Toshio Hosokawa, Komponist "Ich suche nach einer neuen Form spiritueller Kultur und Musik des japanischen Volkes, mit der ich sowohl mir selbst als auch meiner Herkunft treu bleibe. Wir müssen den Westen noch einmal und gründlicher studieren, um unsere Sicht auf uns zu objektivieren und uns selbst wirklich kennen zu lernen." Toshio Hosokawa, der bekannteste lebende japanische Komponist, ist ein Grenzgänger zwischen den Kulturen. Seine unverwechselbare Musiksprache ist vom Spannungsverhältnis zwischen westlicher Avantgarde und traditioneller japanischer Kultur geprägt und von den statischen Strukturen des Gagaku, der japanischen Hofmusik, beeinflusst. Im Mittelpunkt seiner Werke steht oft die Natur mit ihren verschiedensten Schöpfungen und vor allem ihrer Vergänglichkeit. „Vergänglichkeit ist schön“, sagt Hosokawa, der analog zur buddhistischen Vorstellung einer Gleichwertigkeit von Leben und Tod seine musikalische Sprache so umschreibt: „Der Ton kommt aus dem Schweigen, er lebt, er geht ins Schweigen zurück.“ 1955 in Hiroshima geboren kam er 1976 nach Berlin, wo er bei Isang Yun Komposition studierte. Anschließend setzte Toshio Hosokawa seine Studien bei Klaus Huber und Brian Ferneyhough fort. Während sein Oeuvre sich zunächst an der westlichen Avantgarde orientierte, begann er mit seiner hochgelobten ersten Oper Vision of Lear eine neue musikalische Welt zwischen Ost und West zu erschließen. Seine zweite Oper Hanjo (2004) steht regelmäßig auf den Programmen von Opernhäusern und Festivals. Mit kammermusikalischen Werken wie den Landscapes I-V hatte Toshio Hosokawa Anfang der 90er Jahre zunächst bei Festivals für Neue Musik auf sich aufmerksam gemacht. Die größeren Konzertsäle eroberte seine Musik spätestens nach den Erfolgen des Oratoriums Voiceless Voice in Hiroshima und des Orchesterwerks Circulating Ocean, uraufgeführt bei den Salzburger Festspielen 2005 durch die Wiener Philharmoniker. Häufig schreibt Toshio Hosokawa für Solisten, wie bei seinem 2009 mit Rohan de Saram und dem WDR Sinfonieorchester uraufgeführten Cellokonzert Chant sowie den Voyages, einer 2003 begonnenen Serie für Soloinstrument und Ensemble. Auch Kammermusik, wie das 2008 für die gleiche Besetzung wie Messiaens Quatuor pour la fin du temps komponierte Quartett Stunden-Blumen, spielt eine zentrale Rolle in seinem Schaffen. In vielen seiner inzwischen über 160 Werke sind japanische Instrumente, oft in Kombination mit europäischen, zu hören. In den letzten drei Spielzeiten wurden eine Vielzahl großer Werke Toshio Hosokawas aus der Taufe gehoben, darunter Woven Dreams (Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst, Lucerne Festival), Sternlose Nacht (Mahler Chamber Orchestra mit dem WDR Chor unter Kent Nagano, Baden-Baden) und das Hornkonzert Moment of Blossoming (Berliner Philharmoniker, Solist: Stefan Dohr). Ein großer Erfolg war die Premiere der Oper Matsukaze in der Inszenierung von Sasha Waltz an der Monnaie in Brüssel und anschließend an der Berliner Staatsoper, in Warschau und in Luxemburg. Seine Komposition Singing Garden, inspiriert durch die Blockflötenkonzerte Vivaldis, kam mit der Akademie für Alte Musik in Berlin erstmals zu Gehör. Mit Begeisterung wurde die Uraufführung von Toshio Hosokawas Kammerorchesterwerk Blossoming II beim Edinburgh International Festival mit dem Scottish Chamber Orchestra aufgenommen. 2012 kam das Monodram The Raven für Ensemble und Sopran in Brüssel zur Uraufführung; seine Komposition Meditation im Andenken an die Opfer des Tsunamis und der Katastrophe von Fukushima erklang erstmals beim Tongyeong International Music Festival. Die Saison 2013/14 startete mit zwei Uraufführungen bei den Salzburger Festspielen, in deren Rahmen auch zahlreiche ältere Werke des Komponisten präsentiert wurden. Erstmals zu hören waren in Salzburg die Klage für Sopran und Orchester nach einem Text von Georg Trakl (NHK Symphony Orchestra unter Charles Dutoit, Anna Prohaska) sowie Ancient Voices für Bläserquintett, ein Auftragswerk des Ensembles WienBerlin. Das von Hermann Hesses Gedicht inspirierte Trompetenkonzert Im Nebel, ein Auftragswerk der Suntory Hall und des Norddeutschen Rundfunks, kam im September in Tokio mit dem Trompeter Jeroen Berwaerts und dem Tokyo Philharmonic Orchestra unter Jun Märkl zur Uraufführung und wird im März www.karstenwitt.com 2014 in Hamburg erneut aufgeführt. Ebenfalls im September erklingt beim Festival Musica Strasbourg ein neues Klaviertrio für das spanische Trío Arbós. Darüber hinaus ist Toshio Hosokawa in der laufenden Saison Composer-in-Residence beim Netherlands Philharmonic Orchestra, und er komponiert für Momo Kodama Klavieretüden für das Lucerne Festival am Piano 2013. Im Januar 2014 bringt das Hilliard Ensemble, das sich am Ende des Jubiläumsjahres seines 40jährigen Bestehens auflösen wird, Bearbeitungen dreier japanischer Volkslieder zur Uraufführung. Toshio Hosokawa ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und Preise. Seit 2001 ist er Mitglied der Akademie der Künste Berlin, seit 2006 Fellow des Berliner Wissenschaftskollegs. Er ist künstlerischer Leiter des Takefu International Music Festivals und war als Gast unter anderem beim Pacific Music Festival in Sapporo/Japan, der Salzburg Biennale, dem Rheingau Musik Festival, dem MITO SettembreMusica Festival in Mailand und Turin und dem Tongyeong International Music Festival vertreten. Seit 2012 ist er für drei Jahre Artistic Director des Suntory Hall International Program for Music Composition. Saison 2013/2014 www.karstenwitt.com