Ian Bostridge Mahler Chamber Orchestra Sir Roger Norrington gerade erst 25 Mittwoch 14. September 2011 20:00 11606_KM_14-09-11_d.indd U1 12.09.11 15:19 Bitte beachten Sie: Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses Franz Sauer aus. Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens in der Pause einnehmen. Sollten Sie einmal das Konzert nicht bis zum Ende hören können, helfen wir Ihnen gern bei der Auswahl geeigneter Plätze, von denen Sie den Saal störungsfrei (auch für andere Konzertbesucher) und ohne Verzögerung verlassen können. 11606_KM_14-09-11_d.indd U2 12.09.11 15:19 Ian Bostridge Tenor Mahler Chamber Orchestra Sir Roger Norrington Dirigent Mittwoch 14. September 2011 20:00 Pause gegen 20:45 Ende gegen 22:00 Das Konzert im Radio: live, WDR 3 Konzert, 20:05 Die Uraufführungen im Rahmen des Jubiläums »25 Jahre Kölner Philharmonie« werden ermöglicht durch das Kuratorium KölnMusik e.V 11606_KM_14-09-11_d.indd 1 12.09.11 15:19 GRUSSWORTE Ute Schäfer Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW Jürgen Roters Oberbürgermeister der Stadt Köln und Aufsichtsratsvorsitzender der KölnMusik GmbH Monika Piel Intendantin des WDR Louwrens Langevoort Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH 2 11606_KM_14-09-11_d.indd 2 12.09.11 15:19 PROGRAMM Eiko Tsukamoto *1986 In einem Augenblick (2011) für Orchester Kompositionsauftrag der KölnMusik Uraufführung Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791 Ouvertüre »Fuor del mar«. Arie des Idomeneo aus: Idomeneo, Rè di Creta, ossia Ilia ed Idamante KV 366 (1780 – 81) Ballettmusik zur Oper »Idomeneo« KV 367 (1781) für Orchester (die drei Werke von Mozart werden direkt hintereinander gespielt) Pause Benjamin Britten 1913 – 1976 Les Illuminations op. 18 (1939) für hohe Stimme und Streichorchester I. Fanfare II. Villes IIIa. Phrase IIIb. Antique IV. Royauté V. Marine VI. Interlude VII. Being Beauteous VIII. Parade IX. Départ Franz Schubert 1797 – 1828 Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759 (1822) »Unvollendete« Allegro moderato Andante con moto 3 11606_KM_14-09-11_d.indd 3 12.09.11 15:19 DIE GESANGSTEXTE Wolfgang Amadeus Mozart »Fuor del mar« Arie des Idomeneo aus »Idomeneo, Rè di Creta, ossia Ilia ed Idamante« KV 366 (Text: Giambatista Varesco) Idomeneo Fuor del mar ho un mare in seno, Che del primo è più funesto, E Nettuno ancor in questo Mai non cessa minacciar. Chaos tobt in meiner Seele, rast noch schlimmer als Meere tosen. Neptun selber, den mitleidlosen, fühl ich drohn mit Zorn und Hass. Fiero Nume! dimmi almeno: Se al naufragio è sì vicino Il mio cor, qual rio destino Or gli vieta il naufragar? Strenge Gottheit, offenbare: war mein Herz seinem Tode einmal schon nah, was ist der Grund wohl, dass es jetzt noch schlagen muss? Benjamin Britten Les Illuminations op. 18 (Text: Arthur Rimbaud) I. Fanfare I. Fanfare J’ai seul la clef de cette parade sauvage. Ich allein halte den Schlüssel zu dieser wilden Parade! II. Villes II. Städte Ce sont des villes! C’est un peuple pour qui se sont montés ces Alleghanys et ces Libans de rêve! Des chalets de cristal et de bois qui se meuvent sur des rails et des poulies invisibles. Les vieux cratères ceints de colosses et de palmiers de cuivre rugissent mélodieusement dans les feux … Des cortèges de Mabs en robes rousses, opalines, montent des ravines. Là-haut, les pieds dans la cascade et les ronces, les cerfs tètent Diane. Les Bacchantes des banlieues sanglotent et la lune brûle et hurle. Vénus entre dans les cavernes des forgerons et des ermites … Des groupes de Das sind Städte! Das ist ein Volk, für das sich diese geträumten Alleghanies und Libanons erhoben haben! Hütten aus Kristall und Holz bewegen sich auf Schienen mit unsichtbaren Zügen. Alte Krater, von Kolossen und kupfernen Palmen umgürtet, brüllen melodisch in den Flammen … Züge von Feenköniginnen in roten und opalenen Kleidern steigen aus den Schluchten herauf. Dort oben säugen die Hirsche Diana, ihre Hufe im Wasserfall und im Dornengestrüpp. Die Bacchantinnen aus der Vorstadt schluchzen, und der Mond brennt und heult. Venus tritt in die Höhlen der Schmiede und Einsiedler. Von 4 11606_KM_14-09-11_d.indd 4 12.09.11 15:19 beffrois chantent les idées des peuples. Des châteaux bâtis en os sort la musique inconnue … Le paradis des orages s’effondre … Les sauvages dansent sans cesse la fête de la nuit … Quels bons bras, quelle belle heure me rendront cette région d’où viennent mes sommeils et mes moindres mouvements? den Gruppen der Glockentürme herab verkündet man die Gedanken der Völker. Aus knochengebauten Schlössern dringt die unbekannte Musik … Das Paradies der Gewitterstürme stürzt ein. Die Wilden tanzen unaufhörlich das Fest der Nacht. Welche starken Arme, welche selige Stunde wird mir dieses Gefilde wiedergeben, von wo mein Schlaf und meine leisesten Regungen kommen? IIIa. Phrase IIIa. Satz J’ai tendu des cordes de clocher à clocher; des guirlandes de fenêtre à fenêtre; des chaînes d’or d’étoile à étoile, et je danse. Ich habe Seile von Glockenturm zu Glockenturm gespannt, Girlanden von Fenster zu Fenster, goldene Ketten von Stern zu Stern, und ich tanze. IIIb. Antique IIIb. Antik Gracieux fils de Pan! Autour de ton front couronné de fleurettes et de baies, tes yeux, des boules précieuses, remuent. Tachées de lies brunes, tes joues se creusent. Tes crocs luisent. Ta poitrine ressemble à une cithare, des tintements circulent dans tes bras blonds. Ton coeur bat dans ce ventre où dort le double sexe. Promène-toi la nuit, en mouvant doucement cette cuisse, cette seconde cuisse et ceffe jambe de gauche. Anmutiger Sohn des Pan! Um deine Stirn, mit kleinen Blumen und Beeren gekrönt, schweifen deine Augen, kostbare Kugeln. Gefleckt mit braunem Satz höhlen sich deine Wangen. Deine Fangzähne leuchten. Deine Brust ist wie eine Leier, Klingen rieseln durch deine blonden Arme. Dein Herz schlägt in diesem Leib, wo das zwiefache Geschlecht schläft. Wandle in der Nacht, bewege sanft den Schenkel, dann den zweiten Schenkel und das linke Bein. IV. Royauté IV. Königtum Un beau matin chez un peuple fort doux, un homme et une femme superbes criaient sur la place publique: »Mes amis, je veux qu’elle soit reine!« »Je veux être reine!« Elle riait et tremblait. Il parlait aux amis de révélation, d’épreuve terminée. Ils se pâmaient l’un contre l’autre. En effet ils furent rois toute une matinée, où les tentures carminées se relevèrent sur les Eines schönen Morgens riefen bei einem sehr sanften Volk ein Mann und eine Frau von herrlicher Erscheinung auf dem offenen Markt: »Ihr Freunde, ich will, daß diese Königin sei!« und: »lch will Königin sein!« Sie lachte und bebte. Er sprach zu den Freunden von Offenbarung, von bestandener Prüfung. Sie schmiegten sich trunken aneinander. Und wirklich waren 5 11606_KM_14-09-11_d.indd 5 12.09.11 15:19 maisonst et tout l’après-midi, où ils s’avancèrent du côté des jardins de palmes. sie einen ganzen Morgen lang Könige, als die scharlachroten Behänge an den Häusern aufgingen, und den ganzen Nachmittag lang, als sie den Palmengärten entgegengingen. V. Marine V. Seestück Les chars d’argent et de cuivre – Les proues d’acier et d’argent – Battent l’écume, – Soulèvent les souches des ronces. Les courants de la lande, Et les ornières immenses du reflux, Filent circulairement vers l’est, Vers les piliers de la forêt, Vers les fûts de la jetée, Dont l’angle est heurté par des tourbillons de lumière. Die Wagen von Silber und Kupfer, die Schiffsbuge von Stahl und Silber peitschen den Schaum, wühlen die Wurzeln der Dornsträucher auf. Die Strömungen der Heide und die ungeheuren Furchen der Flut fließen im Kreis nach Osten zu den Pfeilern des Waldes, zu den Säulen der Piers, im Winkel von Strudeln des Lichtes getroffen. VI. Interlude VI. Zwischenspiel J’ai seul la clef de cette parade sauvage. Ich allein halte den Schlüssel zu dieser wilden Parade. VII. Being Beauteaus VII. Being Beauteaus Devant une neiget un Être de Beauté de haute taille. Des sifflements de mort et des cercles de musique sourde font monter, s’élargir et trembler comme un spectre ce corps adoré; des blessures écarlates et noires éclatent dans les chairs superbes. Les couleurs propres de la vie se Foncent, dansent, et se dégagent autour de la Vision, sur le chantier. Et les frissons s’élèvent et grondent, et la saveur forcenée de ces effets se chargeant avec les sifflements mortels et les rauques musiques que le monde, loin derrière nous, lance sur notre mère de beauté, elle recule, elle se dresse. Oh! Nos os sont revêtus d’un nouveau corps amoureux. O la farce cendrée, l’écusson de crin, les bras de cristal! Le canon Vor Schnee ein Schönheitswesen von hoher Gestalt. Todesröcheln und Kreisen von gedämpfter Musik lassen den göttlichen Leib aufsteigen, sich dehnen und zittern wie ein Gespenst; scharlachrote und schwarze Wunden brechen auf in diesem herrlichen Fleisch. Die dem Leben eigenen Farben dunkeln, tanzen und lösen sich rings von der Erscheinung an der Baustätte. Und die Schauder schwellen an und donnern, und der tolle Reiz dieser Wirkungen schwerer noch vom Todesröcheln und der rauhen Musik, welche die Welt, weit hinter uns, auf unsere Mutter der Schönheit schleudert – sie weicht zurück, sie ragt auf. Oh, unsere Gebeine sind wieder bekleidet mit einem neuen, liebeglühenden 6 11606_KM_14-09-11_d.indd 6 12.09.11 15:19 sur lequel je dois m’abattre à travers la mêlée des arbres et de l’air léger! Körper! Oh das aschgraue Antlitz, das Wappenschild der Mähne, die Arme von Kristall! Die Kanone, auf die ich mich stürzen muß, durchdringend die Wirrnis der Bäume und der leichten Luft! VIII. Parade VIII. Parade Des drôles très solides. Plusieurs ont exploité vos mondes. Sans besoin, et peu pressés de mettre en œuvre leurs brillantes facultés et leur expérience de vos consciences. Quels hommes mûrs! Des yeux hébétés à la façon de la nuit d’été, rouges et noirs, tricolorés, d’acier piqué d’étoiles d’or; des faciès déformés, plombés, blêmist incendiés; des enrouements folâtres! La démarche cruelle des oripeauxi! Il y a quelques jeunes … O le plus violent Paradis de la grimace enragée! … Chinois, Hottentots, bohémiens, niais, hyènes, Molochs, vieilles démences, démons sinistres, ils mêlent leurs tours populaires, maternels, avec les poses et les tendresses bestiales. Ils interpréteraient des pièces nouvelles et des chansons »bonnes filles«. Maîtres jongleurs, ils transforment le lieu et les personnes et usent de la comédie magnétique … J’ai seul la clef de cette parade sauvage. Ganz handfeste Halunken. Mehrere haben eure Welten ausgebeutet, dabei genügsam, ohne jede Hast, ihre glänzenden Fähigkeiten und ihre Kenntnis von eurem Gewissen in die Tat umzusetzen. Was für reife Männer! Augen, stumpf wie die Sommernacht, rot und schwarz dreifarbig, aus Stahl, von Goldsternen durchsetzt; entstellte Züge, bleiern, wächsern, entzündet; schäkernde Heiserkeit. Das grausame Stolzieren des Flitters! Es sind auch Junge dabei! Oh das höchst gewaltsame Paradies der rasenden Fratze! Chinesen, Hottentotten, Zigeuner, Tölpel, Hyänen, Moloche, alte Besessenheiten, finstere Dämonen, sie verbinden ihre volkstümlich-mütterlichen Possen mit tierischen Gebärden und Zärtlichkeiten. Sie würden die neuesten Stücke oder einfältige Gassenhauer vortragen. Die Meistergaukler verwandeln Orte und Personen und nutzen magnetische Komödien … Ich allein halte den Schlüssel zu dieser wilden Parade. IX. Départ IX. Aufbruch Assez vu. La vision s’est rencontrée à tous les airs. Assez eu. Rumeurs des villes, le soir, et au soleil, et toujours. Assez connu. Les arrêts de la vie. O Rumeurs et Visions! Départ dans l’affection et le bruit neufs! Genug geschaut. Der Vision wurde auf alle Weisen begegnet. Genug gehabt. Klänge der Städte, abends, und im Sonnenlicht, und immerfort! Genug erkannt. Die Hemmnisse des Lebens. Oh Klänge und Visionen! Aufbruch in neuer Affektion und neuem Lärm. 7 11606_KM_14-09-11_d.indd 7 12.09.11 15:19 ZU DEN WERKEN DES HEUTIGEN KONZERTS Was kann ein Komponist im Alter von 25 Jahren leisten? Nichts Weltbewegendes, sollte man meinen, wenn man beispielsweise Anton Bruckner, César Franck oder Leoš Janáček zum Maßstab nimmt. Diese Musiker fanden alle erst in fortgeschrittenem Alter zu persönlichem Stil und originellen Aussagen; kein Mensch würde sich heute an sie erinnern, hätten sie mit 30 das Komponieren aufgegeben. Anders verhält es sich mit Wolfgang Amadeus Mozart, Benjamin Britten und Franz Schubert. Sie standen als 25-Jährige auf der Höhe ihres Könnens und blickten bereits auf ein umfangreiches und eigenständiges Schaffen zurück. Die junge japanische Komponistin Eiko Tsukamoto hingegen steht mit ihren 25 Jahren am Beginn einer möglicherweise großen Laufbahn. »… zu einem einzigen Augenblick zusammenfließen« Eiko Tsukamotos Orchesterstück In einem Augenblick Kagoshima ist kein japanischer Philosoph und Wittgenstein steht nicht nur für einen am Rande des Sauerlandes gelegenen Landkreis (Siegen-Wittgenstein). Umgekehrt aber bezeichnet Kagoshima einen japanischen Distrikt und dessen gleichnamige Hauptstadt am Südzipfel der Insel Kyüshü. Dort, im Angesicht des aktiven Vulkans Sakura-jima, dessen Asche immer wieder den Himmel verdunkelt, wurde Eiko Tsukamoto 1986 geboren. Und (Ludwig) Wittgenstein (1889 – 1951) war ein einflussreicher österreichischer Philosoph, der als eine seiner Kernthesen postulierte, dass das Denken permanent der Verführung, Irreführung und Behexung durch die Sprache ausgesetzt sei und der »Gedanke« sich davon zu befreien habe. Ob Eiko Tsukamotos eigener Wunsch nach Klarheit und Reinheit der (Musik-) Sprache indirekt von der von Vulkanasche vernebelten Luft ihrer Heimatstadt motiviert wurde, sei dahingestellt. Jedenfalls schätzt die junge japanische Komponistin Wittgenstein sehr, ja, so sehr, dass sie den Kommentar zu ihrem 2009 in Köln uraufgeführten Streichtrio vollständig den Philosophischen Untersuchungen Wittgensteins (selbstverständlich mit korrekter Quellenangabe) entnahm. 8 11606_KM_14-09-11_d.indd 8 12.09.11 15:19 Entstand das Streichtrio für das »Opening«-Festival anlässlich der Einweihung des Instituts für Neue Musik an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, so schrieb Eiko Tsukamoto ihr – heute zur Uraufführung anstehendes – Orchesterstück In einem Augenblick als Auftragswerk der KölnMusik für das 25-jährige Jubiläum der Kölner Philharmonie. Somit ist sie bereits zentralen Institutionen des weit ausstrahlenden Kölner Musiklebens verbunden, obwohl sie erst 2009 zur Fortsetzung ihres Studiums an den Rhein und in die Kompositionsklasse von Johannes Schöllhorn an der Kölner Hochschule kam. Zeitlich voraus ging die intensive Beschäftigung mit Philosophie, die von einem Studium in Tokio von 2005 9 11606_KM_14-09-11_d.indd 9 12.09.11 15:19 bis 2009 untermauert wurde. Angeregt dazu wurde sie von ihrem damaligen Klavierlehrer, der ihr empfahl, erst einmal kein Konservatorium zu besuchen, sondern sich zunächst mit den Geisteswissenschaften auseinanderzusetzen – denn man könne nicht komponieren, wenn man sich nur in der Musik auskenne. Eiko Tsukamoto erschien dieses Argument plausibel, zumal sie sich schon in der Schulzeit für philosophische Themen, insbesondere eben für Ludwig Wittgenstein und die Grundlagen der Logik und Mathematik, interessierte. Das Ziel, Musikerin und Komponistin zu werden, geriet dadurch aber nicht in Vergessenheit. Mit fünf Jahren hatte sie begonnen, Klavier zu spielen, und als sie ein Teenager war, wusste sie, dass sie Berufsmusikerin werden wollte. Innerlich wandte sie sich zu dieser Zeit mehr und mehr vom Klavier ab und dem Komponieren zu, und während ihres universitären Abstechers in die Philosophie reifte der Plan, anschließend Komposition zu studieren, und zwar unbedingt in Deutschland. Neben dem Philosophiestudium erhielt Eiko Tsukamoto schon privaten Kompositionsunterricht von Toshio Hosokawa, einem der renommiertesten japanischen Tonkünstler, der in seinem Schaffen nicht nur Verbindungslinien zwischen japanischen Traditionen und der »Neuen Musik« westlicher Prägung zieht, sondern der in seinem musikalischen Denken auch philosophische und klangliche Reflexionen verknüpft. Auf ganz eigene Weise gilt dies ebenfalls für Eiko Tsukamoto – nicht zuletzt für In einem Augenblick. Zwar ließ sie sich für das Orchesterstück nicht direkt von Ludwig Wittgenstein inspirieren, in ihren Erläuterungen zu dem Werk reflektiert sie aber tiefgründig über philosophische und existenzielle Fragen, die sie ungezwungen auch zum 25-jährigen Jubiläum der Kölner Philharmonie in Beziehung setzt: »Man feiert ein Jubiläum, aber dass einem bestimmten Tag eine besondere Bedeutung zukommt, ist nicht selbstverständlich. Das Ereignis, zum Beispiel eine Geburt, geschah ja nur ein einziges Mal und wiederholt sich nicht. Vielleicht kommen wir der Wahrheit näher, wenn wir annehmen, dass wir einem bestimmten Zeitpunkt einen Sinn geben, wo sonst keiner zu finden wäre. Dadurch gewinnen wir neue Einsichten über die Vergangenheit, aber auch über die Zukunft – in Gedanken durchmessen wir die 25 Jahre, die gleichzeitig hinter und vor uns liegen. In dieser Vorstellungswelt 10 11606_KM_14-09-11_d.indd 10 12.09.11 15:20 vergeht die Zeit ganz anders als die Zeit, die wir gerade real erleben; wir betrachten die Zeit von einem markanten Punkt aus, wir machen Knoten in den Fluss der Zeit, und mit Hilfe dieser Merkmale denken wir an die Vergangenheit und an die Zukunft. Jedes Merkmal ist nur ein Punkt oder ein Augenblick, der keine Ausdehnung hat, es ist aber gleichzeitig eine Szene, in der wir etwas sehen können, und zwar können wir dort sogar das Unendliche sehen! Und dann wird die Zeit wieder auf einen Punkt fokussiert – ein Paradoxon, in dem die Beziehung zwischen dem Ganzen und den Teilen nicht mehr gültig ist. In einem Augenblick möchte ich verstanden wissen als eine Folge von Punkten, also von mehreren Augenblicken, die zu einem einzigen Augenblick zusammenfließen, die nicht länger die Summe vieler Augenblicke sind.« Nun spielen Zeit und Zeitempfinden in der Musik, aufgrund ihres flüchtigen Erscheinungsbilds als Zeitkunst, per se eine herausragende Rolle. Im Moment des Entstehens ist jeder einzelne Klang bereits im Vergehen begriffen; seine Existenz pflanzt sich fort von Augenblick zu Augenblick – und gerade in der Spur der Erinnerung, die die Klänge wie einen sich auflösenden Kondensstreifen hinter sich herziehen, können sich diese Augenblicke bei intensivem Erleben zu einem einzigen verdichten. Dass davon in der Wahrnehmung auch das Verhältnis zwischen dem einzelnen Ton und seiner Einbindung in ein Tongeflecht berührt ist, liegt auf der Hand. Eiko Tsukamoto fokussierte in ihrem neuen Werk diese Spannungsfelder, wobei sie über den Gegensatz von Punkt und Fläche, von Vereinzelung und Vereinigung, hinausging und ihre Vorstellung vom »Zusammenfließen der Augenblicke« metaphorisch auf Aggregatzustände projizierte: auf die Kontrastierung von festem und flüssigem Material, von markanten Formationen und filigranen netzartigen Gespinsten. Überlagern sich diese Ebenen in den ersten Takten von In einem Augenblick sachte, so tritt rasch eine Konzentration ein, in der aus Fixpunkten blasenartig kleine melodische Gebilde strömen und stechende Akkorde zu Zäsuren werden. Von Beginn an wird deutlich, dass Eiko Tsukamoto nicht der Verführung erlag, den Orchesterapparat mit all seinen Möglichkeiten im Hinblick auf spektakuläre Klangeffekte zu nutzen. Vielmehr suchte sie den Reiz in der Beschränkung und der Zurücknahme, vor deren Hintergrund 11 11606_KM_14-09-11_d.indd 11 12.09.11 15:20 aufflammende Gesten umso größere Wirkung entfalten. Auch die rhythmisch-metrische Struktur ist doppelbödig. Die Grundtaktarten wechseln zwar häufig, sind aber einfach (2/4-, 3/4- und 4/4-Takt), während sich innerhalb der Figuren und Linien komplexe Konstellationen (samt Quintolen und Sextolen) herausbilden. Dementsprechend subtil gestaltet ist auch die Dynamik, die in zartesten Nuancierungen auf engstem Raum variiert und schwankt und dadurch zum maßgeblichen Faktor innerer Bewegtheit aufsteigt. Hand in Hand mit dem breiten dynamischen Spektrum – vom vierfachen Piano bis zum dreifachen Forte – geht das Verhältnis von Klang und Stille, die keine absoluten widerstreitenden Größen darstellen, sondern spitzfindig und zonenartig die orchestrale Landschaft für sich einnehmen und durchdringen. Unterstrichen wird der feinnervige Duktus ferner von ausdifferenzierten Spieltechniken, wenngleich Eiko Tsukamoto bewusst auf jegliche Manierismen in Form hochgradiger, auf umfangreichen Vortragsanweisungen basierender Klangverfremdungen verzichtete. Dies hätte ihrem Bedürfnis nach Klarheit und Exaktheit widersprochen, die sie in ihrem Orchesterstück, wie in ihrem Schaffen überhaupt, anstrebt. Gerade diese Klarheit und Stringenz ihrer Klangsprache, eben auch ihrer »Aussprache«, vermag es, fernab von Demonstration und Effekthascherei jeden »Augenblick« als aus sich selbst heraus existierendes Phänomen oder Wesen herauszustellen, ohne dass lediglich singuläre Klangereignisse aneinander gereiht würden. Hier drängt sich wiederum der Vergleich mit Sprache und Philosophie auf: Jeder »Gedanke« ist zwar fest umrissen wie ein Punkt auf einem Koordinatenfeld; er spinnt sich zugleich aber fort, wird vom nächsten hinterfragt, kontrapunktiert, modifiziert und weiter getragen, bis sich die »Gedanken« in schlüssiger Folge zu einem einzigen »Kerngedanken« verdichten. Unterliegt dieser Prozess auf dem Feld der Sprache oder Schrift einer Beurteilung nach den Kriterien von Logik und Bedeutung, so bewegt er sich in der Musik als abstrakter Kunst auf der Ebene von Assoziation und Intuition. Und in der Wahrnehmung, im Eintauchen in den Klangraum, verwandelt sich die linear fortschreitende Zeit in eine Kugelgestalt, in der – wie es schon der Kölner Komponist Bernd Alois Zimmermann (1918 – 1970) in Anlehnung an Augustinus ausformulierte – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (des Klanges) in eins fallen. Wenn die »Augenblicke« in 12 11606_KM_14-09-11_d.indd 12 12.09.11 15:20 Eiko Tsukamotos In einem Augenblick zusammenfließen, dann sind auch die Grenzen zwischen Musik und Philosophie aufgehoben, dann spiegeln sich in Klängen Gedanken und in Gedanken Klänge wider, ja, dann mutieren Klänge zu Gedanken und umgekehrt. Egbert Hiller Italienische Bravourarie, französischer Tanz – Mozarts Idomeneo Sicherlich nicht seine Jugend, sondern seine Erfahrung machte Mozart zum Wunschkandidaten, als der Münchener Hof einen Opernauftrag für die Karnevalssaison 1781 zu vergeben hatte. Als Stoff stand bereits »Idomeneo« fest, die Geschichte um den Kreterkönig, der in Seenot gelobt, den ersten Menschen, den er an der heimatlichen Küste antrifft, zu opfern. Was die Ausführung anbelangte, schwebte dem kunstsinnigen Kurfürsten Carl Theodor und seinem Theaterintendanten Graf Seeau offenbar eine Synthese aus italienischer Opera seria und französischer Tragédie lyrique vor. Und Mozart hatte ja einerseits schon Seria-Opern für ein italienisches Publikum komponiert, nämlich 1770 Mitridate und 1773 Lucio Silla, beide für das Mailänder Theater. Andererseits war er durch seine Parisreise von 1778 auch mit der französischen Musik bestens vertraut. Für den Münchener Idomeneo bearbeitete der Salzburger Geistliche Giambattista Varesco ein älteres französisches Textbuch und übersetzte es ins Italienische. Da er in Salzburg blieb, Mozart aber in München mit den Sängern arbeitete, gingen fast täglich Briefe zwischen den beiden Städten hin und her – der Entstehungsprozess des Stücks ist durch sie bestens dokumentiert. Die Briefe zeigen Mozart als gewieften und erstaunlich reflektierten Theaterpraktiker, der sich Gedanken um das Timing und den dramatischen Effekt jeder einzelnen Szene machte. 13 11606_KM_14-09-11_d.indd 13 12.09.11 15:20 Einen sehr überzeugenden Eindruck hinterlässt bereits die Ouvertüre: Statt wie zuvor der dreiteiligen Form einer italienischen Sinfonia zu folgen, orientierte sich Mozart im Idomeneo erstmals an der Sonatenform und an der Forderung Christoph Willibald Glucks, die Ouvertüre müsse »die Zuschauer auf die darzustellende Handlung vorbereiten und sozusagen ihren Inhalt zusammenfassen«. Das Stück beginnt mit einem feierlichen Fanfarenmotiv, das zum Geschehen am Königshof in Kreta hinleitet. Schon nach wenigen Takten hört man jedoch ein bedrohliches Tremolando (»zitternde« Bogenführung), verbunden mit einer chromatischen Melodie – sie lassen die angstvolle Atmosphäre und die tragischen Ereignisse des folgenden Dramas vorausahnen. Doch worin liegen eigentlich die Unterschiede zwischen italienischer Opera seria und französischer Tragédie lyrique, den beiden Gattungstraditionen, die den Idomeneo bestimmen? In der Opera seria, wie sie sich etwa in den Libretti des Wiener Hofpoeten Pietro Metastasio und den Partituren Johann Adolf Hasses darstellt, wechseln sich handlungstreibende Rezitative und innehaltende Arien ab. Für diese recht schematische Reihung entschädigen hohe Sängervirtuosität und starker Affektausdruck. Dagegen verlangt die Tragédie lyrique, wie sie Jean-Baptiste Lully und sein Librettist Philippe Quinault geschaffen hatten, keine strikte Trennung zwischen Rezitativen und Arien, vielmehr einen durchgehend ariosen Stil. Und sie konzentriert sich nicht auf den Sologesang, sondern bezieht Chöre, Ballette und Szeneneffekte ein. Mozart schrieb für seinen Idomeneo große Seria-Arien im Stil Hasses; eines der schönsten Beispiel bietet »Fuor del mar«, eine Bravourarie des Titelhelden aus dem zweiten Akt. In dieses Stück, so schrieb Mozart nach Hause, sei der 66-jährige Münchner Tenor Anton Raaff so »verliebt, als es nur immer ein junger feuriger Mann in seine Schöne seyn kann. Denn Nachts, ehe er einschläft, und Morgens, da er erwacht, singt er sie.« Doch auch seinen eigenen Ansprüchen an die dramatische Glaubwürdigkeit wurde Mozart gerecht: »die aria ist ganz gut auf die Wörter geschrieben – man hört das – mare – und das mare funesto [unheilbringendes Meer] und die Paßagen sind auf Minacciar angebracht, welche dann das Minacciar, das Drohen – gänzlich ausdrücken. – und überhaupt ist das – die Prächtigste aria in der opera – und hat allgemeinen Beyfall gehabt«. 14 11606_KM_14-09-11_d.indd 14 12.09.11 15:20 Prächtige Tänze schrieb Mozart für den Schluss des Idomeneo – sie zählen zu den französischen Elementen des Werks. Da sie mit dem Drama selbst nichts zu tun haben, werden sie in modernen Produktionen allzu oft gestrichen, und wohl aus dem gleichen Grund erhielten sie eine eigene Nummer im Köchelverzeichnis (nämlich 367, während die Oper unter KV 366 zu finden ist). Allerdings musste nach französischem Brauch sogar jeder Akt einer Tragédie lyrique mit einem festlichen Ballett enden, denn die Zuhörer sollten sich nach all den schweren emotionalen Konflikten auch einmal entspannen können. Mozart verwendete in seinen Briefen das französische Wort »Divertissement« und betonte damit die Nähe seiner Ballettmusik zur Tradition Lullys, Rameaus und Glucks. Sinnlicher Klang, verführerische Melodie – Brittens Liederzyklus Les Illuminations Benjamin Britten begann bereits im Alter von fünf Jahren erste Musikstücke niederzuschreiben, und 1927 war der angesehene Komponist und Dirigent Frank Bridge so beeindruckt von den Arbeiten des 13-jährigen Jungen, dass er sich bereit erklärte, ihn privat zu unterrichten. Im Winter 1938/39, als Britten im Alter von 25 Jahren die Arbeit an seinem Orchesterlieder-Zyklus Les Illuminations nach Texten von Arthur Rimbaud (1854 – 1891) begann, war er bereits eine bekannte Musikerpersönlichkeit. Zwei der Lieder, nämlich Being Beauteous und Marine, schrieb er noch in England, die übrigen wenig später im selbstgewählten Exil in den USA. Die Entscheidung des erklärten Pazifisten Britten, seine Heimat auf Dauer zu verlassen, war teils politisch, teils beruflich begründet – einerseits durch den drohenden Krieg, andererseits durch seine Unzufriedenheit mit der künstlerischen Entwicklung in England. Der Vorsatz hielt allerdings nicht lange: Bereits 1942 zwang ihn unüberwindliches Heimweh, nach Großbritannien zurückzukehren. Während er in vielen seiner späteren Werke ganz bewusst englische Traditionen aufgriff und in ihnen seine eigenen Wurzeln suchte, experimentierte er um das Jahr 1940 gerne mit fremden musikalischen Idiomen, die er sich äußerst geschickt aneignete. 15 11606_KM_14-09-11_d.indd 15 12.09.11 15:20 So erscheint die klangsinnliche Instrumentation von Les Illuminations geradezu als Inbegriff des Französischen, während die Seven Sonnets of Michelangelo (1940) einen sehr italienischen Belcanto pflegen und die Operette Paul Bunyan (1941) einen US-amerikanischen Stil ausbildet. Britten schrieb Les Illuminations für die Schweizer Sopranistin Sophie Wyss, betonte aber ausdrücklich, dass sich der Zyklus ebenso gut für eine hohe Männerstimme eigne. Bekannt wurde er schließlich – wie die meisten anderen Vokalwerke Brittens – in der Interpretation des Tenors Peter Pears, der 1939 mit ihm in die USA gegangen war und dort neben der musikalischen auch eine Lebenspartnerschaft mit dem Komponisten aufgebaut hatte. Sophie Wyss, die erste Interpretin des Werks, erinnerte sich, dass Britten eine Zeitlang von nichts anderem sprechen konnte – so fasziniert war er von Person und Dichtung Arthur Rimbauds, der schon mit 20 jedes Interesse am Schreiben verlor und dennoch durch die fast halluzinatorische, anspielungsreiche Lyrik seiner Jugendjahre zu den aufregendsten Figuren der französischen Literaturgeschichte zählt. Zur Begleitung der Lieder setzte Britten nur Streicher ein, diese allerdings sehr effektvoll: In der eröffnenden Fanfare etwa klingen sie wie Trompeten. Von ihren B-Dur-Harmonien entfernt sich die Gesangsstimme denkbar weit, wenn über einem E-Dur-Akkord das Motto des ganzen Zyklus erklingt: »J’ai seul la clef de cette parade sauvage« (»Ich allein habe den Schlüssel zu dieser wilden Parade). Villes beschwört dann den Trubel moderner Städte – für Rimbaud war das damals London, für Britten später New York. Phrase wirkt mit seinen glockenartigen Streichern wie ein kurzer, magischer Moment, Antique in der Melodieführung geradezu verführerisch. In Royauté haben die Streicher etwas von einer Militärkapelle voll falschem Pathos. Während Marine dem Sänger virtuose Skalen abverlangt, darf er in Interlude Atem schöpfen; gegen Ende singt er pianissimo noch einmal das »parade«-Motto. Der englische Titel Being Beautious stammt von Rimbaud selbst. Britten widmete das Lied Peter Pears. Parade heißt das komplexeste Stück der Reihe – es geht zurück auf ein Alla marcia für Streichquartett von 1933. Départ schließlich ist ein anrührender, melancholischer Epilog. 16 11606_KM_14-09-11_d.indd 16 12.09.11 15:20 Ein vollendetes Meisterwerk – Schuberts »Unvollendete« Franz Schubert komponierte von 1813 bis 1818 – also im Alter von 16 bis 21 Jahren – mit erstaunlicher Regelmäßigkeit eine Sinfonie im Jahresdurchschnitt. Aus der folgenden Zeit sind dagegen nur einige unvollendete Entwürfe erhalten. Auch das h-MollWerk, dessen Partiturniederschrift Schubert am 22. Oktober 1822 begann, ist ein Fragment, zumindest wenn man es am damals geltenden Standard der viersätzigen Sinfonie misst. Es unterscheidet sich aber grundsätzlich von den vorangegangenen Skizzen: Schubert hat die beiden Sätze vollständig instrumentiert, und er hat sie anscheinend der Öffentlichkeit übergeben. Als Dank für die Ernennung zum »auswärtigen Ehrenmitglied« des Steiermärkischen Musikvereins kündigte er jedenfalls in einem Brief vom 20. September 1823 an, »dem löblichen Vereine ehestens eine meiner Sinfonien in Partitur zu überreichen.« Auf ungeklärte Weise gelangte das Manuskript dann allerdings in den privaten Besitz des Musikvereins-Direktors Anselm Hüttenbrenner. Dieser hielt das Werk unter Verschluss, bis es 1865, lange nach Schuberts Tod, endlich uraufgeführt werden konnte. Dass sich die »Unvollendete« danach zu einem Lieblingsstück des Konzertpublikums entwickelte, hat wohl zwei Hauptgründe. Erstens enthält die Sinfonie eine Fülle gesanglicher und einprägsamer Themen, die – weitgehend ohne entstellende Verarbeitung – vielfach wiederholt werden. Diese Themen erzeugen eine relativ einheitliche Stimmung; sie wird zwar gelegentlich durch kurze Ausbrüche gestört, aber nicht durch einen andauernden dramatischen Konflikt, wie er für Sinfoniesätze seit Beethoven typisch ist. In Thematik und Atmosphäre ist das eröffnende Allegro moderato außerdem verwandt mit dem folgenden Andante con moto. Die satzübergreifenden Ähnlichkeiten verstärken noch die emotionale Wirkung des Werks, doch sie könnten vielleicht auch erklären, warum Schubert danach keine angemessene Fortsetzung fand oder finden wollte. Genau in dieser Frage, die bis heute nicht entschieden ist, mag ein zweiter Grund für die Beliebtheit des Werkes liegen. Die Aura 17 11606_KM_14-09-11_d.indd 17 12.09.11 15:20 des Geheimnisvollen förderte den Erfolg, die vielfältigen Spekulationen um die Ursachen des Unvollendetseins faszinierten manchen Zuhörer. Brach Schubert die Komposition nach zwei Sätzen (und dem Beginn eines dritten, eines Scherzos) ab, weil er in ihrer Thematik Anklänge an Beethoven entdeckt hatte? Von dessen Vorbild wollte er sich schließlich befreien, und die vorangegangenen sinfonischen Skizzen zeugen vom langen, schweren Ringen um eigene, ihm gemäße Lösungen. Oder hatte die Aufgabe der Arbeit mit einem einschneidenden Ereignis in seinem Leben zu tun, dem Ausbruch der Syphilis-Erkrankung im Jahr 1822? Gerätselt wurde auch darüber, ob Schubert die Sinfonie später noch vollenden wollte, oder ob er sie mit den beiden fertiggestellten Sätzen letztlich doch für abgeschlossen hielt. Der Musikhistoriker Arnold Schering war der Meinung, dem Werk liege ein verborgenes »Programm« zugrunde, nämlich Schuberts novellistischer Versuch Mein Traum (1822). Laut dieser Deutung wäre die Sinfonie grundsätzlich nur zweisätzig angelegt – entsprechend der zweiteiligen Anlage des Textes, der um verschmähte Liebe und das Leben nach dem Tod kreist. Doch auch wenn man solche Spekulationen ablehnt, fällt es schwer, sich nach den beiden eng verwandten Sätzen eine angemessene Fortsetzung vorzustellen. Keiner der Versuche, das Scherzo zu Ende zu komponieren und als Finale einen Satz aus Schuberts Œuvre anzufügen, konnte bisher überzeugen. Plausibler scheint die etwa von Rudolf Kloiber geäußerte Meinung, dass der Komponist wohl »zu der Überzeugung gelangt war, in den beiden Sätzen alles Wesentliche ausgesagt zu haben«. Demnach wäre die sogenannte »Unvollendete« trotz ihrer zweisätzigen Form das vollendete Meisterwerk eines 25-Jährigen. Jürgen Ostmann 18 11606_KM_14-09-11_d.indd 18 12.09.11 15:20 BIOGRAPHIEN Ian Bostridge Ian Bostridge war wissenschaflicher Mitarbeiter für Geschichte am Corpus Christi College in Oxford, bevor er sich ganz dem Gesang widmete. Seine Karriere als Lied-Sänger führte ihn u. a. nach Salzburg, Edinburgh, München, Wien, Aldeburgh und zur Schubertiade. In der Saison 2003/4 war er Artist in Residence am Wiener Konzerthaus und bei der Schubertiade Schwarzenberg. 2004/2005 gestaltete er mit Thomas Quasthoff eine CarteBlanche-Reihe im Amsterdamer Concertgebouw, 2005/2006 hatte er seine eigene Perspectives-Reihe in der Carnegie Hall, 2008 am Barbican in London und 2010/2011 in der Philharmonie Luxembourg. Sein Operndebüt gab Ian Bostridge als Lysander in Brittens A Midsummer Night’s Dream beim Edinburgh International Festival. An der English National Opera, wo er später auch den Jupiter in Semele sang, debütierte er als Tamino. An der Royal Opera sang er den Quint in Deborah Warners Inszenierung von Brittens The Turn of the Screw und war dort seitdem als Caliban in Adès’ The Tempest, als Don Ottavio in Don Giovanni und als Vasek in Die verkaufte Braut zu hören. Er sang den Nerone (L’Incoronazione di Poppea) und Tom Rakewell (The Rake’s Progress) an der Bayerischen Staatsoper sowie Don Ottavio an der Wiener Staatsoper. Sein Debüt als Aschenbach (Death in Venice) gab er an der English National Opera. Seine Einspielungen umfassen Schuberts Die schöne Müllerin mit Graham Johnson, Tom Rakewell unter Sir John Eliot Gardiner und Belmonte unter William Christie. Außerdem hat er Lieder von Schubert und Schumann aufgenommen, die Three Auden Songs und Lieder von Henze mit Julius Drake, Brittens Our Hunting Fathers mit Daniel Harding, Idomeneo unter Sir Charles Mackerras, Lieder von Schubert mit Leif Ove Andsnes, Mitsuko Uchida und Antonio Pappano, Songs von Noël Coward mit Jeffrey Tate, Liederzyklen von Britten mit den Berliner Philharmonikern unter 19 11606_KM_14-09-11_d.indd 19 12.09.11 15:20 Sir Simon Rattle, Bach-Kantaten mit Fabio Biondi, Händel-Arien mit Harry Bicket sowie Brittens Canticles, The Turn of the Screw und Billy Budd und Adès’ The Tempest. Seine jüngste Einspielung (mit The English Concert unter Bernard Labadie) erschien unter dem Titel Three Baroque Tenors. Als Konzertsänger arbeitete Ian Bostridge unter anderem mit den Berliner Philharmonikern, den Wiener Philharmonikern, dem Chicago Symphony Orchestra, dem Boston Symphony Orchestra, dem London Symphony Orchestra, dem London Philharmonic Orchestra, dem BBC Symphony Orchestra, dem Rotterdam Philharmonic, dem Königlichen Concertgebouworchester Amsterdam, dem New York Philharmonic sowie dem Los Angeles Philharmonic unter Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Sir Colin Davis, Sir Andrew Davis, Seiji Ozawa, Antonio Pappano, Riccardo Muti, Mstislav Rostropowich, Daniel Barenboim, Daniel Harding und Donald Runnicles. Im Januar 2010 sang er die Uraufführung von Henzes Opfergang mit dem Orchestra dell’ Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom unter Antonio Pappano. Im Jahr 2001 wurde Ian Bostridge Honory fellow am Corpus Christi College, Oxford. 2003 erhielt er die Ehrendoktorwürde an der University of St Andrew’s und 2010 wurde er zum Honory fellow am St. John’s College Oxford ernannt. 2004 wurde ihm wurde der Titel des Commander of the Order of the British Empire verliehen. In der Kölner Philharmonie war Ian Bostrigde zuletzt im September vergangenen Jahres zu hören. 20 11606_KM_14-09-11_d.indd 20 12.09.11 15:20 Mahler Chamber Orchestra Als internationales Tournee-Orchester ist das Mahler Chamber Orchestra rund 200 Tage pro Jahr unterwegs. Der Durchbruch gelang dem Ensemble bereits wenige Monate nach seiner Gründung 1997 mit der Aufführung der Mozartoper Don Giovanni beim Festival in Aix-en-Provence unter der Leitung von Claudio Abbado. Seither spielt das MCO weltweit in den bedeutendsten Musikmetropolen sowie bei international renommierten Festivals. Als das MCO 2008 unter Claudio Abbado mit Fidelio am Teatro Real in Madrid debütierte, wurde es von Le Monde als »das beste Orchester der Welt« bezeichnet. Das MCO wurde im Frühling 2011 zum Kulturbotschafter der Europäischen Union ernannt. Durch die multinationale Zusammensetzung seiner Musiker und den internationalen Aktionsradius seiner Tätigkeiten fördert das MCO den interkulturellen Dialog und die grenzüberschreitende Mobilität von Künstlern und musikalischen Kunstwerken. Mit vielfältigen Education-Projekten engagiert sich das MCO zunehmend auch im sozialen und pädagogischen Bereich. Neben dem Gründungsdirigenten Claudio Abbado hat vor allem Daniel Harding das MCO geprägt: Er wurde bereits 1998 als 22-Jähriger zum Ersten Gastdirigenten, 2003 zum Musikdirektor und 2008 zum Principal Conductor gewählt. Im Sommer 2011 ernannte das Orchester Daniel Harding einstimmig zum Conductor Laureate auf 21 11606_KM_14-09-11_d.indd 21 12.09.11 15:20 Lebenszeit. Harding hat mit dem MCO Schlüsselwerke der Klassik (u. a. die großen Mozartopern sowie alle Beethoven-Sinfonien), der Romantik (darunter die Brahms-Sinfonien) und der Moderne (z. B. Alban Bergs Wozzeck) aufgeführt. Mehrere CDs und DVDs dokumentieren die gemeinsame Arbeit. Die 44 Mitglieder der MCO-Kernbesetzung stammen aus 19 verschiedenen Nationen und leben in ganz Europa. Neben dem festen Kern umschließt das MCO ein sorgfältig aufgebautes und gepflegtes Netzwerk hervorragender Musiker, die je nach Projekt hinzugezogen werden können. Dadurch ist es dem Orchester möglich, von Kammermusik bis zur großen Sinfonie, vom Barock bis zur Uraufführung, von der konzertanten bis zur szenischen Oper und zum Crossover-Projekt auf höchstem Niveau jedes Repertoire zu spielen. Als freies Orchester finanziert sich das MCO hauptsächlich aus den Konzerteinnahmen, ergänzt durch Spenden und Sponsoring. Das MCO ist demokratisch organisiert und wird von Orchestervorstand und Management gemeinsam geführt. Der Sitz des MCO-Managements liegt in Berlin. Der Name des Orchesters – Mahler Chamber Orchestra – verweist auf die Wurzeln des Ensembles: Das MCO wurde von Mitgliedern des Gustav Mahler Jugendorchesters (GMJO) gegründet, die die Altersgrenze des Jugendorchesters erreicht hatten, jedoch weiterhin gemeinsam musizieren wollten. Mit Hilfe ihres musikalischen Paten Claudio Abbado schufen sie ihr eigenes Ensemble. Das »Chamber« im Orchestername bezieht sich dabei weniger auf die Orchestergröße als auf die kammermusikalische Grundhaltung, die das Zusammenspiel der MCO-Musiker charakterisiert. In der Saison 2011/12 spielt das MCO Sinfoniekonzerte, Opern und Kammermusik in 41 Städten in 14 verschiedenen Ländern. Wichtigste künstlerische Partner sind neben Claudio Abbado und Daniel Harding die Dirigenten Sir John Eliot Gardiner, Sir Roger Norrington und Vladimir Jurowski (mit denen das MCO zum ersten Mal zusammenarbeitet), Daniele Gatti, Esa-Pekka Salonen und Teodor Currentzis sowie die Solisten Leif Ove Andsnes, Martha Argerich, Pierre-Laurent Aimard, Kolja Blacher, Ian Bostridge und Thomas Quasthoff. 22 11606_KM_14-09-11_d.indd 22 12.09.11 15:20 Zu den herausragenden Projekten zählen die Debüts des Orchesters in Polen (im Rahmen der Kultursaison NRW in Polen) und in Indien (Konzerte mit dem indischen Künstler Amjad Ali Khan sowie Education-Projekte mit Kindern und Jugendorchestern), der Beginn des dreijährigen Zyklus »Beethoven – the Journey« mit Leif Ove Andsnes (wobei alle Klavierkonzerte in ausgedehnten Konzerttourneen auf die Bühne gebracht und auf CD herausgegeben werden) sowie die Rückkehr des MCO zum Opernfestival in Aix-en-Provence mit einer Uraufführung von George Benjamins Oper Written on Skin unter der Leitung des Komponisten. Außerdem spielt das MCO in der aktuellen Saison zwei weitere Uraufführungen: In einem Augenblick der 25-jährigen japanischen Komponistin Eiko Tsukamoto zum heutigen 25. Geburtstag der Kölner Philharmonie sowie im Dezember als Auftragswerk des MCO Søren Nils Eichbergs Concerto grosso für Streichquartett und Orchester. Das MCO erschließt sich jedes Jahr neue Spielorte, pflegt jedoch auch langfristige künstlerische Partnerschaften. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Residenzen zu, an denen nicht nur Konzerte gespielt, sondern auch die Probenphasen organisiert werden. Dies schafft Zeit für eine breite Palette an zusätzlichen Aktivitäten, wie etwa Kammermusik an besonderen Orten, Probenbesuche und Education-Projekte, und bringt eine enge und persönliche Verbindung der Musiker zu den Häusern und den dort lebenden und arbeitenden Menschen mit sich. Zurzeit hat das MCO drei feste Residenzen: Die älteste liegt in Ferrara/Italien, wo das MCO das Konzertleben seit 1998 prägt. Im Rahmen dieser Residenz wurden in den letzten 13 Jahren rund 90 Konzertprogramme und Opern aufgeführt. Das MCO ist in Ferrara auch außerhalb des Teatro Comunale aktiv und spielt regelmäßig Kammermusik im Jazz Club Ferrara. Im Frühling 2011 konnte der Vertrag mit Ferrara Musica um weitere drei Jahre verlängert werden. In den Städten Dortmund, Essen und Köln besteht seit 2009 die zweite feste MCO-Residenz. Die Kunststiftung NRW und das Land Nordrhein-Westfalen begleiten diese Residenz als Partner und Förderer. Einen Grundpfeiler bildet dabei – in Zusammenarbeit mit dem Orchesterzentrum NRW in Dortmund – die MCO Academy 23 11606_KM_14-09-11_d.indd 23 12.09.11 15:20 zur Aus- und Weiterbildung des Orchesternachwuchses. Höhepunkte sind die alljährlichen MCO Academy-Konzerte, zu denen Studierende nach einem erfolgreich absolvierten Probespiel in die Reihen des MCO aufgenommen werden und unter der Leitung international renommierter Dirigenten Praxiserfahrung sammeln. Nach den Projekten mit Daniel Harding, Ton Koopman und Pierre Boulez übernimmt in dieser Saison Esa-Pekka Salonen die Leitung des MCO Academy-Konzertes. Der andere Grundpfeiler der Residenz besteht in Konzert- und Opernprojekten, die von den drei Häusern in Dortmund, Essen und Köln und dem MCO gemeinsam auf höchstem künstlerischem Niveau konzipiert und vom MCO international präsentiert werden, so dass sie über das Land hinaus strahlen und zur inneren und äußeren Vernetzung NRWs beitragen. Eine weitere langfristige Partnerschaft verbindet das MCO mit Luzern, seit Claudio Abbado das MCO 2003 zum Herzstück des Lucerne Festival Orchestra (LFO) bestimmte. Neben den LFOKonzerten spielt das MCO jeden Sommer zwei Konzerte in seiner Stammbesetzung, oft stehen in diesem Rahmen Ur- oder Erstaufführungen sowie konzertante Opern auf dem Programm. Im Sommer 2011 steuert das MCO zudem erstmals ein eigenes Kammermusikprogramm bei. Das MCO hat 19 – zum Teil preisgekrönte – Alben eingespielt, darunter Opernaufnahmen mit Claudio Abbado (zuletzt Beethovens Fidelio) und Daniel Harding, die mit einem Grammy ausgezeichnete Live-Aufnahme von Beethoven-Klavierkonzerten mit Martha Argerich sowie Arien-Alben mit Anna Netrebko und Jonas Kaufmann. 2011 sind mehrere Aufnahmen erschienen, darunter das bereits mit einem Diapason d’Or ausgezeichnete BrahmsViolinkonzert mit Isabelle Faust und Daniel Harding sowie ein Rachmaninow-Album unter der Leitung von Claudio Abbado mit der jungen chinesischen Pianistin Yuja Wang. In der Kölner Philharmonie spielte das Mahler Chamber Orchestra zuletzt im Mai dieses Jahres das Eröffnungskonzert des Festivals ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln. 24 11606_KM_14-09-11_d.indd 24 12.09.11 15:20 DIE BESETZUNG DES MAHLER CHAMBER ORCHESTRA Violine I Julia Kretz Konzertmeisterin Cindy Albracht Isabelle Briner Julia-Maria Kretz Keunah Park May Kunstovny Geoffroy Schied Henja Semmler Irina Simon Renes Tristan Théry Hayley Wolfe Flöte Chiara Tonelli Júlia Gállego Oboe Emma Schied Nieke Schouten Klarinette Olivier Patey Jaan Bossier Fagott Kari Foss Chiara Santi Violine II Michael Arlt * Michiel Commandeur Christian Heubes Paulien Holthuis Janka Ryf Sonja Starke Tamás Vásárelhyi Yi Yang Horn René Pagen Kjell Lundström Trompete Nicholas Thompson Andreas Weltzer Viola William Coleman * Florent Bremond Yannick Dondelinger Josep Puchades Escriba Anna Puig Torné Delphine Tissot Posaune Andreas Klein Jonathan Randall Mark Hampson Pauke Martin Piechotta Violoncello Inga Raab * Christophe Morin Kajana Packo Andrei Simion ** Philipp von Steinaecker * Stimmführer ** Stipendiat der MCO-Stiftung, Absolvent des Orchesterzentrum | NRW Kontrabass Timothy Dunin * Sung Hyuck Hong Johane Gonzalez Seijas 25 11606_KM_14-09-11_d.indd 25 12.09.11 15:20 Sir Roger Norrington Seit fast fünfzig Jahren ist Roger Norrington führend im Bereich der historisch informierten Aufführungspraxis. Ob mit seinen eigenen London Classical Players in den 1980er Jahren, mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, der Camerata Salzburg in den letzten Jahren oder mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment seit dessen Gründung – er legte immer besonderen Wert darauf, Musikern den historischen Stil der Musik, die sie spielen, nahezubringen. Dies umfasst sowohl die Größe des Orchesters und dessen Sitzordnung als auch Tempi, Phrasierung, Artikulation und Klang. Roger Norrington, der 1997 von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, lernte seit seiner Kindheit Geige und Gesang und begann sein Dirigierstudium in Cambridge. Er studierte am Royal College of Music bei Sir Adrian Boult und gründete zur gleichen Zeit das erste von vielen Ensembles zur Aufführung von Alter Musik, den Heinrich Schütz Choir. Zehn Jahre später folgten die London Classical Players, die weltweiten Ruhm mit der Einspielung der neun Beethoven-Sinfonien errangen. Werke von Haydn, Mozart, Berlioz, Brahms, Bruckner und vielen anderen folgten und führten zur Etablierung Norringtons als Schlüsselfigur der historischen Aufführungspraxis. Schon 1966 wurde Roger Norrington zum Musikdirektor der neuen und aufsehenerregenden Kent Opera ernannt. Auch hier bezog er, vor allem bei alten Werken, neue Denkweisen über Orchestergröße, Stil und Tempi mit ein. Er brachte angesehene Regisseure wie Jonathan Miller und Nicholas Hytner an die Oper, leitete hunderte Aufführungen und setzte seine Arbeit schließlich in Covent Garden und an der English National Opera, an der Scala und La Fenice sowie an der Wiener Staatsoper fort. Später begann Norrington, auch mit »moderneren« Orchestern, Chören und Opernkompanien zu arbeiten. Er ist regelmäßig bei vielen international führenden Orchestern zu Gast, so u. a. bei den Berliner und den 26 11606_KM_14-09-11_d.indd 26 12.09.11 15:20 Wiener Philharmonikern, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Königlichen Concertgebouworchester Amsterdam, dem Orchestre de Paris, dem NHK Symphony Orchestra in Tokio sowie dem Philharmonia Orchestra in London. In den USA war er über viele Jahre mit dem Boston Symphony Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra sowie mit dem San Francisco Symphony Orchestra zu erleben, ebenso mit dem Philadelphia Orchestra, den Sinfonieorchestern von Cincinnati und Detroit sowie mit dem Los Angeles Philharmonic. Ständige Engagements umfassen das Chefdirigat der Bournemouth Sinfonietta, die Positionen als Musikdirektor des Orchestra of St Luke’s in New York, als Chefdirigent (jetzt Emeritus) der Camerata Salzburg und (seit 1998) als Chefdirigent des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR. Mit Beginn der Spielzeit 2011/2012 trat er die Stelle als Principal Conductor des Zürcher Kammerochesters an. Mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR hat Sir Roger Norrington eine beachtliche Serie von Einspielungen veröffentlicht, die das Kernrepertoire für Orchester mit Werken von Haydn, Mozart, Beethoven, Berlioz, Mendelssohn Bartholdy, Schumann, Brahms, Dvořák, Tschaikowsky, Wagner, Bruckner, Mahler und Elgar umfassen. Bei uns war Sir Roger Norrington zuletzt im Januar 2006 mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR zu Gast. 27 11606_KM_14-09-11_d.indd 27 12.09.11 15:20 KÖLNMUSIK-VORSCHAU September DO 15 21:00 Alter Wartesaal DO 15 TRIPCLUBBING 12:30 Mitglieder des Mahler Chamber Orchestra Nicolas Tribes Moderation Georg Conrad DJ PhilharmonieLunch Gürzenich-Orchester Köln Markus Stenz Dirigent Mahler Chamber Orchestra REMIXED KölnMusik gemeinsam mit dem Gürzenich-Orchester Köln Förderer der MCO Residenz NRW: KUNSTSTIFTUNG NRW • MINISTERIUM FÜR FAMILIE, KINDER, JUGEND, KULTUR UND SPORT DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Eintritt frei DO 15 Präsentiert von StadtRevue – Das Kölnmagazin 20:00 TRIPCLUBBING ist ein Projekt im Rahmen von ON – Neue Musik Köln. ON – Neue Musik Köln wird gefördert durch das Netzwerk Neue Musik, ein Förderprojekt der Kulturstiftung des Bundes, sowie durch die Stadt Köln und die RheinEnergieStiftung Kultur. Juliane Banse Sopran Wolfram Rieger Klavier Michael Jarrell Nachlese IV (2011) Liederzyklus für Gesang und Klavier nach Texten von Luis de Góngora y Argote Kompositionsauftrag der KölnMusik Uraufführung SO 18 Lieder von Carl Loewe, Hugo Wolf 16:00 Die Uraufführungen im Rahmen des Jubiläums »25 Jahre Kölner Philharmonie« werden ermöglicht durch das Kuratorium KölnMusik e.V. Modigliani Quartett Juan Crisóstomo de Arriaga Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello Nr. 3 Es-Dur Die Kunst des Liedes 1 Claude Debussy Streichquartett g-Moll op. 10 Felix Mendelssohn Bartholdy Streichquartett a-Moll op. 13 Nominiert für die »Rising stars« vom Festspielhaus Baden-Baden, der Elbphilharmonie & Laeiszhalle Hamburg und der Kölner Philharmonie 15:00 Einführung in das Konzert durch Bjørn Woll Rising stars – die Stars von morgen 1 28 11606_KM_14-09-11_d.indd 28 12.09.11 15:20 SO SO 18 25 20:00 16:00 Andreas Staier Hammerklavier Hannes Minnaar Klavier Freiburger Barockorchester Gottfried von der Goltz Dirigent Radio Filharmonisch Orkest Damian Iorio Dirigent Brice Pauset Kontra-Konzert für Hammerklavier, Orchester und drei Schlagzeuger Kompositionsauftrag der KölnMusik Uraufführung Edvard Grieg Peer Gynt Suite Nr. 1 op. 46 Ludwig van Beethoven Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73 Sergej Prokofjew Romeo und Julia, Auszüge aus den Sinfonischen Suiten op. 64a und b Ludwig van Beethoven Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 Sonntags um vier 1 Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93 Die Uraufführungen im Rahmen des Jubiläums »25 Jahre Kölner Philharmonie« werden ermöglicht durch das Kuratorium KölnMusik e.V. MI 28 20:00 Baroque ... Classique 1 Kristian Bezuidenhout Klavier Wolfgang Amadeus Mozart Sonate für Klavier G-Dur KV 283 (189h) DO 22 Sonate für Klavier B-Dur KV 333 (315c) »Linzer Sonate« 12:30 PhiharmonieLunch u. a. Gürzenich-Orchester Köln Markus Stenz Dirigent 19:00 Einführung in das Konzert durch Christoph Vratz Piano 1 KölnMusik gemeinsam mit dem Gürzenich-Orchester Köln Eintritt frei DO 29 12:30 PhilharmonieLunch WDR Sinfonieorchester Köln Emilio Pomàrico Dirigent KölnMusik gemeinsam mit dem Westdeutschen Rundfunk Eintritt frei 29 11606_KM_14-09-11_d.indd 29 12.09.11 15:20 DO SO 29 02 20:00 18:00 Karina Chepurnova Sopran Katarzyna Mackiewicz Sopran Oleg Korzh Tenor Aleksandr Trofimov Tenor Veronika Eberle Violine Rotterdams Philharmonisch Orkest Yannick Nézet-Séguin Dirigent Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur KV 216 Strauß Festival Orchester Wien Peter Guth Dirigent Glanzlichter der Wiener Operette und in Westeuropa nur selten zu hörende Evergreens russischer Operettenkultur stehen sich in diesem Programm gegenüber. Anton Bruckner Sinfonie Nr. 8 c-Moll WAB 108 Kölner Sonntagskonzerte 1 MO Operette und … 1 03 20:00 Tag der Deutschen Einheit Ton Koopman Cembalo, Orgel Tini Mathot Cembalo, Orgel Oktober Wolfgang Amadeus Mozart Adagio und Allegro f-Moll KV 594 Stück für ein Orgelwerk in einer Uhr SA 01 Sonate für Klavier zu vier Händen D-Dur KV 381 (123a) 20:00 Antoine Forqueray / Jean-Baptiste Forqueray Drei Sätze aus: Suite für Cembalo Nr. 1 d-Moll Abschlusskonzert mit Preisträgern des »Internationalen Musikwettbewerbs Köln« WDR Rundfunkorchester Köln Niklas Willén Dirigent Johann Sebastian Bach Pièce d’orgue G-Dur BWV 572 Daniel Finkernagel Moderation Partite diverse sopra: »O Gott, du frommer Gott« BWV 767 Wieder ist der Internationale Musikwettbewerb Köln ein Sprungbrett für die Newcomer der Klassik. Fuge g-Moll BWV 578 Präludium und Fuge C-Dur BWV 547 KölnMusik gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem Westdeutschen Rundfunk »Wachet auf, ruft uns die Stimme« BWV 645 »Nun komm der Heiden Heiland« BWV 659 Carl Philipp Emanuel Bach Fantasia fis-Moll Wq 67 Antoni Soler Konzert für zwei Orgeln G-Dur Orgel plus … 1 30 11606_KM_14-09-11_d.indd 30 12.09.11 15:20 Peter Iljitsch Tschaikowsky Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Carl Maria von Weber Ouvertüre zu Euryanthe op. 81 JV 291 Foto: Roger Mastroianni John Adams Doctor Atomic Symphony The Cleveland Orchestra Franz Welser-Möst Dirigent koelner-philharmonie.de Roncalliplatz, 50667 Köln direkt neben dem Kölner Dom (im Gebäude des RömischGermanischen Museums) Neumarkt-Galerie 50667 Köln (in der Mayerschen Buchhandlung) 11606_KM_14-09-11_d.indd 31 31 Philharmonie-Hotline 0221-280 280 Sonntag 30.10.2011 16:00 12.09.11 15:20 Philharmonie-Hotline 0221.280 280 koelner-philharmonie.de Informationen & Tickets zu allen Konzerten in der Kölner Philharmonie! Kulturpartner der Kölner Philharmonie Herausgeber: KölnMusik GmbH Louwrens Langevoort Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH Postfach 102163, 50461 Köln koelner-philharmonie.de 11606_KM_14-09-11_d.indd 32 Redaktion: Sebastian Loelgen Corporate Design: hauser lacour kommunikationsgestaltung GmbH Textnachweis: Die Texte von Egbert Hiller und Jürgen Ostmann sind Originalbeiträge für dieses Heft. Fotonachweise: Ben Ealovega S. 19; SWR/ Thomas Müller S. 26; Deniz Saylan S. 21 Gesamtherstellung: adHOC Printproduktion GmbH 12.09.11 15:20 11606_KM_14-09-11_d.indd U3 12.09.11 15:20 11606_KM_14-09-11_d.indd U4 12.09.11 15:20