Teilchen im elektromagnetischen Feld

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Kapitel 5
Teilchen im elektromagnetischen Feld
Ausgearbeitet von Klaus Henrich, Mathias Dubke und Thomas Herwig
Der erste Schritt zur Lösung eines quantenmechanischen Problems ist gewöhnlich das Aufstellen des Hamiltonoperators. Im ersten Abschnitt wird dieses Problem für ein geladenes Punktteilchen im elektromagnetischen
Feld durchgeführt.
5.1
Der Hamiltonoperator
Um ein Teilchen im elektromagnetischen Feld beschreiben zu können, benötigen wir zuerst die Gleichungen für
das Feld. Dies sind die vier Maxwell’schen Gleichungen (wir beschränken uns auf ein Teilchen im Vakuum u = =
1). Dabei benutzen wir die Gauß’schen Einheiten. Diese sind unter anderem durch den Proportionalitätsfaktor
1 im Coulomb’schen Gesetz
q1 q2
F~ = 2 ~rˆ12
r12
und durch die Ausbreitungsgeschwindigkeit c elektromagnetischer Wellen im Vakuum bestimmt. Die Maxwell’schen Gleichungen:
1. Die Quelle des elektrischen Feldes ist die Ladungsdichte:
~ = 4πρ (Coulombgleichung)
div E
2. Induktionsgesetz:
~ =−
rot E
1 ∂ ~
B (Faradaygleichung)
c ∂t
3.
~ (Ampere-Maxwell-Gleichung)
~ = 4π ~j + 1 ∂ E
rot B
c
c ∂t
wobei
1 ∂4π
c ∂t
~ der Maxwell’sche Verschiebungsstrom ist.
E
4. Es gibt keine isolierte magnetische Monopole:
~ =0
div B
109
~ geschrieben werden kann:
Aus Gleichung 4 folgt, dass das Magnetfeld als Rotation eines Vektorpotentials A
~ = rot A
~
B
Setzt man das in die Faradaygleichung ein, so erhält man:
!
1 ∂ ~
~
rot E +
A =0
c ∂t
~+
Daraus wiederum folgt, dass sich E
1 ∂
c ∂t
~ als Gradient eines skalaren Potentials Ψ darstellen lässt:
A
~+1 ∂ A
~ =
E
c ∂t
~
E
−grad Ψ
=
−grad Ψ −
1 ∂ ~
A
c ∂t
~ und des Skalarpotentials Ψ können wir in der Elektrodynamik das
Durch Einführung des Vektorpotentials A
elektrische und das magnetische Feld eindeutig bestimmen. Die Potentiale sind jedoch bei gegebenen Feldern
nicht eindeutig. Sie können noch mit Hilfe eines stetig differenzierbaren reellen Skalarfeldes wie folgt umgeeicht
werden:
e~
~ + grad Λ
A
=A
~ bleibt unverändert wegen rot grad Λ = 0.
⇒B
Ψ=Ψ−
1 ∂
Λ
c ∂t
~ bleibt unverändert, denn:
⇒E
e
~
E
=
=
=
1 ∂ e~
A
c ∂t
!
1
∂
1 ∂ ~ 1 ∂
− grad Ψ + grad
Λ −
A−
grad Λ
c
∂t
c ∂t
c ∂t
−grad Ψ −
−grad Ψ −
1 ∂ ~
~
A=E
c ∂t
~ = 0, so nennt man diese Umeichung Coulomb-Eichung.
Wenn Λ(~r, t) gerade so gewählt ist, dass div A
Bemerkung:
~ noch nicht eindeutig festgelegt.
Auch durch die Coulomb-Eichung wird A
Die Newton’sche Bewegungsgleichung für ein Punktteilchen mit der Ladung q im elektromagnetischen Feld
lautet:
~
~ + q ~r˙ × B
m ~r¨ = q E
c
Der Übergang zur Quantenmechanik führt aber über die Hamilton’sche Formulierung der klassischen Mechanik.
Es soll nun gezeigt werden, dass sich diese Bewegungsgleichung aus der Hamilton-Funktion
!2
1
q ~
H(~
p, ~r) =
~− A +qΨ
p
2m
c
110
ableiten lässt. Mit den Hamilton’schen Bewegungsgleichungen
ẋi
=
ṗi
=
∂H
und
∂pi
∂H
−
∂xi
wird:
ẋi
=
ṗi
=
=
!
q
pi − Ai und
c
!
!
q ∂ ~
∂
q ~
1
−
A −q
Ψ
~p − A
−
m
c
c ∂xi
∂xi
1
m
~
q ˙ ∂A
∂
−q
Ψ
~r
c ∂xi
∂xi
Man berechnet nun:
=
mẍi
~ =
A
d ∂H
dt ∂pi
d ~ X
~
A ~r(t), t ⇒
A=
dt
j
m
~ dxj
∂A
∂xj dt
!
+
~
∂A
∂t
wird:
ẍi
=
=
d ∂H
q X ∂Ai dxj
1
∂Ai
ṗi −
=
+
dt ∂pi
m
c
∂x
dt
∂t
j
j
!!
1
q
~ Ai + ∂Ai
~r˙ ∇
ṗi −
m
c
∂t
!!
∂H
ein, so ergibt sich für mẍi :
Setzt man nun hier den verallgemeinerten Impuls pi mit ṗi = − ∂x
i
mẍi = q
1 ∂Ai
∂
Ψ−
−
∂xi
c ∂t
!
q
+
c
!
˙~r ∂ A
~ Ai
~ − ~r˙ ∇
∂xi
Daraus ergibt sich mit
~
E
=
~ Ψ−
−∇
~
B
=
~
rot A
1 ∂ ~
A
c ∂t
und der Relation
˙~r × rot A
~ = ~r˙ ∂ A
~ − ~r˙ · ∇
~ A
~x
∂x
x
genau die Newton’sche Bewegungsgleichung:
mẍi = q Ei +
~ i = ~r˙
Die Relation [~r˙ × rot A]
∂
∂xi
q ˙ ~
~r × B
c
i
~ − (~r˙ ∇)
~ Ai sei noch verifiziert aus
A
111
~a × ~b × ~c = ~b ~a~c − ~a~b ~c
folgt:
~ − ~r˙ ∇
~ Ai
~ ×A
~
~r˙ × ∇
= ∇0i ~r˙ A
i
~ und nicht auf ~r˙ :
Hierin wirkt ∇0i nun auf A
⇒
∂ ~
~ Ai (q.e.d.)
~ ×A
~
A − ~r˙ ∇
~r˙ × ∇
= ~r˙
∂xi
i
Um größere Allgemeinheit zu erreichen, fügen wir der Hamilton-Funktion H noch ein Potential U (~r) hinzu, das
z.B. Kernkräfte oder schwache Wechselwirkung repräsentieren kann:
!2
1
q~
H p~, ~r =
p~ − A + q Ψ + U (~r)
2m
c
U (r)
Bereich des Coulombpotentials
(Protonen)
r
Bereich des Kernpotentials
Abb. 5.1:
p~ ist in dieser Gleichung der generalisierte Impuls und stimmt nicht mit dem überein, was wir gewöhnlich Impuls
nennen. Da aber p~ Impuls im Sinne der Hamilton-Mechnaik ist und wir beim Übergang von der klassischen
Mechanik zur Quantenmechanik immer über die Hamilton’sche Formulierung gehen, setzen wir auch diesmal
~ ein:
zur Ortsdarstellung des Hamiltonoperators Ĥ für p~ den Operator p~ = ~i ∇
Ĥ =
2
1 2
q
~ + A~
~p + q A
~ 2 + q Ψ + U (~r)
p~A
p~ −
2m
2mc
2mc2
~ r , t) im Allgemeinen nicht vertauschen. Wegen
Dabei haben wir beachtet, dass p~ und A(~
~ Aψ
~
~ A
~ ψ+A
~ ∇
~ ψ
∇
= ∇
~ A
~ = 0 gilt:
worin wegen der Coulomb-Eichung ∇
⇒ Ĥ =
2
q
p~2
~p + q A
~2 + q Ψ + U
−
2A~
2m 2mc
2mc2
Das Problem ist nun, dass Ĥ nicht eindeutig gegenüber Eichtransformation bestimmt ist. Ersetzt man daher in
Ĥ
112
~
A
durch
und Ψ
durch
dann gilt für den neuen Operator Ĥ:
Wenn H Ψ
e
Ψ
e~
~+∇
~ Λ
A
=A
e = Ψ − 1 ∂Λ
Ψ
c ∂t
eΨ
e = EΨ
e mit
= E Ψ dann H
iq
= Ψ · e ~c Λ(~r,t)
Berechnet man hiermit nun die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
ρ(~r, t) = ψψ ∗
fällt der Phasenvektor in ψe wieder heraus. Nicht auf Anhieb sieht man dem Wahrscheinlichkeitsstrom ~j an, dass
er invariant gegenüber Eichtransformationen der elektromagnetischen Potential ist. Tatsächlich findet man, dass
sich der Strom
~j = ~
2mi
∗~
∗
~
ψ ∇ψ − ψ ∇ψ
ändert, wenn man zu ψe übergeht. Für ein Teilchen im Magnetfeld erhält man nämlich wegen des veränderten
Hamiltonoperators eine andere Wahrscheinlichkeitsstromdichte als die Obige, die wir im 2. Kapitel für geschwindigkeitsunabhängige Potentiale berechnet hatten. Wir gehen analog vor:
Multiplizieren wir die Schrödinger-Gleichung
∂
ψ=
i~
∂t
(
)
p~2
q ~
q2 ~ 2
−
A p~ +
A ψ
2m mc
2mc2
mit ψ ∗ , ihr konjugiert Komplexes mit ψ, so erhalten wir:
∂
i~ψ ∗ ψ
∂t
−i~ψ
∂ ∗
ψ
∂t
!
2
2
p
q
~p ψ + q A
~ 2 ψ∗ ψ
= ψ∗
ψ − ψ∗
A~
2m
mc
2mc2
!
p2 ∗
q ~
q2 ~ 2 ∗
= ψ
ψ +ψ
A~p ψ ∗ +
A ψ ψ
2m
mc
2mc
(Wir haben die geschwindigkeitsunabhängigen Potentiale Ψ und U weggelassen; sie haben ohnehin keinen Einfluss auf den Strom.) Subtrahiert man beide Gleichungen voneinander, so findet man:
i~
∂ ∗
(ψ ψ)
∂t
⇒
~2 ∗
q
~ ·∇
~ ψ+ψ A
~ ·∇
~ ψ∗
ψ∗ A
(ψ ∆ψ − ψ∆ψ ∗ ) + i~
2m
mc
(
)
~
∂
q ~ ∗
∗~
∗
~
ρ + div
Aψ ψ = 0
ψ ∇ψ − ψ ∇ψ −
∂t
2mi
mc
= −
In Übereinstimmung mit unserer früheren Definition für ~j werden wir also im Magnetfeld definieren:
~
j=
2mi
q ~
∗~
∗
~
Ap
ψ ∇ψ − ψ ∇ψ −
mc
Führen wir nun eine Eichtransformation
113
ψ → ψe =
e~
~→A
A
=
durch, so erhalten wir
~ ψ̃
ψ̃ ∗ ∇
= ψ̃ ∗
= ρ
iq
ψ · e ~c Λ
~ + ∇Λ
~
A
iq
iq ~
~
∇ Λ + e ~c Λ ∇ψ
ψ̃
~c
!
iq ~
~
∇Λ + ψ ∗ ∇ψ
~c
und entsprechend:
~ ψ̃ ∗ = −ρ
ψ̃ ∇
iq ~
~ ∗
∇Λ + ψ ∇ψ
~c
Das liefert uns:
~˜j =
=
=
=
=
~
2mi
q e~
∗~
∗
~
ψ̃ ∇ψ̃ − ψ̃ ∇ψ̃ −
Aρ̃
mc
!
iq
q
∗~
∗
~
~
~
~
ψ ∇ψ − ψ ∇ψ +
∇Λ · 2ρ −
A + ∇Λ ρ
~c
mc
~
~ − ψ ∇ψ
~ ∗ + q ∇Λ
~ ·ρ− q A
~ − q ∇Λ
~ ·ρ
ψ ∗ ∇ψ
2mi
mc
mc
mc
q ~
~
~ − ψ ∇ψ∗
~
ψ ∗ ∇ψ
−
Aρ
2mi
mc
~j
~
2mi
Das heißt, die Wahrscheinlichkeit für den Ort des Teilchens und die Stromdichte bleiben bei Eichtransformationen unverändert. In ähnlicher Weise bleiben auch die anderen Observablen die gleichen.
In der Kern- und Elementarteilchen-Physik benutzt man diese Eichvarianz, um Erhaltungssätze zu beweisen.
Wenn man z.B. eine Wellenfunktion hat, die eine bestimmte Größe nicht erhält, so kann man Λ(~r, t) und ähnliche
Eichfunktionen benutzen, die Erhaltungsgrößen wir Ladungen, Drehimpuls, Teilchenzahl etc. herauszuprojizieren. Mit Hilfe der Eichinvarianzen kann man also Projektionsoperatoren konstruieren.
Wir wenden das Gelernte nun an einem einfachen Beispiel an.
5.2
Elektron im homogenen Magnetfeld
q = −e
Ladung des Elektrons
B
B = (0, 0, B) homogenes Magnetfeld nur in z-Richtung
Bemerkung:
Auf eine wichtige Eigenschaft des Elektrons - den Spin - werden wir erst im nächsten Kapitel eingehen. Genau
genommen betrachten wir hier also nur die Bewegung eines Teilchens mit der Ladung q = −e im homogenen
Magnetfeld.
~ = 0 beschaffen wir uns ein Vektorpotential A.
~ Dies ist jedoch
Unter Benutzung der Coulomb-Eichung div A
nicht eindeutig bestimmt, da sowohl
114
~ 1 = (−B · y, 0, 0)
A
als auch
B
B
− · y,
· x, 0
2
2
~2 =
A
!
~ = 0 erfüllen; d.h. beide Vektorpotentiale sind Coulomb-geeicht. Außerdem wird B
~ durch
die Bedingung div A
~
~
beide repräsentiert, denn rot A1 = rot A2 = (0, 0, B).
~=A
~1 =
In den folgenden Rechnungen benutzen wir jedoch aus Einfachheitsgründen nur das Vektorpotential A
(−B · y, 0, 0) und schreiben hierfür den Hamiltonoperator hin. Aus
Ĥ =
e ~
e2 ~ 2
p̂2
+
A · p~ +
A
2m mc
2mc2
wird dann:
Ĥ = −
~2
e~
∂
e2
∆−
B·y
+
B2 · y2
2m
imc
∂x 2mc2
Nun ist die Schrödinger-Gleichung
Ĥ ψ(~r) = E ψ(~r)
zu lösen. y kommt als einzige der drei Richtungen explizit vor. Daher liegt ein Separationssatz nahe (x und z
kommen nur in Form von Ableitungsoperatoren vor, daher komplexe Exponentialfunktion):
ψ(x, y, z) = ei(αx+βz) · ϕ(y)
Anwendung von p̂x auf ψ liefert uns die Bedeutung der Konstanten α:
p̂x ψ
⇒ α
ebenso β
= α·~·ψ
px
=
~
pz
=
~
Einsetzen von ψ in die Schrödinger-Gleichung und Division durch ei(αx+βz) gibt uns folgende Differentialgleichung für ϕ(y):
(
~2
−
2m
∂2
− α2 + 2 − β 2
∂y
!
e2 B 2 2
e~
α·B·y+
·y
−
mc
2mc2
)
ϕ(y) = E ϕ(y)
Bemerkung:
Wir erwarten für die Bewegung eine Schraubenlinie in z-Richtung. In unserer Rechnung scheinen jedoch x und y
vollkommen unsymmetrisch aufzutreten. Das liegt daran, dass wir den generalisierten Impuls betrachtet haben.
Mit dem gewöhnlichen Impuls geschrieben, sähe die Gleichung symmetrisch bezüglich x und y aus.
Da wir in z-Richtung ein freies Teilchen erwarten, trennen wir die Energie in z-Richtung
Ekin z =
~2 2
β
2m
115
ab und definieren als neue Energie:
~2 2
β
2m
=E−
Wenn wir nun noch substituieren
η=y−
~αc
eB
können wir die Schrödinger-Gleichung auf die Form der Oszillatorgleichung bringen:
"
~2 ∂ 2
1
−
+
2
2m ∂η
2m
eB
η
c
!2 #
φ̃(n) = φ̃(η)
[. . . ] ist genau der Hamilton-Operator eines linearen harmonischen Oszillators. Daraus ergibt sich mit der
Oszillatorfrequenz
ω0 =
eB
mc
die Gleichung:
"
#
~2 ∂ 2
1
2 2
−
+ m ω0 η φ̃(η) = φ̃(η)
2m ∂η 2
2
die bekannte Form der Oszillatorgleichung. Die Lösung kennen wir:
n = ~ω0
1
n+
2
!
n = 0, 1, 2, . . .
beziehungsweise:
1
n+
2
!
+
p2z
(Energie eines Elektrons im Magnetfeld)
2m
En
=
~ω0
p2z
2m
=
kinetische Energie in z-Richtung
Setzen wir ω0 wieder ein
!
+
p2z
2m
En = µB (2n + 1) · B +
p2z
2m
e~
En =
B
mc
1
n+
2
und erinnern wir uns an das Bohr’sche Magneton
µb =
e~
2mc
so folgt:
So können wir den ersten Term als potentielle Energie eines Kreisstromes mit dem magnetischen Moment
116
~ = −µB (2n + 1) · ~ez
M
auffassen. Damit gilt dann:
En = −M · B +
p2z
2m
Diese Quantisierung des magnetischen Moments bzw. der Energie wurde 1961 bei der Supraleitfähigkeit experimentell nachgewiesen. Um zu sehen, ob die Erwartung einer Schraubenlinie realistisch war, bilden wir einmal
den mittleren kinetischen Impuls in x-Richtung:
¯ =
m̄ẋ
=
ȳ
=
¯ =
m̄ẋ
¯ =
m̄ẋ
e ¯
Ax
c
e
α~ − B · ȳ
c
~c
y(η = 0) =
α (Ruhelage des Oszillators)
eB
α~ − α~
p¯x +
0
Das Teilchen hat also - wie erwartet - im Mittel keinen Impuls in x-Richtung.
117
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