64 P 3 – Widerstandsmessung P3 - Widerstandsmessung 1. Der spezifische Widerstand Der spezifische Widerstand von Materialien ist ihre Eigenschaft auf ein angelegtes elektrisches Feld E mit einer von Material abhängigen elektrischen Stromdichte j zu antworten. Genauer formuliert gilt: E = ρ j, mit ρ als spezifischem Widerstand. Die Stromdichte ist als die Menge an Ladung definiert, die sich pro Zeit- und Flächeneinheit senkrecht zur Richtung des Ladungsflusses bewegt. Strom hingegen ist lediglich definiert als Ladung pro Zeit. Die Beziehung zwischen E und j kann sehr komplex sein, diese Fälle sollen aber hier nicht behandelt werden, so dass immer von Homogenität und Isotropie ausgegangen wird. Der Kehrwert des spezifischen Widerstandes ist die spezifische Leitfähigkeit σ, die eine den physikalischen Bedingungen oft leichter anzupassende Größe ist. Der spezifische Widerstand verschiedener Stoffe variiert über fast 30 Größenordnungen. Man unterscheidet zwischen Isolatoren (ρ > 108 Ωcm), Halbleitern (108 Ωcm - 10-3 Ωcm) und Leitern/Metallen (ρ < 10-3 Ωcm). In Abb. 1 sind die spezifischen Widerstände bzw. die Leitfähigkeiten einiger Materialien dargestellt. Bei Metallen ist der spezifische Widerstand unabhängig vom elektrischen Feld und steigt mit steigender Temperatur. Bei undotierten (= intrinsischen) Halbleitern fällt der Widerstand mit wachsender Temperatur stark ab. Dotierte Halbleiter haben einen über weite Temperaturbereiche (z.B. 150 - 500 K) relativ konstanten Widerstand. 2. Leitfähigkeitsmechanismus in Festkörpern Energieniveaus in Atomen Für die Bewegung von Elektronen eines Atoms sind nur einige ganz bestimmte Bahnen, auch Orbitale genannt, möglich. Von Elektronen auf diesen Bahnen kann man jeweils nur einige physikalische Eigenschaften (z.B. Energie, Betrag des Drehimpuls, z-Komponente des Drehimpuls) gleichzeitig genau messen. Dies ist ein prinzipielles Naturgesetz, die Heisenbergsche Unschärferelation. Für alle anderen Eigenschaften (hier also z.B. Ort und Impuls) kann man nur Wahrcheinlichkeiten für das Auftreten eines bestimmten Wertes angeben. Kennt man alle P3 – Widerstandsmessung 65 gleichzeitig meßbaren Größen, die ein Elektron in einer möglichen Bahn hat, so definieren diese Größen die "Bahn". Ein Atom hat unendlich viele diskrete Orbitale, von denen aber nur einige (normalerweise die mit den niedrigsten Energien) besetzt sind. Abb. 1: Leitfähigkeiten verschiedener Materialien In einem Orbital kann sich nach dem Pauli-Prinzip immer nur ein Elektron zur Zeit aufhalten (Spin : siehe unten). Der normale Zustand (oder Grundzustand) eines Atoms, das ist derjenige mögliche Zustand mit der kleinsten Gesamtenergie, wird also derjenige sein, in dem die vorhandenen Elektronen (Anzahl n) die ersten n Orbitale mit den kleinsten Energien besetzen. Eine n-fache Besetzung des Orbitals mit der kleinsten Energie wäre zwar energetisch günstiger, würde aber dem Pauli-Prinzip widersprechen und tritt somit nicht auf. Analoge Regeln gelten für Moleküle. Energieniveaus im Festkörper "Baut" man sich aus Atomen oder Molekülen einen Kristall, so passiert mit den Orbitalen der Atome folgendes: Die Elektronen in den besetzten Orbitalen mit niedrigen Energien (das entspricht klassisch gesehen kleinen Bahnen) "merken" vom Kristall nichts, da die höherenergetischen Elektronen das elektrische Feld des Kristalls abschirmen. Sie (die niederenergetischen Elektronen) bleiben 66 P 3 – Widerstandsmessung weiter an das Atom gebunden. Die Elektronen in den besetzten Bahnen mit höherer Energie werden zu Orbitalen des gesamten Kristalls; Elektronen in diesen Bahnen sind nicht mehr an ein Atom gebunden, sondern können frei durch den Kristall wandern. Würden alle diese Orbitale die gleiche Energie besitzen, so würden sie sich aber nicht voneinander unterscheiden, und man könnte nur noch von einem Orbital reden. In dieses (beispielsweise k-te) Kristallorbital könnte dann aber wegen des Pauli-Prinzips nur ein Elektron von allen Elektronen aus den alten k-ten Atomorbitalen! Damit das Pauli-Prinzip erfüllt ist, und alle Elektronen eine Bahn im Kristall erhalten, unterscheiden sich die k-ten Orbitale der Atome als k-te Orbitale des Kristalls durch eine kleine Energie. Die höherliegenden Orbitale der Atome weiten sich also von scharfen Energien der Orbitale der einzelnen Atome auf zu Energiebereichen, genannt Energiebändern, in denen sich die Energien der entsprechenden Orbitale des Kristalls befinden. Da ein Kristall aus sehr vielen Atomen besteht, sind die Energieunterschiede der einzelnen Orbitale in einem Energieband verschwindend gering, so dass man von einem Energiekontinuum im Energieband reden kann. Der Energiebereich zwischen zwei Leitungsbändern, in dem sich keine Orbitale befinden, wird verbotene Zone genannt. Es ist aber auch durchaus möglich, dass sich zwei Energiebänder überlappen. Bis jetzt ist noch nicht berücksichtigt worden, dass ein Elektron auch einen sogenannten Spin besitzt, der zwei, nach dem Pauli-Prinzip unterschiedliche, Zustände annehmen kann, nämlich "spin up" und "spin down". In einem Orbital eines Atoms können sich also 0, 1 oder 2 Elektronen befinden. Entsprechendes gilt für Kristallorbitale. Leiter und Isolatoren Leitungsband, Valenzband, Fermienergie: Um die Begriffe Leiter, Halbleiter und Isolator zu klären, bedarf es noch einiger Begriffserklärungen. Leitungsband nennt man das energetisch niedrigste Niveau, das unbesetzte Orbitale enthält. Das Valenzband ist das Band, das sich direkt unter (energetisch gesehen) dem Leitungsband befindet. Wenn das höchste besetzte Band gerade voll besetzt ist, so nennt man es Valenzband und das darüberliegende Band Leitungsband. In diesem Fall ist also das Leitungsband leer. Fermienergie nennt man die Energie, die dem höchsten besetzten Orbital entspricht. Ist das Leitungsband leer, so ist die Fermienergie die Energie, die in der Mitte zwischen Valenzbandoberkante und Leitungsbandunterkante liegt. In Abb. 2 ist dies für zwei mögliche Zustände dargestellt. P3 – Widerstandsmessung 67 Abb. 2: Lage der Fermienergie bei unterschiedlich besetzten Orbitalen. Volle Bänder leiten nicht. Eine für die Leitfähigkeit von Festkörpern fundamentale Aussage ist, dass die Elektronen aus vollbesetzten Bändern nicht zur Leitfähigkeit des Kristalls beitragen! Diese Tatsache kann man sich folgendermaßen plausibel machen: Sollen Elektronen im Kristall zur Leitfähigkeit beitragen, so müssen sie ihre Bahnen ändern, wenn ein elektrisches Feld angelegt wird. Ein Elektron aus einem voll besetzten Atom kann das aber nur, indem es in ein höheres, zumindest teilweise unbesetztes Band wechselt. Ein Bahnwechsel innerhalb des Bandes verbietet das Pauli-Prinzip. Die thermische Energie im Kristall (Raumtemperatur: ca 25 meV) reicht aber nicht aus um auch nur einen sehr kleinen Teil der Elektronen die zu einem Bandwechsel nötige Energie von einigen eV zufällig zukommen zu lassen. Eine Ausnahme bilden hier die sogenannten Halbleiter (siehe dort). Es können also nur Elektronen aus unbesetzten Bändern zur Leitfähigkeit beitragen. Ist das Leitungsband leer, das heißt, kein Band ist nur zum Teil besetzt, so ist der Kristall ein Isolator (Abb. 2 B). Ist das Leitungsband nur teilweise gefüllt, so können die Elektronen darin (also innerhalb des Leitungsbandes) ihre Bahnen entsprechend dem elektrischen Feld ändern, indem sie auf vorher unbesetzte Orbitale wechseln. Dazu ist im Vergleich zum Bandwechsel von Elektronen sehr viel weniger Energie notwendig, die die Elektronen leicht aus der thermischen Energie des Kristalls erlangen können. Kristalle mit teilbesetztem Leitungsband sind also Leiter (metallische Verbinden). P 3 – Widerstandsmessung 68 Leitertypen Dafür, dass das Leitungsband nur teilweise besetzt ist, gibt es zwei Gründe: − Das energetisch höchste Orbital des Atoms/Moleküls, das den Kristall bildet, ist nur von einem Elektron besetzt (zwei wären möglich), und somit ist auch das Leitungsband nur halb besetzt. − Das Leitungsband und das Valenzband überlappen sich teilweise (siehe Abb. 3), so dass einige Elektronen aus dem vollbesetzten Valenzband in das unbesetzte Leitungsband "abfließen" können. Als Resultat sind sowohl Leitungsband als auch Valenzband teilbesetzt und können damit zur Leitfähigkeit beitragen. Die Bezeichnungen Valenz- und Leitungsband sind also strenggenommen nicht mehr sinnvoll auf diese Art Leiter anzuwenden; man könnte hier von zwei Leitungsbändern reden. Abb. 3: Bildung von Leitern durch überlappende Bänder Begrenzung der Leitfähigkeit Die endliche Leitfähigkeit von Leitern wird durch zwei Effekte verursacht, die beide auf Abweichungen des Kristalls von einer perfekten periodischen Struktur beruhen. Die Elektronen bleiben nämlich nur von einem perfekten Kristall unbeeinflusst in ihren Orbitalen, während Abweichungen von der perfekten Struktur die Elektronen aus ihren Bahnen in andere (freie) Bahnen streuen können. Wesentlichen Abweichungstypen vom perfekten Kristall sind z.B. P3 – Widerstandsmessung 69 Punktdefekte und Versetzungen. Diese Fehler sind in ihrer Wirkung auf die Leitfähigkeit temperaturunabhängig. Von der Temperatur abhängige Schwingungen des Kristallgitters werden Phononen genannt. Diese Schwingungen nehmen mit stiegender Temperatur zu. Ein Elektron kann mit so einer Schwingung Energie austauschen, ändert damit also seine Bahn. Eine andere Ausdrucksweise dafür ist, dass das Elektron mit einem Phonon kollidiert und gestreut wird. Wird nun ein elektrisches Feld an den Kristall gelegt, so verlassen viele Elektronen ihre alten Bahnen. Es resultiert ein zunehmender Strom. Da aber immer mehr Orbitale aus dem Grundzustand des Leitungsbandes frei werden, werden Elektronen mit immer größerer Wahrscheinlichkeit in diese alten Bahnen zurückgestreut. Eine Streuung eines Elektrons aus einer angeregten Bahn in eine Grundzustandsbahn entspricht aber einer Verringerung der Stromdichte. Nach sehr kurzer Zeit werden genau soviel Elektronen aus den angeregten (leitenden) Bahnen in die freien Grundzustandsbahnen gestreut, wie Elektronen aus diesen angeregt werden. Es hat sich ein Gleichgewicht gebildet, in dem gegenüber dem Grundzustand höhere Orbitale besetzt sind, so dass eine Stromdichte entsprechend dem angelegten elektrischen Feld und den Fehlern und Schwingungen des Kristalls auftritt. Steigt die Temperatur des Kristalls, so werden sich wegen der höheren Wahrscheinlichkeit für Kollisionen der Elektronen mit Phononen weniger Elektronen in angeregten Orbitalen befinden: Die Leitfähigkeit sinkt. Halbleiter Die bekanntesten und technisch gesehen wichtigsten Halbleitermaterialien sind Silizium und Galliumarsenid. Die Bandlücke zwischen Valenz- und Leitungsband beträgt 1,12 eV für Silizium bzw. 1,42 eV für Galliumarsenid. Dotierung nennt man das beabsichtigte Einbringen von Fremdatomen in den Kristall. Bei Silizium sind das z.B. Phosphor und Bor. Intrinsische Halbleiter sind undotiert. Intrinsische Leitfähigkeit Die Aussage, dass Kristalle mit leerem Leitungsband Isolatoren sind, stellt eine zu starke Vereinfachung dar. Ist nämlich der Abstand zwischen Valenz- und Leitungsband recht klein, so ist es für eine kleine Anzahl von Elektronen doch möglich, vom Valenzband in das Leitungsband zu wechseln. Die Anzahl der Elektronen, die in das Leitungsband wechseln, ergibt sich aus der Boltzmann-Wahrscheinlichkeit und ist deshalb stark temperaturabhängig. Als Maß für 70 P 3 – Widerstandsmessung Maß für den Bandabstand wird üblicherweise der Energieunterschied zwischen der Fermienergie und der Unterkante des Leitungsbandes gewählt. Für die Elektronendichte (Elektronen pro Volumen) im Leitungsband ergibt sich (siehe die gestrichelte Kurve in Abb. 4), Abb. 4: Elektronendichte als Funktion der Temperatur für dotiertes Silizium 3 Ec − E f 2πm * k B T 2 n=2 exp − kB T h2 (1) worin m* die effektive Masse des Elektrons darstellt und kB und h die Boltzmann Konstante bzw. das Plancksche Wirkungsquantum bezeichnen. Bemerkung zur effektiven Masse: Dass sich Elektronen in einem Kristall frei bewegen können, ist nur eine Näherung an ihr wirkliches Bewegungsverhalten. Will man aus Rechnungen Werte erhalten, die mit realen Werten übereinstimmen, so muß man die wirkliche Masse eines Elektrons durch seine effektive Masse ersetzen, die von dem speziellen Kristall, dem Energieband und der Art der Ladungsträger (Elektronen oder Löcher - siehe unten) abhängt. Bei Halbleitern kann man die effektive Masse als Skalar betrachten, im allgemeinen Fall spricht man von einem effektiven Massentensor). Aus der Formel ist zu erkennen: Erhöht sich P3 – Widerstandsmessung 71 die Temperatur eines ntrinsischen Halbleiters, so steigt die Anzahl der Elektronen im Leitungsband stark an. Dementsprechend steigt die Leitfähigkeit. Die Leitfähigkeitserniedrigung durch mehr Stöße mit Phononen fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Zu bemerken ist noch, dass auch das Valenzband zur Leitfähigkeit beiträgt. Dies geschieht dadurch, dass die Elektronen im Valenzband in die durch Bandwechsel freigewordenen Orbitale im selben Band wechseln können. In die so freigewordenen Orbitale können wiederum andere Elektronen wechseln und so fort. Diese Art der Leitung nennt man Lochleitung. Dotierte Halbleiter Dotierte Halbleiter haben eine vo~ intrinsischen Halbleitern sehr unterschiedliche Leitfähigkeit. Wird z.B. ein Phosphoratom anstelle eines Siliziumatoms in das Gitter eingebaut, so werden vier der Valenzelektronen in die Gitterbindung eingehen. Das übrige Elektron hat keine Möglichkeit mehr, eine im Vergleich zu den Gitterelektronen energetisch etwa gleichgünstige Bindung einzugehen. Die Bindungsenergie liegt vielmehr nur ein kleines Stück unter der Unterkante des Leitungsbandes in der verbotenen Zone. Schon eine kleine thermische Anregung kann das Elektron in das Leitungsband heben, wo es sich frei bewegen kann. Das Phosphoratom ist dann einfach positiv geladen. Man spricht beim Dotierstoff Phosphor von einem Donator, da er dem Kristall Elektronen zur Verfügung stellt. Bei Raumtemperatur kann man davon ausgehen, dass alle Donatorelektronen (also eins von je fünf Valenzelektronen) sich im Leitungsband befinden. Wird statt Phosphor z.B. Bor (B3+) in das Gitter eingebaut, so fehlt zur "richtigen" Gitterbindung ein Elektron. Dieser Zustand ist energetisch nur etwas günstiger als ein Zustand, in dem ein Elektron vo~ einer benachbarten Bindung in dieses Loch wechselt, das entstehende Loch von einem anderen Elektron gefüllt wird und so weiter. Zu bemerken ist, dass für Löcher die energetisch günstigeren Zustände bei höheren Energien liegen. Haben die Löcher in einem Band die höchsten erlaubten Energien, bedeutet das ja gerade, dass die Elektronen im Band sich auf den niederenergetischen Orbitalen befinden, also die Gesamtenergie niedrig ist. Die Zustände mit Löchern, die sich noch am Boratom befinden, liegen also etwas über dem Valenzband. Materialien wie Bor, die Löcher zur Verfügung stellen, also Elektronen aufnehmen, nennt man Akzeptoren. Bei Raumtemperatur kann man davon ausgehen, dass alle Akzeptoren ionisiert sind (Abb. 5). 72 P 3 – Widerstandsmessung Abb. 5: Schematiche Darstellung von Energiebändern eines intrinsischen, n-dotiertem und pdotiertem Halbleiters Widerstand von dotierten Halbleitern Bis jetzt war noch nicht vom Widerstand vo~ Halbleitern die Rede, sondern von der Dichte der Ladungsträger, wobei stillschweigend angenommen wurde, dass die Leitfähigkeit der Dichte der Ladungsträger in etwa proportional ist. Dass dies tatsächlich über weite Bereiche eine gute Näherung ist zeigt Abb. 6. P3 – Widerstandsmessung 73 Abb. 6: Diagramm des spezifischen Widerstandes über der Konzentration von Verunreinigungen für Siliziuzm und Galliumarsenid Leiter-Halbleiter Kontakt Kontakte zwischen Leitern und Halbleitern weisen, ähnlich wie die hier nicht behandelten Kontakte zwischen p- und n-dotierten Halbleitern, einen Gleichrichtereffekt auf. Das heißt, dass der Kontakt in eine Richtung sperrt, und in die andere Richtung leitet. Ist der Halbleiter n-dotiert, so ist die Richtung Halbleiter-Leiter leitend, und die Richtung Leiter-Halbleiter sperrend. Umgekehrt verhält es sich bei einem p-leitenden Material. Diese Effekte sollten bei der Messung von Halbleiterwiderständen beachtet werden. 3. Methoden der elektrischen Charakterisierung Messungen an klassischer Hallgeometrie Das Prinzip zur Bestimmung des spezifischen Widerstandes und der Beweglichkeit an einer quaderförmigen Probe wurde schon 1879 von E.H. Hall an Goldfolien entdeckt. Die Quadergeometrie wird als klassische Hallgeometrie bezeichnet. Eine Skizze des Meßverfahrens für eine quaderförmige Probe mit einer Dicke d und einer Breite b ist in Abb. 8 dargestellt. An zwei parallelen Kanten wird ein definierter Strom i angelegt und an der Längsseite eine P 3 – Widerstandsmessung 74 Spannung U abgegriffen. Mit dem Abstand I der beiden Kontakte ergibt sich der spezifische Widerstand: ρ = U i bd I Abb. 7: Prinzipskizze zur Messung des spezifischen Widerstandes Abb. 8: Schematische Darstellung des klassischen Halleffektes (2) 75 P3 – Widerstandsmessung Betrachtet man einen n-Leiter, kann die Beweglichkeit an der Quadergeometrie, wie in Abb. 8 dargestellt, gemessen werden. Es wird hierbei an zwei parallele Kanten ein definierter Strom in x - Richtung angelegt. Senkrecht dazu wird ein Magnetfeld B angelegt. Die durch den Quader strömenden Elektronen werden nun durch das Magnetfeld senkrecht zu ihrer Bewegungsrichtung abgelenkt und erzeugen dadurch ein elektrisches Potential. Dieses Potential berechnet man wie folgt: I = q b d n vx , (3) worin n die Anzahl der Elektronen q die Elementarladung und vx die Geschwindigkeit der Elektronen in x-Richtung bezeichnen. Die Kraft, die auf die Elektronen wirkt, ist die Lorentzkraft: F = q (E + v x B) , (4) mit dem elektrischen Feld E und der magnetischen Induktion B in z-Richtung. Nach kurzer Zeit wird die Lorentzkraft kompensiert, die Kraft in y-Richtung ist gleich Null: ⇒ Ey = - Bvy = BI . qdbn (5) Die gemessene Hallspannung UH hat folgende Form: b UH = - ∫ Eydy = o BI . qdn (6) Um zu einem einfachen Asudruck für die Ladungsträgerkonzentration zu kommen, definiert man die Hallkonstante RH: RH = UHd 1 = BI qn (7) Je nach Leitungstyp des Halbleiters ist die Hallkonstante positiv für p-leitendes (Löcher) oder negativ für n-leitendes Material (Elektronen). Durch das Vorzeichen der Hallkonstante kann der Leitungstyp bestimmt werden. Löst man die Gleichung nach der Konzentration der Elektronen auf, erhält man: n=- 1 qR H (8) Analog ergibt sich für einen p-leitenden Halbleiter: p=+ 1 qR H (9) Aus dem spezifischen Widerstand und der Ladungsträgerkonzentration kann schließlich die Hallbeweglichkeit berechnet werden: P 3 – Widerstandsmessung 76 p= 1 qnµ (10) Für Halbleitermaterialien liegen Kontaktwiderstände oft deutlich über den eigentlichen Probenwiderständen, so dass die einfach Zweipunktmeßmethode hier nicht anzuwenden ist. Mit Hilfe der sogenannten Spreading-Resistance-Methode können aber durch eine spezielle Behandlung der Probenspitzen diese Probleme zumindest für Silizium und Galliumarsenid umgangen werden. Vierkontaktmessung Allgemeines: Der wesentliche Nachteil der Zweipunktmessung, die Ungewißheit über die Kontaktwiderstände, tritt bei den Messmethoden mit vier Kontakten nicht auf. Hier wird der Strom durch zwei Kontakte geführt, und über die anderen zwei Kontakte wird die Spannung gemessen (siehe Abb. 9). Die Stromkontaktwiderstände fallen bei einer Messung dann überhaupt nicht ins Gewicht, weil der gemessene Strom ja auch in der Probe fließen muß. Die Spannungskontaktwiderstände liegen zusammen mit dem Innenwiderstand des verwendeten Voltmeters parallel zu dem Probenwiderstand zwischen diesen Kontakten. Da die Innenwiderstände vo~ Voltmetern aber sehr hoch sind, fallen die Kontaktwiderstände demgegenüber in den allermeisten Fällen nicht ins Gewicht, und die Spannung zwischen den Kontakten fällt fast vollständig über dem Voltmeter ab. Abb.9: Schematische Darstellung der Vierkontaktmessung, Vierpunktmessung 77 P3 – Widerstandsmessung Die verbreitetste Art, mit vier Kontakten den Widerstand einer Probe zu messen, ist die sogenannte Vierpunktmethode. Hier werden vier Nadeln in einer Reihe auf die Probe gedrückt. Durch die äußeren Nadeln wird der Strom geführt, über die inneren beiden die Spannung gemessen. Der Abstand zwischen den Spitzen ist gleich und beträgt größenordnungsmäßig einen Millimeter. Mit der Vierpunktmethode kann der Widerstand ortsaufgelöst gemessen werden, wobei der Abstand der Stromkontakte ein Maß für die Grenze der Auflösung ist. Ein Nachteil der Vierpunktmethode ist, dass die Geometrie der Probe berücksichtigt werden muß. Für den einfachsten Fall, einer im Vergleich zu dem Spitzenabstand sehr dünnen, unendlich ausgedehnten Platte mit isotropem, linearem und homogenem Widerstandsverhalten ergibt sich für den Widerstand in Abhängigkeit von Strom I und Spannung U: ρ= Ud I π In(2) ≈ Ud 4,53 I (11) Für andere Geometrien existieren Tabellen von Geometriefaktoren, mit deren Hilfe der Widerstand aus den Messwerten für Strom und Spannung berechnet werden kann. Hier noch einmal die Vor- und Nachteile der Vierpunktmethode: Vorteile: Kontaktwiderstände gehen nicht in die Messung ein; es kann ortsaufgelöst gemessen werden. Nachteile: Die Messung ist von der Probengeometrie abhängig. Van der Pauw - Meßmethode Die klassische Hallgeometrie ist meistens nicht realisierbar. Gezüchtete Kristallproben sind oft zu klein, um Quader daraus zu präparieren und industrielle Proben wie GaAs werden als Wafer gesägt, deren Dicke meistens kleiner als 500 µm ist. Hierzu wurde ein Verfahren vo~ van der Pauw entwickelt, das Hallmessungen an unregelmäßig geformten Proben ermöglicht. Um Messungen durchführen zu können, müssen Probe und Kontakte einige wichtige Voraussetzunen erfüllen: − Es ist notwendig, dass die Probe zusammenhängend ist, d.h. keine Löcher aufweist. Wei- terhin muß sie homogen sein, also insbesondere eine gleichmäßige Dotierung besitzen. Schließlich ist eine gleichmäßige Dicke der Probe erforderlich. − Die Kontakte müssen am Rand der Probe liegen, möglichst klein sein und ein ohmsches Widerstandsverhalten aufweisen. Die Probe wird am Rande an vier Punkten 1, 2, 3 und 4, die möglichst weit auseinanderliegen, kontaktiert. Läßt man über die Kontakte 1 und 2 einen definierten Strom I(12) durch die Probe fließen, so kann zwischen 3 und 4 die Potentialdifferenz gemessen werden. R(12,34) ist P 3 – Widerstandsmessung 78 der Quotient aus der Potentialdifferenz U(34) und dem Strom I(12), analog R(23,41) = U(41) / I(23). Abb.10 Messung des spezf. Widerstands nach Van der Pauw. Für den spezifischen Widerstand ergibt sich folgende Formel: ρ= πd R12 , 34 + R 23, 41 In2 2 f () (12) Die Funktion f ist ein geometrischer Korrekturfaktor und nur vom Verhältnis der Widerstände abhängig. Dieser Korrekturfaktor muß für jede Probe mittels folgender Gleichung bestimmt werden: R12 , 34 − R 23, 41 R12 , 34 + R 23, 41 In2 ) exp( f f arcosh = In2 2 (13) Wie bereits erwähnt, ist f nur eine Funktion des Verhältnisses der beiden Widerstände. Gleichung (13) kann nicht analytisch gelöst werden. Um zu einem Wert für f zu gelangen, muß die Nullstelle für diese Gleichung gesucht werden. Dies kann mittels eines numerischen Lösungsverfahrens oder der graphischen Auswertung von Abb. 11 geschehen. 79 P3 – Widerstandsmessung Abb. 11: Korrekturfaktor in Abhängigkeit vom Widerstandsverhältnis Die Formel für den spezifischen Widerstand kann, wie van der Pauw zeigte, für beliebig geformte Proben angewandt werden. In Abb. 10 ist das Meßprinzip graphisch dargestellt. Um eine gute Statistik für den Korrekturfaktor f zu erhalten, so|lte man insgesamt 4 mal die Anschlüsse zyklisch vertauschen und zusätzlich die Stromrichtung ändern. Insgesamt werden dann 8 Messungen gemacht, so dass sich für den spezifischen Widerstand ergibt: ρ= πd R1234 + R2143 + R3412 + R4321 + R2341 + R3214 + R4123 + R1432 ln 2 8 (14) Der Korrekturfaktor f ist vom Verhältnis der 8 Widerstände abhängig: f = f (R1234 + R2143 + R3412 + R4321 ) (R2341 + R3214 + R4123 + R1432 ) (15) Analog zur klassischen Hallgeometrie wird der Hallkoeffizient bei der van der Pauw-Methode über die Hallspannung bestimmt. Es müssen die Dicke der Probe, der angelegte Strom und das Magnetfeld bekannt sein. Vorteile: • Die Kontaktwiderstände gehen nicht in die Messung ein • Proben können unabhängig von ihrer Geometrie vermessen werden Nachteile: • Es können keine ortsaufgelösten Messungen durchgeführt werden • Nur homogene, plattenförmige Proben können vermessen werden 80 P 3 – Widerstandsmessung Leitungstypbestimmung durch den Seebeck-Effekt Zur Bestimmung des Leitungstyps kann neben der Hallmessung der Seebeck-Effekt verwendet werden. Unter Seebeck-Effekt versteht man, dass sich die Majoritätsladungsträger bei einem Temperaturgradienten in der Probe vom heißen zum kalten Ende bewegen. Dies kann zur qualitativen Bestimmung des Leitungstyps verwendet werden. In Abb.12 ist das Meßprinzip dargestellt. Abb. 12: Prinzip der Leitungstypenbestimmung durch den Seebeck-Effekt Ist eine Elektrode heiß und die andere kalt, so entsteht ein Temperaturgradient in der Probe und die Ladungsträger bewegen sich zur kalten Elektrode. Es fließt ein Strom. Über ein Drehspul-Voltmeter kann die Stromrichtung und damit der Leitungstyp bestimmt werden. P3 – Widerstandsmessung 81 Vorkenntnisse Leiter, Halbleiter, Isolatoren, Bändermodell, Donatoren, Akzeptoren, Leitfähigkeit, Leitungstyp, Ladungsträger, technische Anwendungen von Halbleitern, Methoden der Widerstands/Leitfähigkeitsmessung, Halleffekt und Messung der Hallkonstante Versuche 1. Bestimmung des Widerstandes von Kanthaldraht mit der 4-Punktmethode 2. Bestimmung der Leitfähigkeit einer Kohlenstoff-Folie nach der Methode von an der Pauw Aufgaben 1. Erklären Sie den Leitfähigkeitsmechanismus bei: Metallen und Halbleitern (Stichworte: Eigenleitung, thermische Leitfähigkeit, n-/pLeitung) 2. Diskutieren Sie die Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit bei Metallen und Halbleitern 3. Bestimmen Sie den spez. Widerstand (Dotierung) verschiedener Halbleiterschichten mittels der Vierpunktmethode 4. Wie kann die Art des Leitungstyps eines Halbleiters bestimmt werden? (Stichworte: See-beckeffekt, Halleffekt) Zubehör Vierpunktsonde digitales Voltmeter stromstabilisierendes Netzgerät diverse Kabel und Klemmen Leitsilber, Silizium- und Germanium-Scheiben unterschiedler Leitfähigkeit 82 P 3 – Widerstandsmessung Literatur W. Dietze, Diplomarbeit Gerthsen-Kneser-Vogel, Physik, Springer-Verlag Bergman-Schäfer, Lehrbuch der Experimentalphysik Band 6: Festkörper, de Gruyter Harrison, W. Electrons in Metals, Physics Today, October 1969 Kittel, Festkörperphysik, Oldenbourg Ashcroft, Mermin, Solid State Physics, Saunders College Publishing C. Schroder, Semiconductor Material and Device Characterization, Wiley Sicherheitsaspekte Die Praktikanten werden vor Beginn der Versuche über den Umgang mit den verwendeten elektrischen Geräten informiert. Im Versuch P 3 können Spannungen mit maximal 50 Volt auftreten, wobei ein Unfall aber aufgrund des sehr kleinen Abstands der Meßkontakte und der vorhandenen Abschirmung nur sehr schwer vorstellbar erscheint. Die Praktikanten werden aber vor Beginn des Versuchs auf diese Gefahr aufmerksam gemacht. Weiterhin wird der Versuch stets unter Aufsicht durchgeführt, so dass der Strom gegebenenfalls schnell abgestellt werden kann.