Statistik III Walter Zucchini Fred Böker Andreas Stadie Inhaltsverzeichnis 1 Zufallsvariablen und ihre Verteilung 1 1.1 Diskrete Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Stetige Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.3 Die Verteilungsfunktion einer Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Erwartungswert 12 2.1 Erwartungswert einer Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.2 Erwartungswert einer Funktion einer Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . 17 2.3 Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.4 Die Varianz einer Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3 Stetige Verteilungen 23 3.1 Rechteckverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.2 Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.3 Gammaverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.4 Chiquadratverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.5 Exponentialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.6 Betaverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4 Diskrete Verteilungen 60 4.1 Bernoulli-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.2 Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.3 Geometrische Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.4 Die negative Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4.5 Poissonverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5 Beziehungen zwischen Verteilungen 5.1 74 Diskrete Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5.1.1 74 Bernoulli-Verteilung, Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . I II Inhaltsverzeichnis 5.2 5.1.2 Bernoulli-Verteilung, Geometrische Verteilung . . . . . . . . . . . 75 5.1.3 Bernoulli-Verteilung, Negative Binomialverteilung . . . . . . . . . 75 5.1.4 Geometrische Verteilung, Negative Binomialverteilung . . . . . . . 75 5.1.5 Binomialverteilung, Poissonverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.1.6 Binomialverteilung, Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 77 5.1.7 Negative Binomialverteilung, Normalverteilung . . . . . . . . . . . 77 5.1.8 Summen poissonverteilter Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . 78 5.1.9 Poissonverteilung, Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Stetige Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5.2.1 Exponentialverteilung, Gammaverteilung, Normalverteilung . . . . 79 5.2.2 Summe von gammaverteilten Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . 79 5.2.3 Gammaverteilung, 2 -Verteilung, Normalverteilung . . . . . . . . 80 5.2.4 Summen normalverteilter Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.5 Normalverteilung, 2 -Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.2.6 Normalverteilung, t-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2.7 Normalverteilung, F-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.2.8 Normalverteilung, Lognormalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . 87 6 Gemeinsame Verteilung von Zufallsvariablen 6.1 90 Gemeinsame Verteilungen zweier Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . 90 6.1.1 Gemeinsame Verteilung zweier diskreter Zufallsvariablen . . . . . 91 6.1.2 Gemeinsame Verteilung zweier stetiger Zufallsvariablen . . . . . . 92 6.1.3 Die gemeinsame Verteilungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 99 6.2 Gemeinsame Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6.3 Bedingte Verteilungen, Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 6.3.1 Bedingte Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 6.3.2 Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Die bivariate Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6.4 7 p-dimensionale Zufallsvariablen 125 7.1 Definitionen, Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 7.2 Die p-dimensionale Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 7.3 Summen und Linearkombinationen von Zufallsvariablen . . . . . . . . . . 134 7.4 Weiteres zur multivariaten Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 8 Schätzung von Parametern 8.1 Schätzmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 142 Inhaltsverzeichnis 8.2 III 8.1.1 Die Methode der Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 8.1.2 Die Maximum-Likelihood-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Einige Eigenschaften von Schätzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.2.1 Erwartungstreue, Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.2.2 Standardfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 8.2.3 Mittlerer quadratischer Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 8.2.4 Konsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 8.2.5 Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 9 Mischverteilungen 160 9.1 Diskrete Mischung diskreter Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 9.2 Diskrete Mischung stetiger Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 9.3 Stetige Mischungen diskreter Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 9.3.1 Die Beta-Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 9.3.2 Die negative Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 ML–Schätzung bei Mischverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 9.4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 9.4.2 Die Likelihoodfunktion für Mischverteilungen . . . . . . . . . . . 179 9.4.3 Parameterschätzung mit C.A.MAN . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 9.4 10 Bayes’sche Verfahren 186 10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 10.2 Das Theorem von Bayes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 10.3 Bayes’sche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 10.4 Bemerkungen zu konjugierten Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Literatur 208 Index 210 Formeln 216 Kapitel 1 Zufallsvariablen und ihre Verteilung 1.1 Diskrete Zufallsvariablen Definition 1.1 Eine Zufallsvariable X heißt diskret, wenn sie nur endlich viele oder höchstens abzählbar unendlich viele Werte annehmen kann. Beispiel 1.1 Wir betrachten drei Situationen, die sich in den Bereichen der möglichen Werte unterscheiden. a) Eine Münze wird zweimal geworfen. Sei X die Anzahl der dabei geworfenen ,,Köpfe”. Die möglichen Werte dieser Zufallsvariablen sind: ; ; : 012 b) Eine Münze wird so lange geworfen, bis zum ersten mal ,,Zahl” erscheint. X sei die Anzahl der bis dahin geworfenen ,,Köpfe”. Die möglichen Werte dieser Zufallsvariablen sind: ; ; ; : : : : 012 c) Sei X die Anzahl der Autos, die eine Firma im nächsten Jahr verkauft. Die möglichen Werte dieser Zufallsvariablen sind: ; ; : : : ; N: (Dabei sei N die Anzahl der maximal produzierbaren Autos.) 01 Definition 1.2 Sei X eine diskrete Zufallsvariable. Die Funktion PX mit PX (x) = P (fX = xg) heißt die Wahrscheinlichkeitsfunktion von X . Wir wollen die Wahrscheinlichkeitsfunktionen für die drei Situationen aus Beispiel 1.1 bestimmen. Beispiel 1.1 a: Wir gehen von der Annahme aus, dass die Münze fair ist, d.h. beide Seiten der Münze, die wir mit K für ,,Kopf” und Z für ,,Zahl” bezeichnen, haben die gleiche Chance aufzutreffen. Möglichkeiten: Werte von X : Wahrscheinlichkeit: (ZZ) 0 (ZK) 1 (KZ) 1 (KK) 2 1=4 1=4 1=4 1=4 1 2 KAPITEL 1. ZUFALLSVARIABLEN UND IHRE VERTEILUNG Fasst man gleiche Werte von X zusammen, so ergibt sich: P (fX = xg) 1=4 1=2 1=4 x 0 1 2 Dafür schreibt man auch 1=4 1=2 PX (x) = > 1=4 > > : 0 x=0 x=1 x=2 sonst : 8 > > > < Abbildung 1.1 zeigt eine graphische Darstellung der Wahrscheinlichkeitsfunktion. Die Höhe der Stäbe entspricht den Wahrscheinlichkeiten. 1.0 P(x) 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 -1 0 1 2 3 x (Anzahl der Koepfe) Abbildung 1.1: Wahrscheinlichkeitsfunktion für die Anzahl der Köpfe beim zweifachen Münzwurf Beispiel 1.1 b: Die folgende Tabelle gibt die möglichen Wurffolgen bis zur ersten ,,Zahl” und die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten an. Wurffolge Z KZ KKZ Wahrscheinlichkeit 1=2 1=4 1=8 Anzahl ,,Köpfe” . .. (1=2)k+1 . .. x=k . .. K:::KZ x=0 x=1 x=2 Damit ist die Wahrscheinlichkeitsfunktion von X gegeben durch PX (x) = ( (1=2)x+1 0 für x sonst : = 0; 1; 2; ::: Abbildung 1.2 zeigt den Graphen der Wahrscheinlichkeitsfunktion. 1.2. STETIGE ZUFALLSVARIABLEN 3 1.0 P(x) 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x (Anzahl der Koepfe vor Zahl) Abbildung 1.2: Wahrscheinlichkeitsfunktion für die Anzahl der Köpfe vor der ersten Zahl Beispiel 1.1 c: In diesem Beispiel können wir ohne zusätzliche Information keine Wahrscheinlichkeitsfunktion aufstellen. Satz 1.1 Eine Wahrscheinlichkeitsfunktion hat die Eigenschaften: a) PX (x) 0 für alle x ; b) PX (x) > 0 für höchstens abzählbar unendlich viele x ; c) P P (x) = 1 : x X Bei diskreten Zufallsvariablen gibt es Lücken zwischen den einzelnen Werten, d.h. Werte, die die Zufallsvariable nicht annehmen kann. 1.2 Stetige Zufallsvariablen Es gibt auch Zufallsvariablen, die im Prinzip jeden Zwischenwert annehmen können, z.B. Temperatur am Mittag Marktanteil Umsatz Solche Zufallsvariablen heißen stetig. Man verwendet eine Dichtefunktion, um Wahrscheinlichkeiten zu beschreiben. 4 KAPITEL 1. ZUFALLSVARIABLEN UND IHRE VERTEILUNG Definition 1.3 Die Dichtefunktion fX einer stetigen Zufallsvariablen X hat die Eigenschaften a) fX (x) 0 b) für alle x, 1 R fX (x)dx = 1, 1 c) P (fa X b bg) = Ra fX (x)dx für alle a und b mit a b. Die in Definition 1.3 erwähnte Wahrscheinlichkeit kann aufgefasst werden als Fläche unterhalb der Dichtefunktion zwischen den Punkten a und b (siehe Abbildung 1.3). 0.5 f(x) 0.4 0.3 0.2 P({a<X<b}) 0.1 0.0 -4 -2 a 0 2 b 4 x Abbildung 1.3: Wahrscheinlichkeit als Fläche unter der Dichtefunktion Eine stetige Zufallsvariable kann jeden möglichen Wert in dem Bereich annehmen, in dem fX (x) > 0 ist. Wichtig ist jedoch die folgende Eigenschaft stetiger Zufallsvariablen. Sei X eine stetige Zufallsvariable und x0 ein beliebiger Wert. Dann ist P (fX = x0 g) = 0 : Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, dass eine stetige Zufallsvariable einen ganz bestimmten Wert x0 annimmt, ist gleich Null. Man erinnere sich daran, dass eine diskrete Zufallsvariable jeden ihrer möglichen Werte mit positiver Wahrscheinlichkeit annehmen kann. Für stetige Zufallsvariablen gilt damit für alle a und b mit a b P (fa X bg) = P (fa < X bg) = P (fa X < bg) = P (fa < X < bg) : Überzeugen Sie sich, dass diese Eigenschaft für diskrete Zufallsvariablen nicht gilt, indem Sie die obigen Wahrscheinlichkeiten für Beispiel 1.1 a mit a = 0 und b = 2 ausrechnen. Eine Dichtefunktion beschreibt das Verhalten einer stetigen Zufallsvariablen. Man kann sie auch als die Antwort auf Fragen folgender Art ansehen: 1.2. STETIGE ZUFALLSVARIABLEN 5 Wie groß wird unser Marktanteil im nächsten Jahr sein (wenn wir, wie bis jetzt, weitermachen)? Solche Fragen haben keine einfachen Antworten, wie z.B. 23.4%. 0.10 f(x) 0.08 0.06 0.04 0.02 0.0 0 10 20 30 40 50 x (Marktanteil in %) Abbildung 1.4: Mögliche Dichtefunktion für den Marktanteil im nächsten Jahr Der genaue Anteil wird von vielen und komplexen Faktoren abhängen, z.B. politischen Faktoren, dem Klima und anderen zufälligen Einflüssen, die man nicht im voraus wissen kann. Man ist höchstens in der Lage, die möglichen Werte zu bestimmen und anhand statistischer Methoden ihr wahrscheinliches Verhalten zu schätzen. Die Antwort auf solche Fragen beschreibt man mit Hilfe einer Dichtefunktion. So könnte der Marktanteil im nächsten Jahr durch die Dichtefunktion in Abbildung 1.4 gegeben sein. 0.10 f(x) 0.08 0.06 0.04 P({X<20}) 0.02 0.0 0 10 20 30 40 50 x (Marktanteil in %) Abbildung 1.5: P (fX < 20g) als Fläche unterhalb der Dichtefunktion Um Entscheidungen zu treffen, muss man mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Solch eine Entscheidung könnte z.B. sein: Soll man jetzt etwas dagegen unternehmen, dass der Marktanteil im nächsten sinkt oder sollen wir jetzt nichts unternehmen. Dazu muss man wissen, wie groß Jahr nicht unter diese Wahrscheinlichkeit ist. Kennt man die zugehörige Dichtefunktion, so ist diese Wahrscheinlichkeit gegeben durch 20% P (fX < 20g) = Z20 1 fX (x)dx : 6 KAPITEL 1. ZUFALLSVARIABLEN UND IHRE VERTEILUNG Diese Wahrscheinlichkeit entspricht der Fläche unterhalb der Dichtefunktion links von bildung 1.5). 20 (siehe Ab- 1.3 Die Verteilungsfunktion einer Zufallsvariablen Definition 1.4 Die Verteilungsfunktion einer Zufallsvariablen X ist definiert durch FX (t) = P (fX tg) t 2 IR : Diese Definition gilt für eine beliebige Zufallsvariable, egal ob diese stetig oder diskret ist. 0.5 f(x) 0.4 0.3 0.2 F(t) 0.1 0.0 0 2 t 4 6 8 10 x Abbildung 1.6: Verteilungsfunktion F (t) als Fläche unterhalb der Dichtefunktion Satz 1.2 a) Für eine stetige Zufallsvariable X mit Dichtefunktion fX (x) gilt FX (t) = Z t 1 fX (x)dx : b) Für eine diskrete Zufallsvariable X mit Wahrscheinlichkeitsfunktion PX (x) gilt FX (t) = X xt PX (x) : 1.3. DIE VERTEILUNGSFUNKTION EINER ZUFALLSVARIABLEN 7 Bei einer stetigen Zufallsvariablen kann man sich unter der Verteilungsfunktion die Fläche unterhalb der Dichtefunktion von 1 bis t vorstellen (siehe Abbildung 1.6). Beispiel 1.2 (Exponentialverteilung mit Parameter = 1) Die Dichtefunktion der Zufallsvaria- blen X sei gegeben durch fX (x) = ( e x für x 0 0 sonst : 1.5 f(x) 1.0 0.5 0.0 0 1 2 3 4 5 x Abbildung 1.7: Dichtefunktion der Exponentialverteilung mit dem Parameter = 1 1.0 F(t) 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 0 1 2 3 4 5 t Abbildung 1.8: Verteilungsfunktion der Exponentialverteilung mit dem Parameter = 1 Dann ist die Verteilungsfunktion FX (t) = 0 0 Dieses Integral ist für t < . Für t Z 0 t Z t 1 fX (x)dx : 0 erhält man e x dx = e x t0 = ( e t ) ( e 0) = e t + 1 = 1 e t: 8 KAPITEL 1. ZUFALLSVARIABLEN UND IHRE VERTEILUNG Damit gilt für die Verteilungsfunktion (siehe Abbildung 1.8) FX (t) = ( 0 1 für t < 0 e t für t 0 : Beispiel 1.3 (Anzahl der ,,Köpfe” beim zweifachen Münzwurf) In Beispiel 1.1a hatten wir die folgende Wahrscheinlichkeitsfunktion für die Anzahl der ,,Köpfe” beim zweifachen Werfen einer Münze bestimmt. 1=4 1=2 PX (x) = > 1=4 > > : 0 8 > > > < für x für x für x sonst =0 =1 =2 Die Verteilungsfunktion ist dann 8 > > > < 0 1=4 FX (t) = > 3=4 > > : 1 0 für t < für t< für t< für t: 0 1 2 1 2 Diese Verteilungsfunktion ist in Abbildung 1.9 zusammen mit der Wahrscheinlichkeitsfunktion dargestellt. Wahrscheinlichkeitsfunktion P(x) 1.0 0.5 0.0 -2 -1 0 1 2 3 4 3 4 x (Anzahl der Koepfe) Verteilungsfunktion F(t) 1.0 0.5 0.0 -2 -1 0 1 2 t (Anzahl der Koepfe) Abbildung 1.9: Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktion für die Anzahl der Köpfe beim zweifachen Münzwurf 1.3. DIE VERTEILUNGSFUNKTION EINER ZUFALLSVARIABLEN 9 Anschaulich ist die Verteilungsfunktion also die Summe der Höhen der Stäbe bis einschließlich t. Beachten Sie, dass die Verteilungsfunktion an den Sprungstellen den oberen Wert annimmt. Die Verteilungsfunktion ist also stetig von rechts. Satz 1.3 (Eigenschaften einer Verteilungsfunktion) Eine Verteilungsfunktion FX hat die Eigenschaften: a) b) c) FX (t) 1 ; FX (t1 ) FX (t2 ), 0 falls t1 < t2 ; t!lim1 FX (t) = 0 ; tlim !1 FX (t) = 1 ; e) FX ist stetig von rechts. d) Jetzt sei die Verteilungsfunktion einer Zufallsvariablen X gegeben, und wir wollen die Dichteoder Wahrscheinlichkeitsfunktion von X bestimmen. Satz 1.4 Sei X eine stetige Zufallsvariable mit der Verteilungsfunktion FX . Dann ist die Dichtefunktion von X gegeben durch fX (x) = FX0 (x) : Beispiel 1.4 (Exponentialverteilung mit dem Parameter stetigen Zufallsvariablen sei (vergleiche Beispiel 1.2) FX (x) = ( 0 1 = 1) Die Verteilungsfunktion einer für x 0 e x für x > 0 : Dann gilt fX (x) = dFX (x) dx ( = 00 ( für x 0 e x ) = e x für x > 0 : Für diskrete Zufallsvariablen erhält man die Wahrscheinlichkeitsfunktion, indem man an den Sprungstellen der Verteilungsfunktion die Differenz berechnet. 10 KAPITEL 1. ZUFALLSVARIABLEN UND IHRE VERTEILUNG Beispiel 1.5 Die Verteilungsfunktion einer diskreten Zufallsvariablen X sei gegeben durch 0 1=8 FX (x) = > 3=8 > > 7=8 > > : 1 8 > > > > > < x<1 1x<2 2x<3 3x<4 4x: X kann die Werte 1; 2; 3 und 4 annehmen. Da FX an der Stelle 1 von 0 auf 1=8 springt, wird der Wert 1 mit der Wahrscheinlichkeit 1=8 angenommen, der Wert 2 mit der Wahrscheinlichkeit FX (2) FX (1) = 3=8 1=8 = 1=4. Die vollständige Wahrscheinlichkeitsfunktion ist 1=8 1=4 PX (x) = > 1=2 > > 1=8 > > : 0 8 > > > > > < x=1 x=2 x=3 x=4 sonst : Abbildung 1.10 zeigt die Verteilungsfunktion und die Wahrscheinlichkeitsfunktion. Verteilungsfunktion 1.0 F(x) 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 -1 0 1 2 3 4 5 6 5 6 x Wahrscheinlichkeitsfunktion 1.0 P(x) 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 -1 0 1 2 3 4 x Abbildung 1.10: Verteilungs- und Wahrscheinlichkeitsfunktion für Beispiel 1.5 Allgemein gilt: 1.3. DIE VERTEILUNGSFUNKTION EINER ZUFALLSVARIABLEN 11 Satz 1.5 Sei X eine diskrete Zufallsvariable mit der Verteilungsfunktion FX . Dann ist die Wahrscheinlichkeitsfunktion von X gegeben durch PX (x) = FX (x) lim FX (x h!0 h>0 h) : Mit Hilfe der Verteilungsfunktion ist es besonders einfach, Wahrscheinlichkeiten auszurechnen, dass eine Zufallsvariable Werte in einem Intervall (a; b℄ annimmt. Denn es gilt: Satz 1.6 Sei X eine Zufallsvariable mit der Verteilungsfunktion FX . Dann gilt P (fa < X bg) = FX (b) FX (a) : (1.1) Dieser Satz gilt sowohl für stetige als auch für diskrete Zufallsvariablen. Wie wir schon gesehen haben (siehe S. 4), kommt es bei stetigen Zufallsvariablen nicht darauf an, ob es in der Gleichung (1.1) < oder heißt. Für diskrete Zufallsvariablen gilt dieser Satz jedoch nur in dieser Form, wenn a und b mögliche Werte der Zufallsvariablen sind! Beispiel 1.6 (Exponentialverteilung mit dem Parameter stetigen Zufallsvariablen sei (vergleiche Beispiel 1.2 und 1.4) FX (x) = ( 0 1 e x für x für x > = 1) Die Verteilungsfunktion einer 0 0: Dann gilt P (f1 < X 2g) = FX (2) = e 1 FX (1) = (1 2 e = 0:3679 e 2 ) (1 e 1 ) 0:1353 = 0:2326 : Beispiel 1.7 Die Zufallsvariable X besitze die Verteilungsfunktion aus Beispiel 1.5. Dann gilt P (f1 < X 3g) = FX (3) FX (1) = 7=8 1=8 = 3=4 P (f1 < X < 3g) = FX (2) FX (1) = 3=8 1=8 = 1=4 P (f1 X 3g) = FX (3) = 7=8 und P (f1 X < 3g) = FX (2) = 3=8 :