Zur Fachdidaktik Philosophie/Ethik Übersicht 14.1.0 Eine Didaktik der Philosophie und Ethik als von der „Fachwissenschaft“ abgetrennte Disziplin gibt es nicht. Denn philosophisch und ethisch sind Einsichten in dem Maße, in dem sie einzelne Sachverhalte oder Handlungen vom Gesamtzusammenhang eines humanen Selbst- und Weltverstehens her begreifen und sie dadurch hinsichtlich ihrer Wahrheit bzw. sittlichen Gutheit beurteilen lassen. Solange aber nicht klar ist, wie ein philosophischer oder ethischer Satz einem beliebigen Menschen – d. h. für ein beliebiges Ausgangsverstehen – verstehbar gemacht werden kann, ist sein Zusammenhang mit dem Ausgangsverstehen nicht klar und er kann daher nicht beanspruchen, Ausdruck eines Gesamtverstehens zu sein. Daher gehört zur systematischen Entwicklung philosophischer Gedanken immer auch die Reflexion auf das Didaktische, nämlich auf die Vermittlungsbewegung von Ausgangspunkten her, wie es exemplarisch etwa Hegels "Phänomenologie des Geistes" durchführt. Ethische Einsichten müssen allgemeine Prinzipien immer aus konkreten Fällen des Lebens heraus und auf solche hin entwickeln (Kasuistik). Nur so können sie für das Handeln maßgeblich sein. Daher bildet die nachvollziehbare Entwicklung von einem gegebenen Ausgangsverstehen aus eine spezifische Forderung an ethische Einsichten. Das jeweilige Ausgangsverstehen ist durch die konkrete Gesprächssituation unvorhersehbar bestimmt. Didaktik der Philosophie und Ethik kann daher keine festen Muster ausbilden, sondern wird erworben durch Teilnahme am philosophischen Gespräch unter den Bedingungen unterschiedlicher Ausgangslagen des Verstehens, wie dies exemplarisch in Platons Dialogen geschieht. (A) Philosophie/Ethik an der Schule (1) Schule erschließt die Verstehensvoraussetzungen des menschlichen Lebens. (2) Schulfächer erschließen exemplarisch die Verstehensvoraussetzungen für die Inhalte von Welt und menschlichem Leben. Sie machen bekannt: - mit dem empirischen Außenaspekt der Wirklichkeit – Wissenschaft ° den physischen Grundstrukturen der Wirklichkeit (Physik); ° den physiologischen Voraussetzungen des Menschenlebens (Biologie und Chemie); ° den psychischen Voraussetzungen des Menschenlebens im Guten und im Bösen (Psychologie); ° den wirtschaftlichen Grundlagen (Wirtschaft); ° dem gesellschaftlichen Rahmens (Recht, Sozialkunde); ° dem weltgeschichtlichen Zusammenhangs (Geschichte) - mit der kommunikativen Bedeutsamkeit der Wirklichkeit – Kunst (Kulturelle Äußerungen des Lebens: Bildende Kunst, Musik, Literatur). - mit der numinosen Tiefenintentionalität der Wirklichkeit – Religion (3) Philosophie ist kein partikulares Fach mit einem besonderen Gegenstands-, Perspektiven- und Methodenbezirk, sondern der Versuch, den Gesamtzusammenhang der Sachen, Perspektiven, Methoden zu erfassen und sich daran beim Verstehen und Beurteilen des einzelnen zu orientieren. (4) Ethik erschließt die Verstehensvoraussetzungen für den handelnden Umgang des Menschen mit den Welt- und Lebensinhalten: die Verstehensvoraussetzungen des sittlich guten – des menschlichen, humanen – Handelns. Die Welt- bzw. Lebensinhalte (> 2) können auf zweierlei Weise realisiert werden: - als actus hominis, d. h. als Handlungen, die von einem Menschen ausgeführt werden, seien sie sittlich gut oder schlecht oder indifferent - oder als actus humani, d. h. als menschliche Handlungen, also solche, die der Humanität entsprechen: sittlich gute Handlungen. Die spezifischen Verstehensvoraussetzungen der actus humani reflektiert und artikuliert die philosophische Ethik, indem sie die Frage beantwortet, was Humanität sei, und wie sie sich konkret in den einzelnen Dimensionen des menschlichen Lebens verwirkliche. Von der Ethik aus werden alle Akte (Handlungen) des Menschen – mit welchen Inhalten welcher Fächer sie auch zu tun haben – daraufhin beurteilt, ob sie human, sittlich indifferent oder sittlich schlecht (inhuman) sind. (B) Philosophie/Ethik – wozu, worüber, wie? (1) Profil des Faches: Philosophie/Ethik – wozu? Wozu Philosophieren? Um vollkommen zu verstehen. Wozu Verstehen? Um Mensch, d. h. sittliches Subjekt zu sein. Der Zweck der Philosophie, ihrem „Weltbegriffe“ (Kant) nach, ist die Bildung zum Menschsein - Begriff der Bildung: Bildung ist der mysteriöse Prozess, in welchem das All der autarken Mächte sich zu einem persönlichen Selbst gestaltet. - Ziele der Bildung: Selbst-in-Welt-Verständigung des Einzelnen als ° theoretisches („zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“) und ° praktisch-sittliches („Zweck sein’ selbst ist jegliches Tier“) ° Vernunftwesen („untersuchen, was ist, nicht was behagt“) - Wege der Bildung (Unterricht, Muße, Kult) (2) Inhalte des Faches: Philosophie/Ethik – worüber? „Philosophie geht auf alles“ (Kant) (Perspektive und Inhalte der Philosophie) Theoretische Philosophie (Philosophie des Seins) - Allgemeine Metaphysik: Ontologie (Was heißt es, zu sein?) - Spezielle Metaphysik: Raumzeitlich, materielles Sein; vernünftiges Sein; Urgrund-Sein Praktische Philosophie (Philosophie des Handelns): Sittlichkeit – Worüber denkt Ethik nach? - Sollen und Sein - Prinzip sittlichen Handelns - Kriterien zur sittlichen Beurteilung - Motiv sittlichen Handelns - Ontologie des Sittlichen - Begriff der Handlung; Diskursethik (kommunikatives Handeln), Utilitarismus (Handlungsfolgen) - konkrete Wirklichkeit des Sittlichen (3) Methoden des Faches: Philosophie/Ethik – wie? Verstehen, Vernunft: „Vernunft kommt von vernehmen“ (Schopenhauer) - Problem des Verstehens (konstitutives Scheitern des Verstehens) - Formen des Verstehens ° Wissenschaft ° Kunst ° Religion - Begriff des Verstehens (Medium, Kategorien, Raum, Methoden [unmittelbar, vermittelt, begreifend], Subjekte des Verstehens)