Tierarzneimittelanwendung bei Bioland

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Tierarzneimittelanwendung bei Bioland1
Die Behandlung kranker Tiere ist auch in der ökologischen Tierhaltung nicht gänzlich zu vermeiden. Auch unter
günstigen Lebensbedingungen kommen Krankheiten vor, die behandelt werden müssen um dem Tier Leiden
zu ersparen und Schäden zu begrenzen. Die Anwendung von Tierarzneimitteln führt immer wieder zu Unsicherheiten, obwohl die unverzügliche Behandlung erkrankter Tiere eine zentrale Forderung in der EU-Öko-VO
ist. Diese lässt im Einzelfall auch konventionelle Tierarzneimittel zu, sofern phytotherapeutische oder homöopathische Mittel nicht ausreichend wirksam sind. Der Einsatz konventioneller Tierarzneimittel wird jedoch durch
besondere Auflagen reglementiert (Abbildung 1).
Abbildung 1: Besondere Auflagen der EU-Öko-VO für den Einsatz von konventionellen Tierarzneimitteln:
 Die konventionell angegebene Wartezeit ist zu verdoppeln.
 Bei 0 Tagen Wartezeit sind mindestens 48 Stunden Wartezeit einzuhalten.
 Die Behandlungen sind ausführlich zu dokumentieren und die behandelten Tiere eindeutig zu kennzeichnen.
 Tiere dürfen maximal dreimal pro Jahr mit konventionellen Arzneimitteln behandelt werden. (ausgenommen Impfstoffe und Antiparasitika)
 Masttiere, deren Lebenszeit kürzer als ein Jahr ist, dürfen nur einmal im Leben mit solchen Präparaten
behandelt werden. (ausgenommen Impfstoffe und Antiparasitika)
 Kein Einsatz von Wachstums- oder Leistungsförderern
 Kein Einsatz von Hormonen zur Kontrolle der Fortpflanzung
In den Richtlinien von Bioland sind weitere Vorgaben für die Anwendung konventioneller Tierarzneimittel ent halten, die über die Forderungen der EU-Öko-Verordnung hinausgehen (Abbildung 2).
Leitgedanke für die Bioland-Richtlinien ist es, die Auswahl von Tierarzneimitteln auf unabdingbare Wirkstoffe
zu beschränken, die gleichzeitig geringste Nebenwirkungen auf die Tiere, die Umwelt, die Verbraucher und die
Anwender haben. Grundsätzlich wird dabei nicht die Behandlungsmöglichkeit von Erkrankungen eingeschränkt, lediglich die Wahl der Arzneimittel wird eingegrenzt. Das heißt alle Erkrankungen der Tiere sind auch
unter Einhaltung der Bioland Richtlinien behandelbar sofern es zugelassene konventionelle Tierarzneimittel
dafür gibt.
Die Begründungen für diese Einschränkungen sind vielfältig und für die wichtigsten Wirkstoffe im Folgenden
zusammengefasst:
Nicht zulässig ist die Anwendung des Appetitanregers Brotizolam (Mederantil®). Dieser Wirkstoff führt zur
vorübergehenden Futteraufnahme erkrankter Tiere, ohne die Ursache für die Fressunlust zu beseitigen. Damit
ist es ein Wirkstoff, der ohne echten Nutzen Nebenwirkungs- und Rückstandrisiken birgt, die vermieden wer den sollen.
Fluochinolone (Advocid®, Baytril®, Enrofloxacin®, Enro-sleecol®, Marbocyl®, Ursofloxacin® u.a.), dürfen
nicht angewendet werden, weil sie als Reserveantibiotika der Humanmedizin vorbehalten sind. Die Resistenzbildung gegen diese breit wirksamen Antibiotika soll so weit wie möglich vermieden werden, um die Wirksamkeit für multiresistente Erreger in der Humanmedizin zu erhalten. Der Einsatz in der Tierhaltung ist ein möglicher Ursprung für die Resistenzbildung und kann in den meisten Fällen durch andere Antibiotika ersetzt werden.
Die Anwendung von Östrogenen ist gänzlich verboten, während Gestagene, Gonadotropine, HVL-Präparate
und Prostaglandine (PGF2α, Estrumate®, Dinolytic®, Iliren®, Receptal®, Gonavet® u.a.) nur bei Einzeltieren
zur Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen eingesetzt werden dürfen. Fruchtbarkeitsprogramme auf Grundlage von systematischem Hormoneinsatz sind damit, wie auch nach der EU-Öko-VO, unzulässig.
Die Anwendung von Deltamethrin (Butox®, Latroxin delta®) ist unerwüncht, weil es unter den Pyrethroiden
die größte Toxizität für Säugetiere aufweist. Bei Schafen ist Deltamethrin bei schwerwiegendem Ektoparasiten befall zulässig, da andere Pyrethroide für diese Tierart nicht verfügbar sind.
Die Anwendung von Metamizol (Metapyrin®, Novacen®, Novaminsulfon® u.a.) ist auf Pferde und Kälber zur
Behandlung von Koliken beschränkt. Die potentielle Gefahr, blutbildverändernder Nebenwirkungen auch gerin1
Beitrag von Dr. M. Link, erschienen in bioland 2/2013
Bioland e.V.
Tierarzneimittelanwendung bei Bioland
Stand: 1.2013
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Abbildung 2: Arzneimittel und Wirkstoffe, deren Anwendung in Bioland Betrieben verboten oder eingeschränkt ist:
Anwendungsverbote
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Brotizolam (Appetitanreger)
Fenvalerat (Ekto-Antiparasitikum)
Piperazin (Endo-Antiparasitikum)
Fluochinolone (Gyrasehemmer, Antibiotika)
Formaldehydhaltige Arzneimittel (zugelassen: fromaldehydhaltige Impfstoffe)
Östrogene
Anwendungsbeschränkungen
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Deltamethrin nur bei schwerwiegendem Ektoparasitenbefall bei Schafen
Dimethylsulfoxid (DMSO) nur Pferde, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen
Gentamicin bei Injektion nur intravenös (ausser gentamicinhaltige Impfstoffe)
Metamizol nur bei Koliken bei Pferden und Kälbern
Neomycin nur lokal, (ausser: neomycinhaltige Impfstoffe, Euterinjektoren)
Thiabendazol nur wenn sechs Tage Wartezeit eingehalten werden
Antibiotika bei Eutererkrankungen nach Möglichkeit nur, wenn eine bakteriologische Untersuchung mit
Resistenztest erfolgt ist. Beta-Lactam-Antibiotika ist bei Wirksamkeit der Vorzug zu geben, kurzwirksame
Antibiotika sind langwirksamen vorzuziehen, eine Wartezeit von 48 h darf nicht unterschritten werden
Antiparasitika nur bei Parasitennachweis, bei hohem Infektionsdruck auch vor dem Auftreten klinischer
Erscheinungen
Avermectine nur bei schwerwiegendem Ektoparasitenbefall bei Schweinen und Schafen
Gestagene, Gonadotropine, HVL-Präparate und Prostaglandine nur bei Einzeltieren
Glukokortikoide nur bei akut lebensbedrohlichen Zuständen, akuten allergischen Zuständen, nichtinfektiösen Entzündungen und akuten Stoffwechselstörungen
Neuroleptica und andere Beruhigungsmittel nur beim Einzeltier nach medizinischer Indikation
Organophosphate nur als Pour-on-Präparat beim Schwein, als Waschpräparat nur bei Schafen bei Fuß räude
Synthetische Pyrethroide nur als Pour-on-Präparate oder Ohrclips (bei medizinischer Indikation auch als
Lösung)
Tetracycline bei Injektion möglichst nur intravenös. Langzeittetrazykline nur zur Behandlung von Chlamydieninfektionen
Antibiotische Trockensteller nur bei Problemtieren mit medizinischer Indikation
ger Rückstandsmengen soll vermieden werden, so daß die Anwendung bei Schweinen und älteren Rindern
untersagt ist.
Vor der Anwendung von Antibiotika soll zumindest bei Eutererkrankungen die Diagnose durch Bakteriologische Untersuchungen gesichert werden. Damit soll unnötiger Arzneimitteleinsatz vermieden werden, ebenso
wie der Einsatz unpassender Mittel.
Der Einsatz von Antiparasitika ist auch vor dem Auftreten von Erkrankungen zulässig, allerdings muss auch
für deren Einsatz der Nachweis von Parasiten vorliegen. Die Bedeutung der Diagnostik wird damit gestärkt
weil die Kenntnis der Erregerlage im Bestand Grundlage für vorbeugende Maßnahmen und Sanierungsstrate gien ist.
Am bekanntesten ist das Verbot der Avermectine (Ivomec®, Dectomax®, Paramectin®, Virbamec® u.a.)
deren Ausscheidung im Kot dazu führt, daß die dungabbauende Fauna bis zu Wochen nach dem Kotabsatz
gestört wird. Das Verbot ist nicht nur in der Vermeidung ökotoxikologischer Wirkungen begründet, sondern vor
allem dadurch, dass Dung und Kompost die wesentliche Grundlage des biologischen Landbaus darstellen, die
es zu schützen gilt. Nachdem auch in Deutschland das Moxidectin (Cydectin®) seit einigen Jahren zugelassen
ist, gibt es im Wiederkäuerbereich für die meisten Anwendungen eine gleichwertige Alternative zu den Avermectinen. Für das Moxidectin sind bisher keine nachteiligen Wirkungen im Kot beschrieben worden.
Bioland e.V.
Tierarzneimittelanwendung bei Bioland
Stand: 1.2013
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Die Anwendung von Glucocorticoiden (Dexamethason, Acutol®, Prednisolon, Rapidexon®, Voren®, u.a.) soll
auf akut lebensbedrohliche, akut allergische Zustände, nicht infektiöse Entzündungen und akute Stoffwechselstörungen beschränkt werden, um ihre abwehrschwächenden Nebenwirkungen zu vermeiden.
Neuroleptica und Betablocker sind zulässig, jedoch nicht zur Sedation und Beruhigung ganzer Tiergruppen
bei Gruppierungs- oder Transportstreß. Sie sind auf die Anwendung bei Einzeltieren nach medizinischer Indikation beschränkt.
Der Einsatz von Organophosphaten ist beschränkt auf Pour-on Präparate (Sebacil®) beim Schwein zur Räudebekämpfung. Pour-on Präparate haben gegenüber Sprüh- und Waschlösungen den Vorteil, den Anwender
weniger zu gefährden und es kommt seltener zu unbeabsichtigtem Austrag von Aerosolen oder Restmengen in
die Umwelt. Zur Behandlung hartnäckiger Fußräude des Schafes, die mit Pyrethroiden nicht ausreichend zu
heilen ist, dürfen Organophosphate auch als Waschlösungen verwendet werden.
Synthetische Pyrethroide ausser Deltamethrin (s.o.) sind als Pour-on Präparate (Bayofly®, Bayticol®) oder
Ohrclips (Auriplac®, Flectron®) zulässig, weil in dieser Form die Gefahr von Umwelteinträgen oder Gefährdungen der Anwender deutlich geringer ist als bei Sprühlösungen.
Injektionen von Tetrazyklinpräparaten sollten nur intravenös erfolgen, da die lokalen Reizungen und Nekrosen vermieden werden, die bei der intramuskulären Injektion dieser Wirkstoffe entstehen. Das Risiko von
Rückständen an der intramuskulären Injektionsstelle ist schwer einzuschätzen und wird durch die intravenöse
Injektion ausgeschlossen.
Nach intravenöser Applikation ist die Ausscheidung beschleunigt, weswegen auch Gentamicin nur auf diese
Art verabreicht werden soll. Dieser Wirkstoff ist allerdings aufgrund seiner sehr hohen Wartezeit in der ökologischen Tierhaltung ohnehin kaum von Bedeutung.
Im Sinne der Reduktion von Antibiotikaanwendungen ist der Einsatz von antibiotischen Trockenstellern auf
Problemtiere mit medizinischer Indikation beschränkt.
Seit Bestehen der Bioland-Richtlinien wurde die Liste um knapp ein Drittel der ursprünglich genannten Wirk stoffe verkürzt. Die Nennung dieser Wirkstoffe wurde unnötig, weil sie im Laufe der Zeit auch für die konventio nelle Tierhaltung verboten wurden. Der Ansatz erhöhten Verbraucherschutzes in den Bioland Richtlinien wird
dadurch bestätigt. Die Richtlinien werden weiterhin regelmäßig aktualisiert und den Änderungen des Arzneimittelmarktes, sowie den in der Praxis auftretenden Problemen angepaßt.
Die Umsetzung der Öko-Richtlinien ist in der Praxis ohne Abstriche bei der Tiergesundheit möglich und die
Bioland Beratung ist bemüht, trotzdem auftretende Schwierigkeiten zu lösen.
In der Behandlung vor allem der Schafe und Ziegen tritt das Problem der Umwidmung auf. Für diese Tierarten
sind nur sehr wenige Tierarzneimittel explizit zugelassen. Die Herstellerfirmen scheuen den finanziellen Auf wand diese Zulassungen zu erwirken, da die damit zu erwartenden Umsätze die Ausgaben nicht attraktiv
erscheinen lassen.
Für diese Tiere gibt es die Möglichkeit der Umwidmung von Arzneimitteln, die bei anderen Tierarten für ähnliche Anwendungsgebiete zugelassen sind.
Bei der Anwendung umgewidmeter Arzneimittel tritt automatisch eine Wartezeit von 7 Tagen auf Milch und Eier
und 28 Tagen auf Fleisch in Kraft. Diese konventionell vorgeschriebene Wartezeit ist in der Öko-Tierhaltung
noch zu verdoppeln und macht in der Milchschaf und –Ziegenhaltung erhebliche Probleme. Seit Jahren ist auf
EU-Ebene daran gedacht diese Situation zu entschärfen indem erleichterte Zulassungen für die so genannten
minor species (Tierarten mit geringer wirtschaftlicher Bedeutung) eingerichtet werden. Leider steht die Umset zung bisher noch aus.
Schwierigkeiten gibt es auch immer wieder mit der Anwendung von Homöopathie durch Tierhalter. Die Arznei mittelgesetzgebung regelt die Anwendung von Homöopathika, die nicht für Tiere zugelassen, sind sehr restrik tiv. Die bekannten Einzelmittel z.B. von der DHU® (Deutsche Homöopathie Union) sind Präparate für die
Humanhomöopathie. Sie dürfen nur auf tierärztliche Verschreibung an Lebensmitteltieren angewandt werden,
auch wenn sie in der Apotheke ohne Rezept erworben werden können. Tierhalter dürfen lediglich die für Tiere
zugelassenen Päparate einsetzen. Am bekanntesten sind hier die Produkte der Firmen Heel® (Lachesis
comp.® u.a.), DHU® (Laseptal® u.a.) Ziegler® (Phytholacca logoplex® u.a.). Homöopathische Globuli dürfen
also nur dann in der Stallapotheke stehen, wenn es auch eine tierärztliche Verschreibung dafür gibt und auch
die im Bestandsbuch dokumentierten Behandlungen mit solchen Mitteln sollten eine tierärztliche Verschreibung als Grundlage haben.
Bioland e.V.
Tierarzneimittelanwendung bei Bioland
Stand: 1.2013
Seite 3/3
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