Y - Universität Passau

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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
1. Einleitung
c*
f(k)
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 1
• Hinweis
Maßgeblich für die Klausur sind die in der Vorlesung vermittelten Inhalte. Die
Folien erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Zum Verständnis der
Folien ist ein Besuch der Vorlesung erforderlich.
Die Vorlesung wird als Aufzeichnung mit einem Tag Verzögerung zur
Verfügung gestellt:
http://ilias.uni-passau.de/ilias/goto.php?target=crs_10895&client_id=intelec
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 2
Vorlesung Mo. 10:15-11:45, Beginn 15.10.2012 (HS 10)
Übung, Mi. 18:15-19:45, Beginn 17.10.2012 (HS 10)
Tutorien, Beginn 22.10.2012
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Mo 18-19 Uhr
Di 16-17 Uhr
Di 17-18 Uhr
Di 18-19 Uhr
Mi 08-09 Uhr
Mi 17-18 Uhr
Do 10-11 Uhr
Do 16-17 Uhr
Do 17-18 Uhr
Do 18-19 Uhr
Fr 08-09 Uhr
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
WiWi 026 (34)
HK 002 (20)
HK 002 (20)
HK 002 (20)
WiWi 028 (34)
WiWi 029 (64)
WiWi 026 (34)
WiWi 026 (34)
WiWi 026 (34)
WiWi 026 (34)
WiWi 027 (38)
Folie 3
Literatur
• Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, 3. Aufl.
• Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl.
• Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das
Keynesianische Konsensmodell, WiST,
Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387-394.
• Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl.
• Romer, David, (2012), Short-Run Fluctuations. Expanded
version incorporating the liquidity trap and credit market
disruptions. Manuskript, University of California, Berkeley, S.
1-22; 54-114: http://elsa.berkeley.edu/~dromer/
• Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 4
Verzeichnis der wichtigsten Symbole
a autonomer Konsum
G Staatskonsum
A Prod.technologie
BD Budgetdefizit
C Konsum d. Haushalte
c marg. Konsumquote
δ Abschreibungsrate
D Abschreibungen
E Ertragserwartungen
e Wechselkurs ($/€)
F Faktoreinkommen/
Wertschöpfung
i nom. Zinssatz
H Humankapital
I Nettoinvestitionen
J‘ Importe von Gütern
und Dienstleistungen
J = J‘ zzgl. Faktorl.
K Kapitaleinsatz
k Pro-Kopf-Kapital
Lr reale Geldnachfrage
N Arbeitseinsatz
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Folie 5
n Bev.wachstumsrate
T Steuern
NKE Nettokapitalexp.
T0 Pauschalsteuern
NNE Nettonationaleink.
Tr Transfers an Ausland
P Verbraucherpreisindex
V Vorleistungen
π Inflationsrate
πe erw. Inflation
X‘ Exporte von Gütern
und Dienstleistungen
r realer Zinssatz
X = X‘ zzgl. Faktorl.
Yb Bruttoinlandsprodukt
Y pot. Inlandsprodukt
Yv verf. Einkommen
Z Subventionen
R staatl. Transfers
S Ersparnis
s marg. Sparquote
(= Investitionsquote)
t Steuersatz
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Folie 6
Fallstudie
I. Fallstudie Deutschland und die USA
Vereinigte Staaten von Amerika 2011/12
BIP: 15076 Mrd. US $
Bevölkerung: 314 Mio.
Pro-Kopf-Produktion: 48.000 US $
Preis Big-Mac: 4,33 US $
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Folie 7
Fallstudie
Bundesrepublik Deutschland, 2011/12
BIP: 2570 Mrd. €
Bevölkerung: 81,3 Mio.
Pro-Kopf-Produktion: 31611 €
Preis Big-Mac: 3,58 €
Wechselkurs: 1,30 US $/€
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Folie 8
Entwicklung USA
15.0
Wachstum BIP
Inflation
12.0
Erwerbslosenquote
Leistungsbilanzdefizit (in Prozent des BIP)
6.0
3.0
0.0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
-6.0
1972
-3.0
1970
Fallstudie
9.0
Folie 9
Entwicklung Deutschland
12.0
Wachstum BIP
Inflation
9.0
Erwerbslosenquote
Leistungsbilanzüberschuss (in Prozent des BIP)
Fallstudie
6.0
3.0
0.0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
-6.0
1970
-3.0
Folie 10
• 1973-1980: Ölpreisschocks
• 1981-1983: Preisniveaustabilität wieder hergestellt
Fallstudie
• 1984-90: Ankurbelung der Wirtschaft mit niedrigen Steuern
• 1991: Rezession als Nachwirkung des Aktienpreisschocks von 1987 und
erneut erhöhte Ölpreise aufgrund des Golfkrieges
• 1992-2000: New Economy Boom
• 2001-2007: Leben auf Pump in den USA, Sorgen in Deutschland
• 2007-2009: Finanzkrise
• Ab 2010: Rückkehr zu altem Wachstum oder fortwährende Rezession?
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Folie 11
• Dogmengeschichte
Fallstudie
Mit ökonomischen Phasen korrespondieren auch ökonomische Lehrmeinungen.
• Monetarismus
Der Monetarismus zielt auf die Wichtigkeit stabiler Preise und ist Anfang der
80er Jahre prominent.
• Rationalität
Der Glaube an die Rationalität Einzelner und die Innovationskraft des privaten
Sektors beflügeln Steuersenkungen und Deregulierung Ende der 80er Jahre.
• Neue Technologien
Neue Technologien bewirken einen ausgeprägten Optimismus in den 90er
Jahren.
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Folie 12
Fallstudie
• Immobilienpreisblase
Ein Festhalten an den alten gewünschten Wachstumsraten bewirkt eine
Blasenbildung bei den Immobilienpreisen. Dies ist irrational, da Immobilien
kaum neue Technologien beinhalten. Mit niedrigen Zinsen wird dies lange
aufrecht erhalten. Aufgrund des Glaubens an die Rationalität Einzelner wird dies
aber nicht als Blase erkannt.
• Wiederbelebung des Keynesianismus
Mit dem Beginn der Finanzkrise wird das Versagen des privaten Sektors erneut
diskutiert und die Notwendigkeit der makroökonomischen Steuerung, der
Keynesianismus, wird wieder weitgehend akzeptiert.
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Folie 13
Ziele der Vorlesung Makroökonomik
• Daten verstehen
Sie werden makroökonomische Daten verstehen lernen, inklusive ihrer
Zusammenhänge. Dies sind insbesondere Inlandsprodukt, Inflation, Zins,
Wechselkurs, Leistungsbilanzdefizit und Budgetdefizit.
• Interaktion
Für die kurzfristigen und langfristigen Determinanten dieser Größen werden Sie
das Zusammenspiel von Unternehmen, privaten Haushalten, dem Fiskus, der
Zentralbank und den entsprechenden Akteuren im Ausland erkennen.
• Prognosen
Hierauf aufbauend werden Sie in die Lage versetzt, Prognosen zu erstellen und
für eigene Planungen auszuwerten.
• Interaktiv mitarbeiten
Auf http://www.konjunkturboerse.de/ können Sie die Qualität Ihrer
Konjunkturprognose testen. Im Rahmen der Vorlesung werden Sie mit ClassEx
interaktiv eingebunden.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 14
Interaktives
• Beauty Contest
Sie produzieren Konsumgüter für den eigenen Gebrauch. Die Anzahl an
Arbeitsstunden pro Jahr wird durch die Variable e angegeben. Sie möchten
genau so viel arbeiten, wie die durchschnittliche Person im Hörsaal. Hierzu
wählen Sie eine Zahl zwischen 0 und 200. Aus allen im Hörsaal gewählten
Zahlen wird der Durchschnitt gebildet. Derjenige Teilnehmer, der mit seiner
Zahl diesem Durchschnitt am nächsten kommt, gewinnt 20€ (bei Gleichstand
entscheidet das Los).
Die gewählten Werte werden berichtet (inklusive der Summe der Zahlen) und
eine zweite, identische Runde gespielt, bei der erneut 20€ zu gewinnen sind.
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Folie 15
Interaktives
• Individuen in der Volkswirtschaft
Sie produzieren Konsumgüter für den eigenen Gebrauch. Die Anzahl an
Arbeitsstunden pro Jahr wird durch die Variable e angegeben. Je Stunde
Arbeitseinsatz, e, produzieren Sie einen Konsum im Wert von 0,40€. Die Kosten
(Mühsal) des Arbeitseinsatzes betragen e2/500. Bestimmen Sie nun Ihren
Arbeitseinsatz. Per Los wird ein Teilnehmer ausgewählt, dem sein Konsum
abzüglich der Arbeitskosten ausbezahlt wird.
Im Hörsaal sind viele Teilnehmer in gleicher Art tätig. Wie hoch schätzen Sie ist
die gesamte Summe der in der Hörsaal-Volkswirtschaft geleisteten
Arbeitsstunden? Derjenige, der mit seiner Schätzung diesem Wert am nächsten
kommt, gewinnt 20€ (bei Gleichstand entscheidet das Los).
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Folie 16
Wettstreit der Lehrmeinungen
Zwei Visionen für die Makroökonomik
• Makroökonomik als Engineering
Ausgangspunkt der Makroökonomik sollte die Interaktion von Individuen sein.
Wie reagieren sie aufeinander? Aus den gesammelten Erfahrungen sollten
Politikempfehlungen generiert werden, mit denen sich die Steuerung
makroökonomischer Aggregate verbessern lässt. Ziel der Makroökonomik ist es,
praktische Probleme zu lösen. Die Makroökonomik ist dabei primär eine
Erfahrungswissenschaft, die keine Mikrofundierung benötigt. (Blinder AER
P&P 1987: 135):
"Good science need not always be built up from solid microfoundations.
Thermodynamics and chemistry, for example, have done pretty well without
much micro theory... And the microfoundations of medicine are often very
poor; yet much of it works. Empirical regularities that are formulated and
tested directly at the macro level do have a place in science".
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Folie 17
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Makroökonomik mit mikroökonomischem Fundament
Ausgangspunkt der Makroökonomik sollte das rationale Individuum sein,
dessen Verhalten sich zu einem Gleichgewicht für die Gesamtwirtschaft
aggregieren lässt. Ohne ein solches mikrofundiertes Modell lassen sich aus
Daten keine für die Politik relevanten Entscheidungen herleiten. Um dies zu
verstehen, sollte man sich fragen, ob die Sicherheitssysteme für Fort Knox
eingespart werden könnten. Historische Daten würden dies nahelegen, da dieses
Lager für die Goldreserve der Vereinigten Staaten bisher noch nie überfallen
wurde. Aber Überlegungen zu den Anreizen, denen Menschen ausgesetzt sind,
legen eine andere Schlussfolgerung nahe. Makroökonomen sollten primär diese
individuellen Anreize erforschen, um damit robuste analytische Instrumente für
die Wirtschaftspolitik herzuleiten.
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Folie 18
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Ein Konsens?
Diese beiden kontroversen Lehrmeinungen der Makroökonomik haben das Fach
seit jeher vorangetrieben und sich gegenseitig inspiriert. Im Rahmen der
Vorlesung werden wir häufig auf diese beiden konträren Sichtweisen kommen
und zeigen, welcher Konsens sich bis heute gebildet hat.
Gleichzeitig bleiben offene Fragen und der Wettstreit der Lehrmeinungen wird
offener denn je ausgetragen. Vereinfachend können wir sagen, dass die
Sichtweise der Makroökonomik davon abhängt, welche der beiden stilisierten
Spiele als geeigneter gehalten werden, um die komplexen Interaktionen der
Makroökonomik zu beschreiben.
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Folie 19
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Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
2. Das Bruttoinlandsproduktf(k)
c*
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
k
Pflichtlektüre:
Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 21-25, 37-39, 50-52, 54-55,
56.
Zur Übung:
VWL-Quiz http://www.wiwi.uni-passau.de/994.html
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Folie 21
Das Inlandsprodukt
• Produktion
Das Inlandsprodukt ist ein Maß für die gesamtwirtschaftliche Produktion. Diese
entspricht in einer (geschlossenen) Volkswirtschaft den gesamten Einnahmen
der Firmen (aus dem Verkauf von Endprodukten) und den Ausgaben der
Haushalte.
• Marktwert
Das Inlandsprodukt wird bestimmt durch den gesamten Marktwert aller
Endprodukte an Gütern und Dienstleistungen, welche in einer bestimmten
Periode in einem Land produziert werden.
• Güter und Dienstleistungen
Es beinhaltet sowohl „fassbare“ Güter (Nahrung, Kleidung, Autos) als auch
„nicht-fassbare“ Dienstleistungen (Haarschnitt, Reinigungsservice, ärztliche
Beratung).
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Folie 22
• Zeitraum
Das Inlandsprodukt umfasst nur Güter und Dienste, welche gegenwärtig
produziert werden, nicht solche der Vergangenheit oder Zukunft. Es bezieht sich
dabei auf ein bestimmtes Zeitintervall (Jahr oder Quartal).
• Raum
Es bezieht sich auf die Produktion innerhalb der geographischen Abgrenzung
eines Landes.
• Markttransaktion
Gezählt werden alle produzierten und legal auf Märkten gehandelten Güter.
Vernachlässigt werden Güter, welche zu Hause produziert und konsumiert
werden, ohne dabei über einen Markt ausgetauscht zu werden. Illegal
gehandelte Güter (z.B. Drogen) werden vernachlässigt.
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Folie 23
• Vorleistungen
Vorleistungen sind solche Güter und Dienste, welche in der gleichen Periode
im Produktionsprozess wieder verwendet werden (z.B. Zwischenprodukte,
Rohstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe, Brenn- und Treibstoffe, Transportkosten,
gewerbliche Mieten). Die produzierten Vorleistungen gehören nicht zum
Inlandsprodukt, da sie im gleichen Zeitraum wieder im heimischen
Produktionsprozess verbraucht werden. Bei der Berechnung des
Inlandsprodukts werden daher nur Endprodukte und nicht Vorleistungen
einbezogen (so dass Doppelzählungen vermieden werden).
• Wertschöpfung
Das Inlandsprodukt entspricht damit der Wertschöpfung. Von der Summe aller
Produktionswerte (einschl. Vorleistungen) müssen sämtliche Vorleistungen
abgezogen werden.
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Folie 24
• Beispiel der Brotproduktion
(L steht für Lohn, G für Gewinn)
Landwirte
L 200
Getreide
300
Müller
Bäcker
Vorleist.
300
Mehl
500
G 100
L 100
Vorleist.
500
G 100
Brot
700
L 120
• Produktionswert: 1500
G 80
• Vorleistungen: 800
• Wertschöpfung: 700
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Folie 25
• Nominales Inlandsprodukt
Das nominale Inlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten
zu aktuellen Preisen.
• Reales Inlandsprodukt
Das reale Inlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten zu
konstanten Preisen.
• Bruttoinlandsprodukt
Das bisher bestimmte Inlandsprodukt ist eine Bruttogröße. Die durch Nutzung
eingetretene Wertminderung des Anlagevermögens wird nicht abgezogen.
Daher wird es als Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezeichnet.
• Nettoinlandsprodukt
Zur Bestimmung der Wertschöpfung werden vom Bruttoinlandsprodukt die
Abschreibungen, also die durch Nutzung eingetretene Wertminderung des
Anlagevermögens, abgezogen.
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Folie 26
• BIP-Deflator
Der BIP-Deflator misst das gegenwärtige Preisniveau relativ zum Preisniveau
eines Basisjahres.
• Steigender BIP-Deflator
Ein Anstieg des BIP-Deflators bedeutet, dass ein Anstieg des nominalen BIP
auf Preiserhöhungen und nicht auf eine gestiegene mengenmäßige Produktion
zurückzuführen ist.
• Sinkender BIP-Deflator
Ein Sinken des BIP-Deflators bedeutet, dass ein sinkendes nominales BIP aus
Preissenkungen resultiert und nicht durch eine schrumpfende mengenmäßige
Produktion bedingt ist.
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Folie 27
Bruttoinlandsprodukt, Deutschland,
real in Preisen von 2000 und nominal
Mrd. €
640.0
125
620.0
120
600.0
115
580.0
110
560.0
540.0
105
520.0
100
500.0
95
480.0
90
460.0
440.0
85
420.0
80
400.0
75
380.0
70
360.0
2010-01
2009-01
2008-01
2007-01
2006-01
2005-01
2004-01
2003-01
2002-01
2001-01
2000-01
1999-01
1998-01
1997-01
1996-01
1995-01
1994-01
60
1993-01
320.0
1992-01
65
1991-01
340.0
BIP nominal (pro Quartal)
BIP real (2000=100)
Quelle: Zeitreihendatenbank, http://www.bundesbank.de
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Folie 28
• Wohlfahrt
Unter den makroökonomischen Größen kann am ehesten das reale
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Maß für das individuelle Wohlergehen
angesehen werden. Dieses gibt an, welches Einkommen ein Mensch mit seiner
Arbeit verdient und welchen Lebensstandard er sich im Durchschnitt leisten
kann.
• Glück und Lebenszufriedenheit
Zwischen dem realen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt und dem im Rahmen von
Umfragen erhobenen Ausmaß des Glücks oder der Lebenszufriedenheit besteht
ein robuster und starker Zusammenhang.
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Folie 29
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Folie 30
• Lücken
Das Bruttoinlandsprodukt ist nicht ein perfektes Maß des Lebensstandards oder
des Glücks. U.a. fehlen Wertansätze für die folgenden „Güter“:
- Freizeit,
- Saubere Umwelt,
- Gesundheit,
- Güter und Dienste, die nicht über den Markt ausgetauscht werden, z.B.
freiwillige, unentgeltliche Arbeiten, gegenseitige Hilfestellungen in der
Familie,
- Gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen,
- Intakte soziale Beziehungen und Lebenspartnerschaften.
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Folie 31
• Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Die Makroökonomik lässt sich im Rahmen eines Kontensystems systematisch
erfassen und darstellen. Für einen einfachen Ansatz unterstellen wir eine
geschlossene Volkswirtschaft, d.h. wir vernachlässigen das Ausland. Wir
vernachlässigen öffentliche Haushalte. Es existieren somit nur private
Haushalte und Unternehmen.
Arbeitskraft
Lohn (700)
Private
Haushalte
Vorleistungen
(300)
Unternehmen
Zahlung (700)
Konsumgüter
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Folie 32
• Vereinfachende Annahmen
−
−
−
−
−
−
−
Private Haushalte produzieren nicht.
Sie sparen nicht, verausgaben also ihre gesamten Einkommen
vollständig.
Unternehmen produzieren nur Konsumgüter und Dienstleistungen,
welche in der gleichen Periode abgesetzt und konsumiert werden,
also keine Investitionsgüter.
Unternehmen bilden keine Ersparnisse.
Alle Gewinne werden an die Haushalte ausgeschüttet.
Aufgrund der fehlenden Ersparnisbildung gibt es kein Vermögen.
Die Güter werden mit Hilfe menschlicher Arbeitskraft und
Vorleistungen (Rohstoffe, Transportkosten, usw.) produziert, aber
ohne den Einsatz von Sachvermögen.
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Folie 33
Einkommenskonto
• F steht hierbei für das
Faktoreinkommen
• Inlandsprodukt =
Wertschöpfung: 700
F
700
C
700
• Produktionswert: 1000
Produktionskonto
V 300
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Folie 34
• Kontenarten
Entsprechend den wirtschaftlichen Funktionen in der betrachteten
Volkswirtschaft existiert ein Einkommenskonto und ein Produktionskonto.
• Produktionskonto
Das Produktionskonto erfasst die Produktion, Einkommensentstehung und
Einkommensverteilung. Anschaulich kann das Produktionskonto als Konto
der Produzenten (hier der Unternehmen) betrachtet werden.
• Einkommenskonto
Das Einkommenskonto erfasst die Einkommenserzielung, -umverteilung und
-verwendung. Anschaulich kann das Einkommenskonto als Konto der
Einkommensbezieher (hier der privaten Haushalte) betrachtet werden.
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Folie 35
• Zahlungsströme
Die eingezeichneten Ströme sind Zahlungsströme (im Falle einer
Kreditgewährung könnten wir auch von Forderungsströmen sprechen).
− Der Strom C bedeutet, dass den Produzenten aus dem Verkauf von
Konsumgütern an die Einkommensbezieher Zahlungsmittel in Höhe
von 700 zufließen.
− Dem aus Konsumgüterverkäufen der Produzenten resultierenden
Strom fließt ein gleich starker, aber entgegen gerichteter Strom von
den Produzenten zu den Einkommensbeziehern entgegen.
− Dieser bringt zum Ausdruck, dass die Produzenten an die
Einkommensbezieher Löhne und Gehälter, so genannte
Faktoreinkommen, zahlen.
−
Mit dem zweiten Strom entsteht ein Kreislauf.
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Folie 36
• Faktoreinkommen
Die Faktoreinkommen beinhalten die so genannten Erwerbs- und
Vermögenseinkommen.
• Erwerbseinkommen
Die Erwerbseinkommen sind die Arbeitnehmerentgelte und die
Selbstständigeneinkommen.
• Vermögenseinkommen
Zu den Vermögenseinkommen gehören Zinsen und Mietzahlungen sowie die
verteilten Gewinne in Form von Dividendenausschüttungen oder
Gewinnentnahmen. Wir hatten jedoch unterstellt, dass kein Vermögen
angesammelt wurde. Daher besteht das Einkommen zunächst nur aus
Erwerbseinkommen und wird hier als „Lohn“ bezeichnet.
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Folie 37
Darstellung in Kontenform
Einkommenskonto
Konsumausgaben
700
700
Produktionskonto
Vorleist.
Faktoreinkommen
300
300
Vorleist.
Wertschöpfung =
700
Löhne 700
Konsumgüter
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Folie 38
• Private Haushalte als Produzenten
Unsere vereinfachende Annahme, private Haushalte würden nicht produzieren,
soll nun aufgegeben werden.
• Definitorische Abgrenzung
Der Begriff „privater Haushalt“ wird gemäß einer Abgrenzung für die
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durch das europäische System
volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (abgekürzt: ESVG; verbindlich für
alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ab April 1999) vorgenommen.
• Produktion privater Haushalte
Zum Produktionswert der von privaten Haushalten erzeugten Güter gehören
einerseits Dienstleistungen, die Hausangestellte, Reinigungspersonal, Butler u.
ä. Erwerbstätige gegen Entgelt produzieren und an andere private Haushalte
verkaufen.
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Folie 39
• Unternehmen im Sektor „private Haushalte“
Ferner gehören manche Unternehmen zum Sektor „private Haushalte“. Dies
sind insbesondere alle Personengesellschaften ohne eigene
Rechtspersönlichkeit, z.B. selbständige Landwirte, Einzelunternehmer im
produzierenden Gewerbe, Handwerker, Händler, Gastwirte. Die Produktion
dieser Unternehmen wird somit auf dem Produktionskonto der privaten
Haushalte verbucht.
• Unternehmen im Sektor „Unternehmen“
Unternehmen werden nur dann dem Sektor „Unternehmen“ zugerechnet,
sofern sie eine eigene Rechtspersönlichkeit haben. Dies sind insbesondere
Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
Genossenschaften, offene Handelsgesellschaften und
Kommanditgesellschaften.
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Folie 40
Darstellung in Kontenform
Private Haushalte
Unternehmen
Produktionskonto
Produktionskonto
Wertschöpfung =
Löhne
270
120
Vorleist.
Dienstlst.an
Haushalte
150
Konsumgüter
Wertschöpfung =
Löhne
550
Einkommenskonto
300
300 Vorleist.
550
Konsumgüter
Einkommenskonto
Konsumausgaben 820
700
Faktoreinkommen
Ausgaben für
Dienstlst.
120
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Folie 41
• Sparen, Vermögen und Investition in der VGR
Nun soll die Annahme aufgegeben werden, dass private Haushalte und
Unternehmen nicht sparen und nicht investieren.
− Private Haushalte sparen dadurch, dass sie nur einen Teil ihres
Faktoreinkommens für Konsum ausgeben. Ihre Ersparnis stellen sie
den Investoren zur Verfügung. Hierfür erhalten sie dann
Vermögenseinkommen wie z.B. Zinsen oder Dividenden.
− Die Unternehmen erzielen Gewinne. Sie können sparen, indem sie
diese Gewinne nicht vollständig als Dividenden an die privaten
Haushalte abführen. Diese werden verbucht als ein Einkommen,
welches sich die Unternehmen auf ihr Einkommenskonto zuweisen.
− Aufgrund der durch Nutzung eingetretenen Wertminderung des
Anlagevermögens müssen Unternehmen ferner Abschreibungen
verbuchen.
− Es werden nicht nur Konsumgüter produziert, sondern auch
Investitionsgüter, d.h. dauerhafte Produktionsmittel wie maschinelle
Anlagen.
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Folie 42
• Konsum
Unter Konsum (C) verstehen wir sämtliche Ausgaben der privaten Haushalte
für (Verbrauchs-) Güter und Dienste. Auch langlebige Konsumgüter, die nicht
während einer laufenden Periode verbraucht werden wie Autos, Computer,
Musikinstrumente oder Waschmaschinen, zählen zu den Konsumgütern. Eine
Ausnahme stellen Eigenheime dar. Diese werden von privaten Haushalten
gekauft, zählen aber zu den Investitionsgütern.
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Folie 43
• Investitionen
Investitionen (I) sind Ausgaben für Kapitalausstattung, Vorräte und Bauten
(Häuser), also für Güter, welche nicht unmittelbar verbraucht werden. Dabei
unterscheiden wir:
− Bruttoanlageinvestition: gekaufte und selbst erstellte Anlagen wie
Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen, Fahrzeuge,
Geschäftsausstattung), Bauinvestitionen (Wohnbauten, gewerbliche
Bauten, Straßen etc.) und immaterielle Anlagegüter (wie
Computerprogramme, Urheberrechte).
− Lagerinvestitionen: Zuwachs an eigenen halbfertigen und fertigen
Erzeugnissen und den von anderen Unternehmungen gekauften und
noch gelagerten Vorprodukten.
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Folie 44
• Einige Begriffe:
−
Bruttoinvestition: Ib
−
Nettoinvestition: I
−
Lagerinvestition: IL
−
Reinvestition ~ D
−
(Brutto-)
Anlageinvestition: IbA
Ib 250
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Reinvest.
150
D 150
IbA 210
I 100
IL 40
Folie 45
Darstellung in Kontenform
Private Haushalte
Unternehmen
Produktionskonto
Produktionskonto
Wertschöpfung
– Löhne
– Zinsen
– einbeh.
Gewinne
Investitionsgüter
Abschreibungen
Einkommenskonto
Konsumausgaben
Einkommenskonto
Faktoreinkommen
Ersparnis
– Löhne
– Zinsen
einbeh.
Gewinne
Ersparnis
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Folie 46
• Vermögensänderungskonto
Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass zu manchen Posten eine
Gegenposition fehlt. Hierfür ist ein Vermögensänderungskonto zu
berücksichtigen. Wir betrachten nun zur Vereinfachung nur
gesamtwirtschaftliche Konten, vernachlässigen also die Unterscheidung in
private Haushalte und Unternehmen.
• Flussdiagramm vs. Kontenform
Eine Darstellung kann entweder in Form eines Flussdiagramms oder in
Kontenform erfolgen.
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Folie 47
Flussdiagramm einer einfachen Volkswirtschaft
S 100
Einkommenskonto
F
820
C
720
Vermögensänderungskonto
Ib 250
Produktionskonto
D 150
V 300
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Folie 48
• Erläuterung des Flussdiagramms
Die den Haushalten und Unternehmen zufließenden Einkommen in Höhe von
820 werden in Höhe von 720 für Konsumzwecke ausgegeben und der Rest in
Höhe von 100 wird gespart. Die Ersparnis fließt dem
Vermögensänderungskonto zu. Damit wird ein Teil der Bruttoinvestition in
Höhe von 250 finanziert. Als Gedankenstütze kann man sich vorstellen, dass
das Vermögensänderungskonto beim Produktionskonto Investitionsgüter in
Höhe von 250 kauft und bezahlt. Der nicht durch Ersparnisse finanzierte Teil
der Bruttoinvestition in Höhe von 150 Einheiten wird durch Abschreibungen
finanziert, genauer aus Abschreibungsgegenwerten.
• Berechnung des Inlandsprodukts
Das Nettoinlandsprodukt lässt sich aus dem Produktionskonto ermitteln:
Y=C+I=820
Es gilt ferner für das Bruttoinlandsprodukt
Yb=Y+D=970
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Folie 49
Gesamtwirtschaftliche Konten einer einfachen
Volkswirtschaft
Produktionskonto
Einkommenskonto
Konsumausgaben
720
820
Faktoreinkommen
Vorleist.
300
Abschr.
150
Wertschöpfung
– Löhne 680
– Zinsen 140
Ersparnis 100
300
Vorleist.
720
Konsumgüter
250 Inv.güter
Vermögensänderungskonto
Inv.güter
250
150
Abschr.
100 Ersparnis
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Folie 50
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
f(k)
3. Produktion und Wachstum
c*
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 51
Pflichtlektüre:
Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, S. 240-271.
Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 180192; 199-204.
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Folie 52
• Unterschiede im Lebensstandard
Der Lebensstandard, gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf,
variiert stark zwischen Ländern. Gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf, unterscheidet er sich ca. um den Faktor 100.
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Folie 53
• Ursachen für Armut und Reichtum
Der Lebensstandard wird maßgeblich von der Produktivität der Arbeitskräfte
bestimmt. Unter Produktivität versteht man die Menge an Gütern und Diensten,
die in einer Arbeitsstunde produziert werden. Die Produktivität wird maßgeblich
durch folgende Produktionsfaktoren bestimmt.
− Physisches Kapital
− Humankapital
− Natürliche Ressourcen
− Technischer Fortschritt
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Folie 54
• Physisches Kapital
Unter Kapital versteht man einen aus der vergangenen Produktion
stammenden Faktor, der in die gegenwärtige Produktion eingeht.
Physisches Kapital ist der Bestand an Maschinen und Bauten. Wertmäßig
entspricht er dem Marktwert aller in der Vergangenheit getätigten
Investitionen.
• Humankapital
Humankapital ist der ökonomische Begriff für das Wissen und die
Fertigkeiten, welche Arbeiter durch Erziehung, Training und Erfahrung
akquirieren und zur Produktionssteigerung einsetzen können. Wertmäßig
wird das Humankapital bestimmt durch die Ausgaben, welche getätigt
werden, um den Arbeitskräften das Verständnis neuer Prozesse und
Produkte zu vermitteln.
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Folie 55
• Natürliche Ressourcen
Natürliche Ressourcen sind Produktionsfaktoren, die von der Natur bereit
gestellt werden. Beispiele hierfür sind Boden, Metalle oder Öl. Sie werden
eingeteilt in erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Wälder oder Fischbestände,
und nicht erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Kohle oder Mineralwasser.
• Resource Curse
Natürliche Ressourcen sind wichtig. Aber viele Länder mit wenig
Ressourcen (Deutschland, Japan) können trotzdem einen hohen
Lebensstandard erzielen. Rohstoffbesitzer wie Gabun, Nigeria oder
Venezuela sind hingegen teilweise ärmer. Rohstoffeinnahmen bringen
oftmals korrupte Regierungen hervor, die Kapital unterschlagen und der
Produktion entziehen.
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Folie 56
• Technischer Fortschritt
Unter technischem Fortschritt versteht man das Verständnis innovativer
Produktionstechnologien und Organisationsmethoden (Prozessinnovationen)
sowie verbesserter oder neuartiger Produkte (Produktinnovationen).
• Abgrenzung
Humankapital ist im Gegensatz zu technischem Fortschritt fest mit einer
Arbeitskraft verbunden. Es kann nicht käuflich erworben und transferiert
werden. Während die Erfindung der Schreibmaschine technischer Fortschritt
ist, ist das Erlernen der Zehn-Finger-Technik eine Form von Humankapital. Für
Humankapital müssen Ausgaben getätigt werden, um den Arbeitskräften das
Verständnis neuer Prozesse und Produkte zu vermitteln.
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Folie 57
Fallstudie
II. Fallstudie China
China, 2011/12
BIP: 47156 Mrd. Yuan
Bevölkerung: 1343 Mio.
Pro-Kopf-Produktion: 35100 Yuan
Preis Big-Mac: 15,65 Yuan
Wechselkurs: 6,40 Yuan/US $
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Folie 58
Entwicklung China
20.0
Wachstum BIP
18.0
45
Inflation
Leistungsbilanzüberschuss (in Prozent des BIP)
16.0
Investitionen (als Prozent des BIP; zweite Achse)
Fallstudie
14.0
40
12.0
10.0
8.0
35
6.0
4.0
2.0
30
0.0
-2.0
-4.0
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2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
25
Folie 59
Fallstudie
• 1978: Privateigentum an landwirtschaftlichen Überschüssen.
• 1984: Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen – dort Experimente mit
eigenen Wirtschaftsgesetzen. Ausländische Investoren als Minderheitseigner
willkommen. Schrittweise Preisliberalisierung und Aufhebung der
Mengenplanung.
• 1989-1992: Politische Krise.
• 1992-2002: Privatisierung kleiner Staatsunternehmen und Bankenreform.
Später Privateigentumsrechte und WTO-Beitritt.
• 1994-2010: Stetige Erhöhung der Devisenreserven auf derzeit 2500 Mrd. US
$. Keine Aufwertung des Yuan.
• Seit 2008: Erhöhung der Investitionen um dem durch die Finanzkrise
bedingten Nachfrageausfall entgegenzuwirken.
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Folie 60
• Produktionsfunktion
Eine Produktionsfunktion gibt ein Verhältnis zwischen der Menge an
Einsatzfaktoren und der erzielten (Brutto-) Produktionshöhe an.
Yb=AF(N, K, H),
FN>0, FK>0, FH>0.
• Variablen:
− Yb das Bruttoinlandsprodukt (die Produktion),
− A die Produktionstechnologie,
− N die Anzahl an Arbeitskräften,
− K die Menge an physischem Kapital,
− H die Menge an Humankapital und
− F() eine Funktion, welche diese Faktoren kombiniert.
− Auf die Berücksichtigung von Rohstoffen wird hier verzichtet.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 61
• Konstante Skalenerträge
Eine Produktionsfunktion hat „konstante Skalenerträge“ wenn für jede positive
Zahl x gilt:
xYb=AF(xN, xK, xH)
Eine Verdoppelung aller Einsatzfaktoren führt zu einer Verdoppelung der
Produktion.
• Zur Plausibilität
Wenn zu einer existierenden Betriebsstätte eine zweite, identische an einem
anderen Ort und unter sonst gleichen Bedingungen erstellt wird, sollte diese die
gleiche Produktion hervorbringen können.
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Folie 62
• Die Frage der Konvergenz
− Sind Länder mit niedrigem Einkommen durch höhere Wachstumsraten
gekennzeichnet? Falls dies so wäre, würden Einkommensunterschiede im
Zeitverlauf abgebaut. Dies wird als catch-up-Effekt bezeichnet.
• Konstante Skalenerträge und Grenzerträge
− Ersetzen wir x durch 1/N, dann folgt:
Yb/N=AF(1, K/N, H/N)= Af(K/N, H/N).
− Der Term „1“ in der Funktion ist überflüssig. Wir können ihn auch
weglassen und zur Unterscheidung der Funktion den Kleinbuchstaben,
f(), verwenden.
− Hierbei ist nun Yb/N die Produktion pro Arbeitskraft, K/N der
Kapitaleinsatz je Arbeitskraft und H/N das Humankapital je Arbeitskraft.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 63
− Werden alle Pro-Kopf Einsatzfaktoren der gegebenen
Produktionsfunktion verdoppelt, so ergibt sich nur ein
unterproportionaler Anstieg:
AF(1, 2.K/N, 2.H/N) < 2.Yb/N
− Dies ergibt sich, da die 1 nicht verdoppelt wird.
− Konstante Skalenerträge einer Produktionsfunktion implizieren somit
sinkende Grenzerträge der Pro-Kopf-Produktion.
− Einsatzfaktoren werden mit steigendem Einsatz tendenziell
unproduktiver. Daher haben Länder mit geringer Ausstattung eine höhere
Grenzproduktivität und damit einen Produktionsvorteil gegenüber
reicheren Ländern.
− Dies könnte einen catch-up-Prozess begünstigen und damit eine
Konvergenz.
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Folie 64
Quelle für Graphik:
Makroökonomik
WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 65
Wachstum und Pro-Kopf-Inlandsprodukt in US-Staaten
Quelle: Barro und Sala-i-Martin (1995), Economic Growth, S. 28.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 66
• Empirische Evidenz zu Konvergenz
−
Konvergenz scheint gemäß empirischer Evidenz dort vorzuliegen,
wo Länder relativ ähnliche Ausgangsbedingungen haben.
−
Für die Welt insgesamt liegt gemäß empirischer Evidenz keine
Konvergenz vor.
−
Eine mögliche Begründung hierfür könnte darin liegen, dass
Länder sich in wichtigen Voraussetzungen unterscheiden.
−
Diese Voraussetzungen wollen wir im Rahmen eines
Wachstumsmodells darstellen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 67
• Anwendung Cobb-Douglas-Produktionsfunktion
Für das Solow-Wachstumsmodell wird oftmals eine Cobb-DouglasProduktionsfunktion unterstellt:
Yb=AF(N,K)=AKαN1-α , 0<α<1.
− Positive und abnehmende Grenzerträge (gleiches gilt nur N):
dYb/dK=AαKα−1N1-α>0;
d2Yb/dK2= Aα(α−1) Kα−2N1-α <0.
− Konstante Skalenerträge: A(xK)α(xN)1-α = AxαKαx1-αΝ1-α
=xAKαN1-α=xYb.
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Folie 68
b
Yb=F(K,N)
Kapital K
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Folie 69
• Vereinfachung
Wir verzichten auf eine explizite Berücksichtigung des Humankapitals. Dies
kann aber unter K subsumiert werden. Als Schreibweise in Pro-Kopf-Termen
gelte k=K/N und y=Yb/N:
y=Yb/N=F(K,N)/N= f(k).
Das Pro-Kopf-Einkommen, y, ist somit eine positive, aber abnehmende
Funktion des Pro-Kopf-Kapitalstocks, k. Mit der Funktion wird das Verhalten
einer einzelnen Wirtschaftseinheit, einem Kopf der Bevölkerung, dargestellt in
Abhängigkeit des durchschnittlichen Kapitalstocks.
Diese Wirtschaftseinheit wird nicht nur produzieren und in Höhe der
Produktion ein Einkommen erzielen. Sie wird Teile dieses Einkommens für
Konsumzwecke verwenden und andere Teile für Investitionszwecke.
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Folie 70
• Konsumieren und Investieren
Wir unterstellen, dass die Wirtschaftseinheit eine feste Relation wählt für die
Aufteilung des Einkommens in Konsum und Investition. Bei einer festen
Aufteilung beträgt somit die gesamte Investition pro Kopf sy und der Konsum
(1-s)y.
• Sparen und Investieren
Die Investitionsquote ist in dem Modell identisch zur Sparquote der
Wirtschaftseinheit. Daher bezeichnen wir den Anteil als „s“ (savings).
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Folie 71
• Dynamische Anpassung
Wie verändert sich der Kapitalstock über die Zeit? Zur Berechnung müssen wir
von den Bruttoinvestitionen (I) die Abschreibungen (δK) abziehen:
&
& δ K =sF − δ K ⇔ K/N=s
⋅ f ( k ) -δ k
K=I-
Wie verändert sich die Pro-Kopf-Kapitalausstattung über die Zeit? Diese
variiert sowohl mit Veränderungen der Kapitalausstattung als auch mit
Veränderungen der Bevölkerung (= des Arbeitseinsatzes). Es gilt:
k& ≡
d (K N )
dt
& & K& KN&
NK-KN
=
= − 2.
2
N N
N
Wir nehmen an, dass ein konstantes Bevölkerungswachstum exogen
vorgegeben ist. Es gilt somit N(t)=ent und daher:
n ≡ N& N
Einsetzen erbringt:
k& = K& N − nk .
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Folie 72
• Resultat:
Für die Dynamik des Pro-Kopf-Kapitalstocks folgt
k& = s ⋅ f ( k ) - (δ + n ) k .
Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks ergibt sich, wenn von den aus der
bestehenden Produktion resultierenden Pro-Kopf-Investitionen die
Abschreibungen abgezogen werden. Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit
demselben Kapitalstock ausgestattet werden.
•
Notwendige Investitionen
Der Pro-Kopf-Kapitalstock verringert sich durch Abschreibungen, welche
proportional zum existierenden Kapitalstock sind. Zusätzlich verringert sich der
Pro-Kopf-Kapitalstock durch einen Anstieg der Bevölkerung, da der
bestehende Kapitalstock dann auf mehr Arbeitskräfte zu verteilen ist. Diese
beiden Effekte zusammen bewirken ein Schrumpfen des Pro-KopfKapitalstocks gemäß (δ+n)k . Zum Erhalt des Pro-Kopf-Kapitalstocks müssen
die Investitionen gerade (δ+n)k betragen. Diese Größe wird daher auch als
„notwendige Investition“ bezeichnet.
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Folie 73
• Anwendung Cobb-Douglas-Produktionsfunktion:
y=AKaN1-a/N = Aka .
Einsetzen für y erbringt für die Dynamik der Anpassung:
k& = s ⋅ Ak α - (δ + n ) k .
Dies verdeutlicht erneut die Dynamik: Mit den aus der bestehenden Produktion
resultierenden Pro-Kopf-Investitionen müssen zuerst die Abschreibungen
beglichen werden. Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit demselben
Kapitalstock ausgestattet werden. Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks
ergibt sich nur, wenn die notwendigen Investitionen geringer sind als die
tatsächlichen Investitionen.
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Folie 74
y,
s.y
f(k)
steady state
y*
c*
(n+δ)k
y0
s.f(k)
c0
s.y
s.y*
0
Notwendige
Investition
k0
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 75
• Steady-state
Ein steady-state ist definiert als eine Situation, in der alle makroökonomischen
Aggregate mit einer über die Zeit konstanten Rate wachsen. Hierfür ist ein
konstanter Pro-Kopf-Kapitalstock (k*) erforderlich. Im steady-state gilt bei
einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion:
s ⋅ Ak α = (δ + n ) k
Pro-Kopf-Kapitalstock im steady-state:
1 (1−α )
 sA 
k* = 

δ +n
− K, Yb und C wachsen mit der konstanten
Wachstumsrate n.
− Ihr Niveau wird bestimmt von der Technologie,
A, der Sparquote, s, der Wachstumsrate der
Bevölkerung, n, und der Abschreibungsrate, δ.
− Ein fortgesetztes Wachstum von Pro-KopfVariablen lässt sich mit dem Modell nicht
erklären.
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Folie 76
Eine Verlagerung der Produktionsfunktion
y, s.y
y*2
f2(k)
f1(k)
y*1
(δ+n)k
sy*2
s.f2(k)
s.f1(k)
sy*1
k*1
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k*2
k
Folie 77
Eine Erhöhung der Sparquote
y, s.y
y*2
y*1
f(k)
s2y*2
s2.f (k)
(δ+n)k
s1.f (k)
s1y*1
k*1
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k*2
k
Folie 78
Pro-Kopf Einkommen und Investitionsquote
100000
LUX
Bruttoinlandsprodukt Pro-Kopf in Kauflkraftparität, US $, 2008 .
KWT
USA
GBR
NLD
CAN
SWE DNK
DEU
FRA ITA
ISR
SAUOMN TTO
NOR
HKG
CHE
ISL
FIN AUS
MLT
SGP
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CRI
BRA
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COL
DOM
ECU
SLV
EGY SWZ
FJI PRY
GTM
LKA
BOL
SYR MARIDN
PHL HND
IND
SAS NIC
PAK
CMR
PNG
SDN
MRT
SEN CIV
KEN
BEN GHA GMB
ZMB
TCD
BGD
BFA NPL MLI
UGA
MDG RWA
TGO
MWI
CAF
NER
URY TUR
10000
1000
MYS
VEN
PER
TUN
SUR
GAB
BWA
IRN
THA
DZA
CHN
COG
GUY
LSO
BDI
ZAR
100
10
15
20
25
30
35
Physische Investitionen in Prozent des Inlandsprodukts, Durchschnitt 1960-2009
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Folie 79
Eine Erhöhung der Wachstumsrate der Bevölkerung
y, s.y
y*1
y*2
f(k)
(δ+n2)k
(δ+n1)k
sy*1
sy*2
s.f (k)
k*2
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k*1
k
Folie 80
Pro-Kopf Einkommen und Geburtenrate
Bruttoinlandsprodukt Pro-Kopf in Kauflkraftparität, US $, 2008 .
100000
LUX
MAC
NOR
SGP
USA
HKG IRL
CHE
N
LD
AUT
CAN
AUS ISL
SWE
DNK
DEU
GBR
FIN
JPN
FRA
BEL
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GRC
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BHR
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SEN
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LSO GHA BEN
KEN
GMB
ZMB
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TCD
TZA
BFA
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HTINPL COM
GIN
MDG
RWA
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TGO
MOZ
MWI
TMP
SLE
CAF
ERI
GNB
10000
1000
BDI
NER
LBR
ZAR
100
0
10
20
30
40
50
60
Geburten pro 1000 Einwohner, Durchschnitt 1960-2009
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Folie 81
• Modelltheoretische Implikationen zur Konvergenz
−
−
−
Eine Angleichung des Pro-Kopf-Einkommens (Konvergenz) können wir
erwarten, wenn die Produktionstechnologie, die Sparquote, das Wachstum
der Bevölkerung und die Abschreibungsrate der jeweiligen Länder gleich
sind.
Mit Konvergenz ist dort nicht unbedingt zu rechnen, wo diese Größen
unterschiedlich sind.
Solche Unterschiede sind geeignet, die empirischen Belege für eine
weltweit fehlende Konvergenz zu begründen.
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Folie 82
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Kritik des Wachstumsmodells
− Reiche Länder verfügen evtl. über bessere Möglichkeiten,
technischen Fortschritt anzutreiben (endogene Wachstumstheorie).
Dies könnte auch erklären, warum Konvergenz oftmals ausbleibt.
− Im Rahmen des Modells findet kein Handel zwischen den
verschiedenen repräsentativen Haushalten statt. Jeder Haushalt hat es
daher zu leicht, rationale Entscheidungen zu treffen, ohne dabei auf
die komplizierte Interaktion mit anderen Haushalten achten zu
müssen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 83
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
4. Geld und Inflation
c*
f(k)
(n+δ)k
s.f(k)
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Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 84
Pflichtlektüre:
Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 75108; 524-525.
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• Inflation
Unter Inflation, π, versteht man eine Situation, in der die Lebenshaltungskosten
in einer Volkswirtschaft ansteigen. Deflation bezeichnet dagegen die
gegenteilige Situation sinkender Lebenshaltungskosten. Die
Lebenshaltungskosten sind ein Maß für die gesamten Kosten der Güter und
Dienste, welche von einem typischen Konsumenten gekauft werden. Ein Anstieg
der Lebenshaltungskosten bedeutet, dass ein typischer Konsument mehr Euro
ausgeben muss, um den Lebensstandard zu halten. Das Statistische Bundesamt
stellt hierfür monatliche Daten zur Verfügung. Diese erlauben es, die zeitliche
Veränderung der Lebenshaltungskosten zu verfolgen.
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• Verbraucherpreisindex
Die Lebenshaltungskosten werden auch „Verbraucherpreisindex“ genannt und
im Folgenden mit P gekennzeichnet. Zur Bestimmung der Lebenshaltungskosten
muss zunächst ein Warenkorb bestimmt werden.
• Warenkorb
Der Warenkorb enthält die wichtigsten Güter eines typischen Konsumenten. Mit
Hilfe von Befragungen von Haushalten werden in periodischen Abständen die
passenden Gewichte der einzelnen Güter bestimmt. Haushalte werden hierzu
seitens des Statistischen Bundesamtes aufgefordert, ein Jahr lang über ihre
Einnahmen und Ausgaben Buch zu führen.
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• Messung der Inflation
Zu den Gütern des Warenkorbes werden regelmäßig die Preise
zusammengetragen. Hiermit können dann die gesamten Kosten des Warenkorbes
zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestimmt werden. Ein Jahr wird als Basisjahr
festgelegt und die Ergebnisse anderer Jahre mit denen des Basisjahres
verglichen. Die Inflationsrate, π, im Jahre 2012, beispielsweise, ergibt sich
gemäß:
− =
× 100
• Bias in der Messung
Der Verbraucherpreisindex ist ein akkurates Maß für das Preisniveau des
ausgewählten Warenkorbes, aber er ist kein perfektes Abbild der
Lebenshaltungskosten.
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1. Substitutionsbias
Veränderungen relativer Preise bewirken eine Veränderung des Warenkorbes hin
zu preiswerteren Produkten. Durch diese Substitutionseffekte wird der gesamte
Warenkorb günstiger. Der Index unterstellt einen konstanten Warenkorb,
vernachlässigt also diesen Substitutionseffekt. Hierdurch überschätzt der Index
die Inflationsrate.
2. Einführung neuer Produkte
Der Warenkorb vernachlässigt die veränderte Kaufkraft, welche durch die
Einführung neuer Produkte entsteht. Neue Produkte erhöhen die
Wahlmöglichkeiten eines Konsumenten. Dies macht jeden Euro wertvoller.
Konsumenten brauchen weniger Euro, um den gleichen Lebensstandard zu
erreichen. Der Verbraucherpreisindex vernachlässigt dies und überschätzt daher
die Inflationsrate.
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3. Vernachlässigte Qualitätsverbesserungen
Wenn sich die Qualität eines Gutes über die Jahre verbessert, erhöht sich der
Wert eines hierfür ausgegebenen Euro, ohne dass sich das Preisniveau des Gutes
verändert. Sofern im Mittel eher Qualitätsverbesserungen auftreten, kommt es
dazu, dass der Verbraucherpreisindex die Inflationsrate überschätzt.
• Überschätzung der Lebenshaltungskosten
Aufgrund der drei genannten Gründe werden die Lebenshaltungskosten
überschätzt. Schätzungen ergeben, dass die gemessene Inflation den
tatsächlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten um ca. einen Prozentpunkt pro
Jahr überzeichnet. Dies kann problematisch sein, sofern ein Inflationsausgleich
bei staatlichen Programmen oder in Tarifverhandlungen festgelegt wird (dies
wird auch „Indexierung“ genannt. Eine solche Indexierung ist in Deutschland
rechtlich aber nur eingeschränkt möglich).
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Interaktives
• Inflation
Haben Sie Sorge, dass in der Zukunft die Inflation ansteigen könnte?
o Ja
Nein
Gesetzt den Fall, die Inflation würde tatsächlich ansteigen, hätten Sie Sorge,
dass dies negative Auswirkungen hätte?
o Ja
Nein
Welche negative Auswirkung würden Ihnen am meisten Sorge bereiten?
o Meine Ersparnisse und Vermögen sind weniger wert.
o Ich kann mir von meinem jährlichen Einkommen weniger leisten.
o Die Wirtschaft wird instabil weil keiner mehr Preisschwankungen
versteht.
o Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer.
o Andere Gründe.
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Die Kosten der Inflation
− Inflation bei konstantem nominalen Lohneinkommen reduziert die
Kaufkraft der Lohnempfänger. Wird mit diesem Argument bereits auf die
Kosten der Inflation verwiesen?
− Nein. Konstanter nominaler Lohn kann mit steigendem Selbstständigenoder Gewinneinkommen einhergehen, denn Produzenten verdienen
nominal mehr bei steigenden Preisen. Damit findet eine (evtl.
unerwünschte) Umverteilung statt, nicht aber ein allgemeines Sinken des
Lebensstandards.
− Welche Kosten lassen sich klarer identifizieren?
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1. Schuhlederkosten
Menschen versuchen, ihre Geldhaltung bei hoher Inflation zu reduzieren. Dies
impliziert ein häufigeres Aufsuchen der Bank zum Zweck der Abhebung von
zinstragenden Vermögensanlagen. Hierbei entstehen Kosten für die involvierte
Zeit und Unannehmlichkeiten.
2. Menukosten
Preislisten und Aushängeschilder müssen häufiger aktualisiert werden. Die
Bestimmung neuer Preise erfordert kostspielige Informationen,
Entscheidungsprozesse, Verhandlungen und Kommunikation. Hierbei werden
Ressourcen verbraucht, die ansonsten im Produktionsprozess sinnvoller
verwendet werden könnten.
Wird hingegen auf häufige Preisanpassungen verzichtet und stattdessen starke
Preiserhöhungen relativ selten durchgeführt, dann beeinflusst Inflation die
relativen Preise. Dies bewirkt allokative Verzerrungen.
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3. Konfusion und Unbequemlichkeit
Mit Inflation sind reale Werte schwerer über die Zeit zu vergleichen. Geld
verliert teilweise seine Bedeutung als Recheneinheit. Eine realistische
Darstellung von Kosten, Profiten und Erträgen einer Firma wird so erschwert.
Investoren haben größere Schwierigkeiten, erfolgreiche von erfolglosen
Firmen zu unterscheiden. Der Kapitalmarkt wird behindert.
4. Willkürliche Umverteilung
Die bisher erwähnten Kosten ergeben sich auch bei einer konstant hohen
Inflationsrate. Weitere Kosten ergeben sich bei einer unerwarteten Inflation.
Bezieher eines nominal fixierten Lohneinkommens werden benachteiligt.
Ebenso werden Kreditgeber von einer unerwarteten Inflation benachteiligt, da
zumeist in Kreditverträgen die Nominalzinsen fixiert sind. Kreditnehmer
werden von Inflation begünstigt, da ihre Tilgung real günstiger wird.
Vermögen wird somit willkürlich umgeschichtet. Hierdurch ergeben sich
Verteilungsprobleme, evtl. auch eine abnehmende Bereitschaft, mit regulärer
Arbeit Einkommen zu erzielen.
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Interaktives
• Inflation
Ihr Vorgesetzter kommt in Ihr Büro, teilt Ihnen mit, dass Ihr Lohn steigt und
beglückwünscht Sie dazu. Beachten Sie die weitere Beschreibung auf Ihrem
mobilen Endgerät! Wie schätzen Sie die Auswirkung dieser Nachricht auf Ihre
Arbeitsmotivation ein?
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Der Nutzen der Inflation
1. Vermeidung von Unterbeschäftigung
Die Erfahrung lehrt, dass sich Inflation nur durch einen Produktionseinbruch und
Unterbeschäftigung reduzieren lässt. Gemäß Schätzungen ist zur Reduzierung
der Inflation um einen Prozentpunkt ein temporärer Produktionseinbruch zu
erwarten. Aggregiert über den Anpassungszeitraum beläuft sich der Einbruch auf
5 Prozent des Inlandsprodukts (z.B. in den ersten beiden Jahren jeweils 2
Prozent und im dritten Jahr 1 Prozent). Ein temporärer Produktionseinbruch
kann auch länger anhaltende nachteilige Folgen haben. Eine Rezession kann
Investoren abschrecken. Damit sinkt der Kapitalstock und temporär die
Produktivität. Temporäre Arbeitslosigkeit kann auch Humankapital vernichten,
weil Erfahrungswissen verloren geht. Fortwährende Inflation vermeidet auch
diese Kosten.
2. Besteuerung von Geldvermögen
Inflation wirkt wie eine Besteuerung von Geldvermögen und verschafft der
Zentralbank und damit dem Staat zusätzliche Einnahmen (Inflationssteuer). In
Ländern, in denen das Steuersystem nicht gut funktioniert, kann dies eine
effiziente Form der Finanzierung öffentlicher Aufgaben darstellen.
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3. Verbesserte Anpassung der realen Löhne
Nominale Löhne sind teilweise nach unten starr, z.B. weil Gewerkschaften
gegen Lohnsenkungen Streiks organisieren können. Bei einer schleichenden
realen Entwertung der Löhne durch Inflation bleiben Streiks aber zumeist aus.
Dies ist kompatibel mit Umfrageergebnissen: Eine Reduzierung des
Nominallohnes bei Nullinflation wird als unfair eingeschätzt, ein konstanter
Lohn bei Inflation aber nicht. Dieses Verhalten wird auch als „Geldillusion“
bezeichnet. Eine moderate und konstante Inflation kann daher die notwendige
Anpassung der realen Löhne in Krisenbranchen ermöglichen. Dies kann auch
langfristig die Produktion eines Landes erhöhen.
4. Verringertes Deflationsrisiko
Höhere Inflation verringert das Risiko, dass eine Krise zu Deflation, also einem
sinkenden Preisniveau, führt. Warum diese besonders gefährlich ist, wird in
Abschnitt 10 gezeigt.
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Interaktives
• Inflation
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Folie 99
• Optimale Inflation
In Abwägung der Vor- und Nachteile der Inflation sollte bedacht werden, dass
eine Inflation von Null übermäßig restriktiv wirkt. Aufgrund des
Substitutionsbias ist eine Inflationsrate von 1% als Preisniveaustabilität zu
werten. Darüber hinaus kann aus den genannten Nutzenerwägungen ein wenig
Inflation zugelassen werden. Die EZB hat sich daher ein Inflationsziel von
zwischen 1% und 2% gesetzt. Andere Zentralbanken, wie die Norwegens, haben
höhere Inflationsziele von 2,5%.
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Folie 100
Geld
Unter Geld verstehen wir alles, was zur Bezahlung von Gütern und
Dienstleistungen oder zur Abdeckung wirtschaftlicher Verpflichtungen
akzeptiert wird. Die konkrete Erscheinungsform ist evtl. Änderungen
unterworfen. Auch knappe Güter wie Zigaretten oder Butter sind als Geld
verwendet worden. Definiert wird Geld insbesondere durch die Funktionen, die
es erfüllt.
1. Tauschmittelfunktion (Wertübertragungsfunktion).
Naturaltausch ist kaum zu organisieren, da eine doppelte Übereinstimmung der
Bedürfnisse oder eine Kette von Tauschtransaktionen organisiert werden muss.
Dies würde hohe Suchkosten implizieren. Geld hilft dabei, den Tausch in Kauf
und Verkauf aufzuspalten.
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2. Recheneinheit; allgemeines Wertausdrucksmittel.
Der Wert aller Güter, Forderungen und Verbindlichkeiten wird in Einheiten ein
und derselben Bezugsgröße ausgedrückt. Werden 200 Güter gegeneinander
getauscht, müssten (n⋅(n-1))/2=19900 Austauschverhältnisse bekannt sein. Ist ein
Gut davon eine Recheneinheit, so reduziert sich die Anzahl der
Austauschverhältnisse auf 199. Dies bewirkt eine Einsparung an
Informationskosten.
3. Wertaufbewahrungsfunktion; Wertspeicher.
Oftmals liegt eine zeitliche Trennung von Kauf und Verkauf vor. Geld
ermöglicht es, Kaufkraft zu „lagern“. Geld hat hierbei allerdings den Nachteil,
dass es keine Zinsen abwirft. Andere Formen der Vermögensanlage
(Sparguthaben, Wertpapiere oder Sachvermögen) bringen Zinsen, Dividenden,
Pacht oder Mieten hervor. Außerdem partizipieren diese u.U. an
Preissteigerungen. Dafür ist Geld allerdings risikolos (keine
Kursschwankungen).
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• Geldnachfrage
Die drei Funktionen implizieren, dass Wirtschaftssubjekte Geld zu halten
wünschen. Insgesamt wird um so mehr Geld nachgefragt, je mehr
Gütertransaktionen in einer Volkswirtschaft getätigt werden, je höher also das
reale Inlandsprodukt ist. Zudem wird bei einem Anstieg des Preisniveaus eine
erhöhte Geldhaltung erforderlich. Wird die Geldnachfrage hingegen durch den
Verbraucherpreisindex, P, dividiert, so sprechen wir von der „realen“
Geldnachfrage.
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• Geldnachfrage und Zinssatz
Geld hat im Vergleich zu anderen Vermögensanlagen den Nachteil, keine
Zinsen oder Dividenden zu erbringen. Daher werden Wirtschaftssubjekte um
so weniger Geld zu halten wünschen, je höher der (nominale) Zinssatz ist.
− Hierzu können wir uns die Abwägung eines Wirtschaftssubjekts
zwischen dem Halten von Geld und dem Halten von
festverzinslichen Staatsanleihen (Bonds) vorstellen.
− Die Geldnachfrage und die Bondnachfrage sind voneinander
abhängig. Steigt der Zinssatz, so werden Bonds attraktiver.
− Wirtschaftssubjekte reduzieren dann die Geldhaltung, um verstärkt
die zinstragenden Staatsanleihen zu halten. Bei der knappen
Geldausstattung müssen sie für die täglichen Güterkäufe häufiger
zur Bank gehen und einen geringen Betrag Bargeld abheben. Bonds
werden häufig ge- und verkauft um den Saldo des Girokontos gering
zu halten.
− Bei niedrigen Zinsen wird hingegen mehr Geld gehalten und die
häufigen Käufe und Verkäufe von Bonds lohnen sich nicht.
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Folie 104
• Reale Geldnachfrage
Das nominale Zinsniveau und das reale Inlandsprodukt bestimmen somit die
reale Geldnachfrage, Lr.
= , , mit ⁄ > 0; ⁄ < 0,
Bei einer Verdoppelung des Verbraucherpreisindex, P, wird sich die nominale
Geldnachfrage ebenfalls verdoppeln. Für alle Güterkäufe ist die doppelte Kasse
für Transaktionszwecke notwendig. Daher resultiert für die nominale
Geldnachfrage, Ln:
= ∙ , Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 105
i
Lr(Y,i)
i
Lr
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Lr
Folie 106
• Kausalität
Die Kurve für die Geldnachfrage erlaubt zwei verschiedene Lesarten. Bei
einem vorgegebenen Zins zeigt sich, in welcher Höhe die Geldnachfrage
resultiert. Es kann aber auch von einer vorgegebenen Geldmenge
ausgegangen werden. In diesem Fall bestimmt die Kurve die Höhe des
nominalen Zinssatzes. Welche Variante anzuwenden ist, hängt von der
Politik der Zentralbank ab.
• Verschiebung der Geldnachfragekurve
Zwei Variablen können die Geldnachfragekurve nach rechts verschieben:
ein höheres Inlandsprodukt und ein exogener Anstieg. Wenn z.B. Bonds als
riskant eingestuft werden, wollen Anleger lieber risikoloses Geld halten
und erhöhen autonom die Geldnachfrage.
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Folie 107
Fallstudie
III. Fallstudie Goldstandard
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Folie 108
Fallstudie
•
Zentralbanken garantieren einen Preis zwischen
ausgegebenen Banknoten (und Münzen) und Gold. Sie
verpflichten sich, ausgegebene Banknoten gegen Gold zu
konvertieren.
•
Zentralbanken sind damit in der Höhe der ausgegebenen
Banknoten beschränkt.
•
Die Geldmenge wird durch die Höhe der Goldreserven
begrenzt.
•
Die Höhe der Zinsen resultiert bei fixierter Geldmenge
aus der Geldnachfragekurve.
•
Sofern Zentralbanken untereinander ihre Zahlungen in
Gold abwickeln und Staaten den internationalen,
privatwirtschaftlichen Transfer von Gold erlauben, spricht
man von einem internationalen Goldstandard.
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Folie 109
Nachteil: Die Höhe der Geldmenge ist fixiert und
bestimmt damit den Zinssatz. Damit kann die Höhe der
Zinsen nicht mehr den Bedürfnissen der lokalen
Wirtschaft angepasst werden. In einer wachsenden
Wirtschaft erhöht sich permanent die Geldnachfrage. Ein
Zinsanstieg ist nur durch stetige Deflation zu vermeiden.
•
Vorteil: Staaten können nicht eine unsolide
Budgetplanung durch Gelddrucken finanzieren.
Fallstudie
•
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Folie 110
Fallstudie
• 1833: Per Gesetz wird die Bank of England verpflichtet,
ausgegebene Noten in Gold zu konvertieren.
• 1870-1914: Der Goldstandard setzt sich gegen Silber
international durch. Zentralbanken schließen sich
Großbritannien an und begründen einen internationalen
Goldstandard.
• 1919-1931: Währungen werden vereinzelt wieder an Gold
gebunden.
• 1944: Auf der Konferenz von Bretton Woods wird der
Dollar an Gold gebunden und andere Währungen an den
Dollar, mit der Möglichkeit der Abwertung.
• 1971: Präsident Nixon beendet Bindung des Dollar an Gold.
Damit können US-Dollar unbegrenzt emittiert werden.
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Folie 111
17 ab. 2011
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Folie 112
• Organisation
Die Durchführung der Geldpolitik wird vom EZB-Rat
vorgenommen. Der EZB-Rat
besteht aus dem Direktorium
mit dem Präsidenten, dem
Vizepräsidenten und vier
weiteren Mitgliedern sowie den
Präsidenten der nationalen
Zentralbanken.
• Grundsätzlich beschließt der
EZB-Rat (wie auch das
Direktorium) mit einfacher
Mehrheit, wobei im Falle der Stimmengleichheit die Stimme des
Präsidenten den Ausschlag gibt. Das Direktorium ist für die Umsetzung der
Entscheidungen des EZB-Rats verantwortlich. Die Ausführung der
Beschlüsse obliegt den Nationalen Zentralbanken auf Weisung des
Direktoriums.
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Folie 113
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 114
Geldmengenaggregate der Europäischen Zentralbank
Stand: März 2012
• Bargeldumlauf im Nichtbankensektor (843)
• Sichteinlagen der Nichtbanken bei den
Geschäftsbanken (3941)
• Einlagen der Nichtbanken bei den
Geschäftsbanken mit vereinbarter Laufzeit von
bis zu zwei Jahren sowie mit vereinbarter
Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten (3836)
• Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und
Geldmarktpapiere, Schuldverschreibungen bis
zwei Jahre von Nichtbanken (1138)
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M1
M2
M3
Folie 115
• Moderne Zentralbankpolitik
Während im Goldstandard die Höhe der Geldmenge fest vorgegeben war, gibt es
eine solche Beschränkung für die EZB nicht. Die EZB gibt vielmehr die Höhe
der Zinsen vor. Die Höhe der Geldmenge wird dann durch die Geldnachfrage
bestimmt.
• Monopol bei der Notenemission
Die beherrschende Stellung der Zentralbank bei der Bestimmung des
Zinsniveaus ergibt sich aus ihrem Recht zur Emission von Banknoten und der
Kontrolle des Bankensystems. Genauso bestimmt die EZB über das
Ausgabevolumen an Münzen.
• Kreditvergabe der EZB an Geschäftsbanken
Haushalte und Unternehmen wünschen Geld teilweise in Form von Bargeld zu
halten. Wenn Banken Kredite an Unternehmen vergeben, so müssen sie sich für
die Auszahlung teilweise Bargeld verschaffen. Hierbei sind sie auf die
Zentralbank angewiesen. Die Banken müssen sich zur Versorgung mit
Bargeld bei der Zentralbank verschulden. Hierfür bestimmt die Zentralbank die
Höhe der zu zahlenden Zinsen.
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Folie 116
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 117
2012W11
2011W43
2011W23
2011W03
2010W35
2010W15
2009W48
2009W28
2009W08
2008W40
2008W20
2007W52
2007W32
2007W12
2006W44
2006W24
2006W04
2005W36
2005W16
2004W49
2004W29
2004W09
2003W41
2003W21
2003W01
2002W33
2002W13
2001W45
2001W25
2001W05
2000W37
2000W17
1999W49
1999W29
1999W09
1,000,000.00
Banknotenumlauf
800,000.00
Kredite der EZB an Geschäftsbanken
600,000.00
400,000.00
200,000.00
0.00
• Mindestreserve
Die Zentralbank hat weitere Möglichkeiten, die Kosten der Kreditvergabe der
Banken, und damit die von Unternehmen zu bezahlenden Zinsen, zu
beeinflussen. Derzeit müssen die Banken eine verpflichtende Einlage
(Mindestreserve) in Höhe von (nur) 1 % der Sichteinlagen, bezogen auf die
Girokonten von Haushalten und Unternehmen bei Banken, bei der EZB halten.
Vergibt z.B. eine Bank einen Kredit i.H.v. 1000 €, so wird der Kreditnehmer
(Unternehmer) hiermit Zahlungen durchführen, die bei Empfängern (z.B.
Haushalten) zu Sichteinlagen führen. Dann werden aber 10 € Mindestreserve
fällig. In dieser Höhe müssten die Banken Kredite bei der Zentralbank
aufnehmen. Je höher die Mindestreserve, desto stärker müssen sich
Geschäftsbanken bei der Zentralbank verschulden.
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Folie 118
• Arten der Kreditvergabe an die Geschäftsbanken
− Die Kredite der EZB haben derzeit Laufzeiten von einer Woche
(Hauptrefinanzierungsfazilität, Mindestbietungssatz seit Juli 2012:
0,75%)
− oder drei Monaten (längerfristige Refinanzierungsfazilität).
− Daneben gewährt die Zentralbank eine unbegrenzte
Spitzenrefinanzierungsfazilität zu einem höheren Zinssatz von 1,50%
(Stand Juli 2012).
− Umgekehrt gewährt die EZB den Geschäftsbanken auch die
Möglichkeit, überschüssige Mittel bei der EZB zu halten
(Einlagenfazilität) und bezahlt den Banken hierfür Zinsen von derzeit
allerding 0,00% (Stand Juli 2012).
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Folie 119
• Einfluss der Zentralbankzinsen
− Die Zentralbank beeinflusst die Höhe, mit der sich Banken
untereinander Geld leihen (gemessen mit dem EONIA; Euro
OverNight Index Average). Dies lässt sich insbesondere mit
Arbitragegeschäften erklären.
− So kann der EONIA nie über die Spitzenrefinanzierungsfazilität
steigen, da sich Banken sonst günstiger über die EZB finanzieren
können. Genauso kann der Zinssatz nicht unter das Niveau der
Einlagenfazilität sinken, da Banken sonst überschüssige Mittel eher
bei der EZB anlegen als diese anderen zur Verfügung zu stellen.
− Je höher die Zentralbankzinsen und je höher der EONIA, desto
kostspieliger ist für Banken die Kreditvergabe. Diese Kosten werden
von den Banken durch höhere Zinsen weitergereicht.
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Folie 120
5
1999-01
1999-04
1999-07
1999-10
2000-01
2000-04
2000-07
2000-10
2001-01
2001-04
2001-07
2001-10
2002-01
2002-04
2002-07
2002-10
2003-01
2003-04
2003-07
2003-10
2004-01
2004-04
2004-07
2004-10
2005-01
2005-04
2005-07
2005-10
2006-01
2006-04
2006-07
2006-10
2007-01
2007-04
2007-07
2007-10
2008-01
2008-04
2008-07
2008-10
2009-01
2009-04
2009-07
2009-10
2010-01
2010-04
2010-07
2010-10
2011-01
2011-04
2011-07
2011-10
2012-01
2012-04
2012-07
6
Zinssatz Einlagefazilität
Zinssatz Spitzenrefinanzierungsfazilität
Zinssatz Hauptrefinanzierungsgeschäfte
Geldmarktsätze: EONIA
(Monatsdurchschnitt)
4
3
2
1
0
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Folie 121
• Die Quantitätstheorie
Welches Verhältnis besteht zwischen Inflation und Zentralbankpolitik? Eine
einfache und klassische Verbindung wurde bereits von dem englischen
Philosophen John Locke im 17. Jhdt. formuliert, die Quantitätstheorie.
• Eine einfache Faustformel
Die Menge an Gütern einer Volkswirtschaft, Y, könnte proportional zur Höhe der
realen Geldmenge, M/P, sein. Ist die reale Geldmenge zu hoch, so sollten
langfristig zum Ausgleich die Preise steigen. Dies wird auch als „Neutralität des
Geldes“ bezeichnet: Ein Anstieg der Geldmenge beeinflusst nicht die Höhe des
realen Inlandsprodukts, sondern nur die Preise.
• Umlaufgeschwindigkeit
Die genannte Proportionalität impliziert, dass die Umlaufgeschwindigkeit des
Geldes konstant ist, also bildlich gesprochen die Schnelligkeit, mit der ein Euro
in der Wirtschaft von einer Geldbörse zur anderen wandert.
Umlaufgeschwindigkeit=P.Y/M
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Folie 122
Geld und Preise in der Hyperinflation
c) Deutschland
Index (Jan.
1921 = 100)
100 Bill.
Preisniveau
1 Bill.
10 Mrd.
Geldangebot
100 Mill.
1 Mill.
10,000
100
1921
1922
1923
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1924
1925
Folie 123
Nominales BIP, Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit
10000
8
9000
7
8000
6
Mrd. DM (ab 1999 €)
7000
5
6000
5000
4
4000
3
3000
2
2000
1
1000
2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
0
1957
0
BIP, Eurozone
Geldmenge M1, Eurozone
Geldmenge M1, Deutschland
BIP, Deutschland
Umlaufgeschwindigkeit, M1
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 124
• Zur Brauchbarkeit der Quantitätsgleichung
− Die Faustformel funktioniert relativ gut bei Hyperinflation, also einer
Inflation, welche einen Wert von 50 v.H. im Monat übersteigt.
− In Zeiten moderater Inflation ist die Umlaufgeschwindigkeit aber
nicht konstant.
− Die Umlaufgeschwindigkeit sinkt bei niedrigen Zinsen, da Haushalte
und Unternehmen dann mehr Geld zu halten wünschen.
− Insgesamt wird dieser Faustformel in der Zentralbankpolitik
heutzutage keine herausragende Bedeutung mehr beigemessen.
− Wir werden den Zusammenhang zwischen Zentralbankpolitik und
Inflation noch genauer untersuchen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 125
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
f(k)
5. Kurzfristige Schwankungen
c*
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 126
Pflichtlektüre:
Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am
Mikrofon der BBC. S. 61-69.
Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 257262.
McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S.
703-716.
Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6.
Aufl., S. 640-670.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 127
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 128
• Wachstum und Konjunktur
Gemäß Wachstumstheorie ist mit einem stetigen Wachstum des BIP zu rechnen.
Aufgrund technologischen Fortschritts kann dies ein wenig schwanken, wird
aber eher einen stetigen Trend aufweisen. Tatsächlich wird aber beobachtet, dass
Phasen des Aufschwungs und Phasen der Rezession, also
unterdurchschnittlichen Wachstums, auftreten. Manchmal fällt sogar das
Inlandsprodukt. Mit dem Inlandsprodukt schwankt auch die Beschäftigung und
Arbeitslosigkeit eines Landes. Es existieren auch Depressionen, besonders
schwerwiegende Rezessionen. Diese periodischen Entwicklungen werden
Konjunkturzyklus genannt. Wie ist ein solches Auftreten von Schwankungen zu
erklären?
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 129
Bruttoinlandsprodukt Deutschland
Niveau, Quartalszahlen, indexiert (2005=100), Wachstum gegenüber Vorjahresquartal
120
10.00
8.00
100
6.00
80
4.00
2.00
60
0.00
40
-2.00
-4.00
20
-6.00
Q1 2010
Q1 2008
Q1 2006
Q1 2004
Q1 2002
Q1 2000
Q1 1998
Q1 1996
Q1 1994
Q1 1992
Q1 1990
Q1 1988
Q1 1986
Q1 1984
Q1 1982
Q1 1980
Q1 1978
Q1 1976
Q1 1974
Q1 1972
Q1 1970
Q1 1968
Q1 1966
Q1 1964
Q1 1962
-8.00
Q1 1960
0
1960-1990: Früheres Bundesgebiet; ab 1991: Gesamtes Bundesgebiet. Datenquelle: International Financial Statistics, IWF
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 130
• Potentielles Inlandsprodukt
Langfristig wird die Produktion durch das Wachstum der Einsatzfaktoren und
den technischen Fortschritt bestimmt, also durch die Angebotsseite einer
Volkswirtschaft determiniert. Dieses Niveau der Produktion nennen wir auch das
„potentielle Inlandsprodukt“ oder die „Vollbeschäftigungsproduktion“.
• Gesamtwirtschaftliche Nachfrage
Kurzfristig wird die Produktion entscheidend von der gesamtwirtschaftlichen
Nachfrage bestimmt. Deren Niveau kann vom potentiellen Niveau abweichen.
Während eines Booms erhöhen Firmen die Produktion, um die zusätzliche
Nachfrage zu befriedigen. In einer Rezession wird die Produktion dagegen
reduziert, um eine hohe Lagerhaltung zu vermeiden.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 131
• Nachfrage und potentielles Inlandsprodukt
Im Wachstumsmodell waren Produktion und gesamtwirtschaftliche Nachfrage
identisch. Dies resultierte daraus, dass alles Produzierte nur für Konsum- oder
Investitionszwecke verwendet werden konnte. Damit bestimmte das aus der
Wachstumstheorie bekannte potentielle Inlandsprodukt, das wir zukünftig mit bezeichnen wollen, die Nachfrage, die wir mit Y bezeichnen.
• Abweichungen der Nachfrage vom potentiellem Niveau
In der Realität können manche Wirtschaftssubjekte aber auch ihre Investitionen
reduzieren und die Ersparnis anderen Investoren zur Verfügung stellen. Sofern
andere die Investition erhöhen, wäre die Nachfrage unverändert. Sofern sie aber
nicht investieren, wäre die Nachfrage geringer als .
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 132
• Sektoren der Wirtschaft
Für die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage müssen die Sektoren
der Wirtschaft einzeln untersucht werden:
− Private Haushalte
− Unternehmen
− Investoren
− Öffentliche Haushalte
− Ausland
• Rückkopplung
Kein Sektor ist alleine verantwortlich für die Bestimmung der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Vielmehr beeinflussen die Aktionen eines
jeden Sektors die Nachfrage der anderen Sektoren. Dabei ergibt sich oftmals eine
positive Rückkopplung: Geben die privaten Haushalte viel Geld aus, wollen die
Produzenten viel produzieren und können dann hohe Einkommen verteilen.
Investoren sind dann zuversichtlich bezüglich zukünftiger Erträge und steigern
ihre Investitionen. Dies verstärkt den Boom. Die gegenteilige Entwicklung stellt
sich in der Rezession ein.
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Folie 133
Interaktives
• Konsum
Versetzen Sie sich in Ihre zukünftige Lage im Arbeitsleben. Nach Ihrem
Bachelorabschluss haben Sie als freier Mitarbeiter bei einer mittelständischen
Firma angefangen. Nach einigen Jahren Berufserfahrung erreichen Sie das 35.
Lebensjahr. Sie beziehen ein regelmäßiges Monatseinkommen nach Steuern von
€ 4.000. Sie sind nicht sozialversichert, haben bisher für Ihr Alter nicht
vorgesorgt und wären mit 65 Jahren ohne Einkommen. Beachten Sie hierzu die
weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Welchen Anteil oder
Eurobetrag Ihres Einkommens werden Sie sparen für die Altersvorsorge?
________% ________€
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 134
Interaktives
• Konsum
Sie erhalten zusätzlich zu ihrem regelmäßigen Einkommen eine Zahlung von
€ 20.000. Bitte schätzen Sie ab, wie sie diese verwenden werden. Beachten Sie
hierzu die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät!
Den folgenden Anteil werde ich für kurzlebige Konsumgüter verwenden,
(Feier, Urlaub, Kleidung)
_______%
Den folgenden Anteil werde ich für langlebige Konsumgüter verwenden,
(Auto, Musikinstrument, Spülmaschine)
_______ %
Den folgenden Anteil werde ich sparen, (Bankkonto, Staatsanleihen,
Aktien)
_______ %
Sonstiges
_______ %
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Folie 135
• Konsumfunktion
Diese positive Rückkopplung lässt sich insbesondere bei den privaten
Haushalten vermuten. Für die Konsumentscheidung können viele
Einflussgrößen relevant sein (Vermögen, Steuerzahlungen, das zu erwartende
Lebenseinkommen …). Im Rahmen der absoluten Einkommenshypothese
von Keynes (1936) wird dem laufenden Einkommen eine zentrale Rolle
zugewiesen:
C = C(Y)
Hierbei wird argumentiert, dass ein Anstieg des Einkommens sowohl zu
einem Anstieg des Konsums als auch einem Anstieg der Ersparnis führt.
• Absolute Einkommenshypothese
In linearisierter Form gilt:
C = a + cY, mit
a>0, autonomer Konsum
c, marginale Konsumquote, mit 0<c<1.
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Folie 136
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Kritik der Keynesianischen Konsumfunktion
− Konsum wird nur in ein Verhältnis gesetzt zu einer anderen
endogenen Variablen, nämlich dem Einkommen. Das Einkommen
hängt ab vom Verhalten aller anderen Wirtschaftssubjekte einer
Volkswirtschaft. Damit wird aber eine Zirkularität geschaffen, ohne
eine solide Basis für individuelles Verhalten zu begründen.
− Eine Mikrofundierung erfordert dagegen, menschliches Verhalten als
Optimierungskalkül herzuleiten. Eine solche Herleitung würde
konstatieren, dass Zinsen und das zukünftig erwartete Einkommen
wichtige Bestimmungsgrößen sind. Ein Einfluss des gegenwärtigen
Einkommens wird überschätzt, da dieses und das Konsumniveau vom
technischen Fortschritt getrieben werden.
• Zur Verteidigung
− Das Verhalten anderer Wirtschaftssubjekte ist so bestimmend, dass
rationale Erwägungen wie das zukünftige Einkommen nur eine
untergeordnete Rolle spielen. Zinsen sind empirisch unbedeutend als
Bestimmungsgrößen des Konsumverhaltens.
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Folie 137
• Ersparnis
Die private Ersparnis, S, ist die Differenz zwischen Einkommen und privatem
Konsum:
S = Y – C.
Es folgt in linearisierter Form:
S = Y – a – cY = –a + sY; s=1-c
Hierbei ist s die marginale Sparquote (0 < s < 1). Für den einzelnen Haushalt ist
die Ersparnis nun nicht mehr identisch zur Investition, im Gegensatz zum
Wachstumsmodell.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 138
C,S
S>0
S = -a+(1-c)Y
a
S>0
45°
-a
C = a+cY
Y0
Y1
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 139
• Produktionsplanung
Für die Produktion lässt sich ebenfalls eine positive Rückkopplung vermuten.
Die Produzenten planen die Produktion, Y, kurzfristig in Höhe der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, Y=YD. Diese Annahme unterstellt, dass
unterausgelastete Produktionskapazitäten verfügbar sind (Im Gegensatz zu
obigem Cartoon).
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Folie 140
• Überauslastung und Unterauslastung
Sofern zusätzliche Nachfrage auftritt, können Unternehmen die Maschinen
länger laufen lassen und Arbeitskräfte zu Überstunden auffordern. So können
Unternehmen eine zusätzliche Nachfrage befriedigen. Bei fehlender Nachfrage
ergibt sich hingegen Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit sowie eine Unterauslastung der
Kapazitäten.
• Fehlende Preisanpassung
Wir unterstellen dabei, dass eine zusätzliche Nachfrage nicht die Inflation
erhöht. Solche Rückwirkungen werden wir erst später betrachten. Die Inflation
und das Preisniveau sind daher im Rahmen der Modellierung konstant (z.B.
aufgrund von Menukosten).
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Folie 141
• Einkommen
Aus einer erhöhten Produktion entstehen zusätzliche Einkommen, die an die
Haushalte ausgeschüttet werden (von einbehaltenen Gewinnen sehen wir
hierbei ab). Haben die Haushalte daher den Konsum gesteigert, so erhalten sie
auch ein entsprechend höheres Einkommen, mit dem sie den erhöhten Konsum
finanzieren können.
• Investitionen
Auch die Investitionen können von positiver Rückkopplung angetrieben
werden. Hiervon wollen wir hier der Einfachheit halber absehen. Wir
unterstellen stattdessen, dass Investoren in einem vorgegebenen Ausmaß
Investitionsgüter (netto) nachfragen, = .̅ Damit lautet die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage YD=C+I.
• Reale Planung
Alle Größen wie Konsum und Produktion werden hierbei real geplant. Der
Konsumplan bezieht sich also nicht auf eine nominale €-Größe, sondern auf
(gewichtete) Mengen an Konsumgütern. Eine Verdoppelung des Preisniveaus
würde diesen Konsumplan nicht ändern.
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Folie 142
Das Gütermarktmodell
(1) Y= (2) = ̅
(3) =
+ "
(4) = + Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 143
• Zusammengefasstes Modell:
Y = C + I = a + cY + I
1
ˆ
⇔Y =
(a + I )
1− c
Multiplikator
autonome
Komponenten
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 144
• Geplante Größen
In dem Modell existieren Verhaltenshypothesen über geplante Größen. Diese
sind die Produktion, die Nettoinvestition und der geplante Konsum (Y, I, C).
Bei diesen Größen werden die Pläne auch realisiert.
• Ungeplante Größen
Es gibt aber außerhalb des Gleichgewichts ungeplante Investitionen
(Lagerinvestitionen). Bei dem Ungleichgewicht, Y > YD ergibt sich ein
ungeplanter Lageraufbau. Bei Y < YD folgt ein ungeplanter Lagerabbau. Bei
dieser Größe können Plan und Realisierung also voneinander abweichen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 145
Einkommens-Nachfrage-Diagramm
(Keynessches-Kreuz)
Y,YD
C, I
P
IU
YD=C+I
S(Y1)
I
C=a+cY
a+I
I=I
a
45°
Y^
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y1
Y
Folie 146
• Ersparnis und Investition
Das Gütermarktgleichgewicht lässt sich auch dadurch graphisch abtragen,
dass die gesamtwirtschaftliche Ersparnis der Nettoinvestition
gegenübergestellt wird.
• Für die Ersparnis gilt die Definitionsgleichung
S=Y-C.
• Ferner gilt
Y-C=YD -C=C+I-C=I
• Damit gilt insgesamt die (alternative)
Gleichgewichtsbedingung:
S=I
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 147
S, I
S=-a+sY
P
^
-a
I
Y
Y
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Folie 148
• Störungen des Gleichgewichts
Wie verändert sich das Gleichgewicht als Reaktion auf exogene Störungen?
Hierzu werden zwei Gleichgewichte miteinander verglichen. Ein solcher
Vergleich zweier Ruhezustände wird „komparativ-statische Analyse“
genannt. Wie die Anpassung dabei verläuft, wird dabei nicht behandelt.
• Exogene Änderung der Investitionen
Sofern die Investitionen ansteigen, dI, können wir die Gleichung
Y = 1 (1 − c ) (a + I )
total differenzieren:
dY = 1 (1 − c ) (da + dI )
• Ceteris Paribus
Sofern sich der autonome Konsum nicht ändert, gilt da=0. Eine solche
Konstanz nicht näher betrachteter Variablen wird als „ceteris paribus“Annahme bezeichnet. Es folgt dann:
dY dI = 1 (1 − c )
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Folie 149
Y,YD,
C, I
P1
YD=a+cY+I1
YD=a+cY+I0
P0
dI
I=I1
dI
I=I0
45°
^
Y^1
Y0
dY (>dI)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 150
• Quasi-dynamische Analyse
Der Multiplikatorprozess kann mit Hilfe einer quasi-dynamischen Analyse
beschrieben werden. Hierfür wird die Anpassung in einzelne
Multiplikatorrunden zerlegt für die angenommen wird, dass die Anpassung
nicht sofort erfolgt, sondern eine gewisse Zeit benötigt. Es ergibt sich dann
folgende Wirkungskette:
I
Y
C
S (Sickerverlust)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 151
• Darstellung im Kontenrahmen
Einkommenskonto
Produktionskonto
Abschreibungen
Einkommen
Konsum
Konsum
Einkommen
Ersparnis
Investitionen
Vermögensänderungskonto
Investitionen
Abschreibungen
Ersparnis
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Folie 152
• Variation des autonomen Konsums
Eine andere Störung ergibt sich bei einer Variation des autonomen
Konsums. Haushalte könnten die Ersparnis erhöhen durch eine Absenkung
von a. Der Multiplikator hierzu lautet:
dY da = 1 (1 − c )
Dies entspricht einer Verschiebung der Nachfragekurve im EinkommensNachfrage-Diagramm nach unten. Alternativ kann eine Darstellung im S/YDiagramm vorgenommen werden.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 153
S, I
S=-a1+sY
P1
da < 0
^
Y1
P0
^
S=-a0+sY
I=I
Y
Y0
-da
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 154
• Sparparadoxon
Die Graphik und Berechnung zeigen das sogenannte „Sparparadoxon“: Der
einzelwirtschaftliche Versuch, die Ersparnis zu erhöhen, scheitert im
gesamtwirtschaftlichen Kontext.
• Klugheit des Individuums - Tragödie des Systems
Einzelwirtschaftlich halten wir einen Menschen, der hinreichend spart, für
weise und vorausschauend. In einer Krise wünschen sich viele eine Rückkehr
zu solchen Tugenden. Aber dieses Kalkül verschlimmert die Krise, die
Produktion bricht weiter ein und nicht einmal die Ersparnis nimmt
gesamtwirtschaftlich zu. Dieser Zusammenhang wird auch fallacy of
composition genannt, also der Irrtum, aus der Summe einzelwirtschaftlicher
Kalküle auf makroökonomische Zusammenhänge zu schließen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 155
• Ersparnis, Investition und Zins
Bestimmungsgröße für die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ist allein die
Investition. Das erstaunliche Ergebnis ist, dass nicht etwa das Zinsniveau zu
einem Gleichgewicht zwischen Investitionen und Ersparnis beiträgt. Eine jede
Investition verschafft sich durch die Multiplikatorrunden die zu ihrer
Durchführung notwendige Ersparnis. Das Inlandsprodukt treibt die Ersparnis
auf die Höhe der durchgeführten Investitionen. Bereits in der ersten
Multiplikatorrunde wird dies erreicht. Alle durch den Multiplikator induzierten
Konsumgüterkäufe übertragen die Ersparnistätigkeit nur auf andere Schultern.
• Es gibt keine Knappheit an Ersparnissen
Dies impliziert, dass Ersparnisse keine Restriktion für die Durchführung von
Investitionen darstellen. Wir können also nicht vermuten, dass eine denkbare
Knappheit an Ersparnissen die Durchführung einer Investition behindern
könnte. Investitionen benötigen keine „vorhandenen“ Ersparnisse, die sich
z.B. in Form von Sparguthaben bei Banken angesammelt haben. Es reicht
vielmehr aus, dass eine Bank eine Bürgschaft für die Durchführung einer
Investition ausstellt. Die Finanzierungsmittel entstehen dann automatisch mit
der Durchführung der Investition.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 156
• Solidität der Bank oder des Bankensektors
Eine zum Sparparadoxon ähnliche Logik ergibt sich in einer Finanzkrise für
den Bankensektor. Einzelne Banken halten wir für solide, wenn sie relativ zu
ihren teilweise riskanten Anlagen hinreichend Reinvermögen besitzen. Gehen
die Kurse ihrer Anlagen herunter, so vermindert sich ihr Reinvermögen. Daher
sollten sie durch Verkäufe ihre Bilanz verkürzen. Diese Maßnahme hilft aber
nur der einzelnen Bank. Alle anderen Banken werden durch die Verkäufe und
dadurch sinkenden Vermögenspreise noch stärker in die Krise gestürzt. Der
Versuch einzelner Banken, die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit durch Verkäufe
von Finanzvermögen zu verringern, scheitert im gesamtwirtschaftlichen
Kontext.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 157
• Welches sind die wichtigsten Konjunkturindikatoren für
Deutschland?
−
−
Der ifo-Geschäftsklimaindex (ifo-GK) beruht auf einer
Befragung des ifo-Instituts (München) von über 7000
Unternehmen in Deutschland, gemäß ihrer Einschätzung der
Geschäftslage sowie nach ihrer Erwartung für die nächsten 6
Monate (ifo-GE).
Die ZEW-Konjunkturerwartungen basieren auf einer Befragung
von 400 Finanzmarktexperten (270 Fachleute von Banken und
50 von Versicherungen, 40 Analysten von
Kapitalanlagegesellschaften und 40 Vertreter von
Industrieunternehmen) des Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung in Mannheim.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 158
−
−
Der Earlybird-Indikator wird seit 2001 in der Wirtschaftswoche
publiziert und seit 1991 von der Commerzbank erstellt. In
diesen Index gehen die folgenden (standardisierten)
Einzelreihen ein:
1) Der kurzfristige Realzins, d.h. 3-Monats-Euribor bereinigt
um den Preisanstieg der Lebenshaltungskosten ohne Energie,
negative Wirkung.
2) Jahresdifferenz des realen Außenwerts einer fiktiven DMark, berechnet von der Deutschen Bundesbank, negative
Wirkung.
3) Der Einkaufsmanagerindex (NAPM) für das verarbeitende
Gewerbe in den USA, positive Wirkung.
Weitere Indikatoren wie der Handelsblatt-Frühindikator oder
der Konjunkturindikator der FAZ berücksichtigen zusätzliche
Größen wie die Einzelhandelsumsätze, den Auftragseingang des
verarbeitenden Gewerbes, den Aktienindex oder die
Entwicklung der Stellenangebote.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 159
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
6. Die Aktivität des Staatesf(k)
c*
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 160
Pflichtlektüre:
Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 25-27, 41-45, 52-53, 55.
Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. Worth
Publishers: S. 262-266.
McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S.
717-729.
Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am
Mikrofon der BBC. S. 71-77.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 161
• Der Staat
In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung versteht man unter dem Sektor
Staat alle öffentlichen Haushalte. Dies sind die Gebietskörperschaften und
Sozialversicherungen.
• Der Staat als Produzent
Der Staat produziert Güter. Dies sind insbesondere Dienstleistungen wie
Landesverteidigung, Rechtssicherheit und Bildung. Hierbei können keine
Lagerbestandsänderungen entstehen, da Dienstleistungen nicht lagerfähig sind.
Zur Produktion werden vom Staat Güter und Dienstleistungen von Unternehmen
und privaten Haushalten gekauft (V) und Arbeitsleistungen unselbstständig
Beschäftigter bezogen (F).
• Der Staat als Konsument
Der Staat erzielt keine Marktumsätze mit seiner Produktion. Stattdessen ist der
Empfänger der Leistung häufig nicht bekannt, die Produktion wird unentgeltlich
bereitgestellt und einzelne sollen oder können von der Nutzung solcher Güter
nicht ausgeschlossen werden. Die Produktion wird kollektiv von den Haushalten
konsumiert und wird als „Staatskonsum“ bezeichnet.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 162
• Vorleistungen des Staates
Manche Dienstleistungen des Staates gehen auch als Vorleistung in den
Produktionsprozess der Unternehmen und privaten Haushalte ein. Eine
statistische Abgrenzung zwischen Konsum und Vorleistungen ist aber nicht
möglich. Daher wird die gesamte Produktion vereinfachend als Konsum
bezeichnet. Es ergibt sich ferner die Schwierigkeit der Bewertung der staatlichen
Leistungen. Da keine Marktpreise existieren, wird die Bewertung zu
Herstellungskosten vorgenommen. Durch diese Bewertung kann das
Produktionskonto keinen Gewinn ausweisen.
Produktionskonto des öfftl. Haushalts
Käufe v. Vorleist. (V) 70
225
Staatskonsum (G)
Abschreibungen (D)
30
Wertschöpfung (F)
125
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Folie 163
• Finanzierung der öffentlichen Haushalte
Die Finanzierung erfolgt weitgehend über Zwangsabgaben. Hierunter
versteht man die direkten Steuern (Einkommen- und Körperschaftssteuer),
die indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer) und die
Sozialbeiträge (Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung).
• Transferzahlungen und Umverteilung
Es existieren ferner sogenannte Transferzahlungen des Staates wie z.B.
Arbeitslosengeld II, BAföG, Elterngeld oder Kindergeld. Über die
öffentlichen Haushalte vollzieht sich der überwiegende Teil der
Einkommensumverteilung in der Volkswirtschaft. In der VGR werden auch
Zinszahlungen auf ausstehende Verbindlichkeiten als eine
Einkommensumverteilung verbucht.
• Subventionen
Neben den Transferzahlungen an die privaten Haushalte, R, existieren noch
Subventionen an Unternehmen, Z. Die Subventionen werden zumeist von
den indirekten Steuereinnahmen abgezogen und damit eine Nettogröße
ausgewiesen, Ti-Z.
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Folie 164
Einkommenskonto des öfftl. Haushalts
Transferzahlungen (R) 45
Staatskonsum (G)
Zinszahlungen
Ersparnis (Sst)
195
225
Direkte Steuern und
Sozialabgaben (Td)
5
20
100
Indirekte Steuern
abzgl. Subventionen (Ti-Z)
Nach Abzug von R und Z ergibt sich das Einkommen des öffentlichen
Haushalts, welches er für Konsum, Zinszahlung auf ausstehende
Verbindlichkeiten und Ersparnis verwenden kann.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 165
• Der Staat als Investor
Der Staat investiert auch, z.B. in Straßen, Brücken oder Gebäude
(Infrastruktur) und muss hierauf Abschreibungen vornehmen. Das vom Staat
gebildete Vermögen wird im Vermögensänderungskonto abgetragen.
Investitionen werden zumeist dadurch getätigt, dass der Staat Investitionsgüter
vom privaten Sektor kauft. Diese Investitionen gehen nicht in der laufenden
Produktion unter. Hierfür muss der Staat allerdings Abschreibungen
vornehmen.
• Gegenbuchungen
− Staatliche Ersparnis: Vermögensänderungskonto des Staates
− Eingang der indirekten Steuern: Produktionskonto der Unternehmen oder
privaten Haushalte, da diese aus der Produktion resultieren.
− Eingang der direkten Steuern: im Einkommenskonto der Unternehmen
oder privaten Haushalte, da diese Zahlungen eine
Einkommensumverteilung darstellen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 166
• Kontenausgleich
Im Gegensatz zu einem gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskonto
einer geschlossenen Volkswirtschaft muss das eines einzelnen Sektors nicht
ausgeglichen sein. Der Staat kann ein Defizit durch Kreditaufnahme
finanzieren. In diesem Fall weisen die Vermögensänderungskonten der
anderen Sektoren einen Überschuss auf (dort gilt dann SP+DP=IBP+BD ) .
Vermögensänderungskonto des öfftl. Haushalts
Bruttoinvestitionen des
Staates (IBSt)
70
30
20
Abschreibungen (D)
Ersparnis (SSt)
20 Finanzierungsdefizit (BD)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 167
Zur Vereinfachung bezeichnen wir die Unternehmen und privaten Haushalte
als privaten Sektor und verwenden zur Kennzeichnung den Index „p“.
Td - R 145
SSt 20
SP 100
Einkommenskonto
F
C
G
Ti-Z
915 670 225 100
Produktionskonto
Vermögensänderungskonto
IbP 220
IbSt 70
DP 140
DSt 30
V 400
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 168
• Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen
Bei der Bestimmung des Nettoinlandsprodukts können nun zwei
verschiedene Preisniveaus zu Grunde gelegt werden. Güter können zu
Marktpreisen oder zu Herstellungskosten bewertet werden. Werden
indirekte Steuern (abzüglich Subventionen) berücksichtigt, so ergibt
sich das Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen:
YM=C+G+IP+ISt = 1015
• Volkseinkommen
Werden alternativ die indirekten Steuern (abzüglich Subventionen)
herausgerechnet, so ergibt sich derjenige Anteil des Inlandsprodukts,
welcher dem „Volk“ als Faktoreinkommen zufließt. Es resultiert das
Volkseinkommen:
Volkseinkommen=F = 915
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 169
Werden alle Produktionskonten zusammengefasst, so ergibt sich das
gesamtwirtschaftliche Produktionskonto:
Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto
Indirekte Steuern ./.
225
Staatskonsum (G)
Subventionen (Ti-Z)
100
Abschreibungen (D)
170
670 Privater Konsum (C)
Wertschöpfung (F)
915
220
Private Invest. (IbP)
70
Staatl. Invest. (IbSt)
YbM
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Folie 170
• Verdrängt Staatskonsum die Investitionen?
Wird das Vermögensänderungskonto des Staates (SSt+BD= ISt ) mit
demjenigen des privaten Sektors (SP= IP+BD ) aggregiert, so folgt:
S=SP+SSt= IP +ISt .
Ein Anstieg des Staatskonsums (SSt sinkt) könnte also entweder zu einem
Anstieg der privaten Ersparnis oder zu einem Rückgang der (privaten)
Investitionen führen. Wir benötigen eine Theorie, mit der die Wirkung
bestimmt wird.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 171
Das Gütermarktmodell mit Staat
(1) Y=YD
(2) YD=C+I+G
Fünf Gleichungen und
fünf endogene Variablen:
(3) C=a+cYv ;(a>0, 0<c<1)
Y, YD, C, Yv, T
(4) Yv=Y–T+R
Exogene Variablen: G, T,
R, I, t
(5) T=T+tY ;(T>0, 0≤t<1)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 172
• Modellannahmen
−
−
−
−
Der Staat fragt das Güterbündel Y für öffentliche Zwecke nach (G).
Er erhebt Zwangsabgaben (T=Td). Dies sind die Steuern und
Sozialversicherungsbeiträge. Der Staat zahlt Transferzahlungen an
private Haushalte (R).
Staatl. und private Investitionen werden zusammengefasst dargestellt,
(I).
Indirekte Steuern (Ti) und Subventionen (Z) werden vernachlässigt.
Diese können parallel zu den direkten Steuern (Td) und
Transferzahlungen an Haushalte (R) modelliert werden.
Haushalte planen ihren Konsum in Abhängigkeit vom verfügbaren
Einkommen Yv=Y-T+R.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 173
• Gleichgewicht
Zur Berechnung des Gleichgewichtseinkommens werden die
Verhaltenshypothesen, Definitionen und institutionellen Beziehungen in die
Gleichgewichtsbedingung (1) eingesetzt:
Y = a + c(Y – T – tY + R) + I + G
⇒ Yˆ =
1
(a − cT + cR + I + G )
1 − c(1 − t )
Multiplikator
autonome
Komponenten
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 174
Y,
YD,
C
YD=C+I+G
P0
I
C+G
S
C=a+c(1-t)Y-c(T-R)
45°
Y^0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 175
• Komparative Statik
Im Rahmen einer komparativen Statik lässt sich die Wirkung einer
Veränderung einer autonomen Komponente auf das Inlandsprodukt
durch das totale Differential bestimmen:
1
(da − cdT + cdR + dI + dG )
⇒ dY =
1 − c(1 − t )
Multiplikator
Veränderungen der
autonomen Komponenten
= Impulse
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Folie 176
• Anpassungsprozess
Der Anpassungsprozess zum neuen Gleichgewicht bei einer Erhöhung des
Staatskonsums lässt sich graphisch illustrieren:
G Y Yv C
T
S
Sickerverluste
Im Falle einer Erhöhung der autonomen Steuern oder Senkung der
Transferzahlungen ergibt sich folgende Anpassung:
R
Y Yv C T
S
Sickerverluste
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 177
• Wie verändert sich das Budgetdefizit?
Eine Erhöhung des Staatskonsums geht mit einem erhöhten Budgetdefizit
einher. Dieser Anstieg wird jedoch durch den Multiplikatorprozess
gedämpft. Für das Budgetdefizit (BD) gilt:
BD= G + InSt+ R – T = G + InSt + R – T – tY.
Das totale Differential (mit dInSt = dT = dR = dt = 0) erbringt:
dBD= dG – tdY.
Einsetzen für dY erbringt:
1 − c )(1 − t )
(
1
dBD
= 1− t
=
> 0; < 1.
dG
1 − c(1 − t )
1 − c(1 − t )
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 178
• Das Haavelmo Theorem
Von einer gleichzeitigen Erhöhung des Staatskonsums und der Steuern geht ein
positiver Impuls aus, (Haavelmo 1945). Dies erscheint zunächst kontraintuitiv,
da der Staat dem privaten Sektor genauso zusätzlich gibt wie er ihm
„wegnimmt“.
• Beweis
Wir unterstellen eine vollständig durch Steuern finanzierte Steigerung des
Staatskonsums, d.h. dBD = 0; dG = dT > 0. Mit da=dR=dI=0 folgt:
1
1− c
(− cdT + dG ) =
dY =
dG
1 − c(1 − t )
1 − c(1 − t )
Werden die Steuern nur pauschal erhoben, ist also der Steuersatz (t) Null, so
gilt dY=dG.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 179
• Eine quantitative Abschätzung
Eine Erhöhung des Wachstums um 1 Prozentpunkt bewirkt Mehreinnahmen bei
den Steuern i.H.v. ca. 4 Mrd. €. Noch stärker fallen die Überschüsse bei den
Sozialversicherungen aus. Gemäß einer Faustregel beträgt der Überschuss bei
der Arbeitslosenversicherung 6 Mrd. €, weitere 4 Mrd. € bei der
Arbeitslosenhilfe sowie 1 Mrd. € bei der Rentenkasse.
• Automatischer Stabilisator
Im umgekehrten Fall eines Konjunktureinbruchs resultieren Defizite bei den
öffentlichen Haushalten. Diese Defizite wirken stabilisierend auf die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Diese Stabilisierung ergibt sich automatisch,
ohne spezielle Gesetze, mit denen Staatsausgaben erhöht werden. Steuern und
Sozialversicherungen erfüllen daher eine Aufgabe als „automatischer
Stabilisator“.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 180
• Variation des Steuersatzes
Der Staat hat die Möglichkeit, den Steuersatz, t, zu variieren. Die
Auswirkung lässt sich mit Hilfe der zusammengefassten Gleichung
analysieren:
Y = a + c(Y – T – tY + R) + I + G
Bei totaler Differentiation ist nun die Produktregel anzuwenden. Mit
da=dT=dR=dI=dG=0 folgt:
dY = cdY – ctdY – cYdt
dY(1 – c + ct) = – cYdt
1
dY =
( −cYdt ) .
1 − c(1 − t )
Multiplikator
Impuls
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 181
Interaktives
• Konsum und Staatsausgaben
Zur Ankurbelung der Konjunktur beschließt die Bundesregierung, jedem
Bewohner zwischen 18 und 65 Jahren einen Betrag von 10.000€ zu überweisen.
Beachten Sie hierzu die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät!
Den folgenden Anteil werde ich für kurzlebige Konsumgüter verwenden,
(Feier, Urlaub, Kleidung)
_______%
Den folgenden Anteil werde ich für langlebige Konsumgüter verwenden,
(Auto, Musikinstrument, Spülmaschine)
_______ %
Den folgenden Anteil werde ich sparen, (Bankkonto, Staatsanleihen,
Aktien)
_______ %
Sonstiges
_______ %
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 182
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Sollte die Wirtschaft mit Hilfe eines situationsbedingten
Einsatzes der Fiskalpolitik stabilisiert werden?
Ja: Kurzfristige Schwankungen können lange anhalten. Dies ist z.B. darauf
zurückzuführen, dass selbstverstärkende Mechanismen existieren. Eine
Rezession verstärkt sich selbst durch Multiplikatoreffekte. Das
wirtschaftliche Gleichgewicht ist damit instabil; Die Wirtschaft wird
unerwünschten Schwankungen ausgesetzt sein, wenn sie sich selbst
überlassen ist. Die langfristige Anpassung kommt zu spät (Keynes
“Tract on Monetary Reform” 1923: „In the long-run we are all dead“);
Nein: Änderungen der Fiskalpolitik benötigen einen langen politischen
Prozess für ihre Durchsetzung. Aufgrund der Verzögerungen wird evtl.
nicht eine gegenwärtige Rezession abgeschwächt, sondern ein
zukünftiger Boom verstärkt. Politiker beschließen Ausgabenprogramme
evtl. nicht dann, wenn die Stabilisierung der Wirtschaft notwendig wäre,
sondern wenn ihre Wiederwahl gesichert werden muss. Einmal
eingeführte Ausgabenprogramme oder Steuersenkungen schaffen
dauerhafte Ansprüche von Marktteilnehmern.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 183
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
7. Investition und Zins
c*
f(k)
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 184
Pflichtlektüre:
Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 267271.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 185
• Didaktischer Ausblick
In den folgenden drei Abschnitten wird ein makroökonomisches Modell für eine
geschlossene Volkswirtschaft entwickelt. Ziel ist es, Inlandsprodukt, Realzins
und Inflationsrate miteinander in Beziehung zu bringen. In dem Modell wird
das nachgefragte Inlandsprodukt maßgeblich vom Realzins beeinflusst. Dieser
wiederum wird von der Zentralbank festgelegt. Abweichungen von
nachgefragtem und angebotenem Inlandsprodukt führen zu Änderungen der
Inflationsrate. Auf diese reagiert wiederum die Zentralbank mit einer Änderung
des Realzinses. Als erstes gilt es, den Einfluss des Realzinses auf Investitionen
und Inlandsprodukt zu begründen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 186
• Interner Zinsfuß
Ein Wirtschaftssubjekt erwägt die Durchführung eines Investitionsprojekts.
Hierzu wägt es ab zwischen der erwarteten Rendite und den für Kredite zu
bezahlenden Marktzinsen (oder den Opportunitätskosten) der Investition. Wie
sollte es die Rendite des Projektes bestimmen? Hierzu dient die Methode des
internen Zinsfußes. Der interne Zinsfuß ist der Abzinsungsfaktor, bei dessen
Verwendung die diskontierten künftigen Erträge der Anfangsinvestition
entsprechen.
• Berechnung
In einer inflationsfreien Welt gilt für den internen Zinsfuß (ρ), die
Anschaffungsausgaben (A0), die realen Nettoeinnahmen der Periode j, Ej, und
die Lebensdauer des Investitionsobjektes (n) folgender Zusammenhang:
E3
En
E1
E2
A0 =
+
+
+ ... +
.
2
3
n
1 + ρ (1 + ρ ) (1 + ρ )
(1 + ρ )
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 187
Bei konstanten erwarteten Nettoeinnahmen (Ej=E) und unendlich langer
Lebensdauer des Investitionsobjektes
n → ∞ folgt:
∞

 E
1
1
E
A0 = E ∑
= E 
− 1 = ⇔ ρ =
j
A0
j =1 (1 + ρ )
 1 − 1 (1 + ρ )  ρ
• Investieren oder nicht
Ein Investor wird nun einen Vergleich anstellen zwischen dem internen Zinsfuß
(ρ) und dem nominalen Marktzins (i).
− Falls ρ > i ist der Kapitalwert der Investition größer als Null; das
Investitionsobjekt wird durchgeführt.
− Falls ρ < i ist der Kapitalwert der Investition kleiner als Null; das
Investitionsobjekt wird nicht durchgeführt.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 188
• Kalkulation mit Inflation
Im Falle von Inflation werden automatisch alle zukünftigen realen Erträge, Ei,
mit der Inflationsrate nominal ansteigen. Es gilt folgender Zusammenhang bei
unendlich langer Laufzeit:
j
(
1+ π )
A0 = ∑
Ej
j
j =1 (1 + ρ )
∞
Hieraus folgt bei konstanten erwarteten realen Nettoeinnahmen (Ej=E) und
unter der Annahme einer geringen Inflationsrate (1+π ~ 1):


1
E
E
A0 = E 
− 1 ≈
⇔ρ=
+π
A0
 1 − (1 + π ) (1 + ρ )  ρ − π
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Folie 189
Ein Investor erwartet, dass der interne Zinsfuß (ρ) mit der Inflationsrate steigt.
Er vergleicht den realen Ertrag E mit dem realen Zinssatz r, bzw. den internen
Zinsfuß ρ mit dem nominalen Zinssatz i=r+π.
− Falls ρ > i E/A0 > r ist der Kapitalwert der Investition größer als
Null; das Investitionsobjekt wird durchgeführt.
− Falls ρ < i E/A0 < r ist der Kapitalwert der Investition kleiner als
Null; das Investitionsobjekt wird nicht durchgeführt.
• Gesamtwirtschaftliche Investition
Die Höhe der insgesamt in einer Volkswirtschaft durchgeführten Investitionen
lässt sich graphisch dadurch bestimmen, dass alle Investitionen gemäß ihrem
realen Ertrag E im Verhältnis zu den Anschaffungskosten A0 angeordnet
werden.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 190
r, E/A0
E1/A0
E2/A0
E3/A0
r=r0
E4/A0
E5/A0
I
I1
I2
I3
I4 I5
Iˆ
Investoren werden ihre Nachfrage nach Kapital so lange ausdehnen, bis gilt:
E/A0 = r. Insgesamt ist der Realzins und nicht der Nominalzins entscheidend
für die Höhe der Investitionen. Durch eine Änderung der Inflationsrate wird die
Höhe der Investitionen nicht beeinflusst.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 191
• Stetige Investitionsnachfrage
Der Einfachheit halber wollen wir die Investitionsnachfrage durch eine
stetige Funktion darstellen. Die einzelnen Investitionsprojekte sind dabei
unendlich klein.
r
I(r)
r = r0
Iˆ
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
I
Folie 192
• Zukunftsaussichten
Verbessern sich die Zukunftsaussichten, d.h. für alle Projekte steigt der
erwartete reale Ertrag E, so verschiebt sich die Investitionskurve nach oben.
Bei gegebenem Realzins werden dann mehr Investitionsprojekte
durchgeführt.
r
I0(r)
I1(r)
r = r0
Iˆ0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Iˆ1
I
Folie 193
• Finanzierung von Investitionen
Sollten aber steigende Investitionen nicht zu einer Erhöhung des
Realzinsniveaus führen, da die Investoren die Preise für knappe Finanzierung
(Ersparnisse) und damit die Zinsen nach oben treiben? Nein, denn
makroökonomisch erzeugen Investitionen die zu ihrer Durchführung
erforderlichen Ersparnisse selbst. Zusätzliche Investitionen führen zu
erhöhten Einkommen, die nur als Ersparnisse die Multiplikatorrunden
verlassen können.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 194
• IS-Kurve
Sinkende Realzinsen erhöhen die Investitionen. Steigende Investitionen
erhöhen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Hierdurch steigt die Produktion
und führt zu einem erneuten Anstieg des privaten Konsums. Es ergibt sich ein
Multiplikatorprozess, der das Inlandsprodukt insgesamt stark ansteigen lässt.
Hieraus ergibt sich ein negativer Zusammenhang zwischen dem
Realzins und dem Inlandsprodukt.
r
IS-Kurve
Y
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Folie 195
• Anpassung zur IS-Kurve
Bei einem hohen (niedrigen) Zins oberhalb (unterhalb) der IS-Kurve
werden weniger (mehr) Investitionen induziert. Dies reduziert (erhöht) die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Der Rückgang (Anstieg) der Produktion
wird über Multiplikatorrunden verstärkt.
r
IS
P1
P‘2
P‘1
P2
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 196
• Lageparameter der IS-Kurve
Aus Abschnitt 6 sind diverse Einflussgrößen bekannt, die zu einer
Verschiebung der IS-Kurve führen: Staatskonsum, autonome Steuern,
Transferzahlungen, autonomer Konsum. Ein weiterer Lageparameter ist zu
erwähnen: Die zukünftigen Erwartungen bezüglich realer Erlöse für
Investitionsprojekte, E. Optimistische Zukunftserwartungen erhöhen die
Investitionsneigung und verschieben die IS-Kurve nach rechts. Pessimistische
Zukunftserwartungen verschieben die IS-Kurve nach links.
• Bewegung auf der Kurve
Änderungen des Realzinses führen nicht zu einer Verschiebung der Kurve,
sondern einer Bewegung entlang der Kurve. Dies muss beachtet werden, da
der Realzins an der Ordinate steht.
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Folie 197
• Vermögenskanal
Die Realzinsen beeinflussen nicht nur die Investitionen. Mit sinkenden
Realzinsen steigen auch die Kurse von Anleihen und Aktien. Hierdurch steigt
das Vermögen der privaten Haushalte an. Ein solcher Vermögensanstieg regt
die privaten Haushalte dazu an, ihren Konsum zu erhöhen. Dieser Konsum
wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen. Hiermit wird ebenfalls eine
negative Steigung der IS-Kurve erneut begründet.
• Akzeleratorhypothese
Das aktuelle Inlandsprodukt kann auch auf die Höhe der Investitionen wirken.
Dies kann zum einen daraus resultieren, dass sich in einer Rezession
Pessimismus durchsetzt und die Ertragserwartungen, E, nach unten revidiert.
Zum anderen sinken oftmals in einer Rezession die Buchwerte der Aktiva.
Hierdurch sinkt die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und sie erhalten für
Investitionen keine Kredite. Die Wirkung von subjektiven Gefühlen wie
Pessimismus wird noch deutlicher, wenn multiple Gleichgewichte vorliegen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 198
• Multiple Gleichgewichte
Wie eindeutig und sicher sind die zukünftigen Erwartungen? Dies wurde
zumeist kontrovers diskutiert. Die Finanzkrise der Jahre 2007/08 hat deutlich
gemacht, wie unsicher zukünftige Erwartungen sein können. Sie können auch
durch subjektive Einflussgrößen wie dem Optimismus der Investoren geprägt
sein. Dabei kann der Optimismus des einen denjenigen des anderen wecken.
Genauso kann der Pessimismus eines Investors andere zu ähnlich düsteren
Voraussagen bewegen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 199
Zwei Investoren überlegen sich z.B., ob sie ein Haus in New Orleans nach
der Flutkatastrophe wieder aufbauen wollen. Keiner möchte aber ohne
Nachbarn leben. Hierbei ergibt sich dann ein Koordinationsproblem und
zwei Gleichgewichte:
Ertrag
Investor 2
Investor 1
Nein 0
Nein
0
Ja -2
0
0
5
Ja
-2
5
Liegt eine pessimistische Stimmung vor, so koordinieren sich die Investoren
auf das Gleichgewicht ohne Investitionen. Multiple Gleichgewichte
entstehen auch, wenn ein Investor sein Anlagevermögen in Zukunft
verkaufen möchte und nur investiert, wenn andere Akteure im Markt aktiv
sind. Genauso entstehen Zulieferbetriebe für notwendige Vorprodukte nur
dann, wenn hierfür viele konkurrierende Abnehmer existieren.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 200
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
f(k)
8. Zinssatz und Gütermarkt bei
(n+δ)k
konstanter Inflation
c*
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 201
Pflichtlektüre:
Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das
Keynesianische Konsensmodell, WiST,
Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387394.
Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12.
Aufl. S. 217-229.
Romer, D. (2012), Short-Run Fluctuations. Manuskript,
University of California, Berkeley, S. 1-22, 90-95.
http://elsa.berkeley.edu/~dromer/
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 202
• Bestimmung des Nominalzinses
Die vorherigen Abschnitte hatten gezeigt, dass Investitionen sich die zu
ihrer Finanzierung notwendigen Ersparnisse selbst erzeugen aufgrund des
Multiplikatorprozesses. Damit wird nicht etwa ein Zinssatz benötigt, der
für einen Ausgleich zwischen Ersparnis (Kapitalangebot) und Investitionen
(Kapitalnachfrage) sorgt. Wie wird dann aber der Zinssatz bestimmt? Wir
hatten in Abschnitt 4 bereits gesehen, dass der nominale Zinssatz von der
Zentralbank festgelegt werden kann.
• Bestimmung des Realzinses
Die Zentralbank beobachtet permanent die laufende und in der Zukunft
erwartete Inflation. Wird dieser Wert vom nominalen Zinsniveau
subtrahiert, so ergibt sich das reale Zinsniveau. Damit hat die Zentralbank
die Möglichkeit, ein von ihr gewünschtes Realzinsniveau zu steuern.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 203
Fallstudie
IV. Fallstudie Eurozone
Eurozone, 2011
BIP: 9422 Mrd. €
Bevölkerung: 332 Mio.
Pro-Kopf-Produktion: 28380 €
Preis Big-Mac: 3,58 €
Wechselkurs: 1,30 US $/€
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Folie 204
Fallstudie
• 1992: Mit dem Vertrag von Maastricht verpflichten sich die
Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Einrichtung
einer Währungsunion.
• 1998: 11 Mitgliedstaaten erfüllen die notwendigen
Konvergenzkriterien. Dänemark, Schweden und
Großbritannien nehmen Ausnahmen für sich in Anspruch.
• 1999: 1. Januar 1999 startet die Eurozone.
• 2000: Griechenland qualifiziert sich.
• 2002: Physische Münzen und Banknoten werden emittiert.
• 2007-2011: Weitere Länder treten bei; Slowenien (2007),
Zypern und Malta (2008), Slowakei (2009), Estland (2011).
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Folie 205
Entwicklung Eurozone
5
90
4
Fallstudie
3
85
2
1
80
0
Inflation
-1
75
Realer Zinssatz
Nominaler Zinssatz
Auslastungsgrad (rechte Skala)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
2012 Q1
2011 Q1
2010 Q1
2009 Q1
2008 Q1
2007 Q1
2006 Q1
2005 Q1
2004 Q1
2003 Q1
2002 Q1
2001 Q1
2000 Q1
-3
1999 Q1
-2
Folie 206
70
• Wieso sollte die Zentralbank die Realzinsen steuern?
Da hohe Realzinsen die Investitionen dämpfen und niedrige Realzinsen zu
einem expansiven Impuls führen, wird die Zentralbank der Höhe der
Realzinsen besondere Aufmerksamkeit schenken.
−
Ist das Inlandsprodukt höher als sein potentielles Niveau, so
machen Arbeitskräfte Überstunden und verzichten auf Freizeit.
Sachkapital wird übermäßig verschlissen. Um die Wirtschaft zu
dämpfen wird die Zentralbank den Realzins erhöhen.
“[It’s the Fed’s job] to take away the punch bowl just as the party
gets going.”
William McChesney Martin, Jr. Fed Chairman 1951-1970
−
Ist das reale Inlandsprodukt, Y, niedriger als das potentielle
Inlandsprodukt, so resultiert Arbeitslosigkeit und vorhandene
Kapazitäten an Sachkapital sind ungenutzt. Die Zentralbank steuert
dem durch Senkung des Realzinses entgegen.
“The Fed also has the job of spiking the punch with grain alcohol
when the party starts to flag“
N. Gregory Mankiw, New York Times, 2007
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 207
Quelle: New York Times, 21. Dezember 2007
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 208
• Inflationsziel
Die Zentralbank wird darüber hinaus der Höhe der Inflationsrate eine große
Bedeutung beimessen. Die EZB hält eine Inflationsrate zwischen 1 und 2
Prozent für angemessen.
− Bei hoher Inflation wird die Zentralbank den Realzins erhöhen.
Hierdurch soll der Preisauftrieb gedämpft werden.
− Bei zu niedriger Inflation wird der Realzins gesenkt, damit
zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nachfrage und zukünftig höhere
Inflation entsteht.
• Taylor-Regel
Die Reaktion der Zentralbank auf Inflation und Inlandsprodukt lässt sich als
Funktion darstellen. Diese Regel wird nach ihrem Entdecker John B. Taylor
benannt:
r = r '+ λP (Y − Y ) + λI π ;
r ', λP , λI > 0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 209
• Erläuterung der Variablen
− Der Term r' bezeichnet einen von der Zentralbank im langfristigen Mittel
für geeignet angesehenen Realzins. Eine Änderung von r' bringt eine
bewusste Änderung der politischen Ausrichtung zum Ausdruck. Mit einem
Anstieg von r' wird der Übergang zu einer restriktiveren Regel
ausgedrückt. Mit einem Senken von r' wird ausgedrückt, dass die
Zentralbank eine laxere Regel verfolgt. Hiervon ist eine fehlerhafte
Realzinssteuerung der Zentralbank zu unterscheiden, die durch ein
Abweichen von der MP-Kurve dargestellt wird.
− Mit − wird die sog. Produktionslücke bezeichnet, der Unterschied
zwischen Inlandsprodukt und seinem potentiellen Niveau. Wir setzen dabei
den Wert für das potentielle Inlandsprodukt, , auf 100 und passen den
Wert der Güternachfrage, Y, dementsprechend an. Bei einem
Produktionspotential von 2500 Mrd. € und einer Güternachfrage von 2600
Mrd. € schreiben wir dann Y =2600/2500*100=104 und damit eine
Produktionslücke von 4.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 210
• Die beiden Parameter
−
Mit λP bezeichnen wir das Ausmaß mit dem die Zentralbank auf
Schwankungen der Produktionslücke reagiert. Je ausgeprägter der
Wunsch nach einer Stabilisierung des Inlandsprodukts und der
Beschäftigung, desto größer fällt dieser Parameter aus.
−
Analog wird mit λI das Ausmaß bezeichnet, mit dem die
Zentralbank auf Änderungen der Inflationsrate reagiert. Fällt
dieser Parameter groß aus, so möchte die Zentralbank bereits
kleine Schwankungen der Inflationsrate vermeiden. Der
Inflationsterm ließe sich auch in der Form #$ − schreiben,
wobei mit ein Zielwert der Inflationsrate bezeichnet wird. Wir
können diesen Zielwert aber weglassen. Ein Erhöhung eines
solchen Zielwerts werden wir stattdessen durch eine Erhöhung des
Terms r' erfassen.
−
Taylor schlägt als Werte für λP und λI jeweils 0,5 vor.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 211
• MP-Kurve
Wird die Taylor-Regel graphisch in einem r/Y-Diagramm dargestellt, so
erhalten wir eine Kurve, die die monetäre Politik der Zentralbank beschreibt.
Diese Kurve bezeichnen wir als MP-Kurve. Sie hat eine positive Steigung.
• Lageparameter
Ein Anstieg der Inflation oder ein Übergang zu einer restriktiveren Regel (r'
steigt) verschieben die MP-Kurve nach oben.
r
MP-Kurve
π↑; r'↑
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 212
• Einfache IS-Kurve
Die IS-Kurve sei durch die folgende Gleichung charakterisiert (b0
bezeichnet die in den vorherigen Abschnitten identifizierten Einflüsse).
Y = b0 − b1r ; b0 , b1 > 0.
• Gleichgewicht
Die Regel der Zentralbank und die IS-Kurve können zusammengefasst
werden, um das gleichgewichtige Inlandsprodukt und den hierzu gehörigen
Realzins zu bestimmen.
r
IS
MP
r0
P0
Y0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 213
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Ein Konsens?
Die Taylor-Regel hat breite Zustimmung über Lehrmeinungen hinweg gefunden.
Bezüglich der IS-Kurve verbleiben offene Fragestellungen.
− Anhänger einer mikrofundierten Makroökonomik vermuten, dass
private Haushalte bei einem zukünftig hohen Einkommen bereits
heute den Konsum erhöhen. Daher würden sie Erwartungen
bezüglich des zukünftigen Einkommens als Einflussgröße in der
Gleichung berücksichtigen.
− Die Relevanz zukünftig erwarteter Größen findet allerdings weniger
robuste empirische Unterstützung. Anhänger einer Makroökonomik
als engineering erweitern die IS-Kurve eher mit Werten der
Vergangenheit. Sie vermuten ferner einen hohen Parameter b1, da
dieser von einem Multiplikatoreffekt verstärkt wird.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 214
Erhöhung des Staatskonsums
IS1
r
IS0
b0
MP
rA
r0
P0
Y0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
PA
YA
Y
Folie 215
• Erläuterung der Anpassung
Die Erhöhung des Staatskonsums auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt
die IS-Kurve nach rechts. Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts ergibt sich
eine Überauslastung der Kapazitäten. Die Zentralbank wird gemäß ihrer
Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. Die Inflationsrate ist kurzfristig
konstant. Daher bleibt die MP-Kurve unverändert in ihrer Lage. Es ergibt sich
ein neues Gleichgewicht im Punkt PA. Das Inlandsprodukt ist angestiegen,
allerdings ist der Anstieg gedämpft, da die höheren Realzinsen die Investitionen
reduzieren.
• Dämpfungseffekt der Zentralbankpolitik
Der Anstieg des Inlandsprodukts fällt insgesamt geringer aus als bei der
bisherigen Multiplikatoranalyse. Die Zentralbank wirkt stabilisierend einer
Ausweitung des Inlandsprodukts entgegen. Dies wird auch in der Literatur als
„Dämpfungseffekt des Geldmarkts“ oder genauer als „Dämpfungseffekt der
Zentralbankpolitik“ bezeichnet.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 216
Straffere Regel der Zentralbank
MP1
r
IS0
rA
r0
r'
PA
MP0
P0
YA
Y0
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Y
Folie 217
• Erläuterung der Anpassung
Eine straffere Regel der Zentralbank verschiebt die MP-Kurve nach oben. Der
Realzins erhöht sich. Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das
Inlandsprodukt. Dies wiederum bewirkt, dass die Erhöhung des Realzinses etwas
gedämpft wird. Es ergibt sich ein Gleichgewicht in PA bei kurzfristig konstanter
Inflationsrate.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 218
• Reaktion der Geldmenge
Eine straffere Regel der Zentralbank geht mit einer einmaligen Reduktion
der Geldmenge einher. Dies zeigt die Gleichung für die Geldnachfrage:
= ∙ , % + &
Da das Inlandsprodukt sinkt und der Realzins steigt, sinkt die reale
Geldnachfrage.
• Geld und Inlandsprodukt –falsche Kausalität
Wieso geht eine einmalige Reduktion der Geldnachfrage mit einem Sinken
des Inlandsprodukts einher? Teilweise finden sich in der Tagespresse
irreführende Argumente: „Die Güternachfrage verringert sich, weil weniger
Geld für Konsumzwecke zur Verfügung steht“. Dieses Argument ist falsch,
denn für Konsum ist Einkommen notwendig. Geld wird zu
Transaktionszwecken gehalten. Konsumgüter werden verbraucht, Geld
nicht. Die gesunkene Geldnachfrage ist korrekterweise nur eine
Begleiterscheinung der höheren Zinsen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 219
• Liquiditätsfalle
Die Zentralbank kann keine negativen nominalen Zinssätze am Markt
durchsetzen. Ein Grund für dieses Versagen besteht darin, dass die
Geschäftsbanken keine Kredite mit negativen Nominalzinsen vergeben, weil
sie stattdessen die Geldhaltung bevorzugen. Dies wird als Liquiditätsfalle
bezeichnet, da alle Wirtschaftssubjekte eine unbegrenzte Neigung zur
Haltung von Liquidität hätten. Bei einer Inflationsrate von Null kann die
Zentralbank dann keine negativen Realzinsen erreichen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 220
Expansivere Regel der Zentralbank mit Liquiditätsfalle
r
IS0
r0=0
MP
P0=P1
r'↓
↓
Y
Y0=Y1
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Folie 221
• Wirkungslosigkeit der Zentralbankpolitik
Statt Punkte auf der MP-Kurve
zu erreichen, muss die
Zentralbank dann von dieser
Kurve abweichen. Unterhalb
von r=0 gilt die MP-Kurve
nicht mehr. Eine expansivere
Regel der Zentralbank ist dann
ohne Einfluss auf r.
Demzufolge kann sich auch
kein Anstieg der Investitionen
und des Inlandsprodukts
einstellen. Eine Änderung der
Regel der Zentralbank ist in der
Liquiditätsfalle somit
wirkungslos.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 222
Fallstudie
V. Fallstudie Japan
Japan, 2009
BIP: 487000 Mrd. Yen
Bevölkerung: 127 Mio.
Pro-Kopf-Produktion: 3830000 Yen
Preis Big-Mac: 320 Yen
Wechselkurs: 85 Yen/US $
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Folie 223
Entwicklung Japan
8
Wachstum BIP
Inflation
6
Zinssatz (kurzfristig Interbankenmarkt)
Fallstudie
4
2
0
-2
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
-4
Folie 224
Fallstudie
• 1984-89: Trotz hohen Wachstums und niedriger Inflation werden niedrige
Zinsen gesetzt (um Leistungsbilanzüberschuss abzubauen).
Vermögenspreisblase bei Aktien und Immobilien.
• 1989-1992: Nikkei büßt mehr als die Hälfte seines Wertes ein. Viele faule
Kredite liegen in den Bilanzen.
• 1992-1996: Trotz Rezession werden Zinsen nur langsam gesenkt.
• 1996-2012: Japan ist in der Liquiditätsfalle. Nur mit hohen Staatsausgaben
gelingt eine Stabilisierung. Die Verschuldung des Staates liegt mittlerweile bei
230% des BIP.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 225
Fallstudie
Der Nikkei ist der bekannteste japanische Aktienindex. Seine Messung
basiert auf 225 ausgesuchten Aktienwerten.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 226
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
9. Das makroökonomischef(k)
(n+δ)k
Konsensmodell
c*
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 227
Pflichtlektüre:
Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007): 387-394.
Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl.
S. 229-243.
Romer, D. (2012), Short-Run Fluctuations. Manuskript,
University of California, Berkeley, S. 54-89, 95-114.
http://elsa.berkeley.edu/~dromer/
Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl.
S. 672-693; 694-708.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 228
• Variierende Inflation
Bisher haben wir ein konstantes Inflationsniveau unterstellt. Tatsächlich aber
schwankt die Inflationsrate und reagiert auf geld- und fiskalpolitische
Aktionen. Wir müssen daher die Bestimmungsfaktoren der Inflationsrate
herausarbeiten und die Rückwirkung auf Realzins und Inlandsprodukt
modellieren.
• Zusammenwirken von IS- und MP-Kurve
Ein Zusammenhang zwischen Inflation und Inlandsprodukt ergibt sich aus
dem Zusammenwirken von IS-Kurve und MP-Kurve. Ein Anstieg der
Inflationsrate verschiebt die MP-Kurve nach oben. Aufgrund des steigenden
Realzinses verringert sich daher das Inlandsprodukt. Die Schar dieser Punkte
können wir in einem π/Y-Diagramm abtragen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 229
Herleitung der AD-Kurve
MP1
r
π
IS
MP0
r0
P0
Y0
π
Y
AD
π1
π0
P0
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 230
• Die AD-Kurve
Im π/Y-Diagramm hat die hergeleitete Kurve eine negative Steigung. Diese
Kurve gibt an, wie hoch das Inlandsprodukt ist, falls die Zentralbank auf eine
vorgegebene Inflationsrate mit ihrer Zinssetzung reagiert. Die Kurve unterstellt
dabei, dass Produzenten ihre Produktion vollständig nach der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ausrichten. Bei hoher Inflationsrate setzt die
Zentralbank einen hohen Realzins und dämpft damit die Konjunktur. Bei
niedriger Inflationsrate setzt die Zentralbank einen niedrigen Realzins und regt
damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage an. Daher bezeichnen wir die
Kurve auch als Nachfragekurve (aggregate demand).
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 231
• Zur Logik der AD-Kurve
Die negativ geneigte AD-Kurve ähnelt einer aus der Mikroökonomie
bekannten Nachfragekurve. Erhöht sich der Preis für Bier, so sinkt die
Nachfrage. Dieser mikroökonomische Effekt ist auf Substitutionsbeziehungen
zurückzuführen: Der relative Preis für Bier steigt an; statt Bier werden andere
Güter nachgefragt. Diese Substitution ist aber gesamtwirtschaftlich nicht
möglich. Die negative Neigung der AD-Kurve kann nicht aus einer
Substitutionsbeziehung begründet werden. Es muss stattdessen explizit auf
die Zentralbank Bezug genommen werden. Die Zentralbank möchte hohe
Inflation vermeiden. Daher erhöht sie bei hoher Inflation den Realzins und
bewirkt einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 232
• Potentielles Inlandsprodukt und Inflation
Neben der AD-Kurve wird das potentielle Inlandsprodukt in einem π/YDiagramm abgetragen. Bekanntlich wird dies aus dem Wachstumsmodell
hergeleitet. Hat die Inflationsrate hierauf einen Einfluss? Im Wachstumsmodell
ergibt sich ein solcher Einfluss nicht. Auch aus einer Abwägung der Kosten und
Nutzen der Inflation ergibt sich kein eindeutiger Einfluss. Daher erscheint die
Annahme vertretbar, dass insgesamt die Inflationsrate keinen Einfluss auf hat.
• Veränderung des Potentiellen Inlandsprodukts
Im Falle eines Zustroms von
Arbeitskräften, Kapital oder
natürlichen Ressourcen sowie
bei technischem Fortschritt
erhöht sich das „potentielle
Inlandsprodukt“ und die Kurve
verschiebt sich nach rechts.
π
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 233
• Ungleichgewicht
Was passiert nun, wenn bei einer bestimmen Inflationsrate, sagen wir π1, das
potentielle Inlandsprodukt größer ist als die Nachfrage, > ? Welche Seite
wird sich durchsetzen?
π
AD
π1
Y
Y
Kurz- und mittelfristig ist es möglich, dass das Inlandsprodukt vom potentiellen
Niveau abweicht. Die Höhe des Inlandsprodukts wird dann von der Höhe der
Nachfrage, also der AD-Kurve, bestimmt. Produzenten haben nämlich kein
Interesse, mehr zu produzieren, als sie am Markt absetzen können. Ferner ist die
Inflationsrate kurzfristig konstant, so dass nicht das Gleichgewicht erreicht wird,
also der Schnittpunkt der AD-Kurve mit der -Kurve.
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Folie 234
• Warum ist die Inflationsrate kurzfristig konstant
− Die Löhne sind kurzfristig fixiert (sticky wages). Lohnverhandlungen werden
nur alle 1-2 Jahre durchgeführt. Hierbei wird die zukünftige Inflationsrate
abgeschätzt und als Zuschlag auf den Lohn gewährt. Oder es wird ein
Ausgleich für die Inflation der Vergangenheit gewährt. Für den Zeitraum des
Vertrages bleibt das Lohnniveau dann konstant.
− Die Preise sind kurzfristig konstant, weil die Anpassung mit Menukosten
einhergeht (sticky prices). Preise werden je nach Branche teilweise seltener
als einmal pro Jahr angepasst. Bei der Bestimmung des Preisniveaus wird die
Inflationsrate der Vergangenheit und die für die Zukunft erwartete Rate
berücksichtigt.
− Relevante Information geht nicht allen Wirtschaftssubjekten sofort zu (sticky
information). Dies bewirkt, dass sogar diejenigen im Besitz der Information
nur geringfügig Preise (und Löhne) anpassen, da ihr Preis sonst stark vom
Niveau des Marktes abweicht und sie entweder Marktanteile verlieren oder
Gewinne nicht voll abschöpfen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 235
• Die IA-Kurve
Die Ausführungen implizieren, dass die Inflationsrate kurzfristig konstant ist.
Wir erhalten eine horizontale Inflationsanpassungs-Kurve (IA) im π/YDiagramm.
π
π0
IA
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 236
• Geerbte Inflation
Wie hoch ist die Inflation? Die Erfahrung lehrt, dass die Inflationsrate aus der
Vergangenheit „geerbt“ wird. Eine hohe Inflationsrate in der Vergangenheit
bewirkt, dass auch in der Zukunft mit einer hohen Inflationsrate gerechnet wird.
Preisniveaustabilität bewirkt, dass auch zukünftig mit geringer Inflation
gerechnet wird. Es gilt = ' , wobei mit -1 die Vorperiode indiziert wird.
• Verschiebung der IA-Kurve
Die Inflationsrate erhöht sich zukünftig, wenn das Inlandsprodukt größer ist als
sein potentielles Niveau. Maschinen verschleißen schneller. Dies müssen die
Firmen durch einen beschleunigten Anstieg der Preise ausgleichen. Für
abgeleistete Überstunden muss ein Zuschlag bezahlt werden, der den Lohnsatz
erhöht. Zudem steigen die Löhne schneller, weil aufgrund der geringen
Arbeitslosigkeit sich leichter Lohnsteigerungen durchsetzen lassen. Ist das
Inlandsprodukt dagegen kleiner als sein potentielles Niveau, so resultiert
Arbeitslosigkeit und erlaubt den Unternehmen, die Löhne zu drücken.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 237
EZB, Monatsbericht Januar 2011, S. 43. Daten bezogen auf 1999-2010, 16 Eurowährungsländer.
Die Produktionslücke ist definiert als Quotient aus tatsächlichem BIP und potenziellem BIP,
welches mit Hilfe einer Cobb-Douglas Produktionsfunktion berechnet wird.
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Folie 238
• Die Inflationsanpassungsdynamik
Formal gilt für die Inflationsrate:
= & + ( ' − ; mit & = ' .
Entspricht das Inlandsprodukt seinem potentiellen Niveau, ' = , so folgt
= & = ' . Liegt also bei der Produktion eine Ruhelage vor, dann ändert
sich die Inflationsrate nicht. Weicht jedoch die Höhe des Inlandsprodukts von
seiner potentiellen Höhe ab, so hat dies eine Veränderung der zukünftigen
Inflationsrate zur Folge.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 239
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Zukunft oder Vergangenheit – welche Größen sind
wichtiger?
− Die Gleichung für die Inflationsdynamik berücksichtigt nur Werte aus
der Vergangenheit für Inflation und Inlandsprodukt. Eine
mikroökonomische Herleitung unter der Annahme der vollständigen
Rationalität würde aber ergeben, dass Werte, die für die Zukunft
erwartet werden, entscheidend sind. Dies resultiert daher, dass
Produzenten heute Preise setzen wollen, die auch morgen noch
brauchbar sind. Die Vergangenheit ist hingegen für rationale
Wirtschaftssubjekte irrelevant.
− Empirische Untersuchungen bestätigen die überwältigende Relevanz
vergangenheitsbezogener Werte. Informationen erreichen die
Wirtschaftssubjekte evtl. erst verzögert oder sie werden erst verzögert
ausgewertet, so dass sogar noch länger zurück liegende Werte oftmals
Einfluss besitzen.
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Folie 240
• Die Phillips-Kurve
Neben der langfristig vertikalen Angebotskurve und der kurzfristig horizontalen
IA-Kurve wird in der Literatur auch oftmals eine mittelfristige Angebotskurve
dargestellt. Diese ist weder horizontal noch vertikal, sondern weist eine positive
Steigung auf. Eine solche Angebotskurve wird auch als „Phillips-Kurve“
bezeichnet. Hiermit wird verdeutlicht, dass mittelfristig ein erhöhtes
Inlandsprodukt und eine Absenkung der Unterbeschäftigung nur mit einer
Inflation „erkauft“ werden kann. Wir verzichten in der Graphik auf die
Darstellung dieses mittelfristigen Zusammenhangs.
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Folie 241
Das Grundmodell
r
IS
MP
r0
P0
Y0
π
Y
AD
π0
P0
Y
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IA
Y
Folie 242
Erhöhung des Staatskonsums
IS1
r
r1
IS0
b0
MP1
π MP0
P1
r0
P0
π
AD1
PA
Y
Y0 =Y1
AD0
π1
π0
P1
PA
P0
Y
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IA
Y
Folie 243
• Erläuterung der Anpassung
Die Erhöhung des Staatskonsums auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt
die IS-Kurve nach rechts. Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts wird die
Zentralbank gemäß ihrer Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. Es ergibt sich
ein Zwischenpunkt in PA. Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt
die Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt PA. Aufgrund einer
Überschussnachfrage erhöht sich nun die Inflation. Hierdurch wird die
Zentralbank veranlasst, den Realzins zu erhöhen. Die MP-Kurve verschiebt sich
nach oben. Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein Gleichgewicht im
Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des potentiellen Niveaus.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 244
• Erhöhte Inflation im Gleichgewicht
Die Inflationsrate ist nun gegenüber der Ausgangslage dauerhaft angestiegen.
Dies resultiert daraus, dass die Zentralbank den anfänglichen
Güternachfrageimpuls nicht vollständig neutralisiert. Erst durch eine steigende
Inflationsrate wird dann die Zentralbank zu der weiteren, notwendigen Erhöhung
der Realzinsen induziert. Möchte die Zentralbank entgegen dieser Lösung
dauerhaft an der Inflationsrate der Ausgangslage festhalten, so müsste sie auf die
erhöhte Güternachfrage mit einer Straffung der Regel der Zentralbank, r'↑,
antworten.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 245
• Ersparnis und Investitionen
Mit der nun variierenden Inflationsrate kann auch die Sparquote wieder auf die
Investitionen wirken, entgegen der Modellergebnisse bei konstanter
Inflationsrate. Sofern nämlich die Sparquote steigt, verschiebt sich die IS-Kurve
nach links. Die Zentralbank beobachtet eine zu geringe gesamtwirtschaftliche
Nachfrage und eine nachlassende Inflationsrate. Sie wird die Zinsen senken. Die
gesunkenen Zinsen erhöhen dann die Investitionen. In diesem Sinne kann
Ersparnis wieder als „Tugend“ bezeichnet werden. Allerdings funktioniert dieser
Zusammenhang nicht in der Liquiditätsfalle.
Andererseits führt eine erhöhte Investitionsneigung nun auch nicht
mehr unbedingt zu steigender Ersparnis. Sie bewirkt eine Rechtsverschiebung
der IS-Kurve und damit eine erhöhte Nachfrage und zukünftige
Inflationsgefahren. Um dies zu vermeiden, wird die Zentralbank die Zinsen
erhöhen. Hierdurch kann sich eine erhöhte Investitionsneigung aber nicht
durchsetzen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 246
Straffere Regel der Zentralbank
MP1
r
π↓
IS0
r'↑
PA
r0
π
MP0
P0=P1
AD0
Y0 =Y1
Y
AD1
π0
P0
IA
PA
π1
P1
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 247
• Erläuterung der Anpassung
Eine straffere Regel der Zentralbank verschiebt die MP-Kurve nach oben.
Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das Inlandsprodukt. Es ergibt sich ein
Zwischenpunkt in PA. Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt die
Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt PA. Aufgrund eines
Überschussangebots verringert sich die Inflation. Hierdurch wird die
Zentralbank veranlasst, den Realzins wieder zu senken. Die MP-Kurve
verschiebt sich nach unten. Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein
Gleichgewicht im Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des
potentiellen Niveaus. Wir sehen also, dass die Zentralbank bei Straffung ihrer
Regel die Inflationsrate reduzieren kann. Hierbei muss sie aber eine temporäre
Reduktion der Produktion und des Einkommens in Kauf nehmen. Dem
langfristigen Vorteil einer reduzierten Inflation stehen daher temporäre Einbußen
gegenüber. Da zukünftige Vorteile im Kalkül der Wirtschaftssubjekte
abdiskontiert werden müssen, ist nicht sichergestellt, dass eine straffere Regel
der Zentralbank insgesamt vorteilhaft ist.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 248
Wettstreit der Lehrmeinungen
• Ist das potentielle Inlandsprodukt konstant?
Ein Rückgang des Inlandsprodukts ist in dem Modell nicht dauerhaft. Aber dies
kann kritisiert werden.
− Ein Einbruch der Wirtschaft könnte Investitionen und
Forschungsausgaben reduzieren. Humankapital fehlt die tägliche
Nutzung und Auffrischung. Die Jugendarbeitslosigkeit könnte steigen
und Anreize zu Bildung zerstören. Eine positive Einstellung zu Arbeit
könnte verloren gehen. Unternehmen könnten Führungskräfte danach
aussuchen, Kosten einzusparen. Damit könnte der Kapitalstock durch
eine Rezession nachhaltig sinken.
− Krisen können auch die Produktivität steigern. Beschäftige erkennen
die Notwendigkeit harter Arbeit, um einen Arbeitsplatzverlust zu
vermeiden. Aus der Not kann Kreativität entstehen. Unnötige
Subventionen werden gekürzt. Unnötig am Leben erhaltene Branchen
werden abgewickelt. Krisen bringen damit eine kreative Zerstörung
mit sich, die die nächste Wachstumsphase ermöglicht.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 249
• Glaubwürdigkeit der Zentralbankpolitik
Wir hatten bisher die Inflationserwartung durch die Gleichung & = '
dargestellt. Neben der Inflation der Vorperiode könnte die erwartete
Inflationsrate aber von weiteren Größen beeinflusst werden. Ein Anstieg der
Ölpreise führt oftmals zu einer sofortigen Änderung der Inflationserwartung.
Hier wollen wir auf einen anderen wichtigen Einflussfaktor eingehen: Die
Glaubwürdigkeit einer Zentralbank.
• Zukünftige Erwartungen
Rationale Wirtschaftssubjekte bilden Erwartungen bezüglich der zukünftigen
Inflationsrate und bestimmen bereits heute wichtige Preise (z.B. die Zinsen für
langfristige Kredite) anhand dieser erwarteten Größe. Auch wenn das Ausmaß
dieses Verhaltens im Wettstreit der Lehrmeinungen diskutiert wird, ist seine
Existenz unstreitig. Dies wirft eine zentrale Frage für die Zentralbankpolitik auf:
Wie könnte die Zentralbank diese Erwartungen beeinflussen?
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 250
• Ankündigungen zukünftiger Zentralbankpolitik
Möchte die Zentralbank die Inflationserwartungen direkt reduzieren, so kündigt
sie für die laufende und die zukünftigen Perioden einen erhöhten Wert für r' an.
Glauben die Wirtschaftssubjekte der Zentralbank und erwarten sie, dass die
Zentralbank ihre Politik auch gegen Widerstände durchsetzen wird, so sind sie
von dem zukünftigen Rückgang der Inflationsrate überzeugt. Daher werden sie
ihre Erwartungen der zukünftigen Inflation sofort nach unten korrigieren.
Dadurch verschiebt sich die IA-Kurve sofort nach unten.
• Anpassungspfad ohne Rezession
Eine solche restriktive Zentralbankpolitik könnte ohne Rezession erfolgen. Die
rasche Verschiebung der IA-Kurve nach unten bewirkt, dass nicht der bisherige
Punkt PA als Zwischenlösung bei einer restriktiven Zentralbankpolitik gültig ist.
Vielmehr fällt die Reduktion des Inlandsproduktes geringer aus.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 251
• Fehlende Glaubwürdigkeit
Eine andere Situation liegt vor, wenn die Zentralbank jedoch den Ruf hat, ihre
Ankündigungen nicht konsequent durchzusetzen, sondern oftmals ihren
politischen Kurs unter politischem Druck zu revidieren. In diesem Fall werden
die Wirtschaftssubjekte nicht den Ankündigungen einer schärferen Regel in der
Zukunft glauben. Die IA-Kurve verharrt auf dem alten Niveau. Versucht die
Zentralbank entgegen der skeptischen Erwartung der Wirtschaftssubjekte die
Inflation zu bekämpfen, so erfolgt die Anpassung bei einer kurzfristig konstanten
IA-Kurve und geht mit einem Produktionseinbruch einher (Punkt PA).
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 252
• Kann die Zentralbank das Inlandsprodukt erhöhen?
Eine Zentralbank könnte r' absenken, ohne dies den Wirtschaftssubjekten
mitzuteilen. Sie täuscht dann die Wirtschaftssubjekte. In diesem Fall würde die
IA-Kurve zunächst in ihrer alten Lage verharren, da die Wirtschaftssubjekte den
Ankündigungen der Zentralbank glauben. Erst mit der Zeit erkennen die
Wirtschaftssubjekte die neue Zentralbankpolitik und erhöhen die
Inflationserwartung.
• Lukas-Kritik
Ob sich hiermit aber tatsächlich das Inlandsprodukt dauerhaft erhöhen lässt,
wurde insbesondere von dem Nobelpreisträger Robert Lukas bezweifelt. Er
bezweifelte, dass Wirtschaftssubjekte ihre Inflationserwartung nur an Werten der
Vergangenheit orientieren. Bei einem substantiellen Politikwechsel seien
Wirtschaftssubjekte in der Lage, die zukünftige Entwicklung korrekt zu
antizipieren. Höchstens kurzfristig sei eine Täuschung möglich, danach
durchschauen die Wirtschaftssubjekte die Zentralbankpolitik und bestimmen die
Inflationserwartungen rational, d.h. & = , so dass folgt = .
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 253
Deflation und Liquiditätsfalle
r
MP(π=0)
IS0
r0=1
P0
r0=0
π
π0=0
MP(π=-1)
Y
Y0
AD0
P0
IA
Y
π0=-1
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 254
• Erläuterung der Anpassung
Die Zentralbank kann keine negativen Nominalzinsen erzielen, denn die
Geschäftsbanken würden lieber horten (z.B. Bargeld in den Tresoren halten), als
Kredite mit negativem Ertrag auszugeben und die Nichtbanken würden
Sichteinlagen halten und unbegrenzt Kredite bei den Geschäftsbanken
aufnehmen. Daher kann eine Senkung der Realzinsen bei Preisniveaustabilität
(π=0) nicht herbeigeführt werden. Unterhalb von r=0 gilt die MP-Kurve nicht
mehr. In dieser Situation kann die Zentralbank die Inflationsrate nicht mehr
steigern, da sie nicht kurzfristig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen
kann. Ein exogener Schock bewirke nun ein Absinken der Inflationsrate
(Deflation). Die Zentralbank möchte mit einer Senkung der Realzinsen
reagieren. Da die Nominalzinsen aber bereits Null betragen, gelingt ihr dies
nicht. Entgegen dem Wunsch der Zentralbank führt die Deflation zu einem
Anstieg der Realzinsen. Hierdurch sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
weiter ab. Insgesamt ergibt sich bei einer Kombination aus Deflation und
Liquiditätsfalle ein positiver Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve.
Es droht eine immer weiter zunehmende Deflation (Deflationsspirale).
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 255
Fallstudie
VI. Fallstudie Große Depression
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 256
Pro-Kopf-Produktion
110
Fallstudie
100
90
Kanada
Frankreich
80
Deutschland
USA
Großbritannien
70
60
50
1928
1929
1930
1931
1932
1933
1934
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
1935
1936
1937
1938
Folie 257
15.0
10.0
Fallstudie
5.0
0.0
-5.0
-10.0
1923
1924
1925
1926
1927
1928
1929
1930
1931
1932
1933
1934
1935
1936
Inflation
Realzins
Zentralbankzins USA
Budgetdefizit (in Prozent des BIP)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 258
• 1921-1929: Aktienboom. Zentralbank versucht erst 1929 die Überhitzung mit
einer moderaten Zinserhöhung zu dämpfen.
Fallstudie
• 1929: Rezession beginnt und Aktienmarkt bricht ein.
• 1930: Zentralbanken senken weltweit Zinsen nur moderat. Erst 1940 wird ein
Zinssatz von 1% in den USA gesetzt.
• 1931: Durch Beendigung der Goldeinlösepflicht der Bank of England (und
damit des damaligen Systems fester Wechselkurse) wertet das britische Pfund
um 30% ab.
• 1932: Aufgrund der starken Deflation ergeben sich hohe Realzinsen, welche
den Abschwung beschleunigen.
• 1933: Das von Präsident Roosevelt eingeleitete Programm New Deal kurbelt
mit massiven staatlichen Investitionen und Sozialleistungen die
Binnenkonjunktur an.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 259
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
10.
y*
f(k)
Außenbeitrag und Kapitalimporte
c*
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 260
Pflichtlektüre:
Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 27-29, 45-49, 53-54, 56.
McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S.
729-730.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 261
• Die geschlossene Volkswirtschaft
Eine geschlossene Volkswirtschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie keine
Interaktion mit anderen Volkswirtschaften aufweist. Dies beinhaltet insbesondere
das Fehlen von Exporten und Importen. Das beinhaltet das Fehlen von
Einkommensströmen (Faktorströmen) über Landesgrenzen hinweg. Auch fehlen
Kapitalströme mit dem Ausland. Nordkorea ist ein Beispiel einer weitgehend
geschlossenen Volkswirtschaft. Die globale Wirtschaft selbst ist ein weiteres
Beispiel. Für alle anderen Fälle offener Volkswirtschaften sind die vielfältigen
Ströme von Leistungen und Zahlungen mit dem Ausland zu berücksichtigen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 262
• Der Außenbeitrag
− Die Exporte setzen sich zusammen aus den Exporten von Gütern und
Diensten (X‘)
− und den Exporten von Faktorleistungen (FAI). Faktorleistungen werden
exportiert, wenn ein Inländer ein Einkommen im Ausland erzielt, z.B.
indem er als Grenzgänger im Ausland arbeitet oder Zins- oder
Mieteinnahmen im Ausland erzielt.
− Die Importe setzen sich zusammen aus den Importen von Gütern und
Diensten (J‘)
− und den Importen von Faktorleistungen (FIA). Inländische
Produktionsbetriebe importieren solche Faktorleistungen, indem sie im
Ausland wohnende Arbeitskräfte oder Zinsen für ausländisches
Kapital bezahlen.
− Die jährlichen Überschüsse und/oder Defizite, X‘-J‘, werden in der
Handels- und Dienstleistungsbilanz eines Landes erfasst und als
„Außenbeitrag“ bezeichnet.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 263
• Leistungsbilanzdefizit und –überschuss
Werden zum Außenbeitrag noch Faktorexporte und –importe berücksichtigt, so
resultieren die gesamten Netto-Exporte (X-J=X‘+ FAI -J‘- FIA), die auch als
Leistungsbilanzsaldo bezeichnet werden. Falls X>J, erwirtschaftet ein Land
einen Leistungsbilanzüberschuss und baut dadurch Nettoforderungen gegenüber
dem Ausland auf. Sind die Importe hingegen größer als die Exporte, so
akkumuliert ein Land Schulden oder verliert Vermögensobjekte an das Ausland
(Leistungsbilanzdefizit).
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 264
• Was beeinflusst Außenbeitrag und Leistungsbilanzsaldo?
-
Die Konsumpräferenzen bezüglich inländischer und ausländischer
Produkte.
Die Preise der inländischen und ausländischen Produktion.
Der Wechselkurs, also der Preis der ausländischen Währung in
Einheiten der inländischen Währung.
Die Einkommen von Inländern und Ausländern.
Transportkosten.
Handelspolitik und Handelsbeschränkungen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 265
• Kapitalbilanz
Kapitalexporte kennzeichnen den von Inländern getätigten Kauf ausländischer
Vermögensobjekte (z.B. Aktien, Anleihen oder Bauten) oder die Vergabe von
Krediten an das Ausland. Kapitalimporte entsprechen dem Verkauf inländischer
Vermögensobjekte an Ausländer oder der Aufnahme von Krediten aus dem
Ausland. Nettokapitalexporte sind Kapitalexporte abzüglich der Kapitalimporte.
Sie entsprechen dem Saldo der Kapitalbilanz. So erhöht ein Kauf von USAnleihen durch einen EU-Inländer die Nettokapitalexporte der EU. Kaufen
Japaner Aktien in Deutschland, so verringern sich die Nettokapitalexporte der
EU.
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Folie 266
• Was beeinflusst die Kapitalbilanz?
-
Die Realzinsen, die für ausländische Vermögensobjekte bezahlt
werden.
Die Realzinsen, die für inländische Vermögensobjekte bezahlt werden.
Die erwartete Entwicklung des Wechselkurses.
Ökonomische und politische Risiken einer Anlage von Vermögen im
Ausland.
Die politischen Rahmenbedingungen, die einen Transfer von
Vermögen ins Ausland ermöglichen oder behindern.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 267
• Leistungsbilanz und Kapitalbilanz
Leistungsbilanz und Kapitalbilanz sind Teil der „Zahlungsbilanz“ eines Landes,
also einer Zusammenstellung aller Transaktionen mit dem Ausland. Ein Land
verliert dadurch Vermögen oder akkumuliert Schulden, dass die Importe an
Gütern, Diensten und Faktoren größer sind als die Exporte. Im Gegenzug
müssen in gleichem Ausmaß Nettokapitalimporte vorhanden sein. Diese
spezifizieren, in welcher Form Kapital in das Land fließt, als Kredit oder durch
den Verkauf von Vermögensobjekten.
Daraus folgt, dass der Leistungsbilanzsaldo, X-J, den Nettokapitalexporten,
NKE, entspricht:
X-J =NKE.
Einem Verkauf von Gütern und Diensten an die USA (X-J>0) steht zunächst die
Entgegennahme von US-$ gegenüber, also einem Vermögensobjekt (NKE).
Dieses Vermögensobjekt kann getauscht werden gegen andere
Vermögensobjekte, oder aber es kann für den Import von Gütern aus den USA
verwendet werden. In jedem Fall behält die obige Gleichung ihre Gültigkeit.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 268
• Das Ausland in der VGR
Transaktionen mit dem Ausland sind in der volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung zu berücksichtigen. Dort werden folgende
Wirtschaftssubjekte als „Inländer“ bezeichnet:
- natürliche Personen mit ständigem (mindestens ein Jahr) Wohnsitz
im Inland und
- alle anderen Wirtschaftssubjekte einschließlich rechtlich
unselbständiger Produktionsstätten und Zweigniederlassungen,
soweit der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Inland
liegt.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 269
Inländerkonzept
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Inlandskonzept
Folie 270
Flussdiagramm für die volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung mit Ausland
S 130
Einkommenskonto
FI C G Ti-Z
945 700 225 100
Ib 250
Produktionskonto
FAI
10
FIA
20
J´
300
Auslandskonto /
Zahlungsbilanz
D 160
Vermögensänderungskonto
X´ 350
KE (netto) 40
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Folie 271
• Nettoinlandsprodukt
Aus der Graphik lässt sich das Nettoinlandsprodukt (NIP) zu Marktpreisen
herleiten:
YnM=C+G+I +X′– J′=1065
Durch Zusammenfassung ergibt sich gemäß Produktionskonto:
FI+FIA+(Ti – Z) = C+G+I+X′– J′.
Das Nettoinlandsprodukt entspricht somit allen Faktoreinkommen, die durch
die heimische Produktion entstehen und an Inländer und Ausländer verteilt
werden zzgl. der indirekten Steuern minus Subventionen.
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Folie 272
Deutschland 2011
USA 2011
China 2011
Staatskonsum
Investitionen
Privater Konsum
Leistungsbilanz
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Folie 273
• Nettonationaleinkommen
Werden auf beiden Seiten der oben formulierten Gleichung die netto aus dem
Ausland zugeflossenen Primäreinkommen hinzugezählt (FAI-FIA=-13 Mrd €),
dann erhält man:
FI+FAI+(Ti–Z) = C+G+I+(X’+FAI) – (J’+FIA).
Volkseinkommen
X
J
Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen
(NNP)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 274
Das Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen lässt sich auch aus dem
gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto ermitteln. Eine Erfassung aller
eingehenden und ausgehenden Buchungen erbringt:
FI+FAI+(Ti – Z)=C +G+ S + TrIA=1055
Aus den beiden Gleichungen folgt:
C + G + I + (X – J) = C + G + S + TrIA
S=I + (X – J – TrIA).
Diese Gleichung entspricht dem Vermögensänderungskonto.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 275
• Ist ein Leistungsbilanzüberschuss „gut“?
Die genannte Gleichung bringt zum Ausdruck, dass die heimische Ersparnis
entweder in heimische Investitionen fließt oder in Kapitalexporte. Ein
positiver Leistungsbilanzsaldo bedeutet, dass im Inland mehr gespart als
investiert wird. Ein Leistungsbilanzdefizit (X-J-TrIA=NKE<0) impliziert,
dass das Ausland für das Inland spart. Dies könnte Symptom eines Problems
sein: Ein Land spart nicht hinreichend, um für die Zukunft gewappnet zu
sein. Es könnte aber auch Zeichen der wirtschaftlichen Stärke sein:
Investitionen sind so attraktiv, dass sie sogar Kapital aus dem Ausland
anziehen. Umgekehrt gilt, dass ein Leistungsbilanzüberschuss sowohl ein
Problem der zu geringen Attraktivität für Investitionen sein kann, als auch
Zeichen für starke Exporte und hohe Ersparnis.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 276
Vollständige VGR für Deutschland 2011 (grob gerundet und vereinfacht)
Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto
Verwendung
Aufkommen
Gesamtwirtschaftliches Einkommenskonto
Verwendung
Aufkommen
Importe, J‘
1100
Privater
Konsum
1470
Privater
Konsum
1470
Entlohn. an Inl.
1770
Abschreibungen, D
360
Staatskonsum
500
Staatskonsum
500
Entlohn. aus
Ausland
180
Indir. Steuern –
Subv.
280
Bruttoinvestitionen
440
Ersparnis
260
Indir. Steuern –
Subv.
280
Entlohn. an Inl.
1770
Exporte, X‘
1250
Entlohn. an
Ausländer
150
Auslandskonto / Zahlungsbilanz
Verwendung
Aufkommen
Gesamtwirtschaftliches Vermögensänderungskonto
Verwendung
Aufkommen
Exporte, X‘
1250
Importe, J‘
1100
Bruttoinvestitionen
440
Ersparnis
260
Entlohn. aus
Ausland
180
Entlohn. an
Ausländer
150
Finanzierungsüberschuss
180
Abschreibungen, D
360
Nettokapitalexporte
180
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 277
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
f(k)
11. Die offene Volkswirtschaft
c*
(n+δ)k
s.f(k)
s.y*
k*
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
k
Folie 278
Pflichtlektüre:
Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2008), Das
Keynesianische Konsensmodell einer offenen
Volkswirtschaft, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches
Studium, S. 540-548.
http://www.wiwi.uni-passau.de/fileadmin/dokumente/lehrstuehle/lambsdorff/downloads/DKK_S._540-547.pdf
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 279
• Finanzierung von Investitionen in offenen
Volkswirtschaften
Wie wird ein Anstieg der Investitionen in einer offenen Volkswirtschaft
finanziert? Um diese Frage zu beantworten, benötigen wir erneut ein Modell.
Wir erweitern das bekannte Gütermarktmodell um Exporte und Importe. Wir
werden zeigen, dass erneut Investitionen sich automatisch die zu ihrer
Finanzierung notwendigen Mittel verschaffen.
• Modellannahmen
Die Exporte sind exogen, da Wechselkurs und Auslandskonjunktur als
konstant angenommen werden. Die Importe sind positiv vom verfügbaren
Einkommen abhängig, da Konsumgüter nicht nur aus dem Inland gekauft
werden.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 280
Das Gütermarktmodell einer offenen Volkswirtschaft
(1) Y=YD
(2) YD=C+I+G+X-J
(3)
C=a+cYv
;(a>0, 0<c<1)
Fünf Gleichungen und
fünf endogene Variablen:
(4) Yv=Y–T
Y, YD, C, J, X, Yv, T
(5) T=*+tY ;(*>0, 0≤t<1)
Exogene Variablen: G, *,
I, t, +, , ̅
(6) X=+
̅ mYv (0<m<c)
(7) J=,+
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 281
Wie sich zeigen lässt, resultiert der folgende Multiplikator für einen
autonomen Anstieg der Investitionen:
1
=
1− "−- 1−.
• Stabilisierung in kleinen Volkswirtschaften
Eine wichtige Implikation betrifft kleine Länder, die zumeist einen hohen
Importanteil (z.B. Luxemburg) haben. Diese haben einen kleinen
Multiplikator und können mit Hilfe von Staatskonsum kaum die Wirtschaft
stabilisieren.
Der Anpassungsprozess lässt sich graphisch illustrieren:
I Y Yv Ci
T
S
J
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Sickerverluste
Folie 282
• Finanzierung:
Spr – NKE – BD = Inpr
−
−
−
−
−
Das verfügbare Einkommen steigt um (1-t)dY.
Damit steigt die private Ersparnis um (1-c)(1-t)dY.
Die Steuereinnahmen steigen um tdY; in diesem Ausmaß steigt also
die öffentliche Ersparnis und das Budgetdefizit sinkt.
Die Importe steigen um m(1-t)dY. In diesem Ausmaß steigt der
ausländische Beitrag zur Ersparnis.
Insgesamt steigt die Ersparnis um:
dS = (1 − c )(1 − t ) + t + m (1 − t )  dY
= 1 − ( c − m )(1 − t )  dY ,
also genauso stark, wie die Investitionen.
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Folie 283
• Der Wechselkurs im Keynesianischen Konsensmodell
Der Wechselkurs, e, wird gemessen als Preis des Euro in Dollar, z.B. 1€=1,25
Dollar.
− Ein Sinken des Wechselkurses, e, verbilligt inländische Produkte.
Exporte werden daher zunehmen und die teurer werdenden Importe
nehmen ab. Dies lässt den Außenbeitrag steigen.
− Der gleiche Effekt ergibt sich bei einem Preisanstieg im Ausland oder
einer Preissenkung im Inland. Entscheidend für Außenbeitrag und die
Güternachfrage ist daher der reale Wechselkurs, er=ep/pa.
− Der Anstieg des Außenbeitrags geht mit einer erhöhten
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage einher. Insgesamt gilt daher für die ISKurve:
= / − / % − / 0 , mit / , / , / > 0
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 284
• Die Zahlungsbilanz im Konsensmodell
Für die Kapitalbilanz hatten wir gesehen, dass Differenzen im (realen)
Zinsniveau entscheidend sind. Ist der inländische Realzins höher als der
ausländische, so resultieren Kapitalimporte. Es werden verstärkt Euro
nachgefragt. Ist der ausländische Realzins höher als der inländische, so wollen
Anleger verstärkt Kapital exportieren. Sie werden daher in höherem Ausmaß
Euro anbieten. Auf Angebot und Nachfrage nach Euro kann auch der
Außenbeitrag einwirken. Die Kapitalbewegungen sind in den letzten Jahrzehnten
aber immer stärker geworden. Daher wollen wir den Außenbeitrag
vernachlässigen.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 285
• Die
Devisenmarktkurve
Wir können vereinfachend argumentieren, dass so viele Devisen angeboten wie
nachgefragt werden, wenn der Realzins des Inlands dem des Auslands
entspricht, % = %1 . Ist der Zinssatz im Inland höher (geringer), besteht eine
Überschussnachfrage (Überschussangebot) nach der eigenen Währung.
Hierdurch wird die eigene Währung teurer (billiger) und der reale Wechselkurs,
er, steigt (sinkt)
r
MP
IS0
ra
P0
Y
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Y
Folie 286
Expansivere Regel der Zentralbank
r
IS0
MP
er
MP1
P0
r0
Z
P1
PA
r'↓
↓
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 287
• Erläuterung der Anpassung
Im Falle einer expansiveren Regel senkt die Zentralbank den Realzins und
erhöht damit das Inlandsprodukt. Dies bewirkt nun Kapitalexporte. Aufgrund der
hohen Nachfrage nach Dollar wird der Euro günstig und er sinkt. Hierdurch
erhöht sich der Außenbeitrag und die IS-Kurve verschiebt sich nach rechts. Die
Auswirkung der expansiven Regel wird durch die Verbilligung des Euro weiter
verstärkt. Der Außenbeitrag steigt und erhöht die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage. Diese zusätzliche Wirkung der Zentralbankpolitik wird auch als
„Wechselkurskanal“ bezeichnet.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 288
Erhöhung des Staatskonsums
r
IS0
r0
IS1
b0
er
P0=P1
Y
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MP
PA
+
Z
–
Y
Folie 289
• Erläuterung der Anpassung
Ein Anstieg des Staatskonsums ist beispielhaft hier für den Schock einer
erhöhten Güternachfrage gewählt. Die Zentralbank wird auf die gestiegene
Nachfrage mit einer Erhöhung der Realzinsen reagieren (Punkt PA). Dies löst
nun Kapitalimporte aus. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Euro wird dieser
teurer und er steigt. Hierdurch sinkt der Außenbeitrag und die IS-Kurve
verschiebt sich zurück in die Ausgangslage. Die erhöhte Güternachfrage durch
den Staatskonsum wird vollständig durch den sinkenden Außenbeitrag
kompensiert.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 290
• Wie ein Budgetdefizit des Staates (Steuersenkungen bei steigenden Ausgaben)
zu einem Defizit im Außenhandel führt, zeigte sich während der USPräsidentschaft von Ronald Reagan. Das gleichzeitige Auftreten dieser Defizite
wird als twin-deficit bezeichnet.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 291
Steigender Auslandszinssatz
r
IS0
MP
er
P1
r'a'
ra
PA
P0
Y
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Y
Folie 292
• Erläuterung der Anpassung
Eine Störung kann auch darin bestehen, dass Auslandsinvestitionen attraktiv
werden aufgrund eines erhöhten Zinssatzes im Ausland. Dies verschiebt die
Devisenmarktkurve nach oben. Kapitalexporte führen zu einer erhöhten
Nachfrage nach Dollar. Der Euro wird billiger, er sinkt. Dies erhöht den
Außenbeitrag. Den erhöhten Nettokapitalexporten steht damit ein erhöhter
Außenbeitrag entgegen. Das Inlandsprodukt steigt daraufhin. Die Importe
steigen und senken den Außenbeitrag. Der Realzins steigt und senkt die
Kapitalexporte.
• Ein Beispiel: Das britische Pfund im Jahre 1992/93
Deutschland setzte die Zinsen ab 1991 hoch, um der hohen Güternachfrage im
wiedervereinigten Deutschland entgegen zu wirken. Für Großbritannien und
Frankreich resultierte die Verschiebung der Devisenmarktkurve nach oben.
Frankreich fixierte den Wechselkurs. Daher resultierte ein Sinken des
Inlandsprodukts im Punkt PA. In Großbritannien wertete das britische Pfund nach
einer krisenhaften Entwicklung ab und das BIP stieg an.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 293
• Währungsunion
In einer Währungsunion sind die Wechselkurse zwischen den teilnehmenden
Ländern unwiderruflich fixiert. Die Zentralbank bestimmt den für die gesamte
Währungsunion passenden Nominalzins. Die Währung eines Landes, das Kapital
anzieht (verliert), wird dann nicht mehr aufwerten (abwerten). Damit entfallen
die oben beschriebenen Anpassungsmechanismen. Wie wird stattdessen eine
Anpassung an ein Gleichgewicht in einer Währungsunion erzielt?
• Divergente Entwicklung in einer Währungsunion
In einem Land mit hohen (niedrigen) Inflationsraten sind die Realzinsen niedrig
(hoch), da die Zentralbank einen Nominalzins für alle Länder bestimmt.
Investitionen werden daher gefördert (reduziert) und das Inlandsprodukt erhöht
(gesenkt). Dies bewirkt ein weiteres Ansteigen (Absinken) der Inflationsrate.
Die Unterschiede in den Inflationsraten divergieren daher. Die Währungsunion
ist von einem Auseinanderdriften bedroht.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie294
294
• Konvergente Entwicklung in einer Währungsunion
Importe- und Exporte zwischen teilnehmenden Ländern können eine
Konvergenz bewirken. In einem Land mit hohen (niedrigen) Inflationsraten
werden die Produkte teurer und es wird weniger (mehr) exportiert. Der
Außenbeitrag sinkt (steigt) daher. Dies senkt (erhöht) das Inlandsprodukt und die
Inflationsrate. Die Währungsunion kann damit eine konvergierende Entwicklung
der teilnehmenden Länder mit sich bringen. Langfristig ist zu vermuten, dass
sich die konvergente gegen die divergente Entwicklung durchsetzen wird. Aber
wie lange wird es dauern?
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie295
295
Fallstudie
VII. Fallstudie Krise in der Eurozone
Cartoon von (Martin Sutovec, www.caglecartoons.com, 16. August 2011)
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 296
Fallstudie
• 1993: Währungen wie die spanische Peseta werten bis 1995 ab. Danach
konstante Wechselkurse mit allen späteren Euro-Partnern.
• 1999: Wechselkurse für Euroländer werden unwiderruflich festgelegt und
nominale Zinssätze von Vorgänger der EZB europaweit festgelegt.
• Niedrige Inflation in Deutschland lässt den Euro real günstig werden.
Realzinsen hierdurch hoch. Investitionen niedrig und Kapitalexporte.
Leistungsbilanz wird positiv.
• Hohe Inflation in Spanien lässt den Euro real teurer werden. Realzinsen
hierdurch niedrig und Kapitalimporte. Investitionen sind hoch und
Leistungsbilanz wird negativ.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 297
Fallstudie
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 298
Fallstudie
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 299
Fallstudie
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 300
Fallstudie
• Bei der Konstruktion des Euro bestand die Erwartung, die Finanzmärkte
würden Schuldnerländer automatisch disziplinieren.
• Länder mit solidem Staatshaushalt würden nur geringe Ausfallprämien
bezahlen, solche mit hoher Verschuldung würden durch hohe Prämien bestraft
werden.
• Dies zeigte sich jedoch nicht. Stattdessen wurde das Ausfallrisiko bis 2007
vernachlässigt, entweder weil Anleger zu optimistisch waren, einen bailout im
Falle der Krise erwarteten oder an eine spätere, günstige Refinanzierung
glaubten.
• Die hohen Risikoprämien auf Staatsanleihen Spaniens haben seitdem
selbsterfüllende Wirkungen: Sie sind nicht dauerhaft finanzierbar und machen
damit einen Ausfall wahrscheinlicher.
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 301
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
May-12
Jan-12
Sep-11
May-11
Jan-11
Sep-10
May-10
Jan-10
Sep-09
May-09
Jan-09
Sep-08
May-08
Jan-08
Sep-07
May-07
Jan-07
Sep-06
May-06
Jan-06
Sep-05
May-05
Jan-05
Sep-04
May-04
Jan-04
Sep-03
May-03
Jan-03
Sep-02
May-02
Jan-02
Sep-01
May-01
Jan-01
Fallstudie
7
6
5
4
3
2
Deutschland, langfristiger Nominalzins
Spanien, langfristiger Nominalzins
1
0
Folie 302
Fallstudie
• 2010: Zusammenhalt der Eurozone erfordert temporäre Stützungsmaßnahmen.
Sparmaßnahmen in Spanien und erhöhte Nachfrage in Deutschland sind
notwendig.
• 2012: Spanien muss zunehmend Souveränität an internationale
Aufsichtsorgane abtreten. Aber wird Spanien dazu bereit sein und kann die
Regierung dafür ein demokratisches Mandat erhalten?
• Deutschland muss seinen Leistungsbilanzüberschuss abbauen und anfangen,
Investitionen und Konsum zu stärken. Insbesondere aus einer keynesianischen
Perspektive wird ein solcher Beitrag von Überschussländern zur
Krisenbewältigung gefordert. Aber Deutschland zeigt wenig Bereitschaft hierzu
und versucht eher, Vorbild bei einer „Tugend des Sparens“ zu sein. Dies trägt
derzeit zu einem europaweiten Sparparadoxon bei.
• Sind die Kulturen zu unterschiedlich, um eine dauerhafte Lösung zu
ermöglichen?
Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff
Folie 303
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