Außer der Reihe Onkologe 2010 · 16:175–180 DOI 10.1007/s00761-009-1776-z Online publiziert: 20. Januar 2010 © Springer-Verlag 2010 C. Wittekind · J. Bertolini Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Leipzig TNM-System 2010 Änderungen in der neuen 7. Auflage der TNM-Klassifikation maligner Tumoren Die Einteilung der Krebserkrankungen nach ihrer anatomischen Ausbreitung entspricht einer langen Tradition und ist zur Analyse mancher Patientengruppe ein unumgängliches Werkzeug, um die unten genannten Ziele zu erreichen. Nach Meinung der UICC ist eine Einigung in Bezug auf die Registrierung exakter Angaben über die Tumorausbreitung für jede Lokalisation wünschenswert, da die genaue klinische Beschreibung und (wenn möglich) histopathologische Klassifikation maligner Neoplasmen mehreren Zielen dient, nämlich: 1. dem Kliniker bei der Behandlungsplanung zu helfen, 2. Hinweise auf die Prognose zu geben, 3. zur Auswertung der Behandlungsergebnisse beizutragen, 4. den Informationsaustausch zwischen Behandlungszentren zu erleichtern, 5. zur kontinuierlichen Erforschung der menschlichen Krebserkrankungen und 6. zur Kontrolle von Krebserkrankungen beizutragen. Die Neuvorstellungen und Modifikationen der 7. Auflage der TNM-Klassifikation maligner Tumoren [17] gegenüber der vorhergehenden 6. Auflage von 2002 [15] basieren auf neuen Daten zur Prognose und neuen Methoden zur Bestimmung der Prognose. Einige der Veränderungen wurden bereits in der 2. und 3. Auflage des TNM-Supplements [14, 16] als Vorschläge publiziert. Unterstützende Daten rechtfertigen ihre Aufnahme in die 7. Auflage. Einige Klassifikationen sind völlig neu: Schleimhautmelanome des oberen Aerodigestivtrakts, gastrointestinale Stromatu- moren, gastrointestinale Karzinoide (neuroendokrine Tumoren), intrahepatische Cholangiokarzinome, Merkelzellkarzinome, Uterussarkome und Nebennierenrindenkarzinome. Eine neue Vorgehensweise wurde eingeführt, um die Stadiengruppierungen von den prognostischen Gruppeneinteilungen abzugrenzen, wobei in Letzteren neben den T-, N- und MKategorien auch andere Prognosefaktoren berücksichtigt werden. Diese neuen prognostischen Gruppen werden für Tumoren des Ösophagus und der Prostata vorgestellt. Abgesehen von einzelnen wenigen Definitionen sowohl von Stadiengruppierungen als auch von prognostischen Gruppierungen der oben erwähnten Entitäten, stimmt die 7. Auflage der UICCKlassifikation [17] mit der 7. Auflage des American Joint Committee on Cancer [1] überein. Dies ist das Ergebnis von Bestrebungen, nur einen Standard zu haben und reflektiert die Bemühungen aller nationalen TNM-Komitees, auf diesem Gebiet Einheitlichkeit zu erzielen. Das TNM Prognostic Factors Project der UICC hat ein Verfahren institutionalisiert, um Vorschläge zur Verbesserung der TNM-Klassifikation zu evaluieren. Das Verfahren zielt auf eine kontinuierliche, systematische Verbesserung hin und besteht aus zwei Armen: 1.Verfahren zur Bearbeitung formaler Vorschläge von TNM-interessierten Forschern und 2.periodischen Literaturrecherchen nach Artikeln, die Verbesserungen der TNM-Klassifikation zum Inhalt haben. Die Autorenvorschläge und die Ergebnisse der Literaturrecherche werden durch ein Expertenpanel der UICC und durch die Mitglieder des TNM Prognostic Factors Project Committee ausgewertet. Die nationalen TNM-Komitees einschließlich des American Joint Committee on Cancer (AJCC) beteiligen sich an diesem Prozess. Die UICC erkennt die Notwendigkeit der Beständigkeit der jeweiligen Auflage der TNM-Klassifikation, damit Daten in einheitlicher Weise und über eine angemessenen Zeitraum hin gesammelt werden konnten. Entsprechend dieser Zielsetzung sollen die Klassifikationen der 7. Auflage [17] so lange unverändert bleiben, bis größere Fortschritte in Diagnose oder Behandlung für eine spezielle Lokalisation eine Überprüfung der derzeitigen Klassifikationen erforderlich machen. Während die Klassifikation generell auf publizierten Daten basiert, ist sie in widersprüchlichen Abschnitten auf einem internationalen Konsensus aufgebaut. Nach wie vor bemüht sich die UICC um eine allgemeine Zustimmung zur Klassifikation der anatomischen Ausbreitung der Erkrankung. Die Änderungen der 7. Auflage sollen im Folgenden summarisch dargestellt werden. Änderungen in den allgemeinen Regeln des TNM-Systems Diese allgemeinen Regeln sind generell zu wenig bekannt, mit der Gefahr, dass bei ihrer Nichtbeachtung Probleme in der Verwendung der TNM-Klassifikation bei einzelnen Organtumoren auftreten könnten. Nachfolgend soll nur auf einige wichtige Der Onkologe 2 · 2010 | 175 Tab. 1 Kurzfassungen der Definitionen der T-, N- und M-Kategorien bei Tumoren des Ösophagus, des gastroösophagealen Übergangs und des Magens [17] Kurzfassung Ösophagus einschließlich ösophagogastralem Übergang T1 Lamina propria, Muscularis mucosae (T1a), Submukosa (T1b) T2 Muscularis propria T3 Adventitia T4a Pleura, Perikard oder Zwerchfell T4b Aorta, Wirbelkörper oder Trachea N1 1–2 Lymphknoten N2 3–6 Lymphknoten N3 ≥7 Lymphknoten M1 Fernmetastasen Prognostische Gruppeneinteilung Plattenepithelkarzinome Prognostische Gruppe T N M Grad Lokalisation 0 Tis 0 0 1 Jede Lokalisation IA 1a, b 0 0 1, X Jede Lokalisation IB 1a, b 0 0 2, 3 Jede Lokalisation 2, 3 0 0 1, X Intrathorakal unten, X IIA 2, 3 0 0 1, X Intrathorakal oben, intrathorakal Mitte 2, 3 0 0 2, 3 Intrathorakal unten, X IIB 2, 3 0 0 2, 3 Intrathorakal oben, intrathorakal Mitte 1a, b, 2 1 0 Jeder Jede Lokalisation IIIA 1a, b, 2 2 0 Jeder Jede Lokalisation 3 1 0 Jeder Jede Lokalisation 4a 0 0 Jeder Jede Lokalisation IIIB 3 2 0 Jeder Jede Lokalisation IIIC 4a 1, 2 0 Jeder Jede Lokalisation 4b Jedes N 0 Jeder Jede Lokalisation Jedes T 3 0 Jeder Jede Lokalisation IV Jedes T Jedes N 1 Jeder Jede Lokalisation Prognostische Gruppeneinteilung Adenokarzinom Prognostische Gruppe T N M Grad 0 Tis 0 0 1 IA 1a, b 0 0 1, 2, X IB 1a, b 0 0 3 2 0 0 1, 2, X IIA 2 0 0 3 IIB 3 0 0 Jeder 1a, b, 2 1 0 Jeder IIIA 1a, b, 2 2 0 Jeder 3 1 0 Jeder 4a 0 0 Jeder IIIB 3 2 0 Jeder IIIC 4a 1, 2 0 Jeder 4b Jedes N 0 Jeder Jedes T 3 0 Jeder IV Jedes T Jedes N 1 Jeder Kurzfassung Magen T1 Lamina propria, Muscularis mucosae (T1a), Submukosa (T1b) T2 Muscularis propria T3 Subserosa T4 Perforation der Serosa, Nachbarstrukturen 176 | Der Onkologe 2 · 2010 Änderungen und Neuerungen eingegangen werden. >Die Verwendung der Kategorien „MX“ und „pMX“ führte immer wieder zu Fehlern Die Verwendung der Kategorien „MX“ und „pMX“ ist in der Vergangenheit immer wieder Quelle von Missverständnissen und Fehlern gewesen, besonders bei der Verwendung durch Pathologen. Dies­ hatte mitunter die unbeabsichtigte Folge, dass Dokumentare („cancer registrars“ in den USA) solche Patienten, bei denen zum Vorliegen von Fernmetastasen nicht Stellung genommen worden war, nicht mit der Stadiengruppierung registriert hatten und ihre Krankheiten mitunter überhaupt nicht als Krebserkrankungen dokumentiert wurden. Wenn Pathologen ein Resektionspräparat bearbeiten, haben sie in der Regel ausreichend Informationen, um pT und pN zu klassifizieren, aber meistens keine Information über Fernmetastasen. Häufig wird dann „MX“ oder „pMX“ in der Tumorformel angegeben. In diesen Fällen ist es günstiger, wenn der Kliniker beim Fehlen von eindeutigen Zeichen von Metastasen „M0“ oder „cM0“ angibt. Wenn z. B. ein Knoten in der Leber bei einem Patienten mit kolorektalem Karzinom auffällt, wird dieser unter der Annahme, dass eine Metastase vorliegt, als M1 klassifiziert. Wenn diese Metastase morphologisch gesichert ist, wird pM1 klassifiziert. Wenn bei der morphologischen Sicherung ein Hämangiom festgestellt wird, wird M0 klassifiziert. Die Klassifikation „pM0“ kann nur nach einer Obduktion angewendet werden. Ansonsten besteht von klinischer Seite aus nicht ausreichend Sicherheit, dass tatsächlich keine Metastasen vorliegen. Auf die Anwendung von „X“ im Rahmen der T- und N-Kategorien ist kürzlich hingewiesen worden [4]. Neu eingeführt und fakultativ anzuwenden ist die bisher im TNM-Supplement [16] als Parameter erwähnte Klassifikation der Invasion von Perineuralscheiden. Die Befunde der Pn-Klassifikation (v. a. Pn1) beeinflussen die T-Kategorie nicht, werden aber bei einigen Tumor­ entitäten als zusätzlicher prognostischer Faktor gesehen [7]. Tab. 1 Kurzfassungen der Definitionen der T-, N- und M-Kategorien bei Tumoren des Ösophagus, des gastroösophagealen Übergangs und des Magens [17] [Fortsetzung] N1 N2 N3a N3b M1 Stadiengruppierung Stadium 0 Stadium IA Stadium IB Stadium IIA Stadium IIB Stadium IIIA Stadium IIIB Stadium IIIC Stadium IV 1–2 Lymphknoten 3–6 Lymphknoten 7–15 Lymphknoten ≥16 Lymphknoten Fernmetastasen Tis T1 T2 T1 T3 T2 T1 T4A T3 T2 T1 T4a T3 T2 T4b T4a T3 T4a T4b Jedes T N0 N0 N0 N1 N0 N0 N0 N0 N1 N2 N3 N1 N2 N3 N0, N1 N2 N3 N3 N2, N3 Jedes N Die Klassifikation isolierter Tumorzellen (ITC) umfasst ab der 7. Auflage den Vorschlag, einen Kluster von weniger als 200 Tumorzellen in einem histologischen Schnitt ebenfalls in diese Kategorie aufzunehmen, sofern andere Zeichen der Metastasierung fehlen. Neu eingeführt wurde die prognostische Gruppeneinteilung, in der in Abgrenzung zur Stadiengruppierung weitere für die Prognose wichtige Faktoren eingebracht wurden. Die prognostischen Gruppen werden für Tumoren des Ösophagus und der Prostata vorgestellt. Ein Vorschlag, in der R-Klassifikation den Status des zirkumferenziellen Resektionsrands besser zu integrieren und damit die R-Klassifikation einheitlicher zu gestalten, wurde kürzlich publiziert [19]. Kopf-Hals-Tumoren Neu ist die Klassifikation für die zwar seltenen, aber sehr aggressiven malignen Melanome der Schleimhäute des oberen Aerodigestivtrakts. Diese Tumoren wer- M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1 den ähnlich wie undifferenzierte Karzinome der Schilddrüse klassifiziert, d. h. es sind nur die Kategorien T3 und T4 sowie die Stadien III und IV vorgesehen. Außer kleineren Modifikationen in der T1- und T2-Kategorie der Nasopharynxkarzinome und einer Unterteilung der T1-Kategorie bei den Schilddrüsenkarzinomen sind keine weiteren Änderungen vorgesehen. Tumoren des Verdauungstrakts Größere Veränderungen sind beim Ösophaguskarzinom vorgenommen wurden. Die Kategorien T1 und T4 wurden unterteilt, um die anatomische Ausbreitung präziser beschreiben zu können. In der NKlassifikation wurde nicht mehr nur das Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen festgehalten (N1 in der 6. Auflage), sondern das Ausmaß der Lymphknotenmetastasierung in drei N-Kategorien genauer beschrieben (. Tab. 1). Die bisherige Unterteilung der M1-Kategorie entfiel wegen fehlender prognostischer Relevanz. Tumoren des ösophagogastralen Der Onkologe 2 · 2010 | 177 Zusammenfassung · Abstract Onkologe 2010 · 16:175–180 DOI 10.1007/s00761-009-1776-z © Springer-Verlag 2010 C. Wittekind · J. Bertolini TNM-System 2010 Änderungen in der neuen 7. Auflage der TNM-Klassifikation maligner Tumoren Zusammenfassung In der 7. Auflage der TNM-Klassifikation maligner Tumoren blieben die meisten Tumoren gegenüber der 6. Auflage unverändert. Für einige Tumorentitäten wurden Klassifikationen neu eingeführt, andere modifiziert, die meisten unverändert belassen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Neuerungen und Veränderungen, die ab 01.01.10 verwendet werden sollen, kurz darzustellen. Auch einige allgemeine Regeln der TNM-Klassifikation sind geändert worden. Um die Pathologen von der Verwendung von „MX“ und „pMX“ abzuhalten, wurden diese zwei Kategorien aus der neuen Klassifikation entfernt. Der fakultative zu verwendende Parameter „Pn“ (perineurale Invasion) wurde neu eingeführt. Zu den Tumorentitäten, für die neue Klassifikatio­ nen vorliegen, gehören: maligne Melanome des oberen Aerodigestivtrakts, Tumoren des ösophagogastralen Übergangs, gastrointestinale Stromatumoren (GIST), neuroendokrine Tumoren der Lungen und des Verdauungstrakts, Appendixkarzinome, intrahepatische Cholangiokarzinome (ICC), extrahepatische Gallengangskarzinome, Merkel-Zell-Karzinome, Uterussarkome und Nebennierenrindenkarzinome. Bei der Tumoren der Speiseröhre, des Magens, der Lunge, der Haut, der Vulva und der Prostata wurden größere Modifikationen vorgenommen. Schlüsselwörter TNM-Klassifikation · 7. Auflage · Neue Klassifikationen · Modifikationen TNM system 2010 Amendments in the new 7th edition of the TNM classification of malignant tumours Abstract The 7th edition of the TNM classification of malignant tumours (TNM-7) contains a number of new and modified classifications. The purpose of this communication is to briefly summarize these changes which will become effective from January 2010. In addition there are several general rules that have been modified or established. In order to deter pathologists from using the terms MX or pMX, these designations have been deleted from TNM7. The optional descriptor “Pn – perineural invasion” has been newly introduced. Among the new classifications for tumor entities are: melanoma of upper aerodigestive tract, gas- 178 | Der Onkologe 2 · 2010 troesophageal carcinoma, gastrointestinal stromal tumours (GIST), neuroendocrine tumours of the lung and gastrointestinal tract, appendix carcinoma, intrahepatic cholangiocarcinoma, extrahepatic bile duct carcinoma, Merkel cell carcinoma, uterine sarcoma and adrenal cortex carcinoma. Among the classifications with major amendments are carcinomas of the esophagus, stomach, lung, skin, vulva, and prostate. Keywords TNM classification · 7th edition · New classifications · Modifications Übergangs werden wie Tumoren des Ösophagus klassifiziert. Ein Tumor im proximalen Magen, dessen Zentrum in einem Abstand von 5 cm vom ösophagogastralen Übergang liegt und in den ösophagogastralen Übergang hineinreicht, wird nach dem Schema der Ösophaguskarzinome klassifiziert. Alle anderen Tumoren mit einem Zentrum im Magen und mehr als 5 cm vom ösophagogastralen Übergang entfernt oder Tumoren, deren Zentrum innerhalb eines Abstands von 5 cm liegt, aber nicht in den ösophagogastralen Übergang hineinreichen, werden nach dem Schema für Magenkarzinome klassifiziert. Die Definition der regionären Lymphknoten wurde geändert. Unabhängig vom Sitz des Primärtumors sind die regionären Lymphknoten diejenigen, welche im lymphatischen Abflussgebiet des Ösophagus lokalisiert sind, eingeschlossen die zöliakalen Lymphknoten und paraösophagealen Lymphknoten des Halses, aber nicht die supraklavikulären Lymphknoten. Modifikationen wurden bei den Tumoren des Magens vorgenommen, um neue prognostische Aspekte besser zu berücksichtigen. Die Unterteilung der T-Kategorien entspricht jetzt der von andernorts lokalisierten Tumoren des Verdauungstrakts (. Tab. 1). Die Zahl der entfernten und untersuchten Lymphknoten, die notwendig sind, um pN0 klassifizieren zu können, wurde auf 16 angepasst. Die gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) werden basierend auf folgenden Eigenschaften eingeteilt: Lokalisation, Größe und Mitoserate, auf dem das Grading basiert. Diese Klassifikation geht auf Vorschläge von Miettinen et al. zurück, die auf Daten von über 2000 Fällen beruhen [8, 9]. Karzinome der Appendix wurden in den früheren Auflagen der TNM-Klassifikationen wie kolorektale Karzinome klassifiziert. In der 7. Auflage ist eine eigenständige Klassifikation vorgesehen, ebenso wie für Appendixkarzinoide. Eine Unterteilung in muzinöse und nichtmuzinöse Karzinome ist notwendig. Die Kategorien T4 sowie M1 wurden modifiziert, um die besonderen Eigenschaften der muzinösen Karzinome zu berücksichtigen. Außerdem wurde ein Grading mit einer Unterteilung in niedriggradig und hochgradig eingeführt und im Stadium IV für eine Subgruppierung berücksichtigt. Becherzellkarzinoide („goblet cell carcinoids“) werden wie Appendixkarzinome klassifiziert. Zum ersten Mal berücksichtigt die TNM-Klassifikation jetzt auch Karzinoide und andere neuroendokrine Tumoren des Verdauungstrakts, wobei die Karzinoide des Magens, des Dünndarms und des Dickdarms separate Klassifikationen aufweisen. Neuroendokrine Tumoren der Lunge und des Pankreas werden wie die Karzinome dieser Organe klassifiziert. Das Merkel-Zell-Karzinom hat ebenfalls eine eigene Klassifikation. Für die Tumoren des Kolons und Rektums wurden nur wenige Änderungen durchgeführt, sodass Vergleiche zwischen der vorhergehenden und der 7. Auflage ohne Probleme möglich sind. Abgesehen von der neu eingeführten Unterteilung der T4-Kategorie, blieben die Kriterien der anderen T-Kategorien unverändert. Die Unterteilungen der N-Kategorien blieben ebenfalls gleich (1 bis 3 vs. 4 Lymphknoten und mehr); eine Subunterteilung ermöglicht eine noch spezifischere Klassifikation und führt auch zu einer subtileren Stadieneinteilung. Eine Änderung betrifft sog. „tumor deposits“ (TD) oder Satelliten. Tumor deposits“ sind makroskopische oder mikroskopische Nester oder Knötchen im perikolorektalen Fettgewebe des Lymphabflussgebiets des Primärtumors ohne histologisch erkennbare Residuen eines Lymphknotens. Sie können einer kontinuierlichen Ausbreitung, einer Veneninvasion (V1, V2) oder komplett metastatisch durchsetzten Lymphknoten entsprechen. Wenn solche Tumorknötchen bei Läsionen, die sonst als T1 oder T2 klassifiziert werden, nachgewiesen werden, ändert sich die TKlassifikation nicht, die Knötchen werden dann als N1c/pN1c beurteilt. Wenn ein solches Tumorknötchen vom Pathologen als vollständig durch Tumor ersetzter Lymphknoten (i. Allg. mit glatter äußerer Kontur) angesehen wird, dann sollte es als Lymphknotenmetastase klassifiziert werden und jedes Tumorknötchen sollte einzeln als Lymphknotenmetastase gezählt und in der Klassifikation berücksichtigt werden. Damit wurde beabsichtigt, diese Patienten in das Stadium Tab. 2 Kurzfassung und Stadieneinteilung der TNM-Klassifikation der Lungentumoren [17] Kurzfassung TX T1 T1a T1b T2 T2a T2b T3 T4 N1 N2 N3 M1 M1a M1b Stadiengruppierung Lungenkarzinom Okkultes Karzinom Stadium 0 Stadium IA Stadium IB Stadium IIA Stadium IIB Stadium IIIA Stadium IIIB Stadium IV Positive Zytologie ≤3 cm ≤2 cm >2–3 cm Hauptbronchus ≥2 cm von der Carina, Invasion von viszeraler Pleura, partielle Atelektase >3–5 cm >5–7 cm >7 cm, Brustwand, Zwerchfell, Perikard, mediastinale Pleura, Hauptbronchus <2 cm von der Carina, totale Atelektase, separate(r) Tumorherd(e) im selben Lappen Mediastinum, Herz, große Gefäße, Carina, Trachea, Ösophagus, Wirbelkörper, separate(r) Tumorherd(e) in einem ipsilateralen anderen Lappen Ipsilaterale peribronchiale/hiläre Lymphknoten Ipsilaterale mediastinale/subkarinale Lymphknoten Kontralaterale mediastinale, hiläre, ipsi- oder kontralaterale Skalenus- oder supraklavikuläre Lymphknoten Metastasen Separate(r) Tumorherd(e) in einem kontralateralen Lappen, Pleurametastasen, maligner Pleura- oder Perikarderguss Fernmetastasen TX Tis T1a, T1b T2a T2b T1a, T1b, T2a T2b T3 T1a, b, T2a, b T3 T4 T4 Jedes T Jedes T III einzuordnen und ihnen die Möglichkeit einer adjuvanten Chemotherapie offenzuhalten. Die M-Kategorie wurde unterteilt in eine Gruppe mit einer Fernmetastase in einem Organ (M1a) und in eine mit Fernmetastasen in mehr als einem Organ oder mit Metastasen des Peritoneums (M1b). Schon bei der Vorstellung der letzten Auflagen der TNM-Klassifikation wurde insbesondere von japanischen Autoren bemängelt, dass intrahepatische Cholangiokarzinome (ICC) in identischer Weise nach TNM klassifiziert wurden wie hepatozelluläre Karzinome. In der 7. Aufla- N0 N0 N0 N0 N0 N1 N1 N0 N2 N1, N2 N0, N1 N2 N3 Jedes N M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1 ge wurde eine Klassifikation vorgestellt, die dem biologischen Verhalten dieser ICC besser entspricht und in der der prognostisch besonders schlecht verlaufende Typ eines ICC mit primär periduktalem Wachstum als T4/pT4 eingeordnet wird, entsprechend einem Stadium IVA mit einer sehr schlechten Prognose der betroffenen Patienten. Bisher existierte eine TNM-Klassifikation für Tumoren der extrahepatischen Gallengänge. In der 7. Auflage hat man jeweils eine Klassifikation sowohl für die perihilären (sog. Klatskin-Tumoren) als auch für distalen extrahepatischen CholDer Onkologe 2 · 2010 | 179 Außer der Reihe angiokarzinome eingeführt, wobei die Grenze durch die Einmündung des Ductus cysticus markiert wird. Größere Veränderungen wurden bei der Klassifikation der Lungentumoren eingeführt (. Tab. 2). Sie beruhen auf den Ergebnissen einer Studie von über 80.000 Patienten mit Lungenkarzinomen, deren Daten von einem Komitee der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) unter der Führung von Peter Goldstraw ausgewertet wurden [3, 12, 13]. Diese Klassifikation der Lungenkarzinome stellt ein Schema bereit, mit dem alle histologischen Typen der Lungenkarzinome – eingeschlossen die Karzinoide –, alle histologischen Malignitätsgrade und zentrale vs. periphere Lungenkarzinome auf einer rein morphologischen Basis klassifiziert werden können. Wichtige Veränderungen gab es in den T3- und T4-Kategorien sowie in den M-Kategorien und in der Stadiengruppierung. Für die Karzinome der Haut wurden Änderungen in den Definitionen der TKategorien und der N-Kategorien eingeführt. Das AJCC hat einige Parameter vorgeschlagen, die Hochrisikoeigenschaften (Tiefe/Invasion, anatomische Lokalisation und Differenzierung) der Karzinome anzeigen und deren Vorhandensein ein Stadium-I-Karzinom in ein Stadium-II-Karzinom bringt. Neu vorgestellt wurde eine Klassifikation der Merkel-Zell-Karzinome. Bei den Tumoren der Brust gibt es keine wesentlichen Modifikationen oder Neuerungen, einige Definitionen wurden gering geändert, einige Hinweise verdeutlicht. Bei einigen gynäkologischen Tumoren (Vagina, Ovarien, Tuben, trophoblastäre Schwangerschaftstumoren) haben sich im Vergleich zur letzten Auflage keine Änderungen ergeben. Die wesentlichsten Modifikationen beim Vulvakarzinom betreffen die Kategorie T2/FIGOStadium II und T3/FIGO-Stadium III. Die Kategorie T2/FIGO-Stadium II beinhaltet jetzt die Ausdehnung des Karzinoms in die Urethra, die Vagina und den Anus ohne Berücksichtigung der Tumorgröße und die Kategorie T3/FIGO-Stadium III zusätzlich die Infiltration der Blasen- und/oder Rektumschleimhaut sowie die Fixation des Tumors an der Becken- 180 | Der Onkologe 2 · 2010 wand. Die neue Einteilung der Metastasierung in die regionären, inguinofemoralen Lymphknoten berücksichtigt jetzt die Zahl und Größe der Lymphknotenmetastasen und den Nachweis einer extrakapsulären Ausbreitung. Erstmals gibt es eine TNM-Klassifikation für Uterussarkome [2, 5, 6, 10, 11, 18]. Bei den urologischen Tumoren werden eine klinische (cN) und eine pathologische (pN) Klassifikation der Tumoren des Penis eingeführt. Neu ist die Einführung einer prognostischen Gruppe, die dem anatomischen Stadium zur Seite gestellt wird. In der prognostischen Gruppeneinteilung werden zusätzlich PSAWerte und das Gleason-Grading berücksichtigt. Als neue Klassifikation wird die der Karzinome der Nebennierenrinde eingeführt. Sie basiert allerdings auf einem Vorschlag, der bisher nur im TNM-Supplement publiziert wurde [16]. Bei den Augentumoren wurden bedeutsame Veränderungen bei den malignen Melanomen der Konjunktiva und Uvea sowie bei den Retinoblastomen und den Karzinomen der Tränendrüse eingeführt. Fazit für die Praxis Die ab 01.01.10 anzuwendende 7. Auflage der TNM-Klassifikation maligner Tumoren bringt eine ganze Reihe von neuen Klassifikationen und Modifikationen mit sich, deren Beachtung für eine einheitliche Anwendung der Klassifikation weltweit ebenso wichtig ist wie für eine exakte Dokumentation der anatomischen Ausbreitung maligner Tumoren Korrespondenzadresse Prof. Dr. C. Wittekind Institut für Pathologie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstraße 26, 04103 Leipzig [email protected] Interessenkonflikt. Keine Angaben. Literatur 1. American Joint Committee on Cancer (AJCC) (2009) Cancer staging manual 7th edn. 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