" in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen"

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Ernst, Stephan, "... in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen" Das Urteil des
Bundesgerichtshofs zur Präimplantationsdiagnostik aus theologisch-ethischer Sicht. In: Stimmen
der Zeit 136 (20011) 301-3012.
Stephan Ernst
" ... in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen"
Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Präimplantationsdiagnostik
aus theologisch-ethischer Sicht
Am 6. Juli 2010 hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) ein vielbeachtetes Urteil zur Frage der Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID) gefällt. Er
sprach einen Berliner Frauenarzt frei, der in drei Fällen jeweils einem genetisch
vorbelasteten Paar mit Hilfe einer Untersuchung der Chromosomen an extrakorporal erzeugten Embryonen zu einer Schwangerschaft mit einem gesunden Kind
verholfen und sich anschließend selbst angezeigt hatte.
Die Durchführung der PID in den zur Verhandlung stehenden Fällen widerspreche- so der BGH- nicht den Bestimmungen des deutschen Embryonenschutzgesetzes (EschG). Sie verstießen weder gegen§ 1, Abs. 1, Nr. 2 EschG, wonach sich
strafbar macht, wer "es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich
zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt", noch gegen§ 2, Abs. 1 EschG, in dem die Verwendung eines extrakorporal erzeugten menschlichen Embryos zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck verboten ist.
Auf dem Weg zum Designer-Baby?
Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der PID, die bislang als unklar galt und spätestens seit dem sogenannten "Lübecker Fall" von 1995 immer wieder kontrovers
diskutiert wurde, erhielt damit eine erste Antwort. Zugleich dürfte die Entscheidung des BGH wegweisend im Blick auf die für 2011 geplante gesetzliche Regelung
der PID in der Bundesrepublik Deutschland sein.
Die Reaktionen auf diese Entscheidung des BGH fielen sehr unterschiedlich aus.
Einerseits wurde das Urteil begrüßt: Für die betroffenen Paare, die ein erhöhtes
genetisches Risiko haben, ein behindertes oder krankes Kind zur Welt zu bringen,
sei ein Durchbruch erzielt worden. Anderseits wurden Befürchtungen laut, daß ein
weiterer Schritt in Richtung "Designer-Baby" getan sei. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) bekräftigte, "daß dem Embryo von Anfang an das volle Recht auf
das Menschsein und die Würde eines Menschen zukommt", und erklärte, daß die
Tötung von Embryonen, die nach der Untersuchung nicht mehr in die Gebärmut5/2011 - www.stimmen-der-zeit.de
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ter eingesetzt würden, ihrem Verständnis vom Menschen widerspreche 1 • DBKVorsitzender Erzbischof Robert Zollitsch sowie das Zentralkomitee der deutschen
Katholiken forderten ein striktes Verbot der PID. Demgegenüber sprach sich der
Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Nikolaus Schneider, für eine bedingte Zulassung der PID aus, und die Synode der EKD hat inzwischen nach einer Überprüfung sich mehrheitlich für die bisher vertretene ablehnende Position (von 2001) entschieden. Deutliche Ablehnung erfuhr das Urteil
auch von seiten zahlreicher katholischer Moraltheologen, während sich manche
evangelische Ethiker zustimmend äußerten2 • Im politischen Bereich lassen sich unterschiedliche Meinungen quer durch die Parteien verzeichnen.
Was ist also zu der jetzt getroffenen Entscheidung des BGH aus theologischethischer Sicht zu sagen? Sind die Kritiker des BGH-Urteils im Recht? Oder läßt
sich die juristische Argumentation des BGH in der Urteilsbegründung wenigstens
teilweise ethisch rekonstruieren und damit die PID in bestimmten Fällen als vertretbar erweisen?
Das Urteil des Bundesgerichtshofs und seine Begründung
Das Urteil des BGH geht auf drei konkrete Fälle ein, in denen eine PID vorgenommen und mit den Embryonen, die einen negativen Befund aufwiesen, also genetisch
unauffällig waren, eine Schwangerschaft herbeigeführt wurde. Im Verlauf der Begründung wird dabei betont, es gehe um "gleichgelagerte Konfliktsituationen ... in
Fällen wie den verfahrensgegenständlichen" (Abs. 26 der Urteilsbegründung). Es
wird also nicht über die Zulässigkeit der PID generell geurteilt, sondern lediglich
über die Frage, ob in diesen drei Fällen ein Verstoß gegen das deutsche Embryonenschutzgesetz vorgelegen habe bzw. in ähnlichen Fällen vorliege.
Im ersten Fall war bei einem der Ehepartner eine Gen-Translokation festgestellt
worden, durch die eine Schwangerschaft mit Trisomie 13 oder 14 sehr wahrscheinlich ist. In beiden Fällen ist der Fötus nicht lebensfähig. Es kommt gewöhnlich zu einer Fehl- oder Totgeburt, oder das Kind stirbt spätestens einige Tage
nach der Geburt. Die PID ergab bei einem Embryo das Vorliegen einer Trisomie
16, eine ebenfalls tödliche Chromosomenanomalie, die in der Regel zu einer Fehlgeburt führt, beim zweiten das Vorliegen einer Trisomie 13, während der dritte
keinen Befund aufwies. Auf Weisung der Frau wurde nur dieser dritte Embryo
übertragen.
Auch im zweiten Falllag eine Gen-Translokation vor, nämlich bei den Chromosomen 11 und 22, die zu einem höheren Fehlgeburtsrisiko bzw. zu schweren genetisch bedingten Erkrankungen des Kindes führt. Die Eltern hatten schon eine
schwerstbehinderte Tochter. Eine weitere Schwangerschaft war, nachdem man
durch eine Pränataldiagnose (PND) Anomalien der Chromosomenzahl festgestellt
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" ... in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen"
hatte, abgebrochen worden. Die PID ergab eine Trisomie 22 bei einem der beiden
Embryonen. Eingepflanzt wurde auf Weisung der Frau nur der Embryo ohne Befund.
Beim dritten Fall war eine Gen-Translokation bei den Chromosomen 2 und 22
der Frau gegeben. Sie hatte aufgrund dessen bereits zwei Fehlgeburtw erlitten und
einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen. Die PID ergab bei einem der
drei untersuchten Embryonen einen auffälligen Befund; auf Weisung der Frau wurden die beiden anderen in den Uterus übertragen.
In allen drei Fällen hatte bereits das Landgericht Berlin in einem Urteil vom
14. Mai 2009 den Arzt freigesprochen. Dieses Urteil wurde nun in einem Berufungsverfahren vom BGH bestätigt. In der Urteilsbegründung des BGH waren dabei folgende beiden Aspekte leitend 3:
Erstens: Der Arzt hat nicht gegen §1, Abs. 1, Nr. 2 ESchG verstoßen, weil er auch
bei der Durchführung der künstlichen Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation
(IVF) und der anschließenden PID in der Absicht gehandelt habe, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Sein Handeln sei ganz von diesem Willen getragen gewesen.
Die gesetzte Bedingung, die Schwangerschaft nur mit einem gesunden Embryo zu
bewirken, stelle dabei diesen Entschluß nicht in Frage. Denn die genetische Untersuchung sei nicht der Zweck der Befruchtung gewesen, sondern lediglich ein "unselbständiges Zwischenziel". Der tragende Wille - so der BGH - war es, eine
Schwangerschaft herbeizuführen; dieses Ziel war handlungsleitend. Der Wille, den
Embryo bei Feststellung einer Anomalie nicht zu übertragen, stelle demgegenüber
keine eigene Absicht dar. Darüber hinaus weist der BGH darauf hin, daß im Gegenteil, wenn die PID nicht unternommen worden wäre, sehenden Auges das Risiko eines nicht lebensfähigen bzw. schwerstkranken Kindes eingegangen worden
wäre, wobei dann gemäß § 218a, Abs. 1 und 2 nach Beratung bzw. aufgrundder
medizinischen Indikation ein Schwangerschaftsabbruch hätte vorgenommen werden können.
Zweitens: Der Arzt hat auch nicht gegen § 2, Abs. 1 ESchG verstoßen. Zum einen
nämlich seien für die Durchführung der PID weder der Embryo selbst noch totipotente Zellen verbraucht, sondern lediglich pluripotente Zellen aus dem Trophoblasten des Embryos im Blastozystenstadium entnommen worden. Zum anderen
aber seien die wegen genetischer Anomalien nicht übertragenen Embryonen auch
nicht zu weiteren Zwecken etwa im Rahmen der Forschung verwendet und auch
nicht weiter kultiviert worden. Die Embryonen wurden also weder außerhalb des
Gesamtvorgangs der künstlichen Befruchtung instrumentalisiert noch durch die
Methode der PID gefährdet. Daß die genetisch auffälligen Embryonen nicht eingepflanzt wurden, beurteilt der BGH als eine Unterlassung erhaltender Maßnahmen,
wobei es aber für den Arzt nicht zumutbar, ja sogar aufgrundvon § 4, Abs. 1 Nr. 2
EschG strafbar gewesen wäre, die geschädigten Embryonen gegen den Willen der
Frau einzupflanzen.
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Stephan Ernst
Das entscheidende Argument, mit dem der BGH sein Urteil begründet, besteht
also darin, daß der Arzt, der die künstliche Befruchtung und die anschließende PID
durchgeführt hat, "in der Absicht gehandelt habe, seinen Patientinnen zu einer
Schwangerschaft zu verhelfen" (Abs. 12 der Urteilsbegründung). Doch ist mit diesem Verweis auf die Absicht auch die ethische bzw. theologisch-ethische Vertretbarkeit des entsprechenden Handeins begründet? Kann die- sicher gute- Absicht,
eine Schwangerschaft zu etablieren und damit dem jeweiligen Ehepaar ein eigenes
Kind zu ermöglichen, wirklich das Mittel der Selektion und gegebenenfalls des bewußt gewollten Absterben-Lassens derjenigen Embryonen rechtfertigen, die nach
dem Test einen positiven Befund aufweisen?
Wird hier nicht von vornherein mit der erklärten Absicht zur Aussonderung und
Tötung von Embryonen mit genetischen Anomalien gehandelt? Oder liegt der Argumentation des BGH unter Berufung auf die Absicht des Handelnden vielleicht
doch eine Einsicht zugrunde, die- recht verstanden- auch in der Frage der theologisch-ethischen Beurteilung der PID ein differenziertes Urteil ermöglicht?
Schwierigkeiten mit einem "physischen" oder "psychologischen"
Verständnis der Intention
Die Frage nach der Bedeutung der Absicht bzw. der Intention des Handelnden
für die ethische Bewertung einer Handlung ist in der Tradition der theologischen
Ethik obligatorisch behandelt worden. Gerade im Bereich der medizinischen
Ethik gab und gibt es eine Reihe von Fragen, in denen die ethische Bewertung von
der Unterscheidung zwischen dem direkt Intendierten und dem indirekt InKauf-Genommenen abhängt. Allerdings scheinen die Lösungen, die in der Tradition der Moraltheologie gegeben wurden, nicht immer zu überzeugen, zumindest
aber umstritten zu sein. Grundlegend ist dabei die Frage, nach welchen Kriterien
sich überhaupt beurteilen läßt, worauf sich die Intention des Handelnden "direkt" richtet und was bei seiner Handlung nur "indirekt" in Kauf genommen
wird.
In der Tradition wurde die Unterscheidung von direkt und indirekt meist so verstanden, daß man nicht zuerst etwas Schlechtes tun darf, um dadurch als zweites
etwas Gutes zu erreichen. So wurde etwa- ausgehend von dem Grundprinzip, daß
die direkte Tötung eines Unschuldigen immer unerlaubt und sittlich schlecht istdas klassische Dilemma aus dem Bereich der Geburtshilfe dahingehend beantwortet, daß es nicht erlaubt sei, den Fötus- etwa durch Kraniotomie- zu töten, um
dadurch wenigsten das Leben der Mutter retten zu können, sondern daß man bcide
sterben lassen müsse.
Ebenso gilt es nach Auffassung des Lehramts der katholischen Kirche als unerlaubt, bei einer Zwillings- oder Mehrlingsschwangerschaft das Leben wenigstens
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" ... in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen"
eines der Kinder dadurch zu retten, daß ein anderes getötet wird. Anderseits galt
und gilt es als erlaubt, eine Totaloperation zur Entfernung eines Gebärmutterkrebses auch dann durchzuführen, wenn dies bei bestehender Schwangerschaft dazu
führt, daß dadurch der Fötus stirbt. In diesem Fall sei der Tod des Fötus nur indirekt in Kauf genommen. Die unterschiedliche Bewertung dieser .Fälle ist heute freilich innerhalb der Moraltheologie umstritten. Nach diesem Verständnis von direkt
und indirekt nämlich müßte man auch sagen, daß jemand, der im zehnten Stockwerk eines Hochhauses von einem Brand eingeschlossen ist und in den nächsten
Minuten zu verbrennen droht, sich zwar nicht zuerst das Leben nehmen darf, um
dadurch dem qualvollen Tod zu entgehen, wohl aber sich zuerst durch einen Sprung
aus dem Fenster dem Verbrennen entziehen darf, um dann auf dem Boden zu zerschellen.
Doch nicht nur ein solches physisches Verständnis der Unterscheidung zwischen
dem direkt Intendierten und dem indirekt In-Kauf-Genommenen ist problematisch. Nicht einsichtig ist vielmehr auch ein rein psychologisches Verständnis der
Intention, die sie mit dem vom Handelnden jeweils gerade subjektiv-bewußtseinsmäßig Beabsichtigten identifiziert. Ein solches Verständnis setzen etwa Befürworter der aktiven Sterbehilfe voraus, wenn sie die - auch von seiten der katholischen
Kirche, aber auch in der Gesetzgebung und im Standesrecht der Ärzte vertreteneUnterscheidung zwischen der unerlaubten direkten und der erlaubten indirekten
Sterbehilfe ablehnen.
Wenn etwa bei krebskranken Patienten im Endstadium mit extremen Schmerzen
Opiate zur Schmerzlinderung verabreicht werden, die zugleich zu einem vorzeitigen Todeseintritt führen können, so sei es ein scheinheiliger Selbstbetrug zu sagen,
daß der Arzt, der um die lebensverkürzende Wirkung sehr wohl weiß, diese bei
seinem Handeln - neben der Schmerzlinderung - nicht auch beabsichtige. Es sei
nicht einsichtig, daß die bloße subjektiv-bewußseinsmäßige Absicht für die ethische
und rechtliche Beurteilung einen so radikalen Unterschied mache, daß nämlich die
gezielte Tötung zur Leidensminderung mit der Mindeststrafe von einem halben
Jahr Gefängnis bedroht ist, während der Arzt zu einer indirekten Sterbehilfe, wenn
anders eine ausreichende Leidensminderung nicht zu erreichen ist, rechtlich sogar
verpflichtet ist4 • Nach dem, was sonst im Strafrecht gilt, sei die indirekte wie die
aktive Sterbehilfe in gleicher Weise vorsätzlich und deshalb auch grundsätzlich
gleich zu beurteilen5 •
Weder in einem physischen noch in einem psychologischen Verständnis der Intention des Handelnden läßt sich also die Unterscheidung zwischen dem direkt
Intendierten und dem indirekt In-Kauf-Genommenen als ethisch relevante Unterscheidung plausibel machen. Doch ist damit bereits jede Möglichkeit eines angemessenen Verständnisses dieser Unterscheidung ausgeschlossen?
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Deutung der Intention und der Unterscheidung von direkt und indirekt
im "ethischen" Sinn
Weiterführend scheint eine Deutung der Intention zu sein, derzufolge das, was direkt intendiert und indirekt in Kauf genommen wird, durch die Verhältnisbestimmung der durch die jeweilige Handlung verwirklichten Güter und Übel bzw. positiven und negativen Folgen bestimmt ist. An einem Beispiel kann das Gemeinte
verdeutlicht werden.
Ist etwa die Wiederherstellung der Gesundheit eines Patienten nur dadurch möglich, daß ihm der Arzt Schmerzen zufügt oder in die körperliche Integrität eingreift
(etwa durch eine Amputation), so ist die Verursachung dieser Übel gerechtfertigt
und ethisch erlaubt, ja sogar geboten. Es wäre unverantwortlich, diese schmerzhaften Eingriffe, wenn sie denn notwendig sind, um die Gesundheit wiederherzustellen, zu unterlassen, obwohl man die nachhaltige Schädigung der Gesundheit oder
den eintretenden Tod des Patienten vorhersieht.
Ausgehend von diesem Beispielläßt sich sagen, daß hier die Wiederherstellung
der Gesundheit, weil sie einen rechtfertigenden Grund für die Zufügung der Übel
darstellt, das direkt Intendierte ist, während die Übel der Schmerzen oder Einschränkungen durch den Eingriff- auch wenn sie physisch zuerst zugefügt werden
und dadurch erst später die Gesundheit wiederhergestellt wird - nur indirekt in
Kauf genommen sind und "außerhalb der Intention" (praeter intentionem) bleiben.
Die Art der Handlung wäre dann auch als "Wiederherstellung der Gesundheit"
oder "Lebenserhaltung" zu bezeichnen. Wäre es dagegen möglich, die Gesundheit
auch mit weniger schmerzhaften und schädigenden Mitteln wiederherzustellen, so
müßte man sagen, daß dann die Zufügung von Schmerzen direkt intendiert und die
Art der Handlung als "Körperverletzung" oder als "Mißhandlung" zu bestimmen
ist.
Irrelevant ist dabei auch, was sich der behandelnde Arzt wünscht oder woran er
bei seinem Tun denkt. Auch wenn im Fall einer Notoperation die Aufmerksamkeit
des Arztes psychologisch gesehen ganz darauf gerichtet ist, den mit Schmerzen oder
anderweitigen Übeln verbundenen Eingriff durchzuführen, so bleiben diese Übel
doch außerhalb der Intention und können als nur indirekt in Kauf genommen gelten. Das direkt Intendierte ist in diesem Fall die Wiederherstellung der Gesundheit,
auch wenn der Arzt faktisch gar nicht daran denkt. Was direkt intendiert und was
indirekt in Kauf genommen ist, ist also in dieser Deutung nicht einfach mit dem
identisch, was der Handelnde subjektiv psychologisch beabsichtigt oder möchte,
sondern läßt sich- grundsätzlich jedenfalls - objektivieren.
Grundsätzlicher gefaßt läßt sich der Unterschied zwischen direkt Intendiertem
und indirekt In-Kauf-Genommenen im ethischen Sinne folgendermaßen bestimmen: Erweisen sich die negativen Aspekte einer Handlung im Blick auf das ebendiese Handlung begründende Zielgut als unverhältnismäßig oder gar als kontra306
.... in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen"
produktiv, so hat der verursachte Schaden im Zielgut der Handlung keinen
rechtfertigenden Grund mehr. Die Intention ist dann direkt auf die Verursachung
dieses Schadens gerichtet. Kann das Zielgut die negativen Aspekte der Handlung
dagegen rechtfertigen, so ist die Intention direkt auf das Zielgut gerichtet, und die
durch die Handlung zugleich verursachten Übel und Schäden werden nur indirekt
in Kauf genommen.
Ausgehend von dieser- in Absetzung gegen ein physisches oder psychologisches
Verständnis gewonnenen- Deutung der Intention und der Unterscheidung von
direkt und indirekt im ethischen Sinne läßt sich nun auch zunächst der genannte
Dilemma-Fall aus der Geburtshilfe folgendermaßen auflösen: Auch wenn in diesem
Fall der Fötus im physischen Sinne direkt getötet wird, so bleibt diese Tötung, weil
sie die einzige Möglichkeit ist, wie wenigstens das Leben der Mutter bzw. bei Mehrlingsschwangerschaften das Leben des Geschwisterkindes gerettet werden kann,
und darin einen rechtfertigenden Grund hat, im ethischen Sinne "außerhalb der
Intention". Das im ethischen Sinne direkt intendierte Ziel der Handlung ist vielmehr die Rettung des Lebens der Mutter oder des Geschwisterkindes. Die Art der
Handlung ist deshalb auch nicht als "Mord" zu bestimmen, sondern als "Lebensrettung".
Aber auch der Einwand gegen die ethische Relevanz des Unterschieds zwischen
direkter und indirekter Sterbehilfe läßt sich entkräften. Denn ob die Gabe von starken Schmerzmitteln als unerlaubte direkte oder als erlaubte indirekte Sterbehilfe zu
gelten hat, hängt nicht von der jeweiligen psychologischen Intention des handelnden Arztes ab, sondern davon, ob die gegebene Dosis auch wirklich notwendig ist,
um die bestehenden Schmerzen zu lindern und einen Lebens- und Selbstvollzug des
Patienten wieder zu ermöglichen. Nur in diesem Fall kann die Schmerzlinderung
als das im ethischen Sinne direkt Intendierte und der vorzeitig eintretende Tod als
das indirekt in Kauf Genommene bezeichnet werden. Wäre dagegen die Dosis
höher als notwendig, um einen Lebens- und Selbstvollzug des Patienten zu ermöglichen, müßte der Tod des Patienten als das direkt Intendierte angesehen und die
Handlung als unerlaubte direkte Tötung bezeichnet werden.
Zur ethischen Frage nach der Zulässigkeit von PID ausgehend von der
Begründung des BGH-Urteils
Was ergibt sich nun aus dieser Bestimmung der Intention im ethischen Sinne für
eine Einschätzung der Begründung des BGH-Urteils aus theologisch-ethischer
Sicht?
1. In der Begründung des Urteils wird in einer juristischen Argumentation gezeigt, daß in den vorausgesetzten genannten verfahrensrelevanten Fällen rechtlich
gesehen die handlungsbegründende Absicht zur Herstellung einer Schwanger307
Stephan Ernst
schaft bestanden hat und damit den Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes
sowie der ursprünglichen Aussageabsicht des Gesetzgebers nicht widersprochen
wurde.
Dabei scheint die Urteilsbegründung davon auszugehen, daß die Absicht hier im
psychologischen Sinne gemeint ist, wenn es heißt, es sei dem Sinn des § 1, Abs. 1,
Nr. 2 EschG zu entnehmen, "daß die Herbeiführung der Schwangerschaft- wie
vorliegend gegeben - jedenfalls ,handlungsleitend' bzw. ,bewußtseinsdominant'
sein muß" (Abs. 21 der Urteilsbegründung). Es wird jedoch nicht die ethische Frage
gestellt, ob das die Gesamthandlung begründende Ziel, nämlich die Herbeiführung
einer Schwangerschaft, auch den in der Handlung gewählten Weg, nämlich die
Durchführung einer künstlichen Befruchtung und die anschließende PID mit einer
zu erwartenden und ebenfalls von vornherein gewollten und einkalkulierten Aussortierung und dem darauf folgenden Absterben-Lassen der Embryonen mit auffälligem Befund rechtfertigen kann oder nicht.
Wird aber lediglich- wie es in der Urteilsbegründung der Fall ist- verlangt, daß
die Absicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gegeben sein muß, um nicht
gegen das EschG zu verstoßen, dann müßte auch in Situationen, in denen das genetische Risiko zu wesentlich weniger schwerwiegenden Erkrankungen als in den
"verfahrensgegenständlichen" Fällen besteht, davon ausgegangen werden, daß auch
hier die Absicht bestehe, eine Schwangerschaft herbeizuführen, und deshalb nicht
gegen das ESchG verstoßen werde.
2. Stellt man aber die genannte ethische Frage, ob die Herbeiführung einer
Schwangerschaft die PID mit gegebenenfalls folgendem gewolltem Sterben-Lassen
der Embryonen mit genetischen Anomalien rechtfertigen kann, so läßt sich sagen:
Wenn man- wie es das ESchG durchaus tut- von der Schutzwürdigkeit des Lebens
menschlicher Embryonen von der Kernverschmelzung an ausgeht, so stellt das
Zielgut der Herbeiführung einer Schwangerschaft als solches noch keinen rechtfertigenden Grund für eine Handlung dar, bei der menschliche Embryonen künstlich
erzeugt werden, um sie unter bestimmten Bedingungen auszusortieren und absterben zu lassen.
Entsprechend müßte dann auch von der der Handlung zugrunde liegenden Intention im ethischen Sinne gesagt werden, daß sie direkt nicht auf die Etablierung der
Schwangerschaft gerichtet ist, sondern auf die Selektion und damit auf den Tod
derjenigen Embryonen, die den vorher festgesetzten Qualitätsmerkmalen nicht
entsprechen. Dies gilt auch dann, wenn von dem durchführenden Arzt psychologisch - also "bewußtseinsdominant" - die Herbeiführung der Schwangerschaft
beabsichtigt wird.
3. Anderseits ist aber zu berücksichtigen, daß in der Begründung des Urteils
ausdrücklich der Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Fälle betont wird. Betrachtet man diese Fälle näher, so zeigt sich als entscheidender Aspekt, auf den
auch in der Urteilsbegründung eingegangen wird, daß in diesen drei Situationen
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"''' in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen"
entweder aufgrundder nicht gegebenen Lebensfähigkeit des Fötus selbst oder aufgrund einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Mutter ein Abbruch
der Schwangerschaft aufgrund der medizinischen Indikation möglich gewesen
ware.
So wird zunächst daran erinnert, daß die Ausnahme von dem durch das EschG
ausgesprochenen Verbot der Geschlechtswahl durch Verwendung ausgewählter
Samenzellen beim Risiko geschlechtsgebundener Erbkrankheiten daraus resultiert,
daß einem Ehepaar nicht zugemutet werden könne, sehenden Auges das Risiko
einzugehen, ein krankes Kind zu erhalten, wenn künftig die Möglichkeit bestehen
sollte, durch Spermienselektion ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Im Weiteren heißt es dann:
"Eine gleichgelagerte Konfliktsituation ist in Fällen wie den verfahrensgegenständlichen gegeben. Mit dem Ausschluß der PID würde- wie dort- sehenden Auges das hohe Risiko eingegangen, daß ein nicht lebensfähiges oder schwerkrankes Kind geboren wird. Gleichfalls wäre
zu besorgen, daß im weiteren Verlauf nach einer- hier ärztlicherseits strikt angezeigten und mit
denselben Diagnosemethoden durchgeführten - invasiven genetischen Pränataldiagnostik
(s. auch§ 15, Abs. 1, Satz 1 GenDG) im Rahmen des ,Beratungsmodells' nach§ 218a, Abs. 1
StGB innerhalb der ersten zwölf Wochen seit der Empfängnis, im Rahmen der Indikation nach
§ 218a, Abs. 2 StGB unter Umständen durch Fetozid gar bis zum Einsetzen der Eröffnungswehen ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird." (Urteilsbegründung Abs. 26)
Vor diesem Hintergrund läßt sich die bisher getroffene ethische Bewertung differenzieren. Geht man nämlich- wenn man das Anliegen der medizinischen Indikation ernst nehmen will, ohne zugleich doch einen leichtfertigen und voreiligen Umgang damit zu befürworten - davon aus, daß auch aus theologisch-ethischer Sicht
eine im physischen Sinne direkt gewollte Tötung bzw. ein im psychologischen Sinne
direkt gewolltes Sterbenlassen des Fötus vertretbar erscheinen, wenn im Sinne der
ultima ratio nur dadurch das Leben der Mutter oder eines Zwillingsfötus gerettet
werden kann, dann müßte zumindest in diesen Fällen auch eine PID als gerechtfertigt gelten. Andernfalls würde man- und auch dafür hat man Verantwortung- eine
Schwangerschaft riskieren, bei der man vorhersieht, daß sie für das Leben der Mutter bedrohlich ist und deswegen abgebrochen werden kann.
Außer in diesem Fall der Bedrohung des Lebens der Mutter durch den Fötus
(erstens) ließe sich das Verfahren aber auch rechtfertigen, wenn es zweitens um die
Diagnose solcher genetischer bzw. chromosomaler Defekte geht, aufgrund derer
der Fötus mit Gewißheit nicht lebensfähig ist und damit in der Regel auch ein erhebliches Risiko für die physische Gesundheit der Mutter besteht. Auch kann drittens das mit Gewißheit voraussehbare Risiko für erhebliche Schädigungen der physischen Gesundheit der Mutter als Grund für die Durchführung einer PID in Frage
kommen. Zu überlegen wäre schließlich, ob die PID nicht auch viertens in solchen
Fällen ethisch vertretbar ist, in denen mit Gewißheit vorausgesehen werden kann,
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daß aufgrundder Erkrankung oder Behinderung des Kindes die Familiensituation
so zerrüttet wird, daß das Kind keine angemessene Aufnahme und Betreuung finden kann.
Im Blick auf die Fälle 3 und 4 wäre dabei noch präzisierend zu verdeutlichen, daß
es um solche Beeinträchtigungen der physischen und psychischen Gesundheit der
Mutter bzw. um eine solche Zerrüttung der Familiensituation gehen muß, die die
ausreichende Annahme und Versorgung des Kindes in Frage stellen. Auch müßte es
um bleibende und irreversible bzw. um nicht behandclbare und nicht beherrschbare
Beeinträchtigungen der Gesundheit der Mutter gehen.
Diese Position, die aufgrundklarer Kriterien wesentlich strikter ist als die derzeit
nach§ 218a StGB geltende medizinische Indikation, entspricht der Sache nach in
etwa der Auffassung, die bereits in der Diskussion um den "Lübecker Fall" die
Bundesärztekammer geäußert hatte:
"Die Indikation für eine PID ist insbesondere im Hinblick auf die sich daraus ergebenden
Konsequenzen äußerst eng zu stellen und bedarf einer sorgfältigen Güterabwägung, bei der
das grundsätzliche Primat des Schutzes ungeborenen Lebens, der Schweregrad, die Prognose
und die Therapiemöglichkeiten der in Frage stehenden Erkrankung und die gesundheitliche
Gefährdung der zukünftigen Schwangeren oder Mutter berücksichtigt werden müssen. Dies
beinhaltet auch, daß die Indikation für eine PID deutlich enger zu stellen ist als für eine
PND. Die PID kann allerdings im Einzelfall die spätere PND ersetzen und damit zu einer
Konfliktreduzierung beitragen, weil sie Entscheidungen über einen eventuellen Abbruch
einer fortgeschrittenen Schwangerschaft vermeidet. " 6
4. Liegt aber mindestens in den ersten drei der genannten Fälle eine medizinische
Indikation im strengen Sinne vor, die einen Schwangerschaftsabbruch ethisch rechtfertigen kann, dann müßte in diesen Fällen auch eine PID, die verhindert, daß sehenden Auges das Risiko einer Schwangerschaft mit anschließendem Abbruch eingegangen wird, ethisch vertretbar sein. In diesen Fällen könnte dann - auch im
ethischen Sinne - zu Recht davon gesprochen werden, daß sich die Intention des
Handelnden direkt auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft richtet und das
mögliche Absterben-Lassen der Embryonen mit den entsprechenden genetischen
bzw. chromosomalen Anomalien indirekt in Kauf genommen wird. Dann- und nur
dann - kann davon gesprochen werden, daß die Handlung ihrer Art nach nicht als
Embryonen-"Selektion" zu bezeichnen ist, sondern als "Herbeiführung einer
Schwangerschaft". Die Frage, "ob der Absicht eine den Deliktstypus prägende Bedeutung beizumessen ist" (Abs. 20 der Urteilsbegründung), die in der Urteilsbegründung gestellt, aber nicht geklärt, sondern lieber der Einzelfallbeurteilung überlassen wird, ließe sich durch das nicht-physische und nicht-psychologische, sondern
ethische Verständnis der Intention klar beantworten.
310
"'"in der Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen"
Entfaltung der Argumentation im Blick auf einige Standard-Einwände
gegen die PID
Ausgehend von den bisherigen hermeneutischen Überlegungen aus theologischethischer Sicht läßt sich nun auch der Versuch unternehmen, eine differenzierte
Antwort auf verschiedene Standard-Einwände gegen die PID überhaupt zu geben.
1. Ein erster Einwand besteht darin, daß sich durch die Aussonderung der Embryonen mit genetischen oder chromosomalen Anomalien diejenigen Menschen
diskriminiert fühlen würden, die mit eben diesen genetischen Anomalien geboren
wurden und nun die entsprechenden Krankheitssymptome oder Behinderungen
aufweisen. Bei den in den oben genannten Kriterien erwähnten Krankheiten und
Behinderungen handelt es sich jedoch nicht um beliebige Krankheiten und Behinderungen, sondern lediglich um solche, bei denen das Kind selbst nicht lebensfähig ist
oder die das Leben bzw. die Gesundheit der Mutter und damit die Lebenssituation
des Kindes selbst bedrohen. Es geht deswegen auch nicht- wie die Deutsche Bischofskonferenz in ihrer Stellungnahme zur PID vom 17. März 2011 befürchtetum ein Urteil über den "Lebenswert" des jeweiligen Embryos in sich.
2. Ein weiterer Einwand stellt auf den Unterschied zwischen PID und PND ab,
der darin bestehe, daß durch die PND während einer bereits bestehenden Schwangerschaft ein Konflikt ungewollt entsteht, während bei der PID nach künstlicher
Befruchtung der Konflikt überhaupt erst bewußt herbeigeführt wird, obwohl er zu
vermeiden wäre. Im Blick auf diesen Einwand ist jedoch hervorzuheben, daß auch
in den genannten Situationen und gemäß den genannten Kriterien die PID aus einem bereits bestehenden ernstzunehmenden Konflikt heraus durchgeführt wird,
nämlich dem Konflikt zwischen dem Kinderwunsch einerseits und dem bestehenden Risiko, daß durch die Schwangerschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben des Fötus selbst, das Leben von möglichen Zwillingsföten oder aber das Leben
bzw. die Gesundheit der Mutter gefährdet werden kann. Dies ist aber etwas anderes
als eine PID nur deswegen vorzunehmen, um die Geburt eines möglichst gesunden
Kindes zu gewährleisten und auch leichtere Krankheiten und Behinderungen, mit
denen Menschen sehr wohl leben können, auszuschließen.
3. Ein dritter Einwand verweist auf die Gefahr, daß mit der Zulassung von Ausnahmen für die Durchführung der PID die Möglichkeit der Ausweitung gegeben
und damit eine Entwicklung in Richtung auf das sogenannte "Dcsigncr"-Baby, das
bestimmten Wunschvorstellungen der Eltern entspricht, unvermeidbar sei. Eine erste Antwort auf diese Befürchtung einer "schiefen Ebene" besteht sicher darin, daß
die Durchführung der In-vitra-Fertilisation mit anschließender PID eine erhebliche physische und psychische Belastung der Mutter bzw. der Eltern darstellt und
allein deswegen nur in schweren Konfliktfällen unternommen werden dürfte. Allerdings scheint dieser Verweis auf die physisch und psychisch belastende Prozedur
311
Stephan Ernst
allein noch nicht ausreichend zu sein, um die Entstehung von "Designer"-Babys zu
verhindern. Indes scheinen die in den oben angestellten Überlegungen begründeten
Kriterien die möglichen Fälle, in denen PID auch ethisch vertretbar erscheint, klar
emzugrenzen.
Es bedarf aufgrund dieser Kriterien auch keiner Liste mit Krankheiten oder Behinderungen, die das Diagnosespektrum der PID begrenzen soll, bei der allerdings
immer fraglich bliebe, warum die Grenze des Diagnosespektrums gerade bei jenen
Krankheiten bzw. Behinderungen gezogen wird. Im Gegensatz zu einem solchen
unflexiblen und deshalb vermutlich zu Ausweitungen führenden Kriterienkatalog
lassen sich die oben genannten Kriterien situationsbezogen und einzelfallspezifisch
anwenden.
Allerdings müßte dann vor der Durchführung einer PID eine intensive Beratung
stattfinden, in der nicht nur die genetischen und medizinischen Risiken und Komplikationen zur Sprache kommen, sondern in der auch das Zutreffen der Kriterien
für eine Indikation zur PID überprüft wird. Darüber hinaus müßten in dieser Beratung sowohl die Möglichkeiten und Hilfsangebote vor Augen gestellt werden, um
mit einem Kind mit Behinderungen leben zu können, als auch die Frage angesprochen werden, ob nicht der Verzicht auf ein (weiteres) eigenes Kind oder die Adoption eines Kindes verhältnismäßigere Mittel sind, um den bestehenden Kinderwunsch zu erfüllen.
ANMERKUNGEN
1
Deutsche Bischofskonferenz, Stellungnahme zum Urteil des Bundesgerichtshofs zur Präimplantationsdiagnostik (PID) vom 6. 7. 2010 (Pressemitteilung Nr. 110).
2
Vgl. dazu exemplarisch: H. Kreß, Präimplantationsdiagnostik aus ethischer Sicht, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte 54 (2007) H. 4, 32-35.
3
Zu dieser Argumentation vgl. auch S. Beck, PID- moralisch vertretbar oder "nur" regulierungsbedürftig? Überprüfung der Möglichkeit einer strafrechtlichen Regulierung der PID, in: Recht u. Ethik in der
Präimplantationsdiagnostik, hg. v. C. F. Gethmann u. St. Huster (München 2010) 189-210.
4
Vgl. etwa D. Birnbacher, Tun u. Unterlassen (Stuttgart 1995) 346.
5
Vgl. ebd.
6
Bundesärztekammer, Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik (24.2.
2000), in: Deutsches Ärzteblatt 97 (2000) A 525-528.
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