113 . S p i e l z e i t s e i t d e r G r ü n d u n g 18 9 3 C h r i s t i a n T h ie le m a n n G e n e r a l m u s i k d i r e k t o r Pa u l M ü l le r I n t e n d a n t Christian Thielemann Ricarda Merbeth | Adrianne Pieczonka | Lioba Braun | Birgit Remmert Sibylla Rubens | Burkhard Fritz | Roman Trekel | Albert Dohmen Philharmonischer Chor München | Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien | Tölzer Knabenchor Freitag, 15. Oktober 2010, 20 Uhr Sonntag, 17. Oktober 2010, 19 Uhr Zum 100-jährigen Jubiläum der Münchner Uraufführung vom 12. September 1910 Gustav Mahler Symphonie Nr. 8 in zwei Teilen für acht Solisten, drei Chöre und großes Orchester 1. Teil: Hymnus „Veni, creator spiritus“ (Hrabanus Maurus) 2. Teil: Schlussszene aus „Faust“ (Johann Wolfgang von Goethe) Dirigent Christian Thielemann Sopran I und Magna peccatrix Ricarda Merbeth Sopran II und Una poenitentium Adrianne Pieczonka Alt I und Mulier Samaritana Lioba Braun Alt II und Maria Aegyptiaca Birgit Remmert Mater gloriosa Sibylla Rubens Tenor und Doctor Marianus Burkhard Fritz Bariton und Pater ecstaticus Roman Trekel Bass und Pater profundus Albert Dohmen Philharmonischer Chor München Einstudierung: Andreas Herrmann Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Einstudierung: Johannes Prinz Tölzer Knabenchor Einstudierung: Gerhard Schmidt-Gaden und Ralf Ludewig Freitag, 15. Oktober 2010, 20 Uhr 1. Abonnementkonzert H5 Sonntag, 17. Oktober 2010, 19 Uhr Sonderkonzert S p i e l z e i t 2 010 / 2 011 113 . S p i e l z e i t s e i t d e r G r ü n d u n g 18 9 3 C h r i s t i a n T h ie le m a n n G e n e r a l m u s i k d i r e k t o r Pa u l M ü l le r I n t e n d a n t G u s t a v M a h le r : 8 . S y m p h o n ie „Es ist das Größte, was ich bis jetzt gemacht“ Michael Kube Gustav Mahler in fünf Akten“ von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), kurz „Faust II“ genannt, der in den letzten Lebensjahren des Dichters von 1825 bis 1831 entstand; die auch von Schumann und Liszt komponierte Schlussapotheose des Monumentalwerks vertonte Mahler allerdings mit einigen Auslassungen und Umstellungen. (1860–1911) Symphonie Nr. 8 in zwei Teilen für acht Solisten, drei Chöre und großes Orchester 1. Teil: Hymnus „Veni, creator spiritus“ (Hrabanus Maurus) 2. Teil: Schlussszene aus „Faust“ (Johann Wolfgang von Goethe) Entstehung Lebensdaten des Komponisten Geboren am 7. Juli 1860 (nach unbestätigten Vermutungen schon am 1. Juli) als zweites von zwölf Kindern im Dorf Kalischt an der böhmisch-mährischen Grenze (heute: Kalište in Tschechien); gestorben am 18. Mai 1911 in Wien. Textvorlage Dem 1. Teil der Symphonie liegt der spätlateinische Pfingsthymnus „Veni, creator spiritus“ (Komm, Schöpfer Geist) zugrunde, den der Mainzer Erzbischof Hrabanus Maurus (ca. 780–856) um 809 verfasst haben soll und dessen gregorianische Melodie um das Jahr 1000 in Kempten erstmals aufgezeichnet wurde. Für den 2. Teil wählte Mahler die letzte Szene aus „Faust. Der Tragödie zweiter Teil Die 8. Symphonie entstand zum größten Teil im Sommer 1906 in Mahlers Feriendomizil in Maiernigg am Wörther See (Kärnten / Österreich): Weiter zurückliegende erste Planungen und Entwürfe konkretisierten sich um den 15. Juni. Das Particell (d. h. den Rohentwurf der Partitur) des 1. Teils nahm Mahler um den 22./23. Juni in Angriff, das des 2. Teils um den 24. Juli. Zwischen dem 21./22. August und dem 2. September 1906 wurde das Particell beendet, worauf Mahler unverzüglich mit der Partiturreinschrift begann; er beendete sie im Zeitraum zwischen Ende April und Juni 1907 in Wien – nicht nur seine Briefe, auch seine Kompositionen hat Mahler so gut wie nie datiert. Am 29. Januar 1911 erschien in der Wiener Universal Edition der gegenüber dem Manuskript nochmals revidierte Partiturdruck. Die Bezeichnung „Symphonie der Tausend“, die Mahlers Intentionen völlig verfehlt, geht vermutlich auf Emil Gutmann zurück, den Münchner Konzertunternehmer und Organisator der Uraufführung. – 2 – G u s t a v M a h le r : 8 . S y m p h o n ie Widmung „Meiner lieben Frau Alma Maria“: Die Widmung im Partitur-Erstdruck vom Januar 1911 an Mahlers Gattin Alma Maria (1879–1964) ist die einzige offizielle Widmung, die Mahler bei Drucklegung einer seiner Symphonien vergab. Uraufführung Am 12. September 1910 in München in der „Neuen Musik-Festhalle“ auf der Theresienhöhe (= ehemaliges Messegelände). Orchester und mitwirkende Chöre: Das „verstärkte“ Orchester des Konzertvereins München (ab 1928 in „Münchner Philharmoniker“ umbenannt), der Singverein der k. k. Gesellschaft der Musikfreunde Wien, der Riedel-Verein Leipzig sowie der Kinderchor der ZentralSingschule München. Gesangssolisten: Gertrude Förstel, Martha Winternitz-Dorda und Emma Bellwidt, Sopran; Ottilie Metzger und Anna Erler-Schnaudt, Alt; Felix Senius, Tenor; Nicola Geiße-Winkel, Bariton; Richard Mayr, Bass. Die am 16. Mai 1908 eröffnete, heute denkmalgeschützte (!) „Neue Musik-Festhalle“ ist seit 2006 als „Halle I (Stadtverkehr)“ Teil des „Verkehrszentrums“ des Deutschen Museums; dort kann, wer sie nicht kennt, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen besichtigen... „Vor vier Jahren ging ich am ersten Ferialmorgen in mein Häuschen in Maiernigg hinauf mit dem festen Vorsatz, mich in diesen Ferien (ich hatte es damals so nötig) recht auszufaulenzen und Kräfte zu sammeln ! Beim Eintritt in das altgewohnte Arbeitszimmer packte mich der Spiritus creator und schüttelte und peitschte mich acht Wochen lang, bis das Größte fertig war.“ Mit diesen erstaunlich einfachen, die Lebenswirklichkeit eines komponierenden Dirigenten widerspiegelnden Worten resümiert Gustav Mahler in einem Brief vom Mai 1910 gegenüber seiner Frau Alma die Entstehung seiner 8. Symphonie, deren Uraufführung er zu diesem Zeitpunkt bereits in systematischer Probenarbeit vorbereitete. Grenzerfahrungen und Horizonterweiterungen Nur ansatzweise findet sich in diesen Zeilen ein Hinweis auf die einschneidenden Veränderungen, die seine künstlerische Laufbahn in jenen Jahren genommen hatte: So war Mahler im Sommer 1906 noch Direktor der Wiener Hofoper – mit zahlreichen organisatorischen und musikalischen Verpflichtungen (zu Mozarts 150. Geburtstag etwa wurden Neueinstudierungen von vier seiner Opern vorbereitet), nur kurzen Theaterferien (in denen er komponierte) und beträchtlichen Anfeindungen der Presse. 1910 hingegen wirkte Mahler schon seit drei Jahren an der Metropolitan Opera in New York – doch dies jeweils begrenzt von Mitte Januar bis Mitte April, was ihm in Europa eine rege Tätigkeit als Gastdirigent ermöglichte (vornehmlich mit eigenen Werken) und in den Sommermonaten die immer schon erhoffte schöpfe- – 3 – G u s t a v M a h le r : 8 . S y m p h o n ie ne 8. vollendet – es ist das Größte, was ich bis jetzt gemacht. Und so eigenartig in Inhalt und Form, daß sich darüber gar nicht schreiben läßt. – Denken Sie sich, daß das Universum zu tönen und zu klingen beginnt. Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen.“ rische Konzentration bot. Allerdings brachte das Jahr 1907 nicht nur diese äußere Veränderung, sondern auch den Tod der älteren Tochter Maria Anna und die Diagnose einer schweren Herzerkrankung. In der Folge beginnt, nunmehr in der Toblacher Sommerfrische, der „lange Abschied“ von der Welt mit dem „Lied von der Erde“ (1907/08), der 9. Symphonie (1908/10) und dem von einer sich ausweitenden Ehekrise gezeichneten Fragment der 10. Symphonie (1910). „Komm, Schöpfer Geist“: Wie man an Gott appelliert Vor diesem Hintergrund markiert die Partitur der 8. Symphonie auf gleich mehrfache Weise einen Höhepunkt in Mahlers Schaffen. Es ist ein „opus summum“ – nicht nur wegen der Wahl der vertonten Texte sowie der Einbeziehung von Solisten und mehreren Chören, sondern auch im kompositorischen Resultat, das den etablierten Rahmen der Gattung sprengt und neben der Symphonie auch Aspekte der Kantate und des Oratoriums in sich aufnimmt. Mahler berührt damit das von Friedrich Schlegel entworfene ästhetische Konzept einer „progressiven Universalpoesie“, bei der „das Einzelne der Kunst […] zum unermeßlichen Ganzen“ führen muss. Es geht mithin nicht mehr nur um die Erschaffung einer klingenden Welt „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“, sondern darüber hinaus um einen universellen Anspruch – wie ihn Mahler in einem Brief vom 18. August 1906 an den holländischen Dirigenten Willem Mengelberg formulierte: „Hier stecke ich in viel Noten ! Ich habe eben mei- Der von Mahler geschilderte Moment der (ersten ?) Inspiration – nach seiner Darstellung beim Eintritt in das Komponierhäuschen in Maiernigg – ist auch dokumentarisch belegt durch ein Skizzenblatt, auf dem nicht nur einzelne musikalische Motive, sondern auch in einer ersten formalen Disposition einzelne Satzüberschriften notiert sind: „I. Veni, creator / II. Caritas / III. Weihnachtsspiele mit dem Kindlein / IV. Schöpfung durch Eros (Hymne)“. Deutlich greift Mahler damit auf das traditionelle, von ihm allerdings schon in den Jahren zuvor immer wieder erweiterte und veränderte viersätzige Konzept der „klassischen“ Symphonie zurück: Adagio und Scherzo werden von zwei Ecksätzen eingefasst, die wiederum als „Hymnen“ (unter Einbeziehung von Vokalstimmen) zyklisch aufeinander Bezug nehmen; sie sind mit ihrem jeweiligen Rekurs auf einen geistlichen und profanen Mythos antithetisch angelegt (christliche Liebe / weltlicher Eros). Dass die Mittelsätze dann aber schon recht bald aus der Konzeption herausfielen, ist dem Gewicht Gustav Mahler (um 1909) – 4 – G u s t a v M a h le r : 8 . S y m p h o n ie des letzten Satzes geschuldet, in dem Mahler auf die Schlussszene aus Goethes „Faust II“ zurückgreift – die verbleibenden zwei Sätze werden nun konsequenterweise nicht mehr als „Sätze“, sondern als „Teile“ eines Werkganzen bezeichnet. Entnommen hat Mahler den Text des „Veni, creator spiritus“ nach eigener Aussage einer „Kirchenschwarte“ – wobei offen bleiben muss, ob dieser Fund ein zufälliger war oder ob Mahler gezielt nach dem Pfingsthymnus gesucht hatte. Möglicherweise gab die Lektüre von Goethes „Maximen und Reflexionen“ den entscheidenden Anstoß, denn dort heißt es: „Der herrliche Kirchengesang: ‚Veni, creator spiritus‘ ist ganz eigentlich ein Appell ans Genie; deswegen er auch geist- und kraftreiche Menschen gewaltig anspricht.“ Wie dringlich dann während des rasch fortschreitenden Kompositionsprozesses der korrekte Wortlaut der Hymne, einzelne Betonungen sowie die Übersetzung mancher Verse aus dem Lateinischen wurden (Mahler passte sie teilweise erst nachträglich in den bereits skizzierten musikalischen Verlauf ein), geht aus der Korrespondenz mit dem befreundeten Altphilologen Friedrich Löhr hervor, von dem Mahler eine Antwort „sofort per Eilbrief“ erbat. „Chorus mysticus“: Wie man das Leben enträtselt Die von Mahler in der Komposition vorgenommene Koppelung des Pfingsthymnus mit der ausgreifenden Schlussszene des „Faust II“ erscheint in gleich doppelter Weise naheliegend. So wurde zum einen in der zeitgenössischen Goethe-Rezeption die Szene als Rekurs auf die „Welt des christlichen Mittelalters“ empfunden: „Der sittlich gewordene Faust wird erlöst […]. Freilich bedarf Faust wie jeder Mensch der Gnade, der verzeihenden Liebe, wie sie ihm hier zu teil wird. Aber eine Begnadigung ohne sittliche Vermittlung, ein äußerlicher, nicht innerlich […] motivierter Gnadenakt ist mittelalterlich-kirchlich, nicht modern-sittlich“ (Albert Bielschowsky, 1903). Zum andern spiegeln sich christliche Gnade und Liebe aber auch im Pfingsthymnus aus dem 9. Jahrhundert. WIR BERATEN SIE IN AUSGEZEICHNETER BESETZUNG. IHRE KLASSIKEXPERTEN VON LUDWIG BECK – HEUTE ABEND AN UNSEREM CD-STAND IN DER PHILHARMONIE. UND IN STÄNDIGER BESETZUNG IN UNSERER MUSIKABTEILUNG AM MARIENPLATZ. G u s t a v M a h le r : 8 . S y m p h o n ie Mahlers intensive Auseinandersetzung mit dem Schaffen Goethes ist hinreichend belegt. Dass es sich nicht nur um Belesenheit, sondern auch um Affinität handelte, davon legt ein Brief an Alma vom 22. Juni 1909 (kurz vor Beginn der Arbeit an der 9. Symphonie) beredtes Zeugnis ab. Mahler setzt sich hier mit dem die Schlussszene des „Faust“ krönenden „Chorus mysticus“ auseinander: „Soll ich Dir nun sagen, in welchem Stadium sich gegenwärtig meine ,Rationalität‘ diesen Schlußversen gegenüber befindet, so will ich es also versuchen – ob es gehen wird, weiß ich nicht ! Also: diese vier Zeilen nehme ich in engster Verknüpfung mit dem Vorangegangenen – als direkte Fortsetzung der letzten Zeilen einerseits – andererseits als Spitze der ungeheueren Pyramide des ganzes Werkes, welches uns eine Welt in Gestalten, Situationen, Entwicklungen vorgeführt hat. Alle deuten, zuerst ganz schattenhaft, und von Szene zu Szene (besonders im zweiten Teil, wo der Autor selbst dazu herangereift war) immer selbstbewußter, auf dieses Eine, nicht Auszudrückende, kaum Geahnte, aber innigst Empfundene !“ Vokalsymphonik als Manifestation der Gegenwart Bei der Entscheidung, seine 8. Symphonie durchgehend mit Vokalstimmen zu konzipieren, konnte Mahler, ebenso wie bei der Wahl des Textes für den 2. Teil, an mehrere Kompositionen des 19. Jahrhunderts anknüpfen. Den Ausgangspunkt bildet dabei Beethovens 9. Symphonie d-Moll op. 125 (1823/24) mit ihrem berühmten Chor-Finale, das in der Folge die strukturelle und semantische Einbeziehung von Texten in diese zuvor als rein instrumental definierte Gattung überhaupt erst ermöglichte – so etwa in „Roméo et Juliette“ (1839) von Hector Berlioz. Umgekehrt hatte der ohnehin hohe Anspruch des geistlichen Oratoriums durch entsprechende Anlage der Partitur inzwischen eine symphonische Nobilitierung erfahren, unter Beweis gestellt etwa von Felix Draeseke mit „Christus. Ein Mysterium in einem Vorspiele und drei Oratorien“ op. 70–73 (1899) oder von Edward Elgar mit „The Dream of Gerontius“ (1900). Mahlers Wahl der Schlussszene aus „Faust II“ wiederum ist durch Kompositionen wie Robert Schumanns „Szenen aus Goethes ,Faust‘“ WoO 3 (1844/53) oder die „,Faust‘Symphonie“ (1854) von Franz Liszt vorgeprägt – hier erklingt am Ende des Finales in feierlicher Grundhaltung der Chorus mysticus „Alles Vergängliche / ist nur ein Gleichnis“. Die Monumentalität von Mahlers 8. Symphonie, die aufgrund der an der Uraufführung in ungewöhnlicher Zahl beteiligten Musiker und Sänger rasch den Beinamen „Symphonie der Tausend“ erlangte, muss indes im Zeichen der sogenannten „Moderne“ gesehen werden – jenes kurzen Zeitabschnitts der Musikgeschichte, in dem zum einen Traditionen des 19. Jahrhunderts überhöht und zum anderen schon zahlreiche Grundsteine für die weitere, sich dann teilweise revolutionär gebärdende Entwicklung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gelegt wurden – man denke etwa an Ferruccio Busonis „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ (1907). Zeitgleich sind die Anfänge der Massenästhetik zu beobachten – musikalisch etwa in den „Gurre-Liedern“ (1900/01) von Arnold Schönberg, in deren Partitur neben diversen Vokalsolisten auch – 7 – G u s t a v M a h le r : 8 . S y m p h o n ie drei vierstimmige Männerchöre und ein achtstimmiger gemischter Chor verlangt werden, im Schauspiel hingegen in bemerkenswerter zeitlicher wie räumlicher Koinzidenz zu Mahlers 8. Symphonie etwa in Max Reinhardts Münchner Inszenierung von Hofmannsthals Sophokles-Bearbeitung „Ödipus und die Sphinx“. Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass Mahlers „Symphonie der Tausend“ so viele Musiker, Künstler und Literaten anzog: Konzeption und ästhetischer Anspruch des Werks – ebenso wie die außergewöhnlichen Umstände seiner Realisierung – wurden als Manifestation der Gegenwart verstanden. Ganz so, wie es etwa Thomas Mann, noch unmittelbar unter dem Eindruck der Aufführung stehend, in einem für Gustav Mahler bestimmten Widmungsexemplar seines Romans „Königliche Hoheit“ (1909) formulierte: „Als Gegenleistung für das, was ich von Ihnen empfangen, ist es freilich schlecht geeignet und muß federleicht wirken in der Hand eines Mannes, in dem sich, wie ich zu erkennen glaube, der ernsteste und heiligste künstlerischer Wille unserer Zeit verkörpert.“ 1. Teil: Hymnus „Veni, creator spiritus“ Dass für Mahlers „Achte“ tatsächlich die Bezeichnung „Symphonie“ gerechtfertigt scheint, zeigt insbesondere der 1. Teil der Partitur – und dies sowohl musikalisch wie auch hinsichtlich des unterlegten Textes, den Mahler vor allem durch Wiederaufnahme der „Veni“-Rufe modifiziert und damit in Kongruenz zur formalen Disposition bringt. So kommt der ersten Anrufung (Es-Dur) im weiteren Verlauf nicht nur die Bedeutung eines ersten Themas zu, sondern sie fungiert mit ihrem Rhythmus und der markanten Diastematik (Quart- und Septsprung) auch satzübergreifend als Initialmotiv. Diesem vor hymnischer Kraft geradezu feurig lodernden Beginn steht mit Einsatz des dritten Verses „Imple superna gratia“ (Gieße deine himmlische Gnade aus) ein Seitengedanke gegenüber, der sich eher melodisch entfaltet und die zweite Strophe mit einschließt. Der knapp gefassten Schlussgruppe, die dominantisch auf B-Dur abgebrochen wird, sind die beiden ersten Verse der dritten Strophe zugeordnet ab „Infirma nostri corporis“ (Stärke die Schwachheit unseres Körpers). Rein instrumental ist der erste Abschnitt der Durchführung angelegt, in dem Mahler die „Veni“Rufe in der für seine musikalische Sprache so charakteristischen Weise verzerrt: mit archaisch wirkender Harmonik, mehreren Haltepunkten und einer irritierenden Verfremdung der Klangfarbe (Hörner, Trompeten und Posaunen mit Dämpfern). Satzübergreifende Bedeutung gewinnt dann das mit der Aufforderung „Accende lumen sensibus“ (Entzünde dein Licht unseren Sinnen) einsetzende neue Thema – und zwar musikalisch wie auch semantisch. Mahler bei den Proben zu Anton Webern: „Da geht die Brücke hinüber zum Die Takte 347–354 aus der Doppelfuge des 1. Teils in Mahlers Handschrift – 8 – G u s t a v M a h le r : 8 . S y m p h o n ie Schluß des ,Faust‘. Diese Stelle ist der Angelpunkt des ganzen Werks...“ Doch hinterlässt der 1. Teil nicht nur den Eindruck einer stringenten Disposition – Richard Specht überliefert Mahlers Aussage, der erste Satz sei „streng in symphonischer Form gehalten“ – , sondern er greift mit seiner weitgehend kontrapunktischen Faktur auch Elemente der klassischen Vokalmusik auf: Dies betrifft die homophone Mehrchörigkeit und die mit ihr verbundene großräumige Klangregie ebenso wie die durchgearbeitete polyphone Faktur besonders jener mächtigen Doppelfuge „Ductore sic te praevio“ (Unter deiner fürsorglichen Führung), auf deren Höhepunkt die Reprise einsetzt („Veni“, EsDur). Beide Ebenen vermittelt Mahler durch gewichtige Orgelpunkte, die die Erhabenheit des Hymnus unterstreichen, aber auch tonale Orientierung bieten. 2. Teil: Schlussszene aus „Faust“ Zur strahlenden Coda des 1. Teils bildet die ausgreifende Einleitung des 2. Teils einen denkbar scharfen Kontrast. In fahles Licht getaucht und stockend im Fluss erscheint sie unwillkürlich als verklanglichte Form der von Goethe für das Schlussbild beschriebenen Szenerie: „Bergschluchten. Wald, Fels, Einöde. Heilige Anachoreten gebirgauf verteilt, gelagert zwischen Klüften.“ Motivisch basiert der gesamte, nach es-Moll gewendete Adagio-Abschnitt auf dem „Accende“-Thema des 1. Teils – sowohl in der fast ostinat angelegten Basslinie als auch in den sich überlappenden Bläserstimmen – zu ihnen bildet der flirrende Halteton der Violinen den tonalen Bezugspunkt. Abgesehen vom dichten Netz musikalischer, aber auch textlicher Bezüge vollzieht sich ein Wechsel der kompositorischen Perspektive vom Hymnischen zum Dramatischen. So kommt es mit der Beschleunigung des Tempos zu einer ersten rein instrumentalen Verarbeitungsstrecke, die an ihrem Ende freilich wieder zum Satzbeginn zurückkehrt. Auch der Einsatz von „Chor und Echo“ verändert dieses Satzbild nur graduell, denn die Stimmen („scharf aussprechen und rhythmisieren“) werden zunächst ihres Vokalcharakters beraubt. Erst mit dem Einsatz des Pater ecstaticus („auf und abschwebend“) über einem dichten Streichersatz, verbunden mit dem Wechsel nach Es-Dur, beginnt sich der Verlauf linear zu entwickeln. Als Gestaltungsprinzip ist aber nicht mehr eine von außen herangetragene Form auszumachen, sondern die symphonische Umsetzung der dem Text innewohnenden Atmosphäre. Der über die Einleitung hinaus auch den weiteren Verlauf des 2. Teils durchziehende Rekurs auf das „Accende“-Thema ebenso wie der abschnittsweise Wechsel von Faktur und Ausdruckscharakter verleihen dem Satz – einer Variationenfolge vergleichbar – musikalischen Zusammenhang und grösstmögliche Gestaltungsfreiheit; vermutlich aus diesem Grund erscheint er geradezu als Kompendium von Mahlers musikalischer Sprache. Hinzu kommt das Zitieren musikalischer Topoi – wenn etwa in der Anrede der in die Szene „einherschwebenden“ Mater gloriosa zu den Worten „Dir, der Unberührbaren“ in Harfe, Harmonium und Celesta ein helles, der sakralen Sphäre entlehntes Klangband entfaltet wird. Geradezu greifbar wird in der Musik die Aufforderung „Blicke auf !“ durch eine subtil ausgearbeitete, über zahlreiche – 10 – Mahler an Ehefrau Alma über den Schluss von Goethes „Faust“ Rückungen gleichsam „nach oben“ weisende Steigerung, auf deren Höhepunkt in den Posaunen und Pauken der „Veni“-Ruf des 1. Teils wiederkehrt. Zentrum des Ganzen bleibt indes der Epilog des Chorus mysticus. Er erscheint auch musikalisch als Ziel eines symphonisch aufgespannten gedanklichen Universums, an dessen Ende die Liebe als umfassendes, erlösendes Prinzip sich Bahn bricht. – 11 – D ie G e s a n g s t e x t e Symphonie Nr. 8 Gustav Mahler 1. Teil: Hymnus „Veni, creator spiritus“ (Hrabanus Maurus) Veni, creator spiritus ! Mentes tuorum visita. Imple superna gratia, quae tu creasti pectora. Komm, Schöpfer Geist ! Kehre ein bei den Deinen. Gieße deine himmlische Gnade aus in die Herzen, die du erschaffen hast. Qui tu Paraclitus diceris. Donum Dei altissimi. Fons vivus, ignis, caritas et spiritalis unctio. Der du Tröster genannt wirst. Des höchsten Gottes Gabe. Quell des Lebens, Feuer, Liebe und heilige Weihe. Infirma nostri corporis. Virtute firmans perpeti. Accende lumen sensibus. Infunde amorem cordibus. Stärke die Schwachheit unseres Körpers. Bestärke uns durch deine ewige Kraft. Entzünde dein Licht unseren Sinnen. Erfülle unsere Herzen mit Liebe. Hostem repellas longius. Pacemque dones protinus. Ductore sic te praevio vitemus omne pessimum. Den Feind treibe in weite Fernen. Und gib uns allezeit Frieden. Unter deiner vorsorglichen Führung werden wir Sieger über alles Böse. Tu septiformis munere, dexterae paternae digitus. [Tu rite promissum Patris, sermone ditans guttura.] Du Siebengestaltiger in deinen Gaben, des höchsten Vaters rechte Hand. [Du pfingstlich erfülltes Versprechen des Vaters, das unsrer Kehle Rede gibt.] Per te sciamus, da, Patrem, noscamus [atque] Filium, [te utriusque] Spiritum per te credamus omni tempore. Gib, dass wir durch dich erfassen den Vater, [und] dass wir erkennen den Sohn, [und] an [dich], den Geist [beider], durch dich glauben immerdar. – 12 – D ie G e s a n g s t e x t e Da gaudiorum praemia, da, da gratiarum munera. Dissolve litis vincula, adstringe pacis foedera. Gewähre der Freuden Vorgefühl, schenke, schenk uns der Gnaden Heil. Löse der Zwietracht Fesseln, knüpfe das Band des Friedens. Deo sit gloria Patri Domino. Et Filio Natoque, qui a mortuis surrexit, ac Paraclito gloria in saeculorum saecula. Gott sei Ehre, dem Vater und Herrn. Und seinem Sohne, der von den Toten auferstand, und dem Erlöser Geist sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. [Amen.] [Amen.] Textfassung Gustav Mahlers, der nicht nur Verse umgestellt und Wörter ausgetauscht, sondern beim Komponieren auch manche Stellen seiner eigenen Bearbeitung ausgelassen hat; sie sind hier in eckige Klammern gesetzt. Textwiedergabe des Pfingsthymnus nach der wortgetreuen Übertragung ins Deutsche durch Heinrich Lausberg, ergänzt und an Mahlers Bearbeitung des lateinischen Originaltextes angepasst von Stephan Kohler. 2. Teil: Schlussszene aus „Faust“ (Johann Wolfgang von Goethe) Bergschluchten. Wald, Fels, Einöde. Heilige Anachoreten gebirgauf verteilt, gelagert zwischen Klüften. CHOR UND ECHO Waldung, sie schwankt heran, Felsen, sie lasten dran, Wurzeln, sie klammern an, Stamm dicht an Stamm hinan, Woge nach Woge spritzt, Höhle, die tiefste, schützt; Löwen, sie schleichen stummFreundlich um uns herum, Ehren geweihten Ort, Heiligen Liebeshort. PATER ECSTATICUS (auf und ab schwebend) Ewiger Wonnebrand, Glühendes Liebesband, Siedender Schmerz der Brust, Schäumende Gotteslust. Pfeile, durchdringet mich, Lanzen, bezwinget mich, Keulen, zerschmettert mich, Blitze, durchwettert mich; Daß ja das Nichtige Alles verflüchtige, Glänze der Dauerstern, Ewiger, ewiger Liebe Kern ! – 13 – D ie G e s a n g s t e x t e PATER PROFUNDUS (tiefe Region) Wie Felsenabgrund mir zu Füßen Auf tiefem Abgrund lastend ruht, Wie tausend Bäche strahlend fließen Zum grausen Sturz des Schaums der Flut, Wie strack mit eig’nem kräft’gen Triebe, Der Stamm sich in die Lüfte trägt: So ist es die allmächt’ge Liebe, Die alles, alles bildet, alles hegt. Ist um mich her ein wildes Brausen, Als wogte Wald und Felsengrund ! Und doch stürzt, liebevoll im Sausen, Die Wasserfülle sich zum Schlund, Berufen, gleich das Tal zu wässern; Der Blitz, der flammend niederschlug, Die Atmosphäre zu verbessern, Die Gift und Dunst im Busen trug: Sind Liebesboten, sie verkünden, Was ewig schaffend uns umwallt. Mein Inn’res mög’ es auch entzünden, Wo sich der Geist, verworren, kalt, Verquält in stumpfer Sinne Schranken, Scharf angeschloss’nem Kettenschmerz. O Gott ! beschwichtige die Gedanken, Erleuchte mein bedürftig Herz ! CHOR DER ENGEL (schwebend in der höhern Atmosphäre, Faustens Unsterbliches tragend) Gerettet ist das edle Glied Der Geisterwelt vom Bösen: Wer immer strebend sich bemüht, Den können wir erlösen; Und hat an ihm die Liebe gar Von oben teilgenommen, Begegnet ihm die sel’ge Schar Mit herzlichem Willkommen. CHOR SELIGER KNABEN (um die höchsten Gipfel kreisend) Hände verschlinget euch Freudig zum Ringverein, Regt euch und singet Heil’ge Gefühle drein ! Göttlich belehret, Dürft ihr vertrauen; Den ihr verehret, Werdet ihr schauen. CHOR DER JÜNGEREN ENGEL Jene Rosen, aus den Händen Liebend-heil’ger Büßerinnen, Halfen uns den Sieg gewinnen Und das hohe Werk vollenden, Diesen Seelenschatz erbeuten. Böse wichen, als wir streuten, Teufel flohen, als wir trafen. Statt gewohnter Höllenstrafen Fühlten Liebesqual die Geister; Selbst der alte Satans-Meister War von spitzer Pein durchdrungen. Jauchzet auf ! Es ist gelungen. DIE VOLLENDETEREN ENGEL Uns bleibt ein Erdenrest, uns, Zu tragen peinlich. Und wär’ er, wär’ er von Asbest, Er ist nicht reinlich. Wenn starke Geisteskraft Die Elemente An sich herangerafft, Kein Engel trennte Geeinte Zwienatur Der innigen beiden; Die ew’ge Liebe nur, Die Liebe nur Vermag’s zu scheiden. – 14 – Alfred Roller: Plakat für die Münchner Uraufführung vom 12. September 1910 D ie G e s a n g s t e x t e DIE JÜNGEREN ENGEL Ich spür’ soeben, Nebelnd um Felsenhöh’, Ein Geisterleben, Regend sich in der Näh’. Seliger Knaben Seh’ ich bewegte Schar, Los von der Erde Druck, Los von der Erde Im Kreis gesellt, Die sich erlaben Am neuen Lenz und Schmuck Der obern Welt. Sei er zum Anbeginn, Steigendem Vollgewinn, Diesen, diesen, diesen gesellt ! DOCTOR MARIANUS (in der höchsten, reinlichsten Zelle) Hier ist die Aussicht frei, Der Geist erhoben. Dort ziehen Frauen vorbei, Schwebend nach oben; Die Herrliche mittenin Im Sternenkranze, Die Himmelskönigin, Ich seh’s am Glanze ! CHOR SELIGER KNABEN Freudig empfangen wir Diesen im Puppenstand; Also erlangen wir Englisches Unterpfand. Löset die Flocken los, Die ihn umgeben ! Schon ist er schön und groß Von heiligem Leben. DOCTOR MARIANUS (plötzlich hervortretend, entzückt) Höchste Herrscherin der Welt ! Lasse mich im blauen Ausgespannten Himmelszelt Dein Geheimnis schauen ! Bill’ge, was des Mannes Brust Ernst und zart bewegt Und mit heil’ger Liebeslust Dir entgegenträgt ! Unbezwinglich unser Mut, Wenn du hehr gebietest; Plötzlich mildert sich die Glut, Wenn du uns befriedest. DOCTOR MARIANUS UND CHOR Jungfrau, rein im schönsten Sinne, Mutter, Ehren würdig, Jungfrau, Mutter, Königin, Uns erwählte Königin, Göttern ebenbürtig. CHOR Dir, der Unberührbaren, Ist es nicht benommen, Daß die leicht Verführbaren Traulich zu dir kommen. In die Schwachheit hingerafft, Sind sie schwer zu retten; Wer zerreißt aus eigner Kraft Der Gelüste Ketten ? Wie entgleitet schnell der Fuß Schiefem, glattem Boden ? – 16 – D ie G e s a n g s t e x t e CHOR DER BÜSSERINNEN, UNA POENITENTIUM Du schwebst zu Höhen Der ewigen Reiche, Vernimm das Flehen, Du Gnadenreiche ! Du Ohnegleiche ! Du Gnadenreiche, Ohnegleiche ! MAGNA PECCATRIX Bei der Liebe, die den Füßen Deines gottverklärten Sohnes Tränen ließ zum Balsam fließen, Trotz des Pharisäerhohnes; Beim Gefäße, das so reichlich Tropfte Wohlgeruch hernieder; Bei den Locken, die so weichlich Trockneten die heil’gen Glieder – MULIER SAMARITANA Bei dem Bronn, zu dem schon weiland Abram ließ die Herde führen; Bei dem Eimer, der dem Heiland Kühl die Lippe durft’ berühren; Bei der reinen, reichen Quelle, Die nun dorther sich ergießet, Überflüssig, ewig helle Rings durch alle Welten fließt – MARIA AEGYPTIACA Bei dem hochgeweihten Orte, Wo den Herrn man niederließ, Bei dem Arm, der von der Pforte Warnend, warnend mich zurücke stieß; Bei der vierzigjähr’gen Buße, Der ich treu in Wüsten blieb; Bei dem sel’gen Scheidegruße, Den im Sand ich niederschrieb – MAGNA PECCATRIX, MULIER SAMARITANA, MARIA AEGYPTIACA Die du großen Sünderinnen Deine Nähe nicht verweigerst Und ein büßendes Gewinnen In die Ewigkeiten steigerst, In die Ewigkeiten, Gönn’ auch dieser guten Seele, Gönn’ auch dieser, dieser guten Seele, Die sich einmal nur vergessen, Die nicht ahnte, daß sie fehle, Dein Verzeihen angemessen ! UNA POENITENTIUM (sonst Gretchen genannt, sich anschmiegend) Neige, neige, Du Ohnegleiche, Du Strahlenreiche, Dein Antlitz gnädig meinem Glück ! Der früh Geliebte, Nicht mehr Getrübte, Er kommt zurück. SELIGE KNABEN (in Kreisbewegung sich nähernd) Er überwächst uns schon An mächt’gen Gliedern, Wird treuer Pflege Lohn Reichlich erwidern. Wir wurden früh entfernt Von Lebechören, Doch dieser hat gelernt: Er, er, er wird uns lehren. – 17 – D ie G e s a n g s t e x t e UNA POENITENTIUM (Gretchen) Vom edlen Geisterchor umgeben, Wird sich der Neue kaum gewahr, Er ahnet kaum das frische Leben, So gleicht er schon der heil’gen Schar. Sieh, wie er jedem Erdenbande Der alten Hülle sich entrafft, Und aus ätherischem Gewande Hervortritt erste Jugendkraft ! Vergönne mir, ihn zu belehren ! Noch blendet, blendet ihn der neue Tag. MATER GLORIOSA Komm ! Komm ! Hebe dich zu höhern Sphären ! Wenn er dich ahnet, folgt er nach. DOCTOR MARIANUS UND CHOR (auf dem Angesicht anbetend) Blicket auf, blicket auf, Alle reuig Zarten ! Komm ! Komm ! Komm ! Blicket auf, auf zum Retterblick, Alle reuig Zarten, Euch zu sel’gem Glück Dankend umzuarten ! Werde jeder bess’re Sinn Dir zum Dienst erbötig; Jungfrau, Mutter, Königin, Göttin, bleibe gnädig, Bleibe gnädig, bleibe gnädig ! CHORUS MYSTICUS Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis; Das Unzulängliche, Hier wird’s Ereignis; Das Unbeschreibliche, Hier ist’s getan; Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan ! Ewig ! Ewig ! Ewig ! Ewig ! Ewig zieht uns hinan ! Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis; Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan, hinan, hinan ! Textfassung Gustav Mahlers, der seine Vorlage an manchen Stellen geändert und einige Textpassagen ganz weggelassen hat. Diesen Kürzungen stehen allerdings zahlreiche Erweiterungen gegenüber, Intensivierungen des Textes in Form von Wiederholungen einzelner Worte oder ganzer Verse; sie sind hier angedeutet, aber nicht vollständig wiedergegeben. Texteinrichtung: Stephan Kohler. Besetzungszettel aus dem Programmheft der Uraufführung – 18 – D ie Ur a u f f ü h r u n g Symphonie für Tausende Christine Möller Kaum ein anderes Konzert der Münchner Musikgeschichte schlug in der Kulturwelt vergleichbar hohe Wellen der Begeisterung wie die Uraufführung der 8. Symphonie von Gustav Mahler am 12. September 1910. Ein denkwürdiger Triumph für den Komponisten, dessen Werke seit 1897 regelmäßig auf den Münchner Konzertprogrammen zu finden waren. Mahler fühlte sich hier künstlerisch verstanden. Im November 1906 dichtete er in einem Telegramm aus München an seine Frau Alma: „Im besten Wolsein eingetroffen – dann munter ins Hotel geloffen, gebadet und Kaffee gesoffen. Poetisch ist mein heut’ges Kabel, wie man in München nur capabel, denn Kunst erfüllt hier Mann und Wabel. Man fühlt sich hier beinahe griechisch, darüber freue ich mich viechisch. Gustav.“ Glas, Eisen, Beton und ...Musik Mahler und München – die gegenseitige Wertschätzung war zwar eine gute, aber keine entscheidende Voraussetzung dafür, die 8. Symphonie mit ihren alle bisherigen Besetzungsgrenzen sprengenden Ausmaßen ausgerechnet in München aus der Taufe zu heben. Wie kam es also dazu ? 1908 hatte die Stadt München auf der hinter der Bavaria gelegenen Theresienhöhe ein neues Ausstellungsgelände eröffnet. Das großzügige Areal umfasste sechs Ausstellungshallen in funktionaler Glas-Eisenbeton-Bauweise, einen Vergnügungspark samt Tennisplätzen und „Auto- Etagenbahn“ (Achterbahn), ein Künstlertheater und mehrere Restaurants und Cafés. In der ersten Ausstellungssaison wurde zum 750-jährigen Stadtjubiläum Münchner Gewerbe- und Handwerkskunst unter dem Titel „München 1908“ gezeigt. Nach dieser überaus erfolgreichen Ausstellung, die über drei Millionen Besucher anlockte und zum ersten Mal in der Münchner Ausstellungsgeschichte ohne Defizit abschloss, fanden im Folgejahr 1909 nur kleinere Fachmessen statt. Der Besucherstrom riss ab, eine finanzielle Schieflage drohte. Der Rettungsanker fand sich – wie Mahler so treffend gedichtet hatte – im Münchner Sinn für die Kunst. Nachdem auch für das Jahr 1910 keine große industrielle oder gewerbliche Ausstellung durchführbar schien, beschloss die Stadt München, die Hallen zu kulturellen Zwecken, namentlich für „monumentale Konzerte“ zu nutzen. Der Konzertagent Emil Gutmann winkte mit einem vielversprechenden Konzertpaket und stellte in Aussicht, seine guten Beziehungen zu Gustav Mahler, für den er 1908 die Münchner Erstaufführung seiner 7. Symphonie mit dem Kaim-Orchester organisiert hatte, sowie zu Richard Strauss spielen zu lassen, dem inzwischen in Berlin wirkenden berühmtesten Sohn der Stadt. Mit ins Boot geholt wurde das ehemalige KaimOrchester, das inzwischen „Orchester des Konzertvereins München“ hieß (und später in „Münchner Philharmoniker“ umbenannt – 20 – D ie Ur a u f f ü h r u n g wurde) und das an einer Zusammenarbeit mit dem aufgrund seiner Geschäftsmethoden allerdings nicht unumstrittenen Emil Gutmann für den Sommer 1910 interessiert war. Münchner Musikfeste 1910 Mit einer „Musikschau allgemeiner Gültigkeit“ sollte, so der Ausstellungsdirektor Karl Kühles, das Vorurteil widerlegt werden, München sei nur eine „für Luxusreisende geographisch günstig gelegene Stadt des guten Bieres“. Unter dem Titel „Münchner Musikfeste 1910“ schnürte man ein beeindruckendes Konzertprogramm: mit einer Robert-SchumannGedenkfeier, einer Richard-Strauss-Woche – bestehend aus drei Orchesterkonzerten (Strauss selbst dirigierte die Wiener Philharmoniker auf ihrer ersten Konzertreise nach München), diversen Opernvorstellungen im Prinzregententheater und Kammerkonzerten – , einem der deutschen Symphonik gewidmeten Beethoven-Brahms-Buckner-Zyklus des Konzertverein-Orchesters unter Leitung von Ferdinand Löwe, einem Französischen Musikfest, bei dem neben Camille Saint-Saëns und Charles Marie Widor auch Albert Schweitzer (!) solistisch mitwirkte, und zwei großen Chorkonzerten. Der unbestreitbare Höhepunkt des Konzertpakets war jedoch die Uraufführung von Mahlers 8. Symphonie am 12. und die Wiederholung des Konzerts am 13. September 1910. Die Neue Musik-Festhalle „Durch diesen Riesenraum muß ein Meer von Tönen fluten.“ Dort, wo heute Museumsbesucher zwischen U-, S- und Straßenbahnen im „Verkehrszentrum“ des Deutschen Museums wandeln, erhoben sich im Jahr 1910 Sitzreihen bis zu 7 Meter Höhe im ovalen Halbrund um Parkett und Logenring. Der Umbau der größten Ausstellungshalle in einen Konzertsaal basierte auf Einbauten für das Gastspiel des Berliner Zirkus Schumann von 1909, die nun nach Plänen des Architekturprofessors Theodor Fischer erweitert und dekorativ ausgeschmückt wurden. Von nun an hieß die Halle I „Neue Musik-Festhalle“ und fasste mit 3.208 Sitzplätzen knapp 1.000 Konzertbesucher mehr als die heutige Philharmonie am Gasteig. Aber das war noch nicht alles. Als einen der ersten Erfolge konnte Emil Gutmann als Geschäftsführer der „Musikfeste“ im November 1909 verkünden, dass die Münchner Orgelbaufirma Maerz eine 3-manualige Orgel mit 54 Registern kostenlos in der Musik-Festhalle aufstellen werde. Das von vielen Seiten gerühmte Instrument, das der „Münchner Orgelbaukunst zu großer Ehre gereichte“, diente von 1912 an bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg als Kirchenorgel im „Alten Peter“. Nachdem der Einbau des Konzertsaals im Winter 1910 rasche Fortschritte erzielte, wird für den 5. März und 7. Mai jeweils eine Akustikprobe zu Originalbedingungen angesetzt. Mit Einfallsreichtum gelingt es Gutmann, Soldaten als „Publikumsersatz“ anzufordern und dafür die Zustimmung der Stadtkommandantur zu erreichen. Wie jeder Planungsabschnitt, jeder bauliche Fortschritt im Umund Einbau der Neuen Musik-Festhalle werden auch die Akustikproben in der Münchner Presse – und nicht nur dort – von ausführlichen Berichten begleitet. – 21 – D ie Ur a u f f ü h r u n g Ein „völlig deprimirter“ Komponist Entsprechend der äußeren Dimensionen der 8. Symphonie nahmen die organisatorischen Vorbereitungen zu ihrer Uraufführung gewaltige Ausmaße an. Spätestens im Herbst 1909 muss Gutmann an Mahler mit dem konkreten Vorschlag zur Uraufführung der seit Juni 1907 fertiggestellten 8. Symphonie in München herangetreten sein. Erhalten ist ein Brief Mahlers an Gutmann, geschrieben im Spätherbst 1909, in dem der Komponist seine Bedenken gegen die Realisierung des Mammutprojekts äußert. Ein erster Rückschlag für den optimistischen Gutmann folgte auf dem Fuß: Vergebens bemühte er sich, Mahlers Wunsch zu erfüllen, die Dirigenten Willem Mengelberg und Oskar Fried als Chordirektoren für die Mitwirkung an der Uraufführung zu gewinnen. In einem Brief vom 4. Februar 1910 hält Mahler das Unternehmen immer noch für „unmöglich“ und rät kurz darauf Gutmann „dringend und freundschaftlichst“, die Aufführung abzublasen. Diesen Rat kann und will Gutmann nicht mehr annehmen. Mit einem unermüdlichen Arbeitspensum, mit unzähligen Briefen, Telegrammen und Reisen befeuert er die Vorbereitungen und beschwichtigt den ständig Bedenken äußernden Komponisten. Schließlich konnte Gutmann den Wiener Singverein und den Leipziger Riedel-Verein als Chöre engagieren – die Beteiligung des Kinderchores der Münchner Zentral-Singschule mit 350 Kindern stand schon seit längerem fest. Mahlers Vorbehalte waren aber noch immer nicht ausgeräumt. Im März 1910 bezweifelte er, ob die Chöre bis zu den für Juni angesetzten Vorproben die enormen Anforderungen der Partitur bewältigen könnten. „Entweder fühle ich mich bei meiner Ankunft in Europa befriedigt bezüglich der künstlerischen Bedingungen […], oder ich bin nicht befriedigt – dann sage ich Ihnen augenblicklich und definitiv ab“ drohte Mahler aus New York. Zurück in Wien plante der Komponist eine „Inspektionsreise“ nach Leipzig und München, um sich selbst von den Fortschritten des Riedel-Vereins und des Münchner Kinderchors zu überzeugen. Davor besuchte er noch die Proben des Wiener Singvereins und war „völlig deprimirt“. Wiederum drohte er mit einer Absage – knapp drei Monate vor dem Konzerttermin. Vorbereitungsmarathon Gutmann beschwichtigte erneut, umsorgte und pflegte den kränkelnden Mahler. An dem detaillierten Probenplan mit insgesamt 100 Teil- und Gesamtproben – allein 32 Chorund Orchesterproben unter Mahlers Leitung – wurde festgehalten. Die Solisten zitierte Mahler zu Klavierproben nach Wien, München und in seinen Urlaubsort Toblach im Südtiroler Pustertal. Ärger dann in München mit dem Notenkopisten: „Dieses Schwein hat zu seiner Bequemlichkeit in allen Stimmen, wo mehrere Pausen stehen, anstatt dieselben näher auszuführen, einfach tacet hingeschrieben.“ Zumindest mit der Leistung des Orchesters zeigte sich Mahler zufrieden. Gutmann hatte seine schriftliche Orchesteraufstellung mit detaillierten Qualitätsanforderungen für jedes Instrument befolgt. Das Ergebnis der Proben war „colossal“ – aber nur zunächst. Wenige Tage vor der Uraufführung wollte Mahler dann noch kurzfristig – 22 – Oben: Gesamtprobe in der Neuen Musik-Festhalle Unten: Akustikprobe mit Soldaten als Zuhörern D ie Ur a u f f ü h r u n g den Münchner Konzertmeister durch einen entsprechenden Kollegen aus Wien ersetzen lassen. Mahler überlässt nichts dem Zufall. Alfred Roller, Bühnenbildner und Mahlers kongenialer Partner an der Wiener Hofoper, muss anreisen. Mit zusätzlichen Podesten und Treppen soll er die 850 Sänger auf der Bühne positionieren, um im Saal eine ausgewogene Klangbalance zu schaffen. Noch immer ist es nicht perfekt. Das Problem ist die direkt neben der Halle vorbeiführende Straßenbahnlinie ! Gutmann bittet in einem ausführlichen Brief an das Referat für Verkehrs- Klavier Hirsch ... seit 1888 Fachmännische Beratung Zuverlässiger Kundendienst im Meisterbetrieb Große Auswahl Stummschaltungen von Pianodisc Eigenes Übungsstudio Lindwurmstraße 1 80337 München Telefon: 2 60 95 23 Fax: 26 59 26 Nähe U-Bahn Sendlinger Tor www.klavierhirsch.de [email protected] angelegenheiten um eine „kunstfreundliche Verfügung“, den Straßenbahnverkehr während der Konzerte mit Mahlers „Achter“ einzustellen. So weit will die Stadt München für die Kunst aber nicht gehen; immerhin wird vereinbart, dass die Straßenbahnen „langsam und ohne Glockenzeichen vorübergleiten“. Gutmanns Werbetrommel Auch Gutmann überließ nichts dem Zufall. Bereits Anfang Januar 1910 wird in der Presse die Uraufführung in München angekündigt – zu einem Zeitpunkt, als noch nicht einmal die Beteiligung der Chöre gesichert ist... Die von Alfred Roller gestalteten Vorankündigungsplakate hängen in allen größeren deutschen und europäischen Städten aus, Kartenreservierungen können europaweit vorgenommen werden. Ab Juli berichtet die Presse nahezu wöchentlich, ab September sogar täglich über Mahler und seine Vorbereitungen zur Uraufführung; beim Uraufführungskonzert sind dann angeblich zweihundert Zeitungen vertreten. Im Vorfeld diente offenbar ganz München als Werbefläche, worüber sich ein Zeitzeuge beklagt: „So sehr ich mich geärgert habe, Mahlers trefflichen und seriösen Namen in jedem Trambahnwagen Freifahrten ausführen zu sehen, an Plakatsäulen im Bereiche des kleinsten Köters prangend betrachten zu müssen, im Fenster eines jeden der vielen Buchläden immer wieder ‚Mahler‘ photo- und lithographiert zu erblicken, und mich nur wunderte, daß sich das Münchner musikbeglückende Reise- und Konzertbureau das Parsevalluftschiff als fliegende Riesen-Mahler-Reklame hat entgehen lassen, so belehrte mich dann – 24 – D ie Ur a u f f ü h r u n g die Uraufführung der ‚Achten‘ von Mahler und das Werk selbst umso erfreulicher, daß ihr Schöpfer mit dem Klimbim vor dessen Erklingen nichts gemein haben konnte.“ Tatsächlich ist Mahler der riesige Werbeapparat nicht willkommen. Als Gutmann im Frühjahr 1910 plant, ein Ehrenkomitee für die Uraufführung zu bilden, fordert Mahler entrüstet „alle Comité-torei und (völlig überflüssige) Reclame“ zu unterlassen. Wie es Gutmann trotzdem gelang, das Ehrenkomitee durchzusetzen und gleichzeitig Mahlers Zorn zu mildern, als dieser erfuhr, dass Gutmann ohne sein Wissen den werbewirksamen Beinamen „Symphonie der Tausend“ in die Welt gesetzt hatte, wird die Nachwelt wohl nie erfahren. Mahler blieb nur noch die Verurteilung dieses Vorgehens als „Barnum und Bailey Methode“ – eine Anspielung auf die Werbemethoden des amerikanischen Großzirkus „Barnum & Bailey“. Trotz dieser Missstimmungen erarbeitete sich Gutmann den Respekt des Komponisten: „Gutmann macht seine Sache famos“, schreibt Mahler im Juni 1910, und auch in der Presse wird sein Einsatz durchaus positiv gewürdigt: „Es wäre unbillig, die aufopfernde Tätigkeit Emil Gutmanns nicht zu rühmen.“ den Wiener Singverein nach München bringen sollte, aufgrund vieler Absagen um einen Waggon gekürzt werden. Aus einem Dokument im Münchner Stadtarchiv zur Planung eines Frühstücks für sämtliche Mitwirkende geht aber hervor, dass der Leipziger RiedelVerein wie angekündigt mit 250 Sängern anreiste, der Wiener Singverein immerhin mit 229. Stimmen die Angaben zum Kinderchor (350), dann beläuft sich die Zahl der Mitwirkenden inklusive der acht Solisten tatsächlich auf 1.007. An beiden Konzertterminen war die Neue Musik-Festhalle ausverkauft, neben den über tausend Mitwirkenden fanden sich jeweils rund 3.200 Konzertbesucher in dem gigantischen Konzertsaal ein. Tausende feierten Mahler und sein „Opus summum“: „Als Mahler endlich am Pult erschien, erhob sich wie auf ein geheimes Zeichen das ganze Auditorium zunächst schweigend. Wie man einen König begrüßt. Erst als Mahler sichtlich überrascht dankte, brach ein Jubel los, wie man ihn selten bei solchen Anlässen gehört hat. Dies alles schon vor der Aufführung.“ Der Begeisterungssturm danach war noch größer und hielt fast eine halbe Stunde lang an. 1.000 Mitwirkende ? Trägt die Symphonie den von Gutmann geprägten Beinamen „Symphonie der Tausend“ denn überhaupt zurecht ? Waren wirklich 1.000 Musiker und Sänger beteiligt ? An der Zahl der Orchestermusiker – insgesamt 171 – besteht wenig Grund zum Zweifel, wohl aber an der Zahl der Choristen. Laut Mahler-Biograph Jonathan C. Carr musste der Sonderzug, der – 25 – M a h le r, N ie t z s c h e u n d d ie R e l i g i o n Mit Gott gegen „thönerne Götzen“ Hans Köhler „Die Kunst zu hören“ höchst fällige „Wiedergeburt in der Kunst zu hören...“ Dass die seinerzeit wie obszöne Pamphlete gehandelten Texte Friedrich Nietzsches, der am 25. August 1900 in geistiger Umnachtung in Weimar starb, nicht nur die Theologen, Philosophen und Schriftsteller, sondern auch die Musiker des Fin-de-Siècle faszinierten, hat einen besonderen, wenn auch nicht sofort und für jedermann einsehbaren Grund. Er ist in ihrer immanenten Musikbezogenheit zu suchen, die die Musiker der vorletzten Jahrhundertwende oft unfreiwillig in ihren Bann zog, zuweilen buchstäblich hypnotisierte. Die vielgerühmte Musikalität vor allem des „Zarathustra“ hatte schon Nietzsche selbst hervorgehoben. In einem Brief an seinen komponierenden Vertrauten Peter Gast heißt es: „Unter welche Rubrik gehört eigentlich dieser ‚Zarathustra‘ ? Ich glaube beinahe, unter die Symphonien !“ In „Ecce Homo“ wiederholt Nietzsche den synästhetischen Zuordnungsversuch, indem er angesichts der Silbenkatarakte seines entfesselten Sprachflusses anheimstellt: „Man darf vielleicht den ganzen ‚Zarathustra‘ unter die Musik rechnen !“ Vorausbedingung für die richtige Lektüre seiner „Sprachsymphonien“ sei allerdings eine Latente Musik Außer Richard Strauss, der im Sommer 1896 eine Tondichtung „Also sprach Zarathustra (frei nach Friedrich Nietzsche)“ vollendete, komponierten „Zarathustra“-Texte im selben Zeitraum Oscar Fried, Frederic Delius, Siegmund von Hausegger und vor allem Gustav Mahler, der noch zehn Jahre später in einem Interview die unbewusste Duplizität seiner und Strauss’ Nietzsche-Vertonungen damit erklärte, „dass wir beide als Musiker die sozusagen latente Musik in dem gewaltigen Werke Nietzsches herausgefühlt haben“. Mahler bezieht sich hier auf seine monumentale 3. Symphonie, in deren zahlreichen, poetisch bis programmatisch angelegten Satzüberschriften sich seine jahrelange Beschäftigung mit Nietzsches Schriften spiegelt – neben „Zarathustra“ vor allem „Die fröhliche Wissenschaft“. Vor Drucklegung ließ er jedoch alles auf Nietzsche Zurückweisende tilgen, so dass heute nur noch das Altsolo „O Mensch ! Gib acht !“ Mahlers Ringen um Nietzsches Philosophie verrät. Titelblatt der 1911 erschienenen Erstausgabe der Dirigierpartitur – 26 – M a h le r, N ie t z s c h e u n d d ie R e l i g i o n Moral oder Unmoral ? Zeitgenossen war es ein willkommenes Mittel affirmativer Selbstbestätigung. Warum musste Mahler überhaupt „ringen“ um Nietzsche, während Strauss sich den Verfasser des skandalumwitterten „Antichrist“ im Handumdrehen als bequemen „Hausphilosophen“ eroberte ? Im Februar 1893 hatte Strauss an seinen Jugendfreund Ludwig Thuille geschrieben, die Zeit der „Moralpredigten“ sei nun vorbei. Spielte er damit auf Nietzsches Selbstinterpretation in „Ecce Homo“ an, wo die Verweigerung jedwelchen Verkündens von „Moral“ als besondere Errungenschaft von „Also sprach Zarathustra“ gepriesen wird ? Nietzsche sagt dort über sein „Für Alle und Keinen“ geschriebenes Buch: „Hier redet kein ‚Prophet‘, keiner jener schauerlichen Zwitter von Krankheit und Willen zur Macht, die man Religionsstifter nennt. Hier redet kein Fanatiker, hier wird nicht ‚gepredigt‘, hier wird nicht Glauben verlangt !“ Was Strauss als Freibrief für weltanschaulichen Liberalismus deutete, musste Mahlers christliches „Missionsgefühl“ (so Gattin Alma) zutiefst verstören, obwohl anfangs auch für ihn – den zum Katholizismus konvertierten Juden – Nietzsche das „Dithyrambische“ als Lebensform verkörperte, den artistisch geträumten, gedichteten Daseinsrausch, in dem man ein Fanal der Befreiung von gründerzeitlichen Zwängen erblickte. Zumal aus antiklerikal-freigeistiger Perspektive ließ sich Nietzsches sensualistischer Subjektivismus zu einer Metaphysik der Diesseitigkeit überhöhen, der im Kampf gegen das „Ewig-Gestrige“ deutliche Überbau-Funktion zukam. Mit anderen Worten: Was für den kränklichen Philosophen mitunter kompensatorische Bedeutung gehabt haben mochte – für viele seiner Formale Bedenken Nicht so für Mahler ! Er bewunderte zwar das sprachliche Feuer von Nietzsches Prosa, die Sogwirkung seiner von größter Musikalität bestimmten Deklamationskunst, die ihn über diametrale weltanschauliche Gegensätze hinweglesen ließ. Doch wie es scheint, dürften „formale“ Bedenken gegen Nietzsches fragmentarische, sprunghafte Zitierund Formulierungskunst am Anfang von Mahlers „Umkehr“ gestanden haben: Der Symphoniker, der mithilfe struktureller Vernetzungstechnik große tektonische Zusammenhänge stiften wollte, beanstandete an Nietzsche eine epigrammatisch-aphoristische Denkweise, die seinem Streben nach formaler Geschlossenheit widersprach: Im Gegensatz zu Nietzsche war es Mahler immer darum zu tun, „Leben“ als „gewahrte Form“ zu definieren. Wenn Nietzsche modernste, quasi „filmische“ Techniken vorwegnahm wie Montage, Überblendung oder Schnitt, lehnte Mahler eine Optik, die sich auf einzelne Bilder oder fragmentarische Einsprengsel konzentrierte, zugunsten eines Formverständnisses, das „Form“ als „Zusammenhang“ deutet, entschieden ab. Mystik contra Liberalität Mahlers Beschäftigung mit Nietzsche begann vermutlich um 1891, also im Jahr seines Abschieds von Budapest, wo er seit 1888 die Position eines Operndirektors bekleidete. Vermittelt hatte die damals nicht selbstverständliche, in konservativen Kreisen verpönte – 28 – M a h le r, N ie t z s c h e u n d d ie R e l i g i o n Lektüre Mahlers um vier Jahre älterer, aus Galizien stammender Freund und Mentor Siegfried Salomo Lipiner, der hauptberuflich Bibliothekar des Österreichischen Reichsrates war, aber in seiner freiberuflichen Tätigkeit als Übersetzer des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz und Verfasser mystisch-religiöser Dramen seine eigentliche Bestimmung erblickte. Im Gedankenaustausch und zahlreichen Gesprächen mit Mahler, den Ehefrau Alma rückblickend einen „JudenChristen“ und zutiefst „christgläubig“ genannt hat, entwarf Lipiner eine großangelegte, als Mysterienspiel konzipierte „Christus“-Trilogie; sie ist zwar über weitschweifige Pläne nicht hinaus gediehen, dürfte aber Mahlers Religiosität nicht unwesentlich beeinflusst haben. Derselbe Lipiner, der bei Mahler den Grundstein für seine anfängliche NietzscheBegeisterung gelegt hatte, war offensichtlich auch Wegbereiter für seine spätestens um 1900 einsetzende, radikale Abwendung vom Autor des „Antichrist“. nach, die am Attersee neben Cervantes’ „Don Quijote“ zu Mahlers bevorzugter Ferienlektüre zählte. Im Sommer 1895 schließlich münden die „vormittägigen Ekstasen“ in die Textwahl „eines herrlichen Gedichts von Nietzsche“ als Grundlage für den 4. Satz der 3. Symphonie, die damals noch nach Nietzsches gleichnamigem Buch „Die fröhliche Wissenschaft“ betitelt war. An der später vorgenommenen Änderung in „Meine fröhliche Wissenschaft“ ist Mahlers Kurskorrektur und fortschreitende Distanzierung vom Autor der „Gaya scienza“ abzulesen: Der „Übermensch“ als Produkt eines elitären Sozialdarwinismus oder – noch schlimmer – „rassischer Auslese“ war dem „Juden-Christen“ Mahler begreiflicherweise nicht zugänglich. Er sah den Menschen als Produkt der „Mitte“, nicht des „Darüber“ – als „Primus inter pares“ eingebettet in eine von pansophischem Ganzheitsdenken geprägte Ahnung des Allzusammenhangs jeglicher Natur. „Meine fröhliche Wissenschaft“ Frühstück mit Nietzsche Trotz seiner Ablehnung von Nietzsches „Fluch auf das Christenthum“: Mit dem notorischen Querdenker teilt Mahler das „Ekstatische“ als überwältigende Qualität des Schaffensdrangs. Bruno Walter schwärmte nach einem Besuch in Steinbach am Attersee von Mahlers „vormittägigen Ekstasen“, solange er um die Realisierung seines „symphonischen Weltentraumes“ rang. Seiner langjährigen Freundin Anna von Mildenburg erklärte der Komponist im gleichen Zeitraum: „Man ist sozusagen nur ein Instrument, auf dem das Universum spielt...!“ Schon rein sprachlich wirkt hier der Duktus von Nietzsches Prosa Der Steit um die „richtige“ Bewertung Nietzsches gehörte auch zum Alltag von Mahlers Ehe mit Alma. Kaum 17 Jahre alt, berichtet sie, habe sich ihr „irrlichternder Geist“ an Nietzsche geklammert; als „wilde Nietzscheanerin“ stimmte sie ihre „Lebensmusikalität“ mit Nietzsche „auf gleichen Ton“. Sie muss entsetzt gewesen sein, als ihr Mahler in einem Brief vom Dezember 1901 „die ganz verlogene und schlimm-freche Herren‚Unmoral‘ Nietzsches“ vorhielt und seiner Braut empfahl, ihre Nietzsche-Gesamtausgabe „ins Feuer“ zu werfen. Wenn es in einem Brief Mahlers vom 1. April 1903 heißt: „Dieses – 29 – M a h le r, N ie t z s c h e u n d d ie R e l i g i o n Mahler als Missionar dumme Volk ! Ich bin sicher, dass sie alle Nietzsche schon zum Frühstück herunterfressen...!“, scheint der vom Saulus zum Paulus Mutierte vergessen zu haben, dass Nietzsche neben Goethe und „Des Knaben Wunderhorn“ noch im Herbst 1896 in Hamburg, wo ihn Natalie Bauer-Lechner aus nächster Nähe beobachten konnte, zur bevorzugten „morgendlichen Lektüre nach dem Frühstück“ gehörte. Wortgewaltige Feier des Nichts Nicht nur die 8. Symphonie mit ihrem im Dreifaltigkeitsdenken verankerten Pfingsthymnus und dem christlich verklärten Erlösungsschluss von „Faust II“ feiert metaphysische Ideale in unmittelbarer Nähe zu Glaubensinhalten des Katholizismus. Auch die „Auferstehungssymphonie“ und die Vokalteile der 3. und 4. Symphonie bewegen sich in Textauswahl und inhaltlicher Strategie auf eine Religiosität zu, die der sogenannten „Theothanatologie“ diametral entgegengesetzt ist. Die „Gott ist tot“-Theologie beruft sich nicht umsonst auf den berüchtigten Aphorismus 125 („Der tolle Mensch“) von Nietzsches „Fröhlicher Wissenschaft“, den Mahler bei seiner mehrfachen Lektüre dieses Buches wohl kaum übersehen haben kann: „Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts ? Haucht uns nicht der leere Raum an ? Ist es nicht kälter geworden ? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht ? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden ? Hören wir noch nichts von dem Lärm der Totengräber, welche Gott begraben ? Riechen wir noch nichts von der göttlichen Verwesung ? Auch Götter verwesen ! Gott ist tot ! Gott bleibt tot !“ Wen wundert es, dass sich der Komponist der „Auferstehungssymphonie“, in deren Schlussversen Gott als Garant und Inbegriff eines ewigen, unauslöschlichen Lebens fungiert, immer mehr von Nietzsche abgewandt hat ? „Ich bin von Gott und will wieder zu Gott“: Die schlichte, aber unerschütterliche Glaubensgewissheit, die in der „Wunderhorn“Vertonung „Urlicht“ so berührt, könnte als spirituelles Motto über Mahlers ganzem Leben stehen. Dass es ihm nach seiner Abwendung von Nietzsche nicht um eine „poetische Disqualifizierung“ des „Zarathustra“-Autors ging, betonte er am 5. Dezember 1901 in einem Brief an Ehefrau Alma. Dort erklärt er seine immer ausgeprägtere Aversion gegen den Apologeten der institutionalisierten „Freigeistigkeit“ mit seinem „Missionsgefühl“ für ein christlich definiertes Weltbild. Er bittet, ja er wirbt geradezu – wenn auch vergebens – um Almas Verständnis für sein „so eifervolles Bestreben, meinen Gott an die Stelle der ‚thönernen Götzen‘ zu stellen...“ – 30 – D ie K ü n s t le r Christian Thielemann Dirigent von Nürnberg“, „Parsifal“, „Tannhäuser“ und den „Ring des Nibelungen“. Darüber hinaus gibt Christian Thielemann Gastkonzerte bei den Berliner und Wiener Philharmonikern, bei der Staatskapelle Dresden, dem Concertgebouw Orkest Amsterdam, dem Israel Philharmonic Orchestra und dem Philharmonia Orchestra London; in den USA verbindet ihn eine regelmäßige Zusammenarbeit mit den Orchestern in New York, Philadelphia und Chicago. Christian Thielemann wurde in Berlin geboren und begann seine Laufbahn an der Deutschen Oper Berlin, wo er von 1997 bis 2004 Generalmusikdirektor war. Seit 2004 ist er Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker. Thielemann gastiert an den wichtigsten Opernhäusern der Welt, wie z. B. an der Wiener Staatsoper, der Metropolitan Opera New York und der Covent Garden Opera London; ebenso verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit dem Festspielhaus Baden-Baden. Bei den Bayreuther Festspielen dirigierte er „Die Meistersinger Für die UNITEL nehmen die Münchner Philharmoniker unter Christian Thielemann einen Bruckner- Zyklus und verschiedene andere Werke auf; mit den Wiener Philharmonikern erarbeitet Thielemann seit 2008 einen Beethoven-Zyklus, der pünktlich zur zyklischen Gesamtaufführung im Jahr 2010 auf DVD erscheint. Bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft wurden zahlreiche symphonische Werke und Opern unter Thielemanns Leitung veröffentlicht. Im Rahmen der Salzburger Festspiele 2011 leitet Christian Thielemann „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss. Ab der Saison 2012/13 ist Christian Thielemann Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden. – 31 – D ie K ü n s t le r Ricarda Merbeth Adrianne Pieczonka Sopran Sopran Die aus Chemnitz stammende Sopranistin studierte Gesang und Pädagogik in Leipzig. Von 1999 bis 2005 war sie festes Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Dort debütierte Ricarda Merbeth als Marzelline in „Fidelio“ und war in Partien wie Donna Anna, Contessa, Fiordiligi, Chrysothemis, Elisabeth, Eva und Daphne zu hören. Bei den WagnerFestspielen in Bayreuth debütierte Ricarda Merbeth im Jahr 2000 als Freia und Gutrune und sang ab 2002 die Elisabeth im „Tannhäuser“ unter Christian Thielemann. Zahlreiche Opernaufführungen an der Wiener Staatsoper sowie Gastspiele in führenden Opernhäusern und Konzertsälen absolvierte Ricarda Merbeth unter Leitung namhafter Dirigenten wie Giuseppe Sinopoli, Zubin Mehta, Seiji Ozawa, Myung-Whung Chung, Fabio Luisi, Valery Gergiev, Franz Welser-Möst und Christian Thielemann. 2007 wurde Ricarda Merbeth als Kaiserin in der international gefeierten Neuproduktion der „Frau ohne Schatten“ in Toulouse gefeiert. In der Spielzeit 2009/10 debütierte sie als Marietta in „Die tote Stadt“ und als Sieglinde in der „Walküre“ an der Pariser Opéra Bastille. Die kanadische Sopranistin erhielt ihre Ausbildung an den Universitäten von Western Ontario und Toronto. Nachdem sie sich im Jahr 1988 Erstplatzierungen bei renommierten Gesangswettbewerben ersungen hatte, wurde Adrianne Pieczonka Ensemblemitglied an der Wiener Volksoper, wo ihre Rollengestaltung als Tatjana („Eugen Onegin“) internationale Anerkennung erfuhr. Drei Jahre später wechselte Adrianne Pieczonka an die Wiener Staatsoper, wo sie seit 1991 regelmäßig und in zahlreichen Produktionen auf der Bühne steht. Mit Rollen wie Donna Anna, Desdemona, Elsa, Eva, Agathe, Marschallin, Sieglinde sowie mit den Titelrollen in „Katja Kabanova“ und „Arabella“ gastiert Adrianne Pieczonka heute an den großen Opernhäusern in Mailand, München, Zürich, Berlin, London, Barcelona, Los Angeles, Buenos Aires und New York sowie bei den Festspielen von Glyndebourne, Salzburg und Bayreuth. Als Konzertsängerin trat Adrianne Pieczonka im Wiener Konzerthaus, in der Pariser Salle Pleyel, im Lincoln Center und der Carnegie Hall in New York sowie beim Edinburgh Festival und Lucerne Festival auf. – 32 – D ie K ü n s t le r Lioba Braun Birgit Remmert Alt Alt Lioba Braun studierte zunächst Kirchenmusik und wurde anschließend von Charlotte Lehmann zur Mezzosopranistin ausgebildet. Nach einem Festengagement am Staatstheater Karlsruhe wechselte sie 1989 an die Wiener Volksoper, kurz darauf an die Wiener Staatsoper. Von 1993 bis 2003 war Lioba Braun in den großen MezzoPartien wie Eboli, Dalila, Azucena, Amneris, Ortrud, Kundry und Venus regelmäßig am Nationaltheater Mannheim zu erleben. Nach ihrem Einspringen bei den Bayreuther Festspielen 1994 als Brangäne unter Leitung von Daniel Barenboim begann ihre internationale Karriere als Wagner-Sängerin. Als solche sang sie u. a. an der Mailänder Scala, der Dresdner Semperoper, der Deutschen Oper Berlin, der Bayerischen Staatsoper München sowie an den Opernhäusern von Zürich, Stuttgart, Madrid, Barcelona und Los Angeles. Mit ihrem umfangreichen WagnerRepertoire war sie zudem über viele Jahre hinweg regelmäßig in Bayreuth engagiert. Lioba Braun arbeitet mit zahlreichen renommierten Orchestern zusammen, u. a. mit dem Concertgebouworkest Amsterdam und den Berliner Philharmonikern. Ausgebildet an der Musikhochschule Detmold, begann Birgit Remmert ihre Laufbahn nach zahlreichen Wettbewerbspreisen 1992 als Ensemblemitglied der Zürcher Oper. Dort erarbeitete sie sich zahlreiche Partien ihres Fachs, wie Farnace in Mozarts „Mitridate“, Verdis Ulrica oder Mrs. Quickly bis hin zu Saint-Saëns’ Dalila und Johann Strauß’ Orlofski; parallel dazu gastierte sie in Hamburg, Berlin, Dresden, Amsterdam, Madrid und Venedig. Bei den Bayreuther Festspielen 2000 und 2001 sang Birgit Remmert die Fricka, bei den Salzburger Festspielen 2004 war sie in Purcells „King Arthur“ zu erleben. 2009 kehrte sie mit ihrem Rollendebüt als Amme in „Die Frau ohne Schatten“ an die Zürcher Oper zurück. Einen großen Raum in Birgit Remmerts Terminkalender beanspruchen ihre weltweiten Konzertaktivitäten: Im Festkonzert zur Einweihung der wieder aufgebauten Dresdner Frauenkirche war sie in Beethovens „Missa solemnis“ zu hören; unter Simon Rattle sang sie Mahlers 2. Symphonie und Schönbergs „Gurrelieder“ mit den Wiener Philharmonikern auf USATournee sowie Mahlers 8. Symphonie bei den BBC Proms in London. – 33 – D ie K ü n s t le r Sybilla Rubens Burkhard Fritz Sopran Te n o r Sybilla Rubens studierte Konzert- und Operngesang an der Staatlichen Musikhochschule in Trossingen und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Darüber hinaus war sie im Rahmen ihrer Gesangsausbildung Mitglied der Meisterklassen von Irwin Gage, Edith Mathis und Elsa Cavelti. Sybilla Rubens tritt mit dem Concertgebouworkest Amsterdam, dem Gewandhausorchester Leipzig und zahlreichen anderen Orchestern auf. Sehr eng kooperiert sie mit Helmuth Rilling und der Stuttgarter Bachakademie, mit denen sie auch Konzertreisen durch Europa und Asien unternimmt. Projekte mit Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Michael Gielen und Jonathan Nott führten Sybilla Rubens zum Zürcher Tonhalle-Orchester, zur Camerata Academica Salzburg, zur Dresdner Philharmonie und zu den Bamberger Symphonikern. Sibylla Rubens gastiert bei allen großen europäischen Musikfestivals. Mit Thomas Quasthoff begeisterte sie in Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ bei der Schubertiade in Schwarzenberg. Der aus Hamburg stammende Tenor Burkhard Fritz erhielt seine Gesangsausbildung bei Ute Buge, besuchte Meisterkurse bei Alfredo Kraus und profitierte von der jahrelangen Zusammenarbeit mit Arturo Sergi. Neben seiner Gesangsausbildung absolvierte er ein Medizinstudium an der Universität Hamburg. Seit der Spielzeit 2004/05 ist Burkhard Fritz Ensemblemitglied der Staatsoper Berlin. Dort debütierte er als Lohengrin und sang im Frühjahr 2008 den Stolzing in „Die Meistersinger von Nürnberg“, jeweils unter Leitung von Daniel Barenboim. Im italienischen Fach konnte sich Burkhard Fritz als Cavaradossi in „Tosca“ und als Alvaro in „La forza del destino“ profilieren. Im Januar 2009 gab er ein vielbeachtetes Debüt als Don José in „Carmen“. Gastspiele führten Burkhard Fritz u. a. mit der 9. Symphonie von Beethoven an die Mailänder Scala und als Parsifal an die Wiener Staatsoper. Im Sommer 2007 debütierte er als Benvenuto Cellini bei den Salzburger Festspielen. Mit der Tenorpartie in Mahlers „Lied von der Erde“ war Burkhard Fritz unlängst in Hamburg zu hören. – 34 – D ie K ü n s t le r Roman Trekel Albert Dohmen Bariton Bass Der in Pirna bei Dresden geborene Bariton absolvierte sein Gesangsstudium an der Hochschule für Musik in Berlin bei Heinz Reeh. Von 1986 bis 1988 war er Mitglied des Opernstudios der Deutschen Staatsoper Berlin und wurde anschließend als festes Mitglied in das Ensemble übernommen. Derzeit singt Roman Trekel an der Deutschen Staatsoper Partien wie Mozarts Almaviva und Don Alfonso sowie Wolfram in „Tannhäuser“. Internationale Aufmerksamkeit erreichte er mit Debussys Pelléas unter Leitung von Michael Gielen. Nach seinem Debüt bei der Schubertiade Feldkirch (1993) wurde Trekel von der Presse enthusiastisch als Liedsänger gefeiert. Soloabende in der Wigmore Hall London, im Musikverein Wien, in Zürich, Brüssel, Atlanta, Chicago und New York schlossen sich an. Roman Trekel trat bei Orchesterkonzerten mit den Berliner Philharmonikern, dem Chicago Symphony Orchestra und dem Israel Philharmonic Orchestra auf und arbeitete mit Dirigenten wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim, Pierre Boulez und Georg Solti. Albert Dohmen kann auf eine langjährige internationale Karriere zurückblicken, deren erster Höhepunkt seine Verkörperung des Wozzeck bei den Salzburger Festspielen 1997 unter Leitung von Claudio Abbado war. In der Folgezeit trat er unter so namhaften Dirigenten wie Zubin Mehta, Giuseppe Sinopoli, Antonio Pappano, Valery Gergiev, Georges Prêtre und Georg Solti auf. Darüber hinaus etablierte sich Albert Dohmen als einer der führenden Wotane seiner Generation; er sang diese Partie bisher in Triest, Genf, Catania, Berlin, Wien und Amsterdam, und zwar jeweils im Rahmen kompletter „Ring“-Zyklen. Sein Debüt an der New Yorker Met gab Albert Dohmen 2003 als Jochanaan in Strauss’ „Salome“, bei den Bayreuther Festspielen trat er seit 2007 im „Ring des Nibelungen“ unter Christian Thielemann als Wotan auf. Auf dem Konzertsektor singt Albert Dohmen das gesamte Bassbaritonfach von Bach bis Schönberg; es seien nur das Brahms-Requiem beim Ravenna Festival 1997, das Fauré-Requiem im Wiener Musikverein 2000 und der „Elias“ bei den Zürcher Festwochen 1998 genannt. – 35 – D ie C h ö r e Philharmonischer Chor München Der Philharmonische Chor München ist einer der führenden großen Konzertchöre Deutschlands und Partnerchor der Münchner Philharmoniker. Sein Repertoire erstreckt sich von der frühen Mehrstimmigkeit bis hin zur Musik der Gegenwart und umfasst zahlreiche bekannte und weniger bekannte Werke: Anspruchsvolle a-cappella-Literatur aller Epochen und konzertante Opern von Mozart, Verdi, Puccini, Wagner und Strauss bis hin zu Schönbergs „Moses und Aron“ und Henzes „Bassariden“. Der Philharmonische Chor pflegt diese Literatur genauso wie die Chorwerke von Bach, Händel, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Bruckner, Reger, Strawinsky, Orff oder Penderecki. Er sang unter der Leitung so bedeutender Komponisten und Dirigenten wie Gustav Mahler, Hans Pfitzner, Krzysztof Penderecki, Rudolf Kempe, Herbert von Karajan, Sergiu Celibidache, Seiji Ozawa, Zubin Mehta, Lorin Maazel, Mariss Jansons, James Levine und Christian Thielemann. Um in dieser Bandbreite dem Publikum Stilsicherheit bieten zu können, tritt der Philharmonische Chor außer in der gängigen Konzertchor-Formation von etwa 100 Sängerinnen und Sängern auch in kleineren oder größeren Besetzungen auf. Die zusätzliche Arbeit in wechselnden Kammerchor- und Vokalensemble-Besetzungen versetzt ihn in die Lage, sowohl barocke als auch moderne Chorliteratur in jeweils geeigneter Formation auf höchstem Niveau zu singen. Im Be- reich Alte Musik folgte auf die erfolgreiche Aufführung der „Johannes-Passion“ von Johann Sebastian Bach unter Frans Brüggen eine Einladung zu den Dresdner Musikfestspielen. Neue Musik gewinnt ebenfalls an Stellenwert: So wirkte der Chor an der Uraufführung der 2. Symphonie von Peter Michael Hamel im Rahmen der „XI. Münchener Biennale“ mit. In zahlreichen Programmen des Philharmonischen Chors und seiner Ensembles waren und sind immer wieder Ur- und Erstaufführungen zu hören. Mittlerweile ist der Philharmonische Chor auch ein gefragter Interpret von konzertanten Opernchören. Diese von James Levine mit Aufführungen von „Fidelio“, „Idomeneo“, „Otello“, „Parsifal“ und „Moses und Aron“ begründete Tradition wurde inzwischen erfolgreich fortgesetzt, so u. a. mit einem großen Verdi-Chorabend und mit Auszügen aus Richard Wagners „Meistersingern“ unter Christian Thielemann. Darüber hinaus rundet der Philharmonische Chor sein Profil mit eigenen Konzerten und Aufnahmen ab, die sich regen Zuspruchs durch das Publikum erfreuen. Er ist gern gesehener Gast bei Konzertereignissen und Festivals in Deutschland sowie im europäischen und außereuropäischen Ausland. – 36 – D ie C h ö r e Andreas Herrmann Chorleiter Andreas Herrmann, geboren 1963 in München, übernahm 1996 als Chordirektor die künstlerische Leitung des Philharmonischen Chores München. Mit ihm realisierte er zahlreiche Einstudierungen für Dirigenten wie Christian Thielemann, James Levine, Zubin Mehta, Mariss Jansons, Lorin Maazel, Krzysztof Penderecki, Daniele Gatti, Frans Brüggen und viele andere. Seine Ausbildung an der Münchner Musikhochschule, zuletzt in der Meisterklasse von Michael Gläser, ergänzte Andreas Herrmann durch verschiedene internationale Chorleitungsseminare und Meisterkurse bei renommierten Chordirigenten wie Eric Ericson und Fritz Schieri. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München unterrichtet Herrmann seit 1996 Dirigieren/Chorleitung in den Studiengängen Chordirigieren, Komposition, Gehörbildung, Musiktheorie, Schul- und Kirchenmusik; 1998/99 und erneut 2001/02 wurde ihm die Vertretung des Lehrstuhls für Evangelische Kirchenmusik/Chordirigieren anvertraut. 2004/05 übernahm Herrmann interimistisch die Leitung des Madrigalchores der Hochschule für Musik und Theater München; ambitionierte Sonderprojekte, wie Konzertreisen nach Italien, TV-Aufnahmen, Uraufführungen Neuer Musik und die Gestaltung von Programmen mit Alter Musik und Originalinstrumenten standen hier im Vordergrund. Zehn Jahre, von 1996 bis 2006, leitete Andreas Herrmann den Hochschulchor und betreute in dieser Zeit unzählige Oratorienkonzerte, Opernaufführungen und a-cappellaProgramme aller musikalischen Stilrichtungen. Internationale Konzertreisen als Chor- und Oratoriendirigent führten Herrmann u. a. nach Italien, Frankreich, Österreich, Ungarn, Bulgarien, in die Schweiz und in die Volksrepublik China. Mit zahlreichen Chören, Orchestern und Ensembles entfaltet er über seine Position beim Philharmonischen Chor hinaus eine rege Konzerttätigkeit. – 37 – D ie C h ö r e Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, kurz „Wiener Singverein“ genannt, ist einer der führenden Konzertchöre des internationalen Musiklebens. 1858 gegründet, hat der Wiener Singverein im Laufe seiner langen Geschichte zentrale Werke des Chorrepertoires uraufgeführt – darunter die ersten drei Sätze des BrahmsRequiems, Bruckners „Te Deum“ und Franz Schmidts Oratorium „Das Buch mit sieben Siegeln“. Vor genau 100 Jahren führte die erste Chorreise des Singvereins nach München, wo er an der Uraufführung von Mahlers 8. Symphonie mitwirkte. In den mehr als 150 Jahren seiner Geschichte passte sich der Wiener Singverein den unentwegten Veränderungen des Musikbetriebs an und blieb dabei stets ein internationales Spitzenensemble. Mit Herbert von Karajan betrat er tonangebend das Medienzeitalter. In einer einzigartigen, mehr als vier Jahrzehnte dauernden Partnerschaft sang der Chor unter Karajan rund 250 Konzerte in Europa, Japan und den USA und war sein exklusiver Partner bei Oratorienaufnahmen auf Schallplatte und Video. Mit Johannes Prinz – Chordirektor seit 1991 – ging der Wiener Singverein als vielgefragter und stilistisch höchst flexibler Konzertchor ins 21. Jahrhundert. Der Chor arbeitet heute regelmäßig mit den international wichtigsten Dirigenten, darunter Georges Prêtre, Daniel Barenboim, Pierre Boulez, Mariss Jansons, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Seiji Ozawa, Simon Rattle, Christian Thielemann und Franz Welser-Möst; unter Thielemann war er 2010 Partner der Wiener Philharmoniker bei einer DVD-Neuproduktion der Beethoven-Symphonien. Ebenfalls 2010 erschien eine Live-Aufnahme des DvořákRequiems mit dem Concertgebouworkest Amsterdam unter Mariss Jansons. Weitere CD-Aufnahmen unter Mitwirkung des Wiener Singvereins entstanden zuletzt mit Mahlers 2. und 3. Symphonie unter Pierre Boulez – die Einspielung der „Dritten“ wurde mit einem Grammy ausgezeichnet. Künstlerisch zu Hause ist der Singverein im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, dessen Konzertleben er durch seine Auftritte entscheidend prägt. Daneben wird der Singverein regelmäßig zu internationalen Gastauftritten eingeladen. So konzertierte er mit den Berliner Philharmonikern 2006 unter Simon Rattle in Turin und 2009 unter Franz WelserMöst bei den Salzburger Osterfestspielen, sang 2007 erstmals in Moskau, reiste 2008 und 2009 nach Paris und Amsterdam und war 2009 Gast im japanischen Osaka. – 38 – D ie C h ö r e Johannes Prinz Chorleiter Johannes Prinz, in Wolfsberg / Kärnten geboren, wurde im Alter von neun Jahren Mitglied der Wiener Sängerknaben. Mit diesem Ensemble unternahm er als Sopransolist internationale Tourneen und fand in Ferdinand Grossmann einen wichtigen Lehrer, der seinen weiteren Weg ebenso bestimmte wie Erwin Ortner, bei dem er privat Chorleitung studierte. Seine akademische Ausbildung absolvierte Johannes Prinz an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien; hier schloss er seine Studien der Musik- und Instrumentalmusikerziehung und seine Ausbildung zum Gesangslehrer mit Auszeichnung ab und studierte zusätzlich Dirigieren bei Karl Österrei- cher. Als Chorleiter stand Johannes Prinz dem Chor der Wiener Wirtschaftsuniversität und dem Kammerchor der Wiener Musikuniversität vor und erreichte mit beiden Ensembles internationale Wettbewerbserfolge. Von 1995 bis 2007 war Prinz künstlerischer Leiter des Wiener Kammerchors. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien verpflichtete ihn 1991 als Chordirektor des Wiener Singvereins. Unter Prinz’ Leitung festigte der Chor sein Renommee als einer der international herausragenden Konzertchöre: Konzertprojekte mit führenden Orchestern und Dirigenten beweisen dies ebenso wie Einladungen zu Festivals, internationale Tourneen und Auszeichnungen für Tonaufnahmen – wie zuletzt der „Grammy Award“, mit dem eine Einspielung von Mahlers 3. Symphonie unter Pierre Boulez mit den Wiener Philharmonikern und dem Damenchor des Wiener Singvereins prämiert wurde. Als Gast übernahm Johannes Prinz u. a. beim Chor des Bayerischen Rundfunks die Choreinstudierung für ein Konzertprojekt mit Riccardo Muti, leitete 1998 den Europäischen Jugendchor und 2003 (zusammen mit Maria Guinand / Venezuela) den World Youth Choir. Im Jahr 2000 wurde Johannes Prinz als Universitätsprofessor für Chorleitung an die Kunstuniversität Graz berufen. – 39 – D ie C h ö r e Tölzer Knabenchor Der Tölzer Knabenchor wurde 1956 durch den Dirigenten und Gesangspädagogen Gerhard Schmidt-Gaden gegründet und feierte im Jahr 2006 sein 50-jähriges Bestehen. Seit 1971 probt der Chor auch in München. Mehr als 200 Knaben werden in vier Ausbildungsstufen vom Gründer und Chordirektor Gerhard Schmidt-Gaden, vom Künstlerischen Leiter Ralf Ludewig sowie von sieben weiteren Gesangspädagogen unterrichtet und später im Männerchor weiter betreut. Basis der Arbeit ist die Freude am Singen, gepaart mit Kreativität, Spontaneität und Selbstdisziplin. Nach Abschluss der Ausbildung singen Mitglieder des Tölzer Knabenchors weltweit jährlich bis zu 250 Konzerte oder Opernaufführungen. Das Repertoire umfasst dabei Werke der verschiedensten Stilrichtungen und Epochen von der Renaissance bis zur Gegenwart. Berühmtheit erlangten die Solisten des Tölzer Knabenchors mit den Partien der „Drei Knaben“ in Mozarts „Zauberflöte“ – allein in zwölf CD-Einspielungen dieses Werks wirkten Tölzer Knaben mit. Der Chor gastiert in Japan, China, Israel, USA und fast allen Ländern Europas. Namhafte Dirigenten wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim, Leonard Bernstein, Sergiu Celibidache, John Eliot Gardiner, Mariss Jansons, Herbert von Karajan, James Levine, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Kent Nagano und Georg Solti haben mit dem Tölzer Knabenchor gearbeitet. Der Chor erhielt zahlreiche Schallplattenpreise, so z. B. mehrere Sonderpreise für das „Orff-Schulwerk“, den Deutschen Schallplattenpreis für Bachs „Weihnachtsoratorium“, den französischen Schallplattenpreis für Mozarts „Apollo et Hyacinthus“ sowie den Diapason d’Or und den Echo-Klassik der Deutschen Phono-Akademie für die „Bußpsalmen Davids“ von Orlando di Lasso (2003). Der Tölzer Knabenchor wird durch den Freistaat Bayern, den Bezirk Oberbayern, die Stadt Bad Tölz und die Bayerische Volksstiftung gefördert. – 40 – D ie C h ö r e Gerhard Schmidt-Gaden Ralf Ludewig Chorleiter Chorleiter Gerhard SchmidtGaden, Gründer und langjähriger Chor direktor des Tölzer Knabenchors, wurde 1937 in Karlsbad geboren. Er studierte Dirigieren bei Kurt Eichhorn an der Münchner Musikhochschule und bei Kurt Thomas in Leipzig; seine Gesangsausbildung erhielt er bei Hanno Blaschke, Julius Patzak, Helge Rosvaenge, Otto Iro und Mario Tonelli. Prägend für Schmidt-Gadens musikalische Entwicklung war insbesondere die langjährige Zusammenarbeit mit Carl Orff und Nikolaus Harnoncourt. Als Dirigent v on Oratorienaufführungen trat Gerhard SchmidtGaden u. a. beim English Bach Festival, beim Israel Festival und bei verschiedenen BachFesten im deutschsprachigen Raum auf. Er dirigierte u. a. bei den Salzburger Festspielen, am Teatro La Fenice in Venedig und an der Mailänder Scala, wo er von 1984 bis 1989 auch als Chordirektor fungierte. Der international anerkannte Gesangspädagoge und Kinderstimmbildner hatte von 1980 bis 1988 eine Professur am Salzburger Mozarteum inne. Ralf Ludewig wurde 1967 in der Nähe von Bad Tölz geboren und von 1974 bis 1981 im Tölzer Knabenchor durch Gerhard SchmidtGaden ausgebildet. Als Knabensolist sang er unter Dirigenten wie Herbert von Karajan, Claudio Abbado und Nikolaus Harnoncourt in den großen Opernhäusern und Konzertsälen des In- und Auslandes. Seine musikalische Ausbildung ergänzte Ralf Ludewig in Holland und Osnabrück im Bereich Gesang, Dirigieren und Schulmusik; auch war er maßgeblich am Aufbau des Bach-Ensembles für Alte Musik in Holland beteiligt. Ralf Ludewig unterrichtete als Stimmbildner und Chorleiter an verschiedenen Musikschulen in Norddeutschland; 1997 erhielt er das Logopädie-Diplom. Mehrfach ausgezeichnet als Chordirigent und Gesangssolist, kehrte Ralf Ludewig 2002 zum Tölzer Knabenchor zurück, bei dem er seit 2009 gemeinsam mit Gerhard SchmidtGaden als künstlerischer Leiter tätig ist. – 41 – Das Orchester Die Münchner Philharmoniker Generalmusikdirektor Christian Thielemann Katrin Schirrmeister Persönliche Mitarbeiterin im Büro des Generalmusikdirektors Wolfram Lohschütz Martin Manz Céline Vaudé Yusi Chen Ching-Ting Chang Helena Madoka Berg N. N. N. N. N. N. N. N. Bratschen Vincent Aucante N. N. Solo Ehrendirigent 2. Violinen Burkhard Sigl Julia Rebekka Adler Zubin Mehta Simon Fordham Alexander Möck stv. Solo Stimmführer Max Spenger Herbert Stoiber Wolfgang Stingl Gunter Pretzel Wolfgang Berg Dirk Niewöhner Beate Springorum Agata Józefowicz-Fiołek Konstantin Sellheim Thaïs Coelho Julio Lopez 1. Violinen IIona Cudek Sreten Krstič Lorenz NasturicaHerschcovici Julian Shevlin stv. Stimmführerin Matthias Löhlein Vorspieler Konzertmeister Karel Eberle Odette Couch stv. Konzertmeister/in Manfred Hufnagel Masako Shinohe Claudia Sutil Philip Middleman Nenad Daleore Peter Becher Regina Matthes Josef Thoma Katharina Reichstaller Nils Schad Clara Bergius-Bühl Esther Merz Katharina Triendl Ana Vladanovic-Lebedinski Bernhard Metz Namiko Fuse Qi Zhou Clément Courtin Traudel Reich – 42 – Violoncelli Michael Hell Konzertmeister Monika Leskovar Solo Das Orchester Stephan Haack Thomas Ruge N. N. Fagotte stv. Solo stv. Solo Martin Belič Herbert Heim Veit Wenk-Wolff Sissy Schmidhuber Elke Funk-Hoever Manuel von der Nahmer Isolde Hayer Sven Faulian David Hausdorf Joachim Wohlgemuth Lyndon Watts Bence Bogányi Solo N. N. Piccoloflöte Jürgen Popp Barbara Kehrig Oboen Jörg Urbach Kontrafagott Ulrich Becker Marie-Luise Modersohn Solo Hörner Kontrabässe Lisa Outred Jörg Brückner N. N. Matthias Weber Sławomir Grenda Bernhard Berwanger Kai Rapsch Solo Solo Englischhorn David Moltz Ulrich Haider Alexander Preuß stv. Solo stv. Solo Klarinetten Stephan Graf Alexandra Gruber Laszlo Kuti Vorspieler Solo Holger Herrmann Erik Zeppezauer Stepan Kratochvil Jesper Ulfenstedt Shengni Guo Emilio Yepes Martinez Robert Ross Alois Schlemer Hubert Pilstl N. N. Annette Maucher stv. Solo Trompeten Matthias Ambrosius Guido Segers Florian Klingler Albert Osterhammer Solo Bassklarinette Bernhard Peschl Flöten stv. Solo Michael Martin Kofler Burkhard Jäckle Solo Franz Unterrainer Markus Rainer – 43 – Das Orchester Daniela Koch Posaunen Harfe Dany Bonvin David Rejano Cantero Sarah O’Brien Flöte Yukino Thompson Solo Solo Matthias Fischer Oboe Orchestervorstand stv. Solo Bernhard Weiß Claudia Mendel Klarinette Stephan Haack Wolfgang Berg Konstantin Sellheim Johannes Hofbauer Fagott Benjamin Appel Andreas Schiffler Bassposaune Posaune Markus Nimmervoll Tuba Thomas Walsh Stipendiaten der Orchesterakademie 2010/11 Tuba N. N. Schlagzeug Pauken Stefan Gagelmann Guido Rückel Solo Walter Schwarz stv. Solo Martha Cohen Oleksandra Fedosova Anne Schinz Julia Simon Violine Magdalena Brune Barbara Weiske Viola Schlagzeug Nikola Jovanovic Kristina Urban Sebastian Förschl Violoncello 1. Schlagzeuger Jörg Hannabach Johanna Blomenkamp José Antonio Cortez Kontrabass – 44 – Severine Schmid Harfe D ie C h r o n i k Kurze Geschichte der Münchner Philharmoniker Ihre Gründung verdanken die Münchner Philharmoniker der Privatinitiative von Franz Kaim, Sohn eines in Kirchheim/Teck ansässigen Klavierfabrikanten. 13. Oktober 1893 Hans Winderstein Der erste Chefdirigent leitet das Gründungskonzert. 1898 15. Dezember 1905 Felix von Weingartner wird zum neuen Chefdirigenten berufen – bis 1905. Max Reger Erstes Auftreten mit Werken von Franz Liszt und Hugo Wolf. 1898 19. Februar 1906 Volkssymphonie-Konzerte werden eingerichtet, um allen Bevölkerungsschichten Konzertbesuche zu ermöglichen. Herbst 1895 Hermann Zumpe wird neuer Leiter des Orchesters – bis 1897. 27. März 1897 Gustav Mahler Erstes Auftreten als Gastdirigent. 1897 Ferdinand Löwe Der Bruckner-Schüler und Begründer der BrucknerTradition der Münchner Philharmoniker übernimmt die Chefposition – bis 1898. Wilhelm Furtwängler Der 20-jährige gibt sein Debüt als Dirigent. 6. April 1907 25. November 1901 4. Symphonie von Gustav Mahler Uraufführung unter Leitung des Komponisten. Edvard Grieg dirigiert eigene Werke. Herbst 1908 3. April 1903 Ferdinand Löwe übernimmt zum zweiten Mal die Chefposition – bis 1914. Hans Pfitzner tritt zum ersten Mal als Komponist und Dirigent bei den Philharmonikern auf. 12. September 1910 Oktober 1905 Georg Schnéevoigt übernimmt die Position des Chefdirigenten – bis 1908. – 45 – Mahlers „Achte“ Der Komponist leitet die Uraufführung seiner zweiteiligen Vokalsymphonie. D ie C h r o n i k 20. November 1911 13. November 1930 25. April 1944 „Lied von der Erde“ Uraufführung von Mahlers nachgelassenem Werk unter Bruno Walter. Igor Strawinsky Der Komponist dirigiert eigene Werke. Katastrophe Ein Bombenangriff auf München legt die Tonhalle und den Odeonssaal in Schutt und Asche. 2. April 1932 Sommer 1915 Erster Weltkrieg Stilllegung des Orchesters. Saison 1919/20 Neubeginn mit Pfitzner Der Komponist Hans Pfitzner übernimmt die Leitung des Orchesters. 9. Symphonie von Anton Bruckner Uraufführung der Originalfassung unter Leitung von Siegmund von Hausegger, der am 28. Oktober 1935 auch die Uraufführung der Originalfassung der 5. Symphonie dirigiert. 3. Februar 1937 Oktober 1920 Siegmund von Hausegger wird Chefdirigent – bis 1938. 21. Februar 1924 Anton Bruckners 100. Geburtstag Die Philharmoniker feiern ihn mit einer Reihe von Sonderkonzerten. 7. Oktober 1924 Ethel Leginska Zum ersten Mal tritt eine Frau vor das Orchester – als Dirigentin, Pianistin und Komponistin. Oswald Kabasta stellt sich mit Bruckners „Achter“ erstmalig in München vor und wird ab 1938 neuer künstlerischer Leiter – bis 1944. Herbst 1938 „Orchester der Hauptstadt der Bewegung“ Auf Wunsch Hitlers tragen die Philharmoniker fortan diesen „Ehrentitel“ – bis 1944. – 46 – 9. August 1944 Letztes Konzert Das Orchester wird zum zweiten Mal stillgelegt. 8. Juli 1945 Erstes Konzert Eugen Jochum dirigiert im Prinzregententheater das erste Konzert nach dem Zweiten Weltkrieg. Herbst 1945 Hans Rosbaud wird neuer Chefdirigent der Münchner Philharmoniker – bis 1948. Herbst 1949 Fritz Rieger wird neuer Chefdirigent – bis 1966. D ie C h r o n i k Saison 1953/54 25. April 1988 20. Oktober 2005 „Konzerte für die Jugend“ Die Tradition der heutigen „Jugendkonzerte“ wird begründet. Luigi Nono leitet die Uraufführung seiner Komposition „Caminantes … Ayacucho“. Vatikan-Konzert Die Münchner Philharmoniker geben unter Christian Thielemann ein Konzert vor Papst Benedikt XVI. in Rom. 25. März 1953 September 1999 Herkulessaal Der Herkulessaal wird vorübergehend Heimstätte der Münchner Philharmoniker. James Levine wird neuer Chefdirigent – bis 2004. Januar 2009 Juli 2000 1. Januar 1967 Rudolf Kempe wird neuer Generalmusikdirektor – bis zu seinem Tod 1976. 19. Juni 1979 Sergiu Celibidache übernimmt die Leitung des Orchesters – bis zu seinem Tod 1996. 10. November 1985 Philharmonie im Gasteig Die Münchner Philharmoniker beziehen nach über 40 Jahren wieder einen eigenen Konzertsaal. „Klassik am Odeonsplatz“ Erstes Open-Air-Konzert – seit 2002 jährlich. Januar 2004 Zubin Mehta wird zum ersten „Ehrendirigenten“ in der Geschichte des Orchesters ernannt. 29. Oktober 2004 Christian Thielemann dirigiert sein Antrittskonzert als neuer Generalmusikdirektor – bis 2011. – 47 – Festspielhaus Baden-Baden Unter Christian Thielemann wird Strauss’ „Rosenkavalier“ aufgeführt, dem ein Jahr später die „Elektra“ folgt. Impressum Herausgeber Corporate Design Intendanz der Münchner Philharmoniker Generalmusikdirektor: Christian Thielemann Intendant: Paul Müller Musikdramaturg: Stephan Kohler Kellerstraße 4, 81667 München Gesamtherstellung dm druckmedien gmbh · München Lektorat und Gestaltung Auswahl, Zusammenstellung und Gesamtredaktion: Stephan Kohler (verantwortlich) Redaktionelle Mitarbeit: Christine Möller Marketing und Vertrieb Tel +49 (0)89/480 98-5100 Fax +49 (0)89/480 98-5130 [email protected] Textnachweise Michael Kube, Christine Möller und Hans Köhler schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Die Wiedergabe der Gesangstexte folgt den von Gustav Mahler komponierten (und während des Komponierens zum Teil eingreifend veränderten) Textvorlagen in der Fassung des Erstdrucks der Dirigierpartitur (Wien 1911). Die lexikalischen Angaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken verfasste Stephan Kohler, die Künstlerbiographien Christine Möller. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungsund kostenpflichtig. Bildnachweise Abbildungen zu Gustav Mahler und seiner 8. Symphonie: Gilbert Kaplan (Hrsg.), Das Mahler Album, New York / Wien 1995; Kurt Blaukopf und Zoltan Roman, Mahler – Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössischen Bildern und Texten, Wien 1976; Sammlung Stephan Kohler, München; Archiv der Münchner Philharmoniker. Anzeigenverkauf G.o.MediaMarketing und Vertriebs GmbH Heydornweg 1, 22587 Hamburg Ansprechpartnerin: Angela Großmann Tel 040/28 57 63 09, Fax 040/28 57 63 10 [email protected] Abonnementbüro Tel +49 (0)89/480 98-5500 Fax +49 (0)89/480 98-5400 [email protected] Mo–Do 9:30–18:00 Uhr, Fr 9:30–13:00 Uhr Einzelkartenverkauf München Ticket GmbH Postfach 20 14 13, 80014 München Tel 0180 54 81 81 8 (€ 0,14 pro Minute) Fax +49 (0)89/54 81 81 54 Mo–Fr 9:00–20:00 Uhr, Sa 9:00–16:00 Uhr www.muenchenticket.de KlassikLine (Kartenverkauf mit Beratung) Tel 0180 54 81 810 (€ 0,14 pro Minute)* Mo–Fr 9:00–18:00 Uhr Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte FocusArt Natural. (*) 0,14 €/Min. aus dem dt. Festnetz, max. 0,42 €/Min. aus dem Mobilfunk 113 . S p i e l z e i t s e i t d e r G r ü n d u n g 18 9 3 C h r i s t i a n T h ie le m a n n G e n e r a l m u s i k d i r e k t o r Pa u l M ü l le r I n t e n d a n t Zubin Mehta Samstag, 18. September 2010, 19 Uhr Sonntag, 19. September 2010, 11 Uhr