Inhalt Einleitung 2 1. Teil 1.1 Peter Behrens und die AEG 1.2 Das Automobil als Produkt – Von der Werkstatt zum Autohaus 1.3 Das Automobil als Marke – Das Verschwimmen von Markenbildern und ihr Wiedererstarken 4 6 7 2. Teil 1. Die Marke MINI - Ein emotional geprägtes Profil 1.1 Geschichte des MINI 1.2 Der alte MINI 1.3 Der neue MINI 1.4 Der MINI Showroom 10 10 11 11 13 1. Mercedes-Welt – Das Autohaus der Zukunft 1.1 Das Markenerlebnis 1.2 Das Konzept der Mercedes-Welt 15 15 16 Abschluss 19 Begriffserklärung 21 Quellenverzeichnis 22 Bildnachweis 23 1 Einleitung Die Inszenierung des Produktes – Vom Autosalon zum Mobility-Showroom Das Anpreisen von Produkten war über einen langen Zeitraum ein, wenn nicht der wichtigste Bestandteil jeglicher verkaufsfördernder Maßnahmen. Werbung für Erzeugnisse zu machen hieß vor allem, den Verbraucher über die Existenz eines neuen Produktes zu informieren, es aus der schier unüberblickbaren Angebotsvielfalt des Marktes herauszuheben und den potenziellen Käufer davon zu überzeugen, das der Erwerb mit einem positiven Konsumerlebnis belohnt wird und mitunter gar eine Erhöhung der Lebensqualität bedeutet. Mit dem zunehmenden Wettbewerb und der durch die industrielle Fertigung bedingten Massenproduktion und ihren immer gleicher werdenden Produkten erfuhr auch die Inszenierung des Produktes einen grundlegenden Wandel, durch die Verlagerung vom Produkt- auf das Markenmanagement. Geworben wird immer noch, heute mehr denn je. Jedoch steht immer öfter nicht ein spezielles Erzeugnis im Vordergrund einer Werbeaktion, sondern ein Image, eine Marke, in der sich die „Philosophie“ eines Unternehmens als Ganzes (im Sinne des Corporate Identity) oder als ein werbewirksames Bild (Corporate image) dem Kunden gegenüber wiederspiegeln soll. Naomi Klein formuliert es wie folgt: „Man muss sich die Marke als Kernbedeutung des modernen Konzerns vorstellen und die Werbung nur als eines von vielen Instrumenten, um der Welt diese Kernbedeutung mitzuteilen“ 1. Aufgrund dieser Entwicklung kam der Werbung bald nicht mehr nur die bloße Funktion der Übermittlung von zu meist physischen Informationen über ein Produkt zu, sondern erweiterte den Horizont um die Aufgabe des Aufbaus eines Images, für eine mit einem Markennamen versehene Version eines Produktes. Der Imageaufbau, das Branding, besteht aus einem umfangreichen markenpolitischen Programm, das durch imagebildende Instrumente, neben Sponsoring, Lizenzerteilung auch die Bewerbung und Inszenierung von Produkten umfasst. Anhand der Automobilbranche, in der diese Tendenzen in jüngster Zeit erhebliche Ausmaße annehmen, will diese Ausarbeitung das Augenmerk auf das, für die Inszenierung des Produktes Automobil, enorm wichtige Umfeld lenken und dessen Verhältnisse in Bezug auf das Gesamtsystem des Markenmanagements und dessen ökonomische und soziokulturelle Auswirkungen auf den Konsumalltag hinterfragen. Inszeniert wird ein Produkt, wenn es in ein qualitätsbetonendes Umfeld oder einen Kontext gesetzt wird. Dabei geht dieser weit über den bloßen Ausstellungsort und dessen Gestaltung hinaus. Es schließt ein komplexes System unterschiedlichster Maßnahmen ein. Nicht zuletzt ist Inszenierung auch für Architekten kein unbekannter Begriff und als Mittel zur Wertsteigerung oft zelebriert worden und nicht wenige Male in fragwürdiger Art und Weise. 1 Zitat: N. Klein „NO LOGO“ S.27 2 Die Fragen, denen in dieser Ausarbeitung nunmehr nachgegangen werden sollen, sind: Welche diesbezüglich Entwicklungen der Art und Weise der Inszenierung gab und gibt es in der Automobilindustrie im allgemeinen und im speziellen? Wie stellen sich die Orte der Präsentation und Repräsentation auf die erwähnten komplexen Anforderungen ein und welchen Anteil an dieser Entwicklung hatten und haben Architekten mit ihrem Schaffen? Um einen Einstieg in das Thema und die Beantwortung der Fragen zu finden, beginnen wir mit einem Rückgriff auf Peter Behrens und seine Arbeit für die AEG. Mit der er die Vorstellung verband ein allumfassendes ganzheitliches Konzept, angefangen beim Schriftzug des Logos bis hin zu den Gebäuden, für die Firmenpräsentation von AEG zu entwickeln. Anschließend gibt die Ausarbeitung einen Überblick über die Entwicklung der Autohäuser, wobei anhand zweier aktueller Beispiele die Unterschiedlichkeit als auch die Gemeinsamkeiten der Inszenierung des Produktes Automobil verdeutlicht werden soll. Die Imagewandelkampagne der Marke Mini und die Mercedes-Welt als Autohaus der Zukunft veranschaulichen die Vielseitigkeit und die Ausmaße der Entwicklung und seien zugleich ein Ausblick auf zukünftige. 3 1.Teil 1.1 Peter Behrens und die AEG Als mit der Ausbreitung der Massenproduktion Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts die fabrikgefertigten industriellen Massenerzeugnisse in immer einheitlicher Gestalt auf die Märkte kamen und kaum noch differenzierbare Werte aufwiesen, gab es einen Entwicklungswandel hin zu Produkten, die mit einer Marke versehen wurden. „Der Wettbewerb durch Markenartikel wurde eine Notwendigkeit des Maschinenzeitalters – aufgrund der fabrikmäßig erzeugten Gleichheit musste parallel zur Herstellung des Produktes eine auf dem Image beruhende Verschiedenheit produziert werden“2. Die Entwicklung des Ausstellungsraumes bis hin zu den heutigen Showrooms ist eng mit den Massenproduktionserzeugnissen verbunden und ihrer Vermarktung verbunden. Waren die ersten Vorführräume noch zweckdienlich und wurden betrieben um die Nützlichkeit neuer Produkte zu bewerben und das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, so galt es alsbald dieses Vertrauen zu bestärken und gegenüber der Konkurrenz verschiedener Firmen mit ähnlichen Produkten eine Markenloyalität zu etablieren. Diese Loyalität des Kunden gegenüber einer bestimmten Marke wurde in extra dafür vorgesehenen Ausstellungsräumen, ohne die direkte Aufgabe des Verkaufs, gepflegt. In diesem Zusammenhang ist auch die Arbeit von Peter Behrens für die AEG (von 1907 bis 1914) zu betrachten. Er entwickelte für das Unternehmen ein umfassendes und innovatives Erscheinungsbild. Behrens Konzept für ein durchgängiges Werbeund Verkaufskonzept beruht dabei auf der Idee „...erstens mit der Selbstdarstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit und mit der hausinternen Präsentation des Warenangebots, als einer Firmengeschichte in Fabrikaten, zweitens mit der Werbung um den Kunden im eigenen Verkaufsraum, einem Bühnenraum in der Straße und mit privater Wohnatmosphäre im Inneren und drittens mit der zeichenhaften und direkten Information der Öffentlichkeit durch das Medium der Schrift und Werbegrafik...“3 eine wiedererkennbare Firmenidentität aufzubauen. Massenerzeugnisse, im Falle von AEG Haushaltsartikel, werden in einer neuen Art und Weise präsentiert. Die Verknüpfung von wirtschaftlichen und ästhetischen Bedürfnissen wird erstmals in einem Gesamtkonzept erprobt und gleichzeitig architektonisch umgesetzt. Bei dem Konzept der Berliner Ausstellungsräume und Läden der AEG ging es Behrens um den Entwurf und die Gestaltung von Schaufenstern und die Positionierung der Produkte. Der Auftritt des Produktes wird durch Behrens neuartig in Szene gesetzt. Dabei finden Materialien wie Marmor, Leder, Holz besondere Verwendung. Diese Art der Präsentation von Küchengeräten verbunden mit einem eleganten Flair soll dem Kunden vermitteln, er könnte diese Atmosphäre durch den Kauf der Produkte einfach nach Hause übertragen. Der Verkaufs- oder Ausstellungsraum soll lediglich den Rahmen für die industriellen Erzeugnisse bilden, daher verzichtet Behrens auf jegliches Ornament. Ein klares, schlichtes Design bestimmt die Ausstattung der Räume. Kombiniert wird das Produkt- und Bauwerksdesign mit einer einheitlichen Firmengrafik, die den 2 3 Zitat: N. Klein „NO LOGO“ S.28 Zitat: T. Buddensieg „Industriekultur“ S.167 4 Namenszug und das Logo im besonderen betrafen. Die Wiedererkennung durch Zeichen, Worte und Symbole erlagen dadurch eine herausragende Rolle, so zum Beispiel wird die vereinfachte Darstellung eines Ausstellungspavillons, dem ersten Behrensbau für die AEG, zum Grundelement des Logos. Im allgemeinen ging es darum, den „...Kontakt mit dem Straßenkunden in unverwechselbarem Firmenstil aufzunehmen, unbeeinflusst vom zufälligen Geschmack des Einzelhändlers...in einem von der Firma durch Behrens ästhetisch festgelegten und auf die Waren bezogenen Rahmen“4. Abbildung 1 - Behrens Pavillon für AEG Abbildung 2 – Prospektmaterial mit Logo Ein weiteres entfernteres Beispiel für die Beteiligung eines Architekten an der Entwicklung eines bestimmten Firmenimages ist Albert Kahn, der für Ford tätig war. Jedoch war Kahn „nur“ Firmenarchitekt und er entwarf Produktionsstätten, Ausstellungsgebäude und -räume. Von ihm ging aber keine gesamtheitliche Konzeptionierung für das Erscheinungsbild der Automobilmarke aus. 4 Zitat: T. Buddensieg „Industriekultur“ S.175 5 1.2 Das Automobil als Produkt – Von der Werkstatt zum Autohaus Die zunehmende Motorisierung der Bevölkerung, die mit dem Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzte, führt zu einem steigendem Bedürfnis nach mechanischer Reparatur und Pflege für die kostbaren Automobile. Eine einfache Darstellung zeigt, welchen Zuwachs an Kraftfahrzeugen (KfZ) es von 1907 an gab: Jahr 1907 1937 (1967 1977 1990 Anzahl der KfZ Im Reichsgebiet: 27.026 KfZ 1 Million KfZ BRD: 10 Millionen KfZ 20 Millionen KfZ 30 Millionen KfZ) Abbildung 3 Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es Werkstätten für Kutschen, die die Reparatur und Wartung bei gebrochenen Achsen, Rädern, Aufbauten usw. übernahmen. Des weiteren zählen auch die Handwerksbetriebe im Schmiede- und Schlossereibereich zu den Ureinrichtungen bzw. Vorläufern der Automobilwerkstätten und Autohäusern. Die Handwerker warteten und verkauften u.a. aber auch Nähmaschinen, Fahrräder und Produkte aus der metallverarbeitenden Industrie und boten Benzin, Öl und Fett für die Autos, Maschinen und Geräte an. Ein solcher Betrieb Anfang des 20. Jahrhunderts erledigte die Annahme und Diagnose des reparaturbedürftigen Autos im Hof ohne große Formalitäten. Oft war diesem Hof ein kleines Ersatzteillager angegliedert und die Bezahlung erfolgte in der Wohnstube. Im Idealfall gab es auch noch eine Tankstelle auf der Strasse. Jedoch hatten diese Betriebe keinerlei Schaufenster oder große Ausstellungsflächen. Im Einzelfall konnten ein oder mehrere Autos im Bereich der Werkstatt besichtigt werden. Jedoch war die Ausstellung und Verkauf der Autos nicht Hauptanliegen dieser Betriebe. Reine Präsentationssalons in Großstädten z.B. in Detroit für Hudson - Car 1910 vom Architekten Albert Kahn und in Paris für Citroen 1929 übernahmen die Funktion der Ausstellung. Abbildung 4 Citroen Ausstellungsgebäude in Paris 1929 Abbildung 5 - Albert Kahn: Hudson-Car-Ausstellungssalon, 1910 6 Die Entwicklung der Schlosserei zum reinen Kfz-Betrieb begann Mitte der 30er Jahre Durch den zweiten Weltkrieg wurde hier die Entwicklung unterbrochen. Die langsam einsetzende Profilierung bestimmter Automarken führt zunehmend zu markengebundenen Reparaturbetrieben und zur Präsenz der Autofirmen in den Städten. Der Vertrieb von Neuwagen erfolgt nun durch diese Repräsentanzen. Zur Weltausstellung 1939 in New York ließ die Firma Ford sogar ein eigenes Ausstellungsgebäude errichten. Im weiteren Verlauf baute man Autohäuser jedoch als unspektakuläre Gebäude, bei denen die Funktionalität einer Werkstatt im Vordergrund stand. Das Image und die Identität des Autoherstellers wurden hier wenig oder gar nicht verkaufsfördernd beachtet, geschweige denn vermarktet. Die Planung und Bauausführung der Autohäuser erfolgte ohne Einflussnahme des Autoherstellers. Geringe Ausstellungsfläche und fehlendes Marketing gehörten ebenso zu den damaligen Bedingungen. Eine Folge dieses Mangels war in den 70 und 80 Jahren dann der nachträgliche Ausund Anbau von Ausstellungsräumen an vorhandenen Vertragswerkstätten nach den Wünschen des Autoherstellers. In neu geplanten Räumlichkeiten für den Automobilvertrieb den Autohäusern werden von nun an neben den Verkaufsflächen ausreichend Schaubereiche eingerichtet. Die Planungen sehen nun oftmals vor, dass der Kunde den gesamten Schaubereich durchquert und somit an einer Art „Zwangsführung“ teilnimmt, auch wenn es sein Ziel, nur zum Ersatzteilverkauf oder Servicebereich zu gelangen. Da dies jedoch oft ohne ein wirksames Gesamtkonzept umgesetzt wurde, wirkten diese Autohäuser eher wie wild gewachsene Betriebe. 1.3 Das Automobil als Marke - Vom Verschwimmen von Markenbildern und ihrem Wiedererstarken Die Differenzierung der Automobilmarken durch klare Produkteigenschaften und Leistungsmerkmale war bis Anfang der 80er Jahre eindeutig möglich. Markenbindungen der Kunden basierten auf distinktiven Produktcharakteristika wie Motorleistung, technische Ausstattung und vor allem Styling. Nahezu jeder Konsument konnte seine Lieblingsmarke bzw. sein Lieblingsmodell konkret und in Abgrenzung zu Konkurrenzmarken beschreiben. Die Angleichung der Produkteigenschaften führte im Folgenden aber zu verschwimmenden Markenbildern. Bei den meisten Automobilherstellern galt die Angleichung der Produktqualitäten und der technischen Ausstattungsmerkmale bei einer gestiegenen und durchaus hohen Produktionsflexibilität mit der Verringerung der Fixkosten zu vereinen. Die Herstellerbemühungen um eine Verringerung der Verbrauchs- und Emissionswerte, sowie das Streben nach größtmöglicher passiver Sicherheit spielten in diesem Zusammenhang ebenfalls eine gewichtige Rolle. Durch neu gewonnene Erkenntnisse über die Effizienz japanischer Hersteller im Beschaffungs-, Entwicklungs- und Produktionsbereich standen nunmehr hauptsächlich Herstellungskosten und Produktqualitäten im Zentrum des Interesses. Die Führung eigenständiger und zweifelsfrei identifizierbarer Markenpersönlichkeiten trat indessen in den Hintergrund. 7 Bei sich tendenziell angleichenden Kostenstrukturen aller Automobilhersteller mittels der Optimierung durch Lean-Managementtechniken*, sowie optisch und funktional immer austauschbareren Fahrzeugen, entwickelt auf der Grundlage von Plattformstrategien*, erkannte man als bald wieder die Notwendigkeit Automobilkunden auf anderem Wege als über Preis, Ausstattung oder technische Spezifikation des Fahrzeugs zu gewinnen. Weil immer weniger messbare Produkteigenschaften und immer mehr Markenassoziationen und konkrete Markenerlebnisse entscheiden, welchem Anbieter sich der Konsument zuwendet, wird die Schaffung von Markenerlebnissen zunehmend zum zentralen Aktionsparameter etablierter Automobilanbieter. Ein entscheidender Punkt ist dabei der konstante Marktauftritt eines Herstellers. Autohändler agierten bisher eigenständig und konzentrierten sich beim Vertrieb hauptsächlich auf den Verkauf der Wagen. Ein markenorientiertes Handeln steht im Hintergrund und es erfolgt keine Kontrolle über Verkaufsaktionen seitens der Hersteller. Seit einiger Zeit allerdings hat ein Umdenken seitens der Produzenten eingesetzt und die Automobilhersteller haben die Notwendigkeit, das Management ihrer Produkte selbst zu steuern und zu kontrollieren, erkannt. Auf organisatorischer Ebene drückt sich dieses Streben beispielsweise in der institutionellen Verankerung von Markenmanagern aus. So setzt etwa General Motors 1995 35 Markenmanager in Nordamerika ein, die für ihre Modellreihe volle Verantwortlichkeit nicht nur im Hinblick auf Absatzzahlen, sondern z.B. auch bezüglich Preis, Werbung, Verkaufsförderung oder Markenidentität übernehmen. Rekrutiert wurden die “Brand Manager” unter anderem aus der Lebensmittel-, Bekleidungs- und Haushaltsgerätebranche. Seit 1997 betreuen 6 Markenmanager für GM Europa die Modellreihen Corsa, Astra, Vectra, Omega, Sintra und Frontera. Ein weiterer Aspekt bei der Weiterentwicklung der Autohäuser, der hier nur angedeutet aber nicht weiter ausgeführt werden soll, ist der zunehmende Wettbewerb zwischen Neuwagenvertrieb und Gebrauchtwagenhandel. Da die Qualität der Gebrauchtwagen gemessen an ihren physischen Produkteigenschaften immer besser wird und eine konkrete Nachfrage nach preiswerten Alternativen zu Neuwagen besteht, ist die Preisorientierung scheinbar das entscheidende Kriterium bei der Frage um Neuwagen oder Gebrauchtwagen. Aber auch und vor allem Markenerlebnisse bestimmen das Urteil und die Beurteilung der Konsumenten über eine Marke. Der Moment der Wahrheit* tritt ein. Die Erlebnisse mit einer Marke haben starken Einfluss auf ihre Stärkung oder Schwächung. Die ökonomische Relevanz starker Marken lässt sich leicht nachweisen, das heißt die Stärke einer Marke kann in der Preisbereitschaft der Konsumenten getestet werden. Ein Beispiel verdeutlicht, dass Produkten, die unter dem Dach starker Marken angeboten werden, offensichtlich ein höherer Wert beigemessen wird, als prinzipiell baugleichen Modellen “schwacher” Marken. „VW Sharan und Ford Galaxy werden im selben Werk gefertigt und repräsentieren, abgesehen von geringfügigen Modifikationen, fast identische Fahrzeuge. Gleichwohl erreichten die Verkaufszahlen des VW Sharan in Deutschland 1996 ein fast 40 Prozent höheres Niveau als die Absätze des Ford Galaxy (vgl. MOT, 1997), und zwar trotz eines ca. 10 Prozent höheren Endverbraucherpreises (vgl. EurotaxSchwacke, 1997). Genau 8 entgegengesetzt verhält es sich in England, wo Ford in den Augen der Konsumenten die stärkere Marke darstellt. Dort werden bei einem Preispremium von ca. 5 Prozent für den Ford deutlich mehr Galaxy als Sharan verkauft.“5 Der folgende zweite Teil der Ausarbeitung wird nun anhand zweier Beispiele aktueller Positionen die heutigen Entwicklungen beschreiben. 5 Quelle. Markenmanagment und Vertriebspolitik S. 4 9 2. Teil 1. Die Marke MINI - Ein emotional geprägtes Profil Aus dem ersten Teil der Ausarbeitung ging hervor, welchen Stellenwert ein starker Markenname und ein entsprechendes Bewusstsein beim Kunden für die Automobilmarken einnehmen. Es ist weiterhin bemerkenswert welche zum Teil riesigen Aufwendungen betrieben werden, um ein Produkt zu inszenieren und mit dem notwendigen Mehrverkaufswert auszustatten. Ein interessantes Beispiel diesbezüglich ist die Marke MINI. Anhand dieser Marke soll nun einmal das komplexe System vom Imageaufbau bis hin zur Inszenierung im Showroom nachvollzogen werden. Im Gegensatz zu neu auf den Markt gebrachten Autofabrikaten, die im idealen Fall vom Image der Hauptmarke profitieren, ist MINI eine bereits existierende Marke, die früher zum britischen Autohersteller Rover gehörte und dann vom deutschen Automobilkonzern BMW übernommen wurden. Ziel aller Bestrebungen war es nun mit der Marke einen glaubwürdigen Bedeutungswandel zu vollziehen vom alten zum neuen MINI. 1.1 Geschichte des MINI Der MINI war eine Reaktion auf die Suezkrise6 von 1956, und die darauf folgende Benzin-Rationierung. Die Nachfrage nach einem besonders sparsamen Kleinwagen stellte Alec Issigonis, dem Chefkonstrukteur von BMC den Auftrag, einen sparsamen, billigen und geräumigen Kleinwagen zu konstruieren. Issigonis war nebenbei bemerkt der Großonkel des späteren BMW Chefs Berd Pischetrieder, so das durchaus vorher Affinität zwischen MINI und der, die Marke 2001 übernehmenden BMW Gruppe bestanden. Issigonis erfand das Konzept nach dem bis heute alle Klein- und Kompaktwagen gebaut werden: quer liegender Frontmotor Frontantrieb, dadurch im Verhältnis zur Wagenlänge großer Innenraum. 20% Mechanik, 80% für 4 vollwertige Sitzplätze. Als MINI im Jahre 1959 prämierte, fiel er trotz Begeisterung der Presse in der Gunst des breiten Publikum vorerst durch: zu exotisch die Technik, zu anders das Auto, ein damals schlechtes Image . Das alles änderte sich bald als Lord Snowdown sich im MINI zeigte und der Schauspieler Peter Sellers mit dem ersten veredelten Auto durch London fuhr. 1959 stellte John Cooper die Sportversion vor, die mit ihren Sprinterqualitäten 3 Siege bei der Rallye Monte Carlo erlang. MINI fahren wurde zur Überzeugungstat für Individualisten, Künstler, Frauen, Studenten. In den folgenden Jahren entwickelte sich der britische Volkswagen vom siegereichen Sportgerät zur Nobellimousine im Taschenformat und schließlich zum Kultobjekt ohne Verfallsdatum. Bis heute ist der Charme des alten MINI ungebrochen, auch wenn er längst in die Oldtimer Nische gehört. Das Phänomen MINI hat einen eigenen MINI Fan Clubs hervorgebracht und präsentiert sich auch auf zahlreichen Internet Webseiten, zum Beispiel www.minizeitung.de. 6 Suezkrise: der durch die Verstaatlichung 1956 ausgelöste Konflikt um die militärische Kontrolle des Suezkanal 10 1.2 Der alte MINI Der MINI sollte in den Augen der Briten eine praktische und kostengünstige Lösung sein, gedacht war er als sparsamer und billiger Kleinwagen. Seiner damals innovativen Form verdankt er die Besonderheit, die ihn somit zur Lösung für Sparsame als auch zum Kult-Objekt werden ließ. „Sometimes very cheap, like the £300 we paid for this little red number. It's also the car that many of us learned to drive in and used as our first set of wheels.“ MINI ist durch seine kleine und eigenartige Form zu einem der bekanntesten und legendärsten britischen Kultobjekt geworden. Vergleichbar ist dies etwa mit dem deutschen VW Käfer. Beliebt waren die Wagen vor allem bei Studenten und Künstler, wodurch sie eine Art HippiePhänomen wurden, ein antikommerzieller, praktischer MINImalismus aber trotzdem mit Charme. All das führte zwar zu einem eigenen Charakter wurde aber auch gleichzeitig belächelt. Am deutlichsten verkörpert dies ein Sketsch des britischen Kultkomikers Ron Atkinson alias Mr. Bean. Seine Figur ist eine Parodie auf einen schnöseligen, sehr eigen und sonderbaren Versagertypen der untere Mittelschicht, der natürlich einen MINI fährt. Abbildung 6 – Mr.Bean Der alte MINI wurde nie so massiv beworben wie andere Marken und seinen Status als Kultobjekt erhielt der alte MINI nicht durch gezielte Vermarktung als britische Legende, sondern eher seine Erscheinung und der Gebrauch in der „Szene“ prägten die Marke. Doch als Marke an sich eignet sie sich sehr andere Produkte zu vermarkten, hauptsächlich um ein spaßiges und peppiges Image zu repräsentieren. Abbildung 7 – Mode Werbung 1.3 Der neue MINI Alles sollte sich aber deutlich ändern als BMW die Marke 2001 übernahm. Bewährtes und Neues sollte zu einem explosiven Gemisch gemixt „und damit etwas ganz besonderes auf die Räder gestellt werden.“7 BMW nahm sich MINI an und investiert, ähnlich wie VW in ihr Kultobjekt Käfer, der sich nun globalisierter Beetle nennt und Mercedes in ihren techno-modernen Smart investiert haben. Ein Anspruch auf den Anteil am Marktsegment Kleinwagennutzer sollte erhoben und die Marke MINI als Premiummarke etabliert werden. Erschwinglich für die Mittelklasse aber mit dem emotionalen Wert eines nicht weniger designten Autos. MINI trat dabei deutlich in Konkurrenz zum Smart. Um der Konkurrenz voraus zu sein verbesserte BMW nicht nur die Motorleistung sowie den Komfort ihres neuen MINI, sondern betrieben mit dem modern 7 „Maximales Marketing für MINI“ S.1 11 überformten Styling zugleich eine Imagekampagne, die aus dem ehemaligen britischen Kultwagen ein globalisiertes Objekt machte. Die globale Marke vermischt die Nationalitäten. Die Marke wurde entwickelt in einer Zusammenarbeit von britischen and deutschen Ingenieuren, wird vertrieben von einer deutschen Autofirma, selbst in Großbritannien wird es nur von 150 speziell ausgewiesenen BMW Händlern verkauft, es wurde gestylt von einem amerikanischen Designer, betrieben von einem in Südafrika gebauten Motor und wird hauptsächlich in Großbritannien zusammengebaut. Am 09.08.2001 startete dann schließlich auch die internationale Werbekampagne für den neuen MINI. Neu war dabei die bereits 15 Monate im voraus angefahren zielgruppenorientierte Positionierung der Marke im Internet. Lange bevor das Produkt überhaupt öffentlich wurde, waren die Markenwerte bereits online umgesetzt und kreierten eine virtuelle Markenwelt. Es wurde Unterhaltung geboten, Merchandising Artikel verkauft, Musik und Mode zielgruppenorientiert angeboten. Die ersten 15 Monate waren nur Marken-Kommunikation und keine Produktinformation. Die Kampagne wurde auf eine Generierung von Kaufinteresse hin angelegt, bei der um das Produkt eine Art Mysterium oder Geheimnis aufgebaut wurde, das sich nur allmählich lüftete. „Im Vordergrund stehe die emotionale Bindung des Konsumenten an eine Marke (Emotional Branding). Es gehe also hauptsächlich, um die Schaffung von Themen, Träumen, Erlebniswelten und Images, die das Publikum emotionalisieren. Nur so ist unter der Vielzahl von Marken künftig eine unverwechselbare Definition möglich.“8 Die Brand-Identität der Marke MINI ist von der Agentur Interbrand Zintzmeyer & Lux, Zürich konzipiert worden und entfaltete sich stetig bis hin zur internationalen Kampagne „Is it Love?“, die dann in allen Medien präsent war. Moderne, trendsetzende und gut gekleidete junge Leute, entdecken ihre „Liebe“ zum MINI. Dadurch charakterisieren „Is it Love?“ Werbespot die Emotionen, die beim Anblick des MINI aufkommen: Begeisterung, Faszination und das einzigartige MINI Feeling. Das Besondere daran ist die Allgemeingültigkeit und Durchgängigkeit der internationalen Kampagne für den europäischen Markt, die USA, Asien, Südafrika und den Mittleren Osten. In mehr als 20 Ländern begleiten 5 TV-Spots, 15 Printmotive, Megaposter, Radiospots und zahlreiche Events die weltweite Markteinführung des MINI. Die Kampagne stellte daher an die BMW Gruppe sowie an die Agentur Jung von Matt, Hamburg, hohe kreative und logistische Ansprüche. Torsten Müller-Ötvös, Leiter der Markenführung und Produktmanagement MINI schrieb dazu:„Die große Herausförderung war es den Launch des neuen MINI und gleichzeitig den Relaunch der Marke MINI mit der neuen Kampagne zu unterstützen. Der international verständliche Slogan ‚Is it Love?’ symbolisiert die grenzüberschreitenden, völker- und klassenverbindenden Eigenschaften des MINI – und seinen großen Sympathiewert“ Beim Marketing des neuen MINI BMW wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Die Webseiten sind professionell gemacht und enthalten nicht nur trockene Informationen für die Besucher. Sie hat einen hohen Unterhaltungswert und ist sehr benutzerfreundlich gegenüber potentiellen Kunden oder nur sporadischen Besuchern. Über eine kostenfreie Anmeldung mittels Fragebogen kann man hochwertige Produktinformation beziehen. 8 Quelle: Artikel Absatzwirtschaft online 12 Man merkt dem neuen MINI an, dass BMW bestrebt ist das Image des MINI zu differenzieren. „Ein emotional geprägtes Profil ist eine eminent wertvolle Erfolgsgrundlage. MINI hatte schon immer ein emotionales Profi, doch Marke und vor allem Produkt benötigen einen neuen, einen hochwertigeren Schliff. 9” BMW hat nicht nur die technische Qualität des MINI verbessert, sondern das MINI Image im Ganzen, wobei letzterer Umstand für BMW wahrscheinlich wichtiger ist. BMW ging es bei der Übernahme von MINI nicht in erster Linie um eine Erhöhung der Verkaufszahlen für Kleinwagen, sondern eher darum eine neue Marke in die Konzernfamilie zu holen, die den Kreis der Kunden erweitert und das vor allem international. Obwohl BMW eines der führenden Unternehmen in Automobiltechnologie und -qualität ist, braucht das Unternehmen mehr, um seine Position gegenüber der Weltmarktkonkurrenz zu behaupten. Die moderne junge Kundschaft legen ebensoviel Wert auf Design wie auf Technologie. Mit einem unverkennbares Design ist das Image eines Produktes stark verbunden, so das der MINI mit einem Preis von 15.000 € einene deutlichen Konkurrenzhaltung gegenüber Daimler Benz Smart und dem VW Beetle einnimmt. BMW benötigt ein Gegenstück eine Unterstützung, etwas modernes, poppiges und hippes um mit ihrem ansonsten seriösen und luxuriösen Image neue Kundenmärkte zu erschließen. 1.4 Der MINI Showroom Um dem Anspruch des neuen MINI Image auch am Point of Sale* und beim unmittelbaren Kontakt des Kunden mit dem Produkt gerecht zu werden, wurde eigens für die Einführung des Wagens ein Showroomkonzept entworfen. Einer dieser MINI Showrooms entstand in der Berliner Friedrichstrasse, neben dem Kurfürstendamm, die Präsentationspflichtmeile für alle Automobilhersteller in Berlin. Vorort gibt es bereits von allen namenhaften Herstellern Präsentationsräume, so dass der Showroom von MINI dort nur einer unter vielen ist. Ca. 50.000 € müssen von einem Händler allein für die Einrichtung eines MINI Showrooms investiert werden. Das Konzept ist völlig eigenständig und exclusiv im Vergleich zur BMW Marke. Es soll sich ‘frech, frisch und ein bisschen anders als andere’ präsentieren. Beim Betreten es Showroom, hat man das Gefühl man geht direkt in eines der Poster, denn diese Lokalitäten weisen, entsprechend dem einheitlichen Konzept genau die gleichen Farben und die gleiche Atmosphäre auf. Er ist mit seinen 800 m², nicht so ausladend wie andere Showrooms, was beim Konzept MINI auch nicht anders zu erwarten wäre. Die farbigen Neon-Lampen suggerieren Discoatmosphäre, Lifestylekultur. Knallbunte Sitzgelegenheiten verteilen sich überall im Raum. In Anbetracht ihrer Platzierung erscheint ihre Nutzen für den Kunden eher zweifelhaft. Sie sind mehr schicke Dekoration als Sitzgelegenheiten. An vielen Stellen treten Rahmen in Erscheinung, dieses Frames Konzept, sei es aus der Internetpräsentation oder der Malerei entlehnt, lässt jedes Auto wie in einem Bild gerahmt erscheinen, ein Abbildung 8 – MINI im Showroom Bild für den Nachttisch – Inszenierung pur. 9 „Maximales Marketing für MINI“ S.1/2 13 Im hinteren Bereich sind in die Seitenwände eingelassen die Beratungs- und Arbeitsplätze untergebracht. Sie unterscheiden sich in ihrem monochromen Hellgrau stark vom ansonsten schwarz Hintergrund und den farbigen Akzenten. Es gibt keinerlei Ersatzteilservice oder Reparaturannahme. Ansonsten lenkt nichts von den Autos ab. Es wird gezeigt um was es sich dreht und das ist in jedem Fall MINI als Auto oder als Marke, nicht mehr aber auch nicht weniger. Abbildung 9 – Verkaufsbüro im Showroom Das Konzept sieht weiterhin vor, dass der MINI Showroom zu einem Ort werden soll, “...an dem sich gesellschaftliches Leben ebenso wie Kultur und Ereignisse von öffentlichem Interesse inszenieren...“ so der Pressetext, wie jeden Sonntag, wenn das bekannte Berliner/Brandenburger Jugendradio (Fritz) dort ein temporäres Studio aufbaut. Gäste aus dem Musikgeschäft werden an diesen Sonntagen eingeladen und jeder andere Interessierte ist ebenso eingeladen dorthin zu kommen und der LiveRadioshow beizuwohnen. Der Spiegel schreibt: „Miniauto, Maxiaufwand, die Bayern verschaffen ihren Briten mitten in Preußen einen Gala-Auftritt“. Ganz so Gala-glamourös ist es dann aber doch nicht, eher reduziert aber stimmig. All diese Dinge stehen in direktem Zusammenhang mit den erfahrenen Marketingstrategien von BMW, ohne in irgendeiner Form im Showroom an BMW zu erinnern. Sie sind Teil des nachhaltige Konzept zur langfristigen Markenbindung der Kunden und zur Behauptung einer der Top-Positionen im Autogeschäft. Dabei wird besonders viel Wert auf den Showroom gelegt, der den direkten Kontakt zu den Kunden darstellt, und ein Medium ist für die Imagepflege eines attraktiven Produktes Ein weiteres Beispiel der BMW Gruppe sind die Showrooms in Cape Town (Südafrika) und München. In Cape Town verbindet sich der Showroom mit Unterhaltungsattraktionen. Im IMAX Kino werden dort Filme gezeigt, präsentiert von BMW, Cafes und Restaurants ergänzen dort die Angebotspalette. Ein Beispiel für einen Showroom dieser Art gibt der folgende Abschnitt über die Mercedes-Welt. Zusammenfassend lässt sich feststellen das der Showroom im Falle MINI nur einer von vielen integralen und miteinander verflochtenen Bestandteilen der Marketingund Werbstrategie ist. Das Inszenierungsumfeld bei der MINI-Einführung gestaltete sich auf verschiedenen Ebenen. Den Anfang machte der Internetauftritt, das eBranding, das erste Kontakte mit dem Kunden aufbaute und eine Art virtuellen ortungebundenen Showroom darstellt. Der an relativ wenigen aber ausgewählten Orten eingerichtete reale Showroom verfolgt genau das gleiche Konzept mit dem Plus der physischen Nähe weiter. Die Gestaltung und Einrichtungen spielen dabei neben Werbeplakate, etc. eine große Rolle. Sie müssen in jedem Fall das Image der Produkte tragen. Der Showroom erfüllt dabei vor allem zwei Aufgaben. Zum einen sichert er die Präsenz am Markt, andererseits ist es der Ort des direkten Kontaktes mit dem Kunden, so sollte er sich der Zielgruppe gegenüber so attraktiv wie möglich präsentieren. Der Verkauf ist nicht seine primäre Aufgabe, aber er bietet die Dinge an. Ob letztendlich das Produkt oder die Marketing Strategie gekauft wird, spielt dabei keine Rolle mehr. 14 2. Mercedes-Welt – Das Autohaus der Zukunft An dieser Stelle sei daraufhin gewiesen, dass das Produkt Automobil, obwohl sich die Vermarktungsstrategien vom Produkt selbst entfernen und sich der Schwerpunkt zu Gunsten einer markenadäquaten Gestaltung verschiebt eine herausragende Bedeutung besitzt. Ebenso wichtig ist der Styling-Aspekt, auch wenn dieser abgesehen vom noch relativ differenzierten Kleinwagenmarkt, sich in der Regel nur noch in Nuancen ausdrückt. Der überwiegende Teil aller Markenrelevanten Erfahrungen werden unmittelbar über den Kontakt und die Erfahrungen des Kunden realisiert. Die Produktleistungsmerkmale und ihre ständige Optimierung und Verbesserung sind zwar in der Produktinszenierung in den Hintergrund gerückt, dennoch bilden sie somit um so mehr die Basis, auf der alle Imagestrategien aufbauen und von der die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaft abhängt. Die Kernleistungen einer Marke müssen immer durch die Produktsubstanz getragen werden. Image allein begründet keinen dauerhaften Wettbewerbsvorteil. Dieser Erkenntnis maßen auch die Entwickler des neuen Mini einige Wichtigkeit bei, was sich eindeutig in den Verbesserung der Motorleistung und des Komforts im allgemeinen ausdrückt. 1.1 Das Markenerlebnis Mercedes Benz ist eine bereits etablierte Marke mit einem Image, das für technische Innovation, Komfort und edlen Anspruch steht. „Die hohe emotionale Bindung des Kunden will bestätigt und genährt werden“ bestätigt Jürgen Schrempp Vorstandsvorsitzender von Mercedes-Benz. Das Unternehmen ist auch bestrebt dieses Image aufrecht zu erhalten und setzt bei der Kundenpflege auf das Konzept der positiven „Momente der Wahrheit“. Als „Momente der Wahrheit“ bezeichnet man „alle erlebnisrelevanten Erfahrungen und Kontakte, die der Autokonsument im Zuge des Kauf- und Nutzungsprozesses mit dem Fahrzeug, dem Autohändler oder dem Hersteller macht“10. Dieses umfassende Markenerlebnis beginnt mit dem Entschluss zum Kauf, dem aufgrund seiner relativ großen ökonomischen Tragweite für den Kunden meist ein extensiver Entscheidungsprozeß voraus geht. Dieser Prozess beinhaltet bereits erste Kontakte über das Sammeln von Produktinformation, die Kalkulation von Finanzierungsmöglichkeiten oder alternativen Leasingoptionen, die Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen, etc. Es setzt sich fort über den Gebrauch des Fahrzeugs, währenddessen der Benutzer eine unmittelbare Produkterfahrung in allen Facetten erlebt. Zusätzliche Kosten schlagen sich nieder in den Verbrauchs- und Unterhaltskosten und nicht zuletzt sind die Serviceleistungen bei der Inanspruchnahme von Garantien und Reparaturen wichtige „Momente der Wahrheit“. Der Händler hat an diesen Kontaktpunkten das Markenerlebnis sicherzustellen und prägt es dementsprechend auch sehr stark. Nicht immer zur Zufriedenheit für Hersteller und dessen Imagekampagne. Wie bereits weiter oben schon aufgeführt, waren die meisten Vertragshändler ein weniger geplantes, als mit der Zeit entstandenes Konglomerat von Verkaufs-, Ausstellungs-, Reparatur- und 10 Quelle. Markenmanagment und Vertriebspolitik S. 5 15 Serviceflächen. „Wer den Vertrieb seiner Markenprodukte nicht unter Kontrolle behält, ist schon bald einer Händlermentalität ausgeliefert, die jede Premium-Marke zu Hackfleisch macht“11 Erst die Etablierung firmeneigener Verkaufs- und Ausstellungsstätten und eine noch engere Bindung oder gänzliche Übernahme der Händler brachte die notwendige Kontrolle über den Vertrieb der eigenen Produkte. 1.2 Das Konzept der Mercedes-Welt In diesem Sinne versteht sich das neue Konzept der Mercedes-Welt als das Autohaus der Zukunft. Es geht darum die Vereinigung eines umfassenden Markenerlebnisses zu verwirklichen, dass die „Momente der Wahrheit“ über potentielle Kunden hinaus im gesellschaftlichen Leben verankern will. Entworfen wurde das hauptstädtische Flagschiff von Lamm, Weber und Donath einem Stuttgarter Architektur Büro, welches bereits mehrere Bauten für die DaimlerChrysler AG und Abbildung 11 - Mercedes-Welt Ansicht Mercedes-Benz entworfen und gebaut hat. Auf dem Traditionsgelände am Salzufer musste der konventionelle Autohausvorgänger dem Neubau weichen, der sich nunmehr als das neue „einmal andere“ Hauptstadt-Schaufenster versteht. Die Reparatur- und Servicebereiche nehmen sich zurück und schließen im Nordwesten an der, der Straße abgewandten Seite am Gebäude an und machen Platz für 14.000 qm Ausstellungs- und Präsentationsfläche. Mit schlichter fast kühler an Industriebauten erinnernde Architektur zieht sich das Gebäude 160 m lang am Landwehrkanal entlang. Das Hauptelement, die „Landwehrpassage“ ,15 m breit, 27 m hoch und geöffnet bis 24 Uhr, leiten über eine große Piazza in die Erlebniswelt ein. Transparenz soll die „neue Autowelt“ soweit wie möglich nach außen tragen, obwohl von Außen nur der königsblaue Mercedes-Benz Schriftzug ein Autohaus erahnen lässt. Abbildung 12 - Mercedes-Welt Passage Der Aufenthalt für Gäste soll sich informativ, sympathisch und kurzweilig gestalten Informations- und Dienstleistungsbereich, Ersatzteilvertrieb, Accessoireverkauf und Reparaturannahme sollen verschmelzen und sich aufgelockert präsentieren. Die Präsentationsflächen für die Automobile inszenieren sich spiralenförmig über Rampen und Galerien langsam ansteigend um das Atrium herum und erschließen Themeninseln mit 300 Wagen nach Baureihen geordnet. „Die offenen Rampen und gläsernen Fassaden verschaffen der Mercedes-Welt eine Transparenz, die den Besucher in offener Landschaft wähnen lässt.“12 Infoterminals begleiten den 11 12 Brandmeyer, K. 1996, S.12 Zitat: „Mercedes-Welt Berlin“ 16 Besucher, der sich langsam über die Rampen hinauf zu den immer edler werdenden Modellen bewegt. Endet der Rampenaufstieg vorbei an den Cabriolets etwas abrupt am Zugang zu den geschlossenen Verwaltungsbereichen, so ist die Krönung des Fetisch Auto ein ungreifbare schwebender vom Dach des Atriums abgehängter Formel 1 Wagen. Der Kunde hat in diesem Bau stets den Überblick über das gesamte Angebot verknüpft mit Information, Forschung, Technik, Lifestyle, Kultur. „Eine Kathedrale mit Verkehrskindergarten“ titelt der Tagesspiegel und man spürt die Bemühungen mehr zu sein als ein Autohaus. Mercedes-Benz am Salzufer soll eine Erlebniswelt sein, in der für jeden etwas dabei ist: Man speist dort auf einem Marktplatz unter einem 750 Jahre alten Olivenbaum. Ein 15 m hoher Wasserfall prägt eine Wasserlandschaft etwa in der Mitte der Halle, eine Kletterwand, die vom Berliner Alpenverein für Übungszwecke genutzt wird ergänzt dort das Ensemble. Auf einer 40 qm Großbildprojektionfläche können Formel-1 und Fußballübertragungen stattfinden. Das Atrium kann für diese Art von Events 2000 Personen aufnehmen. Ein Museum mit historischen Fahrzeugen ergänzt das Informationszentrum. In zeitgeschichtlichem und kulturellen Hintergrund zeigt es die Firmengeschichte anhand verschiedener Automobilmodelle. Man findet dort rührende Geschichten über kauzige Rennfahrer mit Brillengläsern so groß wie Aschenbechern oder einen Autonarr, der sich einen Mercedes SL in Einzelteilen bestellte und bis zu seinem Tode daran Abbildung 13 – Mercedes-Welt Museum bastelte. Ein Formel 1 Simulator, sowie ein Verkehrskindergarten mit kleinen Elektroautos der A-Klasse sorgt dafür das auch die Kleinsten bereits die ersten Markenerfahrungen sammeln. Darüber hinaus findet man allerlei designte Markenartikel aller Art vom Schlüsselanhänger über Spielzeug, Mode und Modeaccessoires, bis hin zu Fahrrädern der höchsten Preisklasse. In allem präsentiert sich fast wie selbstverständlich ein Teil Mercedes-Benz und nicht selten kommt es zu seltsame Begegnungen, die den Fetisch und zugleich die Faszination der Autokultur widerspiegeln. Zur Eröffnung kam viel Prominenz und es war Innenminister Otto Schily, der anmahnte ‚die Balance zwischen Verteufelung und Vergötzung des Automobiles zu finden’ und der betonte , ‚das millionenfache Selbstbewegung mit der Knappheit der Räume in Einklang zu bringen sei’. Der damalige regierende Bürgermeister E. Diepgen vergleich den auf ihn imposant wirkenden Bau mit dem Guggenheim Museum von F.L. Wright in New York, wobei er dabei die erklärten Absicht der Architekten noch einmal formulierte. Ein hoher Anspruch an das „Autohaus der Zukunft“, der auch von den Repräsentanten des DaimlerChrysler Konzerns zum Ausdruck kommt: ‚Am Salzufer wird die Kultur einen festen Platz haben...’ es soll ein weltoffenes Haus ‚voller Dynamik, Power und Leben’ werden, ließ Walter Müller Chef der Mercedes-Benz Niederlassung Berlin verlauten. Eckhard Panka, Vorsitzender des DaimlerCrysler 17 Vertrieb Deutschland sprach von einem Aushängeschild ersten Ranges und einem Schulbeispiel für attraktive Stadtgestaltung und für ein neues Vertriebskonzept. So sehe man in den Augen der Verantwortlichen gerne, dass sich das Projekt Mercedes-Welt entwickelt. Unumstritten und unübersehbare ist in jedem Fall die Präsenz der Autobauer am Salzufer. Der Bebauungsplan sieht weiterhin vor das die Mercedes-Welt als das dominierende Gebäude am Platz, das Quartier in der neuen Spreestadt Charlottenburg bilden soll. Die Mercedes-Welt soll zu einem ultimativen Erlebnisort werden, eingepflanzt in das Zentrum eines neuen Stadtareals. Ein Ort der Identifikation der mobilen Gesellschaft im Zeichen des Stern, Autohaus, Markenkaufhaus, Veranstaltungshalle und Treffpunkt der Event-Gesellschaft unter einem Dach. Das Autohaus als neues urbanes Zentrum als Kulturstädte und Einkaufzentrum? Gänzlich abwegig scheint der Gedanke schon lange nicht mehr zu sein, gemessen an der beachtlichen Liste an Wochenendveranstaltungen von Jazzkonzerten bis zu Jugendradiosendungen, und zum Weihnachtseinkauf ins Autohaus ist bei der ständig anwachsenden Produktpalette schon längst denkbar. 18 Abschluss Die „Schau“fensterfunktion im Sinne von Behrens - ein verlockendes, aber dennoch passives Vorzeigen der Produkte, die immer noch im Mittelpunkt standen - wurde längst erweitert um das Moment des aktiven Herzeigens des „Showrooms“. Die zum größten Teil meist nur noch zugelieferten Produkte haben in dieser Form der Werbung nur noch wenig mit den messbaren Produktqualitäten und den Needs der potentiellen Kunden zu tun. Diese sind gleichsam Voraussetzung für ein Automobil, das längst mehr als ein reiner Gebrauchsgegenstand ist. Die lifstyleorientierte Werbung spricht immaterieller Wants, die Emotionen der Kunden an, die sich in Hoffnungen, Sehnsüchten oder Profilierungswünschen der Autokäufer ausdrücken, manchmal gar zur Pseudoliebe zum eigenen Auto stilisiert. Das Produkt an sich steht in einem viel größeren Zusammenhang. Es muss in Qualität, Design und Image genau die Bedürfnisse des Kunden erfüllen, besser noch übererfüllen. Dabei nimmt die Flexibilität der Möglichkeiten der eigenen Charakterbildung und Identitätsfindung in dieser Reihenfolgen der Merkmale zu. Die neuen Qualitäten eines Autohauses tragen dieser Hierarchie ebenso Rechnung. Die Funktionalität bildet das Rückgrad unter Berücksichtigung aller Nutzer- und Kundenwünsche, von der Garantie des reibungslosen Ablaufs des umfassenden Verkaufs von Dienstleistungen rund ums Auto bis hin zur Orientierung des Kunden. Das Aussehen prägt nach den Regeln der Corporate Identity die Prägnanz der Bauform und befriedigt die ästhetischen Bedürfnisse. Schließlich hat die Erlebniswelt die Aufgabe durch Animation zum Besuch des Autohauses durch zusätzliche Aktivitäten und Angebote, Anreize zum Aufenthalt zu schaffen, wodurch die stets präsente Inszenierung der Autoausstellung zum unvergesslichen Ereignis wird. Ganz ähnliche Erlebnisweltabsichten, wenn auch mit anderen Schwerpunkten, verfolgen auch Projekte, wie die Autostadt Wolfsburg mit ihren Ausstellungspavillons in denen die Produkte teilweise gar nicht mehr selbst in Erscheinung treten oder die gläserne Manufaktur von VW in Dresden, in der eigentlich nur noch der Entstehungsprozess, „die veranschaulichte Geburt“ thematisiert wird. Entlehnt sind diese Konzepte oft von branchenfremden Flagshipstores, von beispielsweise Bekleidungsherstellern. Der Mercedes-Welt bescherte das erste Jahr nach der Eröffnung im Juli 2000 1,2 Millionen Besucher und eine Umsatzsteigerung um 5,6% für die Mercedes-BenzNiederlassung Berlin deren Jahresumsatz auf 0,62 Milliarden Euro beziffert wird. Bei einem Investitionsvolumen von ca. 40 Millionen Euro für den Bau allein, den so manches Museum nicht erreicht, trägt sich das Gebäude noch lange nicht selbst. Allerdings unterschätze man nicht den Verlust den eine Imageeinbuße nach sich ziehen kann. Mercedes bekam dies zu spüren als der Elchtest die A-Klasse nicht nur ins Straucheln brachte. Die zukünftige relevante Messgröße des Erfolgs im Automobilgeschäfts stellt sich nunmehr so dar: „Nicht erreichte Verkaufsvolumina, sondern der im gesamten System von Automobilproduzenten und angeschlossenen Marktpartnern generierte und kapitalisierte Wert des Markenerlebnisses beim Kunden stellt den Gradmesser des Unternehmenserfolges dar.“13 13 Quelle. Markenmanagement und Vertriebspolitik S. 1 19 Erlebnisse ist das Schlagwort der Event-Gesellschaft und um diese zu generieren ist es notwendig die Inszenierungmaschinerie mit ihrem Umfeld mitten in die Erlebniszentren zu verpflanzen, oder besser noch sie zu beherbergen. Folgt der MINI-Showroom einem eigentlich klassischen Konzept eines reinen Präsentationsraumes, so geht die Mercedes-Welt, auch wenn nicht gänzlich neue, so doch andere Wege. Die Funktionstrennung wird wieder aufgehoben. Das Autohaus bietet dem Kunden wieder die gesamte Produkt- und Dienstleistungspalette mitsamt einer medialen, musealen, sportiven und kulinarischen Erlebniswelt. Das Autohaus wir zum urbanen öffentlichen Raum und bekommt somit auch für Architekten Qualitäten und Nutzungspotential. Ob es ein Zukunftsmodell werden wird, bleibt fragwürdig und abzuwarten. Ein Fortschritt in der Autohauskultur ist es allemal, doch ob es angenommen wird, liegt bei den Konsumenten und bietet weitere Möglichkeiten. 20 Begriffserklärung Momente der Wahrheit: Als Momente der Wahrheit bezeichnet man alle erlebnisrelevanten Erfahrungen, die der Autokonsument im Zuge des Kauf- und Fahrzeugnutzungsprozesses mit dem Produkt, dem Autohändler, oder dem Hersteller macht Point of Sale: Der Point of Sale benennt den Zeitpunkt der erreicht wird, wenn ein Kaufvertrag kurz vor dem Abschluss steht. Lean-Management: Managementkonzept, das auf Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Kostensenkung, Kundenorientierung und hohe Qualitätsstandards ausgerichtet ist und auf diese Ziele hin eine Umstrukturierung sämtlicher Produktions- sowie Vermarktungsabläufe bewirkt. Plattformstrategien: Plattformstrategie bedeutet, dass mehrere Modelle eines Unternehmens aus, weitestgehend baugleichen Bestandteilen bestehen. So lassen sich enorme Kosten sparen und schnell neue Modelle auf den Markt bringen. 21 Quellenverzeichnis Albert Kahn, Architect of Ford,Frederico Bucci, Princeton Architectural Press Autohaus Bauplanung, Autohaus Verlag, 1994 Autotektur 2000 Konzepte für das Autohaus der Zukunft, Quadrtro Verlag, 1989 Industriekultur, Peter Behrens und die AEG 1907-1914, Gebr. Mann Verlag, 1979 NO LOGO, Naomi Klein, Riemann One Earth Spirit, 2001 Mercedes-Welt Berlin, Stadtwandelverlag, 2000 Diverse Zeitungsartikel aus Spiegel, Stern, Tagesspiegel beziehbar über OnlineRecherche Internet: www.competence-site/marketing.nsf, www.mini.de 22 Bildnachweis Abbildung 1 aus Industriekultur, Peter Behrens und die AEG 1907-1914 Abbildung 2 aus Industriekultur, Peter Behrens und die AEG 1907-1914 Abbildung 3 aus Autotektur 2000 Konzepte für das Autohaus der Zukunft Abbildung 4 aus Autotektur 2000 Konzepte für das Autohaus der Zukunft Abbildung 5 aus Autotektur 2000 Konzepte für das Autohaus der Zukunft Abbildung 6 Quelle: Internet Abbildung 7 Quelle: Werbung eines Modemagazins Abbildung 8 –13 eigene Aufnahmen bei Vorortrecherchen 23