
Das innere Drehmoment ist proportional dem Produkt aus magnetischem Polfluß
und Ankerstrom. Für IA = 0 wird das Drehmoment und damit auch die abgegebene
Leistung Pi,mech = 0 (Leerlauf).
2.5 Wirkungsgrad η
Bisher wurden OHMsche Verluste in den Motorwicklungen und Reibungsverluste
des Motors vernachlässigt.
Werden mechanische Verluste des Motors berücksichtigt, so wird die tatsächlich an der Welle abgegebene Leistung Pmech kleiner sein als die unter idealisierten
Bedingungen ermittelte Größe Pi,mech. Werden OHMsche Verluste in den Wicklungen berücksichtigt, so muß dem Motor eine größere elektrische Leistung Pel zugeführt werden als die elektromagnetisch umgesetzte Leistung P0,el.
Der Zusammenhang zwischen der tatsächlich zugeführten elektrischen Leistung
und der verfügbaren mechanischen Leistung wird durch den Wirkungsgrad η gegeben:
(2.14)
Mit Einführung der mechanischen Verlustleistung Pv,mech und dem Verlustmoment Mv ergibt sich für die abgegebene Leistung
(2.15)
Die aufgenommene elektrische Leistung Pel ergibt sich mit den OHMschen Verlusten in der Ankerwicklung IA2 · RA und der Erregerwicklung IE2 · RE zu
(2.16)
Für den Wirkungsgrad ergibt sich damit
(2.17)
85
2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine
2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine
Die bisher aufgestellten Gleichungen wurden für die Modellmaschine nach Kapitel
2.1 abgeleitet. Dabei hat es nicht interessiert, wie beispielsweise ein Erregerstrom
zustandekommt. Jede Beziehung betrifft ausschließlich das physikalische Verhalten der Maschine und ist somit unabhängig von der elektrischen Beschattung der
Anker - und der Erregerwicklung.
In der Praxis muß die Modellmaschine zu einem funktionsgerechten, möglichst
einfachen System mit möglichst gutem Betriebsverhalten ausgestaltet werden. Ein
wesentliches Kriterium ist dabei, wie die wichtigsten Komponenten, Ankerwicklung
und Erregerwicklung, beschaltet werden. Im folgenden sollen verschiedene Möglichkeiten untersucht werden.
Die bisher abgeleiteten Gleichungen gelten für jeden beliebigen Betriebszustand des Motors. Es muß jedoch streng darauf geachtet werden, daß alle benutzten Größen oder benutzten Zahlenwerte auch tatsächlich diesen Betriebszustand
betreffen. Änderungen des Betriebszustandes stellen sich beispielsweise ein, wenn
die Betriebsspannung, die Drehzahl oder das Lastmoment des Motors verändert
werden.
Ein besonders hervorzuhebender Betriebszustand ist der Nennbetrieb. Die
Konstruktion des Motors ist für den Nennbetrieb ausgelegt. Die Nenndaten sind auf
dem Typenschild des Motors angegeben:
UN:
IN:
PN:
Klemmenspannung UAB im Nennbetrieb
Klemmenstrom im Nennbetrieb (entsprechend noch IAN, IEN)
Im Nennbetrieb an der Welle tatsächlich abgegebene
mechanische Leistung (daher PN < UN · IN)
MN: Im Nennbetrieb an der Welle verfügbares Drehmoment
nN: Drehzahl im Nennbetrieb
ΦN: magnetischer Polfluß im Nennbetrieb
Neben diesen Größen kann jede weitere Größe wie beispielsweise
oder
als Nenngröße angegeben werden.
Ein wichtiges Hilfsmittel bei der Berechnung eines bestimmten Betriebszustandes
ist der Bezug auf einen bekannten Betriebszustand wie beispielsweise den Nennbetrieb.
86
2 Gleichstrommaschinen
2.6.1 Nebenschlußerregung
Bei Maschinen mit Nebenschlußerregung sind Anker- und Erregerwicklung parallelgeschaltet. Die Erregerwicklung wird damit direkt am Netz betrieben. Sie ist deshalb zumeist hochohmig. Beim Einschalten des Motors ist U0 = 0. Daraus folgt ein
sehr großer Einschaltstrom, der nur durch die OHMschen Widerstände im Ankerkreis begrenzt wird. Da RA sehr klein ist, wird ein Vorwiderstand RVA im Ankerkreis
benutzt, der den Anlaßstrom auf eine zulässige Größe begrenzt. Beim Anlauf des
Motors baut sich U0 auf, und der Vorwiderstand kann kurzgeschlossen werden (RVA
= 0Ω). Heute sind anstelle von Anlaßwiderständen elektronische Strombegrenzungen üblich. Bild 2.10 zeigt das Ersatzschaltbild der NebenschlußGleichstrommaschine.
Bild 2.10. Ersatzschaltbild einer NebenschlußGleichstrommaschine. Ankerkreis und Erregerkreis sind
parallelgeschaltet. Der Klemmenstrom I berechnet sich
zu I = IA + IE. allgemeinen ist der Ankerstrom wesentlich größer als der Erregerstrom. RVA ist ein Schutzwiderstand, der den Ankerstrom IA beim Einschalten der
Maschine, wenn U0 = 0V ist, auf einen zulässigen Wert
begrenzt.
Außer bei Schwankungen der Netzspannung gilt
IE = konst.
Φ = konst.
Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen Drehzahl und Drehmoment untersucht werden.
87
2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine
Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie für nebenschlußerregte Motoren
Im Betrieb des Motors ist der Anlaßwiderstand kurzgeschlossen. Damit gilt für die
Klemmenspannung UAB:·
(2.18)
In Gl. 2.18 können Drehzahl und Drehmoment mit Gl. 2.10 und Gl. 2.13
eingebracht werden
Mechanische Verluste des Motors sollen vernachlässigt werden. Bei exakter Betrachtung müßte ein Verlustmoment Mv gemäß
berücksichtigt werden. Mit Mv = 0 und damit Mi = M folgt
(2.19)
Der grundsätzliche Zusammenhang von ω und M ist damit gewonnen. Für eine
graphische Darstellung ist jedoch eine normierte Schreibweise übersichtlicher. Für
diese Normierung stellen wir GL 2.13 in Nenngrößen auf
(2.20)
und setzen Gl. 2.20 in Gl. 2.19 ein:
(2.21)
IAN ⋅ UN
hat die Dimension einer Kreisfrequenz oder WinkelgeschwinMN
digkeit. Wir können ihn als Normierungswinkelgeschwindigkeit ωnorm bezeichnen.
(2.22)
(2.23)
Der Faktor
88
2 Gleichstrommaschinen
Bild 2.11. Drehzahl-Drehmoment-Diagramm der
Nebenschlußmaschine für Φ = ΦN = konst. .
In Bild 2.11 ist das Drehzahl-Drehmoment-Diagramm gemäß GL 2.23 für Φ = ΦN =
konst. und UAB = UN = konst. dargestellt. Man erkennt einen linearen Zusammenhang zwischen Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit.
Für M = MN, UAB = UN und Φ = ΦN gilt für den relativen Drehzahlabfall
Der in Bild 2.12 skizzierte Generatorbetrieb tritt auch bei Motoren auf, wenn
zum Abbremsen die Stromrichtung umgekehrt wird.
Man erkennt an Gl. 2.23, daß die Kennlinie von der Klemmenspannung UAB
abhängt. Die Abhängigkeit ist schwierig zu überblicken, da der magnetische
Polfluß Φ sich mit ändernder Betriebsspannung ebenfalls ändert. Setzt man näherungsweise Φ = konst. , so würden die Kennlinien mit sich änderndem UAB eine
Parallelverschiebung erfahren.
Die wesentlichen Eigenschaften des Nebenschlußmotors sind
- eine starke Abhängigkeit der Drehzahl von der Betriebsspannung (thyristorgesteuerte Netzgeräte erlauben eine einfache Drehzahlregelung),
- eine geringe Abhängigkeit der Drehzahl von dem Lastmoment.
89
2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine
2.6.2 Fremderregung
Bei Maschinen mit Fremderregung wird entweder gemäß Bild 2.12 eine eigene
Stromquelle an die Erregerspule angeschlossen, so daß für
gilt, oder der Polfluß wird mittels eines Permanentmagneten erregt und ist somit
ebenfalls konstant. Insbesondere bei kleineren Maschinen werden vorzugsweise
Permanentmagnete eingesetzt. RVA schützt die Maschine beim Anlauf wie bei der
Nebenschlußmaschine vor zu großen Strömen.
Bild 2.12. Ersatzschaltbild einer fremderregten Gleichstrommaschine. Die Erregerspule wird aus einer
Stromquelle mit konstantem Erregerstrom versorgt.
Daher ist der magnetische Polfluß ebenfalls konstant.
Bei Maschinen, die mittels Permanentmagneten erregt
werden, läßt man im Ersatzschaltbild den Erregerstromkreis weg.
Für die fremderregte Maschine soll die Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie ermittelt werden. Dazu gehen wir von Gl. 2.23 aus und setzen Φ = ΦN = konst. . Es
folgt
Man erkennt wie bei der Nebenschlußerregung den linearen Zusammenhang zwischen Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit. Ferner erkennt man, daß die
Kennlinie eine Parallelverschiebung bei sich ändernder Klemmenspannung UAB
erfährt. Bild 2.13 zeigt das Drehzahl-Drehmoment-Diagramm der fremderregten
Gleichstrommaschine.
90
2 Gleichstrommaschinen
Bild
2.13.
fremderregten
U
über AB
UN
Drehzahl-Drehmoment-Diagramm der
Gleichstrommaschine parametrisiert
Die wesentlichen Eigenschaften des fremderregten Motors sind die gleichen
wie beim Nebenschlußmotor:
- eine starke Abhängigkeit der Drehzahl von der Betriebsspannung,
- eine geringe Abhängigkeit der Drehzahl vom Lastmoment.
2.6.3 Reihenschlußerregung
Eine weitere Anschlußmöglichkeit stellt die Reihenschaltung von Erreger- und Ankerwicklung gemäß Bild 2.14 dar. Diese werden vom gleichen Strom / durchflössen. Motoren in dieser Betriebsart werden Reihenschluß- oder Hauptschlußmotoren genannt.
Die konstruktive Auslegung der Erregerwicklung eines Reihenschlußmotors,
dessen großer Ankerstrom durch die Erregerwicklung fließt und eines Nebenschlußmotors, bei dem die volle Betriebsspannung an der Erregerwicklung
liegt, ist so verschieden, daß ein Wechsel der Betriebsarten für einen Motor nicht
möglich ist.
91
2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine
Bild 2.14. Ersatzschaltbild der ReihenschlußGleichstrommaschine. Erregerkreis und Ankerkreis sind
in Reihe geschaltet. Für den Klemmenstrom gilt I = IA =
IE.
Strom und Drehmoment des Reihenschlußmotors
In Kapitel 2.4 wurde Gl. 2.13
abgeleitet. Für den magnetischen Polfluß Φ kann näherungsweise
gesetzt werden, wenn IE nicht zu große Werte annimmt. Wegen IA = IE = I folgt für
den Reihenschlußmotor mit der Reihenschlußmotorkonstanten
(2.24)
für das innere Drehmoment
(2.25 a)
Unter der Vernachlässigung von Reibungsverlusten ergibt sich
(2.25 b)
und für Nennbetrieb
(2.26)
Es folgt
(2.27)
92
2 Gleichstrommaschinen
Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie des Reihenschlußmotors
Wir gehen völlig analog zum Nebenschlußmotor von der Maschengleichung für
das Motorersatzschaltbild aus und erhalten mit GL 2.10, GL 2.24 und GL 2.27:
Dieser Ausdruck soll mit Gl. 2.22 wieder auf ωnorm normiert werden.
Mit Gl. 2.26 folgt in Analogie zum Nebenschlußmotor
(2.28)
Die Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie zeigt Bild 2.15.
Bild 2.15. Drehzahl-Drehmoment-Kennlίnίe und Klemmenstrom-Drehmoment-Kennlinie des Reihenschlußmotors.
93
2.6 Schaltungsmöglichkeiten der Gleichstrommaschine
Die wesentlichen Eigenschaften des Reihenschlußmotors sind
- ein großes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen (daher günstig zum Anfahren unter schwerer Last; typisches Beispiel: Kraftfahrzeuganlasser),
- ein steiler Anstieg der Drehzahl bei kleinem Lastmoment und konstanter Klemmenspannung aufgrund des mit der abnehmenden Stromaufnahme sinkenden
Polflusses (dadurch besteht die Gefahr einer Zerstörung des Motors durch
nicht zulässige hohe Drehzahlen, der Motor kann „durchgehen"),
- ein Anstieg des Stromes nur mit der Wurzel aus dem Lastmoment,
- die Möglichkeit eines Betriebes an Wechselspannung, da Anker- und Erregerwicklung stets vom gleichen Strom durchflossen werden. In diesem Fall muß
auch der Stator aus gegenseitig isolierten Blechen bestehen, um Wirbelstromverluste zu minimieren.
Typische Anwendungen sind Kraftfahrzeuganlasser, Bahnmotoren und Motoren für
Haushaltsmaschinen.
2.6.4 Doppelschlußmotor
Der Doppelschlußmotor gemäß Bild 2.16 stellt einen Kompromiß aus Reihenschlußmotor und Nebenschlußmotor dar. Er weist zwei Erregerwicklungen auf,
von denen eine vom Ankerstrom durchflössen wird und die zweite direkt an der
Klemmenspannung liegt. Dadurch wird ein Durchgehen des Motors auch im Leerlauf (IA → 0 bzw. M → 0) verhindert. Die Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie entspricht der nach links verschobenen Kennlinie des Reihenschlußmotors.
Bild 2.16. Ersatzschaltbild eines Doppelschlussmotors.
94
3.1 Einleitung
3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen
Schaltungen
3.1 Einleitung
Es sollte bekannt sein, daß Kondensatoren bzw. Induktivitäten elektrische bzw.
magnetische Energie speichern können. Werden Schaltungen, die derartige
Energiespeicher enthalten, an eine Gleichspannungsquelle angeschlossen, so
wird für eine gewisse Zeit Leistung aus der Quelle benutzt, um die vorhandenen Energiespeicher zu füllen. Danach, im stationären Zustand, nehmen die
Speicher keine Energie mehr auf. Daraus folgt, daß die Strom- und Spannungsverteilung in der Schaltung während des Füllens der Speicher vom stationären Endzustand abweicht. Auch beim Abschalten der Quellen können kurzfristig Ströme und Spannungen in der Schaltung auftreten, wenn sich die Energiespeicher wieder entleeren. Wir beobachten also selbst bei der Benutzung von Gleichspannungs- oder Gleichstromquellen eine zeitliche Änderung
der einzelnen Ströme und Spannungen. Diese zeitlichen Änderungen sollen im
folgenden untersucht werden.
Dabei beschränken wir uns auf einen einzigen zeitlich nicht veränderlichen Energiespeicher in der zu untersuchenden Schaltung. In diesem speziellen Fall werden die Vorgänge beim Füllen und Entleeren der Speicher durch
lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten beschrieben. Die homogene Differentialgleichung in x
(3.1)
ist im allgemeinen noch um einen Term ƒ (t) erweitert:
(3.2)
Die Größe x kann ein Strom oder eine Spannung aus der Schaltung sein. Die
Differentialgleichung wird zunächst in einer für den betrachteten Fall stetigen
Größe aufgestellt. Bei Kondensatoren ist die Spannung am Kondensator stetig
du
i
di
u
( C = C ), bei Induktivitäten der Strom in der Induktivität ( L = L ). Die Grödt
L
dt C
ße τ wird als Zeitkonstante bezeichnet. Wie wir noch sehen werden, ist τ ein
Maß für die Dauer eines Ausgleichs Vorgangs.
Die Lösung der erweiterten Differentialgleichung setzt sich zusammen aus
einer allgemeinen Lösung xh der homogenen Differentialgleichung (ƒ (t) = 0)
und einer speziellen (partikulären) Lösung xp der erweiterten Differentialgleichung.
(3.3)
Die Lösung der homogenen Differentialgleichung besitzt die Form
(3.4)
95
3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen
Die partikuläre Lösung
(3.5)
kann dann für t → ∞ ,also den stationären Endzustand, leicht ermittelt werden
(exp(- ∞ ) = 0). Die Lösung der erweiterten Differentialgleichung ergibt sich somit in
allgemeiner Form zu
(3.6)
Die Integrationskonstante A folgt aus den Anfangsbedingungen:
(3.7)
Die Ausgleichsvorgänge lassen sich somit in folgenden Schritten berechnen:
- Aufstellung der erweiterten Differentialgleichung in der stetigen Größe und
Ermittlung der Zeit konstanten τ .
- Einsetzen der Zeit konstanten τ in den allgemeinen Lösungsansatz.
- Berechnung der partikulären Lösung aus dem stationären Zustand.
- Bestimmung der Integrationskonstanten A aus den Anfangsbedingungen.
Im folgenden wollen wir Ausgleichsvorgänge an Kondensatoren und Induktivitäten
berechnen.
3.2 Laden und Entladen eines Kondensators
In der Schaltung nach Bild 3.1 wird der Schalter zum Zeitpunkt t = 0 von a nach b
umgelegt (LADEN) oder von b nach a (ENTLADEN).
1. Schritt: Aufstellen der Differentialgleichung in uC mit Hilfe der Maschengleichung
Der Strom i muß durch uC ausgedrückt werden. Um den Zusammenhang von
Strom und Spannung an einem Kondensator herzuleiten, gehen wir von GL 2.19
aus. Eine Differentiation nach der Zeit liefert für C = konst.
96
3.2 Laden und Entladen eines Kondensators
Bild 3.1. Wir wollen den zeitlichen Verlauf der Spannung an einem Kondensator berechnen, wenn dieser
aufgeladen oder entladen wird. Dazu können wir den
Kondensator C über einen OHMschen Widerstand R
entweder an eine ideale Gleichspannungsquelle mit der
eingeprägten Spannung U0 anschließen oder den Kondensator über R kurzschließen. Beide Schalt Vorgänge
lassen sich durch Umlegen des Schalters einleiten:
Wird der Schalter von a nach b umgelegt, so wird der
entladene Kondensator über R an U0 angelegt und aufgeladen. Wird der Schalter von b nach a umgelegt, so
wird der auf U0 geladene Kondensator über R kurzgeschlossen und somit entladen.
Die Ladungsänderung
dq
ist gemäß Gl. 1.2 gleich dem Strom:
dt
(1.8)
Für die Maschengleichung folgt
(3.9)
Die homogene Differentialgleichung lautet in verallgemeinerter
Form
(3.10)
Daraus folgt für die Zeitkonstante
(3.11)
2. Schritt: Einsetzen von τ in den Lösungsansatz der homogenen Differentialgleichung:
.
(3.12)
97
3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen
3. Schritt: Berechnung der partikulären Lösung aus dem eingeschwungenen Zustand:
Damit folgt für die Lösung der erweiterten Differentialgleichung uC = uCh + uCp:
4. Schritt: Berechnung der Integrationskonstanten A aus der Anfangsbedingung:
Damit lautet die Lösung der erweiterten Differentialgleichung:
Der zeitliche Verlauf der Spannung uR über dem OHMschen Widerstand R kann aus
der Maschengleichung
uE = uC + uR
oder aus dem OHMschen Gesetz berechnet werden:
98
3.2 Laden und Entladen eines Kondensators
3.18 a
3.18 b
Der zeitliche Verlauf von uC(t) und uR(t) ist in Bild 3.2 dargestellt.
Bild 3.2. Zeitlicher Verlauf der Spannungen an Kondensator und Widerstand, wenn zum Zeitpunkt
t=0
der Schalter aus Bild 3.1 umgelegt wird. Links ist der
Ladevorgang (a → b), rechts der Entladevorgang (b
→ a) dargestellt.
Die Zeitkonstante τ gibt diejenige Zeit an, zu welcher die Exponentialfunktion auf
1
ca. 37% ( ) ihres Ausgangswertes abgefallen ist. Die Tangente an die Kurven für
e
t = 0 hat die Steigung
.
(3.19)
99
3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen
Der zeitliche Verlauf der Spannungen aus Bild 3.2 ist einfach interpretierbar. Bei
einem Kondensator kann die anliegende Spannung uC nicht sprunghaft geändert
q
werden. Wegen uC =
und q = ∫ i · dt wäre für eine sprunghafte SpannungsänC
derung ein unendlich großer Ladestrom erforderlich. Der in der Schaltung fließende
Ladestrom wird jedoch durch den OHMschen Widerstand begrenzt. Die Spannung
über dem OHMschen Widerstand ist proportional dem Ladestrom des Kondensators. Mit fortschreitender Ladung bzw. Entladung des Kondensators sinkt diese
Spannung und der Ausgleichsstrom nimmt ab. Der stationäre Zustand wird schließlich asymptotisch erreicht. Die Zeitkonstante τ , die sich bei der Berechnung zu R ·
C ergab, drückt aus, wie schnell sich der stationäre Zustand einstellt. Ist der OHMsche Widerstand groß, so wird der stationäre Endzustand langsam erreicht, da der
Lade- bzw. Entladestrom klein wird. Bei einer großen Kapazität des Kondensators
stellt sich der stationäre Endzustand ebenfalls sehr langsam ein, da viel Ladung im
Kondensator gespeichert werden muß, um eine entsprechende Spannung aufzubauen.
3.3 Einschalt- und Abklingvorgang an einer Induktivität
In der Schaltung nach Bild 3.3 wird der Schalter zum Zeitpunkt t = 0 von a nach b
umgelegt (INDUKTIVITÄT ANSCHLIESSEN) oder von b nach a (INDUKTIVITÄT
KURZSCHLIESSEN).
Bild 3.3. Wir ersetzen in der Schaltung nach Bild 3.1
den Kondensator C durch eine Induktivität L, um den
Schaltvorgang an einer Induktivität zu untersuchen.
1. Schritts Aufstellen der Differentialgleichung in i mit Hilfe der Maschengleichung:
100
3.3 Einschalt- und Abklingvorgang an einer Induktivität
(3.20)
Die homogene Differentialgleichung lautet in verallgemeinerter Form
(3.21)
Daraus folgt für die Zeitkonstante
(3.22)
2. Schritt: Aufstellen des Lösungsansatzes der homogenen Differentialgleichung:
(3.23)
3. Schritt: Berechnung der partikulären Lösung aus dem eingeschwungenen Zustand:
3.24 a
3.24 b
Damit folgt für die Lösung der erweiterten Differentialgleichung i = ih + ip:
3.25 a
3.25 b
4. Schritt: Berechnung der Integrationskonstanten A aus der Anfangsbedingung:
3.26 a
3.26 b
Damit lautet die Lösung der erweiterten Differentialgleichung
101
3 Ausgleichsvorgänge an einfachen linearen Schaltungen
3.27 a
3.27 b
Der zeitliche Verlauf der Spannung uR über dem OHMschen Widerstand R kann aus
dem OHMschen Gesetz uR = R · i berechnet werden:
3.28 a
3.28 b
Der zeitliche Verlauf der Spannung uL über der Induktivität L kann aus der Beziedi
hung uL = L ·
berechnet werden:
dt
3.29 a
3.29 b
Selbstverständlich hätte eine der beiden Spannungen auch aus der Maschengleichung ue = uR + uL berechnet werden können. Der zeitliche Verlauf der berechneten Spannungen ist in Bild 3.4 dargestellt.
Bild 3.4. Zeitlicher Verlauf der Spannungen an Widerstand und Induktivität beim Umlegen des Schalters aus
Bild 3.3 von a → b (links) und b → a (rechts). Man
beachte die Analogie zu Bild 3.2!
102
3.3 Einschalt- und Abklingvorgang an einer Induktivität
Die Einschalt- und Abklingvorgänge an Kondensator und Induktivität verhalten sich völlig analog. Die Bemerkungen zu dem Lade- und Entladevorgang
des Kondensators können daher auch auf die Induktivität übertragen werden.
Es ist zu beachten, daß der Strom in einer Induktivität keine sprunghaften Änderungen erfahren kann, da dies mit einer unendlich hohen Spannung an der
Induktivität verknüpft wäre.
Der in Bild 3.3 gezeichnete Prinzipschalter würde beim Umlegen des
Schalters von b nach a den Strom in der Induktivität kurzzeitig unterbrechen,
so daß in der Induktivität eine unendlich hohe Spannung induziert würde. Dadurch käme es in dem Schalter zur Zündung eines Funkens, über den der
Strom während des Schaltens weiter fließen würde. Die Folge könnte ein
Kurzschließen der Quelle sein.
Es ist zu beachten, daß in einer Schaltung, die Kondensatoren und Induktivitäten enthält, auch dann noch Ströme und Spannungen auftreten können,
nachdem die Schaltung von der Quelle abgetrennt worden ist.
103
4.1 Grundlagen und Begriffsbestimmung
4 Wechselstromlehre
4.1 Grundlagen und Begriffsbestimmung
In Kapitel 3 behandelten wir zeitabhängige Ströme und Spannungen, die bei
einmaligen Schaltvorgängen auftraten. In Kapitel 4 wollen wir uns mit periodischen, sinusförmigen Spannungen und Strömen befassen.
Grundsätzlich sind zeitlich periodisch veränderliche Größen dadurch gekennzeichnet, daß jeder Momentanwert genau nach einer Periodendauer T
wieder auftritt:
104
(4.1)
Der zeitliche Verlauf der periodisch veränderlichen Größen ist dabei beliebig. Eine
Einschränkung dieser Größen auf reine Wechselgrößen ist mit der Definition des
Mittelwertes u bzw. i einer zeitlich periodisch veränderlichen Größe möglich:
(4.2)
Wechselgrößen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie periodisch sind und ihr Mittelwert Null ist:
(4.3)
Jede beliebige zeitlich periodisch veränderliche Größe kann als Überlagerung einer
Wechselgröße und einer Gleichgröße aufgefaßt werden. Ein Beispiel dafür ist in
Bild 4.1 dargestellt.
Bild 4.1. Die abgebildete zeitabhängige Größe ist periodisch. Sie ist aber keine reine Wechselgröße, da ihr
Mittelwert nicht Null ist. Sie kann beispielsweise eine
zeitabhängige Spannung oder einen zeitabhängigen
Strom darstellen.
105
4 Wechselstromlehre
Eine sehr wichtige Größe zur Kennzeichnung von Wechselgrößen ist die Wurzel
aus dem quadratischen Mittelwert, die als Effektivwert bezeichnet wird:
(4.4)
Effektivwerte werden durch Großbuchstaben gekennzeichnet. Aus ihrer Definition
folgt, daß Effektivwerte stets positiv sind.
Eine Einschränkung der Wechselgrößen auf sinusförmige Wechselgrößen führt
Uns auf diejenigen Zeitverläufe, die wir im weiteren betrachten wollen. Sinusförmige Wechselspannungen oder sinusförmige Wechselströme werden von den Generatoren bei der rotatorischen Spannungserzeugung geliefert. Diesen Zusammenhang haben wir bereits grundsätzlich in Kapitel 2 berechnet. In Bild 2.2 wurde die in
einer rotierenden Leiterschleife induzierte Spannung konstruiert.
Bild 4.2. In dem nach
oben gerichteten homogenen Magnetfeld der magnetiJG
schen Flußdichte B rotiert eine Leiterschleife, deren Anschlüsse über Schleifringe abgegriffen werden und über einen OHMschen Widerstand verbunden
sind. Aufgrund der Änderung des die Leiterschleife durchsetzenden magnetischen Flusses wird in der Leiterschleife eine Spannung induziert, die wegen
der Verbindung der Anschlüsse mit dem OHMschen Widerstand einen Strom
treibt, der in Phase zur induzierten Spannung ist. Strom und Spannung in der
Leiterschleife wurden rechts konstruiert. Bei waagerecht liegender LeiterschleidΦ
fe ist die Änderung des magnetischen Flusses gerade Null. Wegen u = N ·
dt
hat die induzierte Spannung gerade eine Nullstelle. Durchläuft die Spule die
senkrechte Position, so kehrt der magnetische Fluß in der Leiterschleife seine
Richtung um. Hier liegt die größtmögliche Änderung des magnetischen Flusses vor, was sich durch ein Maximum (oder Minimum) der induzierten Spannung äußert. Die Änderung des Flusses durch die Leiterschleife erfolgt sinusförmig. Deshalb ist auch die induzierte Spannung sinusförmig.
106
4.1 Grundlagen und Begriffsbestimmung
Wir können die Zeitabhängigkeit von Strom und Spannung schreiben als
(4.5)
wobei û bzw. î als Scheitelwerte oder Amplituden bezeichnet werden und
(4.6)
die Kreisfrequenz darstellt. Für die Einheit der Periodendauer gilt
Aus der Kreisfrequenz folgt mit
(4.7)
die Frequenz ƒ. Wir haben diese Größen bereits in Kapitel 5.2 kennengelernt. In
unserem Stromversorgungsnetz ist ƒ = 50Hz und damit T = 20ms und ω = 314 s-1.
Beispiele für die Größenordnung der Frequenz:
Europäisches Stromversorgungsnetz:
Amerikanisches Stromversorgungsnetz:
Netz der Bundesbahn:
In der Elektrotechnik benutzter Frequenzbereich:
quenzbereich der sichtbaren Lichtstrahlung:
50 Hz
60 Hz
16,667 (= 50/3) Hz
0 ... 40 GHz Fre400 ... 800THz
Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen der Amplitude und dem Effektivwert für sinusförmige Wechselgrößen berechnet werden:
Für das Integral über eine volle Periode gilt
und es folgt
(4.8)
(4.9)
107
4 Wechselstromlehre
Die Amplitude einer sinusförmigen Wechselgröße ist um den Faktor 2 größer als
ihr Effektivwert. Dieser Zusammenhang gilt nur für sinusförmige Wechselgrößen.
Der Effektivwert der Spannung unseres Wechselspannungsnetzes beträgt
U = 230V (entsprechend û = 325V).
Für die Leiterspannung unseres Dreiphasennetzes (Drehstromnetzes) gilt
U = 400V (entsprechend û = 565V).
Mehrphasensysteme wie das Drehstromsystem werden wir in Kapitel 10 kennenlernen.
Bild 4.3. An zwei Zweipolen werden die dargestellten Verläufe von Strom und
Spannung gemessen. Die Phasenwinkel von Strom und Spannung sind bezogen auf t = 0 eingetragen. Oben sind beide Phasenwinkel positiv
(in +(ω
· t)-Richtung zeigend), wobei φu größer ist als φi. Der Phasenwinkel φui = φu –
φi zwischen Strom und Spannung ist deshalb positiv. Unten sind φu und φi negativ, wobei φi betragsmäßig größer als φu ist. Deshalb ist auch hier φui = φu φi positiv. In beiden Fällen eilt der Strom der Spannung nach. Man erkennt,
daß im oberen und unteren Teil der Zeichnung φui gleich groß ist. Da auch die
Amplituden von Strom und Spannung in beiden Fällen gleich sind, müssen
beide Zweipole identisch sein. Die unterschiedlichen Darstellungen treten auf,
da der Zeitpunkt t = 0 verschieden gewählt wurde. Wir werden später noch sehen, daß der Zweipol beispielsweise eine Serienschaltung einer Induktivität
und eines OHMschen Widerstandes sein könnte.
108
4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung
Zur allgemeinen Darstellung sinusförmiger Wechselgrößen sind Phasenwinkel
φ erforderlich:
(4.10)
Diesen Phasenwinkeln, insbesondere der Differenz der Phasenwinkel und damit
der Phasenverschiebung φui von Strom und Spannung, wird im weiteren noch eine
besondere Bedeutung zukommen. Phasenverschiebungen zwischen Strom und
Spannung treten in Wechselstromkreisen sehr häufig auf. Unter Berücksichtigung
der Definitionen
(4.11)
sind zwei Beispiele für eine Phasenverschiebung von Strom und Spannung in Bild
4.3 angegeben.
4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung
Wir wollen den Zusammenhang zwischen Strom und Spannung berechnen, wenn
die einzelnen Schaltelemente an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen
werden. Wir können auch für Wechselgrößen die in Kapitel 3 eingeführten idealen
Spannungs- bzw. Stromquellen benutzen, die jetzt belastungsunabhängig eine
eingeprägte Spannung u(t) bzw. einen eingeprägten Strom i(t) liefern. Wir verwenden die gleichen Schaltzeichen wie in Kapitel 1. Zur Vereinfachung kennzeichnen
wir später eine angelegte Wechselgröße häufig nur durch einen Zählpfeil.
OHMscher Widerstand
Bild 4.4. An einen OHMschen Widerstand R wird eine
Wechselspannung u(t) angelegt.
109
4 Wechselstromlehre
An einen OHMschen Widerstand R wird gemäß Bild 4.4 die Spannung
angelegt. In jedem Augenblick gilt das OHMsche Gesetz:
(4.12)
Gl. 4.12 enthält zwei Informationen:
- eine Betragsgleichung
(4.13)
- eine Phasenbeziehung
(4.14)
Bild 4.5. Zeitliche Darstellung von Strom und
Spannung an einem OHMschen Widerstand.
Strom und Spannung sind gleichphasig, d.h.
die Nulldurchgänge bzw. Extremwerte beider
Kurven liegen zu gleichen Zeitpunkten vor.
Damit können wir den zeitlichen Verlauf von Strom und
an einem OHMschen Widerstand wie in Bild 4.5 darstellen.
Spannung
Das OHMsche Gesetz gilt gemäß Gl. 4.13 auch für Effektivwerte. Gemäß Gl. 4.14 sind bei einem OHMschen Widerstand Strom und Spannung
„in Phase" (d.h. φui = 0°).
110
4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung
Bild 4.6. An eine Induktivität L wird eine Wechselspannung u(t) angelegt.
Induktivität
An eine Induktivität mit der Selbstinduktivität L wird gemäß Bild 4.6 die Spannung
angelegt. In jedem Augenblick gilt gemäß Gl. 5.17
Für i(t) machen wir gemäß Gl. 4.10 den Ansatz
und erhalten
(4.15)
Bild 4.7. Der Blind widerstand XL einer Induktivität
steigt linear mit der Kreisfrequenz ω an.
111
4 Wechselstromlehre
Gl. 4.15 enthält zwei Informationen, eine Betragsgleichung und eine Phasenbeziehung:
- Die Betragsgleichung lautet
(4.16)
Die Abkürzung XL wird Blindwiderstand der Induktivität oder induktiver Blindwiderstand genannt. Diese Bezeichnung werden wir verstehen, sobald wir den
Leistungsumsatz in einer Induktivität untersucht haben. Im Moment ist es für
uns nur wichtig, zu sehen, daß der Blindwiderstand einer Induktivität proportional der Kreisfrequenz ω ist, wie Bild 4.7 zeigt.
(Wir werden später spezifizieren: XL = ω · L.)
- Die Phasenbeziehung lautet cos (ω · t + φi) — sin (ω · t + φu). Diese Gleichung
können wir umformen zu
Es folgt
.
(4.17)
An einer Induktivität sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben.
Für φu = 0 gilt φi = -
π
2
, und es ergibt sich:
Damit können wir den zeitlichen Verlauf von Strom und Spannung an
einer Induktivität wie in Bild 4.8 darstellen.
Bild 4.8. Zeitliche Darstellung von Strom und Spannung an einer Induktivität. Zwischen Strom und Spannung liegt eine Phasenverschiebung φui = φu – φi =
+90° vor. Der Strom eilt der Spannung um 90° nach.
112
4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung
An einer Induktivität eilt der Strom der Spannung um
π
(90°) nach. Eine In2
duktivität wirkt durch die in ihr induzierte Spannung einer Stromänderung entgegen. Der Strom in einer Induktivität folgt daher dem Verlauf der angelegten Spannung mit einer zeitlichen Verzögerung.
Kondensator
Bild 4.9. An einen (idealen) Kondensator mit der Kapazität C wird eine Wechselspannung u(t) angelegt.
An einen Kondensator mit der Kapazität C wird gemäß Bild 4.9 die Spannung
angelegt. In jedem Augenblick gilt für die auf dem Kondensator gespeicherte Ladung q gemäß Gl. 2.19
Der Strom i(t) ist die zeitliche Änderung dieser Ladung:
(4.18)
Gl. 4.18 enthält zwei Informationen, eine Betragsgleichung und eine Phasenbeziehung:
- Die Betragsgleichung lautet
(4.19)
Die Abkürzung XC wird Blindwiderstand des Kondensators oder kapazitiver
Blindwiderstand genannt. Wir werden später noch sehen, daß es vorteilhaft
ist, XC als negative Größe
(4.20)
113
4 Wechselstromlehre
zu betrachten. Der Betrag des Blindwiderstandes eines Kondensators ist reziprok proportional der Kapazität C und der Kreisfrequenz ω wie Bild 4.10
zeigt.
Bild 4.10. Der Betrag des Blindwiderstandes eines
Kondensators fällt mit wachsendem ω. In Gleichspannungskreisen (ω = 0) wirkt ein Kondensator wie eine
Unterbrechung.
Die Phasenbeziehung lautet sin (ω · t + φu +
π
2
) = sin (ω · 1 + φi).
(4.21)
An einem Kondensator sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben. Für φu = 0 gilt φi = +
π
2
, und es folgt:
Damit können wir den zeitlichen Verlauf von Strom und Spannung an einem Kondensator wie in Bild 4.11 darstellen.
Bei einem Kondensator eilt der Strom der Spannung um
π
(90°) vor. Kondensato2
ren benötigen zum Aufbau einer Spannung Ladungen. Diese müssen in Form eines Stromflusses zugeführt werden, damit sich als Folge eine Spannung aufbauen
kann.
114
4.2 Widerstand, Induktivität und Kondensator an Wechselspannung
Bild 4.11. Auch hier beträgt die Phasenverschiebung
von Strom und Spannung 90°, allerdings läuft hier die
Spannung dem Strom nach.
Induktivität und Kondensator weisen also eine Phasenverschiebung von Strom
und Spannung von
π
auf. Bei einer Induktivität eilt der Strom nach, bei einem
2
Kondensator eilt der Strom vor. Um sich diesen Sachverhalt einfacher merken zu
können, wurde eine große Zahl dummer Merksprüche geprägt. Einer davon lautet:
„Im Normalfall läuft er ihr nach, nur bei Kapazitäten läuft sie ihm nach."
Dazu muß man wissen, daß Wechselstromnetze im Normalfall eine induktive Belastung haben und berücksichtigen, daß Strom bzw. Spannung maskulines bzw.
feminines Genus aufweisen.
Die Phasenwinkel φui = -90°, φui = 0° und φui = +90° treten an reinen (idealen)
Kondensatoren, OHMschen Widerständen und Induktivitäten auf. Werden Kondensatoren, OHMsche Widerstände und Induktivitäten zusammengeschaltet, so kann
der Phasenwinkel beliebige Werte zwischen φui = -90° und φui = +90° annehmen:
φui = -90° : rein kapazitives Verhalten
-90° < φui < 0° : OHMsch – kapazitives Verhalten
einfachste Realisierung durch Serien- oder Parallelschaltung von Kondensator und OHMschem Widerstand
φui = 0° : rein OHMsches Verhalten
0° < φui < +90° : OHMsch - induktives Verhalten
einfachste Realisierung durch Serien- oder Parallelschaltung von Induktivität und OHMschem Widerstand
φui = +90° : rein induktives Verhalten
115
4 Wechselstromlehre
4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren
Wir haben bisher Wechselgrößen in Zeitdiagrammen dargestellt. Diesen konnten
wir beispielsweise Phasenverschiebungen von Strom und Spannung sowie Amplituden der einzelnen Größen entnehmen. Die Darstellung in Zeitdiagrammen ist jedoch recht mühsam. Außerdem ist eine mathematische Behandlung der zeitabhängigen Größen, beispielsweise beim Aufstellen von Maschengleichungen, in der
bisher benutzten Form sehr umständlich. Aus diesen Gründen soll im folgenden
eine effizientere Darstellungsform für Wechselgrößen hergeleitet werden.
4.3.1 Sinusförmige Wechselgrößen als rotierende Zeiger
Bild 4.12. Rechts sehen wir die zeitliche Darstellung von Strom und Spannung an einem Zweipol. (Zweipole wurden in Kapitel 1.9.1 definiert.) Wir wollen diejenigen Zeiger konstruieren, die Strom und Spannung für den Zeitpunkt t1 darstellen. Dazu zeichnen wir in das linke Achsenkreuz zunächst
zwei (Viertel-)kreise mit den Durchmessern der Amplituden von Strom bzw.
Spannung. Dann fällen wir das Lot von u(t1) und i(t1) auf die y-Achse. Der
Schnittpunkt jedes Lotes mit dem zugehörigen Kreis ist der Endpunkt des
gesuchten Zeigers. Der Zeigeranfang liegt im Ursprung des Achsenkreuzes.
Wir haben für die Konstruktion nur den Viertelkreis im ersten Quadranten des
Achsenkreuzes benötigt, da der Spannungszeiger für ω · t = 0 in x-Richtung
T
zeigen soll und außerdem der Zeitpunkt t1 für u(t) und i(t) bei 0 < t1 <
vor
4
T
T
dem Maximum der Kurven liegt. Für
< t1 <
lägen die Zeiger im zweiten
4
2
Quadranten der xy-Ebene usw. . Der ermittelte Phasenwinkel φui = φu – φi
liegt zwischen den Zeigern. Er ist in diesem Beispiel negativ, da φi > φu > 0
ist. Negative Winkel sind entgegengesetzt zur Rotationsrichtung gerichtet. —
Aus einem Zeiger läßt sich der zugehörige Momentanwert u(t1) bzw. i(t1)
durch eine Projektion des Zeigers auf die y-Achse gewinnen.
Eine geeignete Darstellung einer sinusförmigen Wechselgröße bestellt
aus einem Zeiger, der mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω im Gegenuhrzeigersinn um den
116
4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren
Nullpunkt einer xy-Ebene rotiert. Die Länge des Zeigers kennzeichnet die Amplitude der Wechselgröße. Der Momentanwert der Wechselgröße kann aus der Projektion des Zeigers auf die y-Achse ermittelt werden.
Für einen beliebigen Zeitpunkt t1 können die zu Wechselgrößen gehörigen
Zeiger aus einem Zeitdiagramm konstruiert werden. Wir ermitteln dazu gemäß Bild
4.12 jeweils den Schnittpunkt des Lotes vom Momentanwert auf die y-Achse mit
demjenigen Kreis um den Nullpunkt, der die Amplitude repräsentiert. Der Schnittpunkt mit dem Kreis ist der Endpunkt des gesuchten Zeigers. Der Anfangspunkt
liegt vereinbarungsgemäß im Nullpunkt der xy-Ebene. Die Projektionen der rotierenden Zeiger aus dem vorstehenden Beispiel auf die y-Achse liefern die zeitabhängigen Größen
Unter Beachtung von Gl. 4.11
kann aus dem Diagramm der Zeiger ebenfalls der Phasenwinkel φui entnommen
werden.
4.3.2 Addition von Zeigern
Beim Aufstellen von Knotenpunkts- oder Maschengleichungen ist es erforderlich,
Ströme oder Spannungen zu addieren. Bei zeitabhängigen Größen müßten dabei
die Additionstheoreme benutzt werden, was bekanntermaßen recht umständlich
ist. Hier zeigt sich der Vorteil der Zeigerdarstellung. In Bild 4.13 sind
gegeben. Gesucht ist u3(t) = u1(t) + u2(t).
Bild 4.13.
Aus der Maschengleichung ergibt
sich die Spannung u3(t) als Summe der Spannungen
u1(t) und u2(t).
117
4 Wechselstromlehre
Bild 4.14. und u2(t) durch punktweise Addition berechnet und gezeichnet. Links werden die zu den drei
Spannungen gehörenden Zeiger für den Zeitpunkt t1
gemäß Kapitel 4.3.1 konstruiert. Man erkennt, daß sich
der Zeiger für u3 aus der Addition der Zeiger für u1 und
u2 ergibt, wenn die Zeiger als gerichtete Größen, wie
z.B. Vektoren, aufgefaßt werden. Umgekehrt ist es
möglich, aus dem berechneten und gezeichneten Zeiger die zeitabhängige Größe zu konstruieren.
Die Zeitverläufe der Spannungen u1(t).. .u3(t) sowie die Zeiger u1(t)... u3(t) sind
in Bild 4.14 skizziert.
Man erkennt, daß sich der Zeiger u3(t) der Spannung u3(t) aus der Addition der
Zeiger der Spannungen u1(t) und u2(t) ergibt, wenn die Zeiger als gerichtete Größen (z.B. Vektoren) aufgefaßt werden. Voraussetzung ist dabei, daß alle Wechselgrößen die gleiche Frequenz aufweisen und sinusförmig sind. Wenn wir die Zeigerdarstellung durch eine Unterstreichung der betreffenden Größe kennzeichnen, so können wir die Addition der Zeiger in folgender Form schreiben:
(4.22)
Parallel dazu benutzen wir nicht unterstrichene Größen entsprechend den bisher
getroffenen Vereinbarungen. Den Zeiger u(t) bezeichnen wir als „rotierenden
Scheitelwertzeiger der Spannung u(t)“.
118
4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren
4.3.3 Vereinfachte Zeigerdarstellung
Um auf unsere endgültige Darstellungsform von Wechselgrößen durch Zeiger zu
kommen, werden noch zwei Vereinfachungen vorgenommen:
- Wir können die Rotation der Zeiger weglassen, da diese für alle Zeiger gleich
(da Frequenzgleichheit vorausgesetzt wurde) und konstant ist. Benötigt werden nur die Zeigerlängen und die Phasenwinkel zwischen den Zeigern.
Die Zeiger û(φu) und î(φi) werden als „ruhende Scheitelwertzeiger" bezeichnet.
Sie sind mit den rotierenden Scheitelwertzeigern für den Zeitpunkt t = 0 identisch.
- Wir kennzeichnen durch die Zeigerlänge nicht mehr den Scheitelwert der
Wechselgröße, sondern ihren Effektivwert. Als Formelzeichen benutzen wir
unterstrichene Großbuchstaben.
Die Zeiger U und I werden als „ruhende Effektivwertzeiger" bezeichnet. Im folgenden werden wir überwiegend diese Zeiger benutzen. Für die Addition der
Spannungen u1(t) und u2(t) aus Bild 4.13 gilt völlig analog zu Gl. 4.22 für die
ruhenden Effektivwertzeiger, wie in Bild 4.15 skizziert,
(4.23)
Bild 4.15. Der Zeiger U3 der Spannung u3(t) aus Bild
4.13 folgt aus der Addition der Zeiger für u1(t) und u2(t),
wenn die Zeiger als gerichtete Größen aufgefaßt werden.
Die Momentanwerte einer sinusförmigen Wechselgröße können aus dem ruhenden Effektivwertzeiger ermittelt werden, indem der Übergang zum rotierenden
Scheitelwertzeiger gemacht wird. Dessen Projektion auf die y-Achse liefert den
Momentanwert. Ein analytisches Verfahren werden wir in Kapitel 4.4 kennenlernen.
119
4 Wechselstromlehre
Zwei Beispiele für die Anwendung der ruhenden Effektivwertzeiger zeigt Bild 4.16.
Bild 4.16. Zur Beschreibung von Strom und Spannung an einem Zweipol
durch Zeiger benötigen wir die Länge der Strom- und Spannungszeiger sowie
den Phasenwinkel φui. Die Lage des ersten Zeigers können wir beliebig wählen.
Jeder weitere Zeiger muß dann in seiner Richtung relativ zum ersten Zeiger richtig eingetragen werden. Links wurde beispielsweise der Spannungszeiger horizontal angeordnet (φu = 0°). Der Winkel des Stromzeigers muß dann
φi =
φu - φui = -φui bezogen auf die Horizontale sein. Wir können die gesamte Skizze
beliebig in der Zeichenebene drehen, ohne die korrekte Darstellung zu verfälschen. Rechts wurde ein positiver Phasenwinkel φu bei der Zeichnung berücksichtigt (stets bezogen auf die Horizontale). Der Zeiger des Stromes wird mit seinem Phasenwinkel φi = φu - φui (bezogen auf die Horizontale) gezeichnet. Die
Phasenverschiebung von Spannung und Strom ergibt sich stets aus dem Winkel
φui zwischen Spannungs- und Stromzeiger. Die Phasenverschiebung ist abhängig von dem Zweipol, dessen Strom- und Spannungszeiger wir betrachten. In
beiden Beispielen gilt φui < 0°. Da die Längen der Strom- und Spannungszeiger
links und rechts identisch sind und auch φui gleich ist, beschreibt die linke und
rechte Darstellung den gleichen Zweipol.
Zeiger zur Darstellung von Betrag und Phase einer Wechselgröße werden in
der Literatur häufig als Phasoren bezeichnet. Diese Bezeichnung werden wir im
folgenden teilweise benutzen.
Effektivwertzeiger können in beliebige Komponenten (z.B. in x- oder yRichtung) zerlegt werden. Diese Komponenten können jedoch anders als die Effektivwerte selbst positive und negative Zahlenwerte annehmen. Es darf daher nur die
Länge eines Effektivwertzeigers mit dem Effektivwert gleichgesetzt werden.
120
4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren
4.3.4 Strom und Spannung an Widerstand, Induktivität und Kondensator in
Zeigerdarstellung
Bild 4.17. Links: An einem Widerstand sind Strom und
Spannung in Phase (φui =0°). Mitte: An einer Induktivität
eilt der Strom der Spannung um 90° nach (φui = +90°).
Rechts: An einem Kondensator eilt der Strom der
Spannung um 90° voraus (φui = -90°).
Wir wollen unsere Erkenntnisse aus Kapitel 4.2 umsetzen in die Zeigerdarstellung.
In Bild 4.17 sind die Zeiger für Strom und Spannung an Widerstand, Induktivität
und Kondensator gezeichnet, wobei die Richtung des Spannungszeigers willkürlich
nach rechts gewählt wurde.
121
4 Wechselstromlehre
4.3.5 Die KIRCHHOFFschen Gleichungen für Zeiger
Wir haben die KIRCHHOFFschen Gleichungen für Gleichspannungen und Gleichströme abgeleitet. Für Wechselgrößen müssen die KIRCHHOFFschen Gleichungen
in jedem beliebigen Zeitpunkt ebenfalls erfüllt sein.
Knotenpunktsgleichung:
Die Summe der Strommomentanwerte an einem Knotenpunkt, beispielsweise gemäß Bild 4.18, ist Null:
(4.24)
Bild 4.18. zeitabhängige Größen iv(t) oder als Zeiger lv
darstellen können.
Die entsprechend der Zählpfeilrichtung in den Knotenpunkt hineinfließenden
Ströme werden mit negativem Vorzeichen berücksichtigt, die herausfließenden
Ströme mit positivem Vorzeichen. Eine Umkehr aller Vorzeichen führt zum gleichen Ergebnis.
Die Ströme i1(t) ... i4(t) können wir als Zeiger darstellen. Aus Gl. 4.24 folgt in
Analogie zu GL 4.23
(4.25)
Aus Gl. 4.25 folgt, daß die Stromzeiger eines Knotenpunktes gemäß Bild 4.19,
linker Teil, ein Vieleck bilden. Diese Darstellung wird Zeigerdiagramm oder Zeigerbild (von Strömen) genannt.
Zur Darstellung der Zeitabhängigkeit transformiert man die ruhenden Effektivwertzeiger I in die rotierenden Scheitelwertzeiger i(t). Diese werden so verschoben, daß der Zeigeranfang im Ursprung der xy-Ebene liegt. Die Projektion
der einzelnen Zeiger auf die y-Achse liefert den jeweiligen Momentanwert des
entsprechenden Stromes. Im rechten Teil von Bild 4.19 sind die rotierenden
Scheitelwertzeiger für den Zeitpunkt t = 0 skizziert. Die Zeigerlänge ist um den
Faktor 2 größer als die der
122
4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren
Bild 4.19. Links: Zeigerdiagramm von Strömen an einem Knotenpunkt. Die Summe der Ströme, die in den
Knotenpunkt hineinfließen, ist Null. Folglich muß die
Addition der Stromzeiger ein in sich geschlossenes Vieleck ergeben. Rechts: Zur Ermittlung der Momentanwerte der Ströme wurden die rotierenden Scheitelwertzeiger konstruiert. Im Zeitpunkt t = 0 sind sie wie
die Effektivwertzeiger orientiert.
Effektivwertzeiger. Wie Bild 4.19 zu entnehmen ist, sind die Momentanwerte für
t = 0 von i1(t) und i4(t) negativ. In diesem Fall fließt der Strom in dem Zeitpunkt, für
den das Zeigerdiagramm gezeichnet wurde, entgegengesetzt zur Zählpfeilrichtung.
Positive Momentanwerte: Strom fließt zum betrachteten Zeitpunkt in Zählpfeilrichtung
Negative Momentanwerte: Strom fließt zum betrachteten Zeitpunkt entgegen der
Zählpfeilrichtung
Maschengleichung:
Wir gehen von einer Serienschaltung aus Zweipolen Zv gemäß Bild 4.20 aus. Zum
betrachteten Zeitpunkt ist die Summe aller Spannungen in der Masche M Null:
(4.26)
Spannungen, deren Zählpfeilrichtung mit der Umlaufrichtung übereinstimmt, werden positiv gezählt. Ist der Zählpfeil entgegen der Umlaufrichtung orientiert, wird
die Spannung negativ gezählt.
Die Spannungen u0(t)... u4(t) können wieder durch Zeiger U0 ... U4 dargestellt
werden. Für diese Zeiger muß ebenfalls gelten, daß ihre Summe Null ist:
(4.27)
123
4 Wechselstromlehre
Bild 4.20. An die Serienschaltung von Zweipolen Zv
wird eine Wechselspannung U0 angelegt. Die Summe
der Spannungsabfälle an den Zweipolen muß für jeden
Zeitpunkt gleich der angelegten Spannung sein, wie
man der Maschengleichung für die Masche M entnehmen kann.
Aus Gl. 4.27 folgt, daß die Spannungszeiger einer Masche ein Vieleck gemäß Bild
4.21 bilden.
Die Ermittlung der Momentanwerte der Spannungen aus dem Zeigerdiagramm
erfolgt in gleicher Weise wie aus dem Zeigerdiagramm von Strömen. Wie Bild 4.21
zu entnehmen ist, sind die Momentanwerte für t = 0 von u3(t) und u4(t) negativ. Zu
dem betrachteten Zeitpunkt ist die Spannung entgegengesetzt zur Zählpfeilrichtung
orientiert.
Bild 4.21. Zeigerdiagramm von Spannungen. Die
Maschengleichung der Schaltung aus Bild 4.20 liefert
ein geschlossenes Vieleck.
Positive Momentanwerte: Spannung liegt zum betrachteten Zeitpunkt in
Zählpfeilrichtung an.
Negative Momentanwerte: Spannung liegt zum betrachteten Zeitpunkt entgegen
der Zählpfeilrichtung an.
124
4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren
4.3.6 Beispiel einer Schaltungsberechnung mit der Zeigerdarstellung
Gegeben sei die Schaltung gemäß Bild 4.22. Der Betrag der Spannung U sowie
die Elemente R, L und C und ω sind bekannt. Gesucht ist der Betrag des Stromes I
und sein Phasenwinkel φui bezüglich der Spannung U.
Bild 4.22. An die gezeichnete Schaltung mit den bekannten Elementen R, L und C wird eine Wechselspannung U angelegt. Wir wollen den Strom I ermitteln,
d.h. seinen Betrag und seine Phasenlage bezogen auf
U. (Hinweis zur Bezeichnung: UP = Spannung über der
Parallelschaltung aus L und C.)
Es gelten die Maschen- und Knotenpunktsgleichungen
sowie die Beziehungen zwischen den Effektivwerten von Strom und Spannung
gemäß GL 4.13, Gl. 4.16 und GL 4.19
Aufgrund unserer bisherigen Kenntnisse über die Phasenbeziehung von Strom
und Spannung an den Elementen der Schaltung ist es uns möglich, ein prinzipielles Zeigerdiagramm (ohne die exakten Zeigerlängen) zu erstellen. Mit Hilfe der obigen Gleichungen und diesem Zeigerdiagramm kann der gesuchte Strom I berechnet werden.
125
4 Wechselstromlehre
Bild 4.23. Prinzipielles Zeigerdiagramm zur Schaltung
gemäß Bild 4.22. Wir können dieses Zeigerdiagramm
prinzipiell (d.h. ohne die exakten Zeigerlängen) ohne
Rechnung direkt aus der Schaltung entwickeln. Dazu
definieren wir eine xy-Ebene, in der die Zeiger liegen
sollen, und wählen beliebig die Lage eines Zeigers. In
diesem Fall soll der Zeiger UP in +x-Richtung zeigen.
Alle anderen Zeiger müssen in ihrer Phasenlage bezüglich UP richtig gewählt werden.
Um das Zeigerdiagramm in Bild 4.23 zu erstellen, gehen wir von der Spannung UP aus. Der Zeiger von UP möge in +x-Richtung zeigen. Wenn ein Zeiger aus
der Schaltung festgelegt ist, müssen alle übrigen Zeiger bezüglich ihrer Phasenlage darauf bezogen werden.
So eilt der Strom durch die Induktivität IL der an der Induktivität liegenden
Spannung UP um 90° nach. Der Zeiger IL weist somit in -y-Richtung. Der Strom Ic
durch den Kondensator eilt der Spannung UP um 90° voraus. Sein Zeiger weist
somit in +y-Richtung. Gemäß der Knotenpunktsgleichung folgt aus der Summe der
Ströme IL und Ic der Gesamtstrom I. Dieser zeigt, je nachdem, ob der Betrag von Ic
oder IL größer ist, in +y- oder -y-Richtung. Im Beispiel wurde IC > IL (kapazitives
Verhalten der Parallelschaltung) angenommen. Aus der Richtung des Zeigers des
Gesamtstromes I folgt die Richtung des Zeigers der Spannung UR. Da I durch den
Widerstand R fließt und an einem OHMschen Widerstand Strom und Spannung in
Phase sind, ist die Richtung des Zeigers von UR gleich der Richtung des Zeigers
von I. Aus der Addition der Zeiger Up und UR folgt der Zeiger der Gesamtspannung
U. Zwischen U und I liegt der Phasenwinkel φui der Gesamtschaltung.
Aus dem prinzipiellen Zeigerdiagramm und den oben aufgestellten Beziehungen für die Effektivwerte von Strom und Spannung kann der Effektivwert (also der
Betrag) des Stromes I und seine Phasenlage bezüglich U (also der Phasenwinkel
φui) berechnet werden. Für den Effektivwert des Stromes ergibt sich
126
4.3 Zeigerdarstellung sinusförmiger Wechselgrößen, Phasoren
Für den Betrag des Phasenwinkels gilt
Aus dem Zeigerbild ist zu entnehmen, daß φui kleiner Null ist. (Hätten wir |IL| >|IC|
gewählt, wäre φui größer Null.) Deshalb gilt für unser Zeigerbild
Die obige Berechnung konnten wir durchführen, da es uns gelungen war, das prinzipielle Zeigerdiagramm zu konstruieren. Eine direkte Benutzung der oben aufgestellten Betragsgleichungen hätte zu einem fehlerhaften Ergebnis geführt. Nun ist
das geometrische Verfahren bei komplizierten Schaltungen sehr schwer durchführbar. Deshalb soll im folgenden ein rationelles algebraisches Verfahren zur Berechnung von Wechselstromkreisen eingeführt werden.
127
4 Wechselstromlehre
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
4.4.1 Beschreibung von Phasoren durch komplexe Zahlen
Bei der Ableitung der Phasoren in Kapitel 4.3 hatte es sieh gezeigt, daß sinusförmige Wechselgrößen u(t) und i(t) durch Zeiger dargestellt werden können. Wir haben die rotierenden Scheitelwertzeiger u(t) und i(t) sowie die ruhenden Effektivwertzeiger U und I kennengelernt. In Bild 4.24 sind diese Zeiger skizziert.
Bild 4.24. Links: Die rotierenden Scheitelwertzeiger u(t)
und i(t) laufen mit der Kreisfrequenz ω als Winkelgeschwindigkeit in einer xy-Ebene um. Die Länge der
Zeiger entspricht dem Scheitelwert der Wechselgröße.
Die Projektion der Zeiger auf die y-Achse liefert den
Momentanwert. Zwischen den Zeigern liegen feste
Phasenwinkel, hier der Phasenwinkel φui = φu – φi.
Rechts: Die ruhenden Effektivwertzeiger liegen fest in
der xy-Ebene. Auch zwischen ihnen liegt in diesem
Beispiel der Phasenwinkel φui. Alle Zeiger dürfen in der
xy-Ebene verschoben werden, beispielsweise um zwei
Zeiger graphisch wie Vektoren zu addieren.
Die Zeiger sind durch ihre Länge und den Winkel bestimmt, den sie zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der x-Achse bilden:
Die Zeigerdarstellung ist sehr günstig, allerdings fehlt noch die Möglichkeit, effektiv
mit den Zeigern zu rechnen. Diese Möglichkeit bietet sich durch die Verwendung
komplexer Zahlern Die Zeiger können nämlich durch komplexe Zahlen z gemäß
Bild 4.25 in der GAUSSschen Zahlenebene dargestellt werden.
128
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
(4.28)
(4.29)
(4.20)
(4.31)
(4.32)
(4.33)
Bild 4.25. Eine komplexe Zahl z kann in einer GAUSSschen Zahlenebene dargestellt werden. Die GAUSSsche
Zahlenebene wird aufgespannt durch eine Achse (Re)
für den Realteil und eine Achse (Im) für den Imaginärteil der komplexen Zahl. Beide Achsen stehen orthogonal zueinander. Eine komplexe Zahl kann angegeben
werden durch ihren Real- und Imaginärteil (z = x + j · y)
oder durch ihren Betrag und ihren Winkel bezüglich der
Achse des Realteils (z = z · exp(j · φ)).
Wenden wir auf GL 4.33 den EULERschen26 Satz
(4.34)
an, so können wir für die komplexe Zahl z schreiben
(4.35)
Gl. 4.35 ist die Darstellung einer komplexen Zahl in Polarkoordinaten. Wir können
GL 4.35 entnehmen, daß eine komplexe Zahl z zwei Größen vereint, nämlich den
26
LEONAHRD EULER, * 15.4.1707 in Basel, † 18.9.1783 in St. Petersburg. Mathematiker und Physiker, Arbeiten zur Integral-, Differential- und Variationsrechnung, zur Algebra und Zahlentheorie,
zur Elementar- und Differentialgeometrie sowie zur Mechanik.
129
4 Wechselstromlehre
Betrag z und den Phasenwinkel φ. Damit sind komplexe Zahlen geeignet, Zeiger
und somit sinusförmige Wechselgrößen darzustellen.
Zeiger können durch komplexe Zahlen dargestellt werden. Komplexe Zahlen
können ihrerseits als Zeiger aufgefaßt werden. Deshalb kennzeichnen wir komplexe Zahlen wie Zeiger durch eine Unterstreichung des Formelzeichens. Wir werden
im folgenden teilweise die Bezeichnung „komplexer Zeiger" benutzen, um hervorzuheben, daß der Zeiger durch eine komplexe Zahl dargestellt wird.
4.4.2 Die Zeiger u(t), i(t), U und I als komplexe Größen
Wollen wir Phasoren durch komplexe Zahlen
darstellen, so muß offenbar z dem Betrag des Phasors entsprechen und φ dem
Winkel zwischen dem Phasor und der x-Achse. Ein Vergleich von Bild 4.24 mit Bild
4.25 zeigt dies. Mit den in Kapitel 4.4.1 zusammengestellten Winkeln folgt für die
rotierenden Scheitelwertzeiger u(t) und i(t) in komplexer Darstellung
(4.36) Für die ruhenden Effektivwertzeiger U und I gilt
(4.37)
U bzw. I werden abkürzend als komplexe Spannung bzw. komplexer Strom bezeichnet. Aus Gl. 4.36 und GL 4.37 folgt
(4.38)
Die Drehung der rotierenden Zeiger bewirkt der Term exp(jωt). Die zeitabhängigen
Größen u(t) und i(t) werden aus der Projektion der rotierenden Scheitelwertzeiger
auf die y-Achse, d.h. für die komplexe Größe auf die Achse des Imaginärteils gewonnen. Die Projektion ist aber der Imaginärteil selbst:
(4.39)
Um die Übersichtlichkeit zu verbessern, werden wir auch im folgenden in Produkttermen teilweise das Multiplikationszeichen „·“ weglassen.
130
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
4.4.3 Die Zeitableitung in komplexer Darstellung
Beim Zusammenhang von Strom und Spannung an Induktivitäten und Kondensatoren tritt eine Zeitableitung auf. Zur Berechnung von Wechselstromschaltungen
mit Hilfe komplexer Größen wird deshalb die Zeitableitung in komplexer Darstellung benötigt. Wir betrachten zunächst die Zeitableitung einer „normalen", zeitabhängigen Größe, einer sog. reellen Wechselgröße:
(4.40)
Die Zeitableitung einer Wechselgröße in komplexer Darstellung
liefert
(4.41)
(4.42)
Mit
und Gl. 4.37 U = U · exp(jφu) folgt
(4.43)
Probe: Die Projektion dieses komplexen Zeigers auf die Achse des Imaginärteils
muß das obige Ergebnis der Zeitableitung der reellen Größe liefern:
Das entsprechende Ergebnis gilt für die Zeitableitung von Strömen. Wir können für
die Zeitableitung eine Operatorschreibweise einführen;
Außerdem können wir die Zeitableitung und die Bildung des Imaginärteils vertauschen:
(4.44)
131
4 Wechselstromlehre
4.4.4 Strom und Spannung in komplexer Darstellung an Widerstand, Induktivität und Kondensator
Voraussetzungen: u(t), i(t) sinusförmig, R, L und C = konst.
Für
die
Momentanwerte
von
Strom
das OHMsche Gesetz
| das Induktionsgesetz
und
Spannung
gilt:
| q(t) = C · u(t) = ∫ i(t) · dt
Die Momentanwerte können als Imaginärteile der zugehörigen rotierenden Scheitelwertzeiger in komplexer Darstellung aufgefaßt werden (Projektion auf die Achse
des Imaginärteils): (4.45)
(4.45)
Wir machen den Übergang von der Projektion der komplexen Zeiger auf die komplexen Zeiger selbst: (4.46)
(4.46)
132
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
Wir machen den Übergang von den rotierenden Scheitelwertzeigern auf die ruhenden Effektivwertzeiger:
(4.47)
Gl. 4.45, Gl. 4.46 und Gl. 4.47 sind wichtige Ergebnisse. Wir haben den Zusammenhang von Strom und Spannung an den Schaltelementen in komplexer Darstellung berechnet. Um zu überprüfen, welche Informationen Gl. 4.45, Gl. 4.46 und Gl.
4.47 enthalten, stellen wir die komplexen Zeiger unter Benutzung von j = exp(j ·
und
π
1
= exp(-j · ) in Polarkoordinaten dar:
j
2
π
2
)
Eine Zerlegung nach Betrag und Phase liefert:
Die ermittelten Phasenverschiebungen und Betragsgleichungen kennen wir bereits
aus Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3.4. Allerdings konnten wir hier in sehr einfacher
Weise beide Informationen aus jeweils einer einzigen Gleichung (Gl. 4.45, Gl. 4.46
und Gl. 4.47) gewinnen. Durch die Darstellung von Strom und Spannung als komplexe
133
4 Wechselstromlehre
Größen steht uns somit eine leistungsfähige algebraische Methode zur Berechnung von Wechselstromkreisen zur Verfügung.
4.4.5 Mathematische Ergänzung zum Rechnen mit komplexen Größen
Darstellung von komplexen Größen (Bild 4.26)
Bild 4.26. Darstellung einer komplexen Zahl z.
Wir haben die Komponentendarstellung
und die Polarkoordinatendarstellung
einer komplexen Zahl z kennengelernt. Beide Darstellungsformen sind einander
gleichwertig. Bestimmte mathematische Operationen sind jedoch in der einen oder
anderen Darstellungsform einfacher durchzuführen. Deshalb ist es oft erforderlich,
mit Hilfe von Gl. 4.30
und
(4.48)
bzw. GL 4.31 und GL 4.32
die Darstellungsformen zu wechseln, Diese Operationen werden von vielen Taschenrechnern mit je einem Tastendruck ausgeführt (Umwandlung in Polarkoordinaten bzw. in kartesische Koordinaten),
134
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
Bild 4.27. Die zu einer komplexen Zahl z konjugiert
komplexe Zahl z* weist ein invertiertes Vorzeichen des
Imaginärteils bzw. des Phasenwinkels auf.
Konjugiert komplexe Größen (Bild 4.27)
Häufig wird die zu einer komplexen Größe z = x + j · y „konjugiert komplexe Größe"
z* mit
(4.49)
benötigt. Sie weist gegenüber der Originalgröße ein invertiertes Vorzeichen des
Imaginärteils auf, d.h. sie kann durch Spiegelung des Zeigers an der Achse des
Realteils gebildet werden. Es gilt
(4.50)
Für die Beträge gilt
(4.51)
Addition von komplexen Größen (Bild 8.28)
Bild 4.28. Die Summe zweier komplexer Zahlen ergibt
sich aus der Summe der Realteile und der Summe der
Imaginärteile.
135
4 Wechselstromlehre
Günstig ist hier die Komponentendarstellung:
(4.52)
Multiplikation von komplexen Größen
Günstig ist hier die Polarkoordinatendarstellung:
(4.53)
In der Komponentendarstellung ergibt sich:
(4.54)
Division von komplexen Größen
Günstig ist hier wieder die Polarkoordinatendarstellung:
(4.55)
In der Komponentendarstellung ergibt sich:
136
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
Eine Trennung nach Real- und Imaginärteil ist über eine Erweiterung des Bruches
mit der konjugiert komplexen Größe des Nenners möglich, da für das Produkt z · z*
gilt:
(4.56 a)
oder
(4.56 b)
Mit einer derartigen „konjugiert komplexen Erweiterung“ folgt
(4.57)
4.4.6 Komplexer Widerstand (Impedanz) und komplexer Leitwert
(Admittanz)
Impedanz
Wir haben an den Schaltelementen R, L und C gemäß Gl. 4.45, Gl. 4.46 und Gl. 4.47
einen linearen Zusammenhang zwischen U und I festgestellt. Diesen linearen Zusammenhang können wir unter Benutzung einer komplexen Größe Z durch
(4.58)
ausdrücken. Die Größe Z wird als komplexer Widerstand oder Impedanz bezeichnet. Gl. 4.58 kann als verallgemeinertes OHMsches Gesetz an einem beliebigen
(linearen und passiven) Zweipol aufgefaßt werden. Die Impedanz Z ist im Gegensatz zu Strom und Spannung stets eine zeitunabhängige Größe:
(4.59)
(4.60)
mit
(4.61a,b)
137
4 Wechselstromlehre
Der Betrag Z der Impedanz eines Zweipols ergibt sich aus dem Quotienten der Effektivwerte von Spannung und Strom an dem Zweipol, der Phasenwinkel φz ist
gleich der Phasendifferenz φui von Strom und Spannung an dem Zweipol. Die Impedanz Z eines Zweipols ist der Quotient aus der komplexen Spannung U und dem
komplexen Strom I.
Wir können die Impedanz Z gemäß Bild 4.29, links, in einen Realteil und einen
Imaginärteil zerlegen. Unabhängig davon, mit welchen Schaltelementen die Impedanz realisiert wird, bezeichnen wir den Realteil von Z mit R und den Imaginärteil
von Z mit X.
Wir können R und j X einer Impedanz auch als Zeiger auffassen. Die Summe
dieser Zeiger liefert, wie in Bild 4.29, rechts, skizziert, die Impedanz Z. Diese Darstellungsform wird Zeigerbild der Impedanz genannt.
Bild 4.29. Links: Die Impedanz Z eines Zweipols besteht aus dem Realteil R und dem Imaginärteil X. Sie
kann auch durch ihren Betrag Z und ihren Phasenwinkel φz als Z = Z · exp(jφz) ausgedrückt werden. Dabei
ergibt sich Z aus dem Quotienten U/I und φz aus der
Phasenverschiebung φui an dem Zweipol. Für Z gilt
auch Z = U/ I. Rechts: Zeigerbild der Impedanz Z. R
und j X werden als Zeiger aufgefaßt.
(4.62)
(4.63)
(4.64)
Werden mehrere Impedanzen in Reihe geschaltet, so ergibt sich die Gesamtimpedanz als Summe der Teilimpedanzen.
(4.65)
138
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
(4.66)
(4.67)
Admittanz
Wir können den linearen Zusammenhang zwischen U und I gemäß Gl. 4.58 auch als
(4.68)
schreiben. Y wird als komplexer Leitwert oder Admittanz bezeichnet. In Analogie
zur Impedanz gilt
(4.70)
mit
(4.71a,b)
Wir können auch Y gemäß Bild 4.30, links, in einen Realteil und einen Imaginärteil
zerlegen. Unabhängig davon, mit welchen Schaltelementen der komplexe Leitwert
realisiert wird, bezeichnen wir den Realteil von Y mit G und den Imaginärteil von Y
mit B. Wir können auch G und j B gemäß Bild 4.30, rechts, als Zeiger auffassen
und erhalten damit das Zeigerbild der Admittanz.
Bild 4.30. Links: Real- und Imaginärteil der Admittanz.
Rechts: Zeigerbild der Admittanz. Die Admittanz Y eines Zweipols ist der Kehrwert der Impedanz Z.
139
4 Wechselstromlehre
(4.72)
(4.73)
(4.74)
Werden mehrere Admittanzen parallelgeschaltet, so ergibt sich die Gesamtadmit-tanz als Summe der Einzeladmittanzen.
(4.75)
(4.76)
(4.77)
Impedanz und Admittanz von Widerstand, Induktivität und Kondensator
Für die Schaltelemente R, L und C sind in der folgenden Tabelle die bisher allgemein definierten Größen angegeben. Wir müssen beachten, daß diese auch für beliebige Zusammenschaltungen der Elemente berechnet werden können.
Die Bezeichnung für X ist Blindwiderstand oder Reaktanz, die für B Blindleitwert
oder Suszeptanz. Z wird als Scheinwiderstand, Y als Scheinleitwert bezeichnet. R
ist der Wirkwiderstand oder die Resistanz der Impedanz, G der Wirkleitwert oder
die Konduktanz der Admittanz. (Vorsicht: in der Literatur wird manchmal die Bezeichnung „Impedanz" für |Z| benutzt.) Die Einheiten ergeben sich zu
Für Impedanzen und Admittanzen wird das Schaltzeichen des OHMschen Widerstandes benutzt. Auch Reaktanzen und Suszeptanzen können in verallgemeinerter
Darstellung durch das Schaltzeichen des OHMschen Widerstandes dargestellt
werden.
140
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
4.4.7 Komplexe Berechnung einfacher Schaltungen
Indem wir elektrische Größen, die durch Betrag und Phase gekennzeichnet sind,
durch komplexe Größen darstellen, haben wir die Voraussetzungen geschaffen,
mit denen wir die Berechnungsmethoden der Gleichstromlehre auf Wechselstromschaltungen übertragen können. Wir wollen für zwei einfache Schaltungen den
Strom aus der angelegten Spannung und den Elementen der Schaltung berechnen.
Serienschaltung aus R und C gemäß Bild 4.31, gegeben: U, R, C; gesucht: I.
Bild 4.31. An die Schaltung mit bekanntem R und C
wird die Spannung U angelegt. Wir wollen den Strom I
berechnen.
Wir gehen völlig analog zu Gleichstromkreisen vor, setzen aber Ströme, Spannungen und Schaltelemente als komplexe Größen an. Wir können die Maschengleichung aufstellen und erhalten:
Die Berechnung von I können wir in der Komponentendarstellung mit
141
4 Wechselstromlehre
oder in der Polarkoordinatendarstellung durchführen:
Der Phasenwinkel φu ist aus der Aufgabenstellung bekannt, φz wird mit
der angegebenen Beziehung ermittelt.
Die Berechnung erfolgt vollkommen losgelöst von geometrischen Hilfen. Eine
Ergänzung, mit der sich das Ergebnis anschaulich interpretieren läßt, liefert das
zugehörige Zeigerbild gemäß Bild 4.32. In dem Zeigerbild wurde I willkürlich in
Richtung der reellen Achse gelegt.
Bild 4.32. Zeigerbild der Spannungen und Ströme der
Schaltung nach Bild 4.31 (links) und Zeigerbild der Gesamtimpedanz der Schaltung (rechts). In dem linken
Zeigerbild wurde willkürlich der Strom I als reell vorausgesetzt. Damit muß auch die Spannung UR reell
sein. Die Spannung UC eilt I um 90° nach. Die Summe
UR + UC liefert die angelegte Gesamtspannung U. Zwischen U und I liegt der Phasenwinkel φui = φu – φi (φui <
0°). Rechts ist das Zeigerbild der Impedanz Z der
Schaltung abgebildet. Z enthält einen Realteil, der
gleich dem OHMschen Widerstand R ist, und einen Imaginärteil, der gleich dem Blindwiderstand XC des
Kondensators ist. In komplizierteren Schaltungen können auch OHMsche Widerstände im Ausdruck für den
Imaginärteil auftreten oder Blindwiderstände im Realteil.
Der Strom I ist in beiden Schaltelementen gleich. Die Beträge der
Teilspannungen an R und C ergeben sich zu
Für den Betrag (Scheinwiderstand) und den Phasenwinkel der Impedanz erhalten
wir
142
4.4 Wechselstromlehre und komplexe Zahlen
Parallelschaltung aus R und C gemäß Bild 4.33, gegeben: U, R, C; gesucht: I.
I
Bild 4.38. Die Parallelschaltung eines Widerstandes R
und eines Kondensators C wird an eine Wechselspannung gelegt. Wir wollen die Ströme IR, IC und I berechnen.
Wir gehen wieder völlig analog zu Gleichstromkreisen vor, setzen aber Ströme.
Spannungen und Schaltelemente als komplexe Größen an. Wir können die Knotenpunktsgleichung aufstellen und erhalten:
Eine Ergänzung zur anschaulichen Interpretation des Ergebnisses liefert auch hier
das zugehörige Zeigerbild gemäß Bild 4.34. U wurde willkürlich in Richtung der
reellen Achse gelegt.
Bild 4.34. Zeigerbild der Spannungen und Ströme zur
Schaltung nach Bild 4.33 (links) sowie Zeigerbild der
Admittanz der Gesamtschaltung (rechts).
143
4 Wechselstromlehre
Die Spannung U ist an beiden Schaltelementen gleich. Die Beträge der Teilströme in R und C ergeben sich zu
Der Betrag des komplexen Leitwertes, also der Scheinleitwert, berechnet sich zu
und für den Phasenwinkel der Admittanz ergibt sich
In den Beispielen wurde der komplexe Strom I berechnet. Im folgenden soll
noch einmal zusammenfassend dargestellt werden, wie, ausgehend von einer zeitabhängigen Größe u(t) mit Hilfe der komplexen Rechnung die zugehörige zeitabhängige Größe i(t) berechnet werden kann:
Übergang auf den rotierenden Scheitelwertzeiger in komplexer Darstellung:
Übergang auf den ruhenden Effektivwertzeiger, also auf die komplexe Spannung:
Berechnung des komplexen Stromes mit Hilfe der Impedanz Z:
Übergang auf den rotierenden Scheitelwertzeiger:
Projektion des Zeigers, d.h. in der komplexen Darstellung Bildung des Imaginärteils:
144
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
4.5.1 Elektrische Leistung als Funktion der Zeit
In Kapitel 1.7 hatten wir die elektrische Leistung allgemein berechnet zu Gl. 1.23
Bei sinusförmigem Zeitverlauf von Strom und Spannung
ergibt sich für den Zeitverlauf der Leistung
Mit
folgt
(4.78)
Die Leistung ist dem Produkt der Effektivwerte von Strom und Spannung proportional. Die Frequenz, mit der die Leistung schwankt, ist doppelt so hoch wie die
von Strom und Spannung.
Für den Mittelwert P der Leistung p(t) über n Perioden (als zeitunabhängige
Größe durch einen Großbuchstaben gekennzeichnet) erhalten wir
(4.79)
cos φui wird als Leistungsfaktor bezeichnet.
Die zeitabhängige Leistung p(t) können wir unter Benutzung des Mittelwertes
P darstellen durch
(4.80)
Der Momentanwert der Leistung schwankt mit der Kreisfrequenz 2ω um den Mittelwert. Entsprechend Bild 4.35, das für φui = 45° gezeichnet wurde, kann p(t) positive wie negative Werte annehmen. Positive Momentanwerte bedeuten, daß Leistung von der Quelle zum Verbraucher gelangt. Bei negativen Momentanwerten
wird Leistung vom Verbraucher zur Quelle zurücktransportiert. Da ein echter
„Verbraucher" wie ein OHMscher Widerstand keine Leistung an die Quelle zurückgeben kann, wollen wir im
145
4 Wechselstromlehre
Bild 4.35. Gegeben sind Strom und Spannung an einer
Lastimpedanz. Sie weisen eine Phasenverschiebung
von 45° auf. Berechnet und eingezeichnet wurden die
zeitabhängige Leistung p(t) = u(t) · i(t). Man erkennt
Bereiche, in denen die Leistung positiv ist. Hier nimmt
die Last Leistung auf. Es gibt aber auch Bereiche, in
denen p(t) negativ wird. Hier gibt die Last wieder Leistung an die Quelle zurück.
weiteren für den Verbraucher den allgemeineren Begriff „Last“ oder „Lastimpedanz" verwenden.
p(t) < 0 : Last gibt Leistung an die Quelle zurück
p(t) > 0 : Last nimmt Leistung aus der Quelle auf
4.5.2 Leistungsaufnahme von Widerstand, Induktivität und Kondensator in
Wechselstromnetzen
Ausgehend von Gl. 4.78
wollen wir den Leistungsumsatz in Widerstand, Induktivität und Kondensator berechnen, indem wir die jeweils gültigen Phasenbeziehungen einsetzen. Wir werden
den Mittelwert der Leistung berechnen und daraus Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Schaltelemente ziehen.
Elektrische Leistung an einem OHMschen Widerstand
Die Phasendifferenz von Strom und Spannung beträgt an einem OHMschen Widerstand gemäß GL 4.14
146
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Es folgt
Damit lautet Gl. 4.78 für einen OHMschen Widerstand
(4.81)
und der Mittelwert der Leistung ergibt sich zu
(4.82)
Damit läßt sich für pR(t) schreiben
(4.83)
In Bild 4.36 wurden u(t), i(t) und pR(t) für φi = 0 gezeichnet.
Bild 4.36. An einem OHMschen Widerstand sind
Strom und Spannung in Phase. Die umgesetzte Leistung ist immer positiv.
Die Momentanleistung pR(t) schwankt mit der Amplitude U ·I um den Mittelwert U · I.
Sie ist somit niemals negativ. Ein OHMscher Widerstand nimmt folglich elektrische
Leistung auf, die er vollständig in Wärme umsetzt. Er liefert zu keinem Zeitpunkt
Leistung an die Quelle zurück.
147
4 Wechselstromlehre
Elektrische Leistung an einer Induktivität
Die Phasendifferenz von Strom und Spannung beträgt gemäß GL 4.17 bei einer
Induktivität
Es folgt
Damit lautet Gl. 4.78 für eine Induktivität
(4.84)
und der Mittelwert der Leistung ergibt sich, wie man Bild 4.37 unmittelbar entnimmt, zu
(4.85)
Bild 4.37. An einer Induktivität sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben (φui = +90°). Die
Leistung pL(t) = u(t) · i(t) ergibt sich damit zu einer reinen Wechselgröße mit dem Mittelwert Null. Die Leistung, die die Induktivität aufnimmt, gibt sie zu anderen
Zeitpunkten wieder ab. Dabei speichert die
Induktivität Energie in ihrem Magnetfeld. Die Zeitabhängigkeit der gespeicherten Energie WM(t) ist unten
dargestellt.
148
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Die Induktivität nimmt Leistung aus der Quelle auf, die sie zu anderen Zeitpunkten
wieder an die Quelle zurückspeist. Sie ist somit kein „Verbraucher" wie ein OHMscher Widerstand, sondern ein Zwischenspeicher für Energie. Die Energie wird
dabei im Magnetfeld der Induktivität gespeichert. Die zeitabhängige, im Magnetfeld
der Induktivität gespeicherte Energie WM(t) ergibt sich gemäß Gl. 5.25 für L =
konst. zu
Wir setzen willkürlich φi = 0 und erhalten
(4.86)
(4.87)
Die Induktivität entnimmt der Quelle Leistung, solange der Betrag des Stromes
durch die Induktivität ansteigt. Dabei steigt der Energieinhalt der Induktivität. Sinkt
der Betrag des Stromes, so gibt die Induktivität Leistung an die Quelle ab. Dabei
sinkt der Energieinhalt der Induktivität. Die Induktivität versucht dabei, den
Stromfluß konstant zu halten. Im unteren Teil von Bild 4.37 wurde die in der Induktivität gespeicherte Energie in Abhängigkeit von der Zeit gezeichnet.
Es wird also ständig Energie ausgetauscht zwischen der Induktivität und den
übrigen Elementen der Gesamtschaltung, ohne daß die Induktivität Leistung verbraucht. Es können allerdings große Ströme in den Leitungen auftreten. Diese sind
in Stromversorgungsnetzen unerwünscht, da große Kabelquerschnitte erforderlich
sind, ohne daß eine entsprechende Leistung wirklich zu den Verbrauchern transportiert wird.
149
4 Wechselstromlehre
Elektrische Leistung an einem Kondensator
Die Phasendifferenz von Strom und Spannung beträgt gemäß Gl. 4.21 an einem
Kondensator
Es folgt
Damit lautet GL 4.78 für einen Kondensator
(4.88)
und der Mittelwert der Leistung ergibt sich zu
wie in Bild 4.38 dargestellt.
(4.89)
Bild 4.38. An einem Kondensator sind Strom und
Spannung um 90° phasenverschoben (φui = -90°).
Die Leistung PC(t) = u(t) · i(t) ist wie bei der Induktivität
eine reine Wechselgröße. Der Kondensator speichert
Energie in seinem elektrischen Feld und gibt diese
wieder zurück an die speisende Quelle. Die Zeitabhängigkeit der gespeicherten Energie WE(t) ist unten dargestellt.
150
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Auch der Kondensator nimmt Leistung aus der Quelle auf, die er zu anderen Zeitpunkten wieder an die Quelle zurückspeist. Er ist somit ebenfalls kein „Verbraucher"
wie ein OHMscher Widerstand, sondern ein Zwischenspeicher für Energie wie eine
Induktivität. Die Energie wird hier aber im elektrischen Feld des Kondensators gespeichert. Die zeitabhängige, im elektrischen Feld des Kondensators gespeicherte
Energie WE(t) ergibt sich gemäß GL 2.26 für C = konst. zu
Wir setzen wiederum willkürlich φi = 0, Daraus folgt
(4.90)
(4.91)
Ein Kondensator entnimmt der Quelle Leistung, solange der Betrag der Kondensatorspannung ansteigt. Dabei steigt der Energieinhalt des elektrischen Feldes. Sinkt der Betrag der Kondensatorspannung, so gibt der Kondensator Leistung an die Quelle ab. Dabei sinkt sein Energieinhalt. Der Kondensator versucht,
die Kondensatorspannung konstant zu halten. Dieser Zusammenhang wird im unteren Teil von Bild 4.38 verdeutlicht, in dem der Zeitverlauf der gespeicherten elektrischen Energie dargestellt ist.
Wird ein Kondensator an eine Wechselspannung angeschlossen, so tritt ein
ständiger Energieaustausch zwischen dem Kondensator und den übrigen Elementen der Gesamtschaltung auf, ohne daß der (ideale) Kondensator Leistung verbraucht. Auch hier können, wie im Fall der Induktivitäten, große Ströme in den Leitungen auftreten.
Ein Vergleich des Zeit Verlaufs der gespeicherten Energie in Induktivität und
Kondensator in Bild 4.89 zeigt, daß bei gleicher Spannung an den Elementen eine
Phasenverschiebung von 180° zwischen WE(t) und WM(t) vorhanden ist. Schaltet
man Kondensator und Induktivität, die so dimensioniert sind, daß die Scheitelwerte der gespeicherten Energien übereinstimmen, parallel an eine Spannungsquelle,
so pendelt die Energie zwischen Kondensator und Induktivität. Große Ausgleichströme fließen
151
4 Wechselstromlehre
Bild 4.39. Die Spannung u(t) wird an eine Parallelschaltung aus Kondensator und Induktivität gelegt. Wenn die
Beträge der Blindwiderstände dieser beiden Schaltelemente gleich groß sind, so sind auch ihre Ströme betragsmäßig gleich groß. Es ist aber zu beachten, daß
der Strom in der Induktivität der angelegten Spannung
um 90° nacheilt, während der Strom im Kondensator
der angelegten Spannung um 90° voreilt. Beide Ströme
sind damit um 180° gegeneinander phasenverschoben
wie auch die Wechselanteile der gespeicherten Energien um 180° gegeneinander phasenverschoben sind.
Wegen
sin2 α + cos2 α = 1 ist die Summe der gespeicherten Energie konstant.
dann nur noch in diesem sog. Schwingkreis und nicht mehr auf den Leitungen zur
Quelle. Im Falle einer Reihenschaltung von Induktivität und Kondensator, die mit
einem eingeprägten Strom betrieben wird, kompensieren sich die Spannungen an
Induktivität und Kondensator, wenn die Scheitelwerte der gespeicherten Energien
übereinstimmen. Diese Spannungen können wesentlich größer sein als die angelegte Spannung. In Kapitel 9 werden wir derartige Schaltungen genauer untersuchen.
152
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
4.5.3 Wirk-, Blind- und Scheinleistung
In Kapitel 4.5.2 haben wir gesehen, daß nur OHMsche Widerstände elektrische
Leistung verbrauchen. Die Darstellung von Verbrauchern elektrischer Leistung
(z.B. Heizgeräte, Lampen, Motoren, Hochfrequenzgeneratoren, Sendeantennen)
durch Ersatzschaltelemente enthält daher zumindest einen OHMschen Widerstand.
Für die in einer Schaltung in andere nichtelektrische Energieformen umgesetzte
elektrische Leistung führen wir den Begriff der Wirkleistung P ein. Sie wird definiert
als die tatsächlich in der Schaltung umgesetzte mittlere Leistung und ergibt sich
aus GL 4.79 zu
(4.92)
U und I sind die Effektivwerte von Strom und Spannung an den Schaltungsklemmen. Sie werden als sinusförmig vorausgesetzt. φui ist der Phasenwinkel zwischen
Strom und Spannung. Die so berechnete Leistung stellt die in den OHMschen Widerständen der Schaltung umgesetzte mittlere Leistung dar.
Induktivitäten und Kondensatoren verbrauchen im Zeitmittel keine elektrische
Leistung. Sie stellen Energiespeicher dar, die beim Betrieb mit sinusförmiger
Wechselspannung die aufgenommene Leistung wieder abgeben. Die Aufnahme
und Abgabe elektrischer Energie stellt eine Belastung der Zuleitungen und der
Quelle dar. Sie ist im Falle sinusförmiger Wechselgrößen (die hier immer vorausgesetzt werden) proportional zur Differenz der im Zeitmittel gespeicherten magnetischen und elektrischen Energien. Zur Erfassung dieses Energieaustausches zwischen einer Schaltung und dem Netz führen wir den Begriff der Blindleistung Q ein.
Die Größe der Blindleistung ist durch folgende Rechenvorschrift festgelegt:
(4.93)
Diese Rechenvorschrift läßt sich im Falle sinusförmiger Wechselgrößen durch physikalische Größen interpretieren:
(4.94)
Wie man an GL 4.93 und Gl. 4.94 erkennt, kann die Blindleistung positiv oder negativ
sein:
Q > 0 : für WM > WE bzw. φui > 0, induktive Blindleistung
Q < 0 : für WE > WM bzw. φui < 0, kapazitive Blindleistung
Schließlich definieren wir eine als Scheinleistung S bezeichnete Größe
(4.95)
Den geometrischen Zusammenhang zwischen diesen Leistungsgrößen stellt Bild
4.40 dar. Es gilt
(4.96)
(4.97)
(4.98)
153
4 Wechselstromlehre
Bild 4.40. Geometrischer Zusammenhang zwischen
der Wirkleistung P, der Blindleistung Q und der Scheinleistung S.
Die Einheiten der einzelnen Leistungen sind jeweils Volt · Ampere, VA. Für Wirkleistungen wird die Abkürzung W (Watt) benutzt. Für Schein- und Blindleistungen
ist diese Bezeichnung nicht üblich. Die Einheit der Blindleistung wird häufig mit dem
Zusatz „reaktiv" versehen: VAr.
Ein Vergleich von GL 4.92 bzw. Gl. 4.95 mit Gl. 4.78 zeigt, daß die Scheinleistung S gleich der Amplitude und die Wirkleistung P gleich dem Mittelwert der zeitabhängigen Leistung p(t) ist. Bild 4.41 zeigt nochmals Strom, Spannung und Leistung an dem Zweipol aus Bild 4.35, ergänzt um S und P.
Bild 4.41. Die Wirkleistung P ist der Mittelwert, die
Scheinleistung S die Amplitude der zeitabhängigen
Leistung p(t).
Zur Verdeutlichung der Leistungsbegriffe werden im folgenden zwei einfache
Beispiele durchgerechnet.
154
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Beispiel 1: Serienschwingkreis gemäß Bild 4.42
Bild 4.42. An eine Serienschaltung aus R, L und C wird
die Spannung U angelegt. Das Zeigerbild aller Spannungen und Ströme wurde rechts gezeichnet unter der
Annahme UL > UC. Die Spannung UR ist in Phase mit I.
Hier wird Wirkleistung umgesetzt. UL und UC sind gegenüber I um 90° phasenverschoben. Hier wird Blindleistung umgesetzt.
Es gilt die Maschengleichung
Wirkleistung wird nur im OHMschen Widerstand umgesetzt:
Aus dem Zeigerbild, das in Bild 4.42, rechts, gezeigt ist, folgt
und damit
Die Größe U · cos φui wird auch als „Wirkspannung" UW bezeichnet.
Blindleistung wird in der Induktivität und in dem Kondensator umgesetzt. Der
Betrag der Blindleistung ergibt sich aus dem Produkt der Effektivwerte von Strom
und Spannung an diesen Elementen. Bezeichnen wir den Effektivwert der Spannung über Induktivität und Kondensator mit UB, so ergibt sich mit dem Zeigerdiagramm in Bild 4.42
Für den Betrag der insgesamt umgesetzten Blindleistung gilt daher
UB = U · |sin φui| wird auch als „Blindspannung" bezeichnet.
155
4 Wechselstromlehre
Beispiel 2: Parallelschwingkreis gemäß Bild 4.43
Bild 4.43. Die Elemente aus Bild 4.42 sind nun
parallelgeschaltet. Das Zeigerbild wurde gezeichnet mit der Annahme IC > IL. Wirkleistung
wird nur im OHMschen Widerstand umgesetzt.
Es gilt die Knotenpunktsgleichung
Wirkleistung wird nur im OHMschen Widerstand umgesetzt:
Analog zum ersten Beispiel folgt mit
Die Größe I · cos φui wird auch als „Wirkstrom" IW bezeichnet.
Blindleistung wird wieder in der Induktivität und in dem Kondensator
umgesetzt. Ihr Betrag berechnet sich aus dem Produkt der Effektivwerte von
Strom und Spannung an diesen Elementen. Bezeichnen wir den Effektivwert
des Gesamtstromes durch Induktivität und Kondensator mit IB, so ergibt sich
mit dem Zeigerdiagramm in Bild 4.43
Für den Betrag der insgesamt umgesetzten Blindleistung gilt daher
IB = I · |sin φui| wird auch als „Blindstrom" bezeichnet.
156
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Wir können unsere Ergebnisse aus den Beispielen wie folgt zusammenfassen
und verallgemeinern:
Bild 4.44. Die Wirkanteile von Strom und Spannung
können bei einem beliebigen Zweipol dadurch ermittelt
werden, daß Strom- bzw. Spannungszeiger auf den jeweils anderen Zeiger projiziert werden. Diese Zeiger
sind dann in Phase. Die Beträge von UW und IW haben
wir als Wirkspannung und Wirkstrom bezeichnet. Zur
Ermittlung der Blindanteile von Strom und Spannung
wird ein Zeiger auf das Lot des anderen Zeigers projiziert. Die Beträge von UB und IB haben wir als Blindspannung und Blindstrom bezeichnet.
Für einen beliebigen Zweipol mit der Impedanz Z gemäß Bild 4.44 kann die
Wirkleistung berechnet werden nach
(4.99 a)
Für den Betrag der umgesetzten Blindleistung ergibt sich
(4.99 b)
Die vorzeichenbehaftete Blindleistung ergibt sich aus
(4.99 c)
Bei Benutzung der Blindspannung oder des Blindstroms, die als Effektivwerte positiv definiert sind, muß das Vorzeichen der Blindleistung gesondert erfaßt werden:
(4.99 d)
Die Scheinleistung ergibt sich gemäß Gl. 4.95 zu
S = U · I.
157
4 Wechselstromlehre
4.5.4 Leistungsmessung
Zur Leistungsmessung sind Drehspulgeräte geeignet. Deren Wirkungsprinzip entspricht der in Kapitel 6.1 beschriebenen stromdurchflossenen Spule, die von einem
Magnetfeld durchsetzt wird. Der Aufbau entspricht dem ebenfalls dort beschriebenen Funktionsmodell der Gleichstrommaschine. Eine am Anker befestigte Rückholfeder erlaubt jedoch nur eine dem Drehmoment auf den Anker proportionale Auslenkung des Ankers, die mit einem Zeiger angezeigt wird. Zur Wirkleistungsmessung wird das Drehspulinstrument wie in Bild 4.45 beschaltet. Die Feldspule wird
u(t )
von dem Strom i(t) durchflössen. Durch die Ankerspule fließt der Strom iu(t)=
RV
Bild 4.45. Mit einem Drehspulinstrument D soll die in
einem Zweipol mit der Impedanz Z umgesetzte Wirkleistung gemessen werden. Dazu wird der Strom i(t)
des Zweipols durch die Feldspule des Drehspulinstruments geführt. Durch die Ankerspule wird ein Strom iu(t)
geleitet, der der Spannung am Zweipol proportional ist.
Dieser Strom wird über einen begrenzenden Vorwiderstand RV gewonnen.
Wie in Kapitel 6.4 abgeleitet wurde, gilt für das Drehmoment dieser Anordnung
gemäß Gl. 6.13
Im weiteren werden mit c verschiedene Konstanten benannt, deren Größe für uns
nicht wichtig ist. Mit Φ(t) ~ i(t) folgt
Das Drehmoment ist somit proportional dem Produkt aus Strom und Spannung an
der Last Z, deren Wirkleistungsaufnahme gemessen werden soll. Wegen der Trägheit des Systems tritt nur der Mittelwert in Erscheinung:
(4.100)
Das Gerät zeigt, wie gewünscht, die in Z umgesetzte Wirkleistung an.
158
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Bild 4.46. Zur Messung der in einem Zweipol umgesetzten Blindleistung wird der Widerstand RV aus Bild
4.45 durch einen Kondensator ersetzt. Der Feldstrom
ist damit um 90° phasenverschoben gegenüber dem
Ankerstrom. Maximaler Zeigerausschlag tritt nun bei
seinerseits 90° phasenverschobenem Feldstrom auf,
d.h. bei Blindleistungsaufnahme des Zweipols.
Zur Messung der Blindleistung wird gemäß Bild 4.46 der Widerstand RV durch
einen Kondensator C ersetzt. Es gilt
Zum Mittelwert liefert der zweite Summand der Klammer keinen Anteil:
(4.101)
Wie gewünscht, wird die umgesetzte Blindleistung angezeigt.
Die bekannten Haushalts-„Stromzähler" messen die verbrauchte Energie in kWh.
159
4 Wechselstromlehre
4.5.5 Leistungsberechnung aus den komplexen Größen U und I
Die vorteilhafte komplexe Darstellung von Strom und Spannung soll auf die Leistungsgrößen übertragen werden. Dazu gehen wir von dem geometrischen Zusammenhang der Leistungen aus, den wir aus Bild 4.40 kennen. In Bild 4.47, links, ist
dieser nochmals skizziert. Die Wirkleistung P und die Blindleistung Q addieren sich
geometrisch zur Scheinleistung S, wobei zwischen P und Q ein rechter Winkel
liegt. Wir können gemäß Bild 4.47, Mitte, eine neue Leistungsgröße definieren, die
komplexe Leistung S, deren Betrag gleich der Scheinleistung S ist und die die
Wirkleistung P als Realteil und die Blindleistung Q als Imaginärteil enthält:
(4.102)
Bild 4.47. Links: Den geometrischen Zusammenhang zwischen der Scheinleistung S, der
Wirkleistung P und der Blindleistung Q kennen
wir aus Bild 4.40. Mitte: Wir definieren die komplexe Leistung S so, daß ihr Realteil die Wirkleistung P und ihr Imaginärteil die Blindleistung
Q ist. Der Betrag der komplexen Leistung S ist
die Scheinleistung S. Rechts: Wir können P und
jQ als Zeiger auffassen. Diese Darstellungsform
wird Zeigerdiagramm der Leistung genannt.
Mit Gl. 4.92 und Gl. 4.93
folgt für die komplexe Leistung
160
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Unter Berücksichtigung von GL 4.37 und Gl. 4.50 setzen wir
und es folgt für die komplexe Leistung
(4.103)
Mit GL 4.103 können wir die komplexe Leistung aus der komplexen Spannung und dem komplexen Strom (konjugiert komplex genommen) berechnen. Da aus der komplexen Leistung die Wirkleistung, die Blindleistung und
die Scheinleistung durch Realteil-, Imaginärteil- und Betragsbildung sehr
einfach zu ermitteln sind, ist Gl. 4.103 eine sehr wichtige Beziehung zur Ermittlung des Leistungsumsatzes in Wechselstromschaltungen.
Die komplexe Leistung ist wie die Impedanz und die Admittanz zeitunabhängig. Ihr Zeiger S liegt ruhend in der GAUSSschen Zahlenebene. Machen wir nämlich in GL 4.103 den Übergang auf die rotierenden Scheitelwertzeiger u(t) und i(t), so fällt, da i(t) konjugiert komplex genommen wird,
1
die Zeitabhängigkeit heraus. Gemäß GL 4.95 muß außerdem der Faktor
2
berücksichtigt werden:
Wie in Bild 4.47, rechts, skizziert, können wir analog zum Zeigerbild der Impedanz bzw. Admittanz ein Zeigerdiagramm der Leistung aufstellen, wenn
wir P und j Q als Zeiger auffassen.
Unter Benutzung der in Kapitel 4.4.6 definierten Impedanz bzw. Admittanz können wir schreiben
(4.104)
bzw.
(8105)
161
4 Wechselstromlehre
Zerlegen wir die Impedanz bzw. Admittanz in Real- und Imaginärteil, so erhalten
wir
(4.106)
bzw.
(4.107)
Damit folgt für Wirk- und Blindleistung
(4.108)
(4.109)
Aus dieser Darstellung folgt für eine Lastimpedanz:
162
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
4.5.6 Blindleistungskompensation und Anpassung
Elektrische Maschinen wie Wechselstrommotoren oder Transformatoren nehmen
große Blindleistungen auf. Wie in Kapitel 4.5.2 beschrieben, können große Ströme
entstehen, für die das Versorgungsnetz dimensioniert werden muß, obwohl viel
kleinere Wirkströme fließen, die wirklich Leistung transportieren. Aus diesem
Grunde ist häufig eine Kompensation der Blindleistungsaufnahme von technischen
Lasten sinnvoll. Für die Quelle erscheint eine so kompensierte Last wie ein OHMscher Verbraucher.
Eine Last, deren Blindleistungsaufnahme kompensiert werden soll, habe das
in Bild 4.48 gezeigte Ersatzschaltbild.
Bild 4.48. Ersatzschaltbild einer induktiven Last und
Zeigerbild der Spannungen und Ströme. Die Blindleistungskompensation soll dafür sorgen, daß die Quelle
nur noch den Wirkstrom IW liefern muß.
Wir teilen den Strom I in zwei Komponenten auf, von denen die eine in Phase
mit U sein soll und somit Wirkleistung produziert und in eine Komponente, die mit
U einen Phasenwinkel von 90° bildet und somit Blindleistung produziert:
(4.110a)
IW ist in Phase mit U. IB eilt IW und damit U um 90° nach (induktive Last). Wenn die
Blindleistungsaufnahme, d.h. der Blindstrom IB, kompensiert werden soll, muß am
Ort der Last ein zusätzliches Schaltelement eingebaut werden, das genau einen
Strom
(4.110 b)
aufnimmt. Dieser Kompensationsstrom IK muß also betragsmäßig gleich IB. aber
um 180° phasenverschoben sein bezüglich IB. Das heißt, der Kompensationsstrom
163
4 Wechselstromlehre
muß der Spannung U um 90° voreilen. Ein solcher Strom läßt sich mit einer Kapazität, die parallel zur Last an U liegt, realisieren. Ein Schaltelement in Serie zur
Last wäre nicht einsetzbar, da dann der Strom durch die Last verändert würde. Bild
4.49 zeigt die Schaltung.
Bild 4.49. Die Schaltung aus Bild 4.48 wurde um den
Kondensator C ergänzt. Dieser soll den Kompensationsstrom IK aufnehmen. dessen Betrag gleich dem Betrag des Blindstromes IB der zu kompensierenden induktiven Last ist. Dazu muß C die passende Kapazität
aufweisen. Die blindleistungskompensierte Last erscheint der Quelle wie ein OHMscher Verbraucher.
Zur Dimensionierung des Kondensators setzen wir Gl. 4.110 an
und erhalten
(4.111)
mit
Xu : Blindwiderstand der unkompensierten Last
Zu : Scheinwiderstand der unkompensierten Last
Qu : Blindleistung der unkompensierten Last
Su : Scheinleistung der unkompensierten Last
Φui,u : Phasenwinkel der unkompensierten Lastimpedanz.
Die umgesetzte Leistung wird rein reell:
164
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Die Quelle sieht in der kompensierten Last einen OHMschen Verbraucher der Größe
ω 2 ⋅ L2
. Auf den Leitungen zwischen der Quelle und der Last fließt nur der
R+
R
Wirkstrom. Die von der Last umgesetzte Blindleistung wird zwischen der Last und
dem Kompensationselement ausgetauscht. Der Blindstrom fließt nur zwischen der
Last und dem Kompensationselement.
Anpassung
In Kapitel 1.14 wurde der Begriff „Anpassung" eingeführt. Anpassung liegt vor,
wenn für eine gegebene reale Quelle die Last so dimensioniert wird, daß sie die
maximal mögliche Wirkleistung aus der Quelle aufnimmt. In Wechselstromkreisen
kann eine reale Quelle durch eine ideale Quelle und eine Innenimpedanz Zi bzw.
eine Quellimpedanz ZQ völlig analog zu realen Gleichspannungs- bzw. Gleichstromquellen dargestellt werden. Bild 4.50 zeigt eine reale Wechselspannungsquelle mit der eingeprägten Spannung U0 und der Innenimpedanz Zi = Ri + j · Xi für
die eine Lastimpedanz ZV = RV + j · XV so dimensioniert werden soll, daß Anpassung vorliegt.
Bild 4.50. Die Lastimpedanz ZV soll so dimensioniert
werden, daß sie die maximal mögliche Wirkleistung aus
der realen Wechselspannungsquelle aufnimmt.
Die in der Lastimpedanz umgesetzte Wirkleistung berechnet sich
zu
(4.112)
PV erreicht in Abhängigkeit von Xi und XV ein Maximum, wenn sich die Blindwiderstände kompensieren.
(4.113)
Setzt man GL 4.113 in GL 4.112 ein und ermittelt analog zu Kapitel 1.14 das
Maximum von PV in Abhängigkeit von RV, so erhält man GL 1.74
(4.114)
165
4 Wechselstromlehre
Fassen wir Gl. 4.113 und Gl. 4.114 zusammen, so erhalten wir die Anpaßbedingung für die Wirkleistung in Wechselstromschaltungen
(4.115)
GL 1.74 ist ein Spezialfall für rein OHMsche Impedanzen ZV und Zi.
Wegen XV = -Xi wird bei der Wirkleistungsanpassung die in der Innenimpedanz der Quelle umgesetzte Blindleistung von der Lastimpedanz kompensiert.
Anpassungsnetzwerke
Häufig, insbesondere bei hohen Frequenzen, liegt die Situation vor, daß eine gegebene Lastimpedanz ZV an eine Quelle mit gegebener Innenimpedanz
Zi
*
≠ ZV so angeschlossen werden soll, daß dennoch Wirkleistungsanpassung vorliegt. In diesem Fall muß ein geeignetes Anpassungsnetzwerk zwischen Quelle
und Lastimpedanz geschaltet werden.
Ein einfaches Beispiel für ein Anpassungsnetzwerk haben wir bei der Blindleistungskompensation bereits kennengelernt. Bild 4.51 zeigt die Schaltung, die
durch Hinzufügen einer Quelle und Umzeichnen aus Bild 4.49 gewonnen wurde.
Bild 4.51. Der Widerstand R soll so an eine Quelle mit
dem Innenwiderstand Ri ≠ R angeschlossen werden,
daß Wirkleistungsanpassung besteht. Dazu wird zwischen Quelle und Widerstand ein Anpassungsnetzwerk
aus der Induktivität L und dem Kondensator C geschaltet.
Wie bereits mit Gl. 4.110 berechnet, wird die Quelle an den Klemmen A-B mit
dem OHMschen Widerstand
belastet. Dazu maß L bei gegebenem R und ω so dimensioniert werden, daß sich
Ri = RAB einstellt, und C muß so dimensioniert werden, daß die Blindleistung kompensiert wird.
166
4.5 Elektrische Leistung des Wechselstromes
Die Schaltung gemäß Bild 4.51 funktioniert nur für Ri = RAB > R. Für den
Fall Ri = RAB < R muß der Kondensator statt an die Klemmen A-B an die
Klemmen C-D angeschlossen werden.
167
5.1 Bemerkungen zu Halbleitern
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Elektronische Schaltelemente auf Halbleiterbasis werden heute in den unterschiedlichsten Anwendungen eingesetzt. Ihre Vielfalt ist auch für Fachleute
nur noch schwer zu überblicken. Auffallend sind insbesondere die wachsende
Komplexität der Halbleiterschaltelemente und der schnelle Wandel von Technologien und Produkten. Daher ist es unmöglich, einen aktuellen Überblick
über die verfügbaren Schaltelemente im Rahmen einer Grundlagenvorlesung
zu geben. Stattdessen wollen wir einige typische Elemente kennenlernen und
ihre Funktionsweise verstehen.
5.1 Bemerkungen zu Halbleitern
Die ersten Halbleiterschaltelemente waren Detektoren aus Bleiglanzkristallen
mit aufgesetzten Metallspitzen, die Anfang dieses Jahrhunderts eingesetzt
wurden. Es folgten um 1920 Kupfer(I)oxidgleichrichter und Selengleichrichter.
1948 wurden die ersten Transistoren realisiert. Heute wird für die meisten
Halbleiterschaltelemente Silizium verwandt. Für spezielle optische Detektoren
benutzt man Germanium, und für optische Sender wie Leuchtdioden und Laserdioden werden Verbindungshalbleiter wie Galliumarsenid eingesetzt.
5.1.1 Leiter, Halbleiter und Isolatoren im Bändermodell
Wir haben bisher in verschiedenen Kapiteln das elektrische Verhalten von
Stoffen betrachtet. Bezüglich der elektrischen Leitfähigkeit haben wir elektrische Leiter, also Stoffe, die einen Strom führen können, und Nichtleiter oder
Isolatoren, durch die im allgemeinen kein Strom fließt, unterschieden. Bevor
wir uns den Halbleitern zuwenden, d.h. Stoffen, deren Leitfähigkeit zwischen
der der Leiter und der der Isolatoren liegt, wollen wir in vereinfachter Form eine physikalische Modellvorstellung für die elektrische Leitung in Stoffen kennenlernen.
Gute elektrische Leiter sind dadurch charakterisiert, daß in ihnen eine
große Zahl von Ladungsträgern frei beweglich ist. Diese werden in einem angelegten elektrischen Feld beschleunigt und bewirken einen Stromfluß. In einem Isolator, der wie ein elektrischer Leiter aus Atomen und damit auch aus
Ladungsträgern aufgebaut ist, sind zwar auch viele Ladungsträger vorhanden,
aber diese sind nicht frei beweglich und daher nicht in der Lage, einen Strom
zu führen. Sie sind fest in die Struktur des betreffenden Materials eingebunden. Führt man einem Isolator eine hohe Energie zu, indem man ihn beispielsweise stark erhitzt und hohe Spannungen an ihn anlegt, so beobachtet
man, daß die Isolationseigenschaften des Materials schlechter werden: Der
Isolator weist eine geringfügige elektrische Leitfähigkeit auf. Schließlich kann
es zum elektrischen Durchschlag im Isolator kommen. Die
168
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
physikalischen Aspekte der elektrischen Leitung in Festkörpern werden durch die
Quantenmechanik beschrieben. Die komplizierten Zusammenhänge lassen sich in
einem Modell, dem sogenannten Bändermodell, zusammenfassen, das wir in stark
vereinfachter Darstellung betrachten wollen. Grundlage des Bändermodells ist die
Aussage der Quantenmechanik, daß in einem Festkörper die einzelnen Bausteine
des Festkörpers (z.B. Elektronen, aber auch Atome) wegen der starken gegenseitigen Beeinflussung nur bestimmte Energiezustände einnehmen können. Dabei treten im Festkörper mit steigender Energie abwechselnd Bereiche auf, in denen erlaubte Energiezustände und nicht erlaubte Energiezustände der Elektronen liegen.
Die Bereiche mit erlaubten Energiezuständen nennen wir Bänder, die nicht erlaubten Bereiche Energielücken oder Bandlücken des betreffenden Festkörpers. Die
Lage der Energiebänder und ihre Breite kann mit Hilfe der Quantenmechanik für
den jeweiligen Festkörper ermittelt werden. Bild 5.1 zeigt ein Beispiel für die Energiebänder eines Festkörpers.
Bild 5.1. Wir sehen die Darstellung der Energiebänder
eines Festkörpers. In den schraffierten Bereichen liegen Energiezustände, die von den Elektronen im Festkörper eingenommen werden können. In den dazwischenliegenden Bereichen liegen Energie-zustände,
die in dem Festkörper von den Elektronen nicht besetzt
werden können.
Die einzelnen Bausteine eines Festkörpers, insbesondere die Elektronen,
nehmen nun bestimmte Energiezustände ein. Man sagt, sie besetzen einen Energiezustand oder ein Band. Je nach Art des Festkörpers können Bänder vollständig
oder teilweise besetzt sein. Veränderungen in der Besetzung der Bänder sind
durch Beeinflussung von außen möglich. Beispielsweise kann dem Festkörper Energie zugeführt werden in Form von Wärme, Bestrahlung mit Licht, elektrischer
Energie durch angelegte elektrische Felder usw.. Nimmt ein Baustein des Festkörpers Energie auf, so verläßt er seinen alten Energiezustand und nimmt einen neuen, höher gelegenen Energiezustand ein. Wenn die aufgenommene Energie groß
genug ist, werden die Elektronen dabei in Energiezustände in einem höher gelegenen Band gehoben.
169
5.1 Bemerkungen zu Halbleitern
Für die elektrische Leitfähigkeit eines Materials sind nur die beiden energetisch
höchst gelegenen Bänder relevant. Das oberste Energieband heißt Leitungsband,
das darunterliegende Valenzband. Dazwischen liegt die Bandlücke als „verbotene
Zone". Ein Material ist nur dann elektrisch leitend, wenn entweder ein Teil der Energiezustände im Leitungsband durch Elektronen besetzt ist oder ein Teil der Energiezustände im Valenzband unbesetzt ist. Ein guter Isolator weist deshalb ein
vollständig von Elektronen besetztes Valenzband und ein unbesetztes Leitungsband auf. Außerdem weist ein guter Isolator eine sehr breite verbotene Zone auf.
Daraus folgt, daß einem Isolator eine besonders große Energie zugeführt werden
muß, um ein Elektron ins Leitungsband zu heben und damit elektrische Leitfähigkeit zu erzeugen. Elektrische Leiter sind demgegenüber durch ein teilweise mit Elektronen besetztes Leitungsband und vollständig besetzte tiefere Energiebänder
charakterisiert.
Halbleiter entsprechen im Bändermodell Isolatoren, die jedoch im Unterschied
zu Isolatoren nur eine schmale verbotene Zone aufweisen. Die Folge ist, daß bei
einem Halbleiter bereits die Zufuhr geringer Energiemengen dazu führen kann, daß
Energiezustände im Leitungsband besetzt werden. Bei Raumtemperatur reicht die
thermische Energie bei vielen Halbleitermaterialien schon aus, um Elektronen ins
Leitungsband zu heben. Am absoluten Nullpunkt der Temperatur sind Halbleiter
Isolatoren.
Einen Vergleich der Bändermodelldarstellung von Leitern, Halbleitern und Isolatoren zeigt Bild 5.2.
Bild 5.2. Vergleich der Bändermodelldarstellung von
Leitern, Halbleitern und Isolatoren bei Raumtemperatur.
Gezeichnet sind jeweils Valenz- und Leitungsband. Besetzte Energiezustände sind schraffiert.
170
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.1.2 Dotierte Halbleiter
Unsere bisherigen Betrachtungen betrafen reine Halbleiter, die als Eigenhalbleiter
bezeichnet werden. Technisch genutzte Halbleiter werden (von wenigen Ausnahmen abgesehen) gezielt in ganz geringem Maße verunreinigt (dotiert). Die Wirkung
dieser Dotierung soll im folgenden untersucht werden. Dazu betrachten wir beispielhaft Silizium (Si) in Bild 5.3.
Elektronenfehlstelle
Bild 5.3. Reines Silizium (links), n-dotiertes Silizium
(Mitte) und p-dotiertes Silizium (rechts), Im reinen Halbleitermaterial werden alle Elektronen der äußeren Schale für kovalente Bindungen mit den Nachbaratomen benötigt. Durch die Zufuhr äußerer Energie kann ein SiAtom ionisiert werden, wobei ein Elektron in das Leitungsband gehoben wird. Dabei bleibt ein Loch im Valenzband zurück. Elektron und Loch können den Strom
leiten oder unter Energieabgabe rekombinieren. Im ndotierten Halbleiter steht ein Überschußelektron im Leitungsband für den Stromtransport zur Verfügung. Im pdotierten Halbleiter kann sich eine Elektronenfehlstelle
im Valenzband durch den Kristall bewegen und dadurch
den Strom leiten.
Reines Silizium kristallisiert in einer Diamantstruktur. Jedes Si-Atom „teilt sich"
entsprechend seiner Wertigkeit „4“ jeweils ein Elektron mit vier Nachbaratomen, es
bildet vier sogenannte kovalente Bindungen.
Werden in diese Kristallstruktur Verunreinigungen aus 5-wertigen Atomen
(z.B. Arsen, As; Phosphor, P; Antimon, Sb) anstelle von Siliziumatomen eingebaut,
so werden vier Elektronen dieser sogenannten Dotierungsatome für die kovalenten Bindungen mit den benachbarten Siliziumatomen benötigt. Das fünfte Elektron wird nicht zum Aufbau der Kristallstruktur benötigt und kann durch eine sehr
kleine Energiezufuhr von dem Dotierungsatom gelöst werden. Es steht dann als
Überschußelektron für die elektrische Leitung im Leitungsband zur Verfügung. Bereits durch den Austausch jedes 10-5-ten Si-Atoms durch ein As-Atom läßt sich die
bei Raumtemperatur mäßige elektrische Leitfähigkeit um den Faktor 103 erhöhen.
Durch die Dotierung mit 5-wertigen Elementen (n-Dotierung) entsteht
171
5.1 Bemerkungen zu Halbleitern
ein sogenannter n-leitender Halbleiter. Für einen Ladungstransport stehen negativ
geladene Überschußelektronen im Leitungsband zur Verfügung.
Werden in einen Siliziumkristall Verunreinigungen von 3-wertigen Atomen (z.B.
Bor, B; Indium, In; Gallium, Ga; Aluminium, AI) eingebaut (p-Dotierung), so entsteht
ein p-Halbleiter. Diesem fehlt an der Störstelle ein Elektron für die kovalenten Bindungen zu den benachbarten Si-Atomen. Die Fehlstelle kann von einem Elektron
eines Nachbaratoms aufgefüllt werden, wenn diesem eine sehr geringe Energie
zugeführt wird. Dadurch wandert die Elektronenfehlstelle (Loch genannt) zu dem
Nachbaratom. Unter dem Einfluß eines elektrischen Feldes kann das Loch im Valenzband gerichtet durch den Kristall wandern und einen Strom erzeugen wie ein
Überschußelektron in einem n-Halbleiter. Der Stromfluß in einem p-dotierten Halbleiter wird durch die positiv geladenen Elektronenfehlstellen (Löcher) getragen.
Im Bändermodell entsteht durch die Dotierung ein neuer erlaubter Energiezustand in der verbotenen Zone zwischen Valenz- und Leitungsband. Bei n-Dotierung
liegt dieser Zustand (Donatorniveau genannt) dicht an der Leitungsbandkante.
Durch eine geringe Energiezufuhr kann dieser Zustand entleert werden und ein Zustand im Leitungsband besetzt werden. Wie wir wissen, erzeugt eine Besetzung
des Leitungsbandes elektrische Leitfähigkeit. Bei p-Dotierung entsteht ein neuer
erlaubter Energiezustand in der verbotenen Zone in der Nähe der Valenzbandkante. Durch eine geringe Energiezufuhr kann ein elektronischer Zustand des Valenzbandes entleert und der neue Zustand (Akzeptorniveau) besetzt werden. Auch dadurch entsteht elektrische Leitfähigkeit. Bild 5.4 zeigt die Lage von Donator- und
Akzeptorniveau von dotierten Halbleitern.
Bild 5.4. Durch die Dotierung eines Halbleiters entstehen
in der verbotenen Zone neue erlaubte Energiezustände.
172
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.1.3 Der pn-Übergang
Wir haben bisher gesehen, daß die mäßige elektrische Leitfähigkeit eines Halbleiters durch eine Dotierung erhöht werden kann. Die Konzentration der Dotierungsatome bestimmt die elektrischen Eigenschaften. Außerdem haben wir gesehen,
daß in p-dotierten Halbleitern ein Ladungstransport durch Löcher bewirkt wird und
in n-dotierten Halbleitern durch Elektronen.
Wird nun ein Kristall so dotiert, daß eine n-dotierte Zone und eine p-dotierte
Zone aneinander grenzen, so entsteht ein sogenannter pn-Übergang. Ein pnÜbergang hat spezielle Eigenschaften, die in vielen elektronischen Schaltelementen ausgenutzt werden.
Bild 5.5. n- und p-dotierte Zonen eines Halbleiters stoßen an einer Grenzschicht aneinander. In der n-Zone
sind zahlreiche Elektronen vorhanden, die sich frei bewegen können. Da diese in der p-Zone fehlen, diffundieren die Elektronen aufgrund des Konzentrationsunterschiedes in die p-Zone. Dort finden die Elektronen
zahlreiche Löcher vor, mit denen sie rekombinieren
können. Analog dazu diffundieren Löcher der p-Zone in
die n-Zone und rekombinieren mit Elektronen. Da vor
der Diffusion jedes Material elektrisch neutral war,
verbleiben im p-Material negativ geladene Atomrümpfe
und im n-Material positiv geladene Atomrümpfe. Zwischen den Atomrümpfen entsteht ein elektrisches Feld,
das von der n-Zone zur p-Zone gerichtet ist und damit
den Diffusionsprozessen entgegenwirkt, die von den
Konzentrations-unterschieden angetrieben werden. Die
skizzierte Ortskoordinate x benötigen wir später.
An einer Grenzschicht zwischen p- und n-dotierten Halbleitern diffundieren Elektronen aus dem n-Material in das p-Material und rekombinieren dort mit den zahlreich
vorhandenen Löchern. In gleicher Weise diffundieren Löcher aus dem p-Material in
das n-Material und rekombinieren dort mit den zahlreich vorhandenen Elektronen.
Jede diffundierte Ladung hinterläßt in ihrem Ausgangsbereich eine
173
5.1 Bemerkungen zu Halbleitern
Ladung entgegengesetzten Vorzeichens, da vor der Diffusion jede Zone elektrisch
neutral war. Die zurückbleibenden Ladungen sind ortsfest an die Dotierungsatome
gebunden. Wir nennen sie deshalb Raumladungen. Zwischen den Raumladungen
bildet sich ein elektrisches Feld aus, das einer weiteren Diffusion der Ladungsträger entgegenwirkt und einen Gleichgewichtszustand herbeiführt. Bild 5.5 zeigt die
Ladungsverteilung an einem pn-Übergang.
Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen den Raumladungen und dem
elektrischen Feld berechnet werden. Wir machen den Ansatz mit Gl. 2.18
und beschreiben die Raumladungen mit der Raumladungsdichte p:
(5.1)
mit
Bild 5.6. Modellmäßige Darstellung der Raumladung,
der elektrischen Feldstärke und des elektrischen Potentials zu beiden Seiten des pn-Übergangs. Das Vorzeichen der elektrischen Feldstärke wurde passend zu
Bild 5.5 gezeichnet. Als Bezugspotential wurde das
elektrische Potential des p-dotierten Bereichs gewählt.
174
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Im eindimensionalen Fall folgt
(5.2)
Die Änderung der elektrischen Feldstärke in der Raumladungsschicht ist folglich
proportional der Ladungsdichte:
(5.3)
Sie ändert ihr Vorzeichen mit der Raumladung. Unter Benutzung von Gl. 2.8
können wir das elektrische Potential φ einführen. Im ebenen Fall können wir schreiben
(5.4)
Die Ladungsdoppelschicht führt zu einem steilen Anstieg des elektrischen Potentials in der Raumladungszone. Bild 5.6 zeigt den Zusammenhang von Raumladung,
elektrischer Feldstärke und elektrischem Potential an einem pn-Übergang.
Bild 5.7. An einen pn-Übergang wird eine Spannung angelegt. Wird
der pn-Übergang in Sperrichtung betrieben (d.h. an der n-dotierten
Seite liegt der Pluspol der Spannungsquelle und an der p-dotierten
Seite liegt der negative Pol der Spannungsquelle), so wird die
Raumladungszone verbreitert und es ist kein Stromfluß möglich.
Bei umgepolter Spannung (sog. Durchlaßrichtung) wird die Breite
der Raumladungszone verringert und es fließt ein Strom.
Legen wir eine Spannung an den Halbleiter an, so können wir die Breite der
Raumladungszone verändern. Dabei bewirkt eine negative Spannung gemäß Bild
5.7 (positiver Pol der Spannungsquelle am n-dotierten Halbleitermaterial), daß
175
5.1 Bemerkungen zu Halbleitern
die Raumladungszone breiter wird. Wegen des Fehlens freier Ladungsträger in der
Raumladungszone fließt kein Strom. Der pn-Übergang sperrt.
Polen wir die Spannung um, so daß der positive Pol der Spannungsquelle am
p-dotierten Bereich liegt, so wird die Raumladungszone schmaler, bis sie bei hinreichend hoher Spannung sogar verschwindet. In diesem Fall sind in ausreichender Zahl freie Ladungsträger vorhanden. Der pn-Übergang ist elektrisch leitend.
Ein pn-Übergang zeigt also einen richtungsabhängigen nichtlinearen Zusammenhang zwischen Strom und Spannung, der in vielerlei Anwendungen ausgenutzt
werden kann. Schaltelemente, deren Eigenschaften durch das Verhalten eines pnÜbergangs bestimmt werden, heißen Dioden und werden im folgenden genauer
betrachtet.
176
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.2 Dioden
Dioden sind gemäß Bild 5.8 aus einem pn-Übergang aufgebaut. Die Anschlüsse einer Diode werden mit Anode und Kathode bezeichnet. Die Anode ist mit
dem p-dotierten Bereich verbunden, die Kathode mit dem n-dotierten Bereich. Die
Diodenspannung u fällt von der Anode zur Kathode ab.
Bild 5.8. Aufbau und Schaltzeichen einer Diode.
Der Zusammenhang von Strom und Spannung an einer Diode ist nichtlinear.
Er wird näherungsweise durch die Beziehung
(5.5)
mit
i0 = Sperrstrom
m = positiver Korrekturfaktor ≈ 1...2
UT =
kT
Temperaturspannung
e
k = 1,380658
J
= BOLTZMANN-Konstante31
K
T = absolute Temperatur
e = Elementarladung
beschrieben. Eine typische Kennlinie zeigt Bild 5.9. Wegen ihrer nicht linearen
Kennlinie werden Dioden als nicht lineare Schaltelemente bezeichnet. Bisher hatten wir nur lineare Schaltelemente kennengelernt.
Der nichtlineare Zusammenhang von Strom und Spannung wird für verschiedene technische Anwendungen ausgenutzt. Je nach Anwendungsfall wird der Aufbau der
31
LUDWIG BOLTZMANN, * 20.2.1844 in Wien, † 5.9.1906 in Duino (bei Triest). Physiker, theoretische Arbeiten u.a. auf dem Gebiet der Thermodynamik, Mitbegründer der statistischen Mechanik.
177
5.2
Dioden
Bild 5.9. Links: Strom-Spannungs-Kennlinie einer Diode. Für u < 0 fließt nur ein sehr geringer Sperrstrom.
Erst bei hohen negativen Spannungen usperr,max kommt
es zu einem rapiden Stromanstieg. In diesem Bereich
dürfen Dioden im allgemeinen nicht betrieben werden.
Sie würden thermisch zerstört. Im Bereich u > 0 ist die
Diode leitend. Der Strom steigt exponentiell mit der
Spannung an. Oberhalb eines Grenzwertes imax darf die
Diode nicht betrieben werden, da sie sonst ebenfalls
thermisch zerstört würde. Rechts sehen wir eine idealisierte Kennlinie (Kennlinie der idealen Diode). Hier sind
Sperrstrom und Durchlaßspannung Null.
Diode optimiert, beispielsweise durch eine bestimmte Konzentration der Dotierungsstoffe, die Abmessungen des Halbleiterkristalls oder die Wahl eines geeigneten Halbleitermaterials. Im folgenden sollen einige typische Ausführungsformen
von Dioden und die entsprechenden Anwendungen betrachtet werden. Nicht eingehen werden wir beispielsweise auf Hochfrequenzanwendungen (z.B. Demodulation amplitudenmodulierter Signale) und sehr spezielle Diodentypen wie Kapazitätsvariationsdioden, Tunneldioden, Backward-Dioden und die einen MetallHalbleiter-Kontakt aufweisenden SCHOTTKY-Dioden32.
32
WALTER SCHOTTKY, * 23.7.1886 in Zürich, † 4.3.1976 in Pretzfeld (Bayern), Physiker, maßgebende Arbeiten auf dem Gebiet der Elektronenröhren und der Theorie der Halbleiter, z.B. MetallHalbleiter-Kontakte.
178
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.2.1 Gleichrichterdioden
Hier wird die Eigenschaft der Diode ausgenutzt, daß ein Stromfluß in der Diode nur
in einer Richtung möglich ist. Wird eine Diode gemäß Bild 5.10 an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen, so führen nur positive Halbwellen zu einem
Stromfluß im Verbraucherwiderstand RV. Der Verbraucher wird somit nicht von einem Wechselstrom, sondern von einem pulsierenden „Gleichstrom“ durchflossen.
Bild 5.10. Links sehen wir eine Wechsel- spannungsquelle, die über eine Diode D einen Verbraucherwiderstand RV speist. Rechts sind die Quellenspannung, die
Spannungen an Diode und Widerstand sowie der
Strom über die Zeit aufgetragen. Es wird eine ideale
Diode vorausgesetzt.
Der Mittelwert der am Verbraucher anliegenden Spannung beträgt bei der sogenannten Einweggleichrichtung aus Bild 5.10 unter der Voraussetzung einer idealen Diode
(5.6)
Eine Möglichkeit, auch die negative Halbwelle der Quellenspannung für einen
Stromfluß im Verbraucherwiderstand auszunutzen, bietet die Gleichrichterbrückenschaltung gemäß Bild 5.11.
Für den Mittelwert der Gleichspannung am Verbraucherwiderstand ergibt sich
für die Gleichrichterbrückenschaltung unter der Annahme idealer Dioden
(5.7)
179
5.2 Dioden
Bild 5.11. Der Verbraucherwiderstand RV wird über vier
Dioden an die Wechselspannungsquelle angeschlossen. Für positive Quellenspannungen leiten die Dioden
D1 und D4, für negative Quellenspannungen die Dioden
D2 und D3. Rechts sind die Quellenspannung, die
Spannungen an den Dioden, die Spannung und der
Strom am Verbraucherwiderstand und der Strom der
Quelle unter der Voraussetzung idealer Dioden skizziert.
180
5.2 Dioden
Maßnahmen zur Verringerung der Welligkeit gleichgerichteter Spannungen
Die Welligkeit gleichgerichteter Spannungen und Ströme kann durch den Einsatz
von Energiespeichern verbessert werden. Dazu betrachten wir Bild 5.13, das die
Einweggleichrichterschaltung aus Bild 5.10 zeigt, die um den Kondensator C erweitert wurde.
Bild 5.13. Durch das Parallelschalten eines Kondensators C zum Verbraucherwiderstand RV kann die Welligkeit der gleichgerichteten Wechselspannung reduziert
werden.
Der Kondensator ist zum Zeitpunkt t± auf die Spannung uC(t1) aufgeladen und
1
hat die Energie WE = ⋅ C ⋅ uC2 (t1) gespeichert. Durch den Verbraucherwiderstand
2
u (t ) u (t )
RV fließt zu diesem Zeitpunkt der Strom iR(t1) = R 1 = C 1 . Dieser Strom wird
R
R
aus der Spannungsquelle über die Diode getrieben. Für t > t1 sinkt die Wechselspannung unter die Kondensatorspannung. Jetzt übernimmt der Kondensator die
Stromlieferung an den Verbraucherwiderstand, da seine Spannung größer ist als
die Wechselspannung und die Diode damit in Sperrichtung geschaltet ist. Indem
der Kondensator den Verbraucherstrom iR treibt, wird er entladen. Dadurch sinkt
seine Spannung exponentiell, bis die Wechselspannung in der folgenden Periode
wieder über die Kondensatorspannung angestiegen ist. Jetzt liefert wieder die
Quelle den Verbraucherstrom und lädt außerdem den Kondensator auf. Der Strom
i wird über
181
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
den Innenwiderstand Ri der Quelle begrenzt. Je nach der Größe des Kondensators
und des Verbraucherwiderstandes wird die Welligkeit der Gleichspannung mehr
oder weniger gut reduziert. Eine sehr grobe Abschätzung des Spannungseinbruchs ist mit folgender Überlegung möglich:
Der Kondensator mit der Kapazität C werde nach einer Zeit τ jeweils neu geladen.
( τ entspricht bei einem 50-Hz-Wechselspannungsnetz annähernd 20ms bei Einweggleichrichtung, 10ms bei Brückengleichrichtung und 3,3ms bei Drehstrombrückengleichrichtung.) Für diese Zeit muß der Kondensator den Verbraucherstrom liefern. Mit sinkender Spannung sinkt auch der Verbraucherstrom. Gehen wir
vereinfachend von einem konstanten Verbraucherstrom I aus, so muß der Kondensator die Ladung Δ Q = I · τ liefern. Daraus resultiert dann ein Spannungseinbruch
(5.9)
Eine gute Gleichspannung mit kleiner Welligkeit läßt sich mit einem Kondensator großer Kapazität bei kleinen Verbraucherströmen erzielen. Eine weitere Möglichkeit liegt darin, τ zu verkürzen. Das wird in Schaltnetzteilen ausgenutzt, in denen eine Gleichspannung aus einer zuvor erzeugten Wechselspannung höherer
Frequenz gewonnen wird.
Bei großen Strömen ist es sinnvoll, Energie nicht in einem Kondensator, sondern in einer Induktivität zwischenzuspeichern, die in Serie zum Verbraucherwiderstand RV angeordnet ist. In diesem Fall ist eine zweite Diode D2 (Freilaufdiode)
erforderlich, die den aus Induktivität und Verbraucherwiderstand bestehenden
Stromkreis schließt, wenn die Gleichrichterdiode D1 stromlos ist. Bild 5.14 zeigt die
Schaltung.
Bild 5.14. Reduzierung der Welligkeit einer gleichgerichteten Spannung mit einer Induktivität. Zusätzlich zur
Gleichrichterdiode D1 wird die Freilaufdiode D2
benötigt. Diese übernimmt den Strom iR des Verbraucherkreises, wenn die Gleichrichterdiode stromlos ist.
Quellen, bei denen die Glättung mit Kondensatoren erfolgt, stellen näherungsweise Spannungsquellen dar. Dient zur Glättung eine Induktivität, so wirkt die
Schaltung annähernd wie eine Stromquelle.
182
5.2 Dioden
Gleichrichterdioden sind in vielen Ausführungsformen am Markt erhältlich. Es
wird ein Sperrspannungsbereich bis zu mehreren kV und ein Strombereich bis zu
einigen kA abgedeckt. Außerdem sind vollständige Brückengleichrichter und Drehstrombrückengleichrichter verfügbar.
183
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.2.2 Schaltdioden
Von einer Schaltdiode wird dann gesprochen, wenn die Diode abhängig von der
Polarität an Anode und Kathode als Schalter mit den Schalterstellungen offen
(Sperrbetrieb) oder geschlossen (Durchlaßbetrieb) betrieben wird.
Als ein einfaches Beispiel wird die Schaltung in Bild 5.15 betrachtet. In Kapitel
7 haben wir berechnet, mit welcher Zeitkonstanten ein Kondensator über einen
OHMschen Widerstand R geladen wird. Hier ist der Widerstand aufgeteilt in zwei
Widerstände R1 und R2. Parallel zu R2 ist eine ideale Diode geschaltet. Abhängig
von dem Vorzeichen der Spannung über der Diode und damit von der Stromrichtung in R2 stellt diese einen Kurzschluß oder eine Unterbrechung dar. Die Eingangsspannung uE(t) möge periodisch zwischen Null und +U0 geschaltet werden.
Zu den Zeitpunkten mit uE = U0 wird der Kondensator geladen und zu den Zeitpunkten mit uE = 0 entladen.
Bild 5.15. Ein Kondensator wird über eine Serienschaltung zweier Widerstände geladen und entladen. Eine
Diode wird benutzt, um die Entladezeitkonstante zu
verkleinern.
Wir wollen den zeitlichen Verlauf der Spannung uC(t) berechnen. Dazu stellen wir
die Maschengleichung
mit
für das Laden und das Entladen des Kondensators auf:
184
5.2 Dioden
Laden und Entladen des Kondensators finden also mit unterschiedlichen Zeitkonstanten statt. Bild 5.16 zeigt den Lade- und Entladevorgang für
R1 =
R2 = R.
Bild 5.16. Lade- und Entladevorgang des
Kondensators aus Bild 5.15.
Für den Einsatz in Schaltanwendungen ist das dynamische Verhalten der Diode wichtig. Insbesondere kommt derjenigen Zeit, die eine Diode benötigt, um von
dem leitenden in den sperrenden Zustand zu schalten, eine besondere Bedeutung
zu. Damit die Diode in den sperrenden Zustand übergehen kann, müssen alle freien Ladungsträger aus der Raumladungszone entfernt werden. Dieses Ausräumen
der Ladungen ist vergleichbar mit dem Entladen eines Kondensators. Man kann
der Diode eine Kapazität, die sogenannte Sperrschicht- kapazität, zuordnen, die
dieses Verhalten beschreibt. Die Sperrschichtkapazität und damit die Sperrverzögerungszeit ist vom Aufbau der Diode abhängig. Dioden mit besonders kleinen
Sperrverzögerungszeiten werden als schnelle Dioden bezeichnet.
185
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.2.3 Z-Dioden
Z-Dioden weisen eine Kennlinie und ein Schaltzeichen gemäß Bild 5.17 auf.
Bild 5.17. Schaltzeichen und Kennlinie einer Z-Diode.
Die Spannung UZ, bei der der Durchbruch erfolgt, ist
genau spezifiziert. Sie liegt je nach Typ der Diode zwischen einigen Volt und ca. 400V.
Während bei herkömmlichen Dioden ein Betrieb im Durchbruchbereich zur
thermischen Zerstörung der Diode führt, sind Z-Dioden so aufgebaut, daß sie gerade im Durchbruchbereich, also generell in Sperrichtung, betrieben werden können. Um thermische Überlastungen der Diode auszuschließen, darf eine für jeden
Z-Diodentyp spezifizierte maximal zulässige Verlustleistung nicht überschritten
werden. Eine häufige Anwendung von Z-Dioden findet sich in Schaltungen zur Stabilisierung von Gleichspannungen. Eine einfache Schaltung zeigt Bild 5.18.
Bild 5.18. Einfache Schaltung zur Stabilisierung einer
Gleichspannung an einem Verbraucherwiderstand RV
mittels der Z-Diode ZD.
186
5.2 Dioden
Die Schaltung in Bild 5.18 möge aus einer gleichgerichteten Wechselspannung
mit Glättungskondensator betrieben werden, die wir aus Bild 5.13 kennen. Unser
Ziel ist es, an den Ausgangsklemmen A-B eine stabilisierte Gleichspannung UAB,
also eine Spannung mit genau definierter, konstanter Größe, bereitzustellen. Diese
kann nur kleiner sein als die kleinste Spannung an den Ausgangsklemmen der
Schaltung nach Bild 5.13. Wir wählen eine Z-Diode, deren Spannung UZ genau der
gewünschten Gleichspannung entspricht. Mit dem Widerstand R stellen wir einen
Arbeitspunkt auf der Diodenkennlinie im Durchbruchbereich ein. Da die Kennlinie
sehr steil ist, ändert sich die Spannung an der Z-Diode nur wenig, wenn sich der
Strom iZ durch die Z-Diode ändert. Eine Stromänderung könnte durch die Welligkeit
der Eingangsspannung oder durch einen sich ändernden Verbraucherwiderstand
RV entstehen. Beide Effekte werden durch die Stabilisierungsschaltung innerhalb
bestimmter Grenzen, die durch die Steilheit der Kennlinie der Z-Diode und die auftretenden Stromänderungen bestimmt werden, aufgefangen.
Eine Dimensionierung der Schaltung ist in folgenden Schritten möglich:
1. Die gewünschte Ausgangsspannung UAB bestimmt die Spannung UZ der Z-Diode:
2. Der maximale Ausgangsstrom IAB,max bestimmt die erforderliche Verlustleistung
der Z-Diode. Als Faustformel gilt:
Damit sind die wichtigsten Kenngrößen der Z-Diode bestimmt.
3. Der OHMsche Widerstand R muß den Strom durch die Z-Diode begrenzen:
Die einfache Schaltung ist nur für sehr geringe Verbraucherströme sinnvoll, da
sonst zu große Verlustleistungen in der Z-Diode und im Widerstand R auftreten.
Wir werden später eine um einen Transistor erweiterte Schaltung kennenlernen,
die eher praxistauglich ist.
187
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.2.4 Photodioden
Photodioden dienen zum Empfang optischer Strahlung. Dabei wird der sogenannte
innere Photoeffekt ausgenutzt. Der innere Photoeffekt beschreibt die Absorption
von Photonen in einem Halbleitermaterial. Bei Photodioden wird in dem Halbleitermaterial ein pn-Übergang dotiert. Um die Wirkungsweise von Photodioden zu verstehen. betrachten wir Bild 5.19.
Bild 5.19. Eine Photodiode wird an ihren Klemmen über ein
ideales Amperemeter kurzgeschlossen. Am pn-Übergang der
Diode bildet sich wie bei der normalen Diode eine Raumladungszone aus, in der keine freien Ladungsträger vorhanden
sind. Einfallende Photonen sind in der Lage, Elektron-LochPaare zu erzeugen, sofern ihre Energie
EP = h · ƒ dazu
ausreicht. Wird ein solches Elektron-Loch-Paar in der Raumladungszone erzeugt,JG so wirkt auf die getrennten Ladungen
das elektrische Feld E der Raumladungszone. Als Folge wird
die entstandene Minorität (im n-Bereich: Loch, im p-Bereich:
Elektron) durch den ladungsträgerfreien Bereich transportiert
und bewirkt so einen Photostrom iP in Feldrichtung, der mit
dem Meßgerät registriert werden kann. Der Photostrom fließt
in Sperrichtung der Diode.
Wir wissen, daß an einem pn-Übergang eine Raumladungszone entsteht, in
der keine freien Ladungsträger vorhanden sind. Nur wenn wir eine Spannung in
Durchlaßrichtung anlegen, überschwemmen wir die Raumladungszone mit freien
Ladungsträgern und es fließt ein Strom. Wird die Diode kurzgeschlossen, fließt zunächst kein Strom. Zusatzladungen an den Diodenanschlüssen kompensieren den
Spannungsabfall an der Raumladungszone. Fällt jedoch Licht auf den pnÜbergang,
188
5.2 Dioden
so fließt ein Photostrom iP in Sperrichtung durch die Diode. Diese Erscheinung soll
im folgenden erläutert werden.
Licht kann sowohl als eine sinusförmige elektromagnetische Welle mit der
Frequenz ƒ und der Wellenlänge λ, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, als
auch als Photonenstrom dargestellt werden. Photonen sind Teilchen, die sich mit
Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie werden auch als Lichtquanten bezeichnet. Sie
besitzen eine Energie EP, die gegeben ist durch
(5.10)
mit dem PLANCKschen Wirkungsquantum
und der Frequenz ƒ des Lichts. Diese kann aus der Vakuumwellenlänge des Lichts
λ0 und der in Gl. 4.25 eingeführten Vakuumlichtgeschwindigkeit c gemäß Gl. 9.43
berechnet werden zu
mit
Wenn Licht aus dem Vakuum in ein Medium eintritt, so bleibt die Frequenz des
Lichts unverändert, während sich die Wellenlänge und die Ausbreitungsgeschwindigkeit ändern. Diese Änderungen werden durch die Brechzahl des Mediums n beschrieben:
λ : Wellenlänge des Lichts im Medium mit der Brechzahl n
v : Phasengeschwindigkeit des Lichts im Medium mit der Brechzahl n
Typische Zahlenwerte der Brechzahl sind beispielsweise
Mit den angegebenen Größen kann man für die Photonenenergie des Lichts auch
schreiben
Wir haben in Anlehnung an die Literatur für die Photonenenergie das Formelzeichen E benutzt. Um Verwechselungen mit der elektrischen Feldstärke zu vermeiden,
189
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
haben wir den Index P hinzugefügt, der bei uns nicht als Index einer elektrischen
Feldstärke auftritt.
Die Energie eines Photons EP ist somit von der Frequenz oder Wellenlänge (im
sichtbaren Bereich von der Farbe) der Strahlung abhängig. Die Intensität eines
Lichtstrahls ist im Teilchenmodell proportional der Anzahl der Photonen pro Zeiteinheit.
Dringt ein Photon in den Halbleiter ein, dessen Energie EP = h · ƒ größer als
der Bandabstand des Halbleiters ist, so kann das Photon absorbiert werden. Dabei
hebt es ein Elektron vom Valenzband in das Leitungsband, so daß ein ElektronLoch-Paar entsteht. Findet die Absorption eines Photons in einer feldfreien Zone
des Halbleiters statt, so besteht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, daß Elektron
und Loch wieder rekombinieren, ohne daß die Entstehung des Elektron-LochPaares in einem äußeren Stromkreis registriert werden kann. Werden dagegen
Photonen in der Raumladungszone absorbiert, so sind plötzlich dort freie Ladungsträger vorhanden, die durch das elektrische Feld in der Raumladungszone getrennt
werden und einen im äußeren Stromkreis der (beispielsweise kurzgeschlossenen)
Diode registrierbaren Photostrom bewirken. Der Photostrom fließt in Sperrichtung
der Diode.
Wie wir gesehen haben, liefert nicht jedes Photon ein Elektron-Loch-Paar, das
in einem äußeren Stromkreis detektiert werden kann. Zur Kennzeichnung dieses
Verhaltens wird der Quantenwirkungsgrad η benutzt.
Anzahl der registrierbaren Elektron-Loch-Paare pro Zeiteinheit
η = Anzahl der einfallenden Photonen pro Zeiteinheit
(5.11)
Der Quantenwirkungsgrad einer Photodiode ist vom Halbleitermaterial, dem physikalischen Aufbau der Diode und von der Wellenlänge der zu messenden Strahlung
abhängig.
Der in Bild 5.19 im äußeren Stromkreis der Photodiode meßbare Photostrom
iP ergibt sich mit dem Quantenwirkungsgrad gemäß Kapitel 3.2 zu
(5.12)
mit
e = Elementarladung
dNe
= pro Zeiteinheit in der Photodiode erzeugte Elektron-Loch-Paare
dt
dNP
= pro Zeiteinheit an der Photodiode eintreffende Photonen
dt
PL = h ⋅ ƒ ⋅
dNP
an der Photodiode einfallende Lichtleistung.
dt
190
5.2 Dioden
Im folgenden werden einige für den technischen Einsatz von Photodioden
wichtige Aspekte behandelt.
Kennlinie von Photodioden
Bild 5.20. Kennlinie einer Photodiode bei Beleuchtung.
Durch die Beleuchtung verschiebt sich die Kennlinie
nach unten. Die Verschiebung ist proportional zur einfallenden Lichtleistung.
Bild 5.20 zeigt die Kennlinie einer beleuchteten Photodiode. Der Kurzschlußstrom einer Photodiode ist über einen sehr großen Dynamikbereich von ca. 7 Dekaden linear mit der einfallenden Lichtleistung verknüpft. Wir sehen, daß der Photostrom ein Strom in Sperrichtung ist.
191
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Beschaltung von Photodioden
- in Sperrichtung mit Arbeitswiderstand
Bild 5.21. Die Photodiode PD wird in Sperrichtung betrieben. Der Photostrom erzeugt einen Spannungsabfall
am Widerstand R, Die Bandbreite der Schaltung wird
durch die Sperrschichtkapazität der Diode und den Widerstand R entsprechend τ = R ⋅ C Sperrschicht begrenzt. Rechts sehen wir die Kennlinie der beleuchteten
Photodiode aus Bild 5.20. Die Arbeitsgerade, die durch
ΔuR
die Gleichspannung U0 und den Widerstand R =
Δi
gegeben ist, liefert die Spannung über der beleuchteten
Photodiode. Die Arbeitsgerade liegt im dritten Quadranten. Die Photodiode wird als Strahlungsdetektor betrieben. Im Solarzellenbetrieb verschiebt sich die Arbeitsgerade in den 4. Quadranten. Hier arbeitet die Photodiode als Generator auf den Widerstand R.
Der Photostrom einer Photodiode ist gemäß Gl. 5.12 proportional zur einfallenden
Lichtleistung PL und dem Quantenwirkungsgrad η:
An einem Widerstand kann entsprechend Bild 5.21 der Photostrom in eine Spannung
(5.13)
umgesetzt und einem Verstärker zugeführt werden. Aus der Maschengleichung
folgt für die Spannung über der Photodiode mit iP = - iD
(5.14)
Wie aus Bild 5.21 zu ersehen ist, hat für Arbeitspunkte im 3. Quadranten uD praktisch keinen Einfluß auf iP.
192
5.2 Dioden
Wenn die Schaltung schnelle Beleuchtungsänderungen erfassen soll, wählt
man neben einem kleinen Widerstand R eine möglichst große Spannung U0. Dann
wird die Sperrschichtkapazität der Photodiode minimal. Wegen des kleinen Widerstandes kann die Spannung uR dadurch allerdings sehr klein werden. Die Spannung uD ist in dieser Schaltung immer < 0.
- als Solarzelle
Für U0 = 0 in Bild 5.21 folgt für die Diodenspannung
Die Photodiode arbeitet jetzt als Generator auf den Widerstand R. Man nennt diese
Schaltungsart Solarzellenbetrieb. Wegen des nicht linearen Zusammenhangs zwischen einfallender Lichtleistung und Photostrom für uD > 0 wird diese Schaltung
zur Messung optischer Signale nicht benutzt.
- in Sperrichtung mit Strom-Spannungs-Wandler
Eine Schaltung, mit der sehr kleine Photoströme gemessen werden können, zeigt
Bild 5.22. Die Schaltung des Operationsverstärkers haben wir als StromSpannungs-Wandler oder Trans-Impedanz-Verstärker in Kapitel 3.13.4 kennengelernt.
Bild 5.22. Photodiode mit Strom-Spannungs-Wandler.
Die Ausgangsspannung des als ideal vorausgesetzten Operationsverstärkers ergibt
sich mit Gl. 3.69 sowie iP = iR zu
(5.15)
Durch die Wahl eines großen Widerstandes: R (z.B. 10M Ω ) können noch sehr
geringe Lichtintensitäten erfaßt werden. Bei sehr großen Widerstandswerten kann
die Schaltung instabil werden und wie ein Oszillator schwingen. Zur Unterdrückung
193
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
solcher Schwingungen kann ein kleiner Kondensator zum Widerstand parallelgeschaltet werden. Dabei wird im allgemeinen die Bandbreite der Schaltung, d.h.
die obere Grenzfrequenz, bis zu der Intensitätsschwankungen des Lichts registriert
werden können, verkleinert.
Detektierbare Wellenlängenbereiche
Die Wellenlänge der detektierbaren Strahlung wird im Wesentlichen durch folgende
Effekte bestimmt:
- Die Energie der einfallenden Photonen EP = h ⋅ f muß größer als der Bandabstand des verwendeten Halbleitermaterials sein, damit überhaupt ElektronLoch-Paare erzeugt werden können. Daraus resultiert eine minimale Frequenz
oder maximale Wellenlänge der registrierbaren Strahlung für das betreffende
Halbleitermaterial.
- Die zu registrierende Strahlung muß bis in die Raumladungszone gelangen
und dort absorbiert werden. Mit steigender Energie der Photonen steigt die
Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Photonen schon absorbiert werden, ehe sie
die Raumladungszone erreichen. Daraus resultiert eine von der Bauart der
Photodiode und vom Halbleitermaterial abhängige maximale Frequenz oder
minimale Wellenlänge der registrierbaren Strahlung.
Zwischen den Grenzwellenlängen ist die Empfindlichkeit im allgemeinen wellenlängenabhängig. In der folgenden Tabelle sind die Grenzwellenlängen einiger typischer Halbleitermaterialien bei Raumtemperatur aufgeführt. Zum Vergleich: Das
menschliche Auge nimmt Strahlung etwa zwischen 0,4 µm (blau) und 0,7 µm (rot)
wahr.
Material untere Grenzwellenlänge in µm obere Grenzwellenlän- in µm
Si
0,4
1,15
Ge
0,6
1,9
InGaAs
0,8
1,7
InSb
1
7,3
Ge:Cu
bis 30
Die aufgeführten Materialien InSb und Ge:Cu finden nicht in Photodioden, sondern
in Photowiderständen, das sind Widerstände, deren Widerstands wert durch die
Beleuchtung verändert wird, Verwendung. Die Empfindlichkeit von Photowiderständen reicht weit bis in den langwelligen Infrarotbereich hinein. Ge:CuPhotowiderstände können daher z.B. für den Nachweis von CO2-Laserstrahlung
bei 10,6 µm eingesetzt werden. CO2-Laser finden in der Materialbearbeitung beispielsweise zum Schweißen und Schneiden Verwendung. Detektoren zur Messung
von langwelliger Infrarotstrahlung müssen gekühlt werden, beispielsweise mit flüssigem Stickstoff auf 77K.
194
5.2 Dioden
Ausführungsformen von Photoempfängern
Photodioden werden in vielfältigen Ausführungsformen angeboten. Manchmal ist
es schwierig, zu erkennen, ob eine Bezeichnung, die ein Hersteller für eine bestimmte Ausführung angibt, wirklich einen besonderen Typ mit besonderen Eigenschaften kennzeichnet oder ob ein neuer Name nur beispielsweise eine spezielle
Herstellungsmethode mit vergleichbaren Eigenschaften der Dioden anderer Hersteller beschreibt. Im folgenden sollen einige Begriffe aus der Photodetektortechnik
vorgestellt werden:
PIN-Dioden besitzen zwischen der p-dotierten Zone und der n-dotierten Zone
einen undotierten, sogenannten eigenleitenden Bereich (englisch: intrinsic). Durch
den Einbau der i-Zone wird die Raumladungszone vergrößert. Damit steigt die
Wahrscheinlichkeit für die Absorption von Photonen in der Raumladungszone. Außerdem wird die Sperrschichtkapazität verringert. PIN-Dioden sind aus diesen
Gründen sehr schnelle Detektoren und werden häufig eingesetzt.
Lawinenphotodioden (Avalanche Photo Diodes, APDs) weisen einen inneren
Verstärkungsmechanismus des Photostromes auf. Durch eine geeignete Dotierung
und eine Betriebsspannung von einigen hundert Volt entsteht in der Diode ein Bereich sehr hoher elektrischer Feldstärke. Durch Absorption von Photonen erzeugte
Elektronen werden in diesem Bereich so stark beschleunigt, daß ihre Energie ausreicht, um weitere Elektron-Loch-Paare zu erzeugen. Diese erhöhen den Photostrom. Es gelingt, den Photostrom um einen Faktor 100 bis 200 zu verstärken. Der
Betrieb von Lawinenphotodioden erfordert die Beachtung verschiedener Randbedingungen und ist nicht trivial. Der erforderliche hohe Aufwand wird in Kauf genommen, wenn sehr kleine optische Leistungen registriert werden müssen. Typische Einsatzbereiche liegen in der optischen Nachrichtenübertragung mit Lichtleitfasern.
Solarzellen sind Photodioden, die einfallende Lichtleistung in elektrische Leistung umsetzen. Sie werden großflächig und mit dem Ziel eines hohen Quantenwirkungsgrades gebaut. Ihr Einsatz dient der Umwandlung von Sonnenenergie in
elektrische Energie.
CCDs (Charge Coupled Devices, Ladungsgekoppelte Schaltelemente) weisen
eine große Zahl von Photodetektoren auf, die beispielsweise linear in einer Zeile
von 2048 Einzelelementen (Pixeln) oder in einem Rechteck von beispielsweise
604 x 576 Einzelelementen angeordnet sein können. Durch eine Beleuchtung der
Einzelelemente erzeugte Ladungsträger werden in einem Potentialtopf unter dem
jeweiligen Element festgehalten. Durch geeignete Potential Verschiebungen werden die festgehaltenen Ladungen nacheinander einem Ladungs-SpannungsWandler zugeführt. Dieser stellt an dem Ausgang des CCD eine Spannung zur
Verfügung, die nacheinander die Beleuchtung aller Einzelzellen repräsentiert. Dazu ist eine intelligente digitale Signalverarbeitung auf dem CCD erforderlich. Moderne Fernsehkameras und Videokameras enthalten CCDs.
195
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Photowiderstände (LDRs, Light Dependent Resistors) bestehen aus Halbleitermaterial, und ihre Wirkungsweise beruht wie die der Photodioden auf dem inneren Photoeffekt. Im Unterschied zu Photodioden wird hier jedoch kein pn-Übergang
dotiert. Die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren durch Beleuchtung führt hier zu
einer Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit und damit zu einem kleineren Widerstandswert als im unbeleuchteten Zustand.
Die Wirkungsweise von Photozellen und Photomultipliern beruht nicht auf
dem oben beschriebenen inneren Photoeffekt, sondern auf dem sogenannten äußeren Photoeffekt.
196
5.2 Dioden
5.2.5 LEDs und Laserdioden
Lichtemittierende Dioden (LEDs, light emitting diodes) und Laserdioden (LASER:
Kunstwort für „light amplification by stimulated emission of radiation") senden Licht
aus, wenn ihr pn-Übergang in Durchlaßrichtung stromdurchflossen wird. Das Licht
entsteht im pn-Übergang durch die Rekombination von Elektronen und Löchern,
wie in Bild 5.23 angedeutet.
Bild 5.23. Durch die Rekombination von Elektronen
und Löchern wird Energie frei. Diese wird in Form von
Photonen abgestrahlt, Man unterscheidet spontane und
induzierte Emissionsprozesse.
Bei der Rekombination eines Elektrons und eines Lochs wird Energie frei, die
in der Form eines Photons abgestrahlt wird. In LEDs erfolgt die Rekombination in
einem statistisch verteilten spontanen Prozeß. Dabei entsteht inkohärente Strahlung in alle Raumrichtungen. Wir kennen inkohärente Strahlung beispielsweise
vom Glühlampenlicht, das aber im Unterschied zum LED-Licht über einen großen
Spektralbereich verteilt ist. LED-Licht ist auf einen kleinen Spektralbereich konzentriert. Die Farbe der Strahlung ist vom Bandabstand des Halbleitermaterials
abhängig.
In Laserdioden rekombinieren die Elektronen und Löcher hauptsächlich in
einem durch ein äußeres Strahlungsfeld induzierten Prozeß. Dieser induzierte
Prozeß stellt die Umkehrung des Absorptionsprozesses dar, bei dem mit der Energie des Photons in dem Halbleiter ein Elektron-Loch-Paar gebildet wird. Beim
induzierten Emissionsprozeß wird dagegen von einem auf das Elektron-Loch-Paar
einfallenden Photon ein zweites Photon mit gleichen Eigenschaften erzeugt. Sind
die Endflächen der Diode außerdem parallel, eben und genügend hochreflektierend, so bildet sich
197
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
zwischen ihnen eine stehende Welle mit einer festen Frequenz aus. Ein Teil dieses
Lichtes wird von der Laserdiode senkrecht zu den spiegelnden Endflächen abgestrahlt, wobei die Verluste durch induzierte Emissionsprozesse in der Diode ersetzt
werden.
Bild 5.24. Spektrale Emission von Glühlampe, LED
und Laserdiode. Für die Glühlampe wurde eine Fadentemperatur von 2000K angenommen. Das Maximum
der Emission liegt im infraroten Spektralbereich. Nur
der Anteil der Strahlung zwischen etwa 400nm und
700nm ist für das menschliche Auge sichtbar. Die Kurve der „blauen LED" wurde an einer LED aus Siliziumkarbid (SiC) gemessen. Die relativ breitbandige Emission erweckt einen weißlichblauen Farbeindruck. Moderne blau emittierende LEDs aus Galliumnitrid (GaN)
sind erheblich schmalbandiger und rufen einen tiefblauen Farbeindruck hervor. Die Emission der Laserdiode ist extrem schmalbandig.
Im Gegensatz zur LED-Strahlung ist Laserdiodenlicht extrem schmalbandig
und stark gebündelt (wenngleich die Laserdiodenstrahlung nicht so schmalbandig
wie von anderen Lasertypen ist). Bild 5.24 zeigt einen Vergleich der spektralen
Emission verschiedener Lichtquellen.
Die besondere Eigenschaft der Laserstrahlung ist ihre Kohärenz. Eine exakte
Beschreibung erfolgt im Rahmen einer mathematisch aufwendigen Theorie, die wir
198
hier nicht betrachten können. Der Unterschied zwischen kohärenter und inkohärenter Strahlung kann mit Bild 5.25 verdeutlicht werden: Ein Laser gibt monochromatische
199
5.2 Dioden
Strahlung in einer Raumrichtung ab. Im einfachsten Fall läßt sich die Intensitätsverteilung quer zum Strahl durch eine GAUSSsche Glockenkurve darstellen. Die Ausbreitung dieser GAUSSschen Strahlen im Raum kann sehr leicht berechnet werden,
würde aber den Rahmen unserer Darstellung sprengen. Inkohärente Strahlung besteht aus einer Vielzahl von Schwingungen in unterschiedlichen Raumrichtungen
mit unterschiedlichen Wellenlängen. Ein elektrisches Analogon zum Laser ist gemäß Bild 5.25 eine Wechselspannungsquelle, die einen sinusförmigen Strom mit
einer festen Frequenz in einen Verbraucherwiderstand treibt. Eine inkohärente
Lichtquelle entspricht einer Rauschspannungsquelle, die über einen großen Frequenzbereich Signale verschiedener Amplituden liefert.
Bild 5.25. Vergleich kohärenter und inkohärenter Strahlung, Der Unterschied zwischen kohärenter und inkohärenter Strahlung kann an einem elektrischen Analogon
gezeigt werden: Kohärentes Licht ist vergleichbar mit
einem sinusförmigen Signal bei einer festen Frequenz.
Inkohärentes Licht ist vergleichbar mit dem Signal eines Rauschgenerators, der eine statistisch schwankende Spannung abgibt, die Anteile aus einem großen
Frequenzbereich enthält.
Aus der Kohärenz folgen einige spezielle Eigenschaften der Laserstrahlung:
- Ein Laserstrahl ist stark gebündelt.
- Die gesamte Strahlungsleistung eines Lasers kann auf einen winzigen Punkt
konzentriert werden. Sein Durchmesser liegt in der Größenordnung der Lichtwellenlänge.
- Die Strahlung eines Lasers ist sehr schmalbandig. Der Laser liefert eine
„Spektralfarbe" (oder auch mehrere diskrete Frequenzen gleichzeitig).
- Wird Laserlicht überlagert und damit zur Interferenz gebracht, so entsteht als
Folge seiner Kohärenz eine Hell-Dunkel-Verteilung, An den dunklen Stellen
heben sich die (elektrischen) Feldstärken auf. Wird inkohärentes Licht überlagert, so addieren sich die Intensitäten und es kann keine Auslöschung geben.
200
5 Grundzüge elektronischer Halbleitersehaltelemente
LEDs und Laserdioden können nicht aus allen Halbleitermaterialien aufgebaut
werden. Es werden sogenannte „direkte" Halbleiter benötigt. Direkte Halbleiter sind
beispielsweise Galliumarsenid (GaAs) oder Indiumphosphid (InP). Silizium und
Germanium sind indirekte Halbleiter, bei denen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten strahlender Übergänge im Festkörper verschwindend klein ist.
Der Aufbau von modernen Laserdioden ist kompliziert. Namen wie Doppelheterostrukturlaser kennzeichnen bestimmte Ausführungsformen. Ziel aller Entwicklungen ist eine hohe Laserausgangsleistung bei niedrigem Strom, hoher Lebensdauer und guter Strahlqualität. Für bestimmte Anwendungen sind zusätzlich weitere Kriterien wie z.B. eine hohe Frequenzstabilität des Laserlichts, eine sehr konstante Ausgangsleistung oder eine besonders geringe Bandbreite der Strahlung
wichtig. Häufig müssen Laserdioden dazu temperaturstabilisiert betrieben werden.
Bild 5.26 zeigt die Strahlungsleistung einer typischen Laserdiode in Abhängigkeit
vom Strom und der Temperatur im Vergleich zu einer LED.
Bild 5.26. Strahlungsleistung von LED und Laserdiode.
Bei kleinen Strömen emittiert eine Laserdiode inkohärente Strahlung wie eine LED. Ab einem Schwellstrom
IS setzt die Lasertätigkeit ein. Der Zusammenhang zwischen Leistung und Strom ist annähernd linear. Durch
eine Temperaturerhöhung verschiebt sich der Schwellstrom zu größeren Strömen. Temperaturschwankungen
führen bei konstantem Strom zu Schwankungen der
Strahlungsleistung.
Damit es zu einem kontrollierten Stromfluß in LED und Laserdiode kommt,
müssen beide in Durchlaßrichtung betrieben werden. Ein kritischer Punkt beim Betrieb von LEDs und Laserdioden ist ihre geringe Sperrspannung. Laserdioden sind
überaus empfindlich gegen Spannungsspitzen, die häufig beim Einschalten von
Versorgungsgeräten auftreten. Daher sind Schutzbeschaltungen der Laserdioden
zwingend erforderlich. Außerdem sind beim Betrieb von Lasern Sicherheitsvorschriften zu beachten.
201
5.2 Dioden
Die Farbe der Strahlung von LEDs und Laserdioden ist vom Bandabstand des
verwandten Halbleitermaterials abhängig. Der Bandabstand bestimmt die Energie
der Photonen EP = h · ƒ. Im Handel sind weiß, blau, grün, gelb, orange, rot und bei
verschiedenen Wellenlängen im Infrarotbereich (IR) emittierende LEDs erhältlich.
Bei weiß emittierenden LEDs handelt es sich um blau emittierende LEDs, in deren
Vergußmasse Stoffe eingebettet sind, die einen Teil des blauen Lichts absorbieren
und Fluoreszenzstrahlung über den gesamten sichtbaren Spektralbereich abgeben.
Es resultiert ein meist leicht blaustichig weißer Farbeindruck.
LEDs werden vor allem als Anzeigeelemente, in Optokopplern und in Lichtschranken eingesetzt. Ferner kennen Sie Infrarot-Fernbedienungen, in denen ebenfalls LEDs benutzt werden. Weiß emittierende LEDs werden auch zu Beleuchtungszwecken bei kleinen Leistungen, wie z.B. in Taschenlampen, eingesetzt.
Als Anzeigeelemente haben LEDs gegenüber kleinen Glühlampen entscheidende Vorteile. Ihre Lebensdauer ist erheblich höher. Sie fallen zudem nicht plötzlich aus wie eine durchgebrannte Glühlampe, sondern ihre Helligkeit läßt in der
Regel nur allmählich nach. Zudem sind sie kleiner, erschütterungsunempfindlich, in
nahezu beliebigen Formen herstellbar und, besonders wichtig, sie haben mittlerweile eine bessere Lichtausbeute, benötigen also weniger Strom als vergleichbare
Glühlampen, vor allem, wenn diese mit Farbfiltern betrieben werden. So finden sich
LEDs heute auch in Verkehrsampeln und beispielsweise Fahrzeugrückleuchten.
Optokoppler bestehen aus LEDs als Sender und Photodioden als Empfänger.
Sie dienen der galvanischen Entkopplung bei der Signalübertragung. Optokoppler
und meist auch Lichtschranken arbeiten im allgemeinen mit Infrarotlicht, da die
LEDs für infrarote Strahlung einen besonders guten Wirkungsgrad besitzen.
Die ersten Laserdioden wurden auf der Basis von Galliumarsenid (GaAs) bei
einer Wellenlänge von 850nm, also im nahen Infrarotbereich, realisiert. Heute sind
Laserdioden bei verschiedenen Infrarot-Wellenlängen sowie im roten Spektralbereich verfügbar und am Markt etabliert. Blau emittierende Laserdioden aus Galliumnitrid (GaN) sind zwar auch verfügbar, setzen sich aber nur langsam durch.
Laserdioden werden in großen Mengen zum Abtasten kleiner Vorlagen eingesetzt (z.B. im CD-Spieler), in der optischen Meßtechnik und bei der optischen
Nachrichtenübertragung in Lichtleitfasern.
202
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.3 Transistoren
Eine Behandlung des Themas „Transistoren" kann leicht eine vollständige Vorlesung füllen. Eine umfassende Behandlung der Transistorschaltungen benötigt einen mindestens ebenso großen Rahmen. Es ist klar, daß hier nur wenige der wichtigsten Aspekte in stark vereinfachter Darstellung gebracht werden können. Darüber hinaus beschränken wir uns auf Bipolartransistoren.
Transistoren werden heute zumeist als Bausteine in integrierten Schaltungen
eingesetzt und nur in Ausnahmefällen als separate Schaltungselemente.
5.3.1 Aufbau und Wirkungsweise
Den Aufbau und die Schaltzeichen von Transistoren zeigt Bild 5.27.
Bild 5.27. Ein Transistor besteht aus drei abwechselnd
p- und n-dotierten Zonen eines Halbleiterkristalls. Dabei
ist die Reihenfolge npn und pnp möglich. Entsprechend
spricht man von npn-Transistoren und pnpTransistoren. Jede der Zonen wird mit einem
Anschlußdraht kontaktiert und steht als Transistoranschluß zur Verfügung. Die mittlere Zone ist sehr
dünn. Sie wird als Basis des Transistors bezeichnet.
Die beiden anderen Anschlüsse heißen Emitter und
Kollektor des Transistors. Wegen ihrer unterschiedlich
hohen Dotierung darf man sie nicht vertauschen.
Rechts sehen wir die Schaltzeichen von npn- und pnpTransistoren. Der Ring wird häufig nicht gezeichnet.
Die prinzipielle Wirkungsweise von Transistoren wollen wir stellvertretend am npnTransistor untersuchen. Wir betrachten Bild 5.28.
Bei offenem Basisanschluß ist in dem Transistor kein Stromfluß im KollektorEmitter-Kreis möglich, da der pn-Übergang zwischen Basis und Kollektor wegen
der gewählten Polarität von U0 in Sperrichtung betrieben wird. Man sagt, der
Transistor sperrt. Wird die einstellbare Spannung uE an die Basis angeschlossen
und auf 0V eingestellt, so ändert sich an dem Zustand nichts. Erhöhen wir uE und
damit die Basis-Emitter-Spannung uBE, so wird ein Basisstrom fließen, da für die
gegenüber dem Emitter positive Basis der Basis-Emitter-pn-Übergang in
203
5.3 Transistoren
Bild 5.28. Ein npn-Transistor ist mit seinem Emitter an
den negativen Pol einer Gleichspannungsquelle mit der
Spannung U0 angeschlossen. Der positive Pol der
Spannungsquelle ist über einen Widerstand RC mit dem
Kollektor des Transistors verbunden. An die Basis kann
der positive Pol einer weiteren Gleichspannungsquelle
mit der einstellbaren Spannung uE gelegt werden, deren
negativer Pol ebenfalls am Emitter liegt. - Spannungen
und Ströme am Transistor kennzeichnen wir wie folgt:
die in Basis, Emitter und Kollektor hineinfließenden
Ströme heißen Basisstrom iB, Emitterstrom iE und Kollektorstrom iC. Die Spannungen kennzeichnen wir durch
zwei Indizes für Anfangs- und Endpotential, uBE ist folglich die Spannung zwischen Basis und Emitter.
Durchlaßrichtung geschaltet ist. Der Basisstrom ist mit der angelegten Spannung
über die Kennlinie des pn-Übergangs, also über eine Diodenkennlinie verknüpft.
Entscheidend für die Wirkungsweise des Transistors ist, daß die Basis nur als sehr
dünne Zone zwischen Emitter und Kollektor dotiert wird. Durch den im BasisEmitter-Kreis fließenden Strom, den wir uns durch Elektronen getragen vorstellen
können, die sich aus dem Emitter in die Basis bewegen, wird in der Basis die Zahl
freier Ladungsträger erhöht. Diese überschwemmen die dünne Basiszone und
auch die Raumladungszone zwischen Basis und Kollektor. Damit sind aber nun in
dem ursprünglich gesperrten pn-Übergang zwischen Basis und Kollektor freie Ladungsträger für einen Stromfluß im Kollektor-Emitter-Kreis vorhanden. Die Größe
des fließenden Kollektorstromes ist dabei abhängig vom Grad der Überschwemmung der Basiszone mit Ladungsträgern und damit vom Basisstrom. Entscheidend
ist, daß es eines sehr geringen Basisstromes bedarf, um die Sperrwirkung des Basis-Kollektor-pn-Übergangs zu steuern, während der Kollektorstrom sehr große
Werte annehmen kann. Wir beobachten einen Verstärkungsmechanismus, wobei
mit einem sehr kleinen Basisstrom ein großer Kollektorstrom gesteuert wird.
204
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Für einen pnp-Transistor gelten die Erläuterungen sinngemäß. Es müssen nur
die Polaritäten der angelegten Spannungen umgekehrt werden.
5.3.2 Charakteristische Größen und Kennlinien des Transistors
Wir wollen auch in diesem Kapitel den npn-Transistor stellvertretend für beide
Transistorarten betrachten. Alle Ergebnisse lassen sich auf den pnp-Transistor übertragen.
Wir haben gesehen, daß ein kleiner Basisstrom iB einen großen Kollektorstrom
iC steuern kann. Den Basisstrom haben wir über eine Spannungsquelle zwischen
Basis und Emitter erzeugt. Der Zusammenhang zwischen iB und uBE wird durch die
Kennlinie des pn-Übergangs, also über eine Diodenkennlinie, beschrieben. Bei einer genauen Betrachtung stellt man fest, daß diese Kennlinie beeinflußt wird durch
die angelegte Kollektor-Emitter-Spannung. Es tritt eine Spannungsrückwirkung
(5.16a)
ein. Da diese jedoch sehr gering ist, wollen wir sie im weiteren vernachlässigen:
(5.16b) Eine Rückwirkung kann auch in der Form
(5.17a)
auftreten. Auch diese wollen wir im folgenden vernachlässigen:
(5.17b)
Damit können wir als Eingangskennlinie des Transistors die Diodenkennlinie gemäß Bild 5.29 angeben, die hier nur für positives uBE sinnvoll ist. Sie lautet
(5.18)
Der in Gl. 5.5 angegebene Korrekturfaktor ist hier mit guter Näherung m = 1. Trägt
man statt iB den Strom iC über uBE auf, so ergibt sich ebenfalls eine e-Funktion in
der Form
(5.19)
205
5.3 Transistoren
Bild 5.29. Eingangskennlinie eines Transistors. Links
ist iB und rechts iC als Funktion von uBE aufgetragen.
Wobei
ist. Die Veränderung der Kurve mit uCE ist nur gering.
Die Belastung, die ein Transistoreingang für die steuernde Spannungsquelle
darstellt, ist nichtlinear von uBE abhängig. Sie wird durch den Kehrwert des Anstiegs
der Eingangskennlinie bei dem betreffenden uBE beschrieben und differentieller
Eingangswiderstand rBE genannt.
(5.20)
Eine Näherungsformel für rBE kann durch eine Differentiation der Diodenkennlinie
gewonnen werden. Es ergibt sich
(5.21)
Als Eingangskennlinie haben wir den Zusammenhang von Strom und Spannung im Eingangskreis, also zwischen Basis und Emitter, bezeichnet. Analog dazu
können wir den Zusammenhang von Strom und Spannung im Ausgangskreis, also
zwischen Kollektor und Emitter, als Ausgangskennlinie des Transistors bezeichnen.
Die Ausgangskennlinie ist vom Basisstrom abhängig, da über den Basisstrom der
Ausgang des Transistors gesteuert wird. Bild 5.30 zeigt ein typisches Ausgangskennlinienfeld eines Transistors.
Für einen bestimmten Basisstrom steigt der Kollektorstrom mit der KollektorEmitter-Spannung zunächst steil an, bis eine Sättigung des Kollektorstromes eintritt
und die Kennlinie in einen nur noch schwach ansteigenden Ast übergeht.
Analog zum differentiellen Eingangswiderstand rBE eines Transistors können
wir einen differentiellen Ausgangswiderstand
(5.22)
206
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Bild 5.30. Ausgangskennlinienfeld eines Transistors.
Aufgetragen wird iC als Funktion von uCE. Der Basisstrom iB dient als Parameter. Die Hyperbel kennzeichnet den sicheren Arbeitsbereich eines Transistors.
Rechts von der Hyperbel liegen Arbeitspunkte, deren
Produkt aus Strom und Spannung zu einer unzulässig
hohen Verlustleistung im Transistor führt. Außerdem
dürfen die im Datenblatt spezifizierten Maximalwerte
iC,max und uCE,max nicht überschritten werden.
definieren. Dieser ist im flachen Ast der Ausgangskennlinie erheblich größer als im
steilen Ast.
Dem Ausgangskennlinienfeld kann man weiterhin die sogenannte Kleinsignalstromverstärkung
(5.23)
entnehmen. Wären Gl. 5.18 und Gl. 5.19 exakt gültig, so würde sich ein konstanter
Wert für β ergeben. Tatsächlich durchläuft β in Abhängigkeit von iC ein flaches Maximum.
In Datenblättern von Transistoren wird die maximal zulässige Verlustleistung,
die ein Transistor aufnehmen kann, ohne thermisch zerstört zu werden, spezifiziert.
Da uBE ⋅ iB uCE ⋅ iC ist, kann die maximal zulässige Verlustleistung im Ausgangskennlinienfeld als
eingetragen werden. Es ergibt sich eine Hyperbel.
Eine weitere Größe, die für die Berechnung von Schaltungen benötigt wird, ist
die Steilheit S:
(5.24)
Mit Gl. 5.19 läßt sich die Steilheit berechnen zu
(5.25)
207
5.3 Transistoren
Mit den zuletzt definierten Größen kann der differentielle Eingangswiderstand des
Transistors aus Gl. 5.20 umgeschrieben werden:
(5.26)
Alle berechneten Größen werden in Datenblättern von Transistoren entweder
unmittelbar angegeben oder sind Diagrammen zu entnehmen. Ihre Zahlenwerte
gelten stets für bestimmte Arbeitspunkte, die durch eine besondere Beschaltung
des Transistors eingestellt werden müssen. Im folgenden werden wir die definierten Größen und die vorgestellten Kennlinien benutzen, um TransistorGrundschaltungen zu berechnen und die Einstellung von Arbeitspunkten vorzunehmen.
5.3.3 Die Emitterschaltung als Beispiel einer Transistor-Grundschaltung
Ein Transistor besitzt drei Anschlüsse. Eine Schaltung wie z.B. ein Verstärker ist
ein Vierpol mit vier Anschlüssen. Deshalb muß einer der Transistoranschlüsse zumindest für die zeitabhängigen Signale, die von der Schaltung übertragen werden,
sowohl mit den Eingangsklemmen als auch mit den Ausgangsklemmen verbunden
sein. Je nachdem, welcher Anschluß dies ist, spricht man von Transistoren in Basis-, Emitter- oder Kollektorschaltung. Jede dieser möglichen Schaltungsarten hat
bestimmte Vor- und Nachteile. Bild 5.31 zeigt die Schaltungsarten. Bei der Basisund Emitterschaltung läßt sich die Bezeichnung anhand des Schaltbildes unmittelbar nachvollziehen. Bei der Kollektorschaltung ist der Kollektor an eine Spannungsquelle angeschlossen, deren Innenwiderstand im Idealfall Ri = 0 ist. Für
Wechselsignale liegt daher der Kollektor auf Masse.
Bild 5.31. Schaltungsarten von Transistoren am Beispiel des npn-Transistors. Links: Basisschaltung, Mitte:
Emitterschaltung, rechts: Kollektorschaltung, auch Emitterfolger genannt.
208
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Für eine Berechnung von Schaltungen machen wir den Ansatz, daß der Basisstrom iB und der Kollektorstrom iC von uBE und uCE abhängen:
Die totalen Differentiale liefern uns gerade diejenigen Differentialquotienten, die wir
in Kapitel 5.3.2 definiert und berechnet haben:
(5.27)
(5.28)
Mit Gl. 5.20, Gl. 5.17, Gl. 5.24 und Gl. 5.22 folgt
(5.29)
(5.30)
Mit Gl. 5.29 und Gl. 5.30 stehen uns zwei Grundgleichungen für die Berechnung
von Transistorschaltungen zur Verfügung. Im folgenden wollen wir beispielhaft die
Emitterschaltung untersuchen.
Bild 5.82. Emitterschaltung des npn-Transistors T. Ein
pnp-Transistor würde mit umgepolten Spannungsquellen analog zum npn-Transistor arbeiten.
209
5.3 Transistoren
Die grundsätzliche Wirkungsweise eines Transistors haben wir am Beispiel
der Emitterschaltung in Kapitel 5.3.1 bereits diskutiert. Bild 5.32 zeigt noch einmal
eine vollständige Schaltung.
Aus Gl. 5.29 und Gl. 5.30 können die Eigenschaften der Emitterschaltung berechnet werden.
Dynamischer Eingangswiderstand
Mit Gl. 5.26 ergibt sich für den dynamischen Eingangswiderstand rE der Emitterschaltung mit uCE = konst.
(5.31)
Durch die endliche Größe des Eingangswiderstandes wird die dem Transistor zugeführte Eingangsspannung reduziert, wenn die Eingangsspannungsquelle mit einem Innenwiderstand Ri behaftet ist. Durch eine geeignete Wahl von iC sollte rE so
eingestellt werden, daß gilt rE Ri.
Dynamischer Ausgangswiderstand
Zur Berechnung des dynamischen Ausgangswiderstandes rA der Emitterschaltung
machen wir den Ansatz:
Das negative Vorzeichen berücksichtigt, daß uA wegen des Spannungsabfalls an
RC mit steigendem iA sinkt. Wir stellen am Kollektor des Transistors die Knotenpunktsgleichung für die Stromänderungen auf:
Mit Gl. 5.30, uCE = uA und duBE = 0 folgt
Damit ergibt sich für den Ausgangswiderstand
(5.32)
Der dynamische Ausgangswiderstand rA der Emitterschaltung ergibt sich aus der
Parallelschaltung von rCE und RC.
210
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Leerlauf-Spannungsverstärkung
Die Leerlauf-Spannungsverstärkung vU0 der Emitterschaltung tritt bei einem nicht
belasteten Ausgang auf (RV → ∞ , iA = 0, iRC = iC). Gemäß Bild 5.32 setzen wir
und erhalten für die Leerlauf-Spannungs Verstärkung aus Gl. 5.30
(5.33)
rA = (rCE||RC) kann als der Quellwiderstand einer Ersatzstromquelle mit dem eingeprägten Strom di0 = S · duE interpretiert werden.
Typische Werte der Leerlauf-Spannungsverstärkung von Kleinsignaltransistoren in Emitterschaltung liegen bei -100… - 200. Das negative Vorzeichen
bedeutet, daß eine positive Eingangsspannungsänderung eine negative Ausgangsspannungsänderung bewirkt. Die Ausgangsspannung selbst ist in unserer
Schaltung immer positiv.
Spannungsverstärkung
Wird ein Verbraucherwiderstand RV an den Ausgang der Emitterschaltung angeschlossen, so bewirkt dieser, daß die Ausgangsspannung kleiner wird. Für die
bei der Behandlung der Leerlauf-Spannungsverstärkung soeben eingeführte Ersatzstromquelle mit dem eingeprägten Strom di0 = S · duE und dem Quell- widerstand rA = (rCE||RC) stellt RV eine Parallelschaltung zum Quellwiderstand dar. Der
resultierende Widerstand, der von di0 durchflossen wird, berechnet sich zu
Mit RV erhalten wir für die Spannungsverstärkung vU der Emitterschaltung
(5.34)
Um die Veränderung der Spannungsverstärkung durch die Belastung der Schaltung mit RV gegenüber der Leerlaufspannungs Verstärkung vU0 zu sehen, formen
wir Gl. 5.34 um:
Die Leerlaufspannung wird im Verhältnis
an dem durch den Verbraucherwiderstand RV und den Ausgangswiderstand rA
gebildeten Spannungsteiler aufgeteilt.
211
5.3 Transistoren
Kleinsignalersatzschaltbild
Mit den bisher berechneten Größen ist es uns möglich, ein vereinfachtes Kleinsignalersatzschaltbild eines Transistors in Emitterschaltung anzugeben. Mit dem
Kleinsignalersatzschaltbild soll es möglich sein, die Verstärkung einer kleinen Eingangswechselspannung zu ermitteln. Die Versorgungsgleichspannungen am Transistor sind dabei nicht relevant: Wir ersetzen sie durch ihren Innenwiderstand und
damit für den Fall idealer Spannungsquellen durch einen Kurzschluß. Das dann
gültige Kleinsignalersatzschaltbild zeigt Bild 5.33. Der Transistor wird durch den
Eingangswiderstand rBE, eine ideale Stromquelle mit dem eingeprägten Strom S ·
uBE und den Quellwiderstand rCE dargestellt. In der Schaltung wurden die Differentiale für Strom und Spannung weggelassen. Wir können die bisher berechneten
Größen unmittelbar entnehmen.
Bild 5.33. Kleinsignalersatzschaltung eines Transistors
in Emitterschaltung. Die Ersatzschaltung des Transistors besteht aus dem umrahmten Teil der Schaltung.
Der Eingangswiderstand rBE belastet die Eingangsspannung uE. Der Transistor setzt die Eingangsspannung in eine Stromquelle mit dem eingeprägten
Strom S · uBE um. Der Innenwiderstand der Stromquelle
ist rCE. Der Transistor wird von einer realen Wechselspannungsquelle mit dem Innenwiderstand Ri angesteuert. Der Kollektorwiderstand RC hegt zwischen Kollektor und Emitter, da die Betriebsgleichspannung U0
für „Signale", d.h. Wechselspannungen, wegen ihres
kleinen Innen-widerstandes einen Kurzschluß darstellt.
Der Verbraucherwiderstand RV liegt ebenfalls zwischen
Kollektor und Emitter und damit signalmäßig parallel zu
rCE und RC.
Die Ersatzschaltung ist uns bereits in Kapitel 3.13 begegnet. Der in Gl. 3.59 eingeA
führte Faktor µ < 1 ist hier durch S > 1 zu ersetzen, da der Transistor ein aktives
V
Schaltelement ist und die Eingangsspannung verstärken kann.
212
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Gegenkopplung
Die Kennlinien des Transistors sind nichtlinear. Das führt dazu, daß die verstärkten
Signale verzerrt werden. Um diesem unerwünschten Effekt entgegenzuwirken, wird
der Transistor im allgemeinen gegengekoppelt betrieben. Dadurch wird die Verstärkung zwar reduziert, aber die Ausgangsgrößen sind weniger stark verzerrt. In
der Emitterschaltung sind zwei Gegenkopplungsschaltungen möglich, die in Bild
5.34 gezeigt werden.
Bild 5.34. Gegengekoppelte Emitterschaltungen, links
Stromgegenkopplung, rechts Spannungsgegenkopplung.
Durch eine Gegenkopplung wird ein Signal vom Ausgang
des Transistors so auf den Eingang zurückgeführt, daß der
Wirkung der Eingangsspannung entgegengewirkt wird.
Bei der Stromgegenkopplung im linken Teil von Bild 5.34 bewirkt eine positive Änderung der Eingangsspannung ein positives Δ uBE und einen steigenden Kollektorund Emitterstrom. Der Spannungsabfall am Gegenkopplungswiderstand RGegen
steigt dadurch, so daß Δ uBE reduziert wird. Es resultiert eine kleinere Spannungsverstärkung, die mit Gl. 5.30
mit den Ansätzen gemäß Bild 5.34
(5.35)
213
5.3 Transistoren
und
wie folgt berechnet werden kann:
Die Spannungsverstärkung wird gegenüber dem Ausdruck in Gl. 5.33 durch den
Term (S · rCE + 1) · RGegen im Nenner von Gl. 5.36 reduziert.
Für S · RGegen (1 +
RC
) wird die Spannungsverstärkung von den TransistorrCE
eigenschaften unabhängig:
Im Falle der Spannungsgegenkopplung, deren Schaltung rechts in Bild 5.34
gezeigt ist, ergibt eine Berechnung für den Grenzfall einer starken Spannungsgegenkopplung eine von den Transistoreigenschaften unabhängige Spannungsverstärkung:
214
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Arbeitspunkteinstellung
Die bisherigen Berechnungen betrafen das sogenannte Kleinsignal verhalten der
jeweiligen Schaltung. Es wurde untersucht, wie eine kleine Eingangsspannungsänderung sich auf den Ausgang der Schaltung auswirkt. Eine solche Änderung
könnte beispielsweise durch eine Wechselstromkomponente der Eingangsspannung erzeugt werden.
Wir waren stets davon ausgegangen, daß sich der Transistor in einem geeigneten Arbeitspunkt befindet. Im Arbeitspunkt soll ein möglichst stabiler Betrieb des
Transistors möglich sein. Dazu ist eine Einstellung mit Gleichspannungen oder
Gleichströmen erforderlich, die der Basis des Transistors zugeführt werden müssen. Da das Verhalten von Transistoren stark von der Temperatur abhängig ist,
können Arbeitspunkte nur in gegengekoppelten Schaltungen annähernd stabil eingestellt werden.
Wir wollen die prinzipiellen Gesichtspunkte einer Arbeitspunkteinstellung kennenlernen. Zur Vereinfachung gehen wir von einer nicht gegengekoppelten Schaltung aus. Außerdem soll nicht das Kleinsignal verhalten, sondern das Großsignal
verhalten betrachtet werden: die Schaltung aus Bild 5.35 soll eine möglichst große
Ausgangsspannung produzieren. Das Ausgangskennlinienfeld des zur Verfügung
stehenden Transistors zeigt Bild 5.30.
Bild 5.35. Schaltung einer Verstärkerstufe in Emitterschaltung. U0, RB und RC sollen so dimensioniert werden, daß bei Ansteuerung mit einer geeigneten sinusförmigen Eingangsspannung uE(t) eine möglichst große
Ausgangsspannung uA(t) erreicht wird. Der Kondensator C sorgt dafür, daß die Eingangsquelle und die Basis
des Transistors gleichspannungsmäßig entkoppelt
sind.
215
5.3 Transistoren
Die Dimensionierung erfolgt in folgenden Schritten:
- U0 wird etwas kleiner als uCE,max gewählt.
- RC begrenzt den Kollektorstrom des Transistors und darf bei der gewählten
Betriebsspannung U0 nur einen Strom iC < iCE,max zulassen. Es folgt
U0
RC >
.
iCE ,max
U0 − uCE
gemäß
RC
Bild 5.36 eingezeichnet. Es muß überprüft werden, ob die Arbeitsgerade zu
nahe an die Verlustleistungshyperbel heranreicht oder diese sogar schneidet.
In diesen Fällen muß U0 verkleinert und/oder RC solange vergrößert werden,
bis die Arbeitsgerade einen sicheren Abstand zur Verlustleistungshyperbel hat.
Festlegung des Arbeitspunktes. Unter der Randbedingung einer möglichst
großen, symmetrischen Aussteuerbarkeit sollte der Arbeitspunkt etwa in der
Mitte des nutzbaren Bereichs der Arbeitsgeraden liegen. Dieser befindet sich
in dem Bereich des flachen Anstiegs der Kennlinie.
Ermittlung des zu dem gewählten Arbeitspunkt gehörenden iBA, eventuell durch
Interpolation.
Ermittlung des zu iBA gehörenden uBEA entweder aus der Eingangskennlinie
iB = ƒ (uBE) oder aus Gl. 5.18.
U − uBEA
Berechnung von RB aus RB = 0
.
i BEA
- In das Ausgangskennlinienfeld wird die Arbeitsgerade iC =
-
-
Bild 5.36. In das Ausgangskennlinienfeld eines Transistors sind Arbeitspunkt und Arbeitsgerade eingetragen.
216
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Spannungsstabilisierung mit einer Kollektorschaltung
Die Eigenschaften der Kollektorschaltung und der Basisschaltung können in vergleichbarer Weise wie für die Emitterschaltung berechnet werden. Wir wollen aber
nur ein Beispiel einer Kollektorschaltung, die auch als Emitterfolger bezeichnet
wird, als Ergänzung zu Kapitel 5.2.3 betrachten.
Im Kapitel 5.2.3 über Z-Dioden haben wir eine Methode zur Stabilisierung einer Gleichspannung kennengelernt. Die in Bild 5.18 angegebene Schaltung ist jedoch nur für sehr kleine Verbraucherströme geeignet, da sonst eine zu große Leistung in der Z-Diode und dem Widerstand R umgesetzt werden muß. Wird die
Schaltung mit dem Transistor T gemäß Bild 5.37 ergänzt, so entfällt die Einschränkung auf kleine Verbraucherströme.
Bild 5.37. Die Schaltung aus Bild 5.18 wird um den
Transistor T in Kollektorschaltung ergänzt. Ein Transistor in Kollektorschaltung wird auch als Emitterfolger bezeichnet, da die Spannung am Emitter der angelegten
Basisspannung folgt. Die Basisspannung wird mit einer
Z-Diode stabilisiert. Die Folge ist eine gleichfalls stabilisierte Spannung am Emitter. Rechts sind typische
Spannungsverlaufe skizziert.
Die Schaltung in Bild 5.37 möge mit einer gleichgerichteten Wechselspannung
uE mit Glättungskondensator betrieben werden, deren Verlauf wir aus Bild 5.13
kennen. Unser Ziel ist es, an den Ausgangsklemmen A-B eine stabilisierte Gleichspannung UAB bereitzustellen, die unabhängig vom Verbraucher widerstand RV
und der Eingangsspannung uE ist. Dazu erzeugen wir aus uE mittels der Z-Diode
ZD und dem Widerstand R eine Referenzspannung UZ, die der Basis des Transistors zugeführt
217
5.3 Transistoren
wird. Über eine Stromgegenkopplung stellt sich die Ausgangsspannung
ein. Über der Kollektor-Emitter-Strecke fällt die Differenzspannung
ab. Der Vorteil dieser Schaltung gegenüber der Schaltung aus Bild 5.18 besteht
zum einen darin, daß der Strom iZ nicht mehr ein Vielfaches des Verbraucherstromes iAB sondern des Basisstromes iB sein muß, der um den Faktor der Stromverstärkung des Transistors kleiner ist. Dadurch wird die Verlustleistung in ZD und R
erheblich reduziert. Ein weiterer Vorteil ist der sehr niedrige Ausgangswiderstand
der Kollektorschaltung. Dadurch führen Laständerungen nur zu einer geringen Änderung der Ausgangsspannung. Änderungen der Eingangsspannung bewirken
Veränderungen der Referenzspannung UZ und damit direkt auch Änderungen der
Ausgangsspannung. Da die Kennlinie der Z-Diode sehr steil ist, sind diese Änderungen jedoch auch klein. Letztlich erzeugen Temperaturänderungen von Z-Diode
und Transistor Änderungen der Ausgangsspannung.
Durch geeignete Maßnahmen wie z.B. den Betrieb der Z-Diode mit einer Konstantstromquelle oder den Einsatz von Regelverstärkern kann die Stabilität der
Ausgangsspannung weiter verbessert werden. Im Handel sind derartige Schaltungen als „Spannungsstabilisatoren" im Transistorgehäuse erhältlich.
Im Rahmen der Grenzdaten der Ausgangstransistoren können stabilisierte
Spannungsversorgungen als ideale Spannungsquellen angesehen werden.
218
5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
5.4 Weitere elektronische Schaltelemente
- Thyristoren
Bild 5.38. Aufbau und Schaltzeichen des Thyristors.
Ein Thyristor kann als eine einschaltbare Diode angesehen werden. Den prinzipiellen Aufbau und das Schaltzeichen zeigt Bild 5.38. Ohne eine Beschaltung des Gate sperrt der Thyristor in beiden Richtungen, da immer zumindest ein pn-Übergang
in Sperrichtung geschaltet ist. Wird an das Gate eine bezüglich der Kathode positive Spannung (als Gleichspannung oder als kurzer Impuls) angelegt, so schaltet der
Thyristor in den leitenden Zustand, sofern die Spannung u positiv ist. Für eine negative Spannung u sperrt der Thyristor stets. Der Übergang vom leitenden in den
nichtleitenden Zustand des Thyristors ist nur durch das Absinken des Stromes i auf
Null möglich, der Thyristor kann nicht „abgeschaltet“ werden. Die prinzipielle Kennlinie zeigt Bild 5.39. Für unsere weiteren Betrachtungen wollen wir davon ausgehen, daß der Sperrstrom und die Durchlaßspannung vernachlässigbar klein sind.
Bild 5.39. Kennlinie des Thyristors.
Thyristoren sind wichtige Schaltelemente der modernen Leistungselektronik.
Sie werden überwiegend in Stromrichtern eingesetzt. Ein typisches Beispiel ist die
Drehstrombrückenschaltung aus Bild 5.12. Hier könnte man die Dioden D1, D3 und
D5 (halbgesteuerte Brücke) gemäß Bild 5.40 oder alle sechs Dioden (vollgesteuerte
219
5.4 Weitere elektronische Schaltelemente
Bild 5.40. Der Verbraucherwiderstand RV wird über eine halbgesteuerte Brückenschaltung an ein Drehstromsystem angeschlossen. Die Thyristoren
Th1...Th3 werden mit impulsförmigen Gate-Kathoden-Spannungen uGK1… uGK3
in diesem Beispiel jeweils dann gezündet, wenn die Spannung an der Anode
ihren Scheitelwert erreicht, also 60° später als zu demjenigen Zeitpunkt, zu
dem eine Diode anstelle des Thyristors den Stromfluß durch Kommutierung
übernehmen würde. Am Beispiel des Dioden-Thyristor-Paares D1 –Th1 erkennt
man, daß Th1 ab t1 den Stromfluß übernehmen könnte. Für t1 < t < t 2 ist der
Thyristor jedoch gesperrt und uTh1 wird positiv. Während dieser Zeit bleibt der
Thyristor Th3 leitend. Er kann nicht in den sperrenden Zustand übergehen, da
Th1 noch nicht gezündet wird, um den Strom zu übernehmen und an der Anode
von Th2 unabhängig vom Zündzustand, eine negativere Spannung anliegt.
Deshalb erfolgt für t1 < t < t2 der Stromfluß aus Leiter 3 durch Th3, Rv und D2 in
den Leiter 2. Die Spannung uR und der Verbraucherstrom sinken dabei bis zum
Zeitpunkt t2 auf Null ab. Würde Th1 jetzt nicht gezündet, so bliebe uR Null. Im
Zeitpunkt t2 wird Th1 gezündet, uTh1 wird vernachlässigbar klein. Die Spannung
am Verbraucherwiderstand erreicht sprungförmig den Wert einer ungesteuerten Brückenschaltung. - Zum Zeitpunkt t3 wird u2M > u1M. Jetzt könnte Th2 den
Strom von Th1 übernehmen, falls Th2 gezündet würde. Bis zum Zeitpunkt der
Zündung von T½ bleibt Th\ leitend. - Durch eine Variation des Zündzeitpunktes
läßt sich der Mittelwert der Gleichspannung uR ändern. Abgesehen von Schaltverlusten und kleinen Verlusten aufgrund der Durchlaßspannung der Thyristo220
ren treten dabei keine Verluste auf, da die Thyristoren als Schalter betrieben
werden.
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5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Brücke) durch Thyristoren ersetzen. Durch eine geeignete Ansteuerung der Thyristoren ist es möglich, den Mittelwert der Gleichspannung am Verbraucherwiderstand zu verändern. Die Welligkeit der Gleichspannung wird dabei vergrößert. Eine
in Serie zum Verbraucherwiderstand geschaltete Spule kann in Verbindung mit einer Freilaufdiode zur Glättung eingesetzt werden.
Thyristoren sind in vielerlei Bauformen für ein breites Anwendungsspektrum
verfügbar. Bei Hochleistungstypen werden Sperrspannungen von einigen kV und
Ströme bis in den kA-Bereich erreicht.
- GTOs
GTOs (Gate turn off-Thyristoren) sind in einer speziellen Technologie gefertigte
Thyristoren, die durch eine negative Spannung am Gate vom leitenden in den sperrenden Zustand umgeschaltet werden können. Durch das Absinken des Stromes i
auf Null geht ein GTO wie ein Thyristor ebenfalls in den sperrenden Zustand über.
Das Schaltzeichen eines GTO zeigt Bild 5.41. Die Kennlinie eines GTO entspricht
der des Thyristors aus Bild 5.39.
Bild 5.41. Schaltzeichen des GTO.
GTOs werden überwiegend als Leistungsschalter eingesetzt, wenn die Leistungsfähigkeit von Transistorschaltmodulen, die durch eine entsprechende Ansteuerung beliebig ein- und ausgeschaltet werden können, nicht ausreicht. Typische Anwendungen sind in der Antriebstechnik zu finden. GTOs erreichen Sperrspannungen von einigen kV und Ströme von über 1kA.
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5.4 Weitere elektronische Schaltelemente
- Triacs
Bild 5.42. Links: Prinzipieller Aufbau des Triacs aus
zwei Thyristoren. Mitte: Dotierungsschema des Triacs.
Rechts: Schaltbild des Triacs.
Ein Triac (Triode AC-switch) kann gemäß Bild 5.42 als eine Antiparallelschaltung
zweier Thyristoren aufgefaßt werden, die an einem gemeinsamen Gate-Anschluß
angesteuert werden können. Ohne Gate-Ansteuerung sperrt ein Triac in beiden
Richtungen, bei Ansteuerung des Gate mit einer positiven oder negativen Spannung gegenüber Anode 1 oder Anode 2 (auch nur mit einem kurzen Puls) wird der
Triac in beiden Richtungen leitend. Ein Übergang in den sperrenden Zustand ist
nur möglich, wenn der Strom i Null wird. Die prinzipielle Kennlinie zeigt Bild 5.43.
Triacs werden dann eingesetzt, wenn Wechselströme geschaltet werden müssen. Sie arbeiten vorzugsweise in Phasenanschnittsteuerungen. Dabei wird ein
Verbraucher in Serie mit dem Triac an eine Wechselspannung gelegt. Bei einer
bestimmten Phasenlage der Spannung wird der Triac mit einem Gatepuls gezündet. Der Triac leitet dann bis zum nächsten Stromnulldurchgang. Ein Beispiel für
eine Anwendung kennen Sie als Dimmer, mit dem die Helligkeit von Lampen reduziert werden kann.
Triacs erreichen nicht die Leistungsklasse der Thyristoren. Verfügbar sind
Bauformen mit Sperrspannungen bis 1kV und Strömen bis in den 100 A-Bereich.
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5 Grundzüge elektronischer Halbleiterschaltelemente
Bild 5.48. Kennlinie des Triac.
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