Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 1. Einleitung c* f(k) (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 1 • Hinweis Maßgeblich für die Klausur sind die in der Vorlesung vermittelten Inhalte. Die Folien erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Zum Verständnis der Folien ist ein Besuch der Vorlesung erforderlich. Die Vorlesung wird als Aufzeichnung mit einem Tag Verzögerung zur Verfügung gestellt: http://ilias.uni-passau.de/ilias/goto.php?target=crs_10895&client_id=intelec Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 2 Vorlesung Mo. 10:15-11:45, Beginn 15.10.2012 (HS 10) Übung, Mi. 18:15-19:45, Beginn 17.10.2012 (HS 10) Tutorien, Beginn 22.10.2012 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Mo 18-19 Uhr Di 16-17 Uhr Di 17-18 Uhr Di 18-19 Uhr Mi 08-09 Uhr Mi 17-18 Uhr Do 10-11 Uhr Do 16-17 Uhr Do 17-18 Uhr Do 18-19 Uhr Fr 08-09 Uhr Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff WiWi 026 (34) HK 002 (20) HK 002 (20) HK 002 (20) WiWi 028 (34) WiWi 029 (64) WiWi 026 (34) WiWi 026 (34) WiWi 026 (34) WiWi 026 (34) WiWi 027 (38) Folie 3 Literatur • Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, 3. Aufl. • Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl. • Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das Keynesianische Konsensmodell, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387-394. • Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. • Romer, David, (2012), Short-Run Fluctuations. Expanded version incorporating the liquidity trap and credit market disruptions. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 1-22; 54-114: http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ • Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 4 Verzeichnis der wichtigsten Symbole a autonomer Konsum G Staatskonsum A Prod.technologie BD Budgetdefizit C Konsum d. Haushalte c marg. Konsumquote δ Abschreibungsrate D Abschreibungen E Ertragserwartungen e Wechselkurs ($/€) F Faktoreinkommen/ Wertschöpfung i nom. Zinssatz H Humankapital I Nettoinvestitionen J‘ Importe von Gütern und Dienstleistungen J = J‘ zzgl. Faktorl. K Kapitaleinsatz k Pro-Kopf-Kapital Lr reale Geldnachfrage N Arbeitseinsatz Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 5 n Bev.wachstumsrate T Steuern NKE Nettokapitalexp. T0 Pauschalsteuern NNE Nettonationaleink. Tr Transfers an Ausland P Verbraucherpreisindex V Vorleistungen π Inflationsrate πe erw. Inflation X‘ Exporte von Gütern und Dienstleistungen r realer Zinssatz X = X‘ zzgl. Faktorl. Yb Bruttoinlandsprodukt Y pot. Inlandsprodukt Yv verf. Einkommen Z Subventionen R staatl. Transfers S Ersparnis s marg. Sparquote (= Investitionsquote) t Steuersatz Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 6 Fallstudie I. Fallstudie Deutschland und die USA Vereinigte Staaten von Amerika 2011/12 BIP: 15076 Mrd. US $ Bevölkerung: 314 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 48.000 US $ Preis Big-Mac: 4,33 US $ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 7 Fallstudie Bundesrepublik Deutschland, 2011/12 BIP: 2570 Mrd. € Bevölkerung: 81,3 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 31611 € Preis Big-Mac: 3,58 € Wechselkurs: 1,30 US $/€ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 8 Entwicklung USA 15.0 Wachstum BIP Inflation 12.0 Erwerbslosenquote Leistungsbilanzdefizit (in Prozent des BIP) 6.0 3.0 0.0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 -6.0 1972 -3.0 1970 Fallstudie 9.0 Folie 9 Entwicklung Deutschland 12.0 Wachstum BIP Inflation 9.0 Erwerbslosenquote Leistungsbilanzüberschuss (in Prozent des BIP) Fallstudie 6.0 3.0 0.0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 1972 -6.0 1970 -3.0 Folie 10 • 1973-1980: Ölpreisschocks • 1981-1983: Preisniveaustabilität wieder hergestellt Fallstudie • 1984-90: Ankurbelung der Wirtschaft mit niedrigen Steuern • 1991: Rezession als Nachwirkung des Aktienpreisschocks von 1987 und erneut erhöhte Ölpreise aufgrund des Golfkrieges • 1992-2000: New Economy Boom • 2001-2007: Leben auf Pump in den USA, Sorgen in Deutschland • 2007-2009: Finanzkrise • Ab 2010: Rückkehr zu altem Wachstum oder fortwährende Rezession? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 11 • Dogmengeschichte Fallstudie Mit ökonomischen Phasen korrespondieren auch ökonomische Lehrmeinungen. • Monetarismus Der Monetarismus zielt auf die Wichtigkeit stabiler Preise und ist Anfang der 80er Jahre prominent. • Rationalität Der Glaube an die Rationalität Einzelner und die Innovationskraft des privaten Sektors beflügeln Steuersenkungen und Deregulierung Ende der 80er Jahre. • Neue Technologien Neue Technologien bewirken einen ausgeprägten Optimismus in den 90er Jahren. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 12 Fallstudie • Immobilienpreisblase Ein Festhalten an den alten gewünschten Wachstumsraten bewirkt eine Blasenbildung bei den Immobilienpreisen. Dies ist irrational, da Immobilien kaum neue Technologien beinhalten. Mit niedrigen Zinsen wird dies lange aufrecht erhalten. Aufgrund des Glaubens an die Rationalität Einzelner wird dies aber nicht als Blase erkannt. • Wiederbelebung des Keynesianismus Mit dem Beginn der Finanzkrise wird das Versagen des privaten Sektors erneut diskutiert und die Notwendigkeit der makroökonomischen Steuerung, der Keynesianismus, wird wieder weitgehend akzeptiert. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 13 Ziele der Vorlesung Makroökonomik • Daten verstehen Sie werden makroökonomische Daten verstehen lernen, inklusive ihrer Zusammenhänge. Dies sind insbesondere Inlandsprodukt, Inflation, Zins, Wechselkurs, Leistungsbilanzdefizit und Budgetdefizit. • Interaktion Für die kurzfristigen und langfristigen Determinanten dieser Größen werden Sie das Zusammenspiel von Unternehmen, privaten Haushalten, dem Fiskus, der Zentralbank und den entsprechenden Akteuren im Ausland erkennen. • Prognosen Hierauf aufbauend werden Sie in die Lage versetzt, Prognosen zu erstellen und für eigene Planungen auszuwerten. • Interaktiv mitarbeiten Auf http://www.konjunkturboerse.de/ können Sie die Qualität Ihrer Konjunkturprognose testen. Im Rahmen der Vorlesung werden Sie mit ClassEx interaktiv eingebunden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 14 Interaktives • Beauty Contest Sie produzieren Konsumgüter für den eigenen Gebrauch. Die Anzahl an Arbeitsstunden pro Jahr wird durch die Variable e angegeben. Sie möchten genau so viel arbeiten, wie die durchschnittliche Person im Hörsaal. Hierzu wählen Sie eine Zahl zwischen 0 und 200. Aus allen im Hörsaal gewählten Zahlen wird der Durchschnitt gebildet. Derjenige Teilnehmer, der mit seiner Zahl diesem Durchschnitt am nächsten kommt, gewinnt 20€ (bei Gleichstand entscheidet das Los). Die gewählten Werte werden berichtet (inklusive der Summe der Zahlen) und eine zweite, identische Runde gespielt, bei der erneut 20€ zu gewinnen sind. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 15 Interaktives • Individuen in der Volkswirtschaft Sie produzieren Konsumgüter für den eigenen Gebrauch. Die Anzahl an Arbeitsstunden pro Jahr wird durch die Variable e angegeben. Je Stunde Arbeitseinsatz, e, produzieren Sie einen Konsum im Wert von 0,40€. Die Kosten (Mühsal) des Arbeitseinsatzes betragen e2/500. Bestimmen Sie nun Ihren Arbeitseinsatz. Per Los wird ein Teilnehmer ausgewählt, dem sein Konsum abzüglich der Arbeitskosten ausbezahlt wird. Im Hörsaal sind viele Teilnehmer in gleicher Art tätig. Wie hoch schätzen Sie ist die gesamte Summe der in der Hörsaal-Volkswirtschaft geleisteten Arbeitsstunden? Derjenige, der mit seiner Schätzung diesem Wert am nächsten kommt, gewinnt 20€ (bei Gleichstand entscheidet das Los). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 16 Wettstreit der Lehrmeinungen Zwei Visionen für die Makroökonomik • Makroökonomik als Engineering Ausgangspunkt der Makroökonomik sollte die Interaktion von Individuen sein. Wie reagieren sie aufeinander? Aus den gesammelten Erfahrungen sollten Politikempfehlungen generiert werden, mit denen sich die Steuerung makroökonomischer Aggregate verbessern lässt. Ziel der Makroökonomik ist es, praktische Probleme zu lösen. Die Makroökonomik ist dabei primär eine Erfahrungswissenschaft, die keine Mikrofundierung benötigt. (Blinder AER P&P 1987: 135): "Good science need not always be built up from solid microfoundations. Thermodynamics and chemistry, for example, have done pretty well without much micro theory... And the microfoundations of medicine are often very poor; yet much of it works. Empirical regularities that are formulated and tested directly at the macro level do have a place in science". Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 17 Wettstreit der Lehrmeinungen • Makroökonomik mit mikroökonomischem Fundament Ausgangspunkt der Makroökonomik sollte das rationale Individuum sein, dessen Verhalten sich zu einem Gleichgewicht für die Gesamtwirtschaft aggregieren lässt. Ohne ein solches mikrofundiertes Modell lassen sich aus Daten keine für die Politik relevanten Entscheidungen herleiten. Um dies zu verstehen, sollte man sich fragen, ob die Sicherheitssysteme für Fort Knox eingespart werden könnten. Historische Daten würden dies nahelegen, da dieses Lager für die Goldreserve der Vereinigten Staaten bisher noch nie überfallen wurde. Aber Überlegungen zu den Anreizen, denen Menschen ausgesetzt sind, legen eine andere Schlussfolgerung nahe. Makroökonomen sollten primär diese individuellen Anreize erforschen, um damit robuste analytische Instrumente für die Wirtschaftspolitik herzuleiten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 18 Wettstreit der Lehrmeinungen • Ein Konsens? Diese beiden kontroversen Lehrmeinungen der Makroökonomik haben das Fach seit jeher vorangetrieben und sich gegenseitig inspiriert. Im Rahmen der Vorlesung werden wir häufig auf diese beiden konträren Sichtweisen kommen und zeigen, welcher Konsens sich bis heute gebildet hat. Gleichzeitig bleiben offene Fragen und der Wettstreit der Lehrmeinungen wird offener denn je ausgetragen. Vereinfachend können wir sagen, dass die Sichtweise der Makroökonomik davon abhängt, welche der beiden stilisierten Spiele als geeigneter gehalten werden, um die komplexen Interaktionen der Makroökonomik zu beschreiben. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 19 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 2. Das Bruttoinlandsproduktf(k) c* (n+δ)k s.f(k) s.y* k* k Pflichtlektüre: Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 21-25, 37-39, 50-52, 54-55, 56. Zur Übung: VWL-Quiz http://www.wiwi.uni-passau.de/994.html Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 21 Das Inlandsprodukt • Produktion Das Inlandsprodukt ist ein Maß für die gesamtwirtschaftliche Produktion. Diese entspricht in einer (geschlossenen) Volkswirtschaft den gesamten Einnahmen der Firmen (aus dem Verkauf von Endprodukten) und den Ausgaben der Haushalte. • Marktwert Das Inlandsprodukt wird bestimmt durch den gesamten Marktwert aller Endprodukte an Gütern und Dienstleistungen, welche in einer bestimmten Periode in einem Land produziert werden. • Güter und Dienstleistungen Es beinhaltet sowohl „fassbare“ Güter (Nahrung, Kleidung, Autos) als auch „nicht-fassbare“ Dienstleistungen (Haarschnitt, Reinigungsservice, ärztliche Beratung). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 22 • Zeitraum Das Inlandsprodukt umfasst nur Güter und Dienste, welche gegenwärtig produziert werden, nicht solche der Vergangenheit oder Zukunft. Es bezieht sich dabei auf ein bestimmtes Zeitintervall (Jahr oder Quartal). • Raum Es bezieht sich auf die Produktion innerhalb der geographischen Abgrenzung eines Landes. • Markttransaktion Gezählt werden alle produzierten und legal auf Märkten gehandelten Güter. Vernachlässigt werden Güter, welche zu Hause produziert und konsumiert werden, ohne dabei über einen Markt ausgetauscht zu werden. Illegal gehandelte Güter (z.B. Drogen) werden vernachlässigt. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 23 • Vorleistungen Vorleistungen sind solche Güter und Dienste, welche in der gleichen Periode im Produktionsprozess wieder verwendet werden (z.B. Zwischenprodukte, Rohstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe, Brenn- und Treibstoffe, Transportkosten, gewerbliche Mieten). Die produzierten Vorleistungen gehören nicht zum Inlandsprodukt, da sie im gleichen Zeitraum wieder im heimischen Produktionsprozess verbraucht werden. Bei der Berechnung des Inlandsprodukts werden daher nur Endprodukte und nicht Vorleistungen einbezogen (so dass Doppelzählungen vermieden werden). • Wertschöpfung Das Inlandsprodukt entspricht damit der Wertschöpfung. Von der Summe aller Produktionswerte (einschl. Vorleistungen) müssen sämtliche Vorleistungen abgezogen werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 24 • Beispiel der Brotproduktion (L steht für Lohn, G für Gewinn) Landwirte L 200 Getreide 300 Müller Bäcker Vorleist. 300 Mehl 500 G 100 L 100 Vorleist. 500 G 100 Brot 700 L 120 • Produktionswert: 1500 G 80 • Vorleistungen: 800 • Wertschöpfung: 700 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 25 • Nominales Inlandsprodukt Das nominale Inlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten zu aktuellen Preisen. • Reales Inlandsprodukt Das reale Inlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten zu konstanten Preisen. • Bruttoinlandsprodukt Das bisher bestimmte Inlandsprodukt ist eine Bruttogröße. Die durch Nutzung eingetretene Wertminderung des Anlagevermögens wird nicht abgezogen. Daher wird es als Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezeichnet. • Nettoinlandsprodukt Zur Bestimmung der Wertschöpfung werden vom Bruttoinlandsprodukt die Abschreibungen, also die durch Nutzung eingetretene Wertminderung des Anlagevermögens, abgezogen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 26 • BIP-Deflator Der BIP-Deflator misst das gegenwärtige Preisniveau relativ zum Preisniveau eines Basisjahres. • Steigender BIP-Deflator Ein Anstieg des BIP-Deflators bedeutet, dass ein Anstieg des nominalen BIP auf Preiserhöhungen und nicht auf eine gestiegene mengenmäßige Produktion zurückzuführen ist. • Sinkender BIP-Deflator Ein Sinken des BIP-Deflators bedeutet, dass ein sinkendes nominales BIP aus Preissenkungen resultiert und nicht durch eine schrumpfende mengenmäßige Produktion bedingt ist. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 27 Bruttoinlandsprodukt, Deutschland, real in Preisen von 2000 und nominal Mrd. € 640.0 125 620.0 120 600.0 115 580.0 110 560.0 540.0 105 520.0 100 500.0 95 480.0 90 460.0 440.0 85 420.0 80 400.0 75 380.0 70 360.0 2010-01 2009-01 2008-01 2007-01 2006-01 2005-01 2004-01 2003-01 2002-01 2001-01 2000-01 1999-01 1998-01 1997-01 1996-01 1995-01 1994-01 60 1993-01 320.0 1992-01 65 1991-01 340.0 BIP nominal (pro Quartal) BIP real (2000=100) Quelle: Zeitreihendatenbank, http://www.bundesbank.de Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 28 • Wohlfahrt Unter den makroökonomischen Größen kann am ehesten das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Maß für das individuelle Wohlergehen angesehen werden. Dieses gibt an, welches Einkommen ein Mensch mit seiner Arbeit verdient und welchen Lebensstandard er sich im Durchschnitt leisten kann. • Glück und Lebenszufriedenheit Zwischen dem realen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt und dem im Rahmen von Umfragen erhobenen Ausmaß des Glücks oder der Lebenszufriedenheit besteht ein robuster und starker Zusammenhang. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 29 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 30 • Lücken Das Bruttoinlandsprodukt ist nicht ein perfektes Maß des Lebensstandards oder des Glücks. U.a. fehlen Wertansätze für die folgenden „Güter“: - Freizeit, - Saubere Umwelt, - Gesundheit, - Güter und Dienste, die nicht über den Markt ausgetauscht werden, z.B. freiwillige, unentgeltliche Arbeiten, gegenseitige Hilfestellungen in der Familie, - Gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen, - Intakte soziale Beziehungen und Lebenspartnerschaften. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 31 • Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Die Makroökonomik lässt sich im Rahmen eines Kontensystems systematisch erfassen und darstellen. Für einen einfachen Ansatz unterstellen wir eine geschlossene Volkswirtschaft, d.h. wir vernachlässigen das Ausland. Wir vernachlässigen öffentliche Haushalte. Es existieren somit nur private Haushalte und Unternehmen. Arbeitskraft Lohn (700) Private Haushalte Vorleistungen (300) Unternehmen Zahlung (700) Konsumgüter Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 32 • Vereinfachende Annahmen − − − − − − − Private Haushalte produzieren nicht. Sie sparen nicht, verausgaben also ihre gesamten Einkommen vollständig. Unternehmen produzieren nur Konsumgüter und Dienstleistungen, welche in der gleichen Periode abgesetzt und konsumiert werden, also keine Investitionsgüter. Unternehmen bilden keine Ersparnisse. Alle Gewinne werden an die Haushalte ausgeschüttet. Aufgrund der fehlenden Ersparnisbildung gibt es kein Vermögen. Die Güter werden mit Hilfe menschlicher Arbeitskraft und Vorleistungen (Rohstoffe, Transportkosten, usw.) produziert, aber ohne den Einsatz von Sachvermögen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 33 Einkommenskonto • F steht hierbei für das Faktoreinkommen • Inlandsprodukt = Wertschöpfung: 700 F 700 C 700 • Produktionswert: 1000 Produktionskonto V 300 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 34 • Kontenarten Entsprechend den wirtschaftlichen Funktionen in der betrachteten Volkswirtschaft existiert ein Einkommenskonto und ein Produktionskonto. • Produktionskonto Das Produktionskonto erfasst die Produktion, Einkommensentstehung und Einkommensverteilung. Anschaulich kann das Produktionskonto als Konto der Produzenten (hier der Unternehmen) betrachtet werden. • Einkommenskonto Das Einkommenskonto erfasst die Einkommenserzielung, -umverteilung und -verwendung. Anschaulich kann das Einkommenskonto als Konto der Einkommensbezieher (hier der privaten Haushalte) betrachtet werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 35 • Zahlungsströme Die eingezeichneten Ströme sind Zahlungsströme (im Falle einer Kreditgewährung könnten wir auch von Forderungsströmen sprechen). − Der Strom C bedeutet, dass den Produzenten aus dem Verkauf von Konsumgütern an die Einkommensbezieher Zahlungsmittel in Höhe von 700 zufließen. − Dem aus Konsumgüterverkäufen der Produzenten resultierenden Strom fließt ein gleich starker, aber entgegen gerichteter Strom von den Produzenten zu den Einkommensbeziehern entgegen. − Dieser bringt zum Ausdruck, dass die Produzenten an die Einkommensbezieher Löhne und Gehälter, so genannte Faktoreinkommen, zahlen. − Mit dem zweiten Strom entsteht ein Kreislauf. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 36 • Faktoreinkommen Die Faktoreinkommen beinhalten die so genannten Erwerbs- und Vermögenseinkommen. • Erwerbseinkommen Die Erwerbseinkommen sind die Arbeitnehmerentgelte und die Selbstständigeneinkommen. • Vermögenseinkommen Zu den Vermögenseinkommen gehören Zinsen und Mietzahlungen sowie die verteilten Gewinne in Form von Dividendenausschüttungen oder Gewinnentnahmen. Wir hatten jedoch unterstellt, dass kein Vermögen angesammelt wurde. Daher besteht das Einkommen zunächst nur aus Erwerbseinkommen und wird hier als „Lohn“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 37 Darstellung in Kontenform Einkommenskonto Konsumausgaben 700 700 Produktionskonto Vorleist. Faktoreinkommen 300 300 Vorleist. Wertschöpfung = 700 Löhne 700 Konsumgüter Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 38 • Private Haushalte als Produzenten Unsere vereinfachende Annahme, private Haushalte würden nicht produzieren, soll nun aufgegeben werden. • Definitorische Abgrenzung Der Begriff „privater Haushalt“ wird gemäß einer Abgrenzung für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durch das europäische System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (abgekürzt: ESVG; verbindlich für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ab April 1999) vorgenommen. • Produktion privater Haushalte Zum Produktionswert der von privaten Haushalten erzeugten Güter gehören einerseits Dienstleistungen, die Hausangestellte, Reinigungspersonal, Butler u. ä. Erwerbstätige gegen Entgelt produzieren und an andere private Haushalte verkaufen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 39 • Unternehmen im Sektor „private Haushalte“ Ferner gehören manche Unternehmen zum Sektor „private Haushalte“. Dies sind insbesondere alle Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, z.B. selbständige Landwirte, Einzelunternehmer im produzierenden Gewerbe, Handwerker, Händler, Gastwirte. Die Produktion dieser Unternehmen wird somit auf dem Produktionskonto der privaten Haushalte verbucht. • Unternehmen im Sektor „Unternehmen“ Unternehmen werden nur dann dem Sektor „Unternehmen“ zugerechnet, sofern sie eine eigene Rechtspersönlichkeit haben. Dies sind insbesondere Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 40 Darstellung in Kontenform Private Haushalte Unternehmen Produktionskonto Produktionskonto Wertschöpfung = Löhne 270 120 Vorleist. Dienstlst.an Haushalte 150 Konsumgüter Wertschöpfung = Löhne 550 Einkommenskonto 300 300 Vorleist. 550 Konsumgüter Einkommenskonto Konsumausgaben 820 700 Faktoreinkommen Ausgaben für Dienstlst. 120 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 41 • Sparen, Vermögen und Investition in der VGR Nun soll die Annahme aufgegeben werden, dass private Haushalte und Unternehmen nicht sparen und nicht investieren. − Private Haushalte sparen dadurch, dass sie nur einen Teil ihres Faktoreinkommens für Konsum ausgeben. Ihre Ersparnis stellen sie den Investoren zur Verfügung. Hierfür erhalten sie dann Vermögenseinkommen wie z.B. Zinsen oder Dividenden. − Die Unternehmen erzielen Gewinne. Sie können sparen, indem sie diese Gewinne nicht vollständig als Dividenden an die privaten Haushalte abführen. Diese werden verbucht als ein Einkommen, welches sich die Unternehmen auf ihr Einkommenskonto zuweisen. − Aufgrund der durch Nutzung eingetretenen Wertminderung des Anlagevermögens müssen Unternehmen ferner Abschreibungen verbuchen. − Es werden nicht nur Konsumgüter produziert, sondern auch Investitionsgüter, d.h. dauerhafte Produktionsmittel wie maschinelle Anlagen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 42 • Konsum Unter Konsum (C) verstehen wir sämtliche Ausgaben der privaten Haushalte für (Verbrauchs-) Güter und Dienste. Auch langlebige Konsumgüter, die nicht während einer laufenden Periode verbraucht werden wie Autos, Computer, Musikinstrumente oder Waschmaschinen, zählen zu den Konsumgütern. Eine Ausnahme stellen Eigenheime dar. Diese werden von privaten Haushalten gekauft, zählen aber zu den Investitionsgütern. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 43 • Investitionen Investitionen (I) sind Ausgaben für Kapitalausstattung, Vorräte und Bauten (Häuser), also für Güter, welche nicht unmittelbar verbraucht werden. Dabei unterscheiden wir: − Bruttoanlageinvestition: gekaufte und selbst erstellte Anlagen wie Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen, Fahrzeuge, Geschäftsausstattung), Bauinvestitionen (Wohnbauten, gewerbliche Bauten, Straßen etc.) und immaterielle Anlagegüter (wie Computerprogramme, Urheberrechte). − Lagerinvestitionen: Zuwachs an eigenen halbfertigen und fertigen Erzeugnissen und den von anderen Unternehmungen gekauften und noch gelagerten Vorprodukten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 44 • Einige Begriffe: − Bruttoinvestition: Ib − Nettoinvestition: I − Lagerinvestition: IL − Reinvestition ~ D − (Brutto-) Anlageinvestition: IbA Ib 250 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Reinvest. 150 D 150 IbA 210 I 100 IL 40 Folie 45 Darstellung in Kontenform Private Haushalte Unternehmen Produktionskonto Produktionskonto Wertschöpfung – Löhne – Zinsen – einbeh. Gewinne Investitionsgüter Abschreibungen Einkommenskonto Konsumausgaben Einkommenskonto Faktoreinkommen Ersparnis – Löhne – Zinsen einbeh. Gewinne Ersparnis Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 46 • Vermögensänderungskonto Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass zu manchen Posten eine Gegenposition fehlt. Hierfür ist ein Vermögensänderungskonto zu berücksichtigen. Wir betrachten nun zur Vereinfachung nur gesamtwirtschaftliche Konten, vernachlässigen also die Unterscheidung in private Haushalte und Unternehmen. • Flussdiagramm vs. Kontenform Eine Darstellung kann entweder in Form eines Flussdiagramms oder in Kontenform erfolgen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 47 Flussdiagramm einer einfachen Volkswirtschaft S 100 Einkommenskonto F 820 C 720 Vermögensänderungskonto Ib 250 Produktionskonto D 150 V 300 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 48 • Erläuterung des Flussdiagramms Die den Haushalten und Unternehmen zufließenden Einkommen in Höhe von 820 werden in Höhe von 720 für Konsumzwecke ausgegeben und der Rest in Höhe von 100 wird gespart. Die Ersparnis fließt dem Vermögensänderungskonto zu. Damit wird ein Teil der Bruttoinvestition in Höhe von 250 finanziert. Als Gedankenstütze kann man sich vorstellen, dass das Vermögensänderungskonto beim Produktionskonto Investitionsgüter in Höhe von 250 kauft und bezahlt. Der nicht durch Ersparnisse finanzierte Teil der Bruttoinvestition in Höhe von 150 Einheiten wird durch Abschreibungen finanziert, genauer aus Abschreibungsgegenwerten. • Berechnung des Inlandsprodukts Das Nettoinlandsprodukt lässt sich aus dem Produktionskonto ermitteln: Y=C+I=820 Es gilt ferner für das Bruttoinlandsprodukt Yb=Y+D=970 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 49 Gesamtwirtschaftliche Konten einer einfachen Volkswirtschaft Produktionskonto Einkommenskonto Konsumausgaben 720 820 Faktoreinkommen Vorleist. 300 Abschr. 150 Wertschöpfung – Löhne 680 – Zinsen 140 Ersparnis 100 300 Vorleist. 720 Konsumgüter 250 Inv.güter Vermögensänderungskonto Inv.güter 250 150 Abschr. 100 Ersparnis Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 50 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* f(k) 3. Produktion und Wachstum c* (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 51 Pflichtlektüre: Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, S. 240-271. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 180192; 199-204. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 52 • Unterschiede im Lebensstandard Der Lebensstandard, gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, variiert stark zwischen Ländern. Gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, unterscheidet er sich ca. um den Faktor 100. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 53 • Ursachen für Armut und Reichtum Der Lebensstandard wird maßgeblich von der Produktivität der Arbeitskräfte bestimmt. Unter Produktivität versteht man die Menge an Gütern und Diensten, die in einer Arbeitsstunde produziert werden. Die Produktivität wird maßgeblich durch folgende Produktionsfaktoren bestimmt. − Physisches Kapital − Humankapital − Natürliche Ressourcen − Technischer Fortschritt Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 54 • Physisches Kapital Unter Kapital versteht man einen aus der vergangenen Produktion stammenden Faktor, der in die gegenwärtige Produktion eingeht. Physisches Kapital ist der Bestand an Maschinen und Bauten. Wertmäßig entspricht er dem Marktwert aller in der Vergangenheit getätigten Investitionen. • Humankapital Humankapital ist der ökonomische Begriff für das Wissen und die Fertigkeiten, welche Arbeiter durch Erziehung, Training und Erfahrung akquirieren und zur Produktionssteigerung einsetzen können. Wertmäßig wird das Humankapital bestimmt durch die Ausgaben, welche getätigt werden, um den Arbeitskräften das Verständnis neuer Prozesse und Produkte zu vermitteln. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 55 • Natürliche Ressourcen Natürliche Ressourcen sind Produktionsfaktoren, die von der Natur bereit gestellt werden. Beispiele hierfür sind Boden, Metalle oder Öl. Sie werden eingeteilt in erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Wälder oder Fischbestände, und nicht erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Kohle oder Mineralwasser. • Resource Curse Natürliche Ressourcen sind wichtig. Aber viele Länder mit wenig Ressourcen (Deutschland, Japan) können trotzdem einen hohen Lebensstandard erzielen. Rohstoffbesitzer wie Gabun, Nigeria oder Venezuela sind hingegen teilweise ärmer. Rohstoffeinnahmen bringen oftmals korrupte Regierungen hervor, die Kapital unterschlagen und der Produktion entziehen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 56 • Technischer Fortschritt Unter technischem Fortschritt versteht man das Verständnis innovativer Produktionstechnologien und Organisationsmethoden (Prozessinnovationen) sowie verbesserter oder neuartiger Produkte (Produktinnovationen). • Abgrenzung Humankapital ist im Gegensatz zu technischem Fortschritt fest mit einer Arbeitskraft verbunden. Es kann nicht käuflich erworben und transferiert werden. Während die Erfindung der Schreibmaschine technischer Fortschritt ist, ist das Erlernen der Zehn-Finger-Technik eine Form von Humankapital. Für Humankapital müssen Ausgaben getätigt werden, um den Arbeitskräften das Verständnis neuer Prozesse und Produkte zu vermitteln. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 57 Fallstudie II. Fallstudie China China, 2011/12 BIP: 47156 Mrd. Yuan Bevölkerung: 1343 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 35100 Yuan Preis Big-Mac: 15,65 Yuan Wechselkurs: 6,40 Yuan/US $ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 58 Entwicklung China 20.0 Wachstum BIP 18.0 45 Inflation Leistungsbilanzüberschuss (in Prozent des BIP) 16.0 Investitionen (als Prozent des BIP; zweite Achse) Fallstudie 14.0 40 12.0 10.0 8.0 35 6.0 4.0 2.0 30 0.0 -2.0 -4.0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 25 Folie 59 Fallstudie • 1978: Privateigentum an landwirtschaftlichen Überschüssen. • 1984: Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen – dort Experimente mit eigenen Wirtschaftsgesetzen. Ausländische Investoren als Minderheitseigner willkommen. Schrittweise Preisliberalisierung und Aufhebung der Mengenplanung. • 1989-1992: Politische Krise. • 1992-2002: Privatisierung kleiner Staatsunternehmen und Bankenreform. Später Privateigentumsrechte und WTO-Beitritt. • 1994-2010: Stetige Erhöhung der Devisenreserven auf derzeit 2500 Mrd. US $. Keine Aufwertung des Yuan. • Seit 2008: Erhöhung der Investitionen um dem durch die Finanzkrise bedingten Nachfrageausfall entgegenzuwirken. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 60 • Produktionsfunktion Eine Produktionsfunktion gibt ein Verhältnis zwischen der Menge an Einsatzfaktoren und der erzielten (Brutto-) Produktionshöhe an. Yb=AF(N, K, H), FN>0, FK>0, FH>0. • Variablen: − Yb das Bruttoinlandsprodukt (die Produktion), − A die Produktionstechnologie, − N die Anzahl an Arbeitskräften, − K die Menge an physischem Kapital, − H die Menge an Humankapital und − F() eine Funktion, welche diese Faktoren kombiniert. − Auf die Berücksichtigung von Rohstoffen wird hier verzichtet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 61 • Konstante Skalenerträge Eine Produktionsfunktion hat „konstante Skalenerträge“ wenn für jede positive Zahl x gilt: xYb=AF(xN, xK, xH) Eine Verdoppelung aller Einsatzfaktoren führt zu einer Verdoppelung der Produktion. • Zur Plausibilität Wenn zu einer existierenden Betriebsstätte eine zweite, identische an einem anderen Ort und unter sonst gleichen Bedingungen erstellt wird, sollte diese die gleiche Produktion hervorbringen können. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 62 • Die Frage der Konvergenz − Sind Länder mit niedrigem Einkommen durch höhere Wachstumsraten gekennzeichnet? Falls dies so wäre, würden Einkommensunterschiede im Zeitverlauf abgebaut. Dies wird als catch-up-Effekt bezeichnet. • Konstante Skalenerträge und Grenzerträge − Ersetzen wir x durch 1/N, dann folgt: Yb/N=AF(1, K/N, H/N)= Af(K/N, H/N). − Der Term „1“ in der Funktion ist überflüssig. Wir können ihn auch weglassen und zur Unterscheidung der Funktion den Kleinbuchstaben, f(), verwenden. − Hierbei ist nun Yb/N die Produktion pro Arbeitskraft, K/N der Kapitaleinsatz je Arbeitskraft und H/N das Humankapital je Arbeitskraft. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 63 − Werden alle Pro-Kopf Einsatzfaktoren der gegebenen Produktionsfunktion verdoppelt, so ergibt sich nur ein unterproportionaler Anstieg: AF(1, 2.K/N, 2.H/N) < 2.Yb/N − Dies ergibt sich, da die 1 nicht verdoppelt wird. − Konstante Skalenerträge einer Produktionsfunktion implizieren somit sinkende Grenzerträge der Pro-Kopf-Produktion. − Einsatzfaktoren werden mit steigendem Einsatz tendenziell unproduktiver. Daher haben Länder mit geringer Ausstattung eine höhere Grenzproduktivität und damit einen Produktionsvorteil gegenüber reicheren Ländern. − Dies könnte einen catch-up-Prozess begünstigen und damit eine Konvergenz. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 64 Quelle für Graphik: Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 65 Wachstum und Pro-Kopf-Inlandsprodukt in US-Staaten Quelle: Barro und Sala-i-Martin (1995), Economic Growth, S. 28. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 66 • Empirische Evidenz zu Konvergenz − Konvergenz scheint gemäß empirischer Evidenz dort vorzuliegen, wo Länder relativ ähnliche Ausgangsbedingungen haben. − Für die Welt insgesamt liegt gemäß empirischer Evidenz keine Konvergenz vor. − Eine mögliche Begründung hierfür könnte darin liegen, dass Länder sich in wichtigen Voraussetzungen unterscheiden. − Diese Voraussetzungen wollen wir im Rahmen eines Wachstumsmodells darstellen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 67 • Anwendung Cobb-Douglas-Produktionsfunktion Für das Solow-Wachstumsmodell wird oftmals eine Cobb-DouglasProduktionsfunktion unterstellt: Yb=AF(N,K)=AKαN1-α , 0<α<1. − Positive und abnehmende Grenzerträge (gleiches gilt nur N): dYb/dK=AαKα−1N1-α>0; d2Yb/dK2= Aα(α−1) Kα−2N1-α <0. − Konstante Skalenerträge: A(xK)α(xN)1-α = AxαKαx1-αΝ1-α =xAKαN1-α=xYb. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 68 b Yb=F(K,N) Kapital K Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 69 • Vereinfachung Wir verzichten auf eine explizite Berücksichtigung des Humankapitals. Dies kann aber unter K subsumiert werden. Als Schreibweise in Pro-Kopf-Termen gelte k=K/N und y=Yb/N: y=Yb/N=F(K,N)/N= f(k). Das Pro-Kopf-Einkommen, y, ist somit eine positive, aber abnehmende Funktion des Pro-Kopf-Kapitalstocks, k. Mit der Funktion wird das Verhalten einer einzelnen Wirtschaftseinheit, einem Kopf der Bevölkerung, dargestellt in Abhängigkeit des durchschnittlichen Kapitalstocks. Diese Wirtschaftseinheit wird nicht nur produzieren und in Höhe der Produktion ein Einkommen erzielen. Sie wird Teile dieses Einkommens für Konsumzwecke verwenden und andere Teile für Investitionszwecke. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 70 • Konsumieren und Investieren Wir unterstellen, dass die Wirtschaftseinheit eine feste Relation wählt für die Aufteilung des Einkommens in Konsum und Investition. Bei einer festen Aufteilung beträgt somit die gesamte Investition pro Kopf sy und der Konsum (1-s)y. • Sparen und Investieren Die Investitionsquote ist in dem Modell identisch zur Sparquote der Wirtschaftseinheit. Daher bezeichnen wir den Anteil als „s“ (savings). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 71 • Dynamische Anpassung Wie verändert sich der Kapitalstock über die Zeit? Zur Berechnung müssen wir von den Bruttoinvestitionen (I) die Abschreibungen (δK) abziehen: & & δ K =sF − δ K ⇔ K/N=s ⋅ f ( k ) -δ k K=I- Wie verändert sich die Pro-Kopf-Kapitalausstattung über die Zeit? Diese variiert sowohl mit Veränderungen der Kapitalausstattung als auch mit Veränderungen der Bevölkerung (= des Arbeitseinsatzes). Es gilt: k& ≡ d (K N ) dt & & K& KN& NK-KN = = − 2. 2 N N N Wir nehmen an, dass ein konstantes Bevölkerungswachstum exogen vorgegeben ist. Es gilt somit N(t)=ent und daher: n ≡ N& N Einsetzen erbringt: k& = K& N − nk . Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 72 • Resultat: Für die Dynamik des Pro-Kopf-Kapitalstocks folgt k& = s ⋅ f ( k ) - (δ + n ) k . Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks ergibt sich, wenn von den aus der bestehenden Produktion resultierenden Pro-Kopf-Investitionen die Abschreibungen abgezogen werden. Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit demselben Kapitalstock ausgestattet werden. • Notwendige Investitionen Der Pro-Kopf-Kapitalstock verringert sich durch Abschreibungen, welche proportional zum existierenden Kapitalstock sind. Zusätzlich verringert sich der Pro-Kopf-Kapitalstock durch einen Anstieg der Bevölkerung, da der bestehende Kapitalstock dann auf mehr Arbeitskräfte zu verteilen ist. Diese beiden Effekte zusammen bewirken ein Schrumpfen des Pro-KopfKapitalstocks gemäß (δ+n)k . Zum Erhalt des Pro-Kopf-Kapitalstocks müssen die Investitionen gerade (δ+n)k betragen. Diese Größe wird daher auch als „notwendige Investition“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 73 • Anwendung Cobb-Douglas-Produktionsfunktion: y=AKaN1-a/N = Aka . Einsetzen für y erbringt für die Dynamik der Anpassung: k& = s ⋅ Ak α - (δ + n ) k . Dies verdeutlicht erneut die Dynamik: Mit den aus der bestehenden Produktion resultierenden Pro-Kopf-Investitionen müssen zuerst die Abschreibungen beglichen werden. Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit demselben Kapitalstock ausgestattet werden. Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks ergibt sich nur, wenn die notwendigen Investitionen geringer sind als die tatsächlichen Investitionen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 74 y, s.y f(k) steady state y* c* (n+δ)k y0 s.f(k) c0 s.y s.y* 0 Notwendige Investition k0 k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 75 • Steady-state Ein steady-state ist definiert als eine Situation, in der alle makroökonomischen Aggregate mit einer über die Zeit konstanten Rate wachsen. Hierfür ist ein konstanter Pro-Kopf-Kapitalstock (k*) erforderlich. Im steady-state gilt bei einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion: s ⋅ Ak α = (δ + n ) k Pro-Kopf-Kapitalstock im steady-state: 1 (1−α ) sA k* = δ +n − K, Yb und C wachsen mit der konstanten Wachstumsrate n. − Ihr Niveau wird bestimmt von der Technologie, A, der Sparquote, s, der Wachstumsrate der Bevölkerung, n, und der Abschreibungsrate, δ. − Ein fortgesetztes Wachstum von Pro-KopfVariablen lässt sich mit dem Modell nicht erklären. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 76 Eine Verlagerung der Produktionsfunktion y, s.y y*2 f2(k) f1(k) y*1 (δ+n)k sy*2 s.f2(k) s.f1(k) sy*1 k*1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k*2 k Folie 77 Eine Erhöhung der Sparquote y, s.y y*2 y*1 f(k) s2y*2 s2.f (k) (δ+n)k s1.f (k) s1y*1 k*1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k*2 k Folie 78 Pro-Kopf Einkommen und Investitionsquote 100000 LUX Bruttoinlandsprodukt Pro-Kopf in Kauflkraftparität, US $, 2008 . KWT USA GBR NLD CAN SWE DNK DEU FRA ITA ISR SAUOMN TTO NOR HKG CHE ISL FIN AUS MLT SGP JPN GRC KOR HUN CHLARG MEX CRI BRA ZAF COL DOM ECU SLV EGY SWZ FJI PRY GTM LKA BOL SYR MARIDN PHL HND IND SAS NIC PAK CMR PNG SDN MRT SEN CIV KEN BEN GHA GMB ZMB TCD BGD BFA NPL MLI UGA MDG RWA TGO MWI CAF NER URY TUR 10000 1000 MYS VEN PER TUN SUR GAB BWA IRN THA DZA CHN COG GUY LSO BDI ZAR 100 10 15 20 25 30 35 Physische Investitionen in Prozent des Inlandsprodukts, Durchschnitt 1960-2009 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 79 Eine Erhöhung der Wachstumsrate der Bevölkerung y, s.y y*1 y*2 f(k) (δ+n2)k (δ+n1)k sy*1 sy*2 s.f (k) k*2 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k*1 k Folie 80 Pro-Kopf Einkommen und Geburtenrate Bruttoinlandsprodukt Pro-Kopf in Kauflkraftparität, US $, 2008 . 100000 LUX MAC NOR SGP USA HKG IRL CHE N LD AUT CAN AUS ISL SWE DNK DEU GBR FIN JPN FRA BEL ESP ITA GRC SVN CYP NZL KOR CZE MLT PRT SVK EST HUN HRV LTU POL LVA ARE BRNKWT BHR ISR TTO GNQ OMN SAU LBY MEXGAB BWA ARG CHL MYS TUR URY PAN MUS BLR ROM BGR LBN IRN MNE CRI BRA ZAF LCA MKD COL DOM AZE GRD VCT BIH THA PER DZA JAM TUN ECU ALB SUR UKR TKM SLVBLZNAM CHN ARM AGO JOR MDV EGY SWZ GEO BTN GTM FJI TON PRY SYR WSM BOL VUT MAR IDN COG HND PHL CPV IRQ MNG GUYIND MDA VNM FSM NIC UZB PAK SLB YEM DJI PNG CMR LAO SDN NGA KHM MRT TJK SEN STP CIV LSO GHA BEN KEN GMB ZMB BGD TCD TZA BFA MLI UGA AFG HTINPL COM GIN MDG RWA ETH TGO MOZ MWI TMP SLE CAF ERI GNB 10000 1000 BDI NER LBR ZAR 100 0 10 20 30 40 50 60 Geburten pro 1000 Einwohner, Durchschnitt 1960-2009 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 81 • Modelltheoretische Implikationen zur Konvergenz − − − Eine Angleichung des Pro-Kopf-Einkommens (Konvergenz) können wir erwarten, wenn die Produktionstechnologie, die Sparquote, das Wachstum der Bevölkerung und die Abschreibungsrate der jeweiligen Länder gleich sind. Mit Konvergenz ist dort nicht unbedingt zu rechnen, wo diese Größen unterschiedlich sind. Solche Unterschiede sind geeignet, die empirischen Belege für eine weltweit fehlende Konvergenz zu begründen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 82 Wettstreit der Lehrmeinungen • Kritik des Wachstumsmodells − Reiche Länder verfügen evtl. über bessere Möglichkeiten, technischen Fortschritt anzutreiben (endogene Wachstumstheorie). Dies könnte auch erklären, warum Konvergenz oftmals ausbleibt. − Im Rahmen des Modells findet kein Handel zwischen den verschiedenen repräsentativen Haushalten statt. Jeder Haushalt hat es daher zu leicht, rationale Entscheidungen zu treffen, ohne dabei auf die komplizierte Interaktion mit anderen Haushalten achten zu müssen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 83 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 4. Geld und Inflation c* f(k) (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 84 Pflichtlektüre: Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 75108; 524-525. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 85 • Inflation Unter Inflation, π, versteht man eine Situation, in der die Lebenshaltungskosten in einer Volkswirtschaft ansteigen. Deflation bezeichnet dagegen die gegenteilige Situation sinkender Lebenshaltungskosten. Die Lebenshaltungskosten sind ein Maß für die gesamten Kosten der Güter und Dienste, welche von einem typischen Konsumenten gekauft werden. Ein Anstieg der Lebenshaltungskosten bedeutet, dass ein typischer Konsument mehr Euro ausgeben muss, um den Lebensstandard zu halten. Das Statistische Bundesamt stellt hierfür monatliche Daten zur Verfügung. Diese erlauben es, die zeitliche Veränderung der Lebenshaltungskosten zu verfolgen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 86 • Verbraucherpreisindex Die Lebenshaltungskosten werden auch „Verbraucherpreisindex“ genannt und im Folgenden mit P gekennzeichnet. Zur Bestimmung der Lebenshaltungskosten muss zunächst ein Warenkorb bestimmt werden. • Warenkorb Der Warenkorb enthält die wichtigsten Güter eines typischen Konsumenten. Mit Hilfe von Befragungen von Haushalten werden in periodischen Abständen die passenden Gewichte der einzelnen Güter bestimmt. Haushalte werden hierzu seitens des Statistischen Bundesamtes aufgefordert, ein Jahr lang über ihre Einnahmen und Ausgaben Buch zu führen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 87 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 88 • Messung der Inflation Zu den Gütern des Warenkorbes werden regelmäßig die Preise zusammengetragen. Hiermit können dann die gesamten Kosten des Warenkorbes zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestimmt werden. Ein Jahr wird als Basisjahr festgelegt und die Ergebnisse anderer Jahre mit denen des Basisjahres verglichen. Die Inflationsrate, π, im Jahre 2012, beispielsweise, ergibt sich gemäß: − = × 100 • Bias in der Messung Der Verbraucherpreisindex ist ein akkurates Maß für das Preisniveau des ausgewählten Warenkorbes, aber er ist kein perfektes Abbild der Lebenshaltungskosten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 89 1. Substitutionsbias Veränderungen relativer Preise bewirken eine Veränderung des Warenkorbes hin zu preiswerteren Produkten. Durch diese Substitutionseffekte wird der gesamte Warenkorb günstiger. Der Index unterstellt einen konstanten Warenkorb, vernachlässigt also diesen Substitutionseffekt. Hierdurch überschätzt der Index die Inflationsrate. 2. Einführung neuer Produkte Der Warenkorb vernachlässigt die veränderte Kaufkraft, welche durch die Einführung neuer Produkte entsteht. Neue Produkte erhöhen die Wahlmöglichkeiten eines Konsumenten. Dies macht jeden Euro wertvoller. Konsumenten brauchen weniger Euro, um den gleichen Lebensstandard zu erreichen. Der Verbraucherpreisindex vernachlässigt dies und überschätzt daher die Inflationsrate. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 90 3. Vernachlässigte Qualitätsverbesserungen Wenn sich die Qualität eines Gutes über die Jahre verbessert, erhöht sich der Wert eines hierfür ausgegebenen Euro, ohne dass sich das Preisniveau des Gutes verändert. Sofern im Mittel eher Qualitätsverbesserungen auftreten, kommt es dazu, dass der Verbraucherpreisindex die Inflationsrate überschätzt. • Überschätzung der Lebenshaltungskosten Aufgrund der drei genannten Gründe werden die Lebenshaltungskosten überschätzt. Schätzungen ergeben, dass die gemessene Inflation den tatsächlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten um ca. einen Prozentpunkt pro Jahr überzeichnet. Dies kann problematisch sein, sofern ein Inflationsausgleich bei staatlichen Programmen oder in Tarifverhandlungen festgelegt wird (dies wird auch „Indexierung“ genannt. Eine solche Indexierung ist in Deutschland rechtlich aber nur eingeschränkt möglich). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 91 Interaktives • Inflation Haben Sie Sorge, dass in der Zukunft die Inflation ansteigen könnte? o Ja Nein Gesetzt den Fall, die Inflation würde tatsächlich ansteigen, hätten Sie Sorge, dass dies negative Auswirkungen hätte? o Ja Nein Welche negative Auswirkung würden Ihnen am meisten Sorge bereiten? o Meine Ersparnisse und Vermögen sind weniger wert. o Ich kann mir von meinem jährlichen Einkommen weniger leisten. o Die Wirtschaft wird instabil weil keiner mehr Preisschwankungen versteht. o Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. o Andere Gründe. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 92 Die Kosten der Inflation − Inflation bei konstantem nominalen Lohneinkommen reduziert die Kaufkraft der Lohnempfänger. Wird mit diesem Argument bereits auf die Kosten der Inflation verwiesen? − Nein. Konstanter nominaler Lohn kann mit steigendem Selbstständigenoder Gewinneinkommen einhergehen, denn Produzenten verdienen nominal mehr bei steigenden Preisen. Damit findet eine (evtl. unerwünschte) Umverteilung statt, nicht aber ein allgemeines Sinken des Lebensstandards. − Welche Kosten lassen sich klarer identifizieren? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 93 1. Schuhlederkosten Menschen versuchen, ihre Geldhaltung bei hoher Inflation zu reduzieren. Dies impliziert ein häufigeres Aufsuchen der Bank zum Zweck der Abhebung von zinstragenden Vermögensanlagen. Hierbei entstehen Kosten für die involvierte Zeit und Unannehmlichkeiten. 2. Menukosten Preislisten und Aushängeschilder müssen häufiger aktualisiert werden. Die Bestimmung neuer Preise erfordert kostspielige Informationen, Entscheidungsprozesse, Verhandlungen und Kommunikation. Hierbei werden Ressourcen verbraucht, die ansonsten im Produktionsprozess sinnvoller verwendet werden könnten. Wird hingegen auf häufige Preisanpassungen verzichtet und stattdessen starke Preiserhöhungen relativ selten durchgeführt, dann beeinflusst Inflation die relativen Preise. Dies bewirkt allokative Verzerrungen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 94 3. Konfusion und Unbequemlichkeit Mit Inflation sind reale Werte schwerer über die Zeit zu vergleichen. Geld verliert teilweise seine Bedeutung als Recheneinheit. Eine realistische Darstellung von Kosten, Profiten und Erträgen einer Firma wird so erschwert. Investoren haben größere Schwierigkeiten, erfolgreiche von erfolglosen Firmen zu unterscheiden. Der Kapitalmarkt wird behindert. 4. Willkürliche Umverteilung Die bisher erwähnten Kosten ergeben sich auch bei einer konstant hohen Inflationsrate. Weitere Kosten ergeben sich bei einer unerwarteten Inflation. Bezieher eines nominal fixierten Lohneinkommens werden benachteiligt. Ebenso werden Kreditgeber von einer unerwarteten Inflation benachteiligt, da zumeist in Kreditverträgen die Nominalzinsen fixiert sind. Kreditnehmer werden von Inflation begünstigt, da ihre Tilgung real günstiger wird. Vermögen wird somit willkürlich umgeschichtet. Hierdurch ergeben sich Verteilungsprobleme, evtl. auch eine abnehmende Bereitschaft, mit regulärer Arbeit Einkommen zu erzielen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 95 Interaktives • Inflation Ihr Vorgesetzter kommt in Ihr Büro, teilt Ihnen mit, dass Ihr Lohn steigt und beglückwünscht Sie dazu. Beachten Sie die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Wie schätzen Sie die Auswirkung dieser Nachricht auf Ihre Arbeitsmotivation ein? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 96 Der Nutzen der Inflation 1. Vermeidung von Unterbeschäftigung Die Erfahrung lehrt, dass sich Inflation nur durch einen Produktionseinbruch und Unterbeschäftigung reduzieren lässt. Gemäß Schätzungen ist zur Reduzierung der Inflation um einen Prozentpunkt ein temporärer Produktionseinbruch zu erwarten. Aggregiert über den Anpassungszeitraum beläuft sich der Einbruch auf 5 Prozent des Inlandsprodukts (z.B. in den ersten beiden Jahren jeweils 2 Prozent und im dritten Jahr 1 Prozent). Ein temporärer Produktionseinbruch kann auch länger anhaltende nachteilige Folgen haben. Eine Rezession kann Investoren abschrecken. Damit sinkt der Kapitalstock und temporär die Produktivität. Temporäre Arbeitslosigkeit kann auch Humankapital vernichten, weil Erfahrungswissen verloren geht. Fortwährende Inflation vermeidet auch diese Kosten. 2. Besteuerung von Geldvermögen Inflation wirkt wie eine Besteuerung von Geldvermögen und verschafft der Zentralbank und damit dem Staat zusätzliche Einnahmen (Inflationssteuer). In Ländern, in denen das Steuersystem nicht gut funktioniert, kann dies eine effiziente Form der Finanzierung öffentlicher Aufgaben darstellen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 97 3. Verbesserte Anpassung der realen Löhne Nominale Löhne sind teilweise nach unten starr, z.B. weil Gewerkschaften gegen Lohnsenkungen Streiks organisieren können. Bei einer schleichenden realen Entwertung der Löhne durch Inflation bleiben Streiks aber zumeist aus. Dies ist kompatibel mit Umfrageergebnissen: Eine Reduzierung des Nominallohnes bei Nullinflation wird als unfair eingeschätzt, ein konstanter Lohn bei Inflation aber nicht. Dieses Verhalten wird auch als „Geldillusion“ bezeichnet. Eine moderate und konstante Inflation kann daher die notwendige Anpassung der realen Löhne in Krisenbranchen ermöglichen. Dies kann auch langfristig die Produktion eines Landes erhöhen. 4. Verringertes Deflationsrisiko Höhere Inflation verringert das Risiko, dass eine Krise zu Deflation, also einem sinkenden Preisniveau, führt. Warum diese besonders gefährlich ist, wird in Abschnitt 10 gezeigt. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 98 Interaktives • Inflation Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 99 • Optimale Inflation In Abwägung der Vor- und Nachteile der Inflation sollte bedacht werden, dass eine Inflation von Null übermäßig restriktiv wirkt. Aufgrund des Substitutionsbias ist eine Inflationsrate von 1% als Preisniveaustabilität zu werten. Darüber hinaus kann aus den genannten Nutzenerwägungen ein wenig Inflation zugelassen werden. Die EZB hat sich daher ein Inflationsziel von zwischen 1% und 2% gesetzt. Andere Zentralbanken, wie die Norwegens, haben höhere Inflationsziele von 2,5%. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 100 Geld Unter Geld verstehen wir alles, was zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen oder zur Abdeckung wirtschaftlicher Verpflichtungen akzeptiert wird. Die konkrete Erscheinungsform ist evtl. Änderungen unterworfen. Auch knappe Güter wie Zigaretten oder Butter sind als Geld verwendet worden. Definiert wird Geld insbesondere durch die Funktionen, die es erfüllt. 1. Tauschmittelfunktion (Wertübertragungsfunktion). Naturaltausch ist kaum zu organisieren, da eine doppelte Übereinstimmung der Bedürfnisse oder eine Kette von Tauschtransaktionen organisiert werden muss. Dies würde hohe Suchkosten implizieren. Geld hilft dabei, den Tausch in Kauf und Verkauf aufzuspalten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 101 2. Recheneinheit; allgemeines Wertausdrucksmittel. Der Wert aller Güter, Forderungen und Verbindlichkeiten wird in Einheiten ein und derselben Bezugsgröße ausgedrückt. Werden 200 Güter gegeneinander getauscht, müssten (n⋅(n-1))/2=19900 Austauschverhältnisse bekannt sein. Ist ein Gut davon eine Recheneinheit, so reduziert sich die Anzahl der Austauschverhältnisse auf 199. Dies bewirkt eine Einsparung an Informationskosten. 3. Wertaufbewahrungsfunktion; Wertspeicher. Oftmals liegt eine zeitliche Trennung von Kauf und Verkauf vor. Geld ermöglicht es, Kaufkraft zu „lagern“. Geld hat hierbei allerdings den Nachteil, dass es keine Zinsen abwirft. Andere Formen der Vermögensanlage (Sparguthaben, Wertpapiere oder Sachvermögen) bringen Zinsen, Dividenden, Pacht oder Mieten hervor. Außerdem partizipieren diese u.U. an Preissteigerungen. Dafür ist Geld allerdings risikolos (keine Kursschwankungen). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 102 • Geldnachfrage Die drei Funktionen implizieren, dass Wirtschaftssubjekte Geld zu halten wünschen. Insgesamt wird um so mehr Geld nachgefragt, je mehr Gütertransaktionen in einer Volkswirtschaft getätigt werden, je höher also das reale Inlandsprodukt ist. Zudem wird bei einem Anstieg des Preisniveaus eine erhöhte Geldhaltung erforderlich. Wird die Geldnachfrage hingegen durch den Verbraucherpreisindex, P, dividiert, so sprechen wir von der „realen“ Geldnachfrage. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 103 • Geldnachfrage und Zinssatz Geld hat im Vergleich zu anderen Vermögensanlagen den Nachteil, keine Zinsen oder Dividenden zu erbringen. Daher werden Wirtschaftssubjekte um so weniger Geld zu halten wünschen, je höher der (nominale) Zinssatz ist. − Hierzu können wir uns die Abwägung eines Wirtschaftssubjekts zwischen dem Halten von Geld und dem Halten von festverzinslichen Staatsanleihen (Bonds) vorstellen. − Die Geldnachfrage und die Bondnachfrage sind voneinander abhängig. Steigt der Zinssatz, so werden Bonds attraktiver. − Wirtschaftssubjekte reduzieren dann die Geldhaltung, um verstärkt die zinstragenden Staatsanleihen zu halten. Bei der knappen Geldausstattung müssen sie für die täglichen Güterkäufe häufiger zur Bank gehen und einen geringen Betrag Bargeld abheben. Bonds werden häufig ge- und verkauft um den Saldo des Girokontos gering zu halten. − Bei niedrigen Zinsen wird hingegen mehr Geld gehalten und die häufigen Käufe und Verkäufe von Bonds lohnen sich nicht. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 104 • Reale Geldnachfrage Das nominale Zinsniveau und das reale Inlandsprodukt bestimmen somit die reale Geldnachfrage, Lr. = , , mit ⁄ > 0; ⁄ < 0, Bei einer Verdoppelung des Verbraucherpreisindex, P, wird sich die nominale Geldnachfrage ebenfalls verdoppeln. Für alle Güterkäufe ist die doppelte Kasse für Transaktionszwecke notwendig. Daher resultiert für die nominale Geldnachfrage, Ln: = ∙ , Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 105 i Lr(Y,i) i Lr Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Lr Folie 106 • Kausalität Die Kurve für die Geldnachfrage erlaubt zwei verschiedene Lesarten. Bei einem vorgegebenen Zins zeigt sich, in welcher Höhe die Geldnachfrage resultiert. Es kann aber auch von einer vorgegebenen Geldmenge ausgegangen werden. In diesem Fall bestimmt die Kurve die Höhe des nominalen Zinssatzes. Welche Variante anzuwenden ist, hängt von der Politik der Zentralbank ab. • Verschiebung der Geldnachfragekurve Zwei Variablen können die Geldnachfragekurve nach rechts verschieben: ein höheres Inlandsprodukt und ein exogener Anstieg. Wenn z.B. Bonds als riskant eingestuft werden, wollen Anleger lieber risikoloses Geld halten und erhöhen autonom die Geldnachfrage. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 107 Fallstudie III. Fallstudie Goldstandard Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 108 Fallstudie • Zentralbanken garantieren einen Preis zwischen ausgegebenen Banknoten (und Münzen) und Gold. Sie verpflichten sich, ausgegebene Banknoten gegen Gold zu konvertieren. • Zentralbanken sind damit in der Höhe der ausgegebenen Banknoten beschränkt. • Die Geldmenge wird durch die Höhe der Goldreserven begrenzt. • Die Höhe der Zinsen resultiert bei fixierter Geldmenge aus der Geldnachfragekurve. • Sofern Zentralbanken untereinander ihre Zahlungen in Gold abwickeln und Staaten den internationalen, privatwirtschaftlichen Transfer von Gold erlauben, spricht man von einem internationalen Goldstandard. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 109 Nachteil: Die Höhe der Geldmenge ist fixiert und bestimmt damit den Zinssatz. Damit kann die Höhe der Zinsen nicht mehr den Bedürfnissen der lokalen Wirtschaft angepasst werden. In einer wachsenden Wirtschaft erhöht sich permanent die Geldnachfrage. Ein Zinsanstieg ist nur durch stetige Deflation zu vermeiden. • Vorteil: Staaten können nicht eine unsolide Budgetplanung durch Gelddrucken finanzieren. Fallstudie • Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 110 Fallstudie • 1833: Per Gesetz wird die Bank of England verpflichtet, ausgegebene Noten in Gold zu konvertieren. • 1870-1914: Der Goldstandard setzt sich gegen Silber international durch. Zentralbanken schließen sich Großbritannien an und begründen einen internationalen Goldstandard. • 1919-1931: Währungen werden vereinzelt wieder an Gold gebunden. • 1944: Auf der Konferenz von Bretton Woods wird der Dollar an Gold gebunden und andere Währungen an den Dollar, mit der Möglichkeit der Abwertung. • 1971: Präsident Nixon beendet Bindung des Dollar an Gold. Damit können US-Dollar unbegrenzt emittiert werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 111 17 ab. 2011 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 112 • Organisation Die Durchführung der Geldpolitik wird vom EZB-Rat vorgenommen. Der EZB-Rat besteht aus dem Direktorium mit dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. • Grundsätzlich beschließt der EZB-Rat (wie auch das Direktorium) mit einfacher Mehrheit, wobei im Falle der Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten den Ausschlag gibt. Das Direktorium ist für die Umsetzung der Entscheidungen des EZB-Rats verantwortlich. Die Ausführung der Beschlüsse obliegt den Nationalen Zentralbanken auf Weisung des Direktoriums. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 113 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 114 Geldmengenaggregate der Europäischen Zentralbank Stand: März 2012 • Bargeldumlauf im Nichtbankensektor (843) • Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken (3941) • Einlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten (3836) • Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Geldmarktpapiere, Schuldverschreibungen bis zwei Jahre von Nichtbanken (1138) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff M1 M2 M3 Folie 115 • Moderne Zentralbankpolitik Während im Goldstandard die Höhe der Geldmenge fest vorgegeben war, gibt es eine solche Beschränkung für die EZB nicht. Die EZB gibt vielmehr die Höhe der Zinsen vor. Die Höhe der Geldmenge wird dann durch die Geldnachfrage bestimmt. • Monopol bei der Notenemission Die beherrschende Stellung der Zentralbank bei der Bestimmung des Zinsniveaus ergibt sich aus ihrem Recht zur Emission von Banknoten und der Kontrolle des Bankensystems. Genauso bestimmt die EZB über das Ausgabevolumen an Münzen. • Kreditvergabe der EZB an Geschäftsbanken Haushalte und Unternehmen wünschen Geld teilweise in Form von Bargeld zu halten. Wenn Banken Kredite an Unternehmen vergeben, so müssen sie sich für die Auszahlung teilweise Bargeld verschaffen. Hierbei sind sie auf die Zentralbank angewiesen. Die Banken müssen sich zur Versorgung mit Bargeld bei der Zentralbank verschulden. Hierfür bestimmt die Zentralbank die Höhe der zu zahlenden Zinsen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 116 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 117 2012W11 2011W43 2011W23 2011W03 2010W35 2010W15 2009W48 2009W28 2009W08 2008W40 2008W20 2007W52 2007W32 2007W12 2006W44 2006W24 2006W04 2005W36 2005W16 2004W49 2004W29 2004W09 2003W41 2003W21 2003W01 2002W33 2002W13 2001W45 2001W25 2001W05 2000W37 2000W17 1999W49 1999W29 1999W09 1,000,000.00 Banknotenumlauf 800,000.00 Kredite der EZB an Geschäftsbanken 600,000.00 400,000.00 200,000.00 0.00 • Mindestreserve Die Zentralbank hat weitere Möglichkeiten, die Kosten der Kreditvergabe der Banken, und damit die von Unternehmen zu bezahlenden Zinsen, zu beeinflussen. Derzeit müssen die Banken eine verpflichtende Einlage (Mindestreserve) in Höhe von (nur) 1 % der Sichteinlagen, bezogen auf die Girokonten von Haushalten und Unternehmen bei Banken, bei der EZB halten. Vergibt z.B. eine Bank einen Kredit i.H.v. 1000 €, so wird der Kreditnehmer (Unternehmer) hiermit Zahlungen durchführen, die bei Empfängern (z.B. Haushalten) zu Sichteinlagen führen. Dann werden aber 10 € Mindestreserve fällig. In dieser Höhe müssten die Banken Kredite bei der Zentralbank aufnehmen. Je höher die Mindestreserve, desto stärker müssen sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank verschulden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 118 • Arten der Kreditvergabe an die Geschäftsbanken − Die Kredite der EZB haben derzeit Laufzeiten von einer Woche (Hauptrefinanzierungsfazilität, Mindestbietungssatz seit Juli 2012: 0,75%) − oder drei Monaten (längerfristige Refinanzierungsfazilität). − Daneben gewährt die Zentralbank eine unbegrenzte Spitzenrefinanzierungsfazilität zu einem höheren Zinssatz von 1,50% (Stand Juli 2012). − Umgekehrt gewährt die EZB den Geschäftsbanken auch die Möglichkeit, überschüssige Mittel bei der EZB zu halten (Einlagenfazilität) und bezahlt den Banken hierfür Zinsen von derzeit allerding 0,00% (Stand Juli 2012). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 119 • Einfluss der Zentralbankzinsen − Die Zentralbank beeinflusst die Höhe, mit der sich Banken untereinander Geld leihen (gemessen mit dem EONIA; Euro OverNight Index Average). Dies lässt sich insbesondere mit Arbitragegeschäften erklären. − So kann der EONIA nie über die Spitzenrefinanzierungsfazilität steigen, da sich Banken sonst günstiger über die EZB finanzieren können. Genauso kann der Zinssatz nicht unter das Niveau der Einlagenfazilität sinken, da Banken sonst überschüssige Mittel eher bei der EZB anlegen als diese anderen zur Verfügung zu stellen. − Je höher die Zentralbankzinsen und je höher der EONIA, desto kostspieliger ist für Banken die Kreditvergabe. Diese Kosten werden von den Banken durch höhere Zinsen weitergereicht. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 120 5 1999-01 1999-04 1999-07 1999-10 2000-01 2000-04 2000-07 2000-10 2001-01 2001-04 2001-07 2001-10 2002-01 2002-04 2002-07 2002-10 2003-01 2003-04 2003-07 2003-10 2004-01 2004-04 2004-07 2004-10 2005-01 2005-04 2005-07 2005-10 2006-01 2006-04 2006-07 2006-10 2007-01 2007-04 2007-07 2007-10 2008-01 2008-04 2008-07 2008-10 2009-01 2009-04 2009-07 2009-10 2010-01 2010-04 2010-07 2010-10 2011-01 2011-04 2011-07 2011-10 2012-01 2012-04 2012-07 6 Zinssatz Einlagefazilität Zinssatz Spitzenrefinanzierungsfazilität Zinssatz Hauptrefinanzierungsgeschäfte Geldmarktsätze: EONIA (Monatsdurchschnitt) 4 3 2 1 0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 121 • Die Quantitätstheorie Welches Verhältnis besteht zwischen Inflation und Zentralbankpolitik? Eine einfache und klassische Verbindung wurde bereits von dem englischen Philosophen John Locke im 17. Jhdt. formuliert, die Quantitätstheorie. • Eine einfache Faustformel Die Menge an Gütern einer Volkswirtschaft, Y, könnte proportional zur Höhe der realen Geldmenge, M/P, sein. Ist die reale Geldmenge zu hoch, so sollten langfristig zum Ausgleich die Preise steigen. Dies wird auch als „Neutralität des Geldes“ bezeichnet: Ein Anstieg der Geldmenge beeinflusst nicht die Höhe des realen Inlandsprodukts, sondern nur die Preise. • Umlaufgeschwindigkeit Die genannte Proportionalität impliziert, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes konstant ist, also bildlich gesprochen die Schnelligkeit, mit der ein Euro in der Wirtschaft von einer Geldbörse zur anderen wandert. Umlaufgeschwindigkeit=P.Y/M Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 122 Geld und Preise in der Hyperinflation c) Deutschland Index (Jan. 1921 = 100) 100 Bill. Preisniveau 1 Bill. 10 Mrd. Geldangebot 100 Mill. 1 Mill. 10,000 100 1921 1922 1923 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 1924 1925 Folie 123 Nominales BIP, Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit 10000 8 9000 7 8000 6 Mrd. DM (ab 1999 €) 7000 5 6000 5000 4 4000 3 3000 2 2000 1 1000 2009 2007 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 1975 1973 1971 1969 1967 1965 1963 1961 1959 0 1957 0 BIP, Eurozone Geldmenge M1, Eurozone Geldmenge M1, Deutschland BIP, Deutschland Umlaufgeschwindigkeit, M1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 124 • Zur Brauchbarkeit der Quantitätsgleichung − Die Faustformel funktioniert relativ gut bei Hyperinflation, also einer Inflation, welche einen Wert von 50 v.H. im Monat übersteigt. − In Zeiten moderater Inflation ist die Umlaufgeschwindigkeit aber nicht konstant. − Die Umlaufgeschwindigkeit sinkt bei niedrigen Zinsen, da Haushalte und Unternehmen dann mehr Geld zu halten wünschen. − Insgesamt wird dieser Faustformel in der Zentralbankpolitik heutzutage keine herausragende Bedeutung mehr beigemessen. − Wir werden den Zusammenhang zwischen Zentralbankpolitik und Inflation noch genauer untersuchen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 125 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* f(k) 5. Kurzfristige Schwankungen c* (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 126 Pflichtlektüre: Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am Mikrofon der BBC. S. 61-69. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 257262. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 703-716. Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl., S. 640-670. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 127 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 128 • Wachstum und Konjunktur Gemäß Wachstumstheorie ist mit einem stetigen Wachstum des BIP zu rechnen. Aufgrund technologischen Fortschritts kann dies ein wenig schwanken, wird aber eher einen stetigen Trend aufweisen. Tatsächlich wird aber beobachtet, dass Phasen des Aufschwungs und Phasen der Rezession, also unterdurchschnittlichen Wachstums, auftreten. Manchmal fällt sogar das Inlandsprodukt. Mit dem Inlandsprodukt schwankt auch die Beschäftigung und Arbeitslosigkeit eines Landes. Es existieren auch Depressionen, besonders schwerwiegende Rezessionen. Diese periodischen Entwicklungen werden Konjunkturzyklus genannt. Wie ist ein solches Auftreten von Schwankungen zu erklären? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 129 Bruttoinlandsprodukt Deutschland Niveau, Quartalszahlen, indexiert (2005=100), Wachstum gegenüber Vorjahresquartal 120 10.00 8.00 100 6.00 80 4.00 2.00 60 0.00 40 -2.00 -4.00 20 -6.00 Q1 2010 Q1 2008 Q1 2006 Q1 2004 Q1 2002 Q1 2000 Q1 1998 Q1 1996 Q1 1994 Q1 1992 Q1 1990 Q1 1988 Q1 1986 Q1 1984 Q1 1982 Q1 1980 Q1 1978 Q1 1976 Q1 1974 Q1 1972 Q1 1970 Q1 1968 Q1 1966 Q1 1964 Q1 1962 -8.00 Q1 1960 0 1960-1990: Früheres Bundesgebiet; ab 1991: Gesamtes Bundesgebiet. Datenquelle: International Financial Statistics, IWF Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 130 • Potentielles Inlandsprodukt Langfristig wird die Produktion durch das Wachstum der Einsatzfaktoren und den technischen Fortschritt bestimmt, also durch die Angebotsseite einer Volkswirtschaft determiniert. Dieses Niveau der Produktion nennen wir auch das „potentielle Inlandsprodukt“ oder die „Vollbeschäftigungsproduktion“. • Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Kurzfristig wird die Produktion entscheidend von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage bestimmt. Deren Niveau kann vom potentiellen Niveau abweichen. Während eines Booms erhöhen Firmen die Produktion, um die zusätzliche Nachfrage zu befriedigen. In einer Rezession wird die Produktion dagegen reduziert, um eine hohe Lagerhaltung zu vermeiden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 131 • Nachfrage und potentielles Inlandsprodukt Im Wachstumsmodell waren Produktion und gesamtwirtschaftliche Nachfrage identisch. Dies resultierte daraus, dass alles Produzierte nur für Konsum- oder Investitionszwecke verwendet werden konnte. Damit bestimmte das aus der Wachstumstheorie bekannte potentielle Inlandsprodukt, das wir zukünftig mit bezeichnen wollen, die Nachfrage, die wir mit Y bezeichnen. • Abweichungen der Nachfrage vom potentiellem Niveau In der Realität können manche Wirtschaftssubjekte aber auch ihre Investitionen reduzieren und die Ersparnis anderen Investoren zur Verfügung stellen. Sofern andere die Investition erhöhen, wäre die Nachfrage unverändert. Sofern sie aber nicht investieren, wäre die Nachfrage geringer als . Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 132 • Sektoren der Wirtschaft Für die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage müssen die Sektoren der Wirtschaft einzeln untersucht werden: − Private Haushalte − Unternehmen − Investoren − Öffentliche Haushalte − Ausland • Rückkopplung Kein Sektor ist alleine verantwortlich für die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Vielmehr beeinflussen die Aktionen eines jeden Sektors die Nachfrage der anderen Sektoren. Dabei ergibt sich oftmals eine positive Rückkopplung: Geben die privaten Haushalte viel Geld aus, wollen die Produzenten viel produzieren und können dann hohe Einkommen verteilen. Investoren sind dann zuversichtlich bezüglich zukünftiger Erträge und steigern ihre Investitionen. Dies verstärkt den Boom. Die gegenteilige Entwicklung stellt sich in der Rezession ein. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 133 Interaktives • Konsum Versetzen Sie sich in Ihre zukünftige Lage im Arbeitsleben. Nach Ihrem Bachelorabschluss haben Sie als freier Mitarbeiter bei einer mittelständischen Firma angefangen. Nach einigen Jahren Berufserfahrung erreichen Sie das 35. Lebensjahr. Sie beziehen ein regelmäßiges Monatseinkommen nach Steuern von € 4.000. Sie sind nicht sozialversichert, haben bisher für Ihr Alter nicht vorgesorgt und wären mit 65 Jahren ohne Einkommen. Beachten Sie hierzu die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Welchen Anteil oder Eurobetrag Ihres Einkommens werden Sie sparen für die Altersvorsorge? ________% ________€ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 134 Interaktives • Konsum Sie erhalten zusätzlich zu ihrem regelmäßigen Einkommen eine Zahlung von € 20.000. Bitte schätzen Sie ab, wie sie diese verwenden werden. Beachten Sie hierzu die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Den folgenden Anteil werde ich für kurzlebige Konsumgüter verwenden, (Feier, Urlaub, Kleidung) _______% Den folgenden Anteil werde ich für langlebige Konsumgüter verwenden, (Auto, Musikinstrument, Spülmaschine) _______ % Den folgenden Anteil werde ich sparen, (Bankkonto, Staatsanleihen, Aktien) _______ % Sonstiges _______ % Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 135 • Konsumfunktion Diese positive Rückkopplung lässt sich insbesondere bei den privaten Haushalten vermuten. Für die Konsumentscheidung können viele Einflussgrößen relevant sein (Vermögen, Steuerzahlungen, das zu erwartende Lebenseinkommen …). Im Rahmen der absoluten Einkommenshypothese von Keynes (1936) wird dem laufenden Einkommen eine zentrale Rolle zugewiesen: C = C(Y) Hierbei wird argumentiert, dass ein Anstieg des Einkommens sowohl zu einem Anstieg des Konsums als auch einem Anstieg der Ersparnis führt. • Absolute Einkommenshypothese In linearisierter Form gilt: C = a + cY, mit a>0, autonomer Konsum c, marginale Konsumquote, mit 0<c<1. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 136 Wettstreit der Lehrmeinungen • Kritik der Keynesianischen Konsumfunktion − Konsum wird nur in ein Verhältnis gesetzt zu einer anderen endogenen Variablen, nämlich dem Einkommen. Das Einkommen hängt ab vom Verhalten aller anderen Wirtschaftssubjekte einer Volkswirtschaft. Damit wird aber eine Zirkularität geschaffen, ohne eine solide Basis für individuelles Verhalten zu begründen. − Eine Mikrofundierung erfordert dagegen, menschliches Verhalten als Optimierungskalkül herzuleiten. Eine solche Herleitung würde konstatieren, dass Zinsen und das zukünftig erwartete Einkommen wichtige Bestimmungsgrößen sind. Ein Einfluss des gegenwärtigen Einkommens wird überschätzt, da dieses und das Konsumniveau vom technischen Fortschritt getrieben werden. • Zur Verteidigung − Das Verhalten anderer Wirtschaftssubjekte ist so bestimmend, dass rationale Erwägungen wie das zukünftige Einkommen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zinsen sind empirisch unbedeutend als Bestimmungsgrößen des Konsumverhaltens. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 137 • Ersparnis Die private Ersparnis, S, ist die Differenz zwischen Einkommen und privatem Konsum: S = Y – C. Es folgt in linearisierter Form: S = Y – a – cY = –a + sY; s=1-c Hierbei ist s die marginale Sparquote (0 < s < 1). Für den einzelnen Haushalt ist die Ersparnis nun nicht mehr identisch zur Investition, im Gegensatz zum Wachstumsmodell. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 138 C,S S>0 S = -a+(1-c)Y a S>0 45° -a C = a+cY Y0 Y1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 139 • Produktionsplanung Für die Produktion lässt sich ebenfalls eine positive Rückkopplung vermuten. Die Produzenten planen die Produktion, Y, kurzfristig in Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, Y=YD. Diese Annahme unterstellt, dass unterausgelastete Produktionskapazitäten verfügbar sind (Im Gegensatz zu obigem Cartoon). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 140 • Überauslastung und Unterauslastung Sofern zusätzliche Nachfrage auftritt, können Unternehmen die Maschinen länger laufen lassen und Arbeitskräfte zu Überstunden auffordern. So können Unternehmen eine zusätzliche Nachfrage befriedigen. Bei fehlender Nachfrage ergibt sich hingegen Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit sowie eine Unterauslastung der Kapazitäten. • Fehlende Preisanpassung Wir unterstellen dabei, dass eine zusätzliche Nachfrage nicht die Inflation erhöht. Solche Rückwirkungen werden wir erst später betrachten. Die Inflation und das Preisniveau sind daher im Rahmen der Modellierung konstant (z.B. aufgrund von Menukosten). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 141 • Einkommen Aus einer erhöhten Produktion entstehen zusätzliche Einkommen, die an die Haushalte ausgeschüttet werden (von einbehaltenen Gewinnen sehen wir hierbei ab). Haben die Haushalte daher den Konsum gesteigert, so erhalten sie auch ein entsprechend höheres Einkommen, mit dem sie den erhöhten Konsum finanzieren können. • Investitionen Auch die Investitionen können von positiver Rückkopplung angetrieben werden. Hiervon wollen wir hier der Einfachheit halber absehen. Wir unterstellen stattdessen, dass Investoren in einem vorgegebenen Ausmaß Investitionsgüter (netto) nachfragen, = .̅ Damit lautet die gesamtwirtschaftliche Nachfrage YD=C+I. • Reale Planung Alle Größen wie Konsum und Produktion werden hierbei real geplant. Der Konsumplan bezieht sich also nicht auf eine nominale €-Größe, sondern auf (gewichtete) Mengen an Konsumgütern. Eine Verdoppelung des Preisniveaus würde diesen Konsumplan nicht ändern. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 142 Das Gütermarktmodell (1) Y= (2) = ̅ (3) = + " (4) = + Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 143 • Zusammengefasstes Modell: Y = C + I = a + cY + I 1 ˆ ⇔Y = (a + I ) 1− c Multiplikator autonome Komponenten Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 144 • Geplante Größen In dem Modell existieren Verhaltenshypothesen über geplante Größen. Diese sind die Produktion, die Nettoinvestition und der geplante Konsum (Y, I, C). Bei diesen Größen werden die Pläne auch realisiert. • Ungeplante Größen Es gibt aber außerhalb des Gleichgewichts ungeplante Investitionen (Lagerinvestitionen). Bei dem Ungleichgewicht, Y > YD ergibt sich ein ungeplanter Lageraufbau. Bei Y < YD folgt ein ungeplanter Lagerabbau. Bei dieser Größe können Plan und Realisierung also voneinander abweichen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 145 Einkommens-Nachfrage-Diagramm (Keynessches-Kreuz) Y,YD C, I P IU YD=C+I S(Y1) I C=a+cY a+I I=I a 45° Y^ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y1 Y Folie 146 • Ersparnis und Investition Das Gütermarktgleichgewicht lässt sich auch dadurch graphisch abtragen, dass die gesamtwirtschaftliche Ersparnis der Nettoinvestition gegenübergestellt wird. • Für die Ersparnis gilt die Definitionsgleichung S=Y-C. • Ferner gilt Y-C=YD -C=C+I-C=I • Damit gilt insgesamt die (alternative) Gleichgewichtsbedingung: S=I Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 147 S, I S=-a+sY P ^ -a I Y Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 148 • Störungen des Gleichgewichts Wie verändert sich das Gleichgewicht als Reaktion auf exogene Störungen? Hierzu werden zwei Gleichgewichte miteinander verglichen. Ein solcher Vergleich zweier Ruhezustände wird „komparativ-statische Analyse“ genannt. Wie die Anpassung dabei verläuft, wird dabei nicht behandelt. • Exogene Änderung der Investitionen Sofern die Investitionen ansteigen, dI, können wir die Gleichung Y = 1 (1 − c ) (a + I ) total differenzieren: dY = 1 (1 − c ) (da + dI ) • Ceteris Paribus Sofern sich der autonome Konsum nicht ändert, gilt da=0. Eine solche Konstanz nicht näher betrachteter Variablen wird als „ceteris paribus“Annahme bezeichnet. Es folgt dann: dY dI = 1 (1 − c ) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 149 Y,YD, C, I P1 YD=a+cY+I1 YD=a+cY+I0 P0 dI I=I1 dI I=I0 45° ^ Y^1 Y0 dY (>dI) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 150 • Quasi-dynamische Analyse Der Multiplikatorprozess kann mit Hilfe einer quasi-dynamischen Analyse beschrieben werden. Hierfür wird die Anpassung in einzelne Multiplikatorrunden zerlegt für die angenommen wird, dass die Anpassung nicht sofort erfolgt, sondern eine gewisse Zeit benötigt. Es ergibt sich dann folgende Wirkungskette: I Y C S (Sickerverlust) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 151 • Darstellung im Kontenrahmen Einkommenskonto Produktionskonto Abschreibungen Einkommen Konsum Konsum Einkommen Ersparnis Investitionen Vermögensänderungskonto Investitionen Abschreibungen Ersparnis Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 152 • Variation des autonomen Konsums Eine andere Störung ergibt sich bei einer Variation des autonomen Konsums. Haushalte könnten die Ersparnis erhöhen durch eine Absenkung von a. Der Multiplikator hierzu lautet: dY da = 1 (1 − c ) Dies entspricht einer Verschiebung der Nachfragekurve im EinkommensNachfrage-Diagramm nach unten. Alternativ kann eine Darstellung im S/YDiagramm vorgenommen werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 153 S, I S=-a1+sY P1 da < 0 ^ Y1 P0 ^ S=-a0+sY I=I Y Y0 -da Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 154 • Sparparadoxon Die Graphik und Berechnung zeigen das sogenannte „Sparparadoxon“: Der einzelwirtschaftliche Versuch, die Ersparnis zu erhöhen, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. • Klugheit des Individuums - Tragödie des Systems Einzelwirtschaftlich halten wir einen Menschen, der hinreichend spart, für weise und vorausschauend. In einer Krise wünschen sich viele eine Rückkehr zu solchen Tugenden. Aber dieses Kalkül verschlimmert die Krise, die Produktion bricht weiter ein und nicht einmal die Ersparnis nimmt gesamtwirtschaftlich zu. Dieser Zusammenhang wird auch fallacy of composition genannt, also der Irrtum, aus der Summe einzelwirtschaftlicher Kalküle auf makroökonomische Zusammenhänge zu schließen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 155 • Ersparnis, Investition und Zins Bestimmungsgröße für die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ist allein die Investition. Das erstaunliche Ergebnis ist, dass nicht etwa das Zinsniveau zu einem Gleichgewicht zwischen Investitionen und Ersparnis beiträgt. Eine jede Investition verschafft sich durch die Multiplikatorrunden die zu ihrer Durchführung notwendige Ersparnis. Das Inlandsprodukt treibt die Ersparnis auf die Höhe der durchgeführten Investitionen. Bereits in der ersten Multiplikatorrunde wird dies erreicht. Alle durch den Multiplikator induzierten Konsumgüterkäufe übertragen die Ersparnistätigkeit nur auf andere Schultern. • Es gibt keine Knappheit an Ersparnissen Dies impliziert, dass Ersparnisse keine Restriktion für die Durchführung von Investitionen darstellen. Wir können also nicht vermuten, dass eine denkbare Knappheit an Ersparnissen die Durchführung einer Investition behindern könnte. Investitionen benötigen keine „vorhandenen“ Ersparnisse, die sich z.B. in Form von Sparguthaben bei Banken angesammelt haben. Es reicht vielmehr aus, dass eine Bank eine Bürgschaft für die Durchführung einer Investition ausstellt. Die Finanzierungsmittel entstehen dann automatisch mit der Durchführung der Investition. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 156 • Solidität der Bank oder des Bankensektors Eine zum Sparparadoxon ähnliche Logik ergibt sich in einer Finanzkrise für den Bankensektor. Einzelne Banken halten wir für solide, wenn sie relativ zu ihren teilweise riskanten Anlagen hinreichend Reinvermögen besitzen. Gehen die Kurse ihrer Anlagen herunter, so vermindert sich ihr Reinvermögen. Daher sollten sie durch Verkäufe ihre Bilanz verkürzen. Diese Maßnahme hilft aber nur der einzelnen Bank. Alle anderen Banken werden durch die Verkäufe und dadurch sinkenden Vermögenspreise noch stärker in die Krise gestürzt. Der Versuch einzelner Banken, die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit durch Verkäufe von Finanzvermögen zu verringern, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 157 • Welches sind die wichtigsten Konjunkturindikatoren für Deutschland? − − Der ifo-Geschäftsklimaindex (ifo-GK) beruht auf einer Befragung des ifo-Instituts (München) von über 7000 Unternehmen in Deutschland, gemäß ihrer Einschätzung der Geschäftslage sowie nach ihrer Erwartung für die nächsten 6 Monate (ifo-GE). Die ZEW-Konjunkturerwartungen basieren auf einer Befragung von 400 Finanzmarktexperten (270 Fachleute von Banken und 50 von Versicherungen, 40 Analysten von Kapitalanlagegesellschaften und 40 Vertreter von Industrieunternehmen) des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 158 − − Der Earlybird-Indikator wird seit 2001 in der Wirtschaftswoche publiziert und seit 1991 von der Commerzbank erstellt. In diesen Index gehen die folgenden (standardisierten) Einzelreihen ein: 1) Der kurzfristige Realzins, d.h. 3-Monats-Euribor bereinigt um den Preisanstieg der Lebenshaltungskosten ohne Energie, negative Wirkung. 2) Jahresdifferenz des realen Außenwerts einer fiktiven DMark, berechnet von der Deutschen Bundesbank, negative Wirkung. 3) Der Einkaufsmanagerindex (NAPM) für das verarbeitende Gewerbe in den USA, positive Wirkung. Weitere Indikatoren wie der Handelsblatt-Frühindikator oder der Konjunkturindikator der FAZ berücksichtigen zusätzliche Größen wie die Einzelhandelsumsätze, den Auftragseingang des verarbeitenden Gewerbes, den Aktienindex oder die Entwicklung der Stellenangebote. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 159 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 6. Die Aktivität des Staatesf(k) c* (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 160 Pflichtlektüre: Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 25-27, 41-45, 52-53, 55. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. Worth Publishers: S. 262-266. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 717-729. Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am Mikrofon der BBC. S. 71-77. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 161 • Der Staat In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung versteht man unter dem Sektor Staat alle öffentlichen Haushalte. Dies sind die Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen. • Der Staat als Produzent Der Staat produziert Güter. Dies sind insbesondere Dienstleistungen wie Landesverteidigung, Rechtssicherheit und Bildung. Hierbei können keine Lagerbestandsänderungen entstehen, da Dienstleistungen nicht lagerfähig sind. Zur Produktion werden vom Staat Güter und Dienstleistungen von Unternehmen und privaten Haushalten gekauft (V) und Arbeitsleistungen unselbstständig Beschäftigter bezogen (F). • Der Staat als Konsument Der Staat erzielt keine Marktumsätze mit seiner Produktion. Stattdessen ist der Empfänger der Leistung häufig nicht bekannt, die Produktion wird unentgeltlich bereitgestellt und einzelne sollen oder können von der Nutzung solcher Güter nicht ausgeschlossen werden. Die Produktion wird kollektiv von den Haushalten konsumiert und wird als „Staatskonsum“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 162 • Vorleistungen des Staates Manche Dienstleistungen des Staates gehen auch als Vorleistung in den Produktionsprozess der Unternehmen und privaten Haushalte ein. Eine statistische Abgrenzung zwischen Konsum und Vorleistungen ist aber nicht möglich. Daher wird die gesamte Produktion vereinfachend als Konsum bezeichnet. Es ergibt sich ferner die Schwierigkeit der Bewertung der staatlichen Leistungen. Da keine Marktpreise existieren, wird die Bewertung zu Herstellungskosten vorgenommen. Durch diese Bewertung kann das Produktionskonto keinen Gewinn ausweisen. Produktionskonto des öfftl. Haushalts Käufe v. Vorleist. (V) 70 225 Staatskonsum (G) Abschreibungen (D) 30 Wertschöpfung (F) 125 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 163 • Finanzierung der öffentlichen Haushalte Die Finanzierung erfolgt weitgehend über Zwangsabgaben. Hierunter versteht man die direkten Steuern (Einkommen- und Körperschaftssteuer), die indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer) und die Sozialbeiträge (Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung). • Transferzahlungen und Umverteilung Es existieren ferner sogenannte Transferzahlungen des Staates wie z.B. Arbeitslosengeld II, BAföG, Elterngeld oder Kindergeld. Über die öffentlichen Haushalte vollzieht sich der überwiegende Teil der Einkommensumverteilung in der Volkswirtschaft. In der VGR werden auch Zinszahlungen auf ausstehende Verbindlichkeiten als eine Einkommensumverteilung verbucht. • Subventionen Neben den Transferzahlungen an die privaten Haushalte, R, existieren noch Subventionen an Unternehmen, Z. Die Subventionen werden zumeist von den indirekten Steuereinnahmen abgezogen und damit eine Nettogröße ausgewiesen, Ti-Z. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 164 Einkommenskonto des öfftl. Haushalts Transferzahlungen (R) 45 Staatskonsum (G) Zinszahlungen Ersparnis (Sst) 195 225 Direkte Steuern und Sozialabgaben (Td) 5 20 100 Indirekte Steuern abzgl. Subventionen (Ti-Z) Nach Abzug von R und Z ergibt sich das Einkommen des öffentlichen Haushalts, welches er für Konsum, Zinszahlung auf ausstehende Verbindlichkeiten und Ersparnis verwenden kann. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 165 • Der Staat als Investor Der Staat investiert auch, z.B. in Straßen, Brücken oder Gebäude (Infrastruktur) und muss hierauf Abschreibungen vornehmen. Das vom Staat gebildete Vermögen wird im Vermögensänderungskonto abgetragen. Investitionen werden zumeist dadurch getätigt, dass der Staat Investitionsgüter vom privaten Sektor kauft. Diese Investitionen gehen nicht in der laufenden Produktion unter. Hierfür muss der Staat allerdings Abschreibungen vornehmen. • Gegenbuchungen − Staatliche Ersparnis: Vermögensänderungskonto des Staates − Eingang der indirekten Steuern: Produktionskonto der Unternehmen oder privaten Haushalte, da diese aus der Produktion resultieren. − Eingang der direkten Steuern: im Einkommenskonto der Unternehmen oder privaten Haushalte, da diese Zahlungen eine Einkommensumverteilung darstellen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 166 • Kontenausgleich Im Gegensatz zu einem gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskonto einer geschlossenen Volkswirtschaft muss das eines einzelnen Sektors nicht ausgeglichen sein. Der Staat kann ein Defizit durch Kreditaufnahme finanzieren. In diesem Fall weisen die Vermögensänderungskonten der anderen Sektoren einen Überschuss auf (dort gilt dann SP+DP=IBP+BD ) . Vermögensänderungskonto des öfftl. Haushalts Bruttoinvestitionen des Staates (IBSt) 70 30 20 Abschreibungen (D) Ersparnis (SSt) 20 Finanzierungsdefizit (BD) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 167 Zur Vereinfachung bezeichnen wir die Unternehmen und privaten Haushalte als privaten Sektor und verwenden zur Kennzeichnung den Index „p“. Td - R 145 SSt 20 SP 100 Einkommenskonto F C G Ti-Z 915 670 225 100 Produktionskonto Vermögensänderungskonto IbP 220 IbSt 70 DP 140 DSt 30 V 400 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 168 • Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen Bei der Bestimmung des Nettoinlandsprodukts können nun zwei verschiedene Preisniveaus zu Grunde gelegt werden. Güter können zu Marktpreisen oder zu Herstellungskosten bewertet werden. Werden indirekte Steuern (abzüglich Subventionen) berücksichtigt, so ergibt sich das Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen: YM=C+G+IP+ISt = 1015 • Volkseinkommen Werden alternativ die indirekten Steuern (abzüglich Subventionen) herausgerechnet, so ergibt sich derjenige Anteil des Inlandsprodukts, welcher dem „Volk“ als Faktoreinkommen zufließt. Es resultiert das Volkseinkommen: Volkseinkommen=F = 915 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 169 Werden alle Produktionskonten zusammengefasst, so ergibt sich das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto: Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto Indirekte Steuern ./. 225 Staatskonsum (G) Subventionen (Ti-Z) 100 Abschreibungen (D) 170 670 Privater Konsum (C) Wertschöpfung (F) 915 220 Private Invest. (IbP) 70 Staatl. Invest. (IbSt) YbM Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 170 • Verdrängt Staatskonsum die Investitionen? Wird das Vermögensänderungskonto des Staates (SSt+BD= ISt ) mit demjenigen des privaten Sektors (SP= IP+BD ) aggregiert, so folgt: S=SP+SSt= IP +ISt . Ein Anstieg des Staatskonsums (SSt sinkt) könnte also entweder zu einem Anstieg der privaten Ersparnis oder zu einem Rückgang der (privaten) Investitionen führen. Wir benötigen eine Theorie, mit der die Wirkung bestimmt wird. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 171 Das Gütermarktmodell mit Staat (1) Y=YD (2) YD=C+I+G Fünf Gleichungen und fünf endogene Variablen: (3) C=a+cYv ;(a>0, 0<c<1) Y, YD, C, Yv, T (4) Yv=Y–T+R Exogene Variablen: G, T, R, I, t (5) T=T+tY ;(T>0, 0≤t<1) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 172 • Modellannahmen − − − − Der Staat fragt das Güterbündel Y für öffentliche Zwecke nach (G). Er erhebt Zwangsabgaben (T=Td). Dies sind die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Der Staat zahlt Transferzahlungen an private Haushalte (R). Staatl. und private Investitionen werden zusammengefasst dargestellt, (I). Indirekte Steuern (Ti) und Subventionen (Z) werden vernachlässigt. Diese können parallel zu den direkten Steuern (Td) und Transferzahlungen an Haushalte (R) modelliert werden. Haushalte planen ihren Konsum in Abhängigkeit vom verfügbaren Einkommen Yv=Y-T+R. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 173 • Gleichgewicht Zur Berechnung des Gleichgewichtseinkommens werden die Verhaltenshypothesen, Definitionen und institutionellen Beziehungen in die Gleichgewichtsbedingung (1) eingesetzt: Y = a + c(Y – T – tY + R) + I + G ⇒ Yˆ = 1 (a − cT + cR + I + G ) 1 − c(1 − t ) Multiplikator autonome Komponenten Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 174 Y, YD, C YD=C+I+G P0 I C+G S C=a+c(1-t)Y-c(T-R) 45° Y^0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 175 • Komparative Statik Im Rahmen einer komparativen Statik lässt sich die Wirkung einer Veränderung einer autonomen Komponente auf das Inlandsprodukt durch das totale Differential bestimmen: 1 (da − cdT + cdR + dI + dG ) ⇒ dY = 1 − c(1 − t ) Multiplikator Veränderungen der autonomen Komponenten = Impulse Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 176 • Anpassungsprozess Der Anpassungsprozess zum neuen Gleichgewicht bei einer Erhöhung des Staatskonsums lässt sich graphisch illustrieren: G Y Yv C T S Sickerverluste Im Falle einer Erhöhung der autonomen Steuern oder Senkung der Transferzahlungen ergibt sich folgende Anpassung: R Y Yv C T S Sickerverluste Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 177 • Wie verändert sich das Budgetdefizit? Eine Erhöhung des Staatskonsums geht mit einem erhöhten Budgetdefizit einher. Dieser Anstieg wird jedoch durch den Multiplikatorprozess gedämpft. Für das Budgetdefizit (BD) gilt: BD= G + InSt+ R – T = G + InSt + R – T – tY. Das totale Differential (mit dInSt = dT = dR = dt = 0) erbringt: dBD= dG – tdY. Einsetzen für dY erbringt: 1 − c )(1 − t ) ( 1 dBD = 1− t = > 0; < 1. dG 1 − c(1 − t ) 1 − c(1 − t ) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 178 • Das Haavelmo Theorem Von einer gleichzeitigen Erhöhung des Staatskonsums und der Steuern geht ein positiver Impuls aus, (Haavelmo 1945). Dies erscheint zunächst kontraintuitiv, da der Staat dem privaten Sektor genauso zusätzlich gibt wie er ihm „wegnimmt“. • Beweis Wir unterstellen eine vollständig durch Steuern finanzierte Steigerung des Staatskonsums, d.h. dBD = 0; dG = dT > 0. Mit da=dR=dI=0 folgt: 1 1− c (− cdT + dG ) = dY = dG 1 − c(1 − t ) 1 − c(1 − t ) Werden die Steuern nur pauschal erhoben, ist also der Steuersatz (t) Null, so gilt dY=dG. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 179 • Eine quantitative Abschätzung Eine Erhöhung des Wachstums um 1 Prozentpunkt bewirkt Mehreinnahmen bei den Steuern i.H.v. ca. 4 Mrd. €. Noch stärker fallen die Überschüsse bei den Sozialversicherungen aus. Gemäß einer Faustregel beträgt der Überschuss bei der Arbeitslosenversicherung 6 Mrd. €, weitere 4 Mrd. € bei der Arbeitslosenhilfe sowie 1 Mrd. € bei der Rentenkasse. • Automatischer Stabilisator Im umgekehrten Fall eines Konjunktureinbruchs resultieren Defizite bei den öffentlichen Haushalten. Diese Defizite wirken stabilisierend auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Diese Stabilisierung ergibt sich automatisch, ohne spezielle Gesetze, mit denen Staatsausgaben erhöht werden. Steuern und Sozialversicherungen erfüllen daher eine Aufgabe als „automatischer Stabilisator“. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 180 • Variation des Steuersatzes Der Staat hat die Möglichkeit, den Steuersatz, t, zu variieren. Die Auswirkung lässt sich mit Hilfe der zusammengefassten Gleichung analysieren: Y = a + c(Y – T – tY + R) + I + G Bei totaler Differentiation ist nun die Produktregel anzuwenden. Mit da=dT=dR=dI=dG=0 folgt: dY = cdY – ctdY – cYdt dY(1 – c + ct) = – cYdt 1 dY = ( −cYdt ) . 1 − c(1 − t ) Multiplikator Impuls Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 181 Interaktives • Konsum und Staatsausgaben Zur Ankurbelung der Konjunktur beschließt die Bundesregierung, jedem Bewohner zwischen 18 und 65 Jahren einen Betrag von 10.000€ zu überweisen. Beachten Sie hierzu die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Den folgenden Anteil werde ich für kurzlebige Konsumgüter verwenden, (Feier, Urlaub, Kleidung) _______% Den folgenden Anteil werde ich für langlebige Konsumgüter verwenden, (Auto, Musikinstrument, Spülmaschine) _______ % Den folgenden Anteil werde ich sparen, (Bankkonto, Staatsanleihen, Aktien) _______ % Sonstiges _______ % Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 182 Wettstreit der Lehrmeinungen • Sollte die Wirtschaft mit Hilfe eines situationsbedingten Einsatzes der Fiskalpolitik stabilisiert werden? Ja: Kurzfristige Schwankungen können lange anhalten. Dies ist z.B. darauf zurückzuführen, dass selbstverstärkende Mechanismen existieren. Eine Rezession verstärkt sich selbst durch Multiplikatoreffekte. Das wirtschaftliche Gleichgewicht ist damit instabil; Die Wirtschaft wird unerwünschten Schwankungen ausgesetzt sein, wenn sie sich selbst überlassen ist. Die langfristige Anpassung kommt zu spät (Keynes “Tract on Monetary Reform” 1923: „In the long-run we are all dead“); Nein: Änderungen der Fiskalpolitik benötigen einen langen politischen Prozess für ihre Durchsetzung. Aufgrund der Verzögerungen wird evtl. nicht eine gegenwärtige Rezession abgeschwächt, sondern ein zukünftiger Boom verstärkt. Politiker beschließen Ausgabenprogramme evtl. nicht dann, wenn die Stabilisierung der Wirtschaft notwendig wäre, sondern wenn ihre Wiederwahl gesichert werden muss. Einmal eingeführte Ausgabenprogramme oder Steuersenkungen schaffen dauerhafte Ansprüche von Marktteilnehmern. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 183 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 7. Investition und Zins c* f(k) (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 184 Pflichtlektüre: Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 267271. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 185 • Didaktischer Ausblick In den folgenden drei Abschnitten wird ein makroökonomisches Modell für eine geschlossene Volkswirtschaft entwickelt. Ziel ist es, Inlandsprodukt, Realzins und Inflationsrate miteinander in Beziehung zu bringen. In dem Modell wird das nachgefragte Inlandsprodukt maßgeblich vom Realzins beeinflusst. Dieser wiederum wird von der Zentralbank festgelegt. Abweichungen von nachgefragtem und angebotenem Inlandsprodukt führen zu Änderungen der Inflationsrate. Auf diese reagiert wiederum die Zentralbank mit einer Änderung des Realzinses. Als erstes gilt es, den Einfluss des Realzinses auf Investitionen und Inlandsprodukt zu begründen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 186 • Interner Zinsfuß Ein Wirtschaftssubjekt erwägt die Durchführung eines Investitionsprojekts. Hierzu wägt es ab zwischen der erwarteten Rendite und den für Kredite zu bezahlenden Marktzinsen (oder den Opportunitätskosten) der Investition. Wie sollte es die Rendite des Projektes bestimmen? Hierzu dient die Methode des internen Zinsfußes. Der interne Zinsfuß ist der Abzinsungsfaktor, bei dessen Verwendung die diskontierten künftigen Erträge der Anfangsinvestition entsprechen. • Berechnung In einer inflationsfreien Welt gilt für den internen Zinsfuß (ρ), die Anschaffungsausgaben (A0), die realen Nettoeinnahmen der Periode j, Ej, und die Lebensdauer des Investitionsobjektes (n) folgender Zusammenhang: E3 En E1 E2 A0 = + + + ... + . 2 3 n 1 + ρ (1 + ρ ) (1 + ρ ) (1 + ρ ) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 187 Bei konstanten erwarteten Nettoeinnahmen (Ej=E) und unendlich langer Lebensdauer des Investitionsobjektes n → ∞ folgt: ∞ E 1 1 E A0 = E ∑ = E − 1 = ⇔ ρ = j A0 j =1 (1 + ρ ) 1 − 1 (1 + ρ ) ρ • Investieren oder nicht Ein Investor wird nun einen Vergleich anstellen zwischen dem internen Zinsfuß (ρ) und dem nominalen Marktzins (i). − Falls ρ > i ist der Kapitalwert der Investition größer als Null; das Investitionsobjekt wird durchgeführt. − Falls ρ < i ist der Kapitalwert der Investition kleiner als Null; das Investitionsobjekt wird nicht durchgeführt. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 188 • Kalkulation mit Inflation Im Falle von Inflation werden automatisch alle zukünftigen realen Erträge, Ei, mit der Inflationsrate nominal ansteigen. Es gilt folgender Zusammenhang bei unendlich langer Laufzeit: j ( 1+ π ) A0 = ∑ Ej j j =1 (1 + ρ ) ∞ Hieraus folgt bei konstanten erwarteten realen Nettoeinnahmen (Ej=E) und unter der Annahme einer geringen Inflationsrate (1+π ~ 1): 1 E E A0 = E − 1 ≈ ⇔ρ= +π A0 1 − (1 + π ) (1 + ρ ) ρ − π Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 189 Ein Investor erwartet, dass der interne Zinsfuß (ρ) mit der Inflationsrate steigt. Er vergleicht den realen Ertrag E mit dem realen Zinssatz r, bzw. den internen Zinsfuß ρ mit dem nominalen Zinssatz i=r+π. − Falls ρ > i E/A0 > r ist der Kapitalwert der Investition größer als Null; das Investitionsobjekt wird durchgeführt. − Falls ρ < i E/A0 < r ist der Kapitalwert der Investition kleiner als Null; das Investitionsobjekt wird nicht durchgeführt. • Gesamtwirtschaftliche Investition Die Höhe der insgesamt in einer Volkswirtschaft durchgeführten Investitionen lässt sich graphisch dadurch bestimmen, dass alle Investitionen gemäß ihrem realen Ertrag E im Verhältnis zu den Anschaffungskosten A0 angeordnet werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 190 r, E/A0 E1/A0 E2/A0 E3/A0 r=r0 E4/A0 E5/A0 I I1 I2 I3 I4 I5 Iˆ Investoren werden ihre Nachfrage nach Kapital so lange ausdehnen, bis gilt: E/A0 = r. Insgesamt ist der Realzins und nicht der Nominalzins entscheidend für die Höhe der Investitionen. Durch eine Änderung der Inflationsrate wird die Höhe der Investitionen nicht beeinflusst. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 191 • Stetige Investitionsnachfrage Der Einfachheit halber wollen wir die Investitionsnachfrage durch eine stetige Funktion darstellen. Die einzelnen Investitionsprojekte sind dabei unendlich klein. r I(r) r = r0 Iˆ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff I Folie 192 • Zukunftsaussichten Verbessern sich die Zukunftsaussichten, d.h. für alle Projekte steigt der erwartete reale Ertrag E, so verschiebt sich die Investitionskurve nach oben. Bei gegebenem Realzins werden dann mehr Investitionsprojekte durchgeführt. r I0(r) I1(r) r = r0 Iˆ0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Iˆ1 I Folie 193 • Finanzierung von Investitionen Sollten aber steigende Investitionen nicht zu einer Erhöhung des Realzinsniveaus führen, da die Investoren die Preise für knappe Finanzierung (Ersparnisse) und damit die Zinsen nach oben treiben? Nein, denn makroökonomisch erzeugen Investitionen die zu ihrer Durchführung erforderlichen Ersparnisse selbst. Zusätzliche Investitionen führen zu erhöhten Einkommen, die nur als Ersparnisse die Multiplikatorrunden verlassen können. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 194 • IS-Kurve Sinkende Realzinsen erhöhen die Investitionen. Steigende Investitionen erhöhen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Hierdurch steigt die Produktion und führt zu einem erneuten Anstieg des privaten Konsums. Es ergibt sich ein Multiplikatorprozess, der das Inlandsprodukt insgesamt stark ansteigen lässt. Hieraus ergibt sich ein negativer Zusammenhang zwischen dem Realzins und dem Inlandsprodukt. r IS-Kurve Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 195 • Anpassung zur IS-Kurve Bei einem hohen (niedrigen) Zins oberhalb (unterhalb) der IS-Kurve werden weniger (mehr) Investitionen induziert. Dies reduziert (erhöht) die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Der Rückgang (Anstieg) der Produktion wird über Multiplikatorrunden verstärkt. r IS P1 P‘2 P‘1 P2 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 196 • Lageparameter der IS-Kurve Aus Abschnitt 6 sind diverse Einflussgrößen bekannt, die zu einer Verschiebung der IS-Kurve führen: Staatskonsum, autonome Steuern, Transferzahlungen, autonomer Konsum. Ein weiterer Lageparameter ist zu erwähnen: Die zukünftigen Erwartungen bezüglich realer Erlöse für Investitionsprojekte, E. Optimistische Zukunftserwartungen erhöhen die Investitionsneigung und verschieben die IS-Kurve nach rechts. Pessimistische Zukunftserwartungen verschieben die IS-Kurve nach links. • Bewegung auf der Kurve Änderungen des Realzinses führen nicht zu einer Verschiebung der Kurve, sondern einer Bewegung entlang der Kurve. Dies muss beachtet werden, da der Realzins an der Ordinate steht. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 197 • Vermögenskanal Die Realzinsen beeinflussen nicht nur die Investitionen. Mit sinkenden Realzinsen steigen auch die Kurse von Anleihen und Aktien. Hierdurch steigt das Vermögen der privaten Haushalte an. Ein solcher Vermögensanstieg regt die privaten Haushalte dazu an, ihren Konsum zu erhöhen. Dieser Konsum wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen. Hiermit wird ebenfalls eine negative Steigung der IS-Kurve erneut begründet. • Akzeleratorhypothese Das aktuelle Inlandsprodukt kann auch auf die Höhe der Investitionen wirken. Dies kann zum einen daraus resultieren, dass sich in einer Rezession Pessimismus durchsetzt und die Ertragserwartungen, E, nach unten revidiert. Zum anderen sinken oftmals in einer Rezession die Buchwerte der Aktiva. Hierdurch sinkt die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und sie erhalten für Investitionen keine Kredite. Die Wirkung von subjektiven Gefühlen wie Pessimismus wird noch deutlicher, wenn multiple Gleichgewichte vorliegen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 198 • Multiple Gleichgewichte Wie eindeutig und sicher sind die zukünftigen Erwartungen? Dies wurde zumeist kontrovers diskutiert. Die Finanzkrise der Jahre 2007/08 hat deutlich gemacht, wie unsicher zukünftige Erwartungen sein können. Sie können auch durch subjektive Einflussgrößen wie dem Optimismus der Investoren geprägt sein. Dabei kann der Optimismus des einen denjenigen des anderen wecken. Genauso kann der Pessimismus eines Investors andere zu ähnlich düsteren Voraussagen bewegen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 199 Zwei Investoren überlegen sich z.B., ob sie ein Haus in New Orleans nach der Flutkatastrophe wieder aufbauen wollen. Keiner möchte aber ohne Nachbarn leben. Hierbei ergibt sich dann ein Koordinationsproblem und zwei Gleichgewichte: Ertrag Investor 2 Investor 1 Nein 0 Nein 0 Ja -2 0 0 5 Ja -2 5 Liegt eine pessimistische Stimmung vor, so koordinieren sich die Investoren auf das Gleichgewicht ohne Investitionen. Multiple Gleichgewichte entstehen auch, wenn ein Investor sein Anlagevermögen in Zukunft verkaufen möchte und nur investiert, wenn andere Akteure im Markt aktiv sind. Genauso entstehen Zulieferbetriebe für notwendige Vorprodukte nur dann, wenn hierfür viele konkurrierende Abnehmer existieren. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 200 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* f(k) 8. Zinssatz und Gütermarkt bei (n+δ)k konstanter Inflation c* s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 201 Pflichtlektüre: Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das Keynesianische Konsensmodell, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387394. Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl. S. 217-229. Romer, D. (2012), Short-Run Fluctuations. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 1-22, 90-95. http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 202 • Bestimmung des Nominalzinses Die vorherigen Abschnitte hatten gezeigt, dass Investitionen sich die zu ihrer Finanzierung notwendigen Ersparnisse selbst erzeugen aufgrund des Multiplikatorprozesses. Damit wird nicht etwa ein Zinssatz benötigt, der für einen Ausgleich zwischen Ersparnis (Kapitalangebot) und Investitionen (Kapitalnachfrage) sorgt. Wie wird dann aber der Zinssatz bestimmt? Wir hatten in Abschnitt 4 bereits gesehen, dass der nominale Zinssatz von der Zentralbank festgelegt werden kann. • Bestimmung des Realzinses Die Zentralbank beobachtet permanent die laufende und in der Zukunft erwartete Inflation. Wird dieser Wert vom nominalen Zinsniveau subtrahiert, so ergibt sich das reale Zinsniveau. Damit hat die Zentralbank die Möglichkeit, ein von ihr gewünschtes Realzinsniveau zu steuern. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 203 Fallstudie IV. Fallstudie Eurozone Eurozone, 2011 BIP: 9422 Mrd. € Bevölkerung: 332 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 28380 € Preis Big-Mac: 3,58 € Wechselkurs: 1,30 US $/€ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 204 Fallstudie • 1992: Mit dem Vertrag von Maastricht verpflichten sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Einrichtung einer Währungsunion. • 1998: 11 Mitgliedstaaten erfüllen die notwendigen Konvergenzkriterien. Dänemark, Schweden und Großbritannien nehmen Ausnahmen für sich in Anspruch. • 1999: 1. Januar 1999 startet die Eurozone. • 2000: Griechenland qualifiziert sich. • 2002: Physische Münzen und Banknoten werden emittiert. • 2007-2011: Weitere Länder treten bei; Slowenien (2007), Zypern und Malta (2008), Slowakei (2009), Estland (2011). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 205 Entwicklung Eurozone 5 90 4 Fallstudie 3 85 2 1 80 0 Inflation -1 75 Realer Zinssatz Nominaler Zinssatz Auslastungsgrad (rechte Skala) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2012 Q1 2011 Q1 2010 Q1 2009 Q1 2008 Q1 2007 Q1 2006 Q1 2005 Q1 2004 Q1 2003 Q1 2002 Q1 2001 Q1 2000 Q1 -3 1999 Q1 -2 Folie 206 70 • Wieso sollte die Zentralbank die Realzinsen steuern? Da hohe Realzinsen die Investitionen dämpfen und niedrige Realzinsen zu einem expansiven Impuls führen, wird die Zentralbank der Höhe der Realzinsen besondere Aufmerksamkeit schenken. − Ist das Inlandsprodukt höher als sein potentielles Niveau, so machen Arbeitskräfte Überstunden und verzichten auf Freizeit. Sachkapital wird übermäßig verschlissen. Um die Wirtschaft zu dämpfen wird die Zentralbank den Realzins erhöhen. “[It’s the Fed’s job] to take away the punch bowl just as the party gets going.” William McChesney Martin, Jr. Fed Chairman 1951-1970 − Ist das reale Inlandsprodukt, Y, niedriger als das potentielle Inlandsprodukt, so resultiert Arbeitslosigkeit und vorhandene Kapazitäten an Sachkapital sind ungenutzt. Die Zentralbank steuert dem durch Senkung des Realzinses entgegen. “The Fed also has the job of spiking the punch with grain alcohol when the party starts to flag“ N. Gregory Mankiw, New York Times, 2007 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 207 Quelle: New York Times, 21. Dezember 2007 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 208 • Inflationsziel Die Zentralbank wird darüber hinaus der Höhe der Inflationsrate eine große Bedeutung beimessen. Die EZB hält eine Inflationsrate zwischen 1 und 2 Prozent für angemessen. − Bei hoher Inflation wird die Zentralbank den Realzins erhöhen. Hierdurch soll der Preisauftrieb gedämpft werden. − Bei zu niedriger Inflation wird der Realzins gesenkt, damit zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nachfrage und zukünftig höhere Inflation entsteht. • Taylor-Regel Die Reaktion der Zentralbank auf Inflation und Inlandsprodukt lässt sich als Funktion darstellen. Diese Regel wird nach ihrem Entdecker John B. Taylor benannt: r = r '+ λP (Y − Y ) + λI π ; r ', λP , λI > 0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 209 • Erläuterung der Variablen − Der Term r' bezeichnet einen von der Zentralbank im langfristigen Mittel für geeignet angesehenen Realzins. Eine Änderung von r' bringt eine bewusste Änderung der politischen Ausrichtung zum Ausdruck. Mit einem Anstieg von r' wird der Übergang zu einer restriktiveren Regel ausgedrückt. Mit einem Senken von r' wird ausgedrückt, dass die Zentralbank eine laxere Regel verfolgt. Hiervon ist eine fehlerhafte Realzinssteuerung der Zentralbank zu unterscheiden, die durch ein Abweichen von der MP-Kurve dargestellt wird. − Mit − wird die sog. Produktionslücke bezeichnet, der Unterschied zwischen Inlandsprodukt und seinem potentiellen Niveau. Wir setzen dabei den Wert für das potentielle Inlandsprodukt, , auf 100 und passen den Wert der Güternachfrage, Y, dementsprechend an. Bei einem Produktionspotential von 2500 Mrd. € und einer Güternachfrage von 2600 Mrd. € schreiben wir dann Y =2600/2500*100=104 und damit eine Produktionslücke von 4. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 210 • Die beiden Parameter − Mit λP bezeichnen wir das Ausmaß mit dem die Zentralbank auf Schwankungen der Produktionslücke reagiert. Je ausgeprägter der Wunsch nach einer Stabilisierung des Inlandsprodukts und der Beschäftigung, desto größer fällt dieser Parameter aus. − Analog wird mit λI das Ausmaß bezeichnet, mit dem die Zentralbank auf Änderungen der Inflationsrate reagiert. Fällt dieser Parameter groß aus, so möchte die Zentralbank bereits kleine Schwankungen der Inflationsrate vermeiden. Der Inflationsterm ließe sich auch in der Form #$ − schreiben, wobei mit ein Zielwert der Inflationsrate bezeichnet wird. Wir können diesen Zielwert aber weglassen. Ein Erhöhung eines solchen Zielwerts werden wir stattdessen durch eine Erhöhung des Terms r' erfassen. − Taylor schlägt als Werte für λP und λI jeweils 0,5 vor. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 211 • MP-Kurve Wird die Taylor-Regel graphisch in einem r/Y-Diagramm dargestellt, so erhalten wir eine Kurve, die die monetäre Politik der Zentralbank beschreibt. Diese Kurve bezeichnen wir als MP-Kurve. Sie hat eine positive Steigung. • Lageparameter Ein Anstieg der Inflation oder ein Übergang zu einer restriktiveren Regel (r' steigt) verschieben die MP-Kurve nach oben. r MP-Kurve π↑; r'↑ Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 212 • Einfache IS-Kurve Die IS-Kurve sei durch die folgende Gleichung charakterisiert (b0 bezeichnet die in den vorherigen Abschnitten identifizierten Einflüsse). Y = b0 − b1r ; b0 , b1 > 0. • Gleichgewicht Die Regel der Zentralbank und die IS-Kurve können zusammengefasst werden, um das gleichgewichtige Inlandsprodukt und den hierzu gehörigen Realzins zu bestimmen. r IS MP r0 P0 Y0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 213 Wettstreit der Lehrmeinungen • Ein Konsens? Die Taylor-Regel hat breite Zustimmung über Lehrmeinungen hinweg gefunden. Bezüglich der IS-Kurve verbleiben offene Fragestellungen. − Anhänger einer mikrofundierten Makroökonomik vermuten, dass private Haushalte bei einem zukünftig hohen Einkommen bereits heute den Konsum erhöhen. Daher würden sie Erwartungen bezüglich des zukünftigen Einkommens als Einflussgröße in der Gleichung berücksichtigen. − Die Relevanz zukünftig erwarteter Größen findet allerdings weniger robuste empirische Unterstützung. Anhänger einer Makroökonomik als engineering erweitern die IS-Kurve eher mit Werten der Vergangenheit. Sie vermuten ferner einen hohen Parameter b1, da dieser von einem Multiplikatoreffekt verstärkt wird. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 214 Erhöhung des Staatskonsums IS1 r IS0 b0 MP rA r0 P0 Y0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff PA YA Y Folie 215 • Erläuterung der Anpassung Die Erhöhung des Staatskonsums auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt die IS-Kurve nach rechts. Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts ergibt sich eine Überauslastung der Kapazitäten. Die Zentralbank wird gemäß ihrer Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher bleibt die MP-Kurve unverändert in ihrer Lage. Es ergibt sich ein neues Gleichgewicht im Punkt PA. Das Inlandsprodukt ist angestiegen, allerdings ist der Anstieg gedämpft, da die höheren Realzinsen die Investitionen reduzieren. • Dämpfungseffekt der Zentralbankpolitik Der Anstieg des Inlandsprodukts fällt insgesamt geringer aus als bei der bisherigen Multiplikatoranalyse. Die Zentralbank wirkt stabilisierend einer Ausweitung des Inlandsprodukts entgegen. Dies wird auch in der Literatur als „Dämpfungseffekt des Geldmarkts“ oder genauer als „Dämpfungseffekt der Zentralbankpolitik“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 216 Straffere Regel der Zentralbank MP1 r IS0 rA r0 r' PA MP0 P0 YA Y0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 217 • Erläuterung der Anpassung Eine straffere Regel der Zentralbank verschiebt die MP-Kurve nach oben. Der Realzins erhöht sich. Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das Inlandsprodukt. Dies wiederum bewirkt, dass die Erhöhung des Realzinses etwas gedämpft wird. Es ergibt sich ein Gleichgewicht in PA bei kurzfristig konstanter Inflationsrate. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 218 • Reaktion der Geldmenge Eine straffere Regel der Zentralbank geht mit einer einmaligen Reduktion der Geldmenge einher. Dies zeigt die Gleichung für die Geldnachfrage: = ∙ , % + & Da das Inlandsprodukt sinkt und der Realzins steigt, sinkt die reale Geldnachfrage. • Geld und Inlandsprodukt –falsche Kausalität Wieso geht eine einmalige Reduktion der Geldnachfrage mit einem Sinken des Inlandsprodukts einher? Teilweise finden sich in der Tagespresse irreführende Argumente: „Die Güternachfrage verringert sich, weil weniger Geld für Konsumzwecke zur Verfügung steht“. Dieses Argument ist falsch, denn für Konsum ist Einkommen notwendig. Geld wird zu Transaktionszwecken gehalten. Konsumgüter werden verbraucht, Geld nicht. Die gesunkene Geldnachfrage ist korrekterweise nur eine Begleiterscheinung der höheren Zinsen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 219 • Liquiditätsfalle Die Zentralbank kann keine negativen nominalen Zinssätze am Markt durchsetzen. Ein Grund für dieses Versagen besteht darin, dass die Geschäftsbanken keine Kredite mit negativen Nominalzinsen vergeben, weil sie stattdessen die Geldhaltung bevorzugen. Dies wird als Liquiditätsfalle bezeichnet, da alle Wirtschaftssubjekte eine unbegrenzte Neigung zur Haltung von Liquidität hätten. Bei einer Inflationsrate von Null kann die Zentralbank dann keine negativen Realzinsen erreichen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 220 Expansivere Regel der Zentralbank mit Liquiditätsfalle r IS0 r0=0 MP P0=P1 r'↓ ↓ Y Y0=Y1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 221 • Wirkungslosigkeit der Zentralbankpolitik Statt Punkte auf der MP-Kurve zu erreichen, muss die Zentralbank dann von dieser Kurve abweichen. Unterhalb von r=0 gilt die MP-Kurve nicht mehr. Eine expansivere Regel der Zentralbank ist dann ohne Einfluss auf r. Demzufolge kann sich auch kein Anstieg der Investitionen und des Inlandsprodukts einstellen. Eine Änderung der Regel der Zentralbank ist in der Liquiditätsfalle somit wirkungslos. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 222 Fallstudie V. Fallstudie Japan Japan, 2009 BIP: 487000 Mrd. Yen Bevölkerung: 127 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 3830000 Yen Preis Big-Mac: 320 Yen Wechselkurs: 85 Yen/US $ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 223 Entwicklung Japan 8 Wachstum BIP Inflation 6 Zinssatz (kurzfristig Interbankenmarkt) Fallstudie 4 2 0 -2 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 -4 Folie 224 Fallstudie • 1984-89: Trotz hohen Wachstums und niedriger Inflation werden niedrige Zinsen gesetzt (um Leistungsbilanzüberschuss abzubauen). Vermögenspreisblase bei Aktien und Immobilien. • 1989-1992: Nikkei büßt mehr als die Hälfte seines Wertes ein. Viele faule Kredite liegen in den Bilanzen. • 1992-1996: Trotz Rezession werden Zinsen nur langsam gesenkt. • 1996-2012: Japan ist in der Liquiditätsfalle. Nur mit hohen Staatsausgaben gelingt eine Stabilisierung. Die Verschuldung des Staates liegt mittlerweile bei 230% des BIP. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 225 Fallstudie Der Nikkei ist der bekannteste japanische Aktienindex. Seine Messung basiert auf 225 ausgesuchten Aktienwerten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 226 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 9. Das makroökonomischef(k) (n+δ)k Konsensmodell c* s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 227 Pflichtlektüre: Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007): 387-394. Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl. S. 229-243. Romer, D. (2012), Short-Run Fluctuations. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 54-89, 95-114. http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl. S. 672-693; 694-708. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 228 • Variierende Inflation Bisher haben wir ein konstantes Inflationsniveau unterstellt. Tatsächlich aber schwankt die Inflationsrate und reagiert auf geld- und fiskalpolitische Aktionen. Wir müssen daher die Bestimmungsfaktoren der Inflationsrate herausarbeiten und die Rückwirkung auf Realzins und Inlandsprodukt modellieren. • Zusammenwirken von IS- und MP-Kurve Ein Zusammenhang zwischen Inflation und Inlandsprodukt ergibt sich aus dem Zusammenwirken von IS-Kurve und MP-Kurve. Ein Anstieg der Inflationsrate verschiebt die MP-Kurve nach oben. Aufgrund des steigenden Realzinses verringert sich daher das Inlandsprodukt. Die Schar dieser Punkte können wir in einem π/Y-Diagramm abtragen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 229 Herleitung der AD-Kurve MP1 r π IS MP0 r0 P0 Y0 π Y AD π1 π0 P0 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 230 • Die AD-Kurve Im π/Y-Diagramm hat die hergeleitete Kurve eine negative Steigung. Diese Kurve gibt an, wie hoch das Inlandsprodukt ist, falls die Zentralbank auf eine vorgegebene Inflationsrate mit ihrer Zinssetzung reagiert. Die Kurve unterstellt dabei, dass Produzenten ihre Produktion vollständig nach der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ausrichten. Bei hoher Inflationsrate setzt die Zentralbank einen hohen Realzins und dämpft damit die Konjunktur. Bei niedriger Inflationsrate setzt die Zentralbank einen niedrigen Realzins und regt damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage an. Daher bezeichnen wir die Kurve auch als Nachfragekurve (aggregate demand). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 231 • Zur Logik der AD-Kurve Die negativ geneigte AD-Kurve ähnelt einer aus der Mikroökonomie bekannten Nachfragekurve. Erhöht sich der Preis für Bier, so sinkt die Nachfrage. Dieser mikroökonomische Effekt ist auf Substitutionsbeziehungen zurückzuführen: Der relative Preis für Bier steigt an; statt Bier werden andere Güter nachgefragt. Diese Substitution ist aber gesamtwirtschaftlich nicht möglich. Die negative Neigung der AD-Kurve kann nicht aus einer Substitutionsbeziehung begründet werden. Es muss stattdessen explizit auf die Zentralbank Bezug genommen werden. Die Zentralbank möchte hohe Inflation vermeiden. Daher erhöht sie bei hoher Inflation den Realzins und bewirkt einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 232 • Potentielles Inlandsprodukt und Inflation Neben der AD-Kurve wird das potentielle Inlandsprodukt in einem π/YDiagramm abgetragen. Bekanntlich wird dies aus dem Wachstumsmodell hergeleitet. Hat die Inflationsrate hierauf einen Einfluss? Im Wachstumsmodell ergibt sich ein solcher Einfluss nicht. Auch aus einer Abwägung der Kosten und Nutzen der Inflation ergibt sich kein eindeutiger Einfluss. Daher erscheint die Annahme vertretbar, dass insgesamt die Inflationsrate keinen Einfluss auf hat. • Veränderung des Potentiellen Inlandsprodukts Im Falle eines Zustroms von Arbeitskräften, Kapital oder natürlichen Ressourcen sowie bei technischem Fortschritt erhöht sich das „potentielle Inlandsprodukt“ und die Kurve verschiebt sich nach rechts. π Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 233 • Ungleichgewicht Was passiert nun, wenn bei einer bestimmen Inflationsrate, sagen wir π1, das potentielle Inlandsprodukt größer ist als die Nachfrage, > ? Welche Seite wird sich durchsetzen? π AD π1 Y Y Kurz- und mittelfristig ist es möglich, dass das Inlandsprodukt vom potentiellen Niveau abweicht. Die Höhe des Inlandsprodukts wird dann von der Höhe der Nachfrage, also der AD-Kurve, bestimmt. Produzenten haben nämlich kein Interesse, mehr zu produzieren, als sie am Markt absetzen können. Ferner ist die Inflationsrate kurzfristig konstant, so dass nicht das Gleichgewicht erreicht wird, also der Schnittpunkt der AD-Kurve mit der -Kurve. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 234 • Warum ist die Inflationsrate kurzfristig konstant − Die Löhne sind kurzfristig fixiert (sticky wages). Lohnverhandlungen werden nur alle 1-2 Jahre durchgeführt. Hierbei wird die zukünftige Inflationsrate abgeschätzt und als Zuschlag auf den Lohn gewährt. Oder es wird ein Ausgleich für die Inflation der Vergangenheit gewährt. Für den Zeitraum des Vertrages bleibt das Lohnniveau dann konstant. − Die Preise sind kurzfristig konstant, weil die Anpassung mit Menukosten einhergeht (sticky prices). Preise werden je nach Branche teilweise seltener als einmal pro Jahr angepasst. Bei der Bestimmung des Preisniveaus wird die Inflationsrate der Vergangenheit und die für die Zukunft erwartete Rate berücksichtigt. − Relevante Information geht nicht allen Wirtschaftssubjekten sofort zu (sticky information). Dies bewirkt, dass sogar diejenigen im Besitz der Information nur geringfügig Preise (und Löhne) anpassen, da ihr Preis sonst stark vom Niveau des Marktes abweicht und sie entweder Marktanteile verlieren oder Gewinne nicht voll abschöpfen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 235 • Die IA-Kurve Die Ausführungen implizieren, dass die Inflationsrate kurzfristig konstant ist. Wir erhalten eine horizontale Inflationsanpassungs-Kurve (IA) im π/YDiagramm. π π0 IA Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 236 • Geerbte Inflation Wie hoch ist die Inflation? Die Erfahrung lehrt, dass die Inflationsrate aus der Vergangenheit „geerbt“ wird. Eine hohe Inflationsrate in der Vergangenheit bewirkt, dass auch in der Zukunft mit einer hohen Inflationsrate gerechnet wird. Preisniveaustabilität bewirkt, dass auch zukünftig mit geringer Inflation gerechnet wird. Es gilt = ' , wobei mit -1 die Vorperiode indiziert wird. • Verschiebung der IA-Kurve Die Inflationsrate erhöht sich zukünftig, wenn das Inlandsprodukt größer ist als sein potentielles Niveau. Maschinen verschleißen schneller. Dies müssen die Firmen durch einen beschleunigten Anstieg der Preise ausgleichen. Für abgeleistete Überstunden muss ein Zuschlag bezahlt werden, der den Lohnsatz erhöht. Zudem steigen die Löhne schneller, weil aufgrund der geringen Arbeitslosigkeit sich leichter Lohnsteigerungen durchsetzen lassen. Ist das Inlandsprodukt dagegen kleiner als sein potentielles Niveau, so resultiert Arbeitslosigkeit und erlaubt den Unternehmen, die Löhne zu drücken. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 237 EZB, Monatsbericht Januar 2011, S. 43. Daten bezogen auf 1999-2010, 16 Eurowährungsländer. Die Produktionslücke ist definiert als Quotient aus tatsächlichem BIP und potenziellem BIP, welches mit Hilfe einer Cobb-Douglas Produktionsfunktion berechnet wird. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 238 • Die Inflationsanpassungsdynamik Formal gilt für die Inflationsrate: = & + ( ' − ; mit & = ' . Entspricht das Inlandsprodukt seinem potentiellen Niveau, ' = , so folgt = & = ' . Liegt also bei der Produktion eine Ruhelage vor, dann ändert sich die Inflationsrate nicht. Weicht jedoch die Höhe des Inlandsprodukts von seiner potentiellen Höhe ab, so hat dies eine Veränderung der zukünftigen Inflationsrate zur Folge. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 239 Wettstreit der Lehrmeinungen • Zukunft oder Vergangenheit – welche Größen sind wichtiger? − Die Gleichung für die Inflationsdynamik berücksichtigt nur Werte aus der Vergangenheit für Inflation und Inlandsprodukt. Eine mikroökonomische Herleitung unter der Annahme der vollständigen Rationalität würde aber ergeben, dass Werte, die für die Zukunft erwartet werden, entscheidend sind. Dies resultiert daher, dass Produzenten heute Preise setzen wollen, die auch morgen noch brauchbar sind. Die Vergangenheit ist hingegen für rationale Wirtschaftssubjekte irrelevant. − Empirische Untersuchungen bestätigen die überwältigende Relevanz vergangenheitsbezogener Werte. Informationen erreichen die Wirtschaftssubjekte evtl. erst verzögert oder sie werden erst verzögert ausgewertet, so dass sogar noch länger zurück liegende Werte oftmals Einfluss besitzen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 240 • Die Phillips-Kurve Neben der langfristig vertikalen Angebotskurve und der kurzfristig horizontalen IA-Kurve wird in der Literatur auch oftmals eine mittelfristige Angebotskurve dargestellt. Diese ist weder horizontal noch vertikal, sondern weist eine positive Steigung auf. Eine solche Angebotskurve wird auch als „Phillips-Kurve“ bezeichnet. Hiermit wird verdeutlicht, dass mittelfristig ein erhöhtes Inlandsprodukt und eine Absenkung der Unterbeschäftigung nur mit einer Inflation „erkauft“ werden kann. Wir verzichten in der Graphik auf die Darstellung dieses mittelfristigen Zusammenhangs. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 241 Das Grundmodell r IS MP r0 P0 Y0 π Y AD π0 P0 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff IA Y Folie 242 Erhöhung des Staatskonsums IS1 r r1 IS0 b0 MP1 π MP0 P1 r0 P0 π AD1 PA Y Y0 =Y1 AD0 π1 π0 P1 PA P0 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff IA Y Folie 243 • Erläuterung der Anpassung Die Erhöhung des Staatskonsums auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt die IS-Kurve nach rechts. Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts wird die Zentralbank gemäß ihrer Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. Es ergibt sich ein Zwischenpunkt in PA. Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt die Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt PA. Aufgrund einer Überschussnachfrage erhöht sich nun die Inflation. Hierdurch wird die Zentralbank veranlasst, den Realzins zu erhöhen. Die MP-Kurve verschiebt sich nach oben. Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein Gleichgewicht im Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des potentiellen Niveaus. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 244 • Erhöhte Inflation im Gleichgewicht Die Inflationsrate ist nun gegenüber der Ausgangslage dauerhaft angestiegen. Dies resultiert daraus, dass die Zentralbank den anfänglichen Güternachfrageimpuls nicht vollständig neutralisiert. Erst durch eine steigende Inflationsrate wird dann die Zentralbank zu der weiteren, notwendigen Erhöhung der Realzinsen induziert. Möchte die Zentralbank entgegen dieser Lösung dauerhaft an der Inflationsrate der Ausgangslage festhalten, so müsste sie auf die erhöhte Güternachfrage mit einer Straffung der Regel der Zentralbank, r'↑, antworten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 245 • Ersparnis und Investitionen Mit der nun variierenden Inflationsrate kann auch die Sparquote wieder auf die Investitionen wirken, entgegen der Modellergebnisse bei konstanter Inflationsrate. Sofern nämlich die Sparquote steigt, verschiebt sich die IS-Kurve nach links. Die Zentralbank beobachtet eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage und eine nachlassende Inflationsrate. Sie wird die Zinsen senken. Die gesunkenen Zinsen erhöhen dann die Investitionen. In diesem Sinne kann Ersparnis wieder als „Tugend“ bezeichnet werden. Allerdings funktioniert dieser Zusammenhang nicht in der Liquiditätsfalle. Andererseits führt eine erhöhte Investitionsneigung nun auch nicht mehr unbedingt zu steigender Ersparnis. Sie bewirkt eine Rechtsverschiebung der IS-Kurve und damit eine erhöhte Nachfrage und zukünftige Inflationsgefahren. Um dies zu vermeiden, wird die Zentralbank die Zinsen erhöhen. Hierdurch kann sich eine erhöhte Investitionsneigung aber nicht durchsetzen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 246 Straffere Regel der Zentralbank MP1 r π↓ IS0 r'↑ PA r0 π MP0 P0=P1 AD0 Y0 =Y1 Y AD1 π0 P0 IA PA π1 P1 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 247 • Erläuterung der Anpassung Eine straffere Regel der Zentralbank verschiebt die MP-Kurve nach oben. Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das Inlandsprodukt. Es ergibt sich ein Zwischenpunkt in PA. Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt die Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt PA. Aufgrund eines Überschussangebots verringert sich die Inflation. Hierdurch wird die Zentralbank veranlasst, den Realzins wieder zu senken. Die MP-Kurve verschiebt sich nach unten. Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein Gleichgewicht im Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des potentiellen Niveaus. Wir sehen also, dass die Zentralbank bei Straffung ihrer Regel die Inflationsrate reduzieren kann. Hierbei muss sie aber eine temporäre Reduktion der Produktion und des Einkommens in Kauf nehmen. Dem langfristigen Vorteil einer reduzierten Inflation stehen daher temporäre Einbußen gegenüber. Da zukünftige Vorteile im Kalkül der Wirtschaftssubjekte abdiskontiert werden müssen, ist nicht sichergestellt, dass eine straffere Regel der Zentralbank insgesamt vorteilhaft ist. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 248 Wettstreit der Lehrmeinungen • Ist das potentielle Inlandsprodukt konstant? Ein Rückgang des Inlandsprodukts ist in dem Modell nicht dauerhaft. Aber dies kann kritisiert werden. − Ein Einbruch der Wirtschaft könnte Investitionen und Forschungsausgaben reduzieren. Humankapital fehlt die tägliche Nutzung und Auffrischung. Die Jugendarbeitslosigkeit könnte steigen und Anreize zu Bildung zerstören. Eine positive Einstellung zu Arbeit könnte verloren gehen. Unternehmen könnten Führungskräfte danach aussuchen, Kosten einzusparen. Damit könnte der Kapitalstock durch eine Rezession nachhaltig sinken. − Krisen können auch die Produktivität steigern. Beschäftige erkennen die Notwendigkeit harter Arbeit, um einen Arbeitsplatzverlust zu vermeiden. Aus der Not kann Kreativität entstehen. Unnötige Subventionen werden gekürzt. Unnötig am Leben erhaltene Branchen werden abgewickelt. Krisen bringen damit eine kreative Zerstörung mit sich, die die nächste Wachstumsphase ermöglicht. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 249 • Glaubwürdigkeit der Zentralbankpolitik Wir hatten bisher die Inflationserwartung durch die Gleichung & = ' dargestellt. Neben der Inflation der Vorperiode könnte die erwartete Inflationsrate aber von weiteren Größen beeinflusst werden. Ein Anstieg der Ölpreise führt oftmals zu einer sofortigen Änderung der Inflationserwartung. Hier wollen wir auf einen anderen wichtigen Einflussfaktor eingehen: Die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank. • Zukünftige Erwartungen Rationale Wirtschaftssubjekte bilden Erwartungen bezüglich der zukünftigen Inflationsrate und bestimmen bereits heute wichtige Preise (z.B. die Zinsen für langfristige Kredite) anhand dieser erwarteten Größe. Auch wenn das Ausmaß dieses Verhaltens im Wettstreit der Lehrmeinungen diskutiert wird, ist seine Existenz unstreitig. Dies wirft eine zentrale Frage für die Zentralbankpolitik auf: Wie könnte die Zentralbank diese Erwartungen beeinflussen? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 250 • Ankündigungen zukünftiger Zentralbankpolitik Möchte die Zentralbank die Inflationserwartungen direkt reduzieren, so kündigt sie für die laufende und die zukünftigen Perioden einen erhöhten Wert für r' an. Glauben die Wirtschaftssubjekte der Zentralbank und erwarten sie, dass die Zentralbank ihre Politik auch gegen Widerstände durchsetzen wird, so sind sie von dem zukünftigen Rückgang der Inflationsrate überzeugt. Daher werden sie ihre Erwartungen der zukünftigen Inflation sofort nach unten korrigieren. Dadurch verschiebt sich die IA-Kurve sofort nach unten. • Anpassungspfad ohne Rezession Eine solche restriktive Zentralbankpolitik könnte ohne Rezession erfolgen. Die rasche Verschiebung der IA-Kurve nach unten bewirkt, dass nicht der bisherige Punkt PA als Zwischenlösung bei einer restriktiven Zentralbankpolitik gültig ist. Vielmehr fällt die Reduktion des Inlandsproduktes geringer aus. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 251 • Fehlende Glaubwürdigkeit Eine andere Situation liegt vor, wenn die Zentralbank jedoch den Ruf hat, ihre Ankündigungen nicht konsequent durchzusetzen, sondern oftmals ihren politischen Kurs unter politischem Druck zu revidieren. In diesem Fall werden die Wirtschaftssubjekte nicht den Ankündigungen einer schärferen Regel in der Zukunft glauben. Die IA-Kurve verharrt auf dem alten Niveau. Versucht die Zentralbank entgegen der skeptischen Erwartung der Wirtschaftssubjekte die Inflation zu bekämpfen, so erfolgt die Anpassung bei einer kurzfristig konstanten IA-Kurve und geht mit einem Produktionseinbruch einher (Punkt PA). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 252 • Kann die Zentralbank das Inlandsprodukt erhöhen? Eine Zentralbank könnte r' absenken, ohne dies den Wirtschaftssubjekten mitzuteilen. Sie täuscht dann die Wirtschaftssubjekte. In diesem Fall würde die IA-Kurve zunächst in ihrer alten Lage verharren, da die Wirtschaftssubjekte den Ankündigungen der Zentralbank glauben. Erst mit der Zeit erkennen die Wirtschaftssubjekte die neue Zentralbankpolitik und erhöhen die Inflationserwartung. • Lukas-Kritik Ob sich hiermit aber tatsächlich das Inlandsprodukt dauerhaft erhöhen lässt, wurde insbesondere von dem Nobelpreisträger Robert Lukas bezweifelt. Er bezweifelte, dass Wirtschaftssubjekte ihre Inflationserwartung nur an Werten der Vergangenheit orientieren. Bei einem substantiellen Politikwechsel seien Wirtschaftssubjekte in der Lage, die zukünftige Entwicklung korrekt zu antizipieren. Höchstens kurzfristig sei eine Täuschung möglich, danach durchschauen die Wirtschaftssubjekte die Zentralbankpolitik und bestimmen die Inflationserwartungen rational, d.h. & = , so dass folgt = . Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 253 Deflation und Liquiditätsfalle r MP(π=0) IS0 r0=1 P0 r0=0 π π0=0 MP(π=-1) Y Y0 AD0 P0 IA Y π0=-1 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 254 • Erläuterung der Anpassung Die Zentralbank kann keine negativen Nominalzinsen erzielen, denn die Geschäftsbanken würden lieber horten (z.B. Bargeld in den Tresoren halten), als Kredite mit negativem Ertrag auszugeben und die Nichtbanken würden Sichteinlagen halten und unbegrenzt Kredite bei den Geschäftsbanken aufnehmen. Daher kann eine Senkung der Realzinsen bei Preisniveaustabilität (π=0) nicht herbeigeführt werden. Unterhalb von r=0 gilt die MP-Kurve nicht mehr. In dieser Situation kann die Zentralbank die Inflationsrate nicht mehr steigern, da sie nicht kurzfristig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen kann. Ein exogener Schock bewirke nun ein Absinken der Inflationsrate (Deflation). Die Zentralbank möchte mit einer Senkung der Realzinsen reagieren. Da die Nominalzinsen aber bereits Null betragen, gelingt ihr dies nicht. Entgegen dem Wunsch der Zentralbank führt die Deflation zu einem Anstieg der Realzinsen. Hierdurch sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter ab. Insgesamt ergibt sich bei einer Kombination aus Deflation und Liquiditätsfalle ein positiver Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve. Es droht eine immer weiter zunehmende Deflation (Deflationsspirale). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 255 Fallstudie VI. Fallstudie Große Depression Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 256 Pro-Kopf-Produktion 110 Fallstudie 100 90 Kanada Frankreich 80 Deutschland USA Großbritannien 70 60 50 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 1935 1936 1937 1938 Folie 257 15.0 10.0 Fallstudie 5.0 0.0 -5.0 -10.0 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 Inflation Realzins Zentralbankzins USA Budgetdefizit (in Prozent des BIP) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 258 • 1921-1929: Aktienboom. Zentralbank versucht erst 1929 die Überhitzung mit einer moderaten Zinserhöhung zu dämpfen. Fallstudie • 1929: Rezession beginnt und Aktienmarkt bricht ein. • 1930: Zentralbanken senken weltweit Zinsen nur moderat. Erst 1940 wird ein Zinssatz von 1% in den USA gesetzt. • 1931: Durch Beendigung der Goldeinlösepflicht der Bank of England (und damit des damaligen Systems fester Wechselkurse) wertet das britische Pfund um 30% ab. • 1932: Aufgrund der starken Deflation ergeben sich hohe Realzinsen, welche den Abschwung beschleunigen. • 1933: Das von Präsident Roosevelt eingeleitete Programm New Deal kurbelt mit massiven staatlichen Investitionen und Sozialleistungen die Binnenkonjunktur an. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 259 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y 10. y* f(k) Außenbeitrag und Kapitalimporte c* (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 260 Pflichtlektüre: Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 27-29, 45-49, 53-54, 56. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 729-730. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 261 • Die geschlossene Volkswirtschaft Eine geschlossene Volkswirtschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Interaktion mit anderen Volkswirtschaften aufweist. Dies beinhaltet insbesondere das Fehlen von Exporten und Importen. Das beinhaltet das Fehlen von Einkommensströmen (Faktorströmen) über Landesgrenzen hinweg. Auch fehlen Kapitalströme mit dem Ausland. Nordkorea ist ein Beispiel einer weitgehend geschlossenen Volkswirtschaft. Die globale Wirtschaft selbst ist ein weiteres Beispiel. Für alle anderen Fälle offener Volkswirtschaften sind die vielfältigen Ströme von Leistungen und Zahlungen mit dem Ausland zu berücksichtigen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 262 • Der Außenbeitrag − Die Exporte setzen sich zusammen aus den Exporten von Gütern und Diensten (X‘) − und den Exporten von Faktorleistungen (FAI). Faktorleistungen werden exportiert, wenn ein Inländer ein Einkommen im Ausland erzielt, z.B. indem er als Grenzgänger im Ausland arbeitet oder Zins- oder Mieteinnahmen im Ausland erzielt. − Die Importe setzen sich zusammen aus den Importen von Gütern und Diensten (J‘) − und den Importen von Faktorleistungen (FIA). Inländische Produktionsbetriebe importieren solche Faktorleistungen, indem sie im Ausland wohnende Arbeitskräfte oder Zinsen für ausländisches Kapital bezahlen. − Die jährlichen Überschüsse und/oder Defizite, X‘-J‘, werden in der Handels- und Dienstleistungsbilanz eines Landes erfasst und als „Außenbeitrag“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 263 • Leistungsbilanzdefizit und –überschuss Werden zum Außenbeitrag noch Faktorexporte und –importe berücksichtigt, so resultieren die gesamten Netto-Exporte (X-J=X‘+ FAI -J‘- FIA), die auch als Leistungsbilanzsaldo bezeichnet werden. Falls X>J, erwirtschaftet ein Land einen Leistungsbilanzüberschuss und baut dadurch Nettoforderungen gegenüber dem Ausland auf. Sind die Importe hingegen größer als die Exporte, so akkumuliert ein Land Schulden oder verliert Vermögensobjekte an das Ausland (Leistungsbilanzdefizit). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 264 • Was beeinflusst Außenbeitrag und Leistungsbilanzsaldo? - Die Konsumpräferenzen bezüglich inländischer und ausländischer Produkte. Die Preise der inländischen und ausländischen Produktion. Der Wechselkurs, also der Preis der ausländischen Währung in Einheiten der inländischen Währung. Die Einkommen von Inländern und Ausländern. Transportkosten. Handelspolitik und Handelsbeschränkungen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 265 • Kapitalbilanz Kapitalexporte kennzeichnen den von Inländern getätigten Kauf ausländischer Vermögensobjekte (z.B. Aktien, Anleihen oder Bauten) oder die Vergabe von Krediten an das Ausland. Kapitalimporte entsprechen dem Verkauf inländischer Vermögensobjekte an Ausländer oder der Aufnahme von Krediten aus dem Ausland. Nettokapitalexporte sind Kapitalexporte abzüglich der Kapitalimporte. Sie entsprechen dem Saldo der Kapitalbilanz. So erhöht ein Kauf von USAnleihen durch einen EU-Inländer die Nettokapitalexporte der EU. Kaufen Japaner Aktien in Deutschland, so verringern sich die Nettokapitalexporte der EU. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 266 • Was beeinflusst die Kapitalbilanz? - Die Realzinsen, die für ausländische Vermögensobjekte bezahlt werden. Die Realzinsen, die für inländische Vermögensobjekte bezahlt werden. Die erwartete Entwicklung des Wechselkurses. Ökonomische und politische Risiken einer Anlage von Vermögen im Ausland. Die politischen Rahmenbedingungen, die einen Transfer von Vermögen ins Ausland ermöglichen oder behindern. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 267 • Leistungsbilanz und Kapitalbilanz Leistungsbilanz und Kapitalbilanz sind Teil der „Zahlungsbilanz“ eines Landes, also einer Zusammenstellung aller Transaktionen mit dem Ausland. Ein Land verliert dadurch Vermögen oder akkumuliert Schulden, dass die Importe an Gütern, Diensten und Faktoren größer sind als die Exporte. Im Gegenzug müssen in gleichem Ausmaß Nettokapitalimporte vorhanden sein. Diese spezifizieren, in welcher Form Kapital in das Land fließt, als Kredit oder durch den Verkauf von Vermögensobjekten. Daraus folgt, dass der Leistungsbilanzsaldo, X-J, den Nettokapitalexporten, NKE, entspricht: X-J =NKE. Einem Verkauf von Gütern und Diensten an die USA (X-J>0) steht zunächst die Entgegennahme von US-$ gegenüber, also einem Vermögensobjekt (NKE). Dieses Vermögensobjekt kann getauscht werden gegen andere Vermögensobjekte, oder aber es kann für den Import von Gütern aus den USA verwendet werden. In jedem Fall behält die obige Gleichung ihre Gültigkeit. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 268 • Das Ausland in der VGR Transaktionen mit dem Ausland sind in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu berücksichtigen. Dort werden folgende Wirtschaftssubjekte als „Inländer“ bezeichnet: - natürliche Personen mit ständigem (mindestens ein Jahr) Wohnsitz im Inland und - alle anderen Wirtschaftssubjekte einschließlich rechtlich unselbständiger Produktionsstätten und Zweigniederlassungen, soweit der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Inland liegt. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 269 Inländerkonzept Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Inlandskonzept Folie 270 Flussdiagramm für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit Ausland S 130 Einkommenskonto FI C G Ti-Z 945 700 225 100 Ib 250 Produktionskonto FAI 10 FIA 20 J´ 300 Auslandskonto / Zahlungsbilanz D 160 Vermögensänderungskonto X´ 350 KE (netto) 40 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 271 • Nettoinlandsprodukt Aus der Graphik lässt sich das Nettoinlandsprodukt (NIP) zu Marktpreisen herleiten: YnM=C+G+I +X′– J′=1065 Durch Zusammenfassung ergibt sich gemäß Produktionskonto: FI+FIA+(Ti – Z) = C+G+I+X′– J′. Das Nettoinlandsprodukt entspricht somit allen Faktoreinkommen, die durch die heimische Produktion entstehen und an Inländer und Ausländer verteilt werden zzgl. der indirekten Steuern minus Subventionen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 272 Deutschland 2011 USA 2011 China 2011 Staatskonsum Investitionen Privater Konsum Leistungsbilanz Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 273 • Nettonationaleinkommen Werden auf beiden Seiten der oben formulierten Gleichung die netto aus dem Ausland zugeflossenen Primäreinkommen hinzugezählt (FAI-FIA=-13 Mrd €), dann erhält man: FI+FAI+(Ti–Z) = C+G+I+(X’+FAI) – (J’+FIA). Volkseinkommen X J Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen (NNP) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 274 Das Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen lässt sich auch aus dem gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto ermitteln. Eine Erfassung aller eingehenden und ausgehenden Buchungen erbringt: FI+FAI+(Ti – Z)=C +G+ S + TrIA=1055 Aus den beiden Gleichungen folgt: C + G + I + (X – J) = C + G + S + TrIA S=I + (X – J – TrIA). Diese Gleichung entspricht dem Vermögensänderungskonto. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 275 • Ist ein Leistungsbilanzüberschuss „gut“? Die genannte Gleichung bringt zum Ausdruck, dass die heimische Ersparnis entweder in heimische Investitionen fließt oder in Kapitalexporte. Ein positiver Leistungsbilanzsaldo bedeutet, dass im Inland mehr gespart als investiert wird. Ein Leistungsbilanzdefizit (X-J-TrIA=NKE<0) impliziert, dass das Ausland für das Inland spart. Dies könnte Symptom eines Problems sein: Ein Land spart nicht hinreichend, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Es könnte aber auch Zeichen der wirtschaftlichen Stärke sein: Investitionen sind so attraktiv, dass sie sogar Kapital aus dem Ausland anziehen. Umgekehrt gilt, dass ein Leistungsbilanzüberschuss sowohl ein Problem der zu geringen Attraktivität für Investitionen sein kann, als auch Zeichen für starke Exporte und hohe Ersparnis. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 276 Vollständige VGR für Deutschland 2011 (grob gerundet und vereinfacht) Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto Verwendung Aufkommen Gesamtwirtschaftliches Einkommenskonto Verwendung Aufkommen Importe, J‘ 1100 Privater Konsum 1470 Privater Konsum 1470 Entlohn. an Inl. 1770 Abschreibungen, D 360 Staatskonsum 500 Staatskonsum 500 Entlohn. aus Ausland 180 Indir. Steuern – Subv. 280 Bruttoinvestitionen 440 Ersparnis 260 Indir. Steuern – Subv. 280 Entlohn. an Inl. 1770 Exporte, X‘ 1250 Entlohn. an Ausländer 150 Auslandskonto / Zahlungsbilanz Verwendung Aufkommen Gesamtwirtschaftliches Vermögensänderungskonto Verwendung Aufkommen Exporte, X‘ 1250 Importe, J‘ 1100 Bruttoinvestitionen 440 Ersparnis 260 Entlohn. aus Ausland 180 Entlohn. an Ausländer 150 Finanzierungsüberschuss 180 Abschreibungen, D 360 Nettokapitalexporte 180 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 277 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* f(k) 11. Die offene Volkswirtschaft c* (n+δ)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 278 Pflichtlektüre: Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2008), Das Keynesianische Konsensmodell einer offenen Volkswirtschaft, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, S. 540-548. http://www.wiwi.uni-passau.de/fileadmin/dokumente/lehrstuehle/lambsdorff/downloads/DKK_S._540-547.pdf Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 279 • Finanzierung von Investitionen in offenen Volkswirtschaften Wie wird ein Anstieg der Investitionen in einer offenen Volkswirtschaft finanziert? Um diese Frage zu beantworten, benötigen wir erneut ein Modell. Wir erweitern das bekannte Gütermarktmodell um Exporte und Importe. Wir werden zeigen, dass erneut Investitionen sich automatisch die zu ihrer Finanzierung notwendigen Mittel verschaffen. • Modellannahmen Die Exporte sind exogen, da Wechselkurs und Auslandskonjunktur als konstant angenommen werden. Die Importe sind positiv vom verfügbaren Einkommen abhängig, da Konsumgüter nicht nur aus dem Inland gekauft werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 280 Das Gütermarktmodell einer offenen Volkswirtschaft (1) Y=YD (2) YD=C+I+G+X-J (3) C=a+cYv ;(a>0, 0<c<1) Fünf Gleichungen und fünf endogene Variablen: (4) Yv=Y–T Y, YD, C, J, X, Yv, T (5) T=*+tY ;(*>0, 0≤t<1) Exogene Variablen: G, *, I, t, +, , ̅ (6) X=+ ̅ mYv (0<m<c) (7) J=,+ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 281 Wie sich zeigen lässt, resultiert der folgende Multiplikator für einen autonomen Anstieg der Investitionen: 1 = 1− "−- 1−. • Stabilisierung in kleinen Volkswirtschaften Eine wichtige Implikation betrifft kleine Länder, die zumeist einen hohen Importanteil (z.B. Luxemburg) haben. Diese haben einen kleinen Multiplikator und können mit Hilfe von Staatskonsum kaum die Wirtschaft stabilisieren. Der Anpassungsprozess lässt sich graphisch illustrieren: I Y Yv Ci T S J Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Sickerverluste Folie 282 • Finanzierung: Spr – NKE – BD = Inpr − − − − − Das verfügbare Einkommen steigt um (1-t)dY. Damit steigt die private Ersparnis um (1-c)(1-t)dY. Die Steuereinnahmen steigen um tdY; in diesem Ausmaß steigt also die öffentliche Ersparnis und das Budgetdefizit sinkt. Die Importe steigen um m(1-t)dY. In diesem Ausmaß steigt der ausländische Beitrag zur Ersparnis. Insgesamt steigt die Ersparnis um: dS = (1 − c )(1 − t ) + t + m (1 − t ) dY = 1 − ( c − m )(1 − t ) dY , also genauso stark, wie die Investitionen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 283 • Der Wechselkurs im Keynesianischen Konsensmodell Der Wechselkurs, e, wird gemessen als Preis des Euro in Dollar, z.B. 1€=1,25 Dollar. − Ein Sinken des Wechselkurses, e, verbilligt inländische Produkte. Exporte werden daher zunehmen und die teurer werdenden Importe nehmen ab. Dies lässt den Außenbeitrag steigen. − Der gleiche Effekt ergibt sich bei einem Preisanstieg im Ausland oder einer Preissenkung im Inland. Entscheidend für Außenbeitrag und die Güternachfrage ist daher der reale Wechselkurs, er=ep/pa. − Der Anstieg des Außenbeitrags geht mit einer erhöhten gesamtwirtschaftlichen Nachfrage einher. Insgesamt gilt daher für die ISKurve: = / − / % − / 0 , mit / , / , / > 0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 284 • Die Zahlungsbilanz im Konsensmodell Für die Kapitalbilanz hatten wir gesehen, dass Differenzen im (realen) Zinsniveau entscheidend sind. Ist der inländische Realzins höher als der ausländische, so resultieren Kapitalimporte. Es werden verstärkt Euro nachgefragt. Ist der ausländische Realzins höher als der inländische, so wollen Anleger verstärkt Kapital exportieren. Sie werden daher in höherem Ausmaß Euro anbieten. Auf Angebot und Nachfrage nach Euro kann auch der Außenbeitrag einwirken. Die Kapitalbewegungen sind in den letzten Jahrzehnten aber immer stärker geworden. Daher wollen wir den Außenbeitrag vernachlässigen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 285 • Die Devisenmarktkurve Wir können vereinfachend argumentieren, dass so viele Devisen angeboten wie nachgefragt werden, wenn der Realzins des Inlands dem des Auslands entspricht, % = %1 . Ist der Zinssatz im Inland höher (geringer), besteht eine Überschussnachfrage (Überschussangebot) nach der eigenen Währung. Hierdurch wird die eigene Währung teurer (billiger) und der reale Wechselkurs, er, steigt (sinkt) r MP IS0 ra P0 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 286 Expansivere Regel der Zentralbank r IS0 MP er MP1 P0 r0 Z P1 PA r'↓ ↓ Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 287 • Erläuterung der Anpassung Im Falle einer expansiveren Regel senkt die Zentralbank den Realzins und erhöht damit das Inlandsprodukt. Dies bewirkt nun Kapitalexporte. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Dollar wird der Euro günstig und er sinkt. Hierdurch erhöht sich der Außenbeitrag und die IS-Kurve verschiebt sich nach rechts. Die Auswirkung der expansiven Regel wird durch die Verbilligung des Euro weiter verstärkt. Der Außenbeitrag steigt und erhöht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Diese zusätzliche Wirkung der Zentralbankpolitik wird auch als „Wechselkurskanal“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 288 Erhöhung des Staatskonsums r IS0 r0 IS1 b0 er P0=P1 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff MP PA + Z – Y Folie 289 • Erläuterung der Anpassung Ein Anstieg des Staatskonsums ist beispielhaft hier für den Schock einer erhöhten Güternachfrage gewählt. Die Zentralbank wird auf die gestiegene Nachfrage mit einer Erhöhung der Realzinsen reagieren (Punkt PA). Dies löst nun Kapitalimporte aus. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Euro wird dieser teurer und er steigt. Hierdurch sinkt der Außenbeitrag und die IS-Kurve verschiebt sich zurück in die Ausgangslage. Die erhöhte Güternachfrage durch den Staatskonsum wird vollständig durch den sinkenden Außenbeitrag kompensiert. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 290 • Wie ein Budgetdefizit des Staates (Steuersenkungen bei steigenden Ausgaben) zu einem Defizit im Außenhandel führt, zeigte sich während der USPräsidentschaft von Ronald Reagan. Das gleichzeitige Auftreten dieser Defizite wird als twin-deficit bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 291 Steigender Auslandszinssatz r IS0 MP er P1 r'a' ra PA P0 Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 292 • Erläuterung der Anpassung Eine Störung kann auch darin bestehen, dass Auslandsinvestitionen attraktiv werden aufgrund eines erhöhten Zinssatzes im Ausland. Dies verschiebt die Devisenmarktkurve nach oben. Kapitalexporte führen zu einer erhöhten Nachfrage nach Dollar. Der Euro wird billiger, er sinkt. Dies erhöht den Außenbeitrag. Den erhöhten Nettokapitalexporten steht damit ein erhöhter Außenbeitrag entgegen. Das Inlandsprodukt steigt daraufhin. Die Importe steigen und senken den Außenbeitrag. Der Realzins steigt und senkt die Kapitalexporte. • Ein Beispiel: Das britische Pfund im Jahre 1992/93 Deutschland setzte die Zinsen ab 1991 hoch, um der hohen Güternachfrage im wiedervereinigten Deutschland entgegen zu wirken. Für Großbritannien und Frankreich resultierte die Verschiebung der Devisenmarktkurve nach oben. Frankreich fixierte den Wechselkurs. Daher resultierte ein Sinken des Inlandsprodukts im Punkt PA. In Großbritannien wertete das britische Pfund nach einer krisenhaften Entwicklung ab und das BIP stieg an. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 293 • Währungsunion In einer Währungsunion sind die Wechselkurse zwischen den teilnehmenden Ländern unwiderruflich fixiert. Die Zentralbank bestimmt den für die gesamte Währungsunion passenden Nominalzins. Die Währung eines Landes, das Kapital anzieht (verliert), wird dann nicht mehr aufwerten (abwerten). Damit entfallen die oben beschriebenen Anpassungsmechanismen. Wie wird stattdessen eine Anpassung an ein Gleichgewicht in einer Währungsunion erzielt? • Divergente Entwicklung in einer Währungsunion In einem Land mit hohen (niedrigen) Inflationsraten sind die Realzinsen niedrig (hoch), da die Zentralbank einen Nominalzins für alle Länder bestimmt. Investitionen werden daher gefördert (reduziert) und das Inlandsprodukt erhöht (gesenkt). Dies bewirkt ein weiteres Ansteigen (Absinken) der Inflationsrate. Die Unterschiede in den Inflationsraten divergieren daher. Die Währungsunion ist von einem Auseinanderdriften bedroht. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie294 294 • Konvergente Entwicklung in einer Währungsunion Importe- und Exporte zwischen teilnehmenden Ländern können eine Konvergenz bewirken. In einem Land mit hohen (niedrigen) Inflationsraten werden die Produkte teurer und es wird weniger (mehr) exportiert. Der Außenbeitrag sinkt (steigt) daher. Dies senkt (erhöht) das Inlandsprodukt und die Inflationsrate. Die Währungsunion kann damit eine konvergierende Entwicklung der teilnehmenden Länder mit sich bringen. Langfristig ist zu vermuten, dass sich die konvergente gegen die divergente Entwicklung durchsetzen wird. Aber wie lange wird es dauern? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie295 295 Fallstudie VII. Fallstudie Krise in der Eurozone Cartoon von (Martin Sutovec, www.caglecartoons.com, 16. August 2011) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 296 Fallstudie • 1993: Währungen wie die spanische Peseta werten bis 1995 ab. Danach konstante Wechselkurse mit allen späteren Euro-Partnern. • 1999: Wechselkurse für Euroländer werden unwiderruflich festgelegt und nominale Zinssätze von Vorgänger der EZB europaweit festgelegt. • Niedrige Inflation in Deutschland lässt den Euro real günstig werden. Realzinsen hierdurch hoch. Investitionen niedrig und Kapitalexporte. Leistungsbilanz wird positiv. • Hohe Inflation in Spanien lässt den Euro real teurer werden. Realzinsen hierdurch niedrig und Kapitalimporte. Investitionen sind hoch und Leistungsbilanz wird negativ. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 297 Fallstudie Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 298 Fallstudie Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 299 Fallstudie Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 300 Fallstudie • Bei der Konstruktion des Euro bestand die Erwartung, die Finanzmärkte würden Schuldnerländer automatisch disziplinieren. • Länder mit solidem Staatshaushalt würden nur geringe Ausfallprämien bezahlen, solche mit hoher Verschuldung würden durch hohe Prämien bestraft werden. • Dies zeigte sich jedoch nicht. Stattdessen wurde das Ausfallrisiko bis 2007 vernachlässigt, entweder weil Anleger zu optimistisch waren, einen bailout im Falle der Krise erwarteten oder an eine spätere, günstige Refinanzierung glaubten. • Die hohen Risikoprämien auf Staatsanleihen Spaniens haben seitdem selbsterfüllende Wirkungen: Sie sind nicht dauerhaft finanzierbar und machen damit einen Ausfall wahrscheinlicher. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 301 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff May-12 Jan-12 Sep-11 May-11 Jan-11 Sep-10 May-10 Jan-10 Sep-09 May-09 Jan-09 Sep-08 May-08 Jan-08 Sep-07 May-07 Jan-07 Sep-06 May-06 Jan-06 Sep-05 May-05 Jan-05 Sep-04 May-04 Jan-04 Sep-03 May-03 Jan-03 Sep-02 May-02 Jan-02 Sep-01 May-01 Jan-01 Fallstudie 7 6 5 4 3 2 Deutschland, langfristiger Nominalzins Spanien, langfristiger Nominalzins 1 0 Folie 302 Fallstudie • 2010: Zusammenhalt der Eurozone erfordert temporäre Stützungsmaßnahmen. Sparmaßnahmen in Spanien und erhöhte Nachfrage in Deutschland sind notwendig. • 2012: Spanien muss zunehmend Souveränität an internationale Aufsichtsorgane abtreten. Aber wird Spanien dazu bereit sein und kann die Regierung dafür ein demokratisches Mandat erhalten? • Deutschland muss seinen Leistungsbilanzüberschuss abbauen und anfangen, Investitionen und Konsum zu stärken. Insbesondere aus einer keynesianischen Perspektive wird ein solcher Beitrag von Überschussländern zur Krisenbewältigung gefordert. Aber Deutschland zeigt wenig Bereitschaft hierzu und versucht eher, Vorbild bei einer „Tugend des Sparens“ zu sein. Dies trägt derzeit zu einem europaweiten Sparparadoxon bei. • Sind die Kulturen zu unterschiedlich, um eine dauerhafte Lösung zu ermöglichen? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 303