Kapitel 2 Grundbegriffe 2.1 Logik Logisch denken können wir alle schon. Ergänzungen und Vereinheitlichungen: 2.1.1 Aussagen Eine Aussage ist immer entweder wahr oder falsch. Tertium non datur. ”London ist die Hauptstadt von England.“ ist eine wahre Aussage. ”2 + 3 = 5“ ist eine wahre Aussage. ”Freising ist die Hauptstadt von Bayern.“ ist eine falsche Aussage. 1 ”Weihenstephan ist der kulturelle Mittelpunkt Bayerns.“ ist keine Aussage. ”Guten Morgen!“ ist keine Aussage. ”Der Kaffee ist fertig.“ ist im allgemeinen keine sinnvolle Aussage, da zeit- und ortsabhängig. 2.1.2 Einige Aussagenverbindungen Im folgenden kürzen wir ab: Seien A und B Aussagen. Die Aussage ”A und B“ ist wahr genau dann, wenn sowohl die Aussage A als auch die Aussage B wahr ist. Statt ”A und B“ schreibt man kurz ”A ∧ B“. A und B . . . Konjunktion von A und B Die Aussage ”A oder B“ ist wahr genau dann, wenn mindestens eine der beiden Aussagen A, B wahr ist, also: 2 wenn die Aussage A wahr und die Aussage B falsch ist oder die Aussage B wahr und die Aussage A falsch ist oder beide Aussagen A und B wahr sind. Die Aussage ”A oder B“ ist also falsch genau dann, wenn sowohl die Aussage A als auch die Aussage B falsch ist. Statt ”A oder B“ schreibt man kurz ”A ∨ B“. A oder B . . . Disjunktion von A und B Will man zum Ausdruck bringen, dass A oder B gelten soll, aber nicht gleichzeitig A und B, so muss man ausführlicher formulieren. Die Aussage ”nicht A“ ist wahr genau dann, wenn die Aussage A falsch ist. Statt ”nicht A“ schreibt man kurz ”¬A“. ¬A . . . Negation von A 3 2.1.3 Schlüsse Manchmal will man Schlüsse ziehen, zum Beispiel nach dem uralten Muster: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also ist Sokrates sterblich. (Das war eben ein Syllogismus.) Zum Schließen ist die folgende Aussagenverbindung nützlich: ”Aus A folgt B“ auch geschrieben als ”A ist hinreichend für B“ auch geschrieben als ”B ist notwendig für A“ , in Zeichen kurz: A ⇒ B. A ⇒ B . . . Implikation Die Aussagenverbindung ”A ⇒ B“ ist wahr genau dann, wenn B wahr oder A falsch ist. 4 Warum ist das so? Das ist eine Vereinbarung. Darf man das einfach vereinbaren? Ja, denn vorher ist die Bedeutung von ”A ⇒ B“ noch nicht festgelegt. Warum vereinbart man so? Man will aus A und A ⇒ B auf die Gültigkeit von B schließen können. Auf die Wahrheit von A ⇒ B kommt es nur dann an, wenn A wahr ist. Um einfacher schließen zu können vereinbart man so wie oben. Statt ”B ⇒ A“ schreibt man auch ”A ⇐ B“. Beispiel: Die Aussage ”Wenn es regnet, dann ist die Straße nass.“ ist wahr, wenn die Straße nass ist, aber auch dann, wenn es nicht regnet. 5 Beispiel: Die Aussage ”Wenn ich eine Million Euro hätte, gäbe ich jedem Studenten im Hörsaal tausend Euro.“ ist wahr, weil ich keine Million Euro habe. Beispiel: Die Aussage ”Wenn eine ganze Zahl n durch 6 teilbar ist, dann ist sie auch durch 3 teilbar“ kann man beweisen. Beim Beweis darf man voraussetzen, dass eine ganze Zahl n gegeben ist, die durch 6 teilbar ist. Zeigen muss man dann, dass n durch 3 teilbar ist. Statt ”(A ⇒ B) ∧ (A ⇐ B)“ schreibt man kurz ”A ⇔ B“ und sagt dafür: Aus A folgt B und aus B folgt A oder A genau dann, wenn B oder A ist notwendig und hinreichend für B. A ⇔ B . . . Äquivalenz 6 2.1.4 Einige weitere Abkürzungen und Sprechweisen, Prädikatenlogik Statt ”Für alle ...“ schreibt man kurz: ∀ . . .. Statt ”Es gibt (mindestens) ein ...“ schreibt man kurz: ∃ . . .. Jede Gans hat zwei Beine. Du hast zwei Beine. Also bist Du eine Gans. Das war eben falsch! Jede Gans hat zwei Beine. Du bist eine Gans. Also hast Du zwei Beine. Das war eben logisch richtig, aber die zweite Voraussetzung war nicht erfüllt! ∀ heißt Allquantor. ∃ heißt Existenzquantor. Beide Quantoren sind praktische Abkürzungen. Wenn in einem Ausdruck (mindestens) einer dieser 7 Quantoren vorkommt, geht es nicht mehr um Aussagenlogik, sondern um Prädikatenlogik. Anwendung: Die Menge der ganzen Zahlen 0, 1, -1, 2, -2, 3, -3, . . . bezeichnen wir mit Z. Vereinbarung: m ∈ Z ist ein Teiler von n ∈ Z genau dann, wenn gilt: Es gibt eine ganze Zahl z, so dass gilt: n = m · z. in Zeichen: ∀m, n ∈ Z : [m | n :⇔ [∃z ∈ Z : n = m · z]]. Das Zeichen :⇔ oder ⇔: bedeutet: Diejenige Aussage, die auf der Seite des Zeichens mit dem Doppelpunkt steht, wird definiert durch diejenige Aussage, die auf der anderen Seite des Zeichens steht. Gilt 4 | −8? Gilt 7 | 12? Gilt 13 | 0? 8 Gilt 0 | 0? Nach der Vereinbarung gilt 0 | 0. Das hat nichts damit zu tun, dass man durch 0 nicht teilen darf! Wir beweisen jetzt die Aussage: ”Wenn eine ganze Zahl n durch 6 teilbar ist, dann ist sie auch durch 3 teilbar.“ Vor.: 6 | n Beh.: 3 | n Bew.: 6 | n ⇒ ∃z ∈ Z : n = 6 · z = (3 · 2) · z = 3 · (2 · z). Da 2 · z =: z 0 ∈ Z, ist n = 3 · z 0 mit z 0 ∈ Z, also gilt 3 | n. 2.2 Mengenlehre Mengenlehre kennen wir aus Kindergarten und Schule. 9 2.2.1 Grundlegende Begriffe Begründer der Mengenlehre: Georg Cantor (1845 - 1918) Menge: Zusammenfassung von bestimmten, wohlunterschiedenen Gegenständen unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Die zu einer Menge zusammengefassten Gegenstände heißen die Elemente der Menge. Die Menge {4, 3, 7, 3, 4, 2, 1, 7, 6, 4, 4, 3, 7, 1, 5, 9} ist gleich der Menge {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9}. Will man mehrfach auftretende Elemente mehrfach berücksichtigt haben, so genügt es nicht, eine Menge zu betrachten. Man spricht dann zum Beispiel von einer Folge. Schreibweisen: 10 a ∈ A bedeutet: a ist Element der Menge A. a 6∈ A bedeutet: a ist nicht Element der Menge A. A := {a1, a2, ..., an} bedeutet: Wir bezeichnen die Menge mit den Elementen a1, a2, ..., an mit dem Buchstaben A. Der Doppelpunkt beim ”definierenden Gleichheitszeichen“ steht auf derselben Seite des Gleichheitszeichens wie die dadurch definierte Bezeichnung. Y =: X bedeutet also: Wir führen für das bereits bekannte Y die neue Bezeichnung X ein. (Das erinnert vielleicht an :⇔ und ⇔:) Es gibt endliche Mengen und unendliche Mengen. Die Menge A aller Elemente mit der Eigenschaft E schreiben wir als A := {x : x hat die Eigenschaft E}. Dabei ist immer zu überlegen, ob die Mengenbildung sinnvoll ist. 11 A1 := {x : x ist ein viereckiger Kreis} ist sinnvoll, denn das ist einfach die leere Menge, auch geschrieben als { } oder ∅. A2 := {x : x ist ein Gedanke } ist sinnlos, ebenso A3 := {x : x ist eine Menge}. Seien A, B Mengen. Ist dann jedes Element a der Menge A auch Element der Menge B, so heißt A Teilmenge oder Untermenge der Menge B, in Zeichen: A ⊂ B :⇔ (a ∈ A ⇒ a ∈ B). Die Klammern sind wichtig! Erinnerung: Der Doppelpunkt steht auf der Seite des Zeichens ”⇔“, die durch die andere Seite definiert wird. Die Aufschreibung ”in Zeichen“ ist meist kürzer, übersichtlicher, leichter lesbar, verständlicher und eindeutiger als die Aufschreibung in Worten, 12 wenn man die Zeichen kennt und mit ihnen umgehen kann! Die Anzahl der Elemente einer Menge M heißt auch die Mächtigkeit |M | von M . Ist M eine unendliche Menge, so schreibt man |M | =: ∞. 2.2.2 Bekannte Mengen N := {1, 2, 3, . . .}, Menge der natürlichen Zahlen, N0 := N ∪ {0} Z := {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .}, Menge der ganzen Zahlen Q := { nz : z, n ∈ Z, n 6= 0}, Menge der rationalen Zahlen R Menge der reellen Zahlen, wird später genauer betrachtet C Menge der komplexen Zahlen 13 2.2.3 Einfache Mengenoperationen A ∩ B := {x : x ∈ A ∧ x ∈ B} heißt der Durchschnitt oder die Schnittmenge von A und B. Zwei Mengen A, B, die kein gemeinsames Element haben, heißen disjunkt, in Zeichen: A, B disjunkt :⇔ A ∩ B = ∅. A ∪ B := {x : x ∈ A ∨ x ∈ B} heißt die Vereinigung oder die Vereinigungsmenge von A und B. Für zwei Mengen A, B gilt: |A ∪ B| ≤ |A| + |B|. Genauer: Für zwei endliche Mengen A, B gilt: |A ∪ B| = |A| + |B| − |A ∩ B| Anhand einer Skizze (Euler-Venn-Diagramm) glaubt man das sofort. Für ∩ und ∪ gelten die folgenden Distributivgesetze, die später gebraucht werden: A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C), 14 A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C). Beweisgliederung: Man zeigt zweierlei: A ∪ (B ∩ C) ⊂ (A ∪ B) ∩ (A ∪ C) und (A ∪ B) ∩ (A ∪ C) ⊂ A ∪ (B ∩ C) A \ B := {x : x ∈ A ∧ x ∈ 6 B} heißt die Differenz(menge) von A und B oder das Komplement von B bezüglich A. Für zwei Mengen A, B gilt: |A ∪ B| = |A \ B| + |B \ A| + |A ∩ B|. (Euler-Venn-Diagramm!) Nützliche Abkürzungen sind noch: Q∗ := Q \ {0}, R∗ := R \ {0}, Q+ := {q ∈ Q : q ≥ 0}, R+ := {r ∈ R : r ≥ 0}. Was ist dann z.B. wohl Q∗+? A × B := {(a, b) : a ∈ A, b ∈ B} heißt das kartesische Produkt von A und B. 15 (nach Renatus Cartesius = René Descartes (1596 1650)) A × B ist also die Menge aller geordneten Paare von Elementen aus A und aus B, wobei das erste Element immer aus A und das zweite immer aus B ist. A2 := A × A. Allgemeiner für n ∈ N: A1 × A2 × . . . × An := {(a1, a2, . . . , an) : k ∈ {1, 2, . . . , n}, ak ∈ Ak } heißt ebenfalls kartesisches Produkt. Ist A1 = A2 = . . . = An =: A, so ist A1 × A2 × . . . × An =: An. Veranschaulichung für einige einfache Fälle: R1 = R: Zahlengerade oder Zahlenstrahl (eindimensional) R2: xy-Ebene oder x1x2-Ebene (zweidimensional) 16 R3: xyz-Raum oder x1x2x3-Raum (dreidimensional) Rn: x1x2 . . . xn-Raum (n-dimensional) Der Rn ist ein erstes Beispiel eines n-dimensionalen Raumes. Simple Anwendung: Ein Wirt bietet Bier, Rotwein, Weißwein und Apfelsaft an. Das an einem Tag verkaufte Volumen (z.B. in Litern gemessen) schreibt er auf als (b, r, w, a) =: v. v ist ein Punkt in dem vierdimensionalen Raum R4. An einem Tag verkauft der Wirt v1 = (43, 72, 26, 5), an einem anderen Tag v2 = (16, 43, 18, 11). Das legt folgende Festlegung nahe: An den beiden Tagen zusammen hat der Wirt verkauft: v1 + v2 := (43 + 16, 72 + 43, 26 + 18, 5 + 11) ∈ R4 17