Kunze / Tietzsch: Miethöhe und Mieterhöhung – Seite 157 ff. – V. Für den Mieter nachteilige Vereinbarungen 176 § 557 Abs. 4 BGB hält fest, dass die Vorschriften des § 557 Abs. 1 bis 3 zu Lasten des Mieters nicht dispositiv sind. Dem Mieter nachteilige Vereinbarungen sind unwirksam. Dies wiederholt das Gesetz1 in § 557a Abs. 4 für die Staffelmiete, in § 557b Abs. 4 für die Indexmiete und in §§ 558 Abs. 6, 558a Abs. 5, 558b Abs. 4 BGB nochmals für Vereinbarungen, die eine Mieterhöhung abweichend vom System des Vergleichsmietenverfahrens vorsehen. Dasselbe regelt § 559 Abs. 3 BGB für Mieterhöhungen nach Modernisierung, auch diese müssen den gesetzlichen Vorgaben folgen. Nach § 560 Abs. 6 gilt das Gleiche für Betriebskostenveränderungen. Die Vorläuferregelung in § 10 Abs. 1 MHG war deutlicher, der Vereinbarungen für unwirksam erklärte, die zum Nachteil des Mieters von den Regeln der §§ 1–9 MHG abwichen. 177 Da es um Vereinbarungen geht, betrifft die Vorschrift des § 557 Abs. 4 BGB nicht einseitige (wirksame oder unwirksame) Erklärungen des Vermieters. Die Vorschrift schützt den Mieter, der sich mit einer Regelung einverstanden erklärt hat, die der Vermieter bei Beachtung der Mieterhöhungsvorschriften der §§ 557–561 BGB nicht hätte erreichen können. Ob sich eine derartige Regelung bereits im Mietvertrag befindet oder ob sie später getroffen wird, spielt keine Rolle. 178 Hier ist eine Abgrenzung in zweifacher Hinsicht erforderlich: Da nur solche Vereinbarungen gemeint sind, bei denen es um das Mieterhöhungsrecht des Vermieters geht, sind Abreden über sonstige Gegenleistungen des Mieters, wie etwa der Umfang der übernommenen Schönheitsreparaturen, nicht an § 557 Abs. 4 BGB zu messen2. § 557 Abs. 4 BGB betrifft auch nicht eine etwaige Überhöhung der Ausgangsmiete, sondern nur spätere Erhöhungen. 179 Die Kasuistik zu den Unwirksamkeitsregelungen wird im Zusammenhang mit den einzelnen Mieterhöhungsmöglichkeiten besprochen, soweit es direkt um diese geht. Generelle Vereinbarungen, die gegen § 557 Abs. 4 BGB verstoßen, sind folgende: 180 Außer Staffel- und Indexmietvereinbarungen sind Mietanpassungsklauseln unzulässig3. Das sind Regelungen, wonach die weitere Entwicklung des Mietzinses durch den Preis von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden soll. Es soll also die Veränderung einer zwischen den Parteien vereinbarten Bezugsgröße zu einer Mieterhöhung führen. Dazu gehören Wertsicherungsklauseln (“Ab dem 1.1.1979 kann der Mietzins entsprechend den prozentualen Veränderungen des Lebenshaltungsindexes des jeweiligen Vorjahres angeglichen werden”4; “Im Falle einer Erhöhung der Kapital- oder Bewirtschaftungskosten im Bereich des öffentlich geförderten Wohnungsbaues ist der Vermieter berechtigt, die Miete auf Anweisung des Ministers für Finanzen und Forsten entsprechend zu erhöhen. Die Mieterhöhung tritt am ersten Tag des auf den Zugang der Erhöhungsmitteilung folgenden übernächsten Monats in Kraft”5; “Nach Ablauf des ersten Jahres ist eine gleitende Anhebung vereinbart, die der Steigerung der Gehälter der Bundesbeamten entsprechen soll” bzw. ist “nicht . . . die Anhebung 1 Überflüssigerweise, so zutreffend Börstinghaus in Schmidt-Futterer, 8. Aufl., § 557 Rz. 72. Sondern an den allgemein geltenden Schranken, siehe dazu Rz. 187 ff. 3 Sie können allerdings ggf. als mietbegrenzende Vereinbarungen aufrechterhalten bleiben, vgl. dazu Rz. 104 ff. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 5.6.1981 – 4 W – RE – 248/81, WM 1981, 207. 5 LG Saarbrücken, Urt. v. 3.1.1983 – 13 S 68/82, WM 1983, 145. 2 Dr. Catharina Kunze und Dr. Rainer Tietzsch: Miethöhe und Mieterhöhung Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln 2006 Kunze / Tietzsch: Miethöhe und Mieterhöhung – Seite 157 ff. – - - - - der Beamtengehälter, sondern die durchschnittliche jährliche Inflationsrate anzusetzen”6). Spannungsklauseln, das sind Wertsicherungsklauseln, bei denen im Wesentlichen gleiche Leistungen miteinander verkoppelt werden, die Bezugsgröße ist also mit der Miete gleichartig, zumindest aber vergleichbar (“Zwischen dem Vermieter und dem Mieter besteht Einigkeit darüber, dass, wenn sich die Gesamtbezüge eines nach der Besoldungsgruppe A 10 des Bundesbesoldungsgesetzes besoldeten Beamten gegenüber dem Stand bei Abschluss des Vertrages erhöhen oder vermindern, eine Anpassung des Mietzinses entsprechend den prozentualen Veränderungen des vorgenannten Beamtengehaltes zu erfolgen hat”7; es wird vereinbart, dass “jeweils diejenige Miete geschuldet wird, die sich aus einer bestimmten Rubrik eines Mietspiegels ergibt”8). Leistungsvorbehalte, wonach sich die Miete bei Veränderung einer bestimmten Bezugsgröße verändern soll, wobei dies aber nicht automatisch geschieht, sondern ein Verhandlungsspielraum verbleibt; es besteht entweder ein Anspruch auf Neuverhandlung, oder ein Dritter ist zur Festlegung der Miete befugt. Kosten(element)klauseln, wonach der Vermieter berechtigt ist, die Miete zu erhöhen, wenn sich der Preis der unmittelbar für Herstellung und Unterhaltung der Mietsache maßgeblichen Faktoren ändert; gestiegene Kosten können nur in den Fällen der §§ 559 und 560 BGB weitergegeben werden, also nur bei Modernisierung und Betriebskostenerhöhung, nicht wegen der Änderung anderer Bewirtschaftungskosten9. Schiedsgutachterklauseln, wonach die angemessene Miete durch ein Mietwertgutachten festgestellt werden soll, und Schiedsgerichtsklauseln10. 181 Unterliegt eine Wohnung der Mietpreisbindung, kann mietvertraglich nicht wirksam vereinbart werden, dass nach Ablauf der Preisbindung ein bestimmter höherer Betrag geschuldet sein soll, denn der Vermieter könnte dann die erhöhte Miete verlangen, ohne die Vorgaben der §§ 558 ff. BGB einhalten zu müssen11. 182 Unwirksam ist die vertragliche Regelung, wonach die Nutzungsgebühr auf Grund vorläufiger Berechnung 650,00 DM monatlich beträgt, verbunden mit dem Zusatz: “Die endgültige Höhe der Nutzungsgebühr wird Ihnen nach Abrechnung der Modernisierungsmaßnahmen bekannt gegeben”12. Hier hätte nur die Möglichkeit bestanden, einen Mietvorvertrag abzuschließen13. 183 Vergleichbar ist der Fall des vorläufigen Mietverzichts14: Die Wohnung war vor Vermietung mit öffentlicher Förderung modernisiert worden, es waren deswegen Mietobergrenzen einzuhalten. Im Mietvertrag wurde eine um den Modernisierungszuschlag erhöhte Nettokaltmiete angegeben, sodann ein “vorläufiger Mietverzicht” ausgesprochen und die sich daraus ergebende niedrigere Miete entsprechend der Mietbegrenzung vereinbart und gezahlt. AG Charlottenburg, Urt. v. 7.6.1988 – 8 C 570/87, GE 1990, 377. BGH, Urt. v. 2.2.1983 – VIII ZR 13/82, NJW 1983, 1909 m.w.N. 8 Beispiel nach Blank, WM 1993, 503, 509. 9 Früher war dies auch im Fall des § 5 MHG bei Erhöhungen von Kapitalkosten grundsätzlich zulässig. 10 Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rz. 519. 11 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.9.1989 – 8 RE-Miet 1 u. 2/89, WM 1989, 552; ebenso für den Fall, dass der Mietvertrag über eine preisfreie Wohnung der Vermieterin das Recht einräumt, die Kostenmiete zu erheben, AG Norderstedt, Urt. v. 6.1.1982 – 42 C 213/79, WM 1982, 157; weitere Beispiele bei Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rz. 520 f. 12 LG Karlsruhe, Urt. v. 23.12.1988 – 9 S 471/88, WM 1989, 335. 13 Börstinghaus in Schmidt-Futterer, 8. Aufl., § 557 BGB Rz. 79. 14 BGH, Urt. v. 12.11.2003 – VIII ZR 41/03, WM 2004, 29 = MietRB 2004, 97; Vorinstanz LG Berlin, Urt. v. 9.1.2003 – 62 S 365/02, GE 2003, 394. 6 7 Dr. Catharina Kunze und Dr. Rainer Tietzsch: Miethöhe und Mieterhöhung Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln 2006 Kunze / Tietzsch: Miethöhe und Mieterhöhung – Seite 157 ff. – Später teilte die Vermieterin mit, der Förderzeitraum sei nunmehr abgelaufen, und sie hebe den Mietverzicht auf. Nach diesem Vertrag sollte die Vermieterin das Recht haben, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt eine höhere Miete verlangen zu können, und zwar ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Bestimmungen des MHG bzw. der §§ 558 ff. BGB. Nach § 558 BGB kann der Vermieter aber nur die Zustimmung zu einem berechtigten Mieterhöhungsverlangen beanspruchen, nicht aber die Miete einseitig festlegen, und er muss die Kappungsgrenze beachten. 184 Ebenso dürfte der Fall zu entscheiden sein, in dem vertraglich die Kostenmiete oder Vertragsmiete vereinbart ist, die sich wegen der Gewährung von Aufwendungsdarlehen und Aufwendungszuschüssen zunächst vermindert und dann durch Förderungsabbau schrittweise erhöht, wenn dann anschließend die Kostenmiete bzw. Vertragsmiete verlangt wird15. 185 Die Unwirksamkeit derartiger Vereinbarungen bedeutet anfängliche Nichtigkeit nur der Klausel, nicht des Mietvertrags. Auch der Einwand, ohne die Klausel wäre der Mietvertrag überhaupt nicht abgeschlossen worden, verhilft nicht zur Wirksamkeit, da § 557 Abs. 4 BGB lex specialis gegenüber § 139 BGB ist16. § 557 Abs. 4 BGB ist ein Schutzgesetz zugunsten des Mieters. Ein Verstoß gegen dieses Schutzgesetz führt nur zur Unwirksamkeit der für den Mieter nachteiligen Vertragsbestimmung. 186 Weitere Rechtsfolge ist, dass der Vermieter nach den Vorschriften der §§ 812 ff. zur Rückzahlung von Beträgen verpflichtet ist, die der Mieter auf Grund einer unwirksamen Vereinbarung geleistet hat17. Anders noch KG, Beschl. v. 17.12.1990 – 8 RE-Miet 7064/90, WM 1991, 155; richtig LG Hamburg, Urt. v. 27.2.1990 – 16 S 137/89, WM 1990, 443, wonach der stufenweise Abbau eines zunächst gewährten Nachlasses außerhalb der Mieterhöhungsvorschriften unwirksam ist. 16 So OLG Koblenz, Beschl. v. 5.6.1981 – 4 W – RE – 248/81, WM 1981, 207; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.11.2003 – VIII ZR 41/03, WM 2004, 29 = MietRB 2004, 97. 17 Vgl. die Nachweise bei Weitemeyer in Emmerich/Sonnnenschein, Miete, 8. Aufl., § 557 Rz. 36. Anders ist es im preisgebundenen Wohnraum, wenn die formellen Voraussetzungen einer Erhöhung fehlen, materiell aber nur die Kostenmiete verlangt wird; vgl. dazu Rz. 813. 15 Dr. Catharina Kunze und Dr. Rainer Tietzsch: Miethöhe und Mieterhöhung Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln 2006