1 Antrag InA 3 2 3 Antragsteller: Landesvorstand 4 5 Schuldenbremse darf keine Hessenbremse werden. 6 Der Landesparteitag möge beschließen: 7 8 9 1. Die SPD bekennt sich zu einem handlungsfähigen sozialen, solidarischen und demokratischen Staat, der die zunehmende Spaltung unserer 10 Gesellschaft, in der Reiche immer reicher und Arme, Mittelstand und 11 öffentliche Haushalte immer ärmer werden, überwindet. Dafür brauchen wir 12 ein gerechtes Steuersystem, 13 in dem starke Schultern mehr tragen als Schwache, 14 das 15 Zukunftsinvestitionen in gute Bildung, Forschung und Infrastruktur ermöglicht, 16 das sozialen Ausgleich und Teilhabe gewährleistet und 17 das in solidarischen Sozialsystemen Generationsgerechtigkeit und 18 gesellschaftliche Solidarität sichert. 19 20 21 2. Der Staat hat in modernen Volkswirtschaften eine eigenständige Rolle zur 22 Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung. Mit Investitionen in Bildung und 23 Infrastruktur trägt er zum Wachstum bei. In der modernen 24 Bürgergesellschaft stellt er zentrale Dienstleistungen zur Verfügung. Er trägt 25 auch konjunkturpolitisch Verantwortung. Er muss handeln, um 26 Wirtschaftskrisen abzuschwächen bzw. überwinden zu können. In diesem 27 Zusammenhang ist Verschuldung nicht nur akzeptabel, sondern 28 volkswirtschaftlich geboten. 29 30 Dauerhafte Verschuldung ist keine Problemlösung. Im Gegenteil stellt 31 dauerhafte Verschuldung eine Form der Umverteilungspolitik dar, bei der 32 Banken, private Vorsorgeinstitute und Inhaber von Staatsanleihen die 33 Zinsen erhalten, die der Steuerzahler zur Aufrechterhaltung des 34 Gemeinwohls zahlt. 35 36 Langfristig ausgeglichene Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden 37 sind 38 Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten. eine Voraussetzung, um die mittel- und langfristige 39 40 41 3. Die SPD Hessen sieht durch die Einführung der Schuldenbremse auf 42 Bundesebene in Verbindung mit einer unsozialen Verteilungs- und 43 Steuersenkungspolitik 44 Denjenigen, die eine Schuldenbremse zur Legitimation für die Handlungsfähigkeit der Länder gefährdet. 45 46 Sozial- und Bildungsabbau, 47 für Privatisierungen und Entdemokratisierung, 48 für Lohndumping im öffentlichen Dienst, 49 für eine Senkung der Staatsquote und Verantwortungslosigkeit der 50 Politik 51 missbrauchen, treten wir auf allen politischen Ebenen entschieden 52 entgegen. 53 54 4. Die mittel- und langfristige Handlungsfähigkeit kann nur durch die 55 Herstellung einer Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben erreicht 56 werden. Dieser Aufgabe haben sich jahrzehntelang Politik und Wirtschaft 57 entzogen. Dieser Herausforderung stellen wir uns und benennen auch erste 58 Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles: Wir fordern die Erhöhung des 59 Spitzensteuersatzes 60 Steuersystem, 61 Einführung einer Finanztransaktionssteuer. die zur Herstellung Wiedereinführung von der Leistungsgerechtigkeit Vermögenssteuer und im die 62 63 5. Der Versuch der schwarz/gelben Landesregierung, mit der Schuldenbremse 64 ihre Ideologie in der Verfassung zu verankern, ist gescheitert. Hätten CDU 65 und FDP sich durchgesetzt, dann hätte diese Politik sich in einer 66 Volksabstimmung durchsetzen können. Mit dem Vorschlag für eine 2 67 Neuformulierung der 68 Begründung 69 Einnahmeverantwortung 70 festgeschrieben. zum Landesverfassung Bildungsvon und Landtag ist eine Sozialabbau und verfassungsmäßige entfallen. Landesregierung Die wurden 71 72 73 74 6. Die SPD Hessen begrüßt das Verhandlungsergebnis der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, das a. verhindert hat, dass über das Trojanische Pferd Schuldenbremse 75 marktradikale 76 erhalten, Staatsvorstellungen in Hessen Verfassungsrang 77 b. bisher einmalig eine Einnahmeverantwortung sowohl für den Landtag 78 als auch für die Landesregierung in der Verfassung verankert wird, 79 c. die Finanzierungsverpflichtungen des Landes gegenüber den Kommunen sichert. 80 81 82 83 84 Begründung: 85 86 Ausgangslage 87 88 89 a) parlamentarisch: 90 91 CDU und FDP sind fest entschlossen, eine Volksabstimmung zur 92 Schuldenbremse zeitgleich mit der Kommunalwahl durchzuführen. 93 Wir haben keine Mehrheit, tragen aber Verantwortung. 94 In Hessen braucht es für eine Verfassungsänderung neben einer 95 einfachen 96 Volksabstimmung. 97 98 Landtagsmehrheit eine Mehrheit in einer Was wir jetzt nicht verändern, werden wir wahrscheinlich überhaupt nicht mehr verändern können. 99 3 100 101 b) rechtlich: 102 103 Die Schuldenbremsenregelung des GG gilt in jedem Fall auch für 104 Hessen. Wir können aber die Ausnahmen regeln (verfassungsrechtlich 105 oder 106 Schuldenverbot gilt. einzelgesetzlich), da sonst das uneingeschränkte 107 Wenn sich die Landtagsmehrheit für den verfassungsrechtlichen Weg 108 entscheidet, kann dies nur durch eine Ablehnung durch die 109 Volksabstimmung aufgehalten werden. 110 111 112 Es ist nicht möglich, einen alternativen Text zur Volksabstimmung zu stellen. Die Klage des Landes Schleswig-Holstein ist beim 113 Bundesverfassungsgericht anhängig. CDU und FDP wollen das 114 Ergebnis leider nicht abwarten, sondern die Schuldenbremse zum 115 Kommunalwahlkampfthema 116 unabhängig von der Grundgesetzregelung die Schuldenbremse in 117 der Hessischen Verfassung verankern. in Hessen machen. Sie wollen 118 119 120 c) politisch: 121 122 Die marktradikalen Parteien und gesellschaftlichen Kräfte wollen die 123 staatliche Handlungsfähigkeit einschränken. Sie setzen die 124 Schuldenbremse als Totschlagargument ein und sind ausschließlich 125 auf die Ausgabeseite fokussiert. 126 Wir wollen einen handlungsfähigen Staat. Dies wird durch die 127 Schuldenbremse nicht grundsätzlich unterlaufen. Es erfordert aber 128 die Ausfinanzierung der Aufgaben. Die Schuldenbremse ist kein 129 Gebot zur Verringerung der Staatsquote. Allerdings verhindert die 130 Schuldenbremse 131 gebotene konjunkturelle Flexibilität. Für uns sind Schulden auch eine 132 unterlassene Einnahmeverantwortung des Staates. Wir meinen, dass des Bundes 4 die aus ökonomischer Klugheit 133 eine verantwortungsvolle Gestaltung der Einnahmen Grundlage dafür 134 ist, dass das Land seine Aufgabenerfüllung wahrnehmen kann. 135 Verbände und Gewerkschaften befürchten weitere Attacken gegen 136 den Sozialstaat durch die Schuldenbremse. Diese Sorge muss vor 137 dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen ernst genommen 138 werden. Aber die 139 und 140 Schuldenbremse möglich. 141 Schuldenbremse die 142 Bildungsausgaben zu senken. Wir hingegen leiten daraus die 143 Forderung ab, unsere Staatsaufgaben und Staatsziele zu definieren 144 und dann für eine gerechte Finanzierung zu sorgen. Dabei müssen 145 die Reichen und die Wirtschaft wieder mehr Verantwortung für das 146 Allgemeinwohl übernehmen. Das ist unsere Konsequenz aus der 147 Schuldenbremse. keine Auseinandersetzung darüber ist eine politische verfassungsrechtliche. Die Sozialabbau Marktliberalen Forderung ableiten, ist auch wollen die aus Sozial- ohne der und 148 CDU und FDP wollten die Schuldenbremse so formulieren, dass sie 149 eine erfolgreiche Volksabstimmung als generelle Zustimmung der 150 Bevölkerung zu einseitigen Einsparungen und Einschnitten auslegen 151 können. Sie wollten damit die hessische Bevölkerung hintergehen. 152 Das haben wir verhindert. Die hessische Schuldenbremse trifft keine 153 Vorentscheidung darüber, wie die Konsolidierung erfolgt. 154 155 156 d) faktische Haushaltslage: 157 158 159 160 161 162 Dramatische Überschuldung des Landeshaushaltes mit 1,8 – 2,3 Mrd. € strukturellem Defizit. Hessen leistet rund 1,5 Mrd. € Zinszahlung in 2011 bei niedrigen Zinsen. Bei Zinssteigerungen explodieren die Zinskosten. Diese Haushaltslage bedeutet eine faktische Schuldenbremse – die 163 Rückführung der Nettoneuverschuldung 164 politische Handlungsspielräume zu erhalten. ist unabdingbar, um 165 Es ist eine illusorische Annahme von Schwarz-Gelb, dass allein durch 166 Wirtschaftswachstum das strukturelle Defizit ausgeglichen werden 5 167 könnte. Ein Prozent Wirtschaftswachstum bringt für Hessen etwa 150 168 Mio. € zusätzliche Mittel im Jahr. 169 170 Unsere Vorschläge 171 172 173 Vier Änderungen wurden von der SPD zur Ausgestaltung der Schuldenbremse 174 vorgeschlagen: 175 176 1. Kommunen schützen 177 2. Staatsziele/Einnahmeverantwortung 178 3. Abbauplan ab 2011 179 4. „Böser-Bund-Regel“ (Ausnahmeregel für den Fall, dass der Bund 180 einseitig die Länder belastet) 181 182 Ergebnis 183 184 185 1. Unsere Forderung zum Schutz der Kommunen wurde in der 186 Formulierung der kommunalen Spitzenverbände vollständig umgesetzt. 187 Das war nicht selbstverständlich, auch wenn CDU und FDP heute so tun. 188 Es war unser Druck, der hier für Bewegung gesorgt hat. 189 190 2. Die Staatsziele mit der Einnahmeverantwortung wurden durch die 191 Formulierung zur Einnahmeverantwortung teilweise umgesetzt. Dies ist 192 einzigartig 193 Verfassung sieht bisher eine Einnahmeverantwortung vor. in einer deutschen Länderverfassung. Keine andere 194 195 196 3. Der Abbauplan ab 2011 wurde teilweise durch die Aufnahme in die Hessische Verfassung umgesetzt. 197 198 4. Die „Böser-Bund-Regelung“ ist gescheitert, weil in der Anhörung von 199 den Sachverständigen erhebliche rechtliche Bedenken geltend gemacht 200 wurden. 6