DIE LOGISCH-GNOSEOLOGISCHE ANALYSE DER

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DIE LOGISCH-GNOSEOLOGISCHE ANALYSE DER WISSENSCHAFT
Erstes Kapitel
Die Herausbildung des Tätigkeitsprinzips in der Erforschung der Wissenschaft als
Erkenntnisform
Die Probleme der Wissenschaft, der wissenschaftlichen Kenntnisse waren bereits vor der
Neuzeit Gegenstand der Forschung, obwohl die eigentliche Geschichte der modernen
Wissenschaft (Naturwissenschaft), wie F. Engels bemerkte, erst seit dem 16. Jahrhundert
begonnen hat. „Die Anfangsgründe der genauen Erforschung der Natur erfuhren eine weitere
Entwicklung erstmalig bei den Griechen der alexandrinischen Periode, und danach, im
Mittelalter, bei den Arabern. Die gegenwärtige Naturwissenschaft beginnt erst mit der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts, und seit dieser Zeit verzeichnet sie immer schnellere Fortschritte.“
(1)
In den philosophischen Werken von Al-Choresmi, Al-Farabi, Al-Buruni, Ibn-Sina (Avicenna,
Anm. d. Ü.), Roger, Bacon, Grosseteste wurden nicht nur einzelne Aspekte der
wissenschaftlichen Kenntnis untersucht, sondern auch einzelne Elemente erarbeitet, die
Keimzellen der Naturwissenschaft. Zwar war die Wissenschaft für sie nicht ein besonderes,
spezifisches Phänomen, das sich vom künstlerisch-ästhetischen und religiösen Bewusstsein
unterschied (was für die Neuzeit charakteristisch war), sondern im Wesentlichen ein Bestandteil
der Philosophie, der philosophischen Erkenntnis der Welt.
In einzelnen Fällen haben sie sich sehr der besonderen, speziellen Erarbeitung der
Wissenschaftselemente, der wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse genähert. In diesem
Zusammenhang dient als glänzendes Beispiel die Mathematik von Al-Choresmi, die Astronomie
und Mathematik von Al-Farabi, die Medizin von Ibn-Sina u.a. Allerdings waren sie noch keine
Fachwissenschaftler im modernen Sinne dieses Wortes, sondern waren Philosophen, Weise, die
gleichzeitig wichtige Probleme der Mathematik, der Astronomie, der Medizin, der
Sprachwissenschaften usw. erarbeiteten; genauer, sie waren philosophierende Mathematiker,
Astronomen Mediziner usw. Da sie noch nicht in vollem Maße an die Erarbeitung neuer
Methoden, neuer Prinzipien, die der modernen Naturwissenschaft eigen sind, herangehen
konnten, erforschten sie den Gegenstand auf traditionelle philosophische Art, die bekannter
Weise von den neuen Ideologen in Person von Descartes, F. Bacon, Galilei und anderen heftig
kritisiert wurde.
Trotzdem muss man dabei hervorheben, als die sozial-kulturellen Bedingungen für die
Entstehung der Wissenschaft, für ihre reale Trennung und Abnabelung von der Philosophie
gegeben waren, spielten die mathematischen, astronomischen, medizinischen und andere Ideen
von Al-Farabi, Al-choresmi, Ibn-Sina, R. Bacon u.a. zweifellos eine positive Rolle in der
Herausbildung der Wissenschaft. Keinem Zweifel unterliegt der Umstand, dass gleichzeitig mit
der euklidischen Geometrie, der wissenschaftlichen Konzeption von Archimedes, die
naturwissenschaftlichen Ideen Al-Choresmis, Al-Farabis, Ibn-Sinas u.a. als wichtige
Ideenvoraussetzung für die sich entwickelnde Wissenschaft (Naturwissenschaft) dienten.
Eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Naturwissenschaften der Neuzeit sind die
theoretischen Arbeiten von R. Bacon, Grosseteste u.a. Sie erarbeiteten tiefgründig nicht nur die
einen oder anderen Zweige der Naturwissenschaft (Mathematik, Physik usw.) im Rahmen der
Philosophie, sondern auch neue Methoden, Ideen und Prinzipien, die nachfolgend den sich
entwickelnden Naturwissenschaften zu Grunde lagen. So begründete z.B. R. Bacon die
Bedeutung des Experiments, der experimentellen Methode der Naturforschung. Große
Bedeutung hat auch seine Klassifizierung der Wissenschaften, in der er besonders die Rolle der
Mathematik als Muster der wissenschaftlichen Erkenntnis der Natur herausstellt. Bei alledem
muss man bedenken, dass der von Religion durchdrungene mittelalterliche Typ der
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Weltanschauung die Entwicklungsebene der Erkenntnistätigkeit seiner Zeit bedingte und
bestimmte. In diesem kultur-historischen „Koordinatensystem“ hatte die Erforschung der
Naturerscheinungen keinen Wert als solchen, sondern allein als Mittel des Begreifens von Gottes
Wille und Vernunft, sowie als Weg zu seiner Selbsterkenntnis.
Erst seit der Neuzeit beginnt die Verkündung der Natur als autonome, sich selbst genügende
Substanz, und das bedeutete, dass die Naturwelt eine gewisse Autonomie im Verhältnis zum
geistigen Anfang, Gott, erlangte; d.h. die Natur verwandelt sich in ein Objekt, und das führt
dazu, dass in den Augen der Theoretiker, der Naturforscher und Philosophen der Neuzeit die
Naturrealität sowohl von Gott, als auch vom Menschen unabhängig wird.
Ein solches Verständnis der Naturgesamtheit bedeutet ihr Verständnis als sich selbst genügende
Substanz. Wenn im Mittelalter die Erkenntnis der Natur als „sekundäres“ Verfahren zum
Begreifen von Gottes Werk auftrat, so wird in der Neuzeit bereits die Aufgabe gestellt, die Natur
an und für sich zu erforschen mit dem Ziel, die Welt durch den Menschen aktiv umzugestalten.
Und die Wissenschaft verwandelt sich in eine unmittelbare Kraft (F. Bacon) bei der
Umgestaltung der Welt.
Die „Verflüchtigung“ der übernatürlichen Wesenheiten aus der Naturwelt oder die
„Entzauberung der Welt“ (M. Weber) bedingte jenen Fakt, dass in der Neuzeit die Idee Gottes
aufhört, eine wesentliche Rolle im neuen „Weltmodell“ zu spielen und in den Hintergrund tritt.
„Die menschliche Vernunft wird vom Druck der religiösen Moral befreit, weil er nicht Gott
erkennt, sondern die objektive (nichtgeistige) Welt, in der keine Spur von irgendwelchen
moralischen Wesenheiten ist.“ (2)
Das neue weltanschauliche „Weltmodell“, das von den Theoretikern der klassischen
Naturwissenschaft, von N. Kopernikus (1473-1543) bis hin zu G. Galilei (1564-1642) geschaffen
wird, führte zu einer Revolution in der Erkenntniskultur und zur Entstehung der Wissenschaft.
Beginnend mit der Neuzeit wurde der religiöse Glaube, wie Husserl bemerkte, „immer mehr und
mehr zu einer rein äußerlichen Bedingung, an seiner Stelle erfasste der neue Glaube die gesamte
intellektuelle Menschheit und hob sie auf eine höhere Stufe empor. Das war der Glaube an die
Philosophie, Glaube an die Wissenschaft, Glaube an ihre vollständige Autonomie. Seit diesem
Moment sollten die wissenschaftlichen Ansichten über die gesamte menschliche Kultur
herrschen, Meilensteine ihrer Orientierung werden, die den gesamten weiteren Weg der
Entwicklung ausleuchtete.“ (3) „Die Erkenntnis – das ist die Wahrheit der Epoche“ (4) der
Herausbildung der bürgerlichen gesellschaftlichen Beziehungen.
Dabei muss man berücksichtigen, dass das Werden einer neuen naturwissenschaftlichen
Weltanschauung eine „neue Naturwissenschaft, teilweise als ihr Erkenntnisregulativ, teilweise
als Ableitung aus seinen positiven wissenschaftlichen Eroberungen“ begleitet wurde. Damit die
positiven wissenschaftlichen Eroberungen der klassischen Naturwissenschaft bereits als
Erkenntnisregulative einer Erkenntnistätigkeitsentfaltung gelten konnten, machte sich eine
„metaphysische“, d.h. philosophische Sanktionierung erforderlich. Diese philosophische
Sanktionierung erhält die klassische Naturwissenschaft in den Werken der
Philosopheninnovatoren der Neuzeit, in erster Linie F. Bacon (1561-1626) und R. Descartes
(1596-1650), deren Philosophie nichts anderes war, als die philosophische Reflexion über die
klassische Naturwissenschaft ihrer Zeit. Und sie selbst traten als Ideologen, Propagandisten der
Naturwissenschaft auf, die als besonderes geistiges Phänomen entstand, sich aus der Philosophie
formierte und abtrennte, ihre besondere Methode, besondere Prinzipien und Orientierungen
erarbeitete.
Descartes und Bacon hatten es, wie bekannt, nicht mit Elementen einer zukünftigen
Wissenschaft, wie das früher war, zu tun, sondern sie untersuchten bereits ein solches reales
sozial-geistiges Phänomen, das selbständig existiert und sich nach seiner Erkenntnismethode
prinzipiell von der traditionellen Philosophie und Logik unterscheidet. Dabei durchdachten sie
nicht nur die Logik der sich entwickelnden Naturwissenschaft, sondern waren ebenfalls
entschlossene Propagandisten ihrer Methoden und Erkenntnisprinzipien. Sie stellten sich
prinzipiell auf die Seite der wissenschaftlichen Erkenntnis und kritisierten die traditionelle
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Philosophie, die scholastische Forschungsmethode. Sie verhielten sich negativ zur gesamten
vorangegangenen Philosophie, besonders zu den philosophischen und theoretischen Ideen
Platons und Aristoteles, begründeten die Unhaltbarkeit der Beweismethode des traditionellen
Syllogismus, riefen die Philosophen und Wissenschaftler auf, sich auf die Fakten und die
Naturgesetzmäßigkeiten zu beziehen. Die Hauptaufgabe der Wissenschaft, der
wissenschaftlichen Erkenntnis sahen sie in der Untersuchung der Natur, in einer sorgfältigen
Analyse des Forschungsgegenstandes und der Verallgemeinerung, der Erklärung der Fakten. So
empfahl Descartes „niemals das als die Wahrheit anzunehmen, dass ich selbst nicht als solches
mit Offensichtlichkeit erkannt habe, ansonsten sorgfältig Übereilung und Voreingenommenheit
zu vermeiden“, „jede von mir zu erforschende Schwierigkeit in so viele Teile einzuteilen, wie es
für ihre beste Überwindung möglich und nötig ist“.... „sich an eine bestimmte Ordnung des
Denkens halten, angefangen mit den einfachsten und am leichtesten erkennbaren Gegenständen
und stufenweise zur Erkenntnis des Kompliziertesten aufsteigend“, „immer so vollständige
Listen und allgemeine Überblicke aufstellen, dass man sicher ist, nichts ausgelassen zu haben.“
(6)
Im Laufe der Fundierung der wissenschaftlichen Kenntnisse achtete Descartes auf die produktive
Bedeutung der mathematischen und deduktiven Methode. Der Hauptmangel der
vorangegangenen Philosophie und Wissenschaft war, seiner Meinung nach, das Fehlen
feststehender, unbedingt wahrhafter Anfänge. Viele Prinzipien und Thesen, mit denen die
vorherige Philosophie begann und auf die sie sich beim Bau des Wissenschaftsgebäudes stützte,
waren nicht unbedingt glaubhaft. „Aber keine einzige Schlussfolgerung“, schrieb Descartes, „die
aus einem nichtoffensichtlichen Anfang abgeleitet wurde, kann offensichtlich sein, auch wenn
diese Schlussfolgerung von da auf offensichtlichste Weise abgeleitet wurde. Daraus folgt, dass
nicht eine Schlussfolgerung, die auf solchen Anfängen begründet wurde, nicht zu einer
glaubhaften Anerkennung von irgendetwas führen konnte, und dass sie uns folglich keinen
Schritt bei der Suche nach Weisheit weiterbringt.“(7)
Descartes maß besondere Bedeutung der Klarheit und Plausibilität der ursprünglichen Grundlage
der Wissenschaft, der wissenschaftlichen Erkenntnis bei. Die wirklichen Grundlagen des
Wissens müssen seiner Meinung nach unmittelbare Kenntnisse sein, und ihrem Charakter nach
nicht wahrscheinliche, sondern unbedingt Wahre. Solche glaubhaften Kenntnisse sind
ausreichend für den Beweis vieler Dinge. Jegliche Abweichung der Wissenschaft von der
Wirklichkeit geschieht doch wegen Fehlens solcher wahrhaften Kenntnisse.
Als Ideal der Wissenschaft stellte er die Arithmetik und die Geometrie in den Vordergrund,
deren Bedeutung darin besteht, dass alles in ihnen aus einfachen und klaren Prinzipien abgeleitet
wird. Alle Wissenschaften, darunter auch die Philosophie, können ihren Thesen den Charakter
der Allgemeingültigkeit verleihen, wenn sie den Methoden dieser Wissenschaften folgen. Wie
Spinoza genau bemerkte, nahm Descartes an, dass „wenn er nur klar und deutlich einfache Ideen
aufnehmen könnte, so würde er zweifellos genauso klar und deutlich alle anderen verstehen, die
sich aus diesen einfachen zusammensetzen.“ (8) Descartes war zutiefst davon überzeugt, dass
jegliches Wissen, das nicht auf solchen Prinzipien und Anfängen beruht, nur wahrscheinlich und
nicht wirklich ist. Die Kenntnisse haben nur deshalb irgendeinen Wert, wenn sie sich auf
unmittelbar offensichtliche Prinzipien und Thesen stützen, die uns unbedingt zu den wahren
Zielen führen. Wer sich in den Grundlagen der Wissenschaft falscher Prinzipien bedient, der
gleicht einem Weggenossen, der sich immer weiter vom Ziel entfernt.
Der Philosoph maß seinem Ausgangsprinzip, den Ausgangs“anfängen“ der Erkenntnis und
Kenntnis sehr große Bedeutung bei. Und, unterstreicht er, müssen diese Ausgangsanfänge des
menschlichen Wissens erstens so klar und offensichtlich sein, dass der menschliche Intellekt bei
aufmerksamer Betrachtung nicht an ihrer Wahrhaftigkeit zweifelt; zweitens die Erkenntnis alles
Übrigen muss von ihnen so abhängen, dass, obwohl die Anfänge auch durch Erkenntnisse
anderer Dinge erkannt sein können, aber andererseits, diese letzteren nicht erkannt sein könnten
ohne die Kenntnis der Anfänge.“(9) Also treten die Anfänge oder die Begründungen der
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Erkenntnis bei Descartes auf als: erstens „überaus klare“, und zweitens als solche, dass man aus
ihnen „alles andere ableiten kann“.(10)
Das Descartes’sche Verständnis vom Ausgangsprinzip der Natur wissenschaftlicher Kenntnisse
spielte eine große Rolle in der neuen Philosophie, es wurde ernsthaft in der Philosophie vieler
Rationalisten weiterentwickelt. In der Lehre von Descartes wird die Ausgangsgrundlage der
Wissenschaft vor allem als eine unbedingt wahrheitsgemäße, absolut nicht ableitbare und
offensichtliche These der Wissenschaft ausgelegt. Wenn der Anfang ableitbar wäre, so wäre er
nicht unbedingt einfach und offensichtlich, weil in diesem Falle ein anderer Anfang existierte,
der noch primärer wäre. Deshalb müssen die Anfänge der Wissenschaft wirklich primär sein.
Aus diesem Grunde hielt Descartes die intuitive Methode der Erkenntnis für glaubhafter, als die
deduktive, da durch Intuition unmittelbar die einfachen und klaren Prinzipien der Natur
wahrgenommen und betrachtet werden.
Das Ergebnis der Intuition charakterisierte Descartes als ein von dem hellen Licht der Vernunft
erzeugter „Begriff des klaren und wachen Geistes, so einfach und deutlich, dass er keinerlei
Zweifel daran lässt, dass wir denken.“(11) Die große Bedeutung der Intuition sah er darin, dass
die Prinzipien und Grundlagen der Wissenschaft nur durch die Intuition erkannt werden, und die
unmittelbar aus ihnen ableitbaren Thesen und Folgen können sowohl durch Intuition, als auch
durch Deduktion erkannt werden. „Thesen, die unmittelbar aus dem ersten Prinzip abgeleitet
werden, kann man sagen, werden sowohl auf intuitivem, als auch auf deduktivem Wege je nach
Untersuchungsmethode erkannt, die Prinzipien selbst – nur auf intuitivem Wege, und umgekehrt,
einzelne ihrer Folgen – nur auf deduktivem Wege.“(12)
Während die Wichtigkeit der Intuition vom Philosophen als Erkenntnisnotwendigkeit des
Ausgangsprinzips der Wissenschaft bestimmt wird, erklärt er die Notwendigkeit der Deduktion
damit, dass es „viele Dinge gibt, die zwar nicht offensichtlich sind, aber der glaubhaften
Erkenntnis zugänglich, wenn sie nur aus richtigen und verständlichen Prinzipien, durch
konsequente und nirgendwo unterbrochene Bewegung des Gedankens bei scharfer Intuition jeder
einzelnen These abgeleitet werden.“(13)
Die Hauptaufgabe der Wissenschaft sieht Descartes darin, sich vom Relativen abzuwenden und
zum Absoluten hin zu bewegen, aus dem dann folglich alle Thesen der Wissenschaften
abzuleiten sind. Er war der Meinung, dass es nur sehr wenige solcher absoluten, klaren und
deutlichen Begriffe in der Wissenschaft und Philosophie gibt. Selbst in der Mathematik halten
viele Thesen einer strengen Kritik nicht stand. Deshalb ist es notwendig, sie sehr sorgfältig
auseinander zu halten. Es sind die einfachsten in jeder Reihe. „Alle weiteren können wir nicht
anders erkennen“, schrieb Descartes, „als durch ihre Ableitung aus diesen Dingen unmittelbar
und direkt, oder über zwei bis drei verschiedene Rückschlüsse ..., deren Zahl man ebenfalls
festhalten sollte, um zu wissen, um wie viele Stufen sie von der ersten einfachsten These
zurückstehen.“(14) Descartes unterstrich ebenfalls die Notwendigkeit, die Ausgangsprinzipien
der Wissenschaften durch eine tiefgründig durchdachte Methode zu erschließen. „Unter
Methode“, schrieb er, „verstehe ich genaue und einfache Regeln, deren strenge Einhaltung
immer die Annahme des Falschen als das Richtige verhindert und, ohne überflüssige geistige
Kraftverschwendung, die Kenntnisse allmählich und konsequent verbessert, und dazu beiträgt,
dass der Verstand die wahre Erkenntnis all dessen erlangt, was er erkennen kann.“ (15) Eine
wichtige Bedingung des vollkommenen Wissens ist seiner Meinung nach die theoretische
Methode, die hilft, die Intuition und Deduktion richtig zu nutzen. In der Erkenntnis ist die
Methode ebenfalls wichtig, wie der Faden von Theseus für den, der ins Labyrinth eindringen
will. Deshalb sollte man, ohne eine Methode zu haben, sich lieber ganz von der Forschung
fernhalten, weil der Mensch, der die Methode nicht achtet, dem gleicht, der „mit einem Sprung
versucht, von der Erde auf das Dach eines Gebäudes zu gelangen, indem er die Treppenstufen
missachtet, die zu diesem Zwecke vorgesehen sind.“ (16) Denn die Wahrheit ist vorher nicht
gegeben, man muss sie erst ergründen, und zwar mit Hilfe einer Methode, eines Werkzeugs,
dessen sich „jeder.....bedienen kann, dessen Verstand es erlaubt“.(17)
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Die Hauptaufgabe der Methode, so Descartes, besteht in der Erschließung des einfachen,
absoluten Prinzips der Wissenschaft. Man kann annehmen, dass die Methode streng eingehalten
wird, wenn dunkle und verwischte wissenschaftliche Thesen zu einfachen und klaren geführt
werden, und danach mit Hilfe der Intuition der Versuch gemacht wird, auf jenen Stufen zur
Erkenntnis aller anderen emporzusteigen. Er schrieb, dass man „ mit den einfachsten und
leichtesten Dingen beginnen muss und niemals zu den nächsten übergehen darf, solange nicht
klar ist, dass man aus ihnen nicht noch mehr herausholen kann.“(18)
Den Vorzug der mathematischen Wissenschaft sieht der Philosoph darin, dass in ihr die
theoretische Methode lange Zeit und willkürlich angewendet wurde. Descartes war überzeugt,
dass die Methode die ihr zustehende Entwicklung in allen Wissenschaften erhalten wird, auch in
der Philosophie. Er maß der Entdeckung des unbedingt Glaubhaften in der philosophischen
Wissenschaft große Bedeutung bei, die in sich die ersten Anfänge der menschlichen Vernunft
enthält und ihre Aufgaben auf die Wahrheitssuche in allen Dingen ausbreiten muss, die allen
anderen Kenntnissen, die den Menschen zur Verfügung stehen, vorzuziehen ist, weil sie die
Quelle aller dieser Kenntnisse ist.“(19)
Während Descartes die wissenschaftlich-theoretischen Kenntnisse für die Existenz der
Wissenschaft, die Intuition, die aus den Tiefen der Mathematik stammende deduktive Methode
zur Bedingung machte, erarbeitete F. Bacon (den K. Marx als den wahrhaften Begründer der
modernen Wissenschaft und der experimentellen Naturwissenschaft bezeichnete) (20) als
Grundlage der Wissenschaft die induktive Methode, das Experiment, Erfahrungserkenntnis und
die wissenschaftliche Abstraktion. Laut Bacon ist die wissenschaftliche Erkenntnis der Natur nur
auf der Grundlage des Versuchs möglich, der experimentellen Forschungsmethode. Deshalb
unterzog er die scholastische Forschungsmethode einer vernichtenden Kritik, die in ihren
Überlegungen von allgemeinen Ideen ausging, aus unbegründeten Thesen, von weit entfernten
Abstraktionen, und trug zur Erarbeitung nichtadäquater theoretischer Schlussfolgerungen bei.
F. Bacon geht bewusst von der Kritik und Nichtannahme der mittelalterlichen Erkenntnislage aus
und meint, dass man das (zu Beginn des 17.Jh.) vorhandene, auf dem Prinzip der Autorität
begründete Wissen mit einem „Koloss ohne Fundament“ vergleichen kann. Da die
mittelalterliche Erkenntniskultur mit ihrem Autoritätsprinzip des Wissens dem Verulamier (und
nicht nur vor ihm allein) vor Augen steht als Wissen, das „praktisch unfruchtbar ist, voll
ungelöster Fragen; in seinem Wachstum langsam und schlaff, eifrig bemüht die Vollkommenheit
im Ganzen zu beweisen, aber schlecht bestückt im Einzelnen; dem Inhalt nach diensteifrig nach
der Gunst der Menge trachtend und zweifelhaft für die Autoren selbst, und deshalb Beweiskraft
in allen möglichen raffinierte Kniffen sucht “.(21)
Erst in solchem Kontext bekommt der Versuch Bacons, das Fundament der neuen Philosophie zu
erstellen, seinen wahren Sinn, deren Ziel darin besteht, „die Vernunft adäquat zu den materiellen
Dingen zu machen“ (22), und zur Erfüllung dieses Ziels „die einzige Rettung ist, dass die
gesamte Arbeit der Vernunft von vorne begonnen wird.“(23) Wie wir sehen, erkannte der
englische Denker als einer der ersten die Notwendigkeit der Reformation der Vernunft mit dem
Ziel, sie der Natur anzupassen, d. h. die Vernunft den materiellen Dingen adäquat zu machen. Er
schlug dafür die kritisch-reflexive Methode der Vernunftentwicklung vor, die als
„Vernunftsreinigung “ von verschiedenartigen Idolen und Gespenstern zu verstehen ist.
Damit die „Vernunft fähig zur Wahrheit sein kann“, meint Bacon, ist es notwendig, „drei
Entlarvungen“ durchzuführen: die Entlarvung der herrschenden (d.h. der mittelalterlichen)
Philosophie, die Entlarvung der damaligen Beweismethoden (mittelalterliche scholastische
Syllogismen), und schließlich die Entlarvung der dem Menschen angeborenen Vernunft. Die
unter diesen Bedingungen herrschende theozentrische Erkenntniseinstellung sah die Hauptquelle
der Kenntnisse in den Texten (sei es die Heilige Schrift oder der kanonisierte Aristoteles) (24).
Und für die Erkenntnis der „Welt der Objekte“, der objektiven Erkenntnis der Natur war die
scholastische Erkenntniseinstellung mittelalterlicher Denkweise nicht nur nicht geeignet, sondern
mehr noch, sie behinderte die Problemstellung der Erkenntnis einer sich selbst genügenden
Natur.
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Wir werden uns nicht bei der Lehre F. Bacons von den Idolen (25) aufhalten. Aber es soll
bemerkt werden, dass der Verulamier seine Sicherheit darüber zum Ausdruck bringt, dass sie
unbedingt durch „einen harten und feierlichen Entschluss“ (26) über Bord geworfen werden
muss. Für ihn besteht die Aufgabe die Welt zu erkennen nicht im Verkünden reihenweiser
Vorschläge über die Welt, sondern in der Betrachtung und Erschließung der Natur dieser echten
Welt.
F. Bacon war ein Ideologe der experimentellen Naturwissenschaft; für ihn ist der Begriff
Versuch nicht eine Probe oder Prüfung, sondern eine Art, „der Natur zu gehorchen“.(27) Und die
höchste Kunst „der Erkenntnis besteht auch darin, dass man es lernt, auf dem Standpunkt des
neuen Absoluten – der Natur – zu stehen“. (28)
Bacon hat mehrfach unterstrichen, dass die Wissenschaft nicht Selbstzweck sein und nicht allein
die Lust zu entdecken befriedigen sollte, sondern ihre Hauptaufgabe ist die Befriedigung der
Bedürfnisse und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen, d.h. die Wissenschaft
soll über ihre Erfindungen der Menschheit Nutzen bringen. F. Bacon bemühte sich, die abstrakte
Gegenüberstellung der spekulativ-theoretischen und der handwerklich-technischen Tätigkeit zu
überwinden, die in der traditionellen Philosophie existierte, und der Entwicklung des
wissenschaftlich-technischen Wissens im Wege stand. (29)
In dieser Beziehung machte der Begründer des Materialismus und der gesamten experimentellen
Wissenschaft der Neuzeit einen großen Schritt nach vorn, er übte einen entscheidenden Einfluss
auf den Denkstil seiner Epoche aus. Der Verulamier unterzog die spekulativ-theoretische
Tätigkeit einer scharfen Kritik und rief die Forscher auf, sich mit konkreten empirischen Fragen
zu beschäftigen und nützliche Empfehlungen zu geben. Die Problemstellung an sich ging bereits
weit über die Grenzen der traditionellen scholastischen Betrachtungsweise eines Gegenstandes
hinaus. Zum Beispiel bestand er auf der Untersuchung solcher konkreter Fragen wie der
Verlängerung des Lebens, Verjüngung bis zu einem gewissen Grade, verlangsamter Eintritt des
Alters usw. Dabei brachte er mehrfach sein Bedauern zum Ausdruck, dass frühere Philosophen
und untätige Forscher solchen wichtigen Fragen keine Aufmerksamkeit geschenkt haben.
In der Naturtheorie entwickelte Bacon sogar Rezepte, wie Gold gemacht werden kann. „Die
Umwandlung von Silber oder Quecksilber oder irgendeines anderen Metalls in Gold“, schrieb er,
„ist eine Sache, die schwer zu glauben ist; jedoch bedeutend wahrscheinlicher ist es, dass jener,
der die Natur der Schwere, der gelben Farbe, der Schmiedbarkeit und Dehnbarkeit, des
Unbeweglichen und Veränderlichen erkennt und tiefgründig studiert, wer sorgfältig die
Bestandteile und Lösungsmittel der Minerale erforscht, nach langen, große Anstrengungen und
Findigkeit erfordernden Experimenten schließlich Gold erschaffen kann, als der, der hofft, in
einigen Minuten andere Metalle mit Hilfe einiger Tropfen eines wundersamen Elixiers, das die
Natur vervollkommnen und sie von allen Einschränkungen befreien soll, in Gold zu
verwandeln.“(30)
All das zeugt davon, dass der Philosoph besonderen Wert auf die praktischen, konkreten Dinge
legt. Diese Seite der Baconschen Philosophie berührend, schreibt Hegel: „Das ist die
Betrachtung des Vorhandenen, die Hervorhebung dieses Vorhandenen und seine Verteidigung
kraft dessen, was es ist. Er schaut also auf das Existierende mit offenen Augen nimmt es zur
Kenntnis als das Allerwichtigste und schätzt es, erkennt diese seine Kontemplation vollständig
an. Hier wird das Vertrauen der Vernunft zu sich selbst und der Natur geweckt.“ (31)
Das wichtigste Verdienst Bacons vor der sich entwickelnden Wissenschaft ist, dass er
entschlossen die Rolle der Versuche, der Experimente in der wissenschaftlichen Erkenntnis
verteidigte. Dabei sprach der Philosoph nicht einfach über die Wichtigkeit der sinnlichen
Erkenntnis, sondern bewies die produktive Bedeutung des zielgerichteten, organisierten
Versuchs, des Experiments, das er als Wegweiser in der Erkenntnistätigkeit betrachtete. An
dieser Stelle ist folgender Gedanke von ihm interessant: „Die Natur der Dinge lässt sich im
Zustand einer künstlichen Knappheit besser erkennen, als in der natürlichen Freiheit.“
Der Verulamier maß besondere Bedeutung jenen Versuchen bei, die die Gründe für die
Verbindung zwischen den Erscheinungen aufdecken. Er unterschied die Licht bringenden
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Versuche, die neue Ergebnisse bringen sollten, von den fruchtbringenden Versuchen, die
gewöhnlich praktischen Nutzen bringen. In der wissenschaftlichen Forschung ist seiner Meinung
nach das Wichtigste, die Daten des Versuchs, die experimentellen Fakten, die es dem Forscher
gestatten, in das Wesen der zu erforschenden Erscheinungen einzudringen, richtig analysieren zu
können.
In seiner Philosophie erarbeitet Bacon auch eine neue wissenschaftliche Methode, die es ihm
erlaubte, seine Aufmerksamkeit auf empirische Fakten, auf einmalige und besondere
Erscheinungen zu richten. Indem er die syllogistische Schlussfolgerung, ihre Verbindung mit der
scholastischen Erkenntnismethode kritisierte, begründete der Philosoph die große Bedeutung der
induktiven Methode, nach der die Bewegung in der Erkenntnis vom einzelnen zum Allgemeinen
verläuft. Dabei beschrieb er nicht nur das Schema seiner wissenschaftlichen Induktion, sondern
versuchte auch die Möglichkeit zu beweisen, glaubhaftes Wissen über die Natur durch die
Methode der Analogie und Elimination zu erlangen.
In der Geschichte der Wissenschaft hatte das Werk Bacons „Der große Wiederaufbau der
Wissenschaften“, in dem er eine systematische Enzyklopädie der Wissenschaften, eine große
Bedeutung. Seiner Einteilung legte der Philosoph solche geistige Eigenschaften, wie Gedächtnis,
Phantasie und Vernunft zu Grunde. Die Klassifizierung der Wissenschaften ist ein ziemlich
wichtiger Teil seines Werks. Darin wurde erstmalig in der Geschichte ein geordnetes Bild des
Ganzen erfasst. Es wurde positiv eingeschätzt, weil es sich kritisch zur scholastischen Methode
der Erscheinungsbetrachtung verhielt, in der der Verstand, nach einem treffenden Ausdruck von
Hegel, „ein Netz scholastisch-aristotelischer Begriffe spann und sie als Realität ausgab.“
Deshalb übte gerade die Baconsche Klassifikation der Wissenschaften einen wesentlichen
Einfluss auf die nachfolgende Entwicklung der Philosophie und der Wissenschaften aus.
In der theoretischen Sinngebung der Wissenschaft, der wissenschaftlichen Kenntnisse wurde ein
neuer Schritt mit der Philosophie von Kant vollbracht. Während Descartes und Bacon in der
Erforschung der Wissenschaft, der wissenschaftlichen Methode ihr Hauptaugenmerk auf
Erarbeitung und Begründung einer neuen Erkenntnismethode richteten, machte Kant den
produktiven Versuch, die Natur der Wissenschaft als solche zu versinnbildlichen, die
Möglichkeit des wissenschaftlichen Urteilens darzustellen, die Gesamtbedingungen der
Herausbildung von wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnissen zu erschließen. In Kants
Philosophie zeigte sich deutlich die Orientierung „auf eine neue Wissenschaft – die mechanische
Naturwissenschaft“, und diese Orientierung zeigt sich darin, dass „die Existenz der Objekte an
sich von dem großen deutschen Denker anerkannt wird und dass er davon ausgeht, dass man sie
nicht erkennen kann, bevor man sie nicht methodologisch so untersucht hat, als ob sie
Mechanismen (Maschinen) und Geschöpfe eines freien und zielgerichteten Geistes wären. Aber
dabei muss der Philosoph, der die Bedingungen des theoretischen Wissens erforscht, immer
daran denken, dass dieses „als ob“ nur ein methodologisches Verfahren ist, dass die Welt an und
für sich existiert, unabhängig davon, ob sie erkannt wird oder nicht.“ (32)
In seiner Philosophie und Logik unterschied Kant genau zwischen wissenschaftlichen
Kenntnissen (Wissenschaft) und künstlerisch-ästhetischen, religiösen und philosophischen
Kenntnissen. Seiner Meinung nach sind die wissenschaftlichen Kenntnisse vor allem
schöpferisches, synthetisches Wissen, das gleichzeitig allgemeine und notwendige Bedeutung
hat. Es ist auch das Wissen vom Objekt, von der Natur, die, nach Definition von Kant, die
Gesamtheit der Erfahrung darstellt.
Nach Kant unterscheidet sich das Objekt von der objektiven Realität, von den „Dingen an sich“.
Während die objektive Realität an und für sich existiert, unabhängig vom Subjekt (Bewusstsein),
so existiert das Objekt, die Natur nicht an und für sich, sondern ist durch das Subjekt bedingt,
formiert sich durch eine primäre Einheit des Selbstbewusstseins. Mit anderen Worten, inwieweit
die objektive Realität, die „Dinge an sich“ unabhängig vom Subjekt existieren, insoweit ist das
Bewusstsein, der Verstand nicht im Recht, seine Gesetze (Kategorien) der objektiven Realität
zuzuschreiben. Bezüglich dessen, was das „Ding an sich“ sein soll, kann der Verstand uns so
wenig lehren, wie auch die Sinnlichkeit. Und genau so, wie wir nicht das Recht haben zu
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behaupten, dass sich die Dinge in Raum und Zeit befinden, haben wir nicht das Recht zu sagen,
dass die „Dinge an sich“ eine Größe haben, dass sie Substanz sind, dass sie sich im Verhältnis
Ursache und Wirkung befinden usw.
Nach Meinung Kants hat es die Wissenschaft in Wirklichkeit nur mit einem Objekt zu tun (mit
der Natur und den Erscheinungen), dessen Möglichkeit durch Betrachtungsform und Denkform
bestimmt wird. Von daher ist es selbstverständlich, dass nicht die Begriffe aus der Erfahrung
übernommen werden, sondern die Möglichkeit der Erfahrung durch die Kategorien des
Verstandes bedingt sind. Die Denkkategorien werden auf die Gegenstände übertragen, d.h. sie
haben das Recht auf objektive Bedeutung, weil sie eigentlich selbst die Erfahrung und die
Erkenntnisgegenstände schaffen. Den „Gegenstand“ erklärt Kant nur als Erkenntnisgegenstand,
im Unterschied zum „Ding an sich“. Diese These ist die Schlussfolgerung aus der komplizierten
Kantischen Deduktion.
Ausgangspunkt der Deduktion Kants ist jene allgemeine Tatsache, dass eine vielfältige
Betrachtungsweise, wie sie uns unmittelbar gegeben ist, immer einen inneren Zusammenhang
darstellt. Die Vereinigung der Vielfalt überhaupt kann niemals in reiner Form sinnlicher
anschaulicher Vorstellung bestehen. Sie muss auf die Erfahrung des Verstandes zurückgeführt
werden (egal, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, ob das die Vereinigung der Vielfalt in
anschaulicher Vorstellung oder in irgendwelchen anderen Begriffen sein wird oder nicht), den
wir allgemein als „Synthese“ bezeichnen, um damit auch zu unterstreichen, dass wir uns nichts
verbundenes im Objekt vorstellen können, das wir vorher selbst nicht verbunden haben; unter
allen Vorstellungen ist die Verbindung das einzige, das nicht vom Objekt gegeben ist, sondern
nur vom Subjekt selbst geschaffen wurde, und gerade das ist der Akt seiner Selbstständigkeit.“
(33) Der Philosoph ist davon überzeugt, dass, wenn unsere Erkenntnis die Erkenntnis der
objektiven Realität wäre, der „Dinge an sich“, so wäre eine theoretische Begründung der
Existenz wissenschaftlicher Urteilskraft nicht möglich, d.h. des synthetischen und
schöpferischen Wissens, dessen allgemeine Bedingung die Existenz logischer
„a priori“Kategorien ist, unter die, gewissermaßen, die sinnliche Vielfalt fällt. Also entsteht die Frage: Die
Kategorien sind nach ihrer Herkunft subjektive Formen (sie sind im Verstand angelegt), aber
inwieweit haben sie objektive Bedeutung, d.h. wie können sie die Gegenstände der objektiven
Realität synthetisieren, wie ihnen Gesetze zuordnen? Auf diese Frage gibt Kant eine klare
Antwort, und zwar: Unsere wissenschaftliche Erkenntnis hat nichts mit den „Dingen an sich“ zu
tun, sondern mit Erscheinungen, mit dem Objekt, der Natur, die von Anfang an durch das
Subjekt, durch eine ursprüngliche Einheit des Selbstbewusstseins bedingt sind. Mit anderen
Worten, der Verstand schreibt seine Gesetze nicht der objektiven Realität zu, sondern dem
Objekt, das sich schon früher durch die ursprüngliche Einheit des Selbstbewusstseins
herausgebildet hatte. Kant schrieb: „Das Objekt ist das, in dessen Verständnis das Vielfältige,
Erfassbare durch die gegebene Betrachtungsweise vereinigt ist. Aber jegliche Vereinigung von
Vorstellungen fordert die Einheit des Bewusstseins in der Synthese dieser Vorstellungen. Somit
ist die Einheit des Bewusstseins das, was allein die Beziehung der Vorstellungen zum
Gegenstand ausmacht, sozusagen ihre objektive Bedeutsamkeit, folglich ihre Umwandlung in
Wissen; auf dieser Einheit basiert die Möglichkeit des Verstandes selbst.“ (34) „Die synthetische
Einheit des Bewusstseins ist folglich die objektive Bedingung jeglicher Erkenntnis; nicht nur ich
selbst brauche sie für das Erkennen des Objekts, sondern jegliche Kontemplation, um für mich
Objekt zu werden, muss sich dieser Bedingung unterordnen, weil auf anderem Wege und ohne
diese Synthese sich die Vielfalt nicht in einem Bewusstsein vereinigen könnte.“ (35)
Somit besteht der Unterschied des Objektes von der objektiven Realität darin, dass das Objekt
als Erkenntnisgegenstand eine Bedingung für die Entstehung der Wissenschaft ist. Mit anderen
Worten beginnt die Geschichte der Wissenschaft erst dann, wenn diese Aufgabe klar formuliert
ist, wenn dieses neue Element geistiger Tätigkeit eindeutig bestimmt ist. Was ist das? Was ist die
Natur dieses neuen gnoseologischen Elements? Der Philosoph nimmt an, dass diese Elemente
auch früher in der Mathematik und den Naturwissenschaften existierten, dank denen sie früher
als die Philosophie die synthetischen Apriori-Urteile, die Bedingung jeglicher wirklicher
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Wissenschaft sind, formulieren konnten. Dieses neue Element ist nach Kants Formulierung der
Beginn eines neuen Denkens, der Beginn einer neuen Herangehensweise.
Also, wenn die traditionelle Philosophie, wie bereits erwähnt, den Gegenstand als etwas von
Anfang an gegebenes, vor jeglichem Subjekt und seiner Erkenntnis existierendes, voraussetzte,
so begründete Kant erstmalig in der Geschichte der Philosophie den Gedanken, dass der
Gegenstand nicht außerhalb des Subjekts und seiner Erkenntnis existieren kann. Deshalb ist das
traditionelle Verständnis des Gegenstandes, der Wirklichkeit ganz und gar nicht Gegenstand der
Wissenschaft, der wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnis, und, um es konkreter zu sagen,
ganz und gar nicht ein realer Gegenstand, obwohl er auf bestimmte Weise Einfluss auf das
Subjekt und seine Erkenntnis ausübt. Folglich ist der Erkenntnisgegenstand der Wissenschaft
nicht der Gegenstand, der an und für sich existiert (das „Ding an sich“), sondern die Erfahrung,
die Gesamtheit der sinnlichen Vorstellungen, die eigentlich durch die Aktivität des Subjektes
bedingt sind. Mit anderen Worten, der wirkliche Gegenstand der wissenschaftlich-theoretischen
Erkenntnis ist ein solcher Gegenstand (Gesamtheit der Erfahrung), dessen Möglichkeit und
Wirklichkeit von Anfang an durch die apriorische Kontemplation – Raum und Zeit – und die
apriorischen Verstandesformen, d.h. die logischen Kategorien, bedingt ist.
Dieser Gedanke Kants brachte wirklich Neues in die Untersuchung des Problems, d.h. es war
jetzt klar, dass über die Grenzen des Subjekts hinaus eine Wirklichkeit an sich existiert, und
alles, womit der Mensch, seine Erkenntnis zu tun hat, außerhalb des Subjektes und seiner
Aktivität nicht existiert. Die reale Wirklichkeit außerhalb der menschlichen Erkenntnis ist nur
ein möglicher Gegenstand.
Nach Meinung Kants besteht der Vorteil der Mathematik und der Naturwissenschaften im
Vergleich zur Philosophie darin, dass sie das irgendwie schon früher verstanden haben.
Bezüglich der Mathematik behauptet der Philosoph, dass es nicht darum geht, wer der Begründer
ist (Thales oder andere), sondern darum, was ihre ersten Begründer auf irgendeine Weise
verstanden haben: die Aufgabe der Mathematik ist nicht der Ausdruck der wirklichen
Eigenschaften des Dreiecks, sondern die Struktur der Betrachtungsweise nach vorher gegeben
Bedingungen. „Aber das Licht eröffnete sich dem,“ schrieb Kant, „der erstmalig das Theorem
über das gleichschenklige Dreieck bewies (egal, ob das Thales war oder jemand anders); er hat
nämlich verstanden, dass seine Aufgabe nicht in der Erforschung dessen besteht, was er in der
Figur oder nur in ihrem Verständnis erblickte, als ob er darin ihre Eigenschaften abliest, sondern
darin, eine Figur mit Hilfe dessen zu schaffen, was er selbst a priori, den Begriffen angemessen
gedanklich hineingelegt hat und (durch Konstruktion) zeigte. Er verstand, dass er nur in dem Fall
apriorisches Wissen über etwas haben kann, wenn er der Sache nur das zuschreibt, was aus dem
notwendigerweise in sie durch ihn entsprechend seinem Verständnis hineingelegten folgt.“ (36)
Kant schätzte eine solche Betrachtungsweise hoch ein und verglich sie mit der großen
Revolution in der Entwicklung des theoretischen Denkens. „Die Geschichte dieser Revolution
des Denkens ist uns nicht erhalten geblieben“, schrieb er, „obwohl sie viel wichtiger ist, als die
Entdeckung des Weges um das berühmte Kap, nicht einmal der Name des Glücklichen, der diese
Revolution durchgeführt hat, ist uns erhalten geblieben.“ (37)
Dieser Weg, der die Mathematik auf den Pfad der echten und wahren Wissenschaft gebracht hat,
war auch der einzige Weg für die sich entwickelnde Naturwissenschaft. „Die
Naturwissenschaftler verstanden“, schrieb Kant, „dass die Vernunft nur das sieht, das sie selbst
nach eigenem Plan schafft, dass sie mit den Prinzipien ihrer Überlegungen, entsprechend den
ewigen Gesetzen vorangehen und die Natur zwingen muss, auf ihre Fragen zu antworten, und
sich nicht buchstäblich in ihrem Schlepptau ziehen lassen darf, weil sonst die Beobachtungen,
die zufällig, ohne vorher aufgestellten Plan gemacht wurden, nicht durch das nötige Gesetz
verbunden werden, während die Vernunft ein solches Gesetz sucht und es braucht. Die Vernunft
muss einerseits mit ihren Prinzipien an die Natur herangehen, nur ihnen entsprechend können die
untereinander abgestimmten Erscheinungen auch Gesetzeskraft haben, andererseits mit
Experimenten, die entsprechend diesen Prinzipien erdacht wurden, um aus der Natur Wissen zu
512
schöpfen, aber nicht wie ein Schüler, dem der Lehrer alles vorsagt, was er will, sondern wie ein
Richter, der den Zeugen zwingt, auf die von ihm gestellten Fragen zu antworten.“ (38)
In seiner „Kritik der reinen Vernunft“ ist Kant zutiefst davon überzeugt, dass die Philosophie im
Unterschied zur Mathematik und der Naturwissenschaft noch keinen solchen glücklichen
Moment erlebt hat, sie hat nach dem Willen des Schicksals noch keine neue Denkart entwickelt.
Deshalb nimmt der Philosoph an, sie sei keine echte Wissenschaft – es gibt doch noch keine
allgemeine synthetische Grundlage. Deshalb ist die einzige mögliche Methode der
wissenschaftlichen Philosophie ihre Orientierung auf die Erfahrungen der Mathematik und der
Naturwissenschaften, um zu versuchen, einen neuen Stil des Denkens, eine neue
Forschungsmethode zu entwickeln. „Ich würde annehmen“, schrieb Kant, „dass das Vorbild der
Mathematik und der Naturwissenschaften, die dank ihrer schnellen Revolution das geworden
sind, was sie jetzt sind, bemerkenswert genug ist, um über die Wesenheit jener Veränderungen in
der Art des Denkens nachzudenken, die sich für sie als so günstig erwiesen haben, dass man
wenigstens versuchen sollte, sie nachzuahmen, soweit das ihre Ähnlichkeit mit der Metaphysik
(als auf der Vernunft basierendes Wissen) gestattet.“ (39)
Nach ihrer Art zu forschen ist die Philosophie bis jetzt noch nicht einmal in die Nähe dieser,
große Achtung verdienenden, Wissenschaften gekommen. In der Forschung ging sie von jener
theoretischen Voraussetzung aus, die nicht nur Ihre Formierung als Wissenschaft nicht förderte,
sondern umgekehrt, sogar behinderte, nachdem sie es ermöglichte, ungehindert eine Vielzahl
durch nichts begründete philosophische Systeme zu konstruieren. „Bisher wurde angenommen“,
schrieb Kant, „dass alle unsere Kenntnisse den Gegenständen Rechnung tragen müssen. Dabei
endeten allerdings alle Versuche, etwas bezüglich der Gegenstände über Begriffe apriorisch
festzustellen, was unser Wissen über sie erweitert hätte, mit einem Fiasko. Deshalb hätte man
versuchen sollen herauszufinden, ob wir nicht die Aufgabe der Metaphysik erfolgreicher lösen
könnten, wenn wir von der Annahme ausgingen, dass die Gegenstände unserer Erkenntnis
Rechnung tragen müssen. Und das lässt sich mit der Forderung nach der Möglichkeit
apriorischen Wissens über die Gegenstände besser vereinbaren, soll es doch etwas über sie
festlegen, bevor sie uns gegeben sind.“(40)
Kant schätzte diese Art der Forschung, das gnoseologische Herangehen, so hoch ein, dass er sie
mit der kopernikanischen Revolution verglich. Er war vollkommen davon überzeugt, dass
ähnlich wie Kopernikus‘ Herangehensweise das wahre Verständnis des Sonnensystems
ermöglichte, die neue gnoseologische Herangehensweise es gestattet, den Gegenstand auf neue
Art zu sehen und das Funktionieren des wissenschaftlich-theoretischen Wissens zu erklären. In
diesem Zusammenhang sind folgende Aussagen von Kant selbst interessant. „Hier wiederholt
sich das gleiche wie mit dem Ausgangsgedanken von Kopernikus: als es sich erwies, dass die
Hypothese von der Umlaufbahn aller Sterne um den Beobachter die Bewegung der
Himmelskörper nicht gut genug erklärt, versuchte er festzustellen, ob er nicht mehr Erfolg
erreichen könnte, wenn man annähme, dass der Beobachter sich bewegt, und die Sterne sich in
einem Ruhezustand befänden. Einen ähnlichen Versuch kann man auch in der Metaphysik
unternehmen, wenn die Rede ist von der Betrachtung der Gegenstände. „Wenn die
Betrachtungen sich mit den Eigenschaften der Gegenstände vereinbaren ließen, so ist es mir
unverständlich, woher man irgendetwas a priori über diese Eigenschaften wissen soll; und
umgekehrt, wenn die Gegenstände (als Sinngegenstände) sich mit unserer Betrachtungsfähigkeit
vereinbaren lassen, so kann ich mir durchaus die Möglichkeit apriorischen Wissens vorstellen.
Aber bei den Kontemplationen kann ich nicht stehen bleiben, um sie zu Wissen zu machen, muss
ich sie als Vorstellungen zu irgendetwas ins Verhältnis setzen als Gegenstand, den ich durch
diese Betrachtungen bestimmen muss.“ (41) „Wir erkannten a priori von den Dingen nur das“,
fuhr er fort, „was in sie durch uns hineingelegt wurde.“ (42)
Mit aller Bestimmtheit muss man sagen, dass in der Kantischen Herangehensweise wirklich ein
neues und wertvolles Element vorhanden ist, das eigentlich den Platz Kants in der Entwicklung
der Philosophie bestimmte. Es stimmt zwar, dass dieses Element innerlich mit dem Kantischen
subjektiven Idealismus, mit seinem Apriorismus und Agnostizismus im Zusammenhang steht,
513
und deshalb war seine Rolle in der Auslegung von Kant selbst äußerst begrenzt. Erst in der
nachfolgenden Entwicklung der Philosophie, in Sonderheit in der marxistischen Philosophie,
wurden die rationalen Elemente seiner produktiven Ideen materialistisch umgedeutet, und dann
(in materialistischer Lesart) brachten sie ihre rationalen Elemente zum Vorschein. In erster Linie
geht es um die von Kant erarbeiteten Ausgangsideen des Aktivitätsprinzips der menschlichen
Erkenntnis, ohne das in der heutigen Zeit eine Vorstellung von der Dialektik des
Erkenntnisprozesses nicht möglich ist.
Im Unterschied zur Philosophie vor Kant, besonders zum Kontemplationsmaterialismus hatte
Kant klar verstanden, dass das menschliche Bewusstsein keine Tabula rasa ist, kein passives,
rein kontemplatives Verhältnis zum Objekt, sondern eine Beziehung, die von Anfang an mit
Inhalt angefüllt ist – den Kategorien und apriorischen Formen der Sinnlichkeit, die eigentlich
den Gegenstand herausbilden und als allgemeine Bedingungen des synthetischen, allgemeinen
und schöpferischen Wissens (synthetische Urteile) gelten.
Die Beschränktheit sowohl des Empirismus, als auch des Rationalismus vermerkend unterstrich
Kant, dass die wahre Sphäre des wissenschaftlich-theoretischen Gebiets die synthetischen Urteile
sind, die, ihrer Natur nach synthetisch, aber dessen ungeachtet allgemeine und notwendige
Bedeutung haben. Deshalb verknüpfte der Philosoph die Frage nach den Möglichkeiten der
Wissenschaft, der wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnis mit der Möglichkeit solchen
Wissens.
Kant geht aus von der Tatsache, dass Wissenschaft, wissenschaftlich-theoretische Kenntnisse
existieren. Die Möglichkeit wissenschaftlicher Kenntnisse in der Metaphysik ist schwer zu
beweisen, aber solche allgemeinen und notwendigen Kenntnisse existieren zweifellos in der
Mathematik und der Naturwissenschaft. Eine These der Geometrie, wie „die gerade Linie ist der
kürzeste Abstand zwischen zwei Punkten“ ist synthetisch und apriorisch, weil im Begriff gerade
Linie, so genau er auch analysiert sein mag, keine Vorstellung eines kürzesten Weges vorhanden
ist. Eine ähnliche Bedeutung hat die These der Naturwissenschaft „jede Veränderung in der
Natur hat ihre Ursache“.
Kant ist überzeugt, dass Möglichkeit und Notwendigkeit solcher wissenschaftlich-theoretischer
Kenntnisse, wie die Thesen der euklidischen Geometrie und der Newtonschen Physik unmöglich
zu begründen sind, wenn man von analytischen Thesen und Erfahrungen ausgeht. Jegliches
wahre wissenschaftlich-theoretische Wissen muss, laut Kant, allgemeine Bedeutung haben und
gleichzeitig unsere Kenntnisse über den Gegenstand erweitern. So gibt es zum Beispiel in der
Überlegung „die Sonne ist eine Wärmequelle“, wie genau der Begriff „Sonne“ auch analysiert
sein mag, keinen Begriff Wärme. Ein solches Urteil ist, laut Kant, ebenfalls kein Ergebnis
empirischer Verallgemeinerung durch Induktion.
Kant versteht sehr gut, dass die Thesen der Newtonschen Physik und der euklidischen Geometrie
keine problematische, sondern eine allgemeine und notwendige Bedeutung in jeder Erfahrung
haben. Die Hauptaufgabe der Kantischen Kritik ist der Beweis allgemeiner Bedingungen für die
Möglichkeiten der Wissenschaft, der wissenschaftlich-theoretischen Kenntnisse.
Nach Kant sind die wissenschaftlich-theoretischen Thesen der Geometrie und Physik nicht
möglich durch empirische Verallgemeinerung und Induktion, sie sind eine Form des
theoretischen Wissens und unterscheiden sich deshalb prinzipiell vom empirischen Wissen, das
keine allgemeine und notwendige Bedeutung hat. Die Fragestellung selbst nach dem Unterschied
empirischer und wissenschaftlich-theoretischer Kenntnisse hatte gewaltige Bedeutung in der
Geschichte der Logik und Gnoseologie.
Nach Kant sind für die Begründung des Wesens der Wissenschaft und der wissenschaftlichen
Kenntnisse die Prinzipien der traditionellen Logik nicht ausreichend, denn sie stellt überhaupt
nicht die Frage nach dem Entstehen der wissenschaftlich-theoretischen Kenntnisse. Solches
Wissen kann man ebenfalls nicht mit der Erkenntnistheorie des Rationalismus und Empirismus
begründen. Der Rationalismus kann nur die Möglichkeit analytischen Wissens begründen, und
der Empirismus ist nicht in der Lage, seinen Urteilen einen allgemeinen und notwendigen
Charakter zu geben. Kant beweist die Unfruchtbarkeit sowohl des Rationalismus, als auch des
514
Empirismus. Sie sind beide einseitig. Jede Richtung unterstreicht eine Seite und verwirft die
andere.
Ein großes Verdienst Kants ist es, dass er erstmalig die Idee hatte, die Gegensätzlichkeiten in
einer Einheit zusammenzufassen. Während die gesamte alte Philosophie und Logik bei der
Betrachtung der Gegensätze und Erscheinungen die gute Hälfte des Denkens verworfen hat, so
stellte Kant das ganzheitliche Denken wieder her. Kant war sich zutiefst bewusst, dass für den
Beweis der Möglichkeit wissenschaftlich-theoretischen Wissens eine Einheit der
Gegensätzlichkeiten vonnöten ist, d.h. die Einheit des Allgemeinen mit dem Einzelnen, des
Notwendigen mit dem Zufälligen, der Form mit dem Inhalt, dem Einen mit dem Vielen. Für die
gesamte vorkantische Logik war das Wissensprinzip die abstrakte Identität und der abstrakte
Unterschied, Kant jedoch hob als Hauptprinzip der Wissenschaft, der wissenschaftlichen
Erkenntnis die Einheit des einen mit dem anderen hervor.
In Sinnlichkeit und Verstand sah Kant zwei Seiten des wissenschaftlich-theoretischen,
synthetischen Wissens. Das erste ist die Fähigkeit, eine Vorstellung (Beeindruckungsfähigkeit)
zu bekommen, das zweite – die Fähigkeit, den Gegenstand zu erkennen (Selbsttätigkeit der
Begriffe). Das wirkliche Wissen machen Verstand und Sinnlichkeit in ihrer Vereinigung aus.
Diese Fragestellung selbst war ein Schritt vorwärts im Vergleich mit der vorherigen Philosophie.
Also können weder ein Begriff ohne entsprechende bekannte Art der anschaulichen Vorstellung,
noch anschauliche Vorstellungen ohne Begriffe zum Wissen führen. Die Sinnlichkeit ist Inhalt
der Erkenntnis, der Begriff die Form, das Bindeglied zu den Erscheinungen der Erfahrung.
„Ohne Sinnlichkeit“, schrieb Kant, „würde uns nicht ein einziger Gegenstand gegeben, und ohne
Verstand könnte nicht einer gedanklich verarbeitet werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer,
Betrachtung ohne Begriffe ist blind.“ (43) Kategorien sind objektiv, wenn sie gegenständlich
sind, Betrachtungen sind objektiv, wenn sie den Kategorien zugeordnet werden.
Kant beschränkt sich nicht auf die Konstatierung der Einheit von Sinnlichem und den Kategorien
des Verstandes, sondern unterzieht jede Seite dieser einheitlichen theoretischen Erkenntnis einer
genauen Analyse.
Im Weiteren erforscht die Kantische Philosophie die Frage, wie die Gegenstände und
Erscheinungen den Kategorien des Verstandes zugeordnet werden, wie sich im Ergebnis dieses
Prozesses wissenschaftliches Wissen formiert. Gegenstände bestimmten Kategorien zuordnen
bedeutet ein Urteil zu fällen, und entsprechend dieser Tätigkeit nennt man diese Tätigkeit
Urteilskraft. Nach Meinung Kants kann die allgemeine Logik, die von jeglichem Inhalt ablenkt,
keine Basis für Urteilskraft sein. Eine andere Sache ist die transzendentale Logik, die sich nicht
vom Inhalt der Begriffe ablenken lässt, sondern die richtige Anwendung der reinen Begriffe des
Verstandes bezüglich der Gegenstände lehrt. Sie zeigt, ob sich der Gegenstand den Regeln des
Verstandes unterordnet oder nicht, und als Kritik bewahrt sie uns vor Fehlurteilen bei der
Anwendung reiner Verstandesbegriffe.
Das wichtigste der Kantschen Philosophie ist die Frage, wie die subjektive Bedingung objektive
Bedeutung erlangt. Sie wurde gelöst mit Hilfe der Kantschen Lehre von den Kategorien, vom
synthetischen Urteil und der ursprünglichen Einheit der Apperzeption. Zwar findet sich in der
Kantschen These von der ursprünglichen Einheit der Apperzeption viel Idealistisches. Jedoch
enthielt sie rationale Momente über die Aktivität des erkennenden Subjekts.
Im Unterschied zum Empirismus unterstrich Kant von Anfang an radikal die Aktivität, die
kategorische Bedingtheit des menschlichen Bewusstseins. Nach Kant ist die Bedingung für die
Möglichkeit echten Wissens die tätige Bearbeitung des empirischen Faktes durch die Kategorien,
durch die Gesetze des Denkens. Der Erkennungsprozess wird nicht als spiegelnder toter Akt
ausgelegt, wo ein Ding ist – gibt es eine Ursache, wo Bewusstsein – da Schlussfolgerungen,
sondern als zweiseitiger Prozess, in dem Ursache und Schlussfolgerung ständig die Plätze
wechseln. Die Fragestellung nach den Kategorien selbst hatte große Bedeutung, obwohl Kant die
Bedeutung der letzten übertrieb.
In diesem Zusammenhang entsteht die Frage, dass reine Verstandesbegriffe an sich jeglichen
Inhalts beraubt sind, d.h. gar keinen Bezug zu irgendeinem Gegenstand haben, völlig leer sind
515
und zu keinerlei Erkenntnis führen können; und wenn sie als apriorische Begriffe nicht aus einer
Erfahrung übernommen wurden, dann ist unklar, mit welchem Recht wir sie dann auf die
Gegenstände anwenden können. Mit anderen Worten, wenn die reinen Verstandesbegriffe
unabhängig von jeglicher Erfahrung sind, müssen sie Bedeutung in jeder Erfahrung haben. Wenn
sie ihrer Herkunft nach rein subjektiv sind, dann prätendieren sie ihrer Bedeutung nach auf
empirische Objektivität. Wie geht das vor sich? Auf diese Frage antwortet Kant, dass wir es
nicht mit den „Dingen an sich“ zu tun haben. Bezüglich dessen, was die „Dinge an sich“ sind,
kann der Verstand uns genauso wenig lehren, wie auch die Sinnlichkeit.
Im Verständnis Kants, wie gesagt, ist es nicht möglich wissenschaftliche Kenntnisse über ein
Objekt zu erarbeiten, wenn das Objekt absolut unabhängig vom Subjekt betrachtet wird. Die
Wissenschaft, das wissenschaftlich-theoretische Wissen, hat es nur mit einem solchen Objekt zu
tun, dessen allgemeine Formierungsbedingung sich im Subjekt befindet, vielmehr, in der
Struktur seines Denkens. In diesem Zusammenhang entsteht die Frage: was veranlasste Kant, die
Wirklichkeit in das „Ding an sich“ und die „Erscheinung“ zu teilen? Es ist anzunehmen, dass es
eine Verletzung des Historismus sein wird, wenn wir diese Frage von Anfang an mit dem frühen
Kantischen Agnostizismus verbinden. Zweifellos ist hier der Kantische Agnostizismus
vorhanden, obwohl er nicht Ausgangspunkt seiner theoretischen Konzeption ist, sondern Folge
anderer theoretischer Annahmen. Es ist so, dass Kant über seine Teilung versucht, seine
grandiose Kompromisskonzeption zu begründen. Er will sowohl die Wissenschaft retten, als
auch die Philosophie und die Religion.
Kant ist bestrebt, wie bereits gesagt, die Möglichkeit wissenschaftlich-theoretischen Wissens zu
begründen. Zu diesem Zweck ist das Vorhandensein allgemeinen, apriorischen Wissens im
Verstand des Subjektes unbedingt notwendig, ohne das kann theoretisches Wissen nicht
begründet werden. Beim Versuch einer solchen Begründung entstehen freilich Widersprüche: so
ist dabei nicht klar, auf welche Weise das Subjekt (sein Bewusstsein) die apriorische Bedingung
jener Wirklichkeit (des Gegenstandes) enthalten kann, die objektiv existiert und nicht vom
Subjekt abhängt. Als Ausweg aus dieser Situation stellt Kant erneut die Frage des Vergleichs mit
der gesamten ihm vorangegangenen Philosophie. Er teilt den Ausgangsgegenstand in zwei
Gegenstände. Die menschlichen Kategorien sind nicht die allgemeinen Bedingungen für jene
Wirklichkeit (der „Dinge an sich“), die objektiv und unabhängig vom Subjekt existieren. Also,
treten die Kategorien als allgemeine Bedingungen des Gegenstandes auf, der abhängt und sich
formiert, eine objektive Existenz mit Hilfe dieser Kategorien erhält.
Die Kategorie „Ding an sich“ ist auch aus einem anderen Grund unumgänglich in der Kantischen
Philosophie. Kant ging von folgenden Tatsachen aus: es gibt die Mathematik, die
Naturwissenschaften, ebenfalls die praktische Philosophie – die Moral, die Sittlichkeit. Wenn die
wichtigste Bedingung für die Existenz der Wissenschaft die Welt der Natur ist, die sich den
allgemeinen Bedingungen des Verstandes unterordnet, so haben wir es auf dem Gebiet der
Moral, der praktischen Philosophie mit dem Unbedingten, mit der Freiheit zu tun.
Es entsteht die Frage, wie die gegenseitige Widersprüchlichkeit dieser beiden Gebiete zu
rechtfertigen sei. Dazu, ist Kant überzeugt, trägt seine Teilung in das „Ding an sich“ und die
„Erscheinung“ bei. „Weil die Notwendigkeit uns veranlasst, die Grenzen der Erfahrungen und
aller Erscheinungen zu überschreiten, gibt es das Unbedingte, das der Verstand unbedingt
braucht, völlig zu Recht in den Dingen an sich die Ergänzung zu allem Bedingten sucht, und auf
diese Weise eine ganze Reihe von Bedingungen fordert. Wenn nun bei der Annahme, dass, das
durch unsere Erfahrung erworbene Wissen den Gegenständen als den Dingen an sich entspricht,
sich herausstellt, dass das Unbedingte überhaupt nicht denkbar ist ohne Widerspruch, und
umgekehrt, bei der Annahme, dass nicht die Vorstellung über die Dinge, wie sie uns gegeben
sind, diesen Dingen als Dingen an sich entsprechen, sondern die Gegenstände als Erscheinungen
dem entsprechen, wie wir sie uns vorstellen, fällt dieser Widerspruch weg, und folglich muss das
Unbedingte sich nicht in den Dingen befinden, soweit wir sie kennen (soweit sie uns gegeben
sind), sondern in den Dingen, soweit wir sie nicht kennen, d.h. wie in den Dingen an sich, so
516
wird von hier aus klar, dass die von uns am Anfang in Gestalt eines Versuches gemachte
Annahme begründet ist.“ (44)
Kant hat diese Gruppe von Argumenten untersucht und fährt weiter fort: „Jetzt nehmen wir an,
dass die durch unsere Kritik gemachte notwendige Aufteilung der Dinge in
Erfahrungsgegenstände und in Dinge an sich überhaupt nicht gemacht worden wäre. In diesem
Fall müssten das Gesetz der Kausalität und der Mechanismus der Natur bei der Definition der
Kausalität sofort auf alle Dinge überhaupt wie auf wirkende Ursachen angewendet werden.
Dann könnte man nicht, wenn man sich nicht in einen offensichtlichen Widerspruch verwickeln
lassen will, von ein und derselben Wesenheit sprechen, z.B. über die menschliche Seele, dass ihr
Wille frei ist, aber gleichzeitig einer natürlichen Notwendigkeit untergeordnet ist, d.h. sie
eigentlich nicht frei ist. Der Widerspruch würde hier deshalb auftreten, weil ich in beiden
Behauptungen die menschliche Seele nehme in ein und derselben Bedeutung, eben gerade als
Ding überhaupt, (als Sache an und für sich), und sie nicht anders nehmen konnte, ohne sich
vorher an die Kritik zu halten.“ (45)
Die Einteilung in das „Ding an sich“ und die „Erscheinung“ ist für die Kantsche Philosophie
wirklich notwendig, weil Kant bei der Begründung seiner Philosophie nicht nur von der
objektiven Existenz der Naturwissenschaften (Physik und Mathematik) ausging, sondern von der
Existenz der Moral als Objekt der praktischen Philosophie. Damit die Wissenschaft existieren
kann, braucht es, wie bekannt, logische Kategorien, die die allgemeine Bedingung jeder
Erfahrung sind. Die Gesamtheit der Erfahrung ist die Natur. Die Natur wiederum, ist die Arena
der Kausalität, der Gesetze, denen sich die Möglichkeit jeder Erfahrung unterordnet. Eine andere
Sache ist die Moral, sie ist unmöglich ohne die Idee der Freiheit. Diese Seite des Problems
berührend, schrieb Kant: „Nehmen wir nun an, dass die Moral Freiheit voraussetzt (im strengsten
Sinne dieses Wortes) als Eigenschaft unseres Willens, und a priori als auf Gegebenheiten
unseres Verstandes hinweist auf solche praktischen ursprünglichen in ihm angelegten
Grundsätze, die ganz unmöglich wären, ohne die Voraussetzung der Freiheit; nehmen wir auch
an, dass die spekulative Vernunft bewies, dass die Freiheit überhaupt undenkbar sei. In diesem
Falle muss die erste Voraussetzung, und zwar die moralische, dem ihren Platz abtreten, dessen
Gegensätzlichkeit offensichtlich einen Widerspruch enthält.“ (46)
Kant nimmt an, dass, wenn es keine Teilung gäbe in das „Ding an sich“ und die „Erscheinung“,
es nicht möglich wäre, die Notwendigkeit der Natur mit der Freiheit der Moral zu vereinbaren.
Sie würden einander widersprechen. Der Widerspruch wird aufgehoben, wenn die Teilung in das
„Ding an sich“ und die „Erscheinung“ durchgeführt wird. In diesem Falle bleiben Freiheit und
Notwendigkeit in ihrem Rahmen. „Was wäre, wenn“, schrieb Kant, „die Kritik vorher nicht
geklärt hätte, dass wir auf keinen Fall die Dinge an sich kennen können, und nicht gezeigt hätte,
dass alles, was wir theoretisch erkennen können, sich nur durch Erscheinungen begrenzen lässt.“
(47)
In der Geschichte der Philosophie ist eine ziemlich tiefgründige Lehre über die Wissenschaft,
über die wissenschaftliche –theoretische Kenntnis in der Philosophie Hegels erarbeitet worden,
der einige Ausgangsideen Kants über die Natur der Wissenschaft übernahm und die Wesenheit
der Wissenschaft und der wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnis prinzipiell auf neue Art
auslegte. Während Kant von der spezifischen Analyse der Euklidischen Geometrie und der
Newtonschen Physik ausging und versuchte, die Besonderheit und Originalität der Wissenschaft
im Unterschied zur Philosophie (Metaphysik) zu erschließen, so war Hegel bemüht, die
Philosophie und die Wissenschaft im Kontext objektiver, sich selbst entwickelnder und selbst
erkennender geistiger Tätigkeit zu verstehen und gedanklich zu verarbeiten. Mit anderen Worten,
Hegel distanzierte sich vom empirischen, vom unmittelbaren Erschließen der vorhandenen
Merkmale der Wissenschaft, und versuchte das Phänomen Wissenschaft theoretisch zu
durchdringen, d.h. sie als Teil eines größeren Ganzen zu untersuchen.
Und wirklich, bei allem Idealismus der Hegelschen Philosophie, war eine solche
Herangehensweise im Großen und Ganzen produktiv. Es geht darum, dass, entsprechend der
Forderung der dialektischen Logik, sich die wahre Wesenheit eines Gegenstandes nicht durch
517
Aufzählung empirischer Definitionen des Gegenstandes erschließen lässt, sondern durch
ganzheitliche Untersuchung des Gegenstandes, wenn seine Herausbildungsart im Kontext des
sich entwickelnden Ganzen tiefgründig offen gelegt wird.
In dieser Beziehung ist die Marxsche Analyse der Wesenheit des Menschen ein
bemerkenswertes Beispiel. Nach Marx ist die Wesenheit des Menschen kein Abstraktum, das
dem einzelnen Individuum eigen ist, sondern die Gesamtheit aller gesellschaftlichen
Beziehungen. Wenn man konsequent dieses methodologische Prinzip auf die Analyse der
Wissenschaft, der wissenschaftlich-theoretischen Kenntnisse anwendet, so ist folgender Schluss
offensichtlich: die Wesenheit der Wissenschaft ist auch kein Abstraktum, das den einzelnen
wissenschaftlichen Disziplinen eigen ist, sondern ist die konkrete Gesamtheit solcher geistigtheoretischer Beziehungen, die sich im Prozess einer bestimmten materiellen, gegenständlichen
Tätigkeit formierten und entwickelten. Deshalb darf man die Wissenschaft, wie auch andere
soziale Erscheinungen, nicht theoretisch, außerhalb der Entwicklung der gesellschaftlichhistorischen Bewegung, außerhalb des universalen Tätigkeitsprinzips verstehen.
Es ist bekannt, dass die Versuche der Philosophen, Inhalt und Entstehung der Wissenschaft
außerhalb der kulturhistorischen Entwicklung des Menschen zu erforschen, zu keinerlei
positiven Resultaten führten. Die gesamte Geschichte der wissenschaftlichen Erkenntnis zeugt
davon, dass die empirische, abstrakte Betrachtungsweise die Wesenheitserkenntnis der
Gegenstände nicht voranbringt. In diesem Zusammenhang ist ein deutliches Beispiel die Analyse
solcher kardinaler Begriffe, wie „Mensch“, „Staat“, „Politik“, „Klassen“ usw. Sie alle sind in der
marxistischen Philosophie in dem Maße gründlich erschlossen worden, wie sie im Kontext der
gegenständlichen, praktischen Tätigkeit gedanklich erfasst waren.
Kraft seines Idealismus verstand Hegel die gegenständliche Tätigkeit nicht als echte
substanzielle Tätigkeit, sondern akzeptierte als substanzielle nur die geistige Tätigkeit, die
Entwicklung des Bewusstseins, des Selbstbewusstseins und des Geistes. Deshalb verfällt Hegel,
der nicht in der Lage ist, den wahren Mechanismus der Entstehung und Entwicklung der
Wissenschaft und Philosophie zu erkennen, einer Illusion und erklärt das Wesen des Problems
falsch, worin auch die Grenzen der Hegelschen Philosophie zu sehen sind. Allerdings darf nicht
das historische Verdienst Hegels bei der tiefgründigen Erforschung der Natur der Wissenschaft
und Philosophie auf der Grundlage eines idealistisch zu verstehenden Tätigkeitsprinzips
vergessen werden. Während die vorhegelianische Philosophie das Problem der Wissenschaft nur
nebenbei erforschte und damit den Weg theoretischer Erkenntnis versperrte, so legte Hegel den
Grundstein für das theoretische Verständnis der Begriffe Wissenschaft und Philosophie, indem
er sich auf das tätige Prinzip der Untersuchung stützte.
Im Unterschied zu Kant stellt Hegel Wissenschaft und Philosophie nicht einander gegenüber.
Seiner Meinung nach kann sowohl die Naturwissenschaft, als auch die Philosophie als
Wissenschaftsform,
als
wissenschaftlich-theoretische
Erkenntnis
auftreten.
Der
Erkenntnisprozess ist nicht das Verhältnis des abstrakten Individuums zum Objekt (Natur),
sondern eine historische Bewegung, eine Selbsterkenntnis durch den Geist, wenn er sich
systematisch selbst als Objekt herausstellt, verwirft und wieder neu formiert, bis er die Identität
des Seins und des Denkens, des Begriffs und des Gegenstandes gefunden hat. Aus diesem
Grunde tritt der gesamte Erkenntnisprozess als eine Reihe von Formbildungen des Bewusstseins,
des Selbstbewusstseins, des Geistes auf. Innerer Kern dieser absoluten Bewegung ist die Identität
der Gegensätze.
In diesem Prozess der Selbstbewegung, der Selbsterkenntnis des Geistes nehmen die
Wissenschaft und Philosophie als besondere Formen der geistigen Selbsterkenntnis ihre
besonderen bestimmten Plätze ein. Soweit Hegel den Verstand und die Vernunft als Stufen der
Erkenntnis untersucht, werden Wissenschaft und Philosophie von ihm ebenfalls als verschiedene
Stufen geistig-theoretischer Tätigkeit ausgelegt. Der Umstand, dass die Naturwissenschaft mit
dem Verstand verbunden ist, die Philosophie mit der Vernunft, sagt in keinem Maße etwas aus
über ihre Ausgangsunterschiede. In Wirklichkeit sind sie nur Stufen in der historischen
Entwicklung des Selbstbewusstseins, des Geistes.
518
Wenn der Verstand nach seinem Begriff als letzte, als Grenzform der Erkenntnis auftritt, so ist
die Vernunft die höchste Form der Erkenntnistätigkeit, die fähig ist, die Konkretheit, die
Ganzheit, die Widersprüchlichkeit eines Gegenstandes zu erkennen. Im Unterschied zum
Verstand begreift die Vernunft das Allgemeine durch die Einheit des Allgemeinen und
Besonderen.
Laut Hegel ist es so: Wenn die Wissenschaft (Naturwissenschaft) mit dem Verstand verbunden
ist, und die Philosophie (Metaphysik) mit der Vernunft, so bedeutet das bei weitem nicht, wie
Kant annahm, die Glaubwürdigkeit und Bestimmtheit der wissenschaftlichen Urteile und die
Problematik und Unbestimmtheit der philosophischen Thesen. Im Unterschied zu Kant führte
Hegel konsequent den Gedanken weiter, dass die Naturwissenschaft auch noch die letzte Art der
Erkenntnis ist, sie umfasst nur das Allgemeine, einzelne Aspekte, Seiten eines Gegenstandes,
aber begreift nicht das Ganze, die Widersprüchlichkeit des Gegenstandes. Von daher
entschwinden die immanente Wesenheit des Gegenstandes, sein inneres Leben und die Dialektik
immer wieder den Blicken der Naturwissenschaftler.
Mit einer solchen Auslegung der Wissenschaft und Naturwissenschaft kann man sich natürlich
nicht einverstanden erklären. Ihre grundlegende Unhaltbarkeit wurde durch die Entwicklung der
Naturwissenschaft bestätigt. F. Engels schrieb seinerzeit, als er sich mit dem Hegelschen
Verhältnis zu den Naturwissenschaften beschäftigte, dass eine solche Beziehung des Philosophen
mit der Begrenztheit und der metaphysischen Durchdringung der Naturwissenschaft jener Zeit zu
tun hatte.
Vollkommen einverstanden mit dieser These, beachten wir auch die anderen Aspekte dieses
Problems. Bekanntlich vermutete Hegel nach Kant eine innere Verbindung der
Naturwissenschaft mit dem Verstand, mit den Verstandeskategorien. Von hier aus folgt die
Schlussfolgerung: wenn der Verstand die Endform des Denkens ist, so ist die Naturwissenschaft,
die sich auf den Verstand stützt, die endliche, begrenzte Form des Bewusstseins, des
Selbstbewusstseins. Folglich ist die metaphysische Durchdringung der Naturwissenschaft, nach
Hegel, untrennbar verbunden mit dem Begriff der naturwissenschaftlichen Erkenntnis der Welt.
Da die Vernunft die höchste Fähigkeit der Erkenntnis ist, ist die Philosophie, die mit der
Vernunft verbunden ist, fähig, die Dialektik, die Widersprüchlichkeit, die Ganzheit des zu
erforschenden Gegenstandes zu erkennen. Aus diesem Grund nahm der Philosoph an, dass, wenn
die Naturwissenschaft nur Aspekte, die Seiten der zu erforschenden Wirklichkeit erkennt, dann
erkennt die Philosophie die Ganzheit, die Totalität, den Begriff des Gegenstandes.
Für ein tiefes Verständnis der Hegelschen Konzeption der Wissenschaft und Philosophie hat die
„Phänomenologie des Geistes“ Hegels eine äußerst wichtige Bedeutung. Ungeachtet dessen, dass
die Naturwissenschaft und die Philosophie als selbständige Erkenntnisarten dargestellt werden,
versteht Hegel sie gleichzeitig als Formbildungsstufen der geistigen Tätigkeit. Wenn Hegel die
Wissenschaft im Abschnitt „der subjektive Geist“ erforschte (Naturwissenschaft), so wird die
Philosophie von ihm im Abschnitt „der absolute Geist“ analysiert. Dabei betrachtet Hegel die
Wissenschaft als empirische Erkenntnis, die hauptsächlich das Allgemeine, das vorhandene Sein
des Gegenstandes, seine äußeren Bezüge feststellt. Am Beispiel der Phrenologie, der
Physiognomistik illustriert der Philosoph die Begrenztheit der Naturwissenschaft, ihr
Nichtvermögen innere, immanente Verbindungen zu begreifen. Im gleichen Abschnitt unterzieht
Hegel die Methoden der formalen Logik, der empirischen Verallgemeinerungsart und
Abstraktion einer gründlichen Kritik.
Hegel analysierte ebenfalls die Begrenztheit der Wissenschaft und Naturwissenschaft auf zwei
Ebenen, und zwar objektiv und subjektiv. Vor allem, nahm der Philosoph an, ist der Gegenstand
der Naturwissenschaft begrenzt, d.h. die Natur, auf deren Begreifen hauptsächlich die
naturwissenschaftliche Tätigkeit gerichtet ist. Hegel ist überzeugt, dass die Natur kein
selbstständiges, substanzielles Objekt, sondern eine Stufe der Selbstentwicklung des absoluten
Geistes ist, der ursprünglich in rein logischer Form als System reiner Wesenheiten auftritt, und
danach, wenn er die Ideenstufe erreicht hat, in sein anderes Sein übergeht, in die Natur, in der er
519
seine erste Verkörperung erfährt. Doch die höchste Verkörperung der Idee ist der Geist, der
wirklich konkret auftritt, als Einheit von Logik und Natur.
Die Wissenschaft ist nach Meinung Hegels begrenzt und subjektiv, weil die Wissenschaft, wie
bereits oben bemerkt, Endform der Erreichung des Absoluten ist. Die Naturwissenschaft ist mit
dem Verstand gekoppelt, sie ist nicht in der Lage, die Ganzheit, die Konkretheit, die
Widersprüchlichkeit des Gegenstandes zu erreichen. Deshalb umfasst die Naturwissenschaft nur
einen bestimmten Abschnitt, den Endaspekt der Verkörperung des Geistes und aus diesem Grund
ist sie nicht fähig, die lebendige, sich selbst entwickelnde Ganzheit zu erkennen.
Im Kapitel „Der absolute Geist“ erforscht Hegel die Philosophie als höchste Form der Erkenntnis
und der geistigen Tätigkeit. Da die wahrhafte Form des Absoluten, die Identität des Seins und
des Denkens in der Philosophie angestrebt wird, übertrifft sie prinzipiell nicht nur die
Einzelwissenschaften, die empirische Naturwissenschaft, sondern auch die Kunst und die
Religion als Formen des absoluten Geistes. Wenn die Kunst es mit Gestalten zu tun hat, die
Religion mit Vorstellungen, so erkennt die Philosophie die Wahrheit, das Absolute mit Hilfe von
Begriffen, und deshalb ist Hegel überzeugt, dass die Philosophie, insbesondere die spekulative
Philosophie, in der Lage ist, die Dialektik, den Widerspruch und die Wahrheit zu erkennen.
Nach Hegel ist jegliche Philosophie ein Versuch, die Natur, das Wesen des Absoluten zu
erkennen. Dabei ist allein das Verständnis vom Absoluten als Identität des Seins und Denkens
eine große Wahrheit. Aber zu dieser wichtigen Wahrheit kam die spekulative Philosophie nicht
gleich, nicht auf dem Weg der intellektuellen Intuition, wie Schelling dachte, sondern als
Ergebnis einer komplizierten historischen Entwicklung des Bewusstseins und
Selbstbewusstseins.
Somit entsteht als Ergebnis der historischen Entwicklung des Bewusstseins und
Selbstbewusstseins das absolute Wissen als Identität des Seins und des Denkens.
Laut Hegel ist der Geist eine objektive, sich selbst entwickelnde geistige Tätigkeit, die Substanz
ist das Subjekt. Die Aufgabe der Philosophie als Wissenschaft ist es, theoretisch diese geistige
Tätigkeit in ihrer Basis, d.h. das sich innerlich entwickelnde System, das System einer Reihe von
Formbildungen, deren innerer Kern die Identität der Gegensätze ist, zu erkennen. In der
„Phänomenologie des Geistes“ bemerkte Hegel direkt, dass die Form des Seins, der
Wissenschaft das System ist. (48) Das bedeutet, dass die wissenschaftliche Erkenntnis des
Geistes vor allem sein Begreifen in Systemform ist, in Form der Begriffssysteme, Gesetze und
Erkenntnisprinzipien.
Die philosophische Erkenntnis des Geistes beginnt mit der Logik als System reiner Wesenheiten,
in deren Form die allgemeinen Bedingungen, die Konturen, die Idee des sich selbst
entwickelnden absoluten Geistes begriffen werden. Da die Logik auch eine Wissenschaft ist, ist
sie ebenfalls ein System innerlich verbundener Kategorien, Begriffe usw. Um theoretisch das
sich selbst entwickelnde absolute Denken zu reproduzieren, muss man sich von der Methode des
Aufstiegs vom Abstrakten zum Konkreten leiten lassen, d.h. man muss die theoretische
Erkenntnis des Denkens mit der abstraktesten und inhaltlich ärmsten Definition des Gedankens
beginnen. Hegel unterstrich, dass alle anderen Wissenschaften Voraussetzungen haben können,
aber die Logik kann in keinem Maße Voraussetzungen haben. Infolgedessen muss sie mit der
ärmsten Definition des Gedankens beginnen, d.h. mit dem „Sein“, das seinem Inhalt nach gleich
„Nichts“ ist.
Das Sein und das Nichts gehen ineinander über, ihre Einheit ist das Werden, das sich auf den
ersten konkreten Begriff der Hegelschen Logik bezieht. Im Ergebnis des Werdens (alles fließt
und alles ändert sich) entsteht etwas, das eine Qualität hat. Die Qualität wiederum besteht aus
einer Vielzahl von Definitionen, sie ist die dem Sein eigene Bestimmtheit, und als solche steht
sie der Quantität gegenüber, die dem Sein keine eigene Bestimmtheit ist. Jedoch die weitere
Bewegung des Denkens zeigt klar und deutlich, dass die Gegenüberstellung dieser Kategorien
nur zeitweilig Sinn hat. Die Kategorie des Maßes bringt schon an den Tag, dass Qualität und
Quantität ständig ineinander übergehen.
520
Die Kategorie des Maßes vervollkommnet nur die Lehre vom Sein, die Sphäre des
Unmittelbaren. Im Weiteren entstehen neue Kategoriedefinitionen: Wesenheit, Widerspruch,
Begründung, Erscheinung, Wirklichkeit, Substanz, Kausalität, Begriff, Urteil, Schlussfolgerung,
Idee, absolute Idee. In der Auslegung Hegels tritt die absolute Idee als ganzheitlicher, konkreter
Begriff auf, der die Einheit des Vielfältigen darstellt. Deshalb enthält sie in sich alle
vorangegangenen Definitionen des Gedankens in dialektischer Einheit.
Da in der Form der absoluten Idee eine Ganzheit, Konkretheit erreicht wird, kann sich das
absolute Denken im Schoße der Logik nicht weiter entwickeln. Deshalb geht im Weiteren die
absolute Idee in ihr anderes Sein über, in die Natur, und setzt dort ihre Entwicklung fort. Auf
einer bestimmten Entwicklungsstufe der Natur entsteht der Mensch, mit dessen Hilfe die
Selbsterkenntnis des Selbst durch den absoluten Geist geschieht. Wenn die Natur in der
Auslegung Hegels als erste und letzte Verkörperung der absoluten Idee auftritt, dann ist der Geist
am ehesten die adäquateste Verkörperung der absoluten Idee.
Hegel nahm an, dass seine Philosophie eine im höchsten Maße wissenschaftliche Philosophie
sei. Ihre Wissenschaftlichkeit besteht seiner Meinung nach nicht nur in der Systematik, sondern
auch in der konsequenten Anwendung einer wissenschaftlichen Methode. Im Unterschied zur
deduktiven Methode Descartes und der induktiven Methode Bacons, sind nach Hegel die
wahrhaften Erkenntnismethoden die Methode des Aufstiegs vom Abstrakten zum Konkreten, das
Historische und das Logische, der Widerspruch als Universalprinzip der Erkenntnis usw.
Nachdem er die philosophische, spekulative Erkenntnis der Natur mit der Forschung der
empirischen Naturwissenschaften gegenübergestellt hatte, unterstrich Hegel die Produktivität der
philosophischen Erforschung der Natur. Entsprechend dem Hegelschen Verständnis wird die
Natur von verschiedenen Wissenschaften erforscht, die verschiedene Naturkräfte studieren,
jedoch nicht die Ganzheit, die Wesenheit der Natur ergründen. Deshalb wird der wahre Inhalt
der Natur nur durch die Philosophie begriffen, die die Natur als Glied im Kontext der
historischen Entwicklung des Geistes sieht. Hegel ist überzeugt, dass die Natur zwar eine
Voraussetzung des Geistes ist, aber das wirklich erste durchaus nicht die Natur, sondern der
Geist ist, der ursprünglich in Form einer logischen Idee auftritt. In der weiteren Entwicklung
geht er in seine andere Form des Seins über, in die Natur, die nach ihrer Wesenheit nicht das
absolut andere, sondern ihr „eigenes anderes“ ist. „Allerdings geht in dieser Entwicklung dem
Geist nicht nur die logische Idee voraus“, schrieb Hegel, „sondern auch die äußere Natur. Denn
die Erkenntnis, die bereits in der einfachen logischen Idee enthalten ist, ist nur ein von uns
gedachter Erkenntnisbegriff und keine Erkenntnis, die an und für sich existiert, kein wirklicher
Geist, sondern allein seine Möglichkeit. Der wirkliche Geist, der einzig nur in der Wissenschaft
über den Geist unseren Gegenstand ausmacht, hat die äußere Natur durch seine nächste
Annahme, gleich der er als seine erste Annahme die logische Idee hat. Deshalb muss die
Philosophie der Natur als ihr Endergebnis – und durch sie auch die Logik – einen
Notwendigkeitsbeweis des Begriffes Geist haben“. (49)
Hegel meint, wenn die logische Idee durch Unmittelbarkeit charakterisiert wird, ein einfaches Insich-Sein, und die Natur ein Außerhalb-sich-Sein, eine Raum-Zeit-Existenz, so besteht die
Besonderheit des Geistes darin, dass in ihm die Idee vom anderen Sein nicht mehr zutrifft, er tritt
als Synthese auf, als Rückkehr zu sich selbst aus seinem anderen Sein. Hegel ist überzeugt, dass
die Natur noch äußerlich ist, sie hat keine Wesenheit in sich selbst. „Die Unterschiede, in denen
sich der Begriff der Natur entwickelt, stellen ein in Beziehung zum anderen mehr oder weniger
selbstständig existierendes Gebilde dar; infolge ihrer ursprünglichen Einheit befinden sie sich in
gegenseitigem Verhältnis zueinander, - so dass das eine nicht ohne das andere verstanden
werden kann, aber dieses Verhältnis ist für sie mehr oder weniger äußerlich. Deshalb können wir
mit vollem Recht sagen, dass in der Natur nicht die Freiheit herrscht, sondern die
Notwendigkeit.“ (50)
Im Unterschied zur Natur, die nach Hegel nicht in der Lage ist, Widersprüche und Kollisionen
auszuhalten, ist der Geist wohl in der Lage, alles auszuhalten, überall sich selbst identisch zu
bleiben. Die Natur ordnet sich Gesetzen und der Notwendigkeit unter, der Geist aber nur seinen
521
eigenen Prinzipien. „Das, was zur äußeren Natur gehört“, schrieb Hegel, „geht kraft der
Widersprüche unter; zum Beispiel, wenn dem Gold ein anderes spezifisches Gewicht gegeben
würde, als es hat, so würde es aufhören, als Gold zu existieren. Aber der Geist hat die Kraft, sich
auch in Widersprüchen zu bewahren, und folglich kann er das auch im Leiden, indem er sich
sowohl über das Böse, als auch über das Leid erhebt. Die gewöhnliche Logik irrt sich deshalb,
weil sie denkt, der Geist ist etwas, das ganz und gar den Widerspruch ausschließt.“ (51)
Im Hegelschen Verständnis ist die Erkenntnis, das Begreifen des Geistes das Komplizierteste
und Schwierigste aus dem Grund, weil es die Erkenntnis des Konkreten ist, der echte Geist ist
das Konkrete. Die Erkenntnis des Geistes ist eigentlich die echte Selbsterkenntnis, weil gerade
der Geist, das Bewusstsein das echte Subjekt der Erkenntnis ist, der wahrhafte Inhalt alles
Wirklichen. Deshalb ist die Erkenntnis des Geistes - sein endloses Streben, gleichzeitig
Selbsterkenntnis und Begreifen seiner eigenen Wesenheit zu sein. Der Aufruf zur
Selbsterkenntnis, zum Selbstbewusstsein ist nach Hegel überhaupt nicht gerichtet auf die
Erkenntnis einzelner Fähigkeiten, des Charakters, Neigungen der Individuen, sondern auch auf
die so genannte Kenntnis der Menschen mit ihren Besonderheiten, ihren Leidenschaften und
Schwächen, und es gibt die Erkenntnis echter innerer substanzieller Bestimmtheiten des
Menschen, des Geistes. „Erkenne dich selbst – dieses absolute Gebot..., schrieb Hegel, „ist die
Erkenntnis des Wahren im Menschen, des Wahren in sich und für sich, ist die Erkenntnis der
Wesenheit selbst, des Geistes.“ (52)
Hegel unterstrich mehrfach die Schwierigkeit der philosophischen Erforschung des Geistes.
Seiner Meinung nach erklärt sich diese Schwierigkeit dadurch, dass die Erkenntnis des Geistes
nicht die Erkenntnis einer abstrakten, unmittelbaren, einfachen logischen Idee ist, sondern das
Begreifen, das Verstehen des Konkreten selbst, einer entwickelten Form, die die Idee in der
Entwicklung angenommen hat. Deshalb ist es nicht möglich, den Geist unmittelbar zu erfassen,
ihn zu betrachten, sondern er muss in „lebendiger Entwicklung und Verwirklichung“ erkannt
werden. Zwar ist, nach tiefer Überzeugung des Philosophen, die Erkenntnis, die Selbsterkenntnis
des Geistes ganz und gar nicht etwas, das von außen kommt, sondern ein immanentes, eigenes,
absolutes Gesetz des Geistes. Die Erkenntnis der eigenen Wesenheit, des eigenen Begriffs, ist
eine Eigenschaft der eigenen Natur des Geistes. „Jegliche Tätigkeit des Geistes ist deshalb nur
ein Begreifen des eigenen Selbst durch ihn“, schrieb Hegel, „und das Ziel jeglicher wahren
Wissenschaft besteht nur darin, dass der Geist in allem, was im Himmel und auf der Erde ist,
sich selbst erkennt. Etwas anderes gibt es für den Geist nicht.“(53)
Also ist der Geist ein echtes Subjekt, ein Subjekt-Objekt, das Substanzielle alles Existierenden.
Alles auf der Welt ist im Ergebnis der Selbstentwicklung, der Selbstbewegung, der absoluten
Idee, des Geistes, des Bewusstseins entstanden. Deshalb ist die echte, wahrhafte Aufgabe der
Wissenschaft – die Erkenntnis der Gesetze des Geistes, seiner Art der Existenz, die Erkenntnis
seines Inhalts. So wird der konkrete Inhalt der Welt und der Wirklichkeit erfasst. Nach Hegel
existiert die objektive und wahrhafte Wirklichkeit nicht irgendwo außerhalb des Geistes,
außerhalb des Bewusstseins und der Ideen, sondern der Geist ist die echte konkrete Wirklichkeit,
die sich im Prozess der Bewegung von der abstrakten, einfachen logischen Idee zum absoluten
Geist, zur absoluten Idee verwirklicht.
Hegel ist Idealist, und deshalb stellt er die Natur und die wirkliche, gegenständlich praktische
Tätigkeit des Menschen und der Gesellschaft als Erscheinungsform, als Akzidentia der echten
und wahrhaften Tätigkeit - der Tätigkeit der absoluten Idee, des Geistes dar. Hegel erkennt die
Aktivität des Subjekts, des Menschen an, aber das ist in Wirklichkeit eine schöpferische,
selbsttätige, sich selbst entwickelnde Aktivität der absoluten Idee, des Geistes. Eigentlich hat der
Philosoph weder den Menschen, noch seine aktive, umgestaltende praktische Tätigkeit, noch die
wahrhafte menschliche Freiheit verstanden, die sich vor allem in seiner aktiven produktiven und
praktischen Tätigkeit ausdrückt. Kraft seines Idealismus legte er das nur als Form einer gewissen
mystischen absoluten Idee, des absoluten Geistes aus, der das absolute Subjekt sämtlicher
Veränderung und Formbildung, das Substanz-Subjekt (Hegels Terminologie) sein soll. Hier ist
unschwer zu erkennen, dass alles verdreht ist, alles auf dem Kopf steht. Der Grund eines solchen
522
Verständnisses ist darin zu suchen, dass Hegel, wie Marx zeigte, nur die abstrakt-theoretische
Form der Tätigkeit kennt. Darum verabsolutierte er diese Tätigkeitsform, betrachtete sie als
einzige und echte Art der menschlichen Tätigkeit und legte sie aller Lebenstätigkeit zu Grunde.
Da Hegel im Denken, im Bewusstsein eine spezifische Besonderheit und Wesenheit sah, das,
was den Menschen zum Menschen macht, so treten alle anderen Arten der menschlichen
Tätigkeit, der konkrete Mensch selbst für ihn als Form der Erscheinung des Denkens, des
Geistes, des Bewusstseins auf. Hegel verfälschte ebenfalls die Beziehung des Menschen zur
Natur. Er verstand nicht, dass sich der Mensch zur Natur in erster Linie gegenständlich, praktisch
verhält. Deshalb führt er die Beziehung des Menschen zur Natur auf seine theoretischerkennende Beziehung zurück. Während Kant die Natur als Gesamtheit der Erfahrung betrachtet,
identifiziert sich die Natur, nach Hegel, mit den Vorstellungen der theoretischen
Naturwissenschaft seiner Zeit. Die Naturwissenschaft seiner Zeit war metaphysisch, darum
wurde auch die Natur von ihm als etwas unveränderliches, als etwas, das keine Geschichte kennt,
dargestellt. Von hier an wird das reale Verhältnis des Menschen, der Menschheit zur Natur in der
Hegelschen Philosophie durch das Verhältnis der Philosophie (Logik) zur Naturwissenschaft
abgelöst. Zwar ist dieses Verhältnis mystifiziert, ontologisiert, es wird dargestellt als ein
Verhältnis einer Idee, der absoluten Idee, nicht zur Natur selbst, sondern eher zur Philosophie der
Natur. Dem Wesen nach ist das ein hypostasiertes, abstrakt-abgeleitet ausgedrücktes Verhältnis
der Philosophie zur Naturwissenschaft und zur Geschichte.
1
Marx K., Engels F. Aufsätze Bd.20 S.20
2
Chorew N.W. Philosophie und kulturelle Entwicklung // Philosophie und Geschichte der
Kultur. Moskau 1985. S 88-89
3
Zitat nach: Schestakow A.A. Weltanschauliche Grundlagen der Erkenntnis. Saratow
1988. S.15
4
Chorew N.W. Philosophie und kulturelle Entwicklung. S.89
5
Spektorskij E. Physizismus in der Gesllschaftsphilosophie des 17.Jh. Jaroslawl, 1909.S.3
6
Descartes R. Ausgewählte Schriften. Moskau, 1950. S. 272
7
Ebenda S. 416
8
Spinoza B. Ausgewählte Schriften. Moskau, 1957. Bd.1. S.186
9
Descartes R. Ausgewählte Schriften. S. 412
10
Ebenda S. 417
11
Ebenda S. 86
12
Ebenda S. 88
13
Ebenda S. 87
14
Ebenda S. 98
15
Ebenda S. 89
16
Ebenda S. 95
17
Ebenda S. 111
18
Ebenda S. 94
19
Ebenda S. 91
20
Marx K., Engels F. Aufsätze. Bd. 2. S.143
21
Bacon F. Aufsätze: B 2 t. Moskau, 1977. Bd.1.S.63
22
Ebenda S.299
23
Ebenda Bd. 2. S. 8
24
Aus der Kritik des kanonisierten Aristoteles wird der Sinn der Bezeichnung des
Hauptwerkes von F. Bacon „Neues Organon“ klar.
25
Bacon F. Aufsätze Bd. 2. S. 22-24
26
Ebenda S. 34
27
Achutin A.W. Der Begriff „Natur“ in der Antike und der Neuzeit. Moskau, 1988. S.69
523
28
Ebenda
29
Hierüber genauer siehe: Iljin W.W., Kalinkin A.T. Die Natur der Wissenschaft. Moskau
1985. S 56-57. Die erwähnte Gegenüberstellung fand erstmalig in der Antike als Unterscheidung
von „Epistem“ und „Techne“ statt
(darüber genauer siehe: Gaidenko, P.P. Die Evolution des Begriffes Wissenschaft. Moskau,
1980. S.489; Tamarkewitsch W. Antike Ästhetik. Moskau, 1977. S. 28 usw. Darüber siehe auch:
Schadewald W. Die Begriffe „Natur“ und „Technik“ bei den Griechen // Philosophie der
Technik in der BRD. Moskau, 1989. S 90-101 u.a.)
30
Bacon F. Aufsätze. Moskau, 1971. Bd1. S. 246
31
Hegel. Aufsätze. Moskau, 1935. Bd.11.S.218
32
Dlugatsch T.B. Probleme der Einheit von Theorie und Praxis in der deutschen
klassischen Philosophie. Moskau, 1986. S. 19
33
Kant I. Aufsätze Bd. 3. S.190
34
Ebenda S. 195
35
Ebenda
36
Ebenda S. 84-85
37
Ebenda S. 84
38
Ebenda S. 85-86
39
Ebenda S.87
40
Ebenda
41
Ebenda S. 87-88
42
Ebenda S. 88
43
Ebenda S. 155
44
Ebenda S. 30
45
Ebenda S. 93-94
46
Ebenda S. 94-95
47
Ebenda S. 95
48
„Die wahre Form“, schrieb Hegel, „in der die Wahrheit existiert, kann nur ihr
wissenschaftliches System sein“ // Hegel. Aufsätze. Moskau, 1959. Bd.4 S.3
49
Hegel. Aufsätze. Moskau, 1956. Bd.3 S.33
50
Ebenda. S. 34
51
Ebenda. S. 41
52
Ebenda. S. 25
53
Ebenda. S.25-26
524
Zweites Kapitel
Die materialistische Begründung der allgemeinen Bedingungen für die
Herausbildung der Wissenschaft als besondere Wissensform
Im Gegensatz zu Hegel, der die Tätigkeit mit der geistigen Kultur, der Tätigkeit des
Bewusstseins, des Geistes identifizierte und die Wissenschaft als Stufe der sich historisch
entwickelnden geistigen Kultur betrachtete, interpretierte Marx die Tätigkeit vor allem als
materielle gegenständliche Tätigkeit der Menschen zur Umgestaltung der Natur und ihren
gesellschaftlichen Bedingungen. Dabei betrachtete er die geistige Tätigkeit nicht selbstständig
und nicht als substanzielle Realität, sondern als Form der gesellschaftlich-historischen
Bewegung.
In der marxistischen Philosophie wird deshalb die Wissenschaft als besondere Wissensform
definiert, die historisch auf einer besonderen Entwicklungsstufe der gesellschaftlich-historischen
Praxis, der gegenständlichen Tätigkeit, entstanden ist. Aus diesem Grunde kann man die
Wissenschaft, ihre Natur und Wesenheit nur im Kontext der sich historisch entwickelnden
menschlichen Tätigkeit verstehen und theoretisch reproduzieren, da allein der soziokulturelle
Kontext den Schlüssel für das theoretische Begreifen der Wissenschaft als besonderes soziales
Phänomen liefert. „Der ganze Geist des Marxismus“, schrieb Lenin, „sein gesamtes System
erfordert, dass jede These nur zu betrachten ist (alpha) historisch; (beta) nur in Verbindung mit
anderen; (gamma) nur in Verbindung mit konkreter historischer Erfahrung.“ (1)
Zwecks Erschließung der Wissenschaftswesenheit ist es notwendig, sie in der Entstehung und
Entwicklung zu betrachten und festzuhalten, was sie zum gegebenen Zeitpunkt darstellt. Mit
anderen Worten, um einen konkret-allgemeinen Begriff der Wissenschaft zu erarbeiten, ist es
nötig, die Art ihrer Formierung konsequent zu verfolgen und die konkrete Logik ihrer
Entwicklung zu erschließen. Dabei müssen wir prinzipiell von der materialistischen Konzeption
ausgehen, nach der die Wissenschaft das Produkt einer bestimmten Entwicklungsetappe der
menschlichen Praxis, der Gesellschaft, der Produktion und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung
ist.
Es gab eine Zeit in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, da es noch keine
Wissenschaft und keinerlei Naturkunde gab, obwohl die Menschen immer über eine bestimmte
Summe von Wissen als Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Praxis verfügten. Die Wissenschaft
entsteht folglich nur zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten gesellschaftlich-historischen
Epoche, wenn in Verbindung mit der Entwicklung der Produktion besondere geistige Aufgaben
entstehen, besondere Erfordernisse, die keine Antwort im Rahmen der traditionellen Philosophie
fanden. Nicht nur die Entwicklung der Wissenschaft, ihre Formierung entspricht dem Niveau der
Entwicklung der Praxis, sondern auch die Aufteilung der Wissenschaft, ihre Differenzierung
spiegelt ebenfalls eine bestimmte Etappe der Praxisentwicklung, der Arbeitsteilung, der inneren
Struktur der menschlichen Tätigkeit wider.
Die Arbeitsteilung in der Neuzeit unterschied sich prinzipiell von der Arbeitsteilung sowohl in
der Antike, als auch im Mittelalter, für die eine Einheitswissenschaft wie die Philosophie
durchaus ausreichend war. Deshalb konnte eine moderne Naturwissenschaft im eigentlichen
Sinne dieses Wortes damals noch nicht existieren. Sie ist das Produkt der Neuzeit, der neuen
Arbeitsteilung und der neuen gesellschaftlichen Erfordernisse. Darum wird es zweifellos richtig
sein, wenn wir ihre Geschichte erst mit der Neuzeit beginnen.
Somit ist also die Wissenschaft ein besonderes geistiges Phänomen, eine besondere Form des
Wissens und ein besonderes soziales Institut. In dieser Eigenschaft, wie bereits erwähnt, entstand
sie im 16. Jahrhundert, und nach ihrem Charakter, ihrem Zweck und ihrer sozialen Orientierung
unterschied sie sich wesentlich von der traditionellen Philosophie. Zwar gab es einzelne
Elemente der Wissenschaft, einige Züge bereits in der Antike und im Mittelalter, aber dieser
Umstand gestattet es noch nicht, die Behauptung aufzustellen, dass es eine antike oder
525
mittelalterliche Wissenschaft gegeben habe. Wenn in der Literatur gelegentlich Thesen über eine
Wissenschaft in China, Ägypten und Griechenland (2) usw. zu finden sind, so sollte das im
übertragenen Sinne verstanden werden.
In der Antike und im Mittelalter hat man im Wesentlichen versucht, die Welt philosophisch zu
erkennen. In jener Zeit konnte die Philosophie noch die geistigen Bedürfnisse der Menschen
befriedigen, sie entsprach auch der dem System entsprechenden Arbeitsteilung, der
gesellschaftlichen Atmosphäre. Physikalische und mathematische Kenntnisse jener Zeit, einige
geistige Voraussetzungen für die entstehende Wissenschaft existierten innerhalb der
einheitlichen traditionellen Philosophie, indem sie nur einige ihrer Aspekte und Grenzlinien
erwähnten. Anders ausgedrückt, die Voraussetzungen für die zukünftige Wissenschaft wurden
von den Keimen im Schoß eines anderen geistigen Systems geschaffen, aus dem sie sich jedoch
noch nicht emporheben konnten. Der Grund für eine solche Annahme liegt verständlicherweise
nicht darin, dass es damals noch keine großen Wissenschaftler, wie z.B. Kopernikus, Galilei,
Kepler usw. gab, sondern einfach in den realen gesellschaftlich-historischen, soziokulturellen
Faktoren, die noch nicht in der Lage waren, objektive Bedingungen für die Formierung der
Wissenschaft als ein besonderes geistiges Phänomen, für die Abnabelung der Wissenschaft von
der traditionellen Philosophie zu schaffen.
Der Umstand, dass einzelne Merkmale und Definitionen der Wissenschaft, die für die moderne
Wissenschaft als besonderes Phänomen charakteristisch sind, bereits in der Antike und im
Mittelalter vorhanden waren, kann jedoch in keiner Weise jener These von Nutzen sein, dass
schon in China, Ägypten und Griechenland usw. Wissenschaft existierte. Es geht darum, dass
einzelne Merkmale des Kapitalismus (z.B. Warenproduktion, Wertgesetz, Geld usw.) auch in der
Antike und im Mittelalter existierten. Jedoch auf dieser Grundlage wird niemand die Existenz
des Kapitalismus in der Antike und im Mittelalter nachweisen können. In seiner Theorie
begründete K. Marx, dass der wirkliche Kapitalismus erst seit der Zeit zählt, als nicht nur Waren
und Warenbeziehungen entstehen, sondern auch die Arbeitskraft als Ware.
Somit existierten also in der Antike und im Mittelalter nur Elemente, Voraussetzungen für die
Wissenschaft, aber die Wissenschaft selbst, als besonderes soziales Institut, entstand erst in der
Neuzeit.
Wenn man den Prozess der Herausbildung und Entwicklung der Wissenschaft untersucht, muss
man die entsprechenden theoretischen Ideen und Konzeptionen der westlichen Philosophie
kritisch analysieren. So gibt es zum Beispiel in der postpositivistischen Philosophie der
Wissenschaft zwei Richtungen. Die einen Autoren (K. Popper, I. Lakatos, J. Agassy, E. Sachara,
L. Laudan u. a.) sehen den Grund für die Herausbildung und Entwicklung der Wissenschaft
hauptsächlich in inneren kognitiven Faktoren; andere (T. Kuhn, M. Malkey, S.Tulmin, P.
Feierabend, M. Polany u. a.- Schreibweise konnte nicht überprüft werden, Anm. d. Ü.) nehmen
an, dass die determinierende Bedeutung in der Entwicklung der Wissenschaft die sozialen
Faktoren haben. (3) Unter den letzteren gibt es übrigens auch solche Forscher, die der Meinung
sind, (z.B. D. Bloor, B. Barnes u. a. – Schreibweise konnte nicht überprüft werden, Anm. d. Ü.),
dass die sozialen Faktoren fähig sind, nicht nur die äußeren sondern auch die inneren
Bedingungen für die Entwicklung der Wissenschaftsidee zu erklären. Das Prinzip des
Indeterminismus entstand ihrer Meinung nach in besonderen soziokulturellen Bedingungen
Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg.
Wie wir bereits feststellten, haben in der Herausbildung und Entwicklung der Wissenschaft
zweifellos die kognitiven, innerwissenschaftlichen Prozesse eine besondere Bedeutung.
Allerdings ist es nicht möglich, nur mit Hilfe der kognitiven Faktoren den Prozess der
Herausbildung und Entwicklung der Wissenschaft zu erklären. In Wirklichkeit können keinerlei
kognitive Prozesse die Tatsache erklären, warum gerade in der Neuzeit die Wissenschaft
entsteht, warum es solchen Giganten des Denkens wie Platon, Aristoteles, Al-Coresmi, AlFarabi, Avicenna nicht gelungen ist, die Wissenschaft als besonderes geistiges Phänomen zu
schaffen. Sie wurde von Kopernikus, Galilei, Kepler u. a. geschaffen, deren wissenschaftliche
526
Forschungen den soziokulturellen, gesellschaftlich-historischen Erfordernissen der Neuzeit
entsprachen.
Die theoretischen Ideen der „Soziologisten“ sind der marxistischen Tätigkeitskonzeption der
Fragestellung etwas ähnlich, obwohl man hier einen prinzipiellen Unterschied nicht übersehen
darf. Vor allem entstand die Idee von der entscheidenden Bedeutung des sozialen Faktors in der
bürgerlichen Philosophie unter der Einwirkung marxistischer Anschauungen auf das bürgerliche
Bewusstsein, zweitens ist der Begriff „sozialer Faktor“ hier etwas verschwommen erklärt, weil
unter diesem Terminus sehr oft ein ziemlich breiter Kreis sozialer Erscheinungen vereinigt wird,
und zwar; die intellektuelle Umgebung, die gesellschaftliche Atmosphäre, die soziale
Psychologie u. ä.
Außerdem unterstreichen die Soziologisten der postpositivistischen Philosophie die wichtige,
sogar entscheidende Bedeutung der sozialen Faktoren in der Entwicklung der Wissenschaft,
trotzdem erklären sie sie als äußere Faktoren, äußere Bedingungen in der Entwicklung. Es
entsteht der Eindruck, dass die Wissenschaft an und für sich als ein gewisses Phänomen existiert,
als Art des Wissens, und die sozialen Faktoren sind nur äußere Bedingungen, die auf die
Entwicklung der Wissenschaft, der wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnis Einfluss nehmen.
Im Unterschied zu einer solchen Auslegung tritt in der marxistischen Tätigkeitskonzeption die
gesellschaftlich-historische Bedingung nicht als äußerer Faktor, sondern als Wesenheit der
Wissenschaft auf, als das, was ihre Natur und ihre Entwicklungsrichtung bestimmt. Historische
Wandlungen in der Entwicklung der Wissenschaft, Veränderung ihrer Natur werden folglich
durch tatsächliche Veränderungen und reale Wandlungen in der Entwicklung der menschlichen
gegenständlichen Tätigkeit, in der gesellschaftlich-historischen Bewegung erklärt. Aus diesem
Grunde ist die gegenständlich-praktische Tätigkeit des Menschen nicht etwas Äußeres für die
Wissenschaft, sondern ihr innerer, wesentlicher Inhalt. Der Wissenschaftsbegriff als besondere
Wissensform, als besonderes geistiges Phänomen kann theoretisch nur im Kontext dieser
gesellschaftlich-historischen Bewegung verstanden werden. Deshalb scheint es uns, dass der
soziokulturelle Prozess eben dieser besondere Äther ist, der auch die Entstehung dieses
besonderen sozialen Phänomens bestimmt. Mit anderen Worten, die Wesenheit der Wissenschaft
darf man nicht unmittelbar verstehen, indem man von ihr selbst ausgeht und die Merkmale der
Wissenschaft und ihre Besonderheiten aufzählt. Die Wissenschaft kann rational nur im Kontext
jenes realen Ganzen verstanden werden, das die gesellschaftlich-historische Entwicklung und die
soziokulturellen Bedingungen des Seins des gesellschaftlichen Menschen darstellen. Darum
verhält sich die marxistische Philosophie sowohl zu den Anschauungen der so genannten
Kognitivisten als auch der Soziologisten, die die Ansichten der postpositivistischen
Philosophieschule vertreten, recht kritisch.
Es stimmt zwar, dass in der marxistischen Philosophie die materielle gegenständliche Tätigkeit,
die gesellschaftliche Notwendigkeit und die Arbeitsteilung in der Entstehung der Wissenschaft
besonders hervorgehoben wird und entscheidende Bedeutung erlangt, gleichzeitig aber die Rolle
der geistigen Faktoren, der kognitiven Prozesse in der Entwicklung der Wissenschaft ebenfalls
anerkannt wird. Tatsächlich hatten in der Herausbildung und der Entwicklung der Wissenschaft
einige geistige Elemente, die in der traditionellen Philosophie entstanden sind, eine gewisse
Bedeutung. Aber genau so richtig ist auch, dass nur eine bestimmte Wende in der
gegenständlichen Tätigkeit, eine bestimmte Form der gesellschaftlichen Beziehungen, eine
besondere Form der Arbeitsteilung und der Bedarf die reale Grundlage für die Hervorhebung
dieses geistigen Elements als selbständiges Gebiet waren. Mit anderen Worten, nur bestimmte
gesellschaftliche Bedingungen waren die reale Basis für die Verwandlung des Besonderen ins
Allgemeine, des zufälligen, vergänglichen Elements in eine substanzielle Erscheinung.
Ähnlich, wie sich im Kapitalismus die Warenbeziehungen aus dem Besonderen in das
Allgemeine verwandeln, das alle Poren der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen
durchdringt, so verwandelte sich auch die Wissenschaft seit dem 16.Jahrhundert aus einem
besonderem peripheren Element der Philosophie, der geistigen Kultur in eine selbstständige,
allgemeine, universale Erscheinung im System der geistigen Kultur.
527
Aus den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Lebens entstanden, blieb die Wissenschaft ein
passives Phänomen in der Gesellschaft, sie begann eine bestimmte Wirkung auf die Produktion,
das soziale Leben, die Kultur, die Logik der Erkenntnis usw. auszuüben. Wenn die traditionelle
Logik hauptsächlich den Prozess des Denkens, des Abwägens regulierte, so entstanden für sie im
Zusammenhang mit der Entwicklung der Wissenschaft neue Aufgaben. Von nun an musste die
Logik nicht nur die formale Richtigkeit der Überlegungen und Schlüsse begründen, sondern auch
die Möglichkeit und die Notwendigkeit schöpferischen Wissens und wissenschaftlichtheoretischer Erkenntnis. (4) Folglich teilte sich im Zusammenhang mit der Entwicklung einer
neuen Praxis, einer gegenständlichen Tätigkeit die Wissenschaft nicht nur von der Philosophie,
sondern beeinflusste sogar die Philosophie selbst. Und so begann die Philosophie unter dem
Einfluss der gegenständlichen Tätigkeit und der Wissenschaft sich selbst, ihren Gegenstand und
ihre Funktion zu verändern. (5)
Bis jetzt wurde immer wieder die entscheidende Bedeutung der gegenständlichen Tätigkeit, der
Entwicklung der gesellschaftlichen Beziehungen, der Arbeitsteilung in der Entwicklung der
Wissenschaft hervorgehoben. In diesem Zusammenhang entsteht gesetzmäßig die Frage: was
konkret hat sich in der Neuzeit im Charakter der gesellschaftlichen Beziehungen und der
gegenständlichen Tätigkeit verändert?
Nur eine konkrete Analyse der gesellschaftlich-historischen und soziokulturellen Umstände
dieser Zeit gestattet es, die Notwendigkeit der Wissenschaftsentstehung rational zu erfassen.
Dabei haben sowohl die allgemeinen sozialen Bedingungen der gesellschaftlichen Entwicklung,
als auch die konkreten Entwicklungserfordernisse der gesellschaftlichen Produktivkräfte und der
Arbeitsteilung Bedeutung.
Um die Herausbildung der Wissenschaft als besonderes geistiges Phänomen konkret zu
begründen, sollten wir uns unbedingt mit der Kategorie „Bedingung“ auseinandersetzen, die
bekanntermaßen nach ihrem Begriff eine Einheit, eine Gesamtheit zahlreicher Umstände
darstellt. Schon Hegel bemerkte: wenn eine Bedingung existiert, die Gesamtheit vieler
Umstände, so existiert die Sache real. (6)
W.I. Lenin begründete und benutzte materialistisch und allseitig dieses Prinzip in der
Erforschung komplizierter sozialer Erscheinungen. Wenn er komplizierte soziale Prozesse, ihr
reales Sein analysierte, wand sich W.I. Lenin oft der Kategorie „Bedingung“ zu, und konnte
somit die Eigentümlichkeit, die Besonderheiten eines Moments in der historischen gegenseitigen
Verbundenheit der gesellschaftlichen Erscheinungen klären.
Hier nun besteht unsere Aufgabe darin, die objektive Bedingung, die Gesamtheit der Umstände,
die der wirkliche Grund für die Entstehung der Wissenschaft als besonderes soziales Institut
sind, zu erschließen.
Vor allem gab es den Prozess der ursprünglichen Akkumulation und den Übergang vom
Feudalsystem zu den kapitalistischen Produktionsbeziehungen. Im Zusammenhang damit
scheiterten die Verhältnisse persönlicher Abhängigkeit, die in der gesellschaftlichen Sphäre
durch die Verhältnisse dinglicher Abhängigkeit ersetzt wurden. Anstelle des traditionellen
Arbeiters (Sklaven, leibeigenen Bauern) taucht ein neuer Arbeiter auf (Proletariat), der, nach den
Ausführungen von Marx, frei wie ein Vogel ist, aber nackt wie ein Falke. Anders gesagt, das
Proletariat ist persönlich frei, aber völlig aller Produktionsmittel beraubt, und kann deshalb nur
durch den Verkauf seiner Arbeitskraft existieren. Folglich hängt das Proletariat ökonomisch vom
Kapitalisten ab, was wie K. Marx betonte, es stärker an das Kapital als der Hammer von
Hephaistos Prometheus an den Felsen schmiedete.
Der Kapitalismus war ein großer Fortschritt im Vergleich zu den vorangegangenen
Gesellschaftsformen. Er befreite den Menschen von vielen Formen der persönlichen
Abhängigkeit, an die Stelle aller möglichen Standesschranken traten Bedürfnisse, wirtschaftliche
Interessen, ein haltloses Streben nach Profit. Die Konkurrenz, das unermüdliche Streben nach
hohem Gewinn treibt die kapitalistische Produktion vorwärts, revolutioniert die Entwicklung der
Produktivkräfte und die Arbeitsproduktivität. Ständige Wegbegleiter der kapitalistischen
Produktion waren von Anfang an die Suche nach neuen Ländereien, neuen Absatzmärkten, die
528
Schifffahrt, die Entdeckung neuer Schiffsrouten zwischen West und Ost, durch den Handel
wurden die Ländergrenzen niedergerissen usw. Marx und Engels stellten fest, dass in den
hundert Jahren seiner Existenz der Kapitalismus solche Produktivkräfte geschaffen hatte, wie nie
zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte.(7)
In dem Maße, wie durch die Entwicklung des Kapitalismus neue Produktivkräfte, neue
Bedürfnisse, ein prinzipiell neuer sozialer und technologischer Auftrag, der in der
vorangegangenen Periode der Menschheitsentwicklung nie gekannt war, geschaffen wurde,
erwies sich die traditionelle Philosophie mit ihren spekulativen Methoden als unfähig, diese
Aufgaben zu lösen. Deshalb erschienen in der Entwicklung der Gesellschaft reale Bedürfnisse
nach besonderen Wissensformen, nach einer Wissenschaft, die rational die entstandenen
Aufträge befriedigen sollte. Dazu wurden Elemente der Wissenschaft, die bereits im System der
vorangegangenen Philosophie existiert hatten, aufgegriffen, weiterentwickelt und neu gegliedert.
Für die Herausbildung der Wissenschaft hatten auch andere allgemein soziale und
wirtschaftliche Faktoren nicht weniger wichtige Bedeutung. Das kapitalistische System trat auf
als gewaltige Anhäufung von Waren und Warenbeziehungen, deren Grundlage das System der
privaten individuellen Hersteller war, die miteinander verbunden sind, ihre Waren untereinander
austauschen und damit ständig ihre konkreten Tätigkeitsarten auf die abstrakt-menschliche
Arbeit überhaupt zurückführen (Wert). Die vorangegangenen gesellschaftlich-ökonomischen
Systeme, die auf Sklavenarbeit und Leibeigenschaft beruhten, ließen keine Gleichstellung der
Arbeitsarten zu, eine Gleichheit der Arbeit eines Sklaven, eines freien und eines leibeigenen
Bauern. Eben deshalb konnte nicht einmal der schärfste und vielseitigste Verstand der antiken
Welt, Aristoteles, den Begriff Wert herausarbeiten. (8)
Die Gegenüberstellung der Arbeitsarten, das Nichtverständnis der Einheit, der Identität der
Tätigkeitsarten waren die Grundlage für eine Gegenüberstellung der spekulativen, theoretischen
Tätigkeit und der praktischen, handwerklich-technischen Tätigkeit. Erst als sich der
Kapitalismus herausbildete, als Ideen von der Gleichheit der Menschen und der Art ihrer Arbeit
auftauchten, reifte die Bedingung heran, die Gegensätze dieser beiden Tätigkeitsformen zu
überwinden. Wenn man früher als echte menschliche Tätigkeit, als höchste Form des Wissens,
als Wissenschaft allein die philosophische, abstrakt-theoretische Tätigkeit akzeptierte, und die
praktische, handwerklich-technische Tätigkeit als etwas Unwürdiges für einen Philosophen
ansah, so wurde mit dem Entstehen des bürgerlichen Systems der Produktion eine solche
verächtliche Haltung entschieden überwunden.
Die kapitalistische Produktion schenkte vor allem der praktischen Seite des Wissens
Aufmerksamkeit, sie schätzte die Bedeutung der handwerklich-technischen Tätigkeit hoch ein.
Wichtigste Errungenschaft der neuen Zeit war, dass sie die abstrakt-theoretische Tätigkeit, die
sich in der traditionellen Philosophie entwickelte, mit der praktischen, handwerklich-technischen
organisch verband. Wenn früher diese beiden Formen voneinander entfremdet waren und als
Formen der Zwei-Klassen-Tätigkeit der Menschen fungierten, so wurde in der Neuzeit diese
Teilung überwunden und damit die Bedingung für die Geburt der Wissenschaft als besondere Art
des Wissens geschaffen. Wie Zilsel (Schreibweise konnte nicht geklärt werden. – Anm. d. Ü.)
schrieb, „entsteht Wissenschaft dann, wenn die Barriere zwischen zwei Bestandteilen einer
wissenschaftlichen Methode niedergerissen wird und die Methode der Handwerksoberschicht‘
(empirische Tätigkeit) von den akademisch erzogenen Gelehrten (theoretische Tätigkeit)
übernommen wird.“(9)
Die Zusammenführung aller Arten der Arbeit zur abstrakt-menschlichen Arbeit - eine
Abstraktion, die ständig in der bürgerlichen Gesellschaft gemacht wird – hatte für die sich
entwickelnde Wissenschaft keine geringe Bedeutung. Sie bildete eine weltanschauliche
Einstellung der Neuzeit, nach der jegliches Element der Welt nicht als Eigenschaft oder
qualitative Bestimmtheiten vorgestellt wird, sondern als quantitative Charakteristiken, als
Formgebung verschiedenstufiger Wesentlichkeit und Gemeinsamkeit. Die Rolle der
quantitativen Methode im Werdeprozess der wissenschaftlichen Erkenntnis einschätzend,
schreibt Galilei: „Niemals werde ich von äußeren Körpern etwas anderes fordern als Größe,
529
Figur, Menge...Bewegung, damit, wenn man uns die Ohren, die Zungen, die Nasen entfernen
würde, nur die Figuren, Zahlen und die Bewegung bliebe.“ (10)
Die überwiegende Bedeutung der quantitativen Methode in der Genesis der modernen
Naturwissenschaft analysierend, bemerkten W.W. Iljin und A.T. Kalinkin sehr treffend: „Die
Vielseitigkeit der Wirklichkeit wurde von nun an in Termini der mechanischen Kombinatorik
einiger fundamentaler Formen, die für die bekannten Qualitäten verantwortlich sind,
beschrieben. Von daher hieß die Wirklichkeit zu kennen – die Regeln der Formenkombinationen
kennen. Das letztere bestimmte solch spezifische Züge der neuen Ideologie, wie die
Instrumentalität und Mechanistik, die eine beachtliche Rolle im Gestaltungsprozess der
Naturkunde als Wissenschaft spielten.“ (11)
Als Ergebnis der Produktionsentwicklung und Arbeitsteilung gerieten schließlich die neuen
technologischen Probleme in Widerspruch mit der abstrakt-theoretischen, spekulativen Theorie
der damaligen Philosophie; in der Gesellschaft entstanden neue Bedarfsarten, die die Schaffung
neuer Wissensformen erforderlich machten. Im Unterschied zur traditionellen Philosophie
verhielt sich die werdende Wissenschaft der Neuzeit auf ganz neue Art zum Prozess der
Wissensformierung, sie verstand die Aufgabe der Erkenntnistätigkeit neu. Im gesellschaftlichen
Leben bildete sich eine neue weltanschauliche Einstellung heraus, ein neuer Denkstil, der
eigentlich auf der Grundlage des neuen Systems gegenständlicher Tätigkeit „das archaische
antik-mittelalterliche Weltanschauungsbild zerstörte und zur Formierung einer sachlichnaturalistischen Konzeption des Kosmos führte, die Voraussetzung der neuen Naturwissenschaft
war. Die Grundzüge sind folgende: Verhältnis zur Natur als einem selbstgenügsamen
natürlichen, „automatischen“ Objekt, dem das anthropomorph-symbolische Element genommen
wurde, das in der unmittelbaren Tätigkeit gegeben war und das der praktischen Aneignung
bedurfte; Ablehnung des Konkretheitsprinzips (des naiven qualitativistischen körperlichphysischen Denkens der Antike und des Mittelalters); die Herausbildung eines strengen
quantitativen Urteilsprinzips (auf sozialem Gebiet – der Prozess der Entstehung des
Merkantilismus, des Wuchers, der Statistik usw., auf wissenschaftlichem Gebiet – die Erfolge
des Erfindergeistes, der Schaffung von Messapparaturen, streng determinierter UrsacheWirkungs-Typologisierung der Wirklichkeitserscheinungen, Eliminierung der teleologischen,
organismischen und animistischen Kategorien, Einführung des Kausalismus); die
instrumentalistische Auslegung der Natur und ihrer Attribute – Raum, Zeit, Bewegung,
Kausalität usw., die sich mechanisch kombinieren lassen mit den jedes Ding ontologisch
zusammensetzenden fundamentalen Formen; die Gestalt der geometrisierten homogeneinheitlichen Wirklichkeit, die von einheitlichen Quantitätsgesetzen gesteuert wird; die
Anerkennung der Dynamik der universellen Beschreibungsmethode vom Verhalten der
Umgebungserscheinungen (keine dinglichen Modelle, sondern formale geometrische Schemata
und Gleichungen).“ (12)
Dabei sollte man bedenken, dass nicht jede Praxis, nicht jede soziokulturelle Bedingung das
Bedürfnis nach Wissenschaft, nach wissenschaftlich-theoretischer Reproduktion der
Wirklichkeit hervorbringt, sondern nur eine historisch besondere Praxis, eine ganzheitlich
gegenständliche Tätigkeit, die seit der Entstehungszeit der kapitalistischen Produktion gegeben
war, die nicht auf die dingliche naturelle Form der Gegenstände, sondern auf die Umgestaltung
von Prozessen, ihre allgemeinen Definitionen, ihre inneren Zusammenhänge, die die dingliche
und körperliche Existenz der Naturgegenstände bedingten, gerichtet war. Für die Praxis jener
Zeit war bereits das universelle Verhältnis zur Natur, die unbegrenzte Aneignung der
Naturkräfte, die Umwandlung der lokalen Geschichte verschiedener Kontinente und Völker in
die einheitliche Entwicklungsgeschichte der Menschheit kennzeichnend.
Mit der Neuzeit nimmt die gegenständliche Tätigkeit (Arbeit) eine immer mehr verallgemeinerte
Form an. Während bei allen vorhergehenden Produktionsmethoden irgendeine Arbeitsart, z.B.
die landwirtschaftliche, bestimmend für alle anderen ist, so verwandelt die bürgerliche
Gesellschaft alle Tätigkeitsformen in Varianten der Industriearbeit. Das entwickelte System der
Arbeitsteilung unter kapitalistischen Bedingungen, wenn der Warenaustausch allumfassend wird,
530
führt dazu, dass das Ziel der Produktion jetzt die Produktion eines abstrakten Reichtums wird.
Der kapitalistische Reichtum ist ein ständig von einer Form in die andere übergehender Wert, der
zu Kapital wird, das sich nur durch ununterbrochenes Selbstwachstum erhalten kann. Der
Reichtum, d.h. historisch angehäufte Arbeit in ihrer konkreten Form, erreicht hier seine
Allgemeingültigkeit als Mittel der Ausbeutung, da jegliche Ware zu seiner vorübergehende
Existenzform werden kann und auch wird. Und jegliche Arbeitsart wird zur Arbeit, die einen
abstrakten Reichtum hervorbringt, folglich zur Arbeit im allgemeinen Sinn. Unter solchen
Bedingungen entsteht erstmalig eine Gleichgültigkeit gegenüber der Bestimmtheit der Arbeit.
(13) Gleichzeitig wird gerade in der kapitalistischen Epoche die reale Bedingung nicht nur zur
Erreichung allgemeiner Definitionen der Arbeit, sondern auch für die Formierung einer
besonderen Form des Wissens wie die Wissenschaft geschaffen. Jedoch, der entfremdete
Charakter der gegenständlichen Tätigkeit, der Arbeit, der gesellschaftlichen Beziehungen im
bürgerlichen Produktionssystem verdreht, vernichtet nicht nur die allgemeine Wesenheit der
Arbeit in Gestalt des abstrakten Reichtums, sondern lässt auch nicht die wahre Wesenheit der
wissenschaftlichen Kenntnisse erkennen, verfälscht ihre Beziehung zur objektiven Wirklichkeit.
Darum kann nur die Kritik am System der entfremdeten Beziehungen eine reale Bedingung für
die rationale Erkenntnis sowohl des Inhalts der gegenständlichen Tätigkeit, als auch der Natur
der Wissenschaft schaffen. (14)
Wie man sieht, unterschied sich die Wissenschaft als besondere Form des Wissens, als
spezifische Form der Widerspiegelung der Wirklichkeit nicht nur von der traditionellen
Philosophie, sondern war auch besonders orientiert auf die Praxis und die Erkenntnistätigkeit.
Deshalb kann man die Wesenheit, den besonderen Inhalt der Wissenschaft nur im Kontext jener
besonderen praktischen Aufgabe verstehen, die in der Neuzeit entstand. In diesem Sinne ist die
Wissenschaft das Produkt dieser bestimmten historischen Epoche.
Ihre Entstehung und ihr Werdegang sind verbunden mit dem Sieg der bürgerlichen
Produktionsweise, die der vorangegangenen Lebensart, der geistigen Kultur, der Herrschaft der
Religion eine tiefe Wunde beibrachte, sie richtete die menschlichen Gedanken hin zur Praxis, zur
Erkenntnis der Natur, erklärte die objektive Realität zum Gegenstand der Wissenschaft. Für ihre
Entstehung war außer gesellschafts-historischen und sozialen Bedingungen auch ein bestimmtes
Niveau des Wissens, eine ausreichende Menge von Fakten notwendig, die der theoretischen
Analyse und der Verallgemeinerung unterliegen sollten. Deshalb, so bemerkte F. Engels, kamen
zu Anfang des 16. Jahrhunderts nur solche Wissenschaften auf, die bereits bestimmte
Voraussetzungen in Form von Fakten und theoretischen Verallgemeinerungen besaßen.
Nach allem bisher Gesagten ist es nicht schwer zu verstehen, warum damals
Naturwissenschaften wie Mathematik, Astronomie, Mechanik usw. eine beschleunigte
Entwicklung erfuhren. Dank den Arbeiten von Pythagoras, Euklid, Archimedes u. a. sind die
Keime und Voraussetzungen dieser Wissenschaften bereits in der Antike entstanden, außerdem
begünstigten die praktischen Bedürfnisse der bürgerlichen Produktionsweise, die Schifffahrt, die
Suche nach neuen Ländereien die schnelle Entwicklung dieser Wissensgebiete. Alles das führte
zur baldigen Absonderung dieser Wissenschaften von der Philosophie dank den Lebenswerken
von Kopernikus, Kepler, Galilei u. a.
Im Unterschied zur traditionellen Philosophie, die von Autoritäten ausging, orientierte sich die
Wissenschaft von Anfang an auf die Verallgemeinerung, die Erklärung der Fakten auf der
Grundlage entdeckter Gesetzmäßigkeiten. Die Genesis der Wissenschaft beginnt dort und dann,
als eine zahllose Menge Fakten rationell auf der Grundlage entdeckter Gesetze der Wissenschaft
erklärt werden konnten. Das Verständnis der gesetzmäßigen Verbindung zwischen Natur und
Gesellschaft vertieft sich in dem Maße, wie sich die Wissenschaft entwickelt.
Mit der Entdeckung eines Gesetzes und der Verallgemeinerung der Fakten hat bekanntlich die
Geschichte der theoretischen Mechanik begonnen. Dank der bemerkenswerten Werke von
Galilei, die die Proportionalität der Größe der Kraft nicht zur Geschwindigkeit, sondern zur
Beschleunigung bewiesen, entstand die Mechanik. Im Anfangsstadium der klassischen Mechanik
beschäftigten sich Kopernikus und Kepler hauptsächlich mit der Beschreibung der Bewegung
531
der Planeten um die Sonne, die der erste Schritt in der wissenschaftlichen Erkenntnis war. Im
Weiteren wurden die Bewegungsgesetze formuliert. Es stimmt, die Planeten Mars, Merkur und
Erde drehen sich um die Sonne. Nun fragt es sich, welche Kräfte zwingen diese Planeten, sich so
zu bewegen? Selbst die Frage und die Antwort darauf wurden erst dann möglich, als der Begriff
„Beschleunigung“ geklärt wurde und dass die Kraft mit der Beschleunigung im Zusammenhang
steht. Das Verständnis der Tatsache, dass nicht die Geschwindigkeit, sondern die
Beschleunigung der Kraft proportional ist, kann als Anfang der Mechanik und der Physik
bezeichnet werden. Hier ist zu bemerken, dass der Begriff Beschleunigung deshalb anderen
Begriffen der Mechanik zu Grunde lag, weil er die wesentlichen Bezüge zur Wirklichkeit
widerspiegelte.
In diesem Zusammenhang muss noch die Rolle des Begriffes „Massen“ bei der Erarbeitung des
Newtonschen Gravitationsgesetzes erwähnt werden. Es war ein Höhenflug der Gedanken nötig,
um die Bewegung eines Steins auf der Erde und
die Bewegung der Planeten um die Sonne als Ausdruck des Gravitationsgesetzes zu verstehen.
Dem Mechaniker Newton kam eine neue Erleuchtung zum Problem der Planetenbewegung um
die Sonne. Auf diese Weise wurde die Dynamik geboren, wurden physikalische Gesetze
formuliert, die diese Bewegung steuern. Die Beschreibung der Planetenbewegung ist die
Entdeckung dieser Gesetze. In diesem Zusammenhang entsteht die Frage, warum das
Gravitationsgesetz von Newton entdeckt wurde, und nicht von Kepler oder Galilei. Man darf
nicht vergessen, dass sich Newton in seinen Verallgemeinerungen auf die Errungenschaften der
gesamten vorangegangenen Epoche stützte. Außerdem wurde bereits davor der Begriff „Massen“
formuliert.
Die Bildung des Begriffes „Massen“ diente als Begründung bei der Schaffung des
Gravitationsgesetzes. Die Logik der Entdeckung dieses Gesetzes ist folgende: aus den Gesetzen
Keplers geht der Beweis hervor, dass dem Quadrat des Abstandes die Anziehungskraft
umgekehrt proportional ist. Aber die Größe der Anziehungskraft kann nicht allein aus diesem
einen Fakt resultieren. Die Anziehungskräfte hängen nicht nur von der räumlichen Beziehung ab,
sondern auch von der Natur der einander anziehenden Körper, und davon, welche Eigenschaften
die Körper selbst haben. Gerade dieser Gedanke Newtons von der Proportionalität der
Anziehungskraft gegenüber der Materiemenge ist genau jenes unzureichende Glied, dessen
Fehlen es den Vorgängern Newtons nicht gestattete, das Gravitationsgesetz zu entdecken.
Wie alle Erscheinungen der Natur und Gesellschaft, befindet sich auch die Wissenschaft in
ständiger Entwicklung, die sich in den Begriffen und Gesetzen der Wissenschaft widerspiegelt.
Die wissenschaftliche Erkenntnis ist in ihrer Entwicklung auf die Entdeckung immer
allgemeinerer Gesetze der Natur und Gesellschaft gerichtet. Das ist besonders deutlich zu sehen
am Beispiel der theoretischen Mechanik. Trotz all ihrer Grandiosität war die Physik Newtons
nicht die Krönung der Entwicklung der Physik. Ein weiterer Triumph war die Entdeckung des
Gesetzes von der Erhaltung der Energie. Dieses Gesetz wurde erstmalig formuliert von Meyer,
Joule und Helmholtz. Nach dem Gesetz von der Erhaltung der Energie besteht jegliche
Veränderung in der Welt nur in der Veränderung der Bewegungsformen der Materie. In der
Natur findet ein ständiger Kreislauf statt. Jede Veränderung in der Natur kommt der Entstehung
oder dem Verbrauch von Energie gleich. Wenn eine bestimmte Form von Energie angefordert
wird, so kann sie sich entweder in ihrer Form selbst zeigen, oder kann gleich mit dem Ziel
benutzt werden, andere Veränderungen äquivalenter Größe hervorzurufen. Die wichtigsten
Definitionen dieses Äquivalents sind begründet in den von Joule vorgenommenen Messungen
des mechanischen Wärmeäquivalentes.
All das zeugt davon, dass wir, wenn wir einen bestimmten Energievorrat zur Verfügung haben,
all jene Bedingungen reproduzieren können, die Ursache der von uns abgebauten Energie waren.
Die Energie verschwindet in der einen Form, in einer anderen entsteht sie sofort neu. Somit ist
die ganze Vielfalt der Naturerscheinungen in ihren wesentlichen Zügen durch das majestätische
Gesetz von der Erhaltung der Energie ausgedrückt. Das war ein wesentlicher Fortschritt in der
Verallgemeinerung und im Verständnis der Naturerscheinungen. Die Kenntnis der Naturgesetze
532
hat nicht nur theoretische Bedeutung für das Verstehen ihrer Zusammenhänge, sondern übergibt
den Menschen gleichsam den Schlüssel zu Voraussagen zukünftiger Vorgänge. Die Gründer der
Wissenschaft unterstrichen wiederholt, dass die Natur so lange geheimnisvoll und tyrannisch
bleibt, bis die Menschen es lernen, ihre Gesetze zu entdecken und die Zukunft vorauszusehen.
D.I. Mendelejew schrieb im Zusammenhang mit seiner wissenschaftlichen Entdeckung: „Ich
denke, dass wir bis jetzt keine Möglichkeit hatten, die einen oder anderen Elemente
vorauszusehen, weil wir eben kein strenges System für sie hatten... Mit Hinweis auf die
periodische Abhängigkeit ist es möglich, nicht nur auf das Fehlen einiger von ihnen zu
verweisen, sondern sogar mit großer Sicherheit und Überzeugung die Eigenschaften dieser noch
unbekannten Elemente zu bestimmen.“ (15)
Die Beweisbarkeit ist ebenfalls ein untrennbarer Bestandteil der Wissenschaft: ihre Thesen
haben unwiderlegbare Überzeugungskraft nur dann, wenn sie bewiesen sind. Seinerzeit
polemisierte Ch. Darwin mit jenen, die versuchten, die Ideen seiner Theorie seinen Vorgängern
zuzuschreiben. Dabei unterstrich er, dass das Wichtigste bei wissenschaftlichen Entdeckungen
das Prinzip der Beweisbarkeit ist. In diesem Sinne dachte auch Timirjasew, als er die Geschichte
der Parasitentheorie von Louis Pasteur analysierte. Tatsächlich verbindet man die Entdeckung
der Parasitentheorie mit dem Namen Louis Pasteurs, obwohl Ganle (Schreibweise konnte nicht
geklärt werden. Anm. d. Ü.) bereits 20 Jahre früher als Pasteur darauf gekommen war. Jedoch
völlig zu Recht wird diese Theorie Louis Pasteur zu gerechnet, aus dem einfachen Grund, weil
Ganle sie weder sich selbst noch anderen beweisen konnte. Und so blieb seine Idee zwanzig
Jahre lang fruchtlos.
Solche großen Gesetze der Wissenschaft, wie das Gesetz von der Erhaltung der Energie, das
Gravitationsgesetz, das Gesetz der natürlichen Auslese u .a. wurden erst dann wirklich
anerkannt, als sie streng bewiesen werden konnten.
Zu dieser Frage schrieb Engels, dass „das Sonnensystem von Kopernikus dreihundert Jahre eine
Hypothese blieb, zwar in höchstem Maße wahrscheinlich, aber trotzdem Hypothese. Als dann Le
Verrier auf Grund der Daten dieses Systems nicht nur bewies, dass noch ein bis dahin
unbekannter Planet existieren muss, sondern auch noch exakt den Ort im Weltraum berechnete,
und als dann Galle diesen Planeten wirklich fand, war das System von Kopernikus
bewiesen.“(16)
Das große Verdienst gebührt nicht dem, der die Existenz der Wahrheit erahnt, sondern dem, der
sich auf die Fakten stützt und sie mit Hilfe der Logik beweist. Den Ökonomen Rodbertus
kritisierend, der verkündet hatte, dass er den Mehrwert vor Marx entdeckte, führte Engels ein
interessantes Beispiel aus der Geschichte der Chemie bezüglich der Entdeckung des Sauerstoffes
an. Er schrieb: „Und wenn sogar Lavoisier den Sauerstoff nicht gleichzeitig mit den anderen
und unabhängig von ihnen beschrieb, wie er später behauptete, so hat doch er im wesentlichen
den Sauerstoff entdeckt, und nicht jene beiden, die ihn nur beschrieben, ohne zu wissen, was sie
da eigentlich beschrieben.“(17)
Grundlage der Wissenschaftsentwicklung war die Schaffung einer neuen Technologie, die
Herausbildung der Industrieproduktion, die sich prinzipiell von der alten Produktion unterschied.
Die neue Produktionsstruktur brachte neue technische und wissenschaftliche Bedürfnisse hervor,
zu deren Befriedigung eine schnelle Entwicklung der Wissenschaft, in erster Linie der
Naturwissenschaft, unbedingt nötig war. Das alte Wissenssystem konnte das wachsende
Bedürfnis der sich entwickelnden Produktion nicht befriedigen. Es wurde zur Bremse auf dem
Weg des gesellschaftlichen Fortschritts.
Alles das bewirkte eine neue Situation in der Entwicklung der geistigen Kultur. Die realen
Bedürfnisse der gesellschaftlichen Produktion und der Technik berücksichtigend, begann sich
schnell eine neue Art menschlichen Wissens zu formieren. Wichtigste Aufgabe der sich
entwickelnden Wissenschaft war, schnell mit den vorhandenen Materialien zurechtzukommen,
obwohl sie noch nicht in großer Menge vorhanden waren. Engels beschäftigte sich ausführlich
mit der Entwicklung und den Erfolgen einiger Formen der Naturwissenschaften jener Epoche. Er
schrieb: „Bei dieser Sachlage war es unumgänglich, dass den ersten Platz die elementarsten
533
Naturwissenschaften, die Mechanik der Erd- und Himmelskörper einnahmen, und daneben, zu
ihren Diensten, die Entdeckung und Vervollkommnung der mathematischen Methoden. Hier
wurden große Dinge vollbracht. Am Ende dieser Periode, die gekennzeichnet war von solchen
Namen wie Newton und Linnè, sehen wir, dass diese Bereiche der Wissenschaft eine berühmte
Vollendung erfahren haben. In den Grundzügen waren die wichtigsten mathematischen
Methoden festgelegt worden: die analytische Geometrie – hauptsächlich durch Descartes, die
Logarithmen durch Neper, die Differential- und Integralrechnung – durch Leibniz und, vielleicht
durch Newton. Dasselbe kann man sagen über die Festkörpermechanik, deren Hauptgesetze ein
für allemal geklärt wurden, in der Astronomie des Sonnensystems entdeckte Kepler die
Bewegungsgesetze der Planeten, und Newton formulierte sie unter dem Gesichtspunkt der
allgemeinen Bewegungsgesetze der Materie.“ (18)
Die Verbindung der Wissenschaft mit der Produktion war das wichtigste Merkmal der sich
entwickelnden Wissenschaft. Die aufmerksame Analyse der Wissenschaftsgeschichte lässt keine
Zweifel daran, dass sie ein Produkt der neuen soziokulturellen Bedingungen ist. Engels, der sich
mit den gegenseitigen Beziehungen der Wissenschaft und Produktion beschäftigte, schrieb:
„Wenn die Technik... in bedeutendem Maße vom Zustand der Wissenschaft abhängt, so hängt
die Wissenschaft in weit größerem Maße vom Zustand der Bedürfnisse der Technik ab. Wenn
eine Gesellschaft technische Bedürfnisse hat, so bringt das die Wissenschaft mehr voran, als ein
Dutzend Universitäten. Die gesamte Hydrostatik (Torricelli usw.) war hervorgerufen worden
durch das Bedürfnis, die Gebirgsbäche im Italien des 16. und 17. Jahrhunderts zu regulieren.
Über die Elektrik haben wir erst dann etwas Vernünftiges erfahren, als ihre technische
Anwendbarkeit entdeckt wurde.“(19)
Die Verbindung der Wissenschaft mit der Produktion hat einen dialektischen Charakter, und
deshalb ist es wichtig, sie als gegenseitig wirksam zu betrachten, ihre Verbindung in
revolutionärer Perspektive zu sehen. In der Geschichte der Wissenschaft kommen fundamentale
Entdeckungen vor, die die technischen Grundlagen der gesamten gesellschaftlichen Produktion
revolutionieren. In diesem Zusammenhang sind herausragende Beispiele die Entdeckung des
elektrischen Stroms, der Radioaktivität usw.
Viele Wissenschaftler verstanden seinerzeit die Entdeckung des elektrischen Stroms nur als eine
Erscheinung, die lediglich theoretische Bedeutung hat. Jedoch die weitere Entwicklung der
Physik und der Produktion bewiesen, dass die Entdeckung der Radioaktivität nicht nur unsere
Erkenntnis der Natur revolutionierte, sondern auch eine Revolution in der Produktion und
Technik auslöste. In diesem Zusammenhang ist auch die Geschichte des periodischen Systems
der Elemente von Mendelejew interessant. Viele Forscher nahmen es zunächst als
wissenschaftliche Idee auf, die nur theoretische Bedeutung hatte. Tatsächlich revolutionierte das
Periodensystem der Elemente die Grundlagen der gesamten chemischen Produktion.
Es sind also jene Ansichten auch nicht haltbar, nach denen die Forscher sich nur mit Fragen
beschäftigen müssen, die zu einer gegebenen Zeit große praktische Bedeutung haben und die die
Notwendigkeit der Ausarbeitung fundamentaler theoretischer Fragen negieren. Das ist eine im
Grunde falsche Position, weil die wirkliche Verbindung zwischen Wissenschaft und Produktion
nur durch die dialektische Einheit fundamentaler theoretischer und angewandter Forschung
gesichert ist. Die Wissenschaft kann nicht Wissenschaft sein, wenn sie nur praktische Aufgaben
verfolgt, ihr nicht auf Grund erkannter Gesetze zuvorkommt, manchmal nicht ein bisschen
vorauseilt und nicht die Möglichkeit der Entwicklung der einen oder anderen Erscheinung
voraussagt.
Hier ist noch ein Beispiel aus der Geschichte des elektrischen Stroms interessant. Zufällige
Beobachtungen von Ersted (Schreibweise konnte nicht geklärt werden. – Anm. d. Ü.) im Jahre
1820, wie die Magnetnadel bei Annäherung elektrischen Stroms abgelenkt wurde, schienen
anfangs eine von vielen Naturerscheinungen zu sein, die für den Wissenschaftler interessant
waren, aber weit entfernt von Praxis und Technik. In Wirklichkeit aber wurde diese Entdeckung
die Grundlage der gesamten modernen Elektrotechnik. Anfangs schien das periodische Gesetz
ebenfalls ein rein theoretisches Ergebnis der Wissenschaft zu sein, das auch mit der Praxis nichts
534
zu tun zu haben schien, aber jetzt ist es die Basis nicht nur der Chemie, sondern der gesamten
Chemietechnologie.
Die sich entwickelnde Wissenschaft hat natürlich nicht nur diese Merkmale, sie ist ein
Systemgebilde, dient als System von Begriffen, Theorien, stellt Hypothesen, wissenschaftliche
Modelle auf; erarbeitet ein System spezieller wissenschaftlicher Methoden, mit deren Hilfe
Naturerscheinungen, wissenschaftliche Fakten, experimentelle Angaben erforscht werden. In der
Wissenschaft findet auch so etwas wie Ideen- und Prinzipienkontinuität statt, sowie eine
revolutionäre Veränderung der experimentellen Daten, Forschungsmethoden und
Grundsatzideen.
In der Neuzeit geschahen grundlegende Veränderungen sowohl im wirtschaftlichen und sozialen,
als auch im politischen, geistigen und kulturellen Leben der Gesellschaft. Im Prozess der
revolutionären Umgestaltung gab es den Bruch der feudalen gesellschaftlich-ökonomischen
Beziehungen und ihre Ablösung durch neue, bürgerliche Beziehungen, die, wie bereits früher
angeführt, weit günstigere Bedingungen für die Entwicklung der Produktion, der Produktivkräfte
geschaffen hatten.
Auf der Basis dieser grundlegenden sozial-ökonomischen Veränderungen entstanden neue
politische Strukturen und eine neue geistige Atmosphäre. Im gesellschaftlichen Leben formierte
sich eine neue Welt, ein neuer Mensch der sich auf neue Art zur objektiven Realität, zur Natur,
zu sich selbst und zu seiner Geschichte verhielt. Während im Mittelalter die Natur und die reale
Welt von den Menschen nicht als etwas substantielles wahrgenommen wurde, das seine
Grundlage in sich selbst hat, sondern als etwas betrachtet wurde, das von Gott, einer geistigen
Kraft erschaffen wurde, so gab es mit Beginn der Neuzeit eine prinzipiell neue Situation.
Zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten schaute der Mensch mit offenen Augen in die Welt,
und deshalb ist nichts verwunderliches daran, dass er begann, viele Gesetzmäßigkeiten zu
entdecken, Geheimnisse der Natur zu lüften, die ihm früher unbekannt waren. Befreit von einer
Reihe Formen der geistigen Versklavung wurde er aktiv schöpferisch tätig, entdeckte Gesetze
verschiedener Erscheinungen, schuf Wissenschaft, Literatur und Kunst. Die allgemeine geistige
Atmosphäre jener Zeit beschrieb F. Engels so: „Vor dem erstaunten Westen erstand eine neue
Welt – die griechische Antike; vor ihren lichten Gestalten verschwanden die Gespenster des
Mittelalters; in Italien erblühte die Kunst wie nie zuvor, die als Abglanz des klassischen
Altertums als solche nie wieder erreicht werden sollte. In Italien, Frankreich, Deutschland
entstand eine neue, erstmals moderne Literatur. England und Spanien erlebten bald danach die
klassische Epoche ihrer Literatur. Die Rahmen des alten orbis terrarum waren zerstört; erst jetzt
wurde eigentlich die Erde entdeckt und die Grundlagen für den späteren Welthandel sowie den
Übergang des Handwerks in die Manufaktur gelegt, die wiederum als Ausgangspunkt für die
moderne Großindustrie dienten.“(20)
Die Revolutionsepoche im Ganzen übte einen entscheidenden Einfluss auf den Menschen selbst
aus, auf seine Weltanschauung, seinen Denkstil, seinen Charakter und sein Verhältnis zur Arbeit.
Die Gründer der modernen Wissenschaft waren nicht nur ganze Persönlichkeiten, sondern sie
zeichneten sich auch durch eine enzyklopädische Gelehrtheit aus. Ihnen gehören die großen
Entdeckungen in vielen Wissensbereichen. „Damals gab es fast keinen bedeutenden Menschen,
der nicht große Reisen machte, nicht vier bis fünf Sprachen beherrschte, nicht in mehreren
Schaffensbereichen glänzte. Leonardo da Vinci war nicht nur ein großer Maler, sondern auch ein
großer Mathematiker, Mechaniker und Ingenieur, dem die unterschiedlichsten Bereiche der
Physik durch wichtige Entdeckungen verpflichtet sind. Albrecht Dürer war Maler, Graveur,
Bildhauer, Architekt und außerdem erfand er den Festungsbau...“(21)
Im Weiteren jedoch macht sich die kapitalistische Arbeitsteilung, die Tätigkeitsspaltung
bemerkbar, es geschieht eine Spezialisierung sowohl im Bereich der materiellen Produktion, als
auch auf dem Gebiet der geistigen Tätigkeit, was zum Verlust der ursprünglichen Ganzheit
führte.
Alle alten Formen der Arbeitsteilung waren im Vergleich mit der Neuzeit ein Kinderspiel. Ein
neues Gebiet nach dem anderen entstand und damit auch neue Formen der
535
Produktionsorganisation. Der Kapitalismus brachte eine Vielzahl Arbeitsorganisationsformen
hervor: die Kooperation, die Manufaktur, die Maschinenproduktion usw. Die Anwendung der
Kooperation, mit der die neue Arbeitsorganisation beginnt, veränderte wesentlich die
Arbeitsproduktivität. Diese fortschrittlichen Tendenzen erfuhren im Weiteren eine wesentliche
Entwicklung in der Produktionsorganisation der Manufaktur, in der sich jeder Arbeiter auf die
Erfüllung einer bestimmten Operation spezialisierte. Dabei automatisierten bestimmte
Tätigkeitsfunktionen, die an den Produzenten der materiellen Güter gebunden waren, seine
Tätigkeit, und forderten gleichzeitig immer weniger Belastung von Seiten der geistigen
Tätigkeit.
K. Marx beleuchtete nicht nur die positive Seite der Manufakturproduktion, sondern zeigte auch
ihre Mängel. Vor allem bindet sie den Menschen nur an eine bestimmte Tätigkeitsform, eine
bestimmte Operation, und isoliert ihn vom gesamten Produktionsprozess. Die Manufaktur lähmt
den Menschen, bildet ihn einseitig, d. h. entwickelt, nach K. Marx, den professionellen
Kretinismus. Mit anderen Worten, die Manufaktur entwickelt disharmonisch die eine Seite des
Menschen und lässt seine anderen Fähigkeiten verkümmern, weil sie der realen Belastung
entbehren, im Tätigkeitsprozess wenig genutzt werden.
Der weitere Fortschritt in der Entwicklung der Produktion ist mit der Entstehung der
Maschinenproduktion verbunden, mit der Geburt der so genannten Industrierevolution, die eine
bedeutende Etappe in der voranschreitenden Entwicklung der Gesellschaft und der
gesellschaftlichen Produktivkräfte darstellte. Die Entstehung der Maschinenproduktion war auch
in dem Sinne fortschrittlich, dass viele einseitige, schwere und routinemäßigen Funktionen den
Maschinen überlassen wurden, obwohl hier das Problem des abstrakten, einseitigen Menschen
noch nicht gelöst werden konnte. Tatsache ist, dass der Mensch, als er sich von vielen schweren
Funktionen des Arbeitsprozesses befreite, trotzdem die Funktion des Arbeitsorgans an der
Maschine ausführte. Ein solcher Mensch konnte sich ebenfalls nicht den gesamten
Produktionsprozess vorstellen und unterschied sich deshalb in seiner geistigen Entwicklung nicht
besonders von den Arbeitern der Manufakturperiode. Deshalb bleibt das Problem der
Überwindung der Abstraktheit, des professionellen Kretinismus auch für die
Maschinenproduktion aktuell.
Eine grundlegende Veränderung beginnt erst mit der wissenschaftlich-technischen Revolution,
die prinzipielle Bedeutung sowohl für die Entwicklung des Menschen, für die Formierung der
allseitig entwickelten Persönlichkeit, als auch für das Verständnis der Wesenheits- und
Begriffsveränderung der Wissenschaft hatte. In erster Linie beeinflusste die WTR
(wissenschaftlich-technische Revolution) die Entwicklung der Wesenheit des Menschen. Unter
den Bedingungen der Maschinenproduktion führte der Mensch die Funktion eines Arbeitsorgans
an der Maschine aus; er blieb hauptsächlich Anhängsel dieser Maschine, da er selbst nicht in der
Lage war, sich den gesamten Prozess im Kopf vorzustellen und folglich konnte er nicht
irgendwelche Störungen beseitigen oder die Maschine reparieren. Letzteres war die Aufgabe
anderer Arbeiter, die speziell dafür ausgebildet waren. Außerdem gab es noch Ingenieure,
Techniker, Konstrukteure usw., die für den reibungslosen Ablauf des gesamten
Produktionsprozesses verantwortlich waren.
Bei aller Unterentwickeltheit seiner Produktion hatte der Mensch vergangener
Wirtschaftsformationen eine Idealvorstellung vom gesamten Arbeitsprozess, d.h. bevor die
Arbeit gemacht werden sollte, stellte er sich im Kopf das Ergebnis seiner Arbeit vor. Und dabei
treten in dieser idealen Vorstellung die zielgerichtete Tätigkeit und der Arbeitsprozess selbst als
Funktion ein und desselben Menschen auf. Unter den Bedingungen der gewöhnlichen
Maschinenproduktion wird diese Gesamttätigkeit des Menschen gespalten und teilt sich
mindestens in drei Teile. Zum Beispiel wird die Funktion der idealen Vorstellung vom Ergebnis
des Produktionsprozesses vom ingenieur-technischen Personal verwirklicht, die Arbeiter, die
eine zielgerichtete Bewegung ausführen, erfüllen die Arbeitsfunktion an der Maschine; das
Produkt der Arbeit gehört dem Kapitalisten.
536
Unter den Bedingungen der WTR entstehen prinzipiell neue Momente im Produktionsprozess.
Da die Arbeitsfunktion der Maschine auch der Maschine übertragen wird, ist der Arbeiter vom
unmittelbaren Produktionsprozess befreit, d.h. seine Funktion im Produktionsprozess wird
wesentlich verändert. Während er früher, als er die Arbeitsfunktion an der Maschine ausführte,
Beiwerk der Maschine war, was seine intellektuelle und soziale Entwicklung einschränkte, so
führt er jetzt im Produktionsprozess die Funktion eines Kontrolleurs, Einrichters und Bedieners
aus.
Während der Arbeiter früher nur ein eng spezialisierter Fachmann war, so muss er jetzt die
gesamte Tätigkeit der Maschine kontrollieren, dass heißt er muss den gesamten
Produktionsprozess beherrschen. Diese neue Funktion des Arbeiters stellt für ihn natürlich eine
weit höhere Verpflichtung dar, sein Intellekt wird bedeutend mehr belastet, was die Frage nach
einer breiten Allgemeinbildung des Produktionsarbeiters aufwirft. Mit anderen Worten, alles das
fördert die intellektuelle Entwicklung des Arbeiters.
Die Klassiker des Marxismus stellten seinerzeit die Frage nach der Formierung der allseitig
entwickelten Persönlichkeit im Kommunismus. Die Bedeutung der WTR besteht darin, dass sie
die Frage nach der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen als natürliche Forderung des
wissenschaftlich-technischen Prozesses stellte. Unter den Bedingungen der WTR und der
automatisierten Produktion entstehen neue, komplizierte intellektuelle Aufgaben vor den
Arbeitern. Deshalb enthält das Problem der Entwicklung des Arbeiters, seiner Persönlichkeit
nicht einfach das Problem der Erreichung eines bestimmten Ideals, sondern taucht auf als
moderne Aufgabe, Gebot der Zeit, als gebieterische Forderung der wissenschaftlich-technischen
Revolution.
Unter den Bedingungen der WTR wird auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen der
geistigen und der körperlichen Arbeit neu gestellt. Tatsächlich, nachdem der Mensch die
Funktion des Arbeitsorgans an der Maschine aufgegeben hat, kontrolliert er jetzt den gesamten
Produktionsprozess. Um diese neue Funktion erfolgreich erfüllen zu können, muss er eine
entsprechende Bildung haben. Folglich wird unter den Bedingungen der WTR die reale
Möglichkeit für den Arbeiter geschaffen, bis zum Niveau des wissenschaftlich-technischen
Personals aufzusteigen. Es geschieht eine Art Synthese der geistigen und körperlichen Arbeit,
d.h. der Mensch steuert die automatisierte Produktion, er ist ihr Ingenieur, ihr Konstrukteur, ihr
Einrichter usw. Das gesamte Operationssystem, einschließlich der Arbeitsfunktionen, wird von
Maschinen ausgeführt. Deshalb stellt der Mensch den gesamten Prozess dar, er führt eine
schöpferische Funktion im Produktionsprozess aus.
Die wichtigste Aufgabe der wissenschaftlich-technischen Revolution besteht auch darin, dass sie
einen wesentlichen Einfluss auf die Natur der Wissenschaft, auf die Veränderung ihrer
wesentlichen Bestimmungen ausübt. Bekanntlich trat die Wissenschaft seit ihrer Entstehung als
besondere Form des Wissens auf, die, indem sie Gesetze entdeckt, eng an die Produktion
gebunden ist. Dabei zweifelte niemand daran, dass zwischen der Wissenschaft und der
Produktion ein prinzipieller Unterschied besteht: die Wissenschaft schafft Wissen, und die
Produktion schafft Dinge, allerdings sind sie eng miteinander verbunden.
Unter den Bedingungen der WTR vollziehen sich grundlegende Veränderungen in der
Beziehung Wissenschaft - Produktion. In der modernen automatisierten Produktion verschmilzt
die Wissenschaft als konzentrierter Ausdruck von Gesetzen und Formeln unmittelbar mit der
Produktion, d.h. die Wissenschaft selbst wird zur Produktivkraft (ausführlicher darüber weiter
unten). Außerdem vollzieht sich eine grundlegende Veränderung in der eigentlichen Wesenheit
der Wissenschaft. Während früher die Wissenschaft bei all ihrer engen Verbindung mit der
Produktion eine Wissensform blieb, ein besonderes geistiges Phänomen, so geschieht unter den
Bedingungen der WTR eine revolutionäre Veränderung sowohl im Charakter der Wissenschaft,
als auch im Charakter der Produktion, d.h. die Isoliertheit und selbständige Existenz von
Wissenschaft und Produktion wird überwunden, es geschieht eine organische Verschmelzung
von Wissenschaft und Produktion. Da im Entwicklungsprozess von Wissenschaft und
Produktion eine solche synthetische Erscheinung vor sich geht, verändert jede Seite dieser
537
Einheit ihre Bestimmungen und Charakteristika. Mir anderen Worten, wenn die Wissenschaft
früher als besondere Form des Wissens auftrat, so ist sie jetzt eine besondere Form des Wissens
und der Tätigkeit.
Die moderne Wissenschaft ist somit nicht nur eine originelle Bündelung von Gesetzen,
Begriffen, Erkenntnismethoden, sondern in ihr vollziehen sich grundlegende Veränderungen, die
eine entschiedene Überprüfung ihrer Begriffe fordert. In der Tat, wenn man die Wissenschaft im
Kontext eines modernen soziokulturellen Prozesses betrachtet, so tritt sie als unmittelbare
Produktivkraft auf, als Verschmelzung von Wissen und Tätigkeit, als Einheit des materiellen und
idealen, des objektiven und subjektiven. Mit anderen Worten, die Einmaligkeit der modernen
Epoche besteht darin, dass sich der Begriff Wissenschaft grundlegend verändert hat. Folglich
kann man an die Wissenschaft, ihre Aufgaben und ihre Rolle in der Gesellschaft nicht mit
traditionellen Maßstäben herangehen, d.h. man muss die neue Funktion der Wissenschaft in der
kulturhistorischen Entwicklung der Menschheit sehen. Die Wissenschaft ist tatsächlich nicht
einfach eine Form des Denkens, sondern auch eine allgemeine Form der Tätigkeit, eine Synthese
des Wissens und der Tätigkeit, sofern sie eine qualitativ neue Funktion in der modernen Kultur
ausübt.
Vor allem tritt die Wissenschaft als allgemeine Tätigkeit, als allgemeine Produktion, als
Grundlage der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte auf. Die moderne
Entwicklung der Produktion ist hauptsächlich die wissenschaftliche Entwicklung der Produktion.
Die Wissenschaft drang in die Produktion ein, revolutionierte die Produktion, ersetzte die
Arbeitsfunktion des Menschen in der Maschinenproduktion, ermöglichte es, eine vollkommen
neue Art von Maschinen zu schaffen, die von der Wissenschaft gesteuert werden. Anders gesagt,
die Wissenschaft wurde eine allgemeine Bedingung der Produktion, eine allgemeine
Produktivkraft.
Da die allgemeine Bedingung der Gesellschaftsentwicklung, die ihr Gesicht bestimmt, die Art
und Weise der Produktion der materiellen Güter darstellt und die Wissenschaft von nun an als
wichtigste Produktionsmethode (als Produktivkraft) auftritt, verändert sich die Rolle der
Wissenschaft radikal. Während sie früher als spezifische Form des Denkens zur geistigen Sphäre
der Gesellschaft gehörte, zum Bereich des Bewusstseins, so wird sie jetzt, wenn die
Naturwissenschaften zur unmittelbaren Produktivkraft werden, eine synthetische Erscheinung.
Während die traditionelle Wissenschaft hauptsächlich eine die Produktion bedienende Funktion
ausübte (die Erkenntnisfunktion), so verschmilzt jetzt ihre Erkenntnisfunktion unmittelbar mit
der Produktiv-, der produzierenden und der konstruktiven Funktion.
Unter den Bedingungen der WTR wachsen in der Produktion selbst die schöpferischen und
geistigen Prozesse. Früher kamen die schöpferischen Prozesse von außen in die materielle
Produktion, aber unter modernen Bedingungen ist die Produktion selbst ein schöpferischer,
wissenschaftlicher Prozess, und die Wissenschaft wird eine Produktionstätigkeit.
Eine solche Veränderung in der Natur der Wissenschaft und Produktion musste sich ebenfalls in
den Organisationsformen widerspiegeln. Es ist wirklich so, dass die herkömmlichen
Organisationsformen sowohl die Entwicklung der Produktion bremsten, als auch die
Entwicklung der Wissenschaft. Deshalb werden durch das Leben selbst solche
Verbindungsglieder hervorgebracht, wie wissenschaftlich-technische Komplexe, in denen die
entzweite Existenz der Wissenschaft und Produktion überwunden wird. Sie sind in ihrer Natur
ein neues, synthetisches Gebilde, in dem nach vollkommen neuen Prinzipien Wissenschaft und
Produktion verbunden sind. In einer solchen wissenschaftlich-praktischen Vereinigung tritt die
Wissenschaft als aktive, tätige Seite auf, die das Ziel bestimmt, die Aufgaben formuliert und die
strenge Übereinstimmung von Ziel und Resultat kontrolliert. Hier geschieht auf neuer Grundlage
der Wiederaufbau der Einheit von zweckgerichteter Tätigkeit und Arbeitsinstrumenten. In seiner
gewohnten Produktionstätigkeit baut der Mensch im Unterschied zum Tier (nach Marx) in
seinem Kopf das Ergebnis seiner Arbeit. Mit der Entwicklung der Produktion und Kultur sind
diese beiden Seiten einer Einheit in selbstständige Bereiche zerfallen – in die Wissenschaft und
die Produktion. Eine solche Arbeitsteilung, Trennung der Wissenschaft von der Produktion, war
538
seinerzeit sicher eine progressive Erscheinung, sie ermöglichte es, die Erkenntnis, die geistige
Kultur zu entwickeln. Da die Wissenschaft die Produktion brauchte, und die Produktion die
Wissenschaft, haben sich diese Verbindungen verwirklicht, obwohl das Verbindungen
vollkommen unterschiedlicher Erscheinungen waren. Die Entwicklung der Wissenschaft und der
Produktion jener Zeit ermöglichte keine engeren, organischen Verbindungen zwischen
Wissenschaft und Produktion.
Diese grundlegende Veränderung der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Produktion
vollzog sich erst unter den Bedingungen der WTR, als die Kybernetik, die Datenverarbeitung
und die automatisierte Produktion entstanden. Erst seit dieser Zeit wurde es möglich, die
Arbeitsprinzipien der traditionellen Maschinen abzulösen, d.h. es gelang, den Menschen von der
Erfüllung der Arbeitsfunktion an der Maschine zu befreien, es wurden Automaten geschaffen,
die diese Funktion ersetzten. Die traditionelle Produktion änderte sich von da an grundlegend,
d.h. der Produktionsprozess wurde eine immer intellektuellere wissenschaftliche Tätigkeit.
Folglich kann diese Produktion sich nicht mit einer äußeren Verbindung zur Wissenschaft
zufrieden geben, für ihre erfolgreiche Entwicklung ist eine organische Fusion von Wissenschaft
und Produktion nötig. In der gesellschaftlichen Kultur wurde eine solche Atmosphäre
geschaffen, dass sowohl die Produktion sich nicht erfolgreich ohne organische Verbindung mit
der Wissenschaft entwickeln kann, als auch die Wissenschaft sich nicht dynamisch entwickelt
ohne moderne Produktion. Die wissenschaftlichen Produktionsvereinigungen in der Gegenwart
sind ein Gebot der Zeit. Je schneller, richtiger und durchdachter solche Vereinigungen
geschaffen werden, desto mehr Erfolg werden Praxis und Wissenschaft haben.
In allen fortschrittlichen kapitalistischen Ländern hat dieser Prozess das nötige Tempo erreicht.
In unserem Land gab es eine unzulässige Verlangsamung und deshalb besteht die Aufgabe darin,
diesen Prozess zu beschleunigen, das Versäumte aufzuholen.
Um die dialektische Vereinigung der Wissenschaft mit der Produktion zu beschleunigen, muss es
genaue Vorstellungen von den inneren Wechselbeziehungen der fundamentalen und
angewandten, akademischen und Zweigwissenschaften geben. Wenn die akademische
Wissenschaft das ununterbrochene Wachstum fundamentaler Entwicklungen, eines Arsenals
wissenschaftlicher Ideen und Erarbeitungen sichert, so trägt die Zweigwissenschaft volle
Verantwortung für das wissenschaftlich-technische Niveau des Zweiges. Der Betriebssektor der
Wissenschaft, der der Produktion am nächsten steht, ist mit ihm organisch verbunden und, wie
die Praxis zeigt, sichert er eine bedeutende Verkürzung der Entwicklungsfristen und die
Produktion neuer Technik. Die Organisationslogik der wissenschaftlichen Tätigkeit ordnet sich
der Dialektik des Allgemeinen, Besonderen und Einmaligen unter.
Die Analyse der modernen Wissenschaftspraxis zeugt davon, dass sich die interdisziplinären
wissenschaftlich-technischen Komplexe auf dem richtigen Weg zum wissenschaftlichtechnischen Fortschritt befinden und eine effektive Form der Vereinigung von Wissenschaft und
Produktion sind.
Es ist offensichtlich, dass die Veränderung des Begriffes Wissenschaft, die Synthese von Wissen
und Tätigkeit, Wissenschaft und Produktion unter den Bedingungen der WTR immer deutlicher
wird. Die Formierung solcher neuen fortschrittlichen Organisationsformen, wie
wissenschaftliche Produktionsvereinigungen und wissenschaftlich-technische Komplexe zeugen
ebenfalls davon, dass die organische Synthese der Wissenschaft (Naturwissenschaft) und der
Produktion ein dringendes Gebot der Zeit ist.
____________________________________________________________
1
2
Lenin W.I. Gesammelte Werke Bd.49. S.329
Needham J. Science and civilization in China, L. 1954-1975. Bd. 1-5;
Needham J. Mathematics and Sciences in China and the West // Sience and
Society. New York, 1956. Bd. 20. Nr. 4, S. 320-343; Chinese science:
Explorations of an ancient tradition, Cambridge (Mass.) L., 1973, S.334. Siehe
539
ebenfalls in:
Rozhanskij I.D. Die antike Wissenschaft. Moskau, 1980; Gaidenko P.P.,Smirnow
G.A. Die westeuropäische Wissenschaft in der Jahrhundertmitte. Moskau, 1989.
3 In der sowjetischen Literatur siehe eine Analyse dieser Richtungen in:
Mikulinski, S.R. Der gegenwärtige Zustand und theoretische Probleme der
Geschichte der Naturwissenschaft als Wissenschaft // Fragen der Philosophie.
1976. Nr.6; Makarowa L.A. Wissenschaft, Geschichte und Historiographie des
19. und 20. Jh. Moskau, 1987; Motroschilowa, N.W. Wissenschaft und
Wissenschaftler im modernen Kapitalismus. Moskau, 1976; Petrow W.W.
Besonderheiten der Entwicklung des soziologischen Aspekts in der modernen
Bürgerlichen Philosophie // Methodologische Probleme der Wissenschaft.
Nowosibirsk, 1973; Kosarewa L.M. Der Gegenstand der Wissenschaft:
Der sozial-philosophische Aspekt des Problems. Moskau, 1977;
Mamtschur E.A. Die soziale Determinierung der wissenschaftlichen Erkenntnis
// Fragen der Philosophie.1987 Nr.7.
4 Darüber siehe ausführlicher: Abdildin Zh.M. Die Dialektik Kants. Alma-Ata, 1974
5 Über die Geschichtlichkeit der Funktion der Philosophie, ihre Wechselbeziehung mit der
Naturwissenschaft siehe: Abdildin Zh.M. Die Geschichtlichkeit der Funktion der Philosophie //
Weltanschauliche Inhalte der Kategorien und Gesetze der materialistischen Dialektik. Kiew,
1981. Darüber siehe ebenfalls: Die Geschichtlichkeit der Wechselbeziehungen von Philosophie
und Naturwissenschaft // Die Dialektik in den Wissenschaften von Natur und Mensch: Die
Dialektik der Weltanschauung und Methodologie der modernen Naturwissenschaft. Moskau,
1983.
Die Abnabelung von der philosophischen Theorie der Einzelwissenschaften hatte zwei wichtige
Folgen: einerseits verselbständigten sich die Einzelwissenschaften, andererseits wurde die neue
Funktion der Philosophie deutlich neu bestimmt. Wenn früher die Philosophie als Gesamtwissen
auftrat, so schuf sie in der Neuzeit ein verallgemeinertes Weltbild. Eine solche Philosophiethese
war bedingt durch die gesellschaftlich-historische Praxis, durch die neue Arbeitsteilung und die
objektive Philosophiethese im System der sich entwickelnden Wissenschaften.
Aber nach den Gesetzen der Dialektik bleibt nichts an einer Stelle stehen. Alle Erscheinungen
der Natur, der Gesellschaft und des Denkens entwickeln sich ständig, gehen von einem Zustand
in den anderen über. „...Alle Gesellschaftsordnungen“, schrieb Engels, „die im Laufe der
Geschichte einander abwechselten, sind nur Übergangsstufen einer endlosen Entwicklung der
menschlichen Gesellschaft von der niedrigsten Stufe zur höchsten“. // Marx K., Engels F.
Ausgewählte Werke. Bd. 2. Moskau, 1953. S.343.
Im Prozess der gesellschaftlichen Entwicklung wurden Widersprüche und Fehler der
bürgerlichen Produktionsweise, der kapitalistischen Arbeitsteilung entdeckt. Dabei vollzogen
sich ebenfalls tiefgründige Veränderungen in der geistigen Kultur, in der Wissenschaft und in
ihrer Wechselbeziehung zueinander.
Marx und Engels sahen nicht nur die Widersprüche, die neuen Prozesse, die sowohl in der
Entwicklung der Produktion, der gesellschaftlichen Beziehungen, als auch in der Arbeitsteilung
und in der Entwicklung der Wissenschaft vor sich gingen, sie untersuchten sie theoretisch,
entdeckten jene Haupttriebkräfte, die im Endeffekt diese Veränderungen hervorbrachten und
bedingten. Dabei verallgemeinerten sie nicht einfach das vorhandene Sein, den gegenwärtigen
Zustand der gesellschaftlich-historischen Entwicklung, sondern sahen tiefgründig die Tendenzen
und die allgemeine Richtung des Geschichtsprozesses voraus.
Marx und Engels analysierten die sozialen Prozesse, die sich in den grundlegenden
Widersprüchen der bürgerlichen Ordnung, in den Überproduktionskrisen, in den revolutionären
Auftritten des Proletariats äußerten, ebenso in der Entwicklung der Wissenschaft, in erster Linie
in drei großen Entdeckungen, und kamen zur Schlussfolgerung, dass die bürgerliche
Produktionsweise, die Arbeitsteilung und die ganze vorangegangen Philosophie und ihre
540
Wechselbeziehung mit der Wissenschaft, die durch diese Wirklichkeit bedingt war, endlich sein
müssen.
In ihren theoretischen Forschungen verteidigten Marx und Engels sehr entschlossen diesen
Gedanken, begründeten das unaufhaltsame Ende der alten Philosophie, Ontologie,
Naturphilosophie. Engels schrieb: „Jetzt aber brauchen wir nur vom Standpunkt der Dialektik
einen Blick auf die Ergebnisse der Natur zu werfen , d.h. ihre Verbindung zu sehen, um ein für
unsere Zeit befriedigendes „Natursystem“ zusammenzustellen, und wenn das dialektische
Bewusstsein von dieser Verbindung sogar in die metaphysischen Köpfe der Naturwissenschaftler
entgegen ihrem Willen eindringt – da ist das Ende der Naturphilosophie gekommen. Jeglicher
Versuch, sie wieder auferstehen zu lassen, wäre nicht nur umsonst, sondern sogar ein Schritt
zurück“ // Marx K. Engels F. Ausgewählte Werke Bd. 2. Moskau, 1952.S. 370.
6 Er schrieb folgendes: „Wenn alle Bedingungen irgendeiner Sache offen auf der
Hand liegen, beginnt sie zu existieren“. Und weiter: „Sich mit den Bedingungen
vereinigend, gewinnt die Grundlage äußere Direktheit und das Moment des
Seins.“// Hegel. Die Wissenschaft der Logik. Moskau, 1971. Bd.2. S.108-109.
7 „Die Bourgeoisie schuf in weniger als 100 Jahren ihrer Klassenherrschaft viel
zahlreichere und viel grandiosere Produktivkräfte, als alle vorangegangenen
Generationen zusammengenommen. Die Eroberung der Naturkräfte, die
Maschinenproduktion, die Anwendung der Chemie in Industrie und
Landwirtschaft, Schifffahrt, Eisenbahnen, der elektrische Telegraf, die
landwirtschaftliche Nutzung ganzer Erdteile, die Anpassung der Flüsse für die
Schifffahrt, riesige, buchstäblich aus dem Untergrund kommende
Menschenmassen, welches der vorangegangenen Jahrhunderte hätte ahnen
können, dass solche Produktivkräfte im Schoß der gesellschaftlichen Arbeit
schlummern.“// Marx K., Engels F. Aufsätze. Bd.4.S.429.
8 Marx K., Engels F. Aufsätze.Bd.23.S.69 „Die Gleichheit und Gleichwertigkeit
aller Arbeitsarten, sofern sie überhaupt menschliche Arbeit sind“, schrieb Marx, „dieses
Geheimnis des Wertausdrucks kann nur dann gelüftet werden, wenn die Idee der menschlichen
Gleichheit bereits die Festigkeit eines Volksvorurteils erreicht hat“// Ebenda. S. 69
9 Zitat nach: Iljin W.W., Kalinkin A.T. Die Natur der Wissenschaft. Moskau, 1985.
10 Galilei, G. Ausgewählte Werke. Moskau, 1964. Bd.1. S.507
11 Iljin W.W., Kalinkin A.T. Die Natur der Wissenschaft. S.53.
12 Ebenda. S. 56
13 Dialektische Logik. Alma-Ata, 1986, Bd.1. S.176
14 „Der Wert verwandelt jedes Arbeitsprodukt in eine gesellschaftliche Hieroglyphe. In der
Folge bemühen sich die Menschen, den Sinn dieser Hieroglyphe zu enträtseln, in das Geheimnis
ihres eigenen gesellschaftlichen Produktes einzudringen, weil die Festlegung des Gebrauchs als
Wert ein gesellschaftliches Produkt der Menschen ist, nicht weniger, als zum Beispiel die
Sprache. Die späte wissenschaftliche Entdeckung, dass die Produkte der Arbeit (sofern sie einen
Wert darstellen) nur ein dinglicher Ausdruck der menschlichen Arbeit sind, der für ihre
Produktion ausgegeben wurde, eröffnet eine neue Epoche in der Geschichte der
Menschheitsentwicklung, aber zerstreut überhaupt nicht die dingliche Sicht des
gesellschaftlichen Charakters der Arbeit“.// Marx K., Engels F. Bd. 23.S.84
15 Stepanow W. Geschichte des großen Gesetzes, Moskau, 1952. S.193
16 Marx K., Engels F. Aufsätze Bd. 21. S. 284
17 Ebenda Bd. 24.S.20
18 Ebenda Bd. 20.S.348
19 Ebenda Bd. 39.S.174
20 Ebenda Bd. 20. S. 345-346
21 Ebenda. S. 346
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