ÜBERSICHT ÜBER DIE KLASSISCHEN

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ÜBERSICHT ÜBER DIE KLASSISCHEN PSYCHOTHERAPIEMETHODEN
(Zur Facharztweiterbildung von ÄrztInnen und PsychotherapiepatientInnen)
PSYCHOANALYSE (Sigmund Freud 1856-1939)
Geschichte: FREUD entwickelte nach der Behandlung der Anna O. durch Dr. Joseph
Breuer ab 1896 die Psychoanalyse. 1899 Traumdeutung, 1905 Thesen zur kindlichen
Sexualentwicklung, 1914 Widerstand und Übertragung, 1923 Instanzenmodell (ES, ICH,
ÜBER-ICH).
Theorie: Freudsche Metapsychologie: unbewusste Triebkonflikte, psychischer
Apparat - topisch: Bewusst - Vorbewusst - Unbewusst; strukturell: ES - ICH - ÜBER-ICH;
dynamisch: Libido (sexuelle Energie)
Therapie: Analytische Situation, "gleichschwebende Aufmerksamkeit" (1912),
"natürlicher Auftrieb des Unbewussten" (1938). 4-6 h/Woche für 2-4 Jahre, 150-200 h,
maximal 300 h (Standardverfahren). Freie Assoziation (Grundregel): Alles sagen, was
aufsteigt. Bewusstmachungsprozess durch Deutungen und Trauminterpretationen.
Widerstandsanalyse zur Aufhebung der Verdrängung. Übertragungsanalyse: Analyse der
Übertragungsneurose (Wiederholung frühkindlicher Beziehungsmuster am Therapeuten).
Der Therapeut ist "Ankleidepuppe der Übertragung" (KRIS 1942). Abstinenzhaltung:
analytische Kur in der Versagung, keine Erwiderung der Übertragungsliebe.
Wiederbelebung der Konflikte durch Regression (Schwächung des ICH). Keine Ratschläge, keine Hilfen, keine Fürsorge! Sorgfältige Kontrolle der Gegenübertragung
(antwortende Gefühle des Therapeuten), Spiegelhaltung.
Ziele: Strukturänderung, nicht nur Symptomheilung. Mehr Liebes- und
Arbeitsfähigkeit. HEIGL: Eine korrigierende emotionale Erfahrung, die über eine
Neuorganisation von Persönlichkeitsanteilen zur Aufhebung pathogener Konflikte führt.
ANALYTISCHE KURZPSYCHOTHERAPIE
(tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Fokaltherapie)
Geschichte: Aktivierung der Analyse und Begrenzung der Stundenzahl durch Wilhelm
STEKL (1911), Sandor FERENCZI (1929), Franz ALEXANDER und T. FRENCH (1946),
D.H. MALAN (1965), Michael BALINT (1973), Annemarie DÜHRSSEN (1972), Dieter
BECK (1974).
Theorie: Freudsche Metapsychologie, Begrenzung des Therapiezieles, Kontrolle der
Regression, Konzentrierung des therapeutischen Prozesses, Fokaltherapie (Therapie des
Hauptkonfliktes).
Therapie: Face-to-face im Sitzen. 50 - 70 Einzel- oder Gruppensitzungen. Therapeut
ist aktiver, weniger Regression, Konzentration des therapeutischen Prozesses.
INDIVIDUALPSYCHOLOGIE (A. ADLER 1870-1937)
Geschichte: Alfred ADLER, zweites von sechs Kindern eines jüdischen Getreidehändlers
wurde in Wien geboren. 1888 Abitur, 1895 Promotion zum Dr. med., 1897 heiratet er die
russische Kaufmannstochter und Kommilitonin Raissa Timofejewna Epstein. 1898
"Gesundheitsbuch für das Schneidergewerbe". 1899 Allgemeinpraxis in einem Wiener
Armenviertel, arbeitet als Augenarzt, Internist, Neurologe. Ab 1902 Gründungsmitglied
von FREUD’s „psychologischen Mittwochsgesellschaften“. 1904 "Der Arzt als Erzieher".
1907 "Studie über die Minderwertigkeit von Organen". 1908 "Der Aggressionstrieb im
Leben und in der Neurose". 1910 Präsident der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung
und Schriftleiter des "Zentralblatts". 1911 "Zur Kritik der Freudschen Sexualtheorie des
Seelenlebens": Bruch mit FREUD und Gründung einer "Gesellschaft für freie
Psychoanalyse" (später: "... für Individualpsychologie"). 1912 "Über den nervösen
Charakter".1914 Ablehnung einer Privatdozentur (Schriften sind weitgehend "Produkte der
Phantasie"). 1916-1918 Militärarzt. 1922 I. Internationaler Kongress für Individualpsychologie in München. 1924 Professor am pädagogischen Institut der Stadt
Wien. 1926 "Handbuch der Individualpsychologie. 1927 "Menschenkenntnis". 1929
Gastprofessur an der Columbia Universität New York, 1932 Lehrstuhl für klinische
Psychologie am Long Island Medical College, 1934 Umzug nach New York. 1932 gibt es
insgesamt 33 individualpsychologische Vereinigungen in 16 Ländern. 1933 "Der Sinn des
Lebens". Tod 1937 in Aberdeen auf einer Vortragsreise. Alexandra (*1901) und Kurt Adler
(*1905) führen sein Werk in New York fort.
Theorie: frühkindliches Minderwertigkeitsgefühl entsteht durch Organminderwertigkeit
und Elternverhalten, führt zu kompensatorischem Macht- und Geltungsstreben. Die
Persönlichkeit ist eine zielgerichtete Einheit. Mangel an sozialen Interessen führt zur
Neurose. Symptome haben Sinn und Zweck. Erziehung als Krankheitsvorbeugung durch
Gemeinschaftsgefühl und Mitmenschlichkeit.
Therapie: Im Gegensatz zur Freudschen Analyse Therapie im Sitzen. Der Therapeut
ist verständnisvoller, psychologisch geschulter Freund, psychagogisch-pädagogische
Ermutigung zu unabhängigem, selbständigem Denken. Erarbeitung von Lebensplan,
Leitlinie, Zentralmotiv (z.B. Flucht in die Krankheit, weibliche Dominanz, neurotische
Arrangements, Stellung in der Geschwisterreihe: Ältester als konservativer Kronprinz,
Jüngster als musisch begabter Hochstapler, das "Weltkind in der Mitten").
Ziele: Psychische Gesundheit durch entwickeltes Gemeinschaftsgefühl (Leben ist
Überwindung). Güte und Großherzigkeit ist dem Menschen angeboren, Erziehungs- und
Kulturschäden führen zu Krankheit und Kriminalität. Sozialistischer Humanismus.
ANALYTISCHE PSYCHOLOGIE (C.G. Jung 1875-1961)
Geschichte: Carl Gustav JUNG wird im Schweizer Kanton Thurgau am Bodensee als
Pastorensohn in eine Pastorenfamilie (2 Pastoren väterlicherseits, 6 Pastoren
mütterlicherseits!) hineingeboren. 1895-1900 studiert er Naturwissenschaften, dann
Medizin in Basel. 1900 Assistent in der Kantonalen Irrenanstalt und psychiatrischen Klinik
"Burghölzli" unter Prof. Eugen BLEULER. 1902 Dissertation "Zur Psychologie und
Pathologie sogenannter occulter Phänomene" (1885-1899 spiritistische Séancen mit
seiner Kusine Helene Preiswerk als Medium: die ausgeglichene "Ivenes" in der Trance ist
für ihn die im Unbewussten entstehende erwachsene Persönlichkeit). WS 1902/1903 bei
Pierre JANET an der Salpétrière in Paris. 1903 Heirat mit der Schaffhauser
Industriellentochter Emma Rauschenbach (fünf Kinder 1904-1914). 1905-1909 Oberarzt
am Burghölzli. 1905-1913 Priv.-Doz. an der Universität Zürich. 1907 erste Begegnung mit
dem 51jähr. FREUD in Wien. 1909 erfährt FREUD von der Beziehung zu Sabina Spielrein
seit 1905 (Briefe 1977 gefunden). 1911-1914 erster Präsident der Internationalen
Psychoanalytischen Vereinigung und "Kronprinz" FREUD’s. 1912 "Wandlungen und
Symbole der Libido": JUNG amplifiziert zu den Halluzinationen einer anonymen
amerikanischen Schizophrenen (Miss Miller) mythologische Wurzeln. Dez. 1912
"Geheimbrief", 1913 Bruch mit FREUD ("Der Rest ist Schweigen"), Aufgabe der
Lehrtätigkeit. 1914 Vorlesungen am Bedford College in London und in Aberdeen. 1916
"Die transzendente Funktion": Erste Beschreibung der aktiven Imagination (Malen aus
dem Unbewussten, Schreiben, meditative, dialogische lebendige Beziehung zu
archetypischen Bildern des Traumes). 1916 "Die Struktur des Unbewussten": persönliches und kollektives Unbewusstes, Anima, Animus, Selbst, Individuation. 1918-1926
Studium der Gnostiker. 1921 "Psychologische Typen": Die Weltsicht wird von Extraversion
und Introversion bestimmt. 4 Grundfunktionen der bewussten Psyche: rational - Denken
und Fühlen, irrational - Empfinden und Intuieren. 1923-1955 eigenhändiger "Turm-Bau" in
Bollingen am oberen Zürichsee. 1923-1930 sinologische und indologische Studien. 19241925 Studium der primitiven Psychologie der Pueblo - Indianer, 1925-1926
Forschungsreisen nach Kenia und Uganda. 1928 "Über die Energetik der Seele": die
Psyche ist ein (physikalisch) selbstregulierendes System mit den Archetypen als
Kraftzentren und dem Ich als Bindeglied zwischen innen und außen. Die Archetypen
verbinden mit dem kollektiven Unbewussten. Studium der Alchemie. 1930 Vizepräsident
der Deutschen AÄGP unter Kretschmer. 1932 "Die Beziehungen der Psychotherapie zur
Seelsorge". 1933 -1939 Präsident der Internationalen Gesellschaft für Psychotherapie.
Vorlesungen an der ETH Zürich über "Moderne Psychologie". 1933-1952 Vorträge bei den
Eranos-Tagungen in Ascona. 1934-1939 englische Seminare über Nietzsches
"Zarathustra" im Psychologischen Club Zürich. 1935 Titularprofessor an der ETH Zürich.
1936 Ehrendoktorat der Harvard University. 1937 Ehrendoktorate der Universitäten
Kalkutta, Allahabad, Benares, Oxford. 1939 Ehrenmitglied der Royal Society of Medicine,
London. "Sigmund Freud. Ein Nachruf". 1940 "Psychologie und Religion": Archetypen
sind der Uranfang religiösen Erlebens, haben die Qualität des Numinosen. Der Mensch ist
von Natur aus religiös, Religion ist unstreitig eine der frühesten und allgemeinsten
Äußerungen der menschlichen Seele. Christus ist ein Symbol des Selbst und Herr des
Äons der Fische (Aion 1951). 1944 "Psychologie und Alchemie", "Der Weg zum Selbst".
Ordinarius für Psychologie in Basel, Unfall und Herzinfarkt, Aufgabe der Vorlesungen und
der ärztlichen Tätigkeit. 1948 Gründung des C.G. JUNG-Institutes in Zürich. 1952
Umarbeitungen, "Antwort auf Hiob": tragische Gegensätzlichkeit - Gott kann nicht gegen
Gott helfen. Er schuf Gutes und Böses, Welt und Sünde und erleidet in Christus das
menschliche Schicksal. Erneute schwere Erkrankung. 1957-1961 "Erinnerungen, Träume,
Gedanken" (1962 erschienen) mit seiner Privatsekretärin und Biographin Aniela Jaffé.
1961 "Zugang zum Unbewussten".
Theorie: Das Unbewusste ist schöpferische Quelle des Bewussten. Entdeckung der
Komplexe ("gefühlsbetonte Vorstellungsgruppen im Unbewussten") ab 1903 über das
Assoziations-Experiment. Archetypen sind den Instinkten entgegengesetzt und Mittler
zwischen individuellem und kollektivem Unbewussten, Psyche und Geist (z.B. wie bei
elektromagnetischen Wellen: ultravioletter Bereich des Sichtbaren). Sie sind bipolar - wie
magna mater, Ausfahrt, Verwandlung). Persönliche Mythen (z.B. der Schizophrenen) aus
dem kollektiven Unbewussten. Mythologische Ursituationen zeigen sich in geträumten
Symbolen.
Therapie: Therapeut ist kenntnisreicher Seelenführer. Traumanalyse auf der
Subjektstufe (H. Silberer: Traumbilder sind symbolische Selbstdarstellungen),
Anreicherung (Amplifikation), wenn die Assoziation ausbleibt. Tiefe Wesensschau,
Individuation ("Werde der du bist!"), Befreiung von der persona (Ich-Hülle, Maske,
Kompromiss), Assimilation von Schatten, Anima (dem Weiblichen im Mann), Animus (dem
Männlichen im Weib). Begegnung mit dem alten Weisen, der großen Mutter.
Ziele: Nicht nur Heilung, sondern Heilsweg durch die Selbstwerdung (Individuation).
NEOPSYCHOANALYSE nach Harald Schultz-Hencke (1892-1953)
Geschichte: 1933 „Kinderseminar“ in Berlin, 1933 Norwegen, 1935 Prag, 1938 Los
Angeles mit E. Simmel. 1940 Der gehemmte Mensch, 1951 Lehrbuch der analytischen
Psychotherapie. Schultz-Hencke gründete am 4.5.1945 mit Dr. W. Kemper das "Institut für
Psychopathologie und Psychotherapie" in Berlin, 1946 "Zentralinstitut für psychogene
Erkrankungen". Nachfolger: Annemarie DÜHRSSEN" (Berlin), Werner SCHWIDDER,
Franz HEIGL (Tiefenbrunn).
Theorie: "Amalgam" aus 2/3 Psychoanalyse (ohne Libidotheorie und
Metapsychologie) sowie 1/3 ADLER und JUNG. Übersichtliche Neurosenlehre: Hemmung
vitaler "kategorialer" Antriebserlebnisse durch die Umwelt: intentional, oral-kaptativ, analretentiv (Besitzstreben), anal-aggressiv, motorisch-aggressiv, urethrale (Geltungsstreben),
zärtliches, erotisches, sexuelles Antriebserleben (Liebesstreben) = "Der gehemmte
Mensch" (1940) Gehemmtheit führt zur Struktur. Das Symptom ist Sprengstück eines
gehemmten Antriebserlebens. Bequemlichkeit, Riesenerwartungen, Überkompensationen.
Therapie: Anfangs Konsultation nach gezielter Anamnese und sorgfältiger Diagnose.
Analyse auf der Couch. Zu Träumen nicht nur Phantasien sondern Realeinfälle.
Erlebende Interpretation statt Deutung, Arbeit mit der aktuellen Lebenssituation, weniger
Genese.
Ziele: Autonomie durch mehr Erlebnisfähigkeit in den Antriebserlebnissen.
VERHALTENSTHERAPIE
Geschichte: Ivan Petrovich PAWLOW (1849 -1936) erhält 1904 den Nobelpreis für verdauungsphysiologische Studien. Er macht die dabei an Hunden entdeckten bedingten
Reflexe zur Grundlage alles Seelischen ("physiologische" objektive Psychologie), studiert
Neurosen und Hypnose an Tieren. Hysterie und Schizophrenie sind für ihn chronische
Hypnose. Brom, Ruhe und Kastration heilen. Ab 1913 in den USA Behaviorismus (J.B.
WATSON, THORNDIKE): Exakte, objektive Erfassung zentralnervöser Funktionen an
Versuchstieren erklärt das soziale Verhalten des Menschen. 1920 Konditionierung und
Löschung einer experimentellen Neurose (Phobie) bei little Albert Watson. 1938
operantes Konditionieren (Lernen am Erfolg) durch Burrhus Frederic SKINNER (19041990, ab 1948 Harvard-Prof.) in der Skinner-Box. Ab 1950 Verhaltenstherapie (Hans
Jürgen EYSENCK [1916 Berlin - 1997 London] am Maudsley-Hospital in London):
Lerntheorie gegen die Psychoanalyse. 1963 Lernen am Modell, Modellernen (A.
BANDURA, R.H. WALTERS). Seit 1970 "kognitive Wende" durch Logotherapie (V.
FRANKL), Rational emotive Therapie (RET nach Albert ELLIS), kognitive Therapie (A.T.
BECK): Umstrukturierung inneren, verdeckten Verhaltens (Kognitionen = Gedanken,
Gefühle, Erinnerungen, Einstellungen). LAZARUS 1961: homogene VT-Gruppen.
Theorie: Neurotisches (psychotisches) Verhalten ist abnormes, gelerntes Verhalten
durch 1. klassisches Konditionieren (Signallernen), 2. operantes Konditionieren (Lernen
am Erfolg), 3. Modellernen. Funktionale Verhaltensgleichung: S-O-R-K-C (S =
Stimulus/Reiz, O = Organismus, R = Reaktion/Verhalten, K= Kontingenz, C = Consequenz
[Verstärkung]). UCS (unkonditionierter Stimulus)=UCR (Reaktion). CS=CR.
Therapie: Gründliche Verhaltensanalyse, stringente Symptomtheorie. Symptom- und
problemorientierte Therapietechniken: klassisches Konditionieren (Lernen bedingter
Reflexe), operante Konditionierung (Lernen am Erfolg durch belohnende Verstärker).
Beseitigungstechniken: systematische Desensibilisierung (Joseph WOLPE [1915-97]
1958 PM, Hypnose, Imagination), Reizkonfrontation (Implosion - Reizüberflutung,
Flooding, Exposition, Angst-Management). Aneignungstechniken: Operante
Verstärkung, Münzverstärkung/Token-Programme. Selbstkontrolltechniken (z.B.
Gedankenstop). Kognitive Therapietechniken: Kognitive Umstrukturierung, verdeckte
Konditionierung, Gedanken, paradoxe Intention, Symptomverschreibung/negative Praxis,
therapeutische Doppelbindung.
Ziele: Änderung symptomatischen Verhaltens, Verhaltensabbau bei überschüssigem
Verhalten, Verhaltensaufbau bei Verhaltensdefiziten, keine (direkte) Persönlichkeitsänderung.
Dr. med. W. Scherf, Nieders. LKH Hildesheim, 2. Februar 2003
6: 3´90.
8: 2´90
F’au: 11´95, 98
FDS: 9´95, 96, 97, 98
7: 1´90, 1´93, 2´94, 10´95, 8´00, 3´90,
WTB: 1´02
9: 1´03
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