Zweiter Essay Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot (des großen „vergessenen“ Ökonomen) „Verkäufer schwächen einander nicht durch eine Preissenkung einfach des Spaßes willen. Jeder hätte nichts dagegen, dass alle anderen genauso teuer verkauften wie er selbst.“ (W. T. Thornton)〈a〉 Theorie von Cournot; ihr Hauptfehler. – Versuch der Aufstellung einer streng wissenschaftlichen Theorie der Preisbestimmung unter dem Einfluss unbegrenzter freier Konkurrenz. – Bedeutung der unbegrenzten freien Konkurrenz für die Volkswirtschaft als Ganzes: Unbegrenzte freie Konkurrenz und die chronische Überproduktion von Waren; unbegrenzte freie Konkurrenz und Krisen. Kapitel I Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot (Aug. Cournot „Recherches sur les principes mathématiques de la théorie des richesses“ 1838). „Die Wissenschaft befindet sich überhaupt nicht dort, wo sie von den nach 〈a〉 Thornton, W. T., On Labour: its wrongful claims and rightful dues, its actual present and possible future, London 1869, Book II, Ch. I, S. 61. Vgl. auch Erster Essay, Kap. V, Fn. 1. 88 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot populären ökonomischen Theorien Forschenden gesucht und gefunden wird. Die Wissenschaft existiert nicht unter den Sammlern von literarischem und faktischem Kram, den beredten Schwätzern, den Liebhabern von ausgeklügelten Begriffen und Definitionen, den gewandten Kritikern und Polemikern … sondern in einer vollkommen anderen, höheren Sphäre, in die nur selten einzelne helle Köpfe vordrangen, dafür den Lohn des Vergessens erhaltend.“ (L. Slonimskij „Die vergessenen Ökonomen Thünen und Cournot“)〈b〉 „Jedermann macht sich eine ungefähre Vorstellung von den Wirkungen des Wettbewerbs. Es wäre nun Aufgabe der Theorie gewesen, diese Vorstellung genauer zu fassen. Jedoch haben die Wirtschaftswissenschaftler keineswegs die allgemeinen Beobachtungen vervollkommnet, da sie nicht in der Lage waren, die Frage von dem richtigen Gesichtspunkt aus zu betrachten und Zeichen zu verwenden, deren Gebrauch unvermeidlich wird. Die Beobachtungen sind in ihren Arbeiten ebenso schlecht definiert und ebenso schlecht angewandt geblieben wie in der Umgangssprache.“ 〈Cournot, 1924, S. 68〉〈c〉 Als Ausgangspunkt der Wettbewerbstheorie von Cournot dient die Analyse „des Gesetzes der Nachfrage“ (loi de débit), dem das IV. Kapitel seiner Arbeit gewidmet wird. „Nehmen wir also an, daß der Absatz oder die jährliche Nachfrage D für jede Ware eine partielle Funktion F(p) des Preises p dieser Ware ist. Wäre die Form dieser Funktion bekannt, so hätte man das G e s e t z d e r 〈b〉 Slonimskij, L., Zabytye ėkonomisty Tjunen i Kurno, K charakteristike novejšej političeskoj ėkonomii 〈Die vergessenen Ökonomen Thünen und Cournot, Zur Charakteristik der neuesten politischen Ökonomie〉, in: Vestnik Evropy, tom V, kniga 9 (Sentjabr′-Oktjabr′), St. Peterburg 1878, S. 27. Vgl. auch Fußnote 〈d〉 im Kapitel I des Ersten Essays. 〈c〉 Alle Zitate Cournots in diesem Essay beziehen sich auf folgende deutsche Überset- zung: Cournot, A., Untersuchungen über die mathematischen Grundlagen der Theorie des Reichtums, Jena 1924. Dmitriev benutzte ausschließlich eine französische Ausgabe. Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 89 N a c h f r a g e oder des A b s a t z e s . Es hängt offenbar vom Grad der Nützlichkeit des Gegenstandes ab, von der Art der Dienste, die er leisten kann, dem Vergnügen, das er verschafft, den Gewohnheiten und Sitten jedes Volkes, dem durchschnittlichen Wohlstand und der Abstufung, in der der Reichtum verteilt ist.“ 〈Cournot, 1924, S. 38〉 〈Seite 6〉〈d〉 Angesichts dessen versucht Cournot weder selbst und hält generell jeden Versuch für unfruchtbar, einen algebraischen Ausdruck dieser Abhängigkeit anzugeben.1 „Da so viele moralische Ursachen das Gesetz der Nachfrage beeinflussen, die weder zählbar noch meßbar sind, so darf man von diesem Gesetz nicht 〈d〉 Im Original beginnt ab dem Zweiten Essay eine neue Seitennummerierung, die bis zum Ende der gesamten Arbeit fortgesetzt wird. Das liegt an der getrennten Veröffentlichung dieser Aufsätze (1902) im Vergleich zum Ersten Essay (1898). Alle Studien wurden in dem dieser Übersetzung zu Grunde liegenden Band 1904 unverändert nachgedruckt. 1 Wie es leichtsinnig die neuesten Vertreter der quasi-mathematischen Schule machen; vgl. z.B. die Arbeit von Effertz, O., Arbeit und Boden. Grundlinien einer Ponophysiokratie, 2. Aufl., Berlin 1890, Bd. I, Caput XI, § 62, S. 138 ff. 〈Dmitriev gab zu Effertz (interessanterweise Dr. med.) nur „I, S. 138 ff.“ an. Auf Grund der fehlenden Jahresangabe erschwerte dies den Quellennachweis ungemein, da Effertz’ „Arbeit und Boden“ in drei Ausgaben mit jeweils einem anderen Untertitel erschien. Des Weiteren ist sein Inhaltsverzeichnis sehr detailliert, so dass nicht klar war, ob mit „I“ die Auflage, der Band, der Teil oder das Kapitel gemeint ist. Deshalb unterscheiden sich auch die Quellenangaben in der englischen (S. 99, Fn. 1) und französischen (S. 98, Fn. 1) Ausgabe. Effertz’ Erstausgabe erschien 1889 unter dem Titel „Arbeit und Boden. Kritik der theoretischen politischen Oeconomik“ und ist in drei Teile gegliedert. Die S. 138 befindet sich im Teil II, Kap. X. Darin geht es um „Das unterscheidende Merkmal der verschiedenen Gesellschaftsformen“ und nicht um einen algebraischen Ausdruck für das Nachfragegesetz. Insofern ist die Angabe in der englischen Übersetzung inkorrekt. Die zweite veränderte Auflage erschien 1890 unter dem Titel „Arbeit und Boden. Grundlinien einer Ponophysiokratie“ und besteht aus drei Bänden. Die S. 138 befindet sich im Bd. I, Kap. XI („Beziehungen zwischen Productivität und Productenmenge“) und leitet den § 62 („Beziehung zwischen Werth und Quantität einer Gütermenge“) ein. In diesem Abschnitt wird eine Übertragung des Fechner’schen Gesetzes aus der Physiologie in die Ökonomie befürwortet, unter anderem als Ausdruck für das Nachfragegesetz (vgl. auch Effertz, O., op.cit., 1890, Bd. II, § 54 und § 56). Insofern schließen wir uns der Quellenangabe in der französischen Übersetzung an. Schließlich erschien diese zweite Auflage unverändert als Neudruck 1897 unter dem Titel „Arbeit und Boden. System der Politischen Oekonomie“ und hätte Dmitriev deshalb ebenso gut als Quelle dienen können.〉 90 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot erwarten, daß es durch eine algebraische Formel ausgedrückt werden kann, …“ 〈Cournot, 1924, S. 38〉 Er beschränkt sich deshalb nur auf die allgemeinste Analyse der Funktion F(p). Diese Funktion ist: 1) fallend, d.h., dass eine Erhöhung des Produktpreises in aller Regel zu einer Senkung seines Absatzes führt; 2) stetig bei einem genügend großen Markt (anders gesagt, bei einer genügend großen Anzahl von Konsumenten). „Wir nehmen an, daß die Funktion F(p) des Gesetzes der Nachfrage oder des Absatzes eine k o n t i n u i e r l i c h e Funktion ist, d.h. eine Funktion, die nicht plötzlich von einem zum anderen Wert springt, sondern im Interval stets die zwischenliegenden Werte einnimmt. Es könnte anders sein, wenn die Zahl der Verbraucher sehr beschränkt wäre. In einer solchen Wirtschaft könnte genau dieselbe Menge Brennholz verbraucht werden, ob das Holz 10 oder 15 Franken das Ster kostet, und man wird plötzlich den Verbrauch einer erheblichen Menge einstellen, wenn der Preis des Sters letztere Summe überschreitet. Je größer aber der Markt2 ist, je verschiedenartiger die Bedürfnisse, das Vermögen, selbst die Launen unter den Verbrauchern sind, desto stetiger wird sich die Funktion F(p) mit p verändern.“ 〈Cournot, 1924, S. 40 f.〉 Das erste Merkmal, welches die Funktion F(p) charakterisiert, wird algebraisch, wie bekannt, dadurch ausgedrückt, dass die erste Ableitung oder der dF ( p ) Differentialkoeffizient F ′( p ) = dem Wesen nach eine negative Größe dp ist. Nachdem er eine allgemeine Charakteristik von F(p) gab, geht Cournot weiter zur Analyse von Φ(p) = F(p) ⋅ p, anders gesagt, zur Analyse der Abhängigkeit zwischen dem Bruttoerlös und dem Marktpreis des Produktes über. 〈Seite 7〉 2 „Man weiß“, bemerkt Cournot, „daß die Wirtschaftler unter M a r k t nicht einen bestimmten Ort, an dem sich Käufe und Verkäufe abspielen, verstehen, sondern ein ganzes Gebiet, dessen Teile durch die Nachrichten des freien Handels verbunden sind, dergestalt daß die Preise sich mit Leichtigkeit und Raschheit ausgleichen.“ 〈Cournot, 1924, S. 42, Fn. 1.〉 Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 91 „Da die Funktion F(p) stetig ist, so ist es die Funktion pF( p) auch, die den Gesamtwert der jährlich verkauften Menge ausdrückt. Diese Funktion würde Null, wenn p Null wäre, da der Verbrauch einer Ware immer begrenzt ist, selbst unter der Voraussetzung absoluter Kostenlosigkeit, oder anders ausgedrückt, man kann immer in Gedanken der Zahl p einen so kleinen Wert beilegen, daß das Produkt pF(p) offenbar Null wird. Die Funktion pF(p) erstreckt sich auch noch auf das Gebiet, wo p unendlich groß wird, oder anders ausgedrückt, man kann immer der Zahl p einen so großen Wert beilegen, daß die Ware zu diesem Preis nicht mehr verlangt und produziert wird. Da also die Funktion pF(p) zuerst mit p wächst, dann wieder abnimmt so gibt es einen Wert p, der sie zu einem Maximum macht, und der gegeben ist durch die Gleichung 1) F ( p ) + pF ′( p ) = 0 〈1〉 indem F′ entsprechend der L a g r a n g e’schen Bezeichnung den Differenzialquotient der Funktion F bezeichnet.“ 〈Cournot, 1924, S. 43〉 Der Ausdruck des Bruttoerlöses F(p) · p kann auch als D · f(D) dargestellt werden〈e〉, wo D die verkaufte Menge und f(D) den als Funktion der verkauften Menge ausgedrückten Preis bezeichnet; somit können wir den Bruttoerlös als eine gewisse Funktion der verkauften Menge D betrachten; nachdem wir den Bruttoerlös mit y bezeichnet haben, erhalten wir: y = D · f ( D) = Ψ(D). Es ist nicht schwer festzustellen, dass die Funktion Ψ(D) über dieselben Haupteigenschaften wie auch F(p) verfügt: Bei D = 0 ist Ψ(D) auch gleich Null; wenn D steigt, so wird Ψ(D) zuerst auch steigen, bis sie bei irgendeiner Größe Dm ihr Maximum erreicht hat, und dann beginnt sie zu sinken, bis sie bei irgendeiner endlichen Größe D wieder gleich Null wird. In Wirklichkeit wird sich bei einer Änderung von D von Null bis D0 der Preis p von der Höhe p0, bei der man das Produkt generell aufhört nachzufragen, bis Null verändern, und deshalb wird sich Ψ(D) auch völlig ändern, genau wie F(p), wenn sich p von Null bis zu der Höhe ändert, bei welcher F(p) Null wird, nur in umgekehrter Reihenfolge. Wenn wir verschiedene Größen von D als Abszissen und die entsprechenden Größen von Ψ(D) als Ordinaten bezeichnen, erhalten wir eine für uns schon aus der vorhergehenden Darlegung bekannte „Nachfragekurve“ 0CD (siehe oben Erster Essay „Die Werttheorie von D. Ricardo“, Fig. 1 〈e〉 Im Folgenden wechselt Dmitriev des Öfteren die Notation. 92 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot 〈Abb. 1.2, nun 2.1〉), die wir bei der Analyse der Monopolpreise benutzt haben.3 〈Seite 8〉 Nachdem er die Analyse des „Nachfragegesetzes“ beendet hat, geht Cournot im folgenden Kapitel zur Analyse der Monopolpreise über, und danach wechselt er bereits von diesem Spezialfall der Bestimmung des Marktpreises zur Erläuterung des Entstehens der Preise auf dem für die freie Konkurrenz der Unternehmer offenen Markt. y C N D 0 Abb. 2.1 Das Wesen der Wettbewerbstheorie Cournots kann man am besten mit Hilfe von Beispieltabellen klarstellen, die ähnlich denen sind, welche von Thünen in seinen Arbeiten benutzte. Wir beginnen mit der Klärung des Entstehens von Preisen unter Monopolherrschaft. Wir nehmen, wie wir das schon früher getan haben, als unabhängige Veränderliche x das gesamte Warenangebot auf dem Markt an; dann bezeichnen wir den gesamten Bruttoerlös mit y, somit erhalten wir y = F(x). F(x) muss, wie wir sahen, über folgende Haupteigenschaften verfügen: Bei x = 0 wird F(x) = 0, bei einer gewissen endlichen Größe der Veränderlichen muss F(x) wieder Null werden; zwischen diesen beiden Grenzen muss F(x) zuerst zunehmen, solange bis sie bei einer gewissen Größe der Veränderlichen ihren höchstmöglichen Wert erreicht, und danach fängt sie an abzunehmen, bis sie wieder Null wird; demzufolge darf F(x) nur ein Maximum und kein einziges Minimum haben. Angenommen, y = F(x) = ax – bx2, so ist es nicht schwer zu sehen, dass diese von uns angenommene 3 Wir nennen diese Kurve laut Terminologie von Auspitz und Lieben die „Nachfrage- kurve“, aber richtiger wäre, sie als „Kurve des Bruttoerlöses“ zu bezeichnen. 〈Vgl. Auspitz, R. / Lieben, R., Untersuchungen über die Theorie des Preises, Leipzig 1889, S. 16.〉 Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 93 spezielle Form der Abhängigkeit zwischen y und x völlig den oben erwähnten Forderungen genügt: Bei x = 0 wird (ax – bx2) auch 0; bei x = a erreicht die 2b a Funktion (ax – bx2) ihren größtmöglichen Wert; bei x = wird die Funktion b 2 (ax – bx ) wieder Null. Wenn wir beachten, dass y = F(x) = f(x)x, wobei f(x) den dem Angebot x entsprechenden Preis bezeichnet, erhalten wir: p = f ( x) = F ( x ) ax − bx 2 = = a − bx x x 〈2〉 Es ist nicht schwer zu sehen, dass bei Vergrößerung der Veränderlichen die Funktion (a – bx) kleiner wird, wie es laut der Haupteigenschaften von f(x) auch sein muss. Um zu zahlenmäßigen Größen überzugehen, nehmen wir jetzt an a = 1000, b = 10. Dann erhalten wir folgende Zahlenreihe:〈f〉 〈Seite 9〉 D = F(p) = Absatz = tatsächliches Angebot = x 0 10 20 30 40 45 50 60 70 80 90 100 D⋅p = Ψ(D) = Bruttoerlös 2 = 1000 x – 10 x 0 9000 16000 21000 24000 24750 25000 24000 21000 16000 9000 0 p = f (D) = Preis einer Produkteinheit = 1000 – 10 x – 900 800 700 600 550 500 400 300 200 100 0 〈f〉 Die im russischen Original vorhandene Tabelle wurde von uns der Übersichtlichkeit wegen in zwei Teile aufgespalten. 94 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot D⋅u = ϕ (D) = notwendige Produktionskosten für D Einheiten = 100 x 0 1000 2000 3000 4000 4500 5000 6000 7000 8000 9000 10000 D⋅p – D⋅u = Nettoerlös aus dem Verkauf von D Einheiten 2 = 1000 x – 10 x – 100 x 2 = 900 x – 10 x 0 8000 14000 18000 20000 20250 20000 18000 14000 8000 0 – 10000 (Verlust) Wir nehmen zuerst an, dass die Produktionskosten gleich Null sind〈g〉; dann wird der Absatz von 50 Einheiten für einen Monopolunternehmer am einträglichsten sein, weil er bei dieser Absatzgröße die höchste Profitsumme erhält; lass ihn tatsächlich sein Angebot um eine Einheit reduzieren, dann wird sein Erlös gleich 24990 sein, d.h. wird ein kleinerer als der dem Angebot von 50 Einheiten entsprechender Erlös; wenn er dagegen sein Angebot wenigstens um eine Einheit erhöhen würde, so wäre sein Erlös genauso auf 24990 gesunken, und das Eigeninteresse zwänge ihn, zu seinem früheren Angebotsumfang zurückzukehren. Möge sich nun das Angebot in den Händen von zwei einzelnen Unternehmern befinden; zur Vereinfachung nehmen wir an (wie dies auch Cournot macht), dass das Angebot gleichmäßig zwischen ihnen verteilt ist. Es ist klar, dass im Falle zweier isolierter Unternehmer ein Gleichgewicht nur dann existieren kann, wenn der existierende Gesamtumfang des Angebotes gleichzeitig am vorteilhaftesten für jeden Einzelnen von ihnen ist. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass der Angebotsumfang von 50, für den sich der Monopolunternehmer entscheiden wird, dieser Bedingung nicht 〈g〉 Dies betrifft die drei Spalten der oberen Tabelle. Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 95 genügt. Tatsächlich wird das Angebot jedes einzelnen Unternehmers in diesem Fall gleich 25 Einheiten und der Erlös gleich 12500 Einheiten sein. Lass einen von ihnen sein 〈Seite 10〉 Angebot von 25 auf 26 Einheiten erhöhen, dann wird sich sein Erlös von 12500 auf 127404 verändern, d.h. dass er sich um 240 Einheiten vergrößern wird. Wirklich wird er diesen Erlösüberschuss nur bis zu dem Zeitpunkt erhalten, bis zu dem das Angebot des zweiten Unternehmers unverändert bleibt. Weil wir aber, übereinstimmend mit Cournot, überall annehmen, Angebot gleich Produktion, kann der zweite Konkurrent seinerseits sein Angebot nur mit Hilfe einer entsprechenden Produktionserweiterung ausdehnen, und das erfordert immer einen beträchtlichen Zeitraum, in dessen Verlauf Unternehmer 1 den Erlösüberschuss von 240 Einheiten genießen wird (Cournot bezeichnet diesen Erlösüberschuss mit dem Terminus bénéfice momentané). Eine ähnliche Rechnung für die Gesamtangebotshöhen von 51, 52, 53, …, 65 Einheiten durchführend, werden wir erkennen, dass bei nicht einem einzigen dieser Niveaus ein Gleichgewicht zustande kommen kann, weil es für den einzelnen Unternehmer stets vorteilhaft sein wird, das Gleichgewicht mittels einer Ausweitung seines eigenen Angebots zu verletzen. Bei einem Gesamtangebot von 66 Einheiten wird das Angebot jedes der konkurrierenden Unternehmer 33 Einheiten betragen; der Erlös ist 11220 Einheiten. Möge einer von ihnen, wie vorhin auf der Jagd nach dem augenblicklichen Vorteil (bénéfice momentané), sein individuelles Angebot von 33 auf 34 Einheiten erhöhen, dann wird sich sein Erlös zu 11220 Einheiten ergeben, d.h. er wird unverändert bleiben. Auf diese Weise erkennen wir, dass bei einem Gesamtangebot von 66 Einheiten es für keinen der konkurrierenden Unternehmer zwischen denen dieses Angebot verteilt ist, vorteilhafter sein wird, sein eigenes Angebot zu erweitern. Aber wenn wir annehmen, dass die insgesamt hergestellte Menge nicht zwischen zwei, sondern zwischen einer größeren Anzahl von selbständigen Unternehmern, z.B. zwischen drei, verteilt wird, dann werden wir sehen, dass es bei einem Gesamtangebot von 66 Einheiten für jeden von ihnen vorteilhaf- 4 Das Gesamtangebot wird dabei von 50 Einheiten auf 51 Einheiten steigen, folglich fällt der Preis von 500 auf 490. Der individuelle Erlös des Unternehmers, der sein Angebot ausgedehnt hat, wird demzufolge gleich 490 ⋅ 26 = 12740. 96 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot ter wird, das Gleichgewicht zu verletzen, indem sie ihr eigenes Angebot ausweiten. Tatsächlich wird bei einem Gesamtangebot von 66 Einheiten das Angebot jedes einzelnen Konkurrenten gleich 22 Einheiten, der Erlös eines jeden gleich 7480. Möge, wie wir früher angenommen haben, einer von ihnen sein Angebot von 22 auf 23 Einheiten erhöhen, dann wird sich sein Erlös von 7480 auf 7590 Einheiten verändern, d.h. um 110 Einheiten steigen. Auf diese Weise kann bei der Annahme, dass das Gesamtangebot zwischen drei selbständigen Unternehmern verteilt ist, 〈Seite 11〉 bei einem Gesamtangebot von 66 Einheiten kein Gleichgewicht zustande kommen (wie das bei der Annahme zweier Konkurrenten der Fall war) – es stellt sich in diesem Fall nur bei einem Gesamtangebot von 75 Einheiten ein, weil bei diesem Angebotsumfang es für keinen der drei isolierten Unternehmer vorteilhaft sein wird, sein eigenes Angebot, einen „augenblicklichen Vorteil“5 in Betracht ziehend (d.h. eine Erhöhung seines eigenen Erlöses in der Zeit, solange keine Reaktion von Seiten der restlichen Unternehmer durch eine entsprechende Vergrößerung ihrer eigenen Mengen erfolgt), auszuweiten. Wir erhalten völlig gleiche Ergebnisse, wenn wir die Produktionskosten in unsere Rechnung einführen〈h〉 (angenommen in unserer Musterrechnung gleich 100): In diesem Fall (wie jeder leicht aus den Tabellen mit Hilfe der von uns angewandten Methoden entnehmen kann) würde ein Monopolunternehmer sein Angebot auf einem niedrigerem Niveau als das von zwei konkurrierenden Unternehmern6 festlegen; zwei Konkurrenten ein niedrigeres als das von drei Unternehmern usw.; da aber jedem größeren Angebot immer ein niedrigerer Preis entspricht, wird folglich der Monopolpreis immer größer 5 Tatsächlich wird bei einem Gesamtangebot von 75 Einheiten das Angebot jedes einzelnen der drei Konkurrenten 25 Einheiten, der Erlös eines jeden gleich 25 ⋅ 250 = 6250; lass irgendeinen von ihnen sein Angebot von 25 auf 26 Einheiten erhöhen, dann wird das Gesamtangebot auf 76 Einheiten anwachsen, der Preis wird gleich 1000 – 10 ⋅ 76 = 240, der entsprechende Erlös daraus, des sein Angebot erweiternden Unternehmers, wird gleich 240 ⋅ 26 = 6240, d.h. er wird kleiner als der Erlös, den er vor der Verletzung des Gleichgewichts bekam. 〈h〉 Nun werden die beiden Spalten der unteren Tabelle hinzugenommen. 6 Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass das Angebot von 45 Einheiten der vorteilhafteste Angebotsumfang für einen Monopolisten sein wird, ihm die höchste Summe reinen Profits liefernd. Der diesem Absatzumfang entsprechende Preis, wie die entsprechende Tabellenspalte zeigt, wird 550. Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 97 sein als der durch den Einfluss der Konkurrenz zwei isolierter Unternehmer entstehende; das Niveau auf das zwei Konkurrenten ihren Preis senken werden, wird höher als jenes Niveau sein, auf das ihn drei Konkurrenten sinken lassen usw. Diese Musteranalyse zeigt uns, dass, je höher die Anzahl der auf dem Markt konkurrierenden Personen ist, um so niedriger wird das Preisniveau, bei dem ein Gleichgewicht zustande kommt. Und in jedem Fall wird der Gleichgewichtspreis, wie auch immer die Anzahl der Konkurrenten sein mag, stets niedriger sein als der Monopolpreis, welcher von einem Monopolbesitzer des betreffenden Marktes festgelegt würde. Weil wir diese Schlussfolgerungen auf Grund einer willkürlich festgesetzten (obwohl alle realen Forderungen erfüllenden) Abhängigkeit zwischen Absatz und Bruttoerlös zogen, kann man annehmen, dass sie ein zufälliges Resultat gerade der gegebenen Form der Abhängigkeit darstellen. 〈Seite 12〉 Cournot liefert uns im Kapitel VII〈i〉 seiner Arbeit den Beweis eben jener Annahmen auf rein abstraktem Wege, der die Möglichkeit eines solchen Vorwurfes ausschließt. Zu dieser abstrakten Analyse der Wettbewerbstätigkeit gehen wir jetzt über, dabei die wesentlichsten Punkte Cournots in extenso zitierend (weil sich die bis zur letzten Stufe komprimierte Darstellung Cournots nicht verkürzt wiedergeben lässt). „Jetzt nehmen wir zwei Besitzer und zwei Quellen an, deren Eigenschaften gleich sind und die infolge der Ähnlichkeit ihrer Lage denselben Wettbewerbsmarkt beliefern. Demgemäß ist der Preis für den einen wie den anderen Besitzer der gleiche. Es sei p dieser Preis, D = F(p) der Gesamtertrag, D1 der Ertrag der Quelle (1), D2 der Ertrag der Quelle (2), so dass D1 + D2 = D ist. Bei vorläufiger Vernachlässigung der Ausbeutungskosten werden die Einkünfte der Eigentümer jeweils p ⋅ D1 und p ⋅ D2 sein und j e d e r f ü r s i c h wird dieses Einkommen zum größtmöglichen Wert zu bringen versuchen. Wir sagen, j e d e r f ü r s i c h , und diese Beschränkung ist, wie man sehen wird, sehr wesentlich; denn wenn sie sich, um das größte Einkommen zu erzielen, verständigen würden, so würde das Ergebnis ganz anders; es würde sich für die Verbraucher mit dem bei der Behandlung des Monopols erhaltenen decken. 〈i〉 Im russischen Original steht hier VI. 98 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot Anstatt wie vorhin D = F(p) zu schreiben, ist es für uns zweckmäßig, hier die umgekehrte Schreibweise zu verwenden: p = F(D)〈j〉; alsdann werden die Vergütungen an die Eigentümer (1) und (2) entsprechend ausgedrückt durch D1 f ( D1 + D2 ) und D2 f ( D1 + D2 ), 〈3〉 d.h. durch Funktionen, in denen jeweils zwei veränderliche D1 und D2 vorkommen. Der Eigentümer (1) kann die Festsetzung von D2 nicht direkt beeinflussen, er kann nach der Festsetzung des Wertes D2 durch den Eigentümer (2) lediglich den Wert D1 so wählen, daß er ihm am zuträglichsten ist. Das wird er durch entsprechende Preisänderung bewerkstelligen können, wenn nicht der Eigentümer (2), der sich gezwungen sieht, diesen Preis und diesen Wert von D1 seinerseits anzunehmen, einen neuen Wert von D2 festsetzt, der wieder seinen Interessen günstiger ist als der vorige. Analytisch heißt das soviel, daß D1 bestimmt ist, als Funktion von D2 durch die Gleichung 〈Seite 13〉 d [ D1 f (⋅D1 + D2 )] = 0, 〈k〉 dD1 〈4〉 und daß D2 als Funktion von D1 bestimmt ist durch die analoge Gleichung d [ D2 f ( D1 + D2 )] = 0, dD2 〈5〉 woraus folgt, dass die endgültigen Werte D1 und D2 und folglich D und p bestimmt werden durch das Gleichungssystem 1) f ( D1 + D2 ) + D1 f ′( D1 + D2 ) = 0. 〈6〉 2) f ( D1 + D2 ) + D2 f ′( D1 + D2 ) = 0. 〈7〉 Setzen wir voraus, daß die Kurve m1n1 (Abbildung 2) 〈Abb. 2.2〉 die Linie der Gleichung (1) 〈6〉, und die Kurve m2n2 die Linie der Gleichung (2) 〈7〉 sei, wobei die veränderlichen D1, D2 dargestellt sind durch rechtwinklige Koordinaten. Wenn der Eigentümer (1) für D1 einen durch 0x1 dargestellten Wert annehmen würde, so würde der Eigentümer (2) den Wert 0y1 für D2 annehmen, der ihm für den angenommenen Wert D1 den größten Gewinn bringt. Aber dann wird der Produzent (1) nach derselben Überlegung für D1 〈j〉 Nun springt auch Cournot in der Notation. 〈k〉 Druckfehler (Punkt) auf S. 69 der Ausgabe von 1924. Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 99 den Wert 0x2 annehmen, der den Gewinn zum M a x i m u m macht, wenn D den Wert 0y1 annimmt. Das würde den Eigentümer (2) veranlassen, auf den Wert 0y2 zurückzugehen, und sofort. Hieraus ersieht man, daß sich das Gleichgewicht nur einstellen kann, wenn die Koordinaten 0x, 0y am Schnittpunkt i die Werte D1 und D2 darstellen. Wird dieselbe Konstruktion an der Abbildung auf der anderen Seite von Punkt i wiederholt, so führt das zu symmetrischen Ergebnissen. D2 m1 m2 y y" y i y" y' 0 x' n1 x' x x "' x " x" x"' n2 D1 Abb. 2.2 Die Gleichgewichtslage, die dem System der Werte 0x und 0y entspricht, ist also s t a b i l, d.h., wenn sich der eine oder andere der Produzenten, verführt durch seinen eigenen Vorteil, zeitweise davon entfernt, so wird er zurückgeführt durch die Folge von Gegenwirkungen, deren Schwingungsweite sich ständig verringert, wie sich aus der stufenförmigen Form der zugehörigen in der Zeichnung punktierten Linien ersehen läßt. Die obige Konstruktion setzt voraus, das 0m1 > 0m2 und 0n1 < 0n2 ist; die Ergebnisse wären gerade umgekehrt, wenn diese Ungleichungen ihre Vorzeichen wechselten, und wenn die Kurven m1n1 und m2n2 die Lage wie in Abbildung 3 〈Abb. 2.3〉 einnehmen würden. Die Koordinaten des Punktes i, in dem sich die beiden Kurven schneiden, würden dann aufhören, einem stabilen Gleichgewichtszustand zu entsprechen. 100 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot D2 m2 m1 0 i n2 n1 D1 Abb. 2.3 〈Seite 14〉 Man kann sich jedoch leicht davon überzeugen, daß eine solche Anordnung der Kurven unzulässig ist. Wenn nämlich D1 = 0 wäre, so würden die Gleichungen (1) 〈6〉 und (2) 〈7〉 sich vereinfachen, und zwar die erste auf f ( D2 ) = 0, 〈8〉 die zweite auf f ( D2 ) + D2 f ′( D2 ) = 0. 〈9〉 Der Wert von D2, aus der ersteren abgeleitet, würde einem Wert p = 0 entsprechen, der Wert von D2 aus der zweiten Gleichung entspricht einem zweiten Wert von p, der das Produkt p ⋅ D2 zum Maximum macht. Die erste Wurzel ist also notwendigerweise größer als die zweite, oder 0m1 > 0m2, und nach derselben Überlegung ist 0n2 > 0n1. Man leitet aus den Gleichungen (1) 〈6〉 und (2) 〈7〉 zunächst ab, daß D1 = D2 sei (was zutrifft, insofern gleiche Beschaffenheit und gleiche Lage der Quellen vorausgesetzt wird). Sodann erhält man durch Addition die Gleichung 2 f ( D) + Df ′( D) = 0, 〈10〉 die sich umformen läßt in 3) D+2p dD = 0. dp 〈11〉 Für den Fall, daß beide Quellen in derselben Hand vereinigt wären, oder die beiden Produzenten sich v e r e i n b a r t hätten, so wäre der Wert p durch die Gleichung Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 4) D+ p 101 dD =0 dp 〈12〉 bestimmt, er hätte das Totaleinkommen D p zum M a x i m u m gebracht und folglich jedem der Produzenten ein größeres Einkommen zugewiesen, als das ist, was sie mit dem aus Gleichung (3) 〈11〉 abgeleiteten Wert p erlangen würden. Wie kommt es nun, daß die Produzenten sich nicht verständigen und nicht, wie im Fall des Monopols oder der Gesellschaftsbildung, bei dem aus Gleichung (4) 〈12〉 errechneten Wert p Halt machen, der ihnen tatsächlich den größten Gewinn bringt? Der Grund hiervon ist der, daß, wenn der Produzent (1) seine Produktion auf den Betrag eingestellt hat, der sich aus der Gleichung (4) 〈12〉 und aus der Bedingung D1 = D2 ergibt, der Produzent (2) mit einem a u g e n b l i c k l i c h e n G e w i n n seine eigene Produktion auf einen höheren oder geringeren Betrag bringen kann. In Wirklichkeit wird er bald wegen seiner Unachtsamkeit bestraft, und zwar dadurch, daß er den Produzenten (1) zwingt, sich auf eine neue Produktionsgröße einzustellen, die auf den Produzenten (2) selbst ungünstig wirkt. 〈Seite 15〉 Aber weit entfernt davon, die beiden Produzenten dem ursprünglichen Bedingungszustand wieder zu nähern, werden diese schrittweisen Wirkungen sie weiter und weiter von ihm entfernen, mit anderen Worten: dieser Zustand wird kein Gleichgewichtszustand sein, und wenn er auch für beide Produzenten der günstigste ist, so wird er nur in formaler Hinsicht in Geltung bleiben können, weil man in der sittlichen Welt Menschen frei, von Irrtum und Unbedacht, nicht mehr als in der physischen Natur vollkommene Flüssigkeiten, vollkommene Widerstände usf. voraussetzen kann. Die Wurzel der Gleichung (3) 〈11〉 ist graphisch bestimmt durch den Schnitt der Geraden y = 2x〈l〉 und der Kurve y = − F ( x) F ′( x ) ; während die Wurzel der Gleichung (4) 〈12〉 graphisch bestimmt ist durch den Schnitt derselben Kurve mit der Geraden y = x. Aber es genügt, wenn man allen reellen und positiven Werten von x einen reellen positiven Wert der Funktion y = − F ( x) F ′( x ) zuweisen kann, damit die Abscisse x des ersten Schnitt- punktes kleiner ist als die des zweiten, wie die einfache Konstruktion der Abbildung 4 〈Abb. 2.4〉 genügend klar zeigt. Man kann sich auch leicht aus der Natur des Gesetzes der Nachfrage überzeugen, daß die Voraussetzung für dieses Ergebnis immer verwirklicht ist. Folglich ist die Wurzel der Gleichung (3) 〈11〉 immer kleiner als die der Gleichung (4) 〈12〉, oder (wo〈l〉 Beachte: Cournot schreibt statt „p“ hier verwirrenderweise „x“. 102 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot von man wohl auch ohne jede Analyse überzeugt ist): die Folge des Wettbewerbs ist Preissenkung. y x 0 Abb. 2.4 Wenn 3, 4, . . . . . n Produzenten unter sonst gleichen Umständen im Wettbewerb stehen, so wird die Gleichung (3) 〈11〉 nacheinander durch folgende ersetzt: D + 3p dD dD dD = 0; D + 4 p = 0; K; D + np = 0, dp dp dp 〈13〉 und der Wert p1, der sich hieraus ergibt, wird bei unendlicher Zunahme der Zahl n unendlich klein.“ 〈Cournot, 1924, S. 68-73, Sperrungen im Original〉 Bevor wir zur weiteren Beschreibung übergehen, wollen wir sehen, ob das Streben einzelner Unternehmer nach „dem augenblicklichen Vorteil“, unter dessen Einfluss sich eine Preissenkung auf dem „Pleistopol“markt〈m〉 vollzieht, tatsächlich, wie das Cournot annimmt, ein Ergebnis von Fehlern in der Wirtschaftsrechnung ist, 〈Seite 16〉 oder ob diese Wirkung freien Wettbewerbs auch in jenem Fall erhalten bleibt, wenn alle Unternehmer völlig frei von solchen Fehlern wären. Für jeden einzelnen Unternehmer würde eine Zurückhaltung nur in jenem Fall mit einer richtig verstandenen Wirtschaftsrechnung übereinstimmen, in dem er auch von einer solchen Zurückhaltung seitens der anderen Unterneh〈m〉 Russisch: „plejstopol′nyj“ rynok. Diese von Dmitriev verwendete Bezeichnung ist eine Zusammensetzung der griechischen Vokabeln „pleisto“ (die meisten) und „polein“ (verkaufen). Offenbar bezieht er sich hier auf einen Markt, auf dem eine Vielzahl von Unternehmen agiert. Allerdings haben diese noch einen Einfluss auf den Preis, so dass es sich nicht um die von Dmitriev weiter unten angesprochene „unbegrenzte freie Konkurrenz“ handelt. Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 103 mer überzeugt sein könnte. Aber eine solche Gewissheit kann keineswegs aus dem Umstand abgeleitet werden, dass auch alle übrigen Unternehmer sich in ihrer Tätigkeit von einer richtig verstandenen Wirtschaftsrechnung leiten lassen. In der Tat würde für jeden der restlichen Unternehmer seinerseits Zurückhaltung nur dann am besten der richtigen Wirtschaftsrechnung entsprechen, wenn er sich der Zurückhaltung der anderen sicher sein könnte. Wenn wir die Wahrscheinlichkeiten der Zurückhaltung der Unternehmer 1, 2, 3, …, welche sich in ihren Handlungen von einer richtig verstandenen Wirtschaftsrechnung leiten lassen, mit p1, p2, p3, … bezeichnen, so erhalten wir eine Reihe von bedingten Gleichheiten: 1) p1 = 1, wenn p2 = 1; p3 = 1; …; P7-1 = p2·p3·p4 … = 1 2) p2 = 1, wenn p1 = 1; p3 = 1; …; P-2 = p1·p3·p4 … = 1 M 〈14〉 Damit p1 = 1, p2 = 1, … gilt, ist es unzureichend, dass die entsprechenden bedingten Gleichheiten im Allgemeinen existieren können, sondern es ist auch notwendig, dass sie bereits existieren (weil die Zurückhaltung des ersten, zweiten … Unternehmers das Ergebnis eines psychischen Prozesses ist, in dem die durch unsere bedingten Gleichheiten beschriebenen Fakten die Voraussetzungen darstellen, auf deren Grundlage ein Schluss gezogen wird). Wir nehmen irgendeinen willkürlichen Zeitpunkt als Ausgangszeitpunkt an; der Moment, bei dem die Gleichheit p1 = 1 zu gelten beginnt (d.h. anfängt, der Wirklichkeit zu entsprechen), unterscheide sich von dem als Ausgangszeitpunkt angenommenen durch den Zeitabschnitt t1; die Momente, in denen die bedingten Gleichheiten p2 = 1, p3 = 1, … Wirkung erhalten, durch die Zeitabschnitte t2, t3, t4, … Dann muss gelten t1 > t2, t1 > t3, t1 > t4, … In gleicher Weise die zweite Gleichheit beurteilend (p2 = 1), erhalten wir aber t2 > t1, t2 > t3, … Jedoch die Ausdrücke t1 > t2 und t2 > t1 schließen einander gegenseitig aus, 〈Seite 17〉 demzufolge führt die Annahme, dass die Aussage p1 = 1 gelte, zur Absurdität. Dasselbe gilt auch bezüglich eines beliebigen der Ausdrücke p2 = 1, p3 = 1, … (wenn die Produzenten 1, 2, 3, … nicht 7 Unter P , P , … verstehen wir die Wahrscheinlichkeit, dass alle Hersteller außer der -1 -2 erste, zweite … zurückhaltend sein werden. 104 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot voneinander isoliert, sondern nach einer gemeinsamen Absprache gehandelt hätten, so hätten wir vom Moment der Absprache an t1 = t2 = t3 = t4 = … gezählt ab irgendeinem willkürlich ausgewählten Moment). Wenn wir jetzt von dem einfachsten Fall, wo die Produktionskosten gleich Null angenommen wurden, zu dem Fall, wo sie größer als Null sind, übergehen, dann wird das vorherige Formelsystem (siehe Seite 13 〈S. 98〉) aussehen: (6) f ( D ) + D1 f ′( D ) − ϕ1′ ( D1 ) = 0 M 〈15〉 wobei ϕ1(D1), ϕ2(D2), … die Produktionskosten des ersten, zweiten, … Unternehmers als Funktion der von ihnen hergestellten Menge ausdrücken. Für den Fall, wenn die Produktionskosten der hergestellten Menge proportional und dabei für alle Produzenten gleich sind, können ϕ1(D1), ϕ2(D2), … mit D1u, D2u, … bezeichnet werden, wobei u die Produktionskosten einer Produkteinheit darstellen, welche gleich für alle Unternehmer sind. Somit sieht das Gleichungssystem (6) 〈15〉 für den Fall, wenn bei der Produktion eines gegebenen Produktes die Rente fehlt, aus: (6a) f ( D ) + D1 f ′( D ) − u = 0 M 〈16〉 Die Gleichungen des Systems (6) 〈15〉 summierend, erhalten wir: nf ( D ) + Df ′( D ) − ∑ ϕ n′ ( Dn ) = 0 〈17〉 dD [np − ∑ ϕ n′ ( Dn )] = 0 dp 〈18〉 oder (7) D+ Wenn wir diese Gleichung mit der Gleichung vergleichen: (8) D+ [ dD p − ϕ ′ ( D) ] = 0 dp 〈19〉 welche den Preis für den Monopolfall bestimmt, so wird es nicht schwer sein, mit Hilfe einer, der vorherigen ähnlichen Analyse zu zeigen, dass die Größe Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 105 p, die aus der Gleichung (7) 〈18〉 bestimmt wird, immer kleiner als p aus der Gleichung (8) 〈19〉 sein wird (siehe Cournot, Kapitel VIII). Wenn wir auf ähnliche Weise das Gleichungssystem (6a) 〈16〉 summieren, erhalten wir: 〈Seite 18〉 nf ( D) + Df ′( D) − nu = 0 〈20〉 dD n( p − u) = 0 dp 〈21〉 oder (7a) D+ Die Wurzel dieser Gleichung wird gleich der Abszisse sein, die dem Schnittpunkt der Kurve y=− F ( x) F ′( x) 〈22〉 mit der Geraden y = n( x − u) 〈n〉 〈23〉 entspricht; während die Wurzel der Gleichung (8a) D+ dD ( p − u) = 0 dp 〈24〉 welche den Monopolpreis des Produktes (unter der Bedingung, dass die Rente fehlt) bestimmt, gleich der Abszisse sein wird, die dem Schnittpunkt derselben Kurve y=− F ( x) F ′( x) 〈22〉 mit der Geraden y = ( x − u) 〈25〉 entspricht. Anhand der Konstruktion, ähnlich der von Cournot im Kapitel VII § 44 (siehe Zeichnung Nr. 3) 〈Abb. 2.4〉 verwendeten, ist es nicht schwer zu 〈n〉 Beachte: Dmitriev schreibt hier, wie Cournot weiter vorn, „x“ statt „p“. 106 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot zeigen, dass die Wurzel der Gleichung (7a) 〈21〉 immer kleiner als die der Gleichung (8a) 〈24〉 sein wird. Im Kapitel VIII geht Cournot zum wichtigsten Punkt der Wettbewerbstheorie über, zur Analyse der Bildung von Marktpreisen unter dem Einfluss der unbegrenzten freien Konkurrenz. „Die Wirkungen des Wettbewerbs haben ihre Grenze erreicht, wenn die einzelnen Produktionsteile Dk nicht nur hinsichtlich der Gesamterzeugung D = F(p), sondern auch mit bezug auf die abgeleitete Größe F′(p) ohne m e r k l i c h e n Einfluß sind, derart, daß die Einzelerzeugung Dk von D weggenommen werden könnte, ohne daß eine fühlbare Änderung im Warenpreis eintreten würde. Diese Voraussetzung trifft in der Sozialwirtschaft für eine Menge Produktionszweige, und zwar für die wichtigsten zu. Sie bringt eine wesentliche Vereinfachung der Rechnung, und ihre Wirkungen sollen gerade in diesem Kapitel entwickelt werden. Nach der Voraussetzung kann man also in der Gleichung Dk + [ p − ϕ k′ ( Dk )] dD =0 dp 〈26〉 den Ausdruck Dk ohne merklichen Fehler vernachlässigen, so daß man erhält p − ϕ k′ ( Dk ) = 0. “ 〈27〉 〈Cournot, 1924, S. 78〉 〈Seite 19〉 Den Ausdruck würden wir auch direkt erhalten, wenn wir annehmen, dass in der Formel des Reinerlöses eines Unternehmers k Dk p − ϕ k ( Dk ) 〈27a〉 die Größe p von der Größe Dk unabhängig ist. Bei Unabhängigkeit von Dk ergibt die Gleichung d [Dk p −ϕ k ( Dk )] = 0 〈28〉 tatsächlich nach Durchführung der Differentiation (nach der Variablen Dk) unmittelbar: p − ϕ k′ ( Dk ) = 0 . 〈27〉 Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 107 Somit wird das Gleichungssystem (6) 〈15〉 wie folgt aussehen: (I) p − ϕ1′ ( D1 ) = 0; p − ϕ 2′ ( D2 ) = 0; K; p − ϕ n′ ( Dn ) = 0 . 〈15′〉 Wenn wir zu diesen n Gleichungen die Gleichung 〈29〉 D1 + D2 + K + Dn = F ( p ) hinzufügen, dann erhalten wir ein Gleichungssystem, welches ausreichend für die Bestimmung aller Unbekannten p, D1, D2, …, Dn ist. Weiter geht Cournot auf zwei Spezialfälle ein: Den Fall, wo die Funktion ϕ k′ ( Dk ) ansteigt sowie den Fall, wo sie fällt. „Nach der vorliegenden Voraussetzung müssen alle Funktionen ϕ k′ ( Dk ) als mit Dk wachsend angenommen werden. Andernfalls würde der Bruttowert des Produkts pDk = Dkϕ k′ ( Dk ) 〈30〉 einen Wert annehmen, der kleiner wäre als der Kostenbetrag Dk ϕ k ( Dk ( = ∫ ϕ k′ ( Dk )d Dk . 〈o〉 〈31〉 0 Es ist aber klar, daß bei der Voraussetzung eines unbegrenzten Wettbewerbs, und wenn gleichzeitig die Funktion ϕ k′ ( Dk ) abnimmt, der Warenproduktion keine Schranke gesetzt wäre. Wenn das Privateigentum also einen Ertrag abwirft, oder wenn eine Rente erzielt wird aus einer produktiven Anlage, deren Ausbeutung Kosten in der Weise verursacht, daß die Funktion ϕ k′ ( Dk ) abnimmt, so ist das ein Beweis dafür, daß die Wirkung des Monopols nicht gänzlich erloschen ist, oder dafür, daß der Wettbewerb nicht stark genug ist, um eine fühlbare Beeinträchtigung der Gesamterzeugung und der Warenpreise durch die Änderung der von jedem einzelnen Produzenten gelieferten Menge zu verhindern.“ 〈Cournot, 1924, S. 79〉 〈Seite 20〉 Zwischen diesen zwei Fällen steht jener, der uns in dieser Minute beschäftigt: Und zwar ist das der Fall, in dem die Produktionskosten proportional der hergestellten Menge sind, d.h., wenn ϕ k ( Dk ) = Dk u 〈32〉 gilt, 〈o〉 Druckfehler (Klammer) in der Ausgabe von 1924. 108 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot wobei u eine konstante (oder genauer gesagt von der Variablen Dk unabhängige) Größe ist.8 In diesem Fall wird der Ausdruck ϕ k′ ( Dk ) gleich der Konstanten u und nicht länger eine Funktion von Dk sein. Auf diese Art und Weise verwandelt sich das Gleichungssystem (I) 〈15′〉 in eine Reihe identischer Gleichungen: 〈33〉 p − u = 0; p − u = 0; … welche die Größe Dk nicht mehr enthalten. Um zu entscheiden, auf welchem Niveau sich in diesem Fall das Gesamtangebot D einstellen wird, kehren wir zum ursprünglichen Ausdruck des individuellen Erlöses eines Unternehmers k zurück: Dk ( p − u) (1) 〈34〉 (2) 〈35〉 welcher geschrieben werden kann: Dk [ f ( D1 + D2 + ... + Dk + ... + Dn ) − u ] es ist nicht schwer zu sehen, dass bei einem im Vergleich zur Summe D1 + D2 + ... + Dn = D unendlich kleinen Dk der zweite Faktor des Ausdrucks (2) 〈35〉 ohne einen irgendwie spürbaren Fehler in den Schlussfolgerungen für eine von der Variablen Dk unabhängige Größe angenommen werden kann (weil die Annahme der Herrschaft unbegrenzten freien Wettbewerbs gerade auch auf die Bedingung hinausläuft, dass Dk im Vergleich mit D dermaßen klein ist, dass Dk sich ohne eine irgendwie bemerkbare Veränderung von D und f (D) = p ändern kann; vgl. Cournot, op.cit., Kapitel VIII). Deshalb wird es, solange die Differenz (p - u) größer Null ist, für jeden einzelnen Unternehmer von Vorteil sein, sein individuelles Angebot Dk unendlich zu erweitern, und demzufolge kann ein Gleichgewicht im Bereich der gegebenen Produktion nicht zustande kommen, solange 〈Seite 21〉 das Gesamtangebot D um eine endliche Größe kleiner als D0 ist, wenn man unter D0 die Wurzel der Gleichung versteht: 8 Anmerkung: Cournot geht darauf überhaupt nicht ein, deswegen beziehen sich alle seine weiteren Schlussfolgerungen nur auf die Waren, bei deren Herstellung unvermeidlich Rente entsteht (im Ricardianischen Sinne des Wortes). Dasselbe betrifft auch alle Schlussfolgerungen von Auspitz und Lieben in ihrer ausgezeichneten Arbeit „Untersuchungen über die Theorie des Preises“ 1889. Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot f (D) – u = 0 109 〈36〉 Solange D kleiner als D0 ist (und folglich p − u > 0), bleibt der Drang für jeden einzelnen Unternehmer bestehen, seine individuelle Produktion zu erweitern,9 und diese individuellen Erweiterungen werden, wenn zusammengefasst, eine weitere Vergrößerung der Gesamtproduktion hervorrufen. Auf diese Weise wird sich bei einer unbegrenzt wachsenden Gesamtzahl konkurrierender Unternehmer (im Grenzwert gleich ∞), so dass die individuelle Produktion jedes Einzelnen im Vergleich zur Gesamtproduktion als beliebig klein angenommen werden kann, der Gesamtproduktionsumfang unbeschränkt dem Grenzwert der Größe D0 annähern. Und so, wenn wir annehmen, dass die notwendigen Kosten einer Produkteinheit eine unveränderliche Größe sind (mit anderen Worten, dass die Summe der Produktionskosten proportional mit der hergestellten Menge steigt), dann wird sich ein Gleichgewicht in diesem Industriezweig bei Herrschaft unbegrenzter freier Konkurrenz nur bei einem solchen Umfang der Gesamtproduktion (= Angebot) einstellen, bei dem die Differenz zwischen dem Preis des Produktes und den notwendigen Kosten seiner Produktion zu einer unendlich kleinen Größe wird (im Grenzwert gleich 0). Wie wir sehen, entspricht diese Schlussfolgerung völlig der von Ricardo erhaltenen, abgeleitet von denselben Annahmen; nur ist in der Theorie Cournots diese streng begründet und mit einer allgemeinen Theorie der Preisbestimmung unter Konkurrenzeinfluss in ein harmonisches Ganzes verbunden (Theorie des momentanen Vorteils), während in den Arbeiten von Ricardo und den übrigen Klassikern die Wirkung des unbegrenzten freien Wettbewerbs auf die Preise wie ein spontaner, einer weiteren ökonomischen Analyse nicht zugänglicher Faktor angenommen wird; was aber die für eine elementare Erläuterung der Preisbestimmung schwierigeren Fälle bei einer begrenzten (endlichen) Konkurrentenanzahl betrifft, so haben die genannten Ökonomen nicht mal versucht, solche Erscheinungen des generellen Anfangs von „Konkurrenz“ anzusprechen. Bevor wir zu der Angabe von Mängeln der Cournotschen Analyse übergehen, werden wir eine anschauliche graphische Darstellung der Hauptfor9 Weil der individuelle Erlös D (p – u) bei p – u > 0 zusammen mit der Vergrößerung k von Dk zunehmen wird. 110 Die Theorie der Konkurrenz von Aug. Cournot meln Cournots vornehmen, welche sich auf die Wirkung der unbegrenzten freien Konkurrenz beziehen (dabei werden wir uns an späteren Arbeiten von Auspitz und Lieben orientieren). 〈Seite 22〉 Es sei angenommen, dass die Abszissen der Kurve 0D (Zeichnung Nr. 4) 〈Abb. 2.5〉 die verschiedenen Größen des individuellen Angebotes Dk und die Ordinaten die ihnen entsprechenden Summen des Bruttoerlöses bezeichnen (dabei wird unterstellt, dass das individuelle Angebot der übrigen Unternehmer unverändert bleibt). y P A b 0 o1 a D A′ Dk , x Abb. 2.5 Je kleiner das individuelle Angebot Dk im Vergleich zu dem Gesamtangebot wird, um so kleiner wird die Krümmung der Kurve 0D; schließlich wird die Linie 0D sich bei im Vergleich zu D unbegrenzt fallendem Dk unendlich einer Gerade annähern, so dass unter Annahme unbegrenzter freier Konkurrenz die Ordinaten der Geraden 0P den Bruttoerlös eines Unternehmers k mit einem Fehler, der kleiner als jede beliebig kleine Größe ist, ausdrücken werden. Diese Annahme ist mit der von Cournot gemachten Annahme gleichbedeutend, dass die Änderungen des individuellen Angebotes Dk keinen spürbaren Einfluss auf das Gesamtangebot D und auf f (D), d.h. auf den Preis des Produktes, ausüben. Jetzt sei angenommen, dass die Ordinaten der Kurve 0A, deren Gleichung y = φ(Dk) ist, die Produktionskosten jener Mengen bezeichnen, die von den entsprechenden Abszissen ausgedrückt werden. Dann wird der Umfang der individuellen Produktion, die größtmögliche Summe des Reinerlöses darstellend, offensichtlich gleich der Abszisse 0a sein, für die wir eine Tangente an die Kurve 0A haben, welche im Punkt b parallel zu 0P verläuft. Die Wettbewerbstheorie von A. Cournot 111 Dann ist tan∠P0x = tan∠ bo1 x ; jedoch ist tan∠P0x gleich dem Preis p, und tan∠ bo1 x ist gleich den Produktionskosten der zuletzt hergestellten Produkteinheit. Auf diese Weise sehen wir, dass das individuelle Angebot Dk solange erweitert wird, bis die Produktionskosten der zuletzt hergestellten Produkteinheit gleich dem Produktpreis werden. Dasselbe drückt auch das Gleichungssystem (6) 〈15〉 aus, das Cournot erhält. Jetzt nehmen wir an, dass die Produktionskosten streng proportional mit der hergestellten Menge ansteigen; dann verwandelt sich die Kurve 0A in die Gerade 0A′, wobei tan∠A′0x gleich u, den notwendigen Produktionskosten einer Produkteinheit, wird. Wie man unschwer aus der Graphik entnehmen kann, wächst in diesem Fall der Nettoerlös eines isolierten Unternehmers k (gleich dem vertikalen Abstand zwischen den Geraden 0P und 0A′) stetig an, wie weit wir Dk auch vergrößern würden. Deswegen wird jeder einzelne Unternehmer, der von einer völlig zutreffenden Wirtschaftsrechnung ausgeht, danach streben, soweit es geht, sein individuelles Angebot auszudehnen (demzufolge das Gesamtangebot D weiter steigen wird), solange ∠ P0x größer als ∠ A′0x ist. Nur bei einer Größe D0, für die f (D0) = p0 = u gilt, 〈Seite 23〉 verschwindet für die einzelnen Unternehmer das Motiv zur Erweiterung ihres individuellen Angebotes, weil dann der vertikale Abstand zwischen den Geraden 0P und 0A′ für einen beliebigen Abszissenpunkt gleich Null wird. Somit können wir sehen, dass in dem Fall, wenn bei der Herstellung der gegebenen Ware die Bedingungen für das Entstehen der Rente fehlen, ein Gleichgewicht im Produktionsbereich unter der Herrschaft des unbegrenzten freien Wettbewerbs nur dann zustande kommt, wenn der Preis der Ware auf das Niveau der notwendigen Kosten ihrer Produktion sinkt, d.h. bei f ( D) − u = 0 〈36〉 So sieht zumindest die konsequente Schlussfolgerung aus der gesamten Wettbewerbstheorie Cournots aus. Inwiefern sie richtig ist, werden wir unten sehen.