Hegels Begriff des Kampfes

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Julian Roberts, München
Hegels Begriff des Kampfes
1.
Bellizistische Metaphorik bei Hegel
Der Krieg, so Hegel im Jahre 1802, sei ‘notwendig’ (WBN 492). Fünfzehn
Jahre später, in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, hat er diese
Auffassung wiederholt. Durch den Krieg, so heißt es im Selbstzitat, werde:
die sittliche Gesundheit der Völker in ihrer Indifferenz gegen das Festwerden
der endlichen Bestimmtheiten erhalten [...], wie die Bewegung der Winde die
See vor der Fäulnis bewahrt, in welche sie eine dauernde Ruhe, wie die Völker
ein dauernder oder gar ein ewiger Friede, versetzen würde. (§324; S. 492f)
Hegel lehnte nicht nur den Frieden zwischen den Völkern ab; in seinen früheren Schriften setzte er sich auch für die Notwendigkeit des Kampfes zwischen Individuen ein. Dieser sei eine Bedingung der Ehre und, obwohl gewaltsame Kampfverhältnisse in die höhere Sittlichkeit der Gemeinschaft
absorbiert werden, bleibt zumindest latent die Dynamik einer Kollision ‘um
das Ganze’, die ‘eintreten muß und soll’, und in der ‘der Erweis sich allein
mit dem Tode [endigt]’ (JSE I, 217f). Daß Hegel es ernst meinte mit dem
Gedanken des Ablebens in kämpferischen Auseinandersetzungen, zeigt auch
seine wiederholte Thematisierung der ‘Tapferkeit’ (z.B. WBN, 494; GPR,
§327) sowie des ‘gewaltsamen Todes’ (WBN, 494, 500) in Zusammenhängen, wo diese Ausdrücke durchaus positiv besetzt sind.
Hegels offenkundige und bewußte Mißachtung des Kantischen Friedensgebotes stellt den Kommentator, der auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts zurückblickt, vor einer schwierigen Aufgabe.1 Auch wenn Hegel
später den realen Kampf Einzelner als ‘Moment in der Entwicklung des
menschlichen Geistes’ relativierte und den Zweikampf ausdrücklich verurteilte (Enz.§432, Zus.), und selbst wenn er in der Rechtsphilosophie anmerkte, daß ‘die wirklichen Kriege noch einer anderen Rechtfertigung bedürfen’ (GPR §324), bleibt trotzdem eine zunächst irritierende Zweideutigkeit.
In der Literatur hat man diese Motive häufig ausgeblendet oder sublimiert. Für den ersten Ansatz exemplarisch ist Werner Beckers Bemerkung,
‘daß Hegel es so ernst ... auch wieder nicht gemeint haben kann’, da es sich
ja schließlich nur um den Kampf zweier ‘Selbstbewußtseine’ handele, die
‘bloß die Masken wirklicher Menschen’ tragen (Becker 1971, 64). Der andere Ansatz ordnet den Kampf dem Oberbegriff der ‘Anerkennung’ zu, der
seinerseits - ‘anerkennungstheoretisch’ (Honneth) - Inhalte wie Symmetrie
1
Für Fichte war der ewige Friede ebenfalls ‘das einzige rechtmäßige Verhältnis der
Staaten’; der Krieg, den er sich im Übrigen sehr gesittet vorstellte, sei höchstens als ‘Mittel
zur Erhaltung des Friedens’ gerechtfertigt (GdN, II. Anhang, §§ 14, 20).
-1-
und Solidarität implizieren soll - Inhalte also, die den ‘Kampf’ als Moment
des Spieles von Haß und Liebe auffangen bzw. den Liebeskonflikt als vollwertige Alternative offenhalten. 2
Vor allem im Gegensatz zu diesem zweiten einflußreichen Ansatz
wollen wir hier versuchen, Hegels Begriff des ‘gewaltsamen Kampfes’ beim
Namen zu nehmen. Bezeichnend für den Kampf ist, daß nur einer gewinnen
kann. Der Verlierer stirbt (wie Hegel mit Nachdruck immer wieder betont),
oder er wird versklavt. In diesem Sinne bleibt für ‘symmetrische’ Lösungen
kein Raum. Der Vorfall kann zwar als Anlaß genommen werden Symmetrie
zwangsweise herbeizuführen, indem ein mit dem Gewaltmonopol ausgestatteter Staat die Konfliktparteien in die Hand nimmt. Eine immanenter Entwicklungszwang zur Symmetrie ist hier jedoch nicht auszumachen. Bei Hegel sind die Schritte, die auf den Kampf folgen, entsprechend unterschiedlich
- wenn nicht der Tod, dann die Versklavung, die Strafe, oder die Eingliederung in die sittliche Totalität des Volkes.
Dennoch ist offensichtlich, daß der Kampf für Hegel eine spezifische
originäre Rolle spielt. In der frühen Jenaer Zeit ist er konstitutiv für die Ehre
und damit für den Personenbegriff (SdS 47f; vgl. vor allem auch Siep 1974);
und in der Phänomenologie ist er konstitutiv für das Selbstbewußtsein und
damit für die Erkenntnis insgesamt.
2.
Formalistische Sittlichkeitstheorien
Hegels Begriff des Kampfes hat seinen ursprünglichen Ort in der Kritik Kantischer und Fichtescher Ansätze in der praktischen Philosophie; diese verwirft er als formalistisch.
Die formalistische Theorie der Sittlichkeit hat folgende relevante
Aspekte:
Grundsätzlich gilt das Prinzip der Allgemeinheit und Gleichheit.
Jeder Mensch besitzt den gleichen unveräußerlichen Eigenwert. Die Anerkennung dieses Faktums markiert den Austritt der Menschen aus dem Zustande der Natur. ‘So war der Mensch in eine Gleichheit mit allen vernünftigen Wesen, von welchem Range sie auch sein mögen, getreten: nämlich in
Ansehung des Anspruchs selbst Zweck zu sein, von jeden anderen auch als
ein solcher geschätzt und von keinem bloß als Mittel zu anderen Zwecken
gebraucht zu werden.’ (Kant, AdM 114). Auf diesem Axiom (alle Menschen
haben den gleichen Wert) basiert das fundamentale sittliche Kriterium der
Universalisierbarkeit. Nur solche Rechte und Pflichten, die allen zugeordnet
werden können, wahren das Prinzip der allgemeinen Gleichwertigkeit der
Menschen. In der ersten Ausformulierung des kategorischen Imperativs:
‘Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst,
daß sie ein allgemeines Gesetz werde’ (Kant, GMS, 421).
Ferner unterscheidet der Kantische Formalismus zwischen Moralität
2
Vgl. vor allem Wildt 1986 und Honneth 1992. Zur ‘Symmetrie’ vgl. auch Hösle
1987, 373. Zur Liebe als Moment der Anerkennung vgl. ferner Siep 1979. Außerdem
Theunissen 1982.
-2-
und Legalität. Moralisch sind solche Handlungen, ‘in welcher die Idee der
Pflicht aus dem Gesetze zugleich die Triebfeder der Handlung ist’ (Kant,
MdS 219). Bei moralischen Handlungen gibt sich das handelnde Subjekt
selbst die Regel seiner Handlung. Bei legalen Handlungen hingegen geht es
lediglich um ‘die bloße Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung einer
Handlung mit dem Gesetz’.
Offensichtlich ist Legalität, nämlich die Konformität mit externen
Regeln, eine weniger würdevolle Angelegenheit als Moralität, in der das
autonome menschliche Subjekt den Ausdruck seiner selbst erreicht. Die Legalität ist ein Notbehelf angesichts der vielen Zwänge der gesellschaftlichen
Koexistenz. Daß es sie geben muß, ist deutlich. Weil sie sich jedoch durch
die Fülle heteronomer Regelungen von der Autonomie der eigentlichen Moral vorab unterscheidet, ist ihr charakteristisches Merkmal der Zwang: ‘Recht und Befugnis zu zwingen bedeuten also einerlei’ (Kant, MdS 232). Vernünftig ist sie trotzdem, weil sie, wie die Moralität, dem Grundsatz der allgemeinen Gleichheit verpflichtet ist. Wie die Subjekte der Moralität sind
auch die Subjekte der Legalität miteinander gleichwertige Akteure. Folglich
sind die Zwänge der Legalität nach dem Prinzip der Wechselseitigkeit apriori und wissenschaftlich bestimmbar. Was für einen gilt, muß für alle gelten.
Hier läßt sich, so Kant, eine ‘Construction’ vornehmen: es ergibt sich ‘der
unter allgemeine Gesetze gebrachte, mit ihm zusammenstimmende durchgängig wechselseitige und gleiche Zwang’ (ibid., 233).
3.
Hegels Kritik
Hegels Ansatz in der Sittlichkeitstheorie wendet sich gegen diesen Formalismus und alle anderen Theorien mit vergleichbaren Folgen. 3 Sie seien, so
behauptet er, ‘atomistisch’. Die Menschen würden als Punkte gesetzt, die
zwar eine ‘absolute Substantialität’ erhalten (Diff 87), dafür aber nur in einer entleerten Abstraktheit gelten.
Fiat iustitia, pereat mundus ... Das Recht muß geschehen, obschon
deswegen Vertrauen, Lust und Liebe, alle Potenzen einer echt sittlichen Identität, mit Stumpf und Stiel, wie man sagt, ausgerottet werden würden. (ibid.)
Dafür entstehe auf der Grundlage des abstrakten Gleichwertigkeitskalküls des Atomismus ‘die Herrschaft der Reflexion in ihrer ganzen Härte’
(Diff 79). Das verstandesmäßige Konstruieren von Zwangsregeln sei die
3
Das umfaßt, zunächst, ‘den Kantischen oder Fichteschen Idealismus’ ( WBN 454),
‘jene formelle Philosophie’ (ibid. 459). Auch die ‘Glückseligkeitslehre’ verfällt Hegels
Bannstrahl (ibid. 464). Darunter kann man wohl jeden konsequentialistischen Versuch
verstehen, der von der allgemeinen Vergleichbarkeit menschlicher Nutzenvorstellungen
ausgeht. Wichtig ist allerdings, daß Hegel nicht den ‘Individualismus’ als solchen angreift
(wie etwa Honneth in Anlehnung an Henrich 1971 unterstellt - vgl. Honneth 1992, 20f.),
sondern nur den formalen ‘Atomismus’.
-3-
reine Tyrannei - ‘jede Beziehung ist ein Beherrschen und Beherrschtwerden
nach Gesetzen eines konsequenten Verstandes; das ganze Gebäude der Gemeinschaft lebendiger Wesen ist von der Reflexion erbaut.’ (Diff 81)
Es gibt in diesem Ideal von Staat kein Tun und Regen, das nicht notwendig einem Gesetze unterworfen, unter unmittelbare Aufsicht genommen und von der Polizei und den übrigen Regierern beachtet
werden müßte, so daß von der nach diesem Prinzip aufgestellten
Konstitution die Polizei so ziemlich weiß, wo jeder Bürger zu jeder
Stunde des Tages sei und was er treibe,
schreibt Hegel, und mokiert sich über Fichtes ausführliche Deduktionen zum
Paßwesen (Diff 85f.).
Hegels eigene Alternative besteht aus der Entwicklung einer ‘positiven’ Sittlichkeit - d.h. einer, die mit den vorliegenden Tatsachen und sichtbaren Handlungen anfängt und, anstatt diese unvermittelt mit allgemeinen
kalkulatorischen Normen zu konfrontieren, den Versuch unternimmt die ‘Logik’ existierender Menschen zu verstehen. Der systematische Vorteil eines
solchen Vorgehens besteht unter anderem darin, daß die unbefriedigende
Trennung zwischen Moralität und Legalität aufgehoben wird.
Hegels Argumente haben im wesentlichen zwei Elemente: eine allgemeine metaphysische Ablehnung, und eine immanente Kritik.
Zum ersten affirmiert er ein Prinzip der ‘Identität’. Dies läuft darauf
hinaus, daß das Sinnliche und das Intellektuelle als identisch aufgefaßt werden müssen. Hegel bezeichnet den ‘Standpunkt’ dieser Philosophie als ‘intellektuelle Anschauung’ (Diff 114). Die intellektuelle Anschauung - nämlich,
daß das einzeln Angeschaute in all seinen begrifflichen Bestimmungen erfaßbar sein sollte - hatte Kant bekanntlich als für den Menschen unerreichbare
Form der Erkenntnis ausgeschlossen (KrV B 72). Für den Menschen seien
Anschauung (Sinnlichkeit) und das Intellekt getrennte Vermögen; der Umgang
mit der natürlichen Wirklichkeit sei nur unter der Voraussetzung, daß man
die intellektuellen Werkzeuge der Erkenntnis separat handhabt, möglich.
Hegels Behauptung der ‘Identität’ beinhaltet eine Ablehnung dieser
Dichotomie. Auch für Kant sei das erkennende Subjekt unbegrenzt und in
dem Sinne ‘unendlich’. Aus dieser Perspektive verfängt sich aber jede verstandesmäßige Bestimmung in einer immanenten Widersprüchlichkeit - das
zeige sich in den Kantischen Antinomien, aber nicht weniger in allen anderen, gewöhnlichen Begriffsanwendungen. Die Unendlichkeit, so Hegel, sei
‘das Prinzip der Bewegung und der Veränderung’; diese Bewegung sei höchstens dann aufzuhalten, wenn man mit Gewalt den einen oder anderen Inhalt
abstrakt ‘fixiert’ (WBN 454).
Gerade auf einer solchen Fixierung beruhe aber der Formalismus der
angegriffenen Moraltheorien. Auf der einen Seite befindet sich die unbegriffene Vielfalt der konkreten Welt, auf der anderen die strenge systematische
Einheit der Vernunft und der Pflicht. Damit aber entfernt sich diese Philosophie von ihrem Anspruch, ihre Ideale der freien Sittlichkeit zu realisieren, denn: ‘Ihre sittliche Vernunft ist in Wahrheit und in ihrem Wesen eine
Nichtidentität des Ideellen und Reellen’ (WBN 456).
-4-
Damit entsteht der Rigorismus des Formalisten; einerseits klammert
er sich an die vielgepriesene ‘Autonomie’ seiner moralischen Ansprüche,
andererseits drückt sich diese Autonomie in der Realität - dank der Trennung
zwischen Intellekt und Sinnlichkeit - nur als Einschränkungs- und
Beherrschungssucht aus:
Der ... populäre Ausdruck, wodurch diese Vorstellung, welche die
sittliche Natur bloß von der Seite ihrer relativen Identität auffaßt,
sich so sehr empfohlen hat, ist, daß das Reelle unter den Namen von
Sinnlichkeit, Neigungen, unterem Begehrungsvermögen usw. ... mit
der Vernunft ... nicht übereinstimme ... , und daß die Vernunft darin
bestehe, aus eigener absoluter Selbstätigkeit und Autonomie zu wollen und jene Sinnlichkeit einzuschränken und zu beherrschen. (WBN
458)
Notwendig wäre also, diese ‘relative Identität’ der Formalisten durch eine
absolute zu ersetzen.
Zweitens entwickelt Hegel eine immanente Kritik, die allerdings auf
inzwischen bekannte Muster hinausläuft. Erstens sei es aussichtslos, von
Kants ‘absoluter praktischer Vernunft’ konkrete Inhalte zu erwarten. Ihr Status rühre daher, daß sie ‘eigene absolute Selbsttätigkeit und Autonomie’ bewahre (WBN 458); damit eine inhaltliche ‘Sittengesetzgebung’ verbinden zu
wollen sei ‘an sich widersprechend’ (WBN 461).
Insofern man anhand des Kriteriums der praktischen Vernunft (der
Universalisierbarkeit) versucht, Inhalte zu generieren, so zeigt es sich, daß
dieses auf jede beliebige Maxime anwendbar ist: ‘Es gibt gar nichts, was
nicht auf diese Weise zu einem sittlichen Gesetz gemacht werden könnte’
(WBN 461). Der kategorische Imperativ sei lediglich eine ‘analytische Einheit und Tautologie’ und somit ein ‘Prinzip der Unsittlichkeit’ (WBN 463)
und eine ‘Taschenspielerei’ (WBN 464).
Hegel versucht, diese leere immanente Dialektik anhand des Instituts
des Eigentums und des Gebotes der Armenhilfe aufzuzeigen. Privateigentum
ist gerade nicht verträglich mit universell gleichen Rechten (‘Das Eigentum
[ist] selbst unmittelbar der Allgemeinheit entgegengesetzt; ihr gleichgesetzt,
ist es aufgehoben’ - WBN 465). Ebenso verhält es sich mit der Armenhilfe.
Die Armenhilfe (als allgemeines Gebot) setzt ihre eigene Anwendungsmöglichkeit - nämlich das Bestehen von Armut - voraus. Damit aber verfestigt
und behauptet sie gerade das, wogegen sie sich in ihrem Anspruch wendet:
‘wenn Armut bleiben soll, damit die Pflicht, Armen zu helfen, ausgeübt werden könne, so wird durch jenes Bestehenlassen der Armut unmittelbar die
Pflicht nicht erfüllt’ (WBN 466).
Soweit die Kritik an Kant. Die Kritik an Fichtes Rechtstheorie verläuft analog. Auch dort sei die ‘Identität’ des Sittlichen verlorengegangen.
Hegel verweist auf Fichtes Ableitung der ‘Zwangsgesetze, oder Strafgesetze’
(WBN 471; Fichte, GdN, §§13-15). Fichte hatte argumentiert, daß Treue und
Glauben zwischen den Menschen nicht vorausgesetzt werden dürfen. Insofern sie ‘verloren gegangen’ sind (ibid, S. 138), müssen sie durch eine ‘mechanische Notwendigkeit’ (ibid. S. 144) des Rechts ersetzt werden. Diese
-5-
Mechanik wird dann so eingerichtet, daß ‘aus dem Wollen jedes unrechtmäßigen Zwecks notwendig, und nach einem stets wirksamen Gesetze, das
Gegenteil des Beabsichtigten erfolgte’ (ibid., 139).
Mit anderen Worten: die einheitliche ‘Identität’ des sittlich Handelnden (in diesem Fall, ‘Treue und Glauben zwischen den Personen, die miteinander leben’ - Fichte, GdN 138) fällt auseinander und wird ersetzt durch
Abstraktionen. Auf der allgemeinen Ebene werden die Normen ‘konstruiert’,
und auf der partikularen Anwendungsebene regiert der Zwang.
Dieser führt wiederum zu Widersprüchen, die mit denen der Kantischen Moral vergleichbar sind. Das Problem, so Hegel, ergibt sich in der
Administration des Zwanges und der Normenaufsicht durch den Staat. Weil
eben ‘Treu und Glauben’ in der Legalität keine Rolle spielen, sondern als
absolutes unpersönliches Normengeflecht jedem im Nacken stehen, darf die
Hierarchie der Beaufsichtigung bei keiner Einzelperson enden. Sonst würden nämlich Norm und Anwendung wieder in eine konkrete Singularität zusammenlaufen - und diese ‘Identität’ gilt es im Formalismus zu vermeiden.
Der höchste Punkt des Staates, so Hegel, ‘muß wie alle anderen Punkte dazu
gezwungen werden, daß er so nach dem Begriffe der allgemeinen Freiheit
zwingt’ (WBN 472). Sonst stünde seine Existenz im Widerspruch zum Systemgedanken: ‘Ein Punkt, der in diesem allgemeinen Systeme des Zwangs
nicht gezwungen würde, träte aus dem Prinzip und wäre transzendent.’
Die einzige Möglichkeit ist, daß die Macht bzw. die Zwangsaufsicht
geteilt wird, nämlich durch eine Form der Gewaltenteilung, wie sie unter
anderem in Fichtes ‘Ephorat’ vorgesehen wird (WBN 472, 475; Fichte, GdN
169 ff.). Dadurch wird jedoch entweder eine Pattsituation institutionalisiert
(‘ein vollkommenes perpetuum quietum’ - WBN 473), oder es setzt sich
trotz allem ein ‘Übermächtiger’ durch, womit das System auseinanderbricht.
‘Was hiermit gezeigt worden, ist, daß das Sittliche, welches nach dem Verhältnis allein gesetzt wird, oder die Äußerlichkeit und der Zwang, als Totalität gedacht, sich selbst aufhebt.’ (WBN 475)
4.
Die absolute Gegenwart
Der Formalismus, in Hegels Argument, beschäftigt sich mit einem abstrakten
Raum von Möglichkeiten. Um zur ‘wahrhaften Einheit der Anschauung’
(WBN 466) zu gelangen, muß man über die ständige Trennung von Möglichkeiten und Wirklichkeiten hinausgelangen und eine absolute Gegenwart instaurieren (WBN 467).
Das Sittliche, so lautet Hegels Auffassung, besteht gerade nicht in
dem begrifflichen Spiel mit Möglichkeiten. Die ‘Kraft der Sittlichkeit’ liegt
in ‘Anschauung und Gegenwart’, nicht in der ‘formalen Einheit und der Allgemeinheit’ (ibid.). Hegel nimmt als Beispiel der unmittelbaren Anschauung
den Schmerz:
Ein Schmerz, der ist, wird durch die Kraft der Anschauung aus der
-6-
Empfindung, in welcher ein Akzidenz und ein Zufälliges ist, in die
Einheit und in die Gestalt eines Objektiven und für sich seienden
Notwendigen erhoben und durch diese unmittelbare Einheit, die nicht
links und rechts an Möglichkeiten ... denkt, in seiner absoluten Gegenwart erhalten (ibid.)
In den Beziehungen der Menschen zueinander gilt das gleiche Prinzip.
Hegel nimmt Kants Beispiel des mir anvertrauten Depositums (WBN 468;
vgl. WBN 462). Kants ‘Beweis’ der Notwendigkeit des Vertrauens besteht
darin, daß er die angebliche Widersprüchlichkeit der allgemeinen Negation
zeigt - was wäre, wenn jeder ‘ein Depositum, dessen Niederlegung ihm niemand beweisen kann, ableugnen dürfe’? Hegels Erwiderung ist: Vertrauen
ist Vertrauen. Diese ‘reine Anschauung’ ist für sich adäquat und fest; gerade
‘die Einmischung der formalen Einheit und des Gedankens der Möglichkeit
anderer Bestimmungen’ sei von ihr ‘abzuhalten’. Daß ich das mir anvertraute Depositum nicht unterschlage, hat mit der Erwägung und Ablehnung
anderer ‘Möglichkeiten’ nichts zu tun.
Der Ausdruck der Anschauung enthält ein Dieses, eine lebendige Beziehung und absolute Gegenwart, mit welcher die Möglichkeit selbst
schlechthin verknüpft und eine davon getrennte Möglichkeit oder ein
Anderssein schlechthin vernichtet ist... (WBN 468)
Insgesamt, sagt Hegel, sei das Modell einer Wahl zwischen Möglichkeiten schlecht geeignet, das Wesen des Sittlichen zu erfassen. Die Freiheit
besteht nicht in der Wahl zwischen vorliegenden Optionen in einer abstrakten
Welt von Möglichkeiten. ‘Es ist die Ansicht der Freiheit völlig zu verwerfen, nach welcher sie eine Wahl sein soll zwischen entgegengesetzten
Bestimmtheiten.’ (WBN 476) Eine solche ‘Freiheit’ - die Freiheit etwa des
Konsumenten, sein Geld für diese oder für jene Ware auszugeben - sei letzendlich gar keine Freiheit, sondern ‘gemeine Notwendigkeit’: ‘So etwas wie
diese Möglichkeit der Wahl ist schlechthin eine empirische Freiheit, welche
eins ist mit der empirischen gemeinen Notwendigkeit und schlechthin nicht
von ihr trennbar.’ (WBN 477)
Entsprechend sei auch die Fichtesche Darstellung der Strafe als
Zwang und mechanische Umkehrung der Straftat abzulehnen. Das Wesen der
Strafe, so Hegel, ist Wiedervergeltung, denn diese allein erhebt sich über
den Zwang und wird zum ‘Bezwingen’ (WBN 479 f.). Das Verbrechen sei
eine einseitige Tat; ‘bezwungen’ wird sie jedoch nur, indem der Strafende
sie als freie, ‘negative Lebendigkeit’ (SdS 41) anerkennt und seinerseits
ebenfalls ‘frei’ handelt (WBN 480). Ein Verbrechen ist nicht lediglich eine
‘falsche’ Wahl unter dem Sortiment der im Normenkatalog feilgebotenen
Waren:
Wenn ... die Strafe als Zwang vorgestellt wird, so ist sie bloß als
eine Bestimmtheit und als etwas schlechthin Endliches, keine Vernünftigkeit in sich Führendes gesetzt und fällt ganz unter den gemeinen Begriff eines bestimmten Dinges, gegen ein Anderes, oder einer
-7-
Ware, für die etwas anderes, nämlich das Verbrechen zu erkaufen ist;
der Staat hält als richterliche Gewalt einen Markt mit Bestimmtheiten, die Verbrechen heißen und die ihm gegen andere Bestimmtheiten
feil sind, und das Gesetzbuch ist der Preiskourant. (WBN 480)
5.
Unmittelbarkeit und Tod
Wo sind Unmittelbarkeit und Gegenwart der Anschauung zu finden? Wie
sind diese Termini zu verstehen?
Daß die Unmittelbarkeit mit der Sittlichkeit in Verbindung gebracht
wird, dürfte unkontrovers sein. Im modernen Prozeßrecht zum Beispiel besagt der Grundsatz der Unmittelbarkeit, daß Parteien und Zeugen persönlich
vor dem Prozeßgericht verhandeln bzw. aussagen sollen (§128 ZPO; §250
StPO); Berichte aus zweiter Hand sind verboten oder zumindest in ihrer Beweiskraft nachgeordnet. 4 Grundsätzlich sind schriftliche Verhandlungen nur
in Ausnahmefällen oder mit Einwilligung der Betroffenen zulässig (vgl. auch
Art. 6 (3) EMRK).
In diesem Sinne ist eine Urteilsbestimmung rein nach den ‘Wahlmöglichkeiten’ eines Normenkatalogs in der Tat unsittlich. Das Verbrechen ist,
so Hegel, keine irrationale Wahl, sondern die volle Gegenwart einer freien
Tat. Insofern ist jede Handlung prinzipiell einzigartig und unvergleichbar;
und nur in der Unmittelbarkeit der Anschauung ist sie überhaupt zu verstehen.
Die meisten Handlungen erfolgen allerdings unter dem Druck der ‘gemeinen Notwendigkeit’, d.h. unter dem Zwang, eine von vornherein beschränkte Wahl zu ergreifen. Was das Verbrechen kennzeichnet ist, erstens,
daß es aus dem Bann solcher verordneten Notwendigkeiten herausbricht. Es
definiert sich geradezu auf dem Hintergrund des abstrakten Zwanges - ‘die
innere Quelle des Verbrechens ist der Zwang des Rechts’ (JSE III, 215).
Der Verbrecher wird (in Hegels Darstellung) nicht von der gemeinen Notwendigkeit seiner ‘tierischen Bedürfnisse’ getrieben, sondern von dem ‘Wiederherstellen seines einzelnen Willens zur Macht, zum Gelten, zum Anerkanntsein; er will Etwas sein, (wie Herostrat) nicht gerade berühmt, sondern
daß er seinen Willen zum Trotz dem allgemeinen Willen ausgeführt hat.’
Zweitens führt das Verbrechen (für Hegel und in der damaligen Zeit)
dazu, daß es die Gefahr des Todes heraufbeschwört. Der Verbrecher muß
unter Umständen mit der Todesstrafe rechnen. Gerade damit behauptet er
jedoch seine Freiheit von aller ‘gemeinen Notwendigkeit’, und zwar auf eine
reellere Weise, als es in der abstrakten ‘Autonomie’ Kants jemals möglich
war. Das Subjekt kann seinen eigenen Tod riskieren; und nur in dieser ‘Fähigkeit des Todes’ vindiziert es seine Freiheit uneingeschränkt :
4
Die Unmittelbarkeit, vor allem in Gestalt des Verbotes des Hörensagens, spielt
im Common Law eine größere Rolle als in kontinentalen Rechtssystemen (zur Zulässigkeit
des Hörensagens vor deutschen Strafgerichten, vgl. § 250 Rn 4 StPO).
-8-
Dies negativ Absolute, die reine Freiheit, ist in ihrer Erscheinung der
Tod, und durch die Fähigkeit des Todes erweist sich das Subjekt als
frei und schlechthin über allen Zwang erhaben. Er ist die absolute
Bezwingung... (WBN 479)
Die wahre Unmittelbarkeit des Sittlichen ist also, zumindest auf dieser Stufe, in der Nachbarschaft des Todes zu orten. Wie ist diese Nachbarschaft praktisch und philosophisch zu verstehen?
6.
‘Festhalten’ des Todes; Organizismus
Der Tod ist konkret und führt zu einer Identität von Freiheit und Realität.
Der Tod als ‘absolute Bezwingung’ bedeutet aber kaum einen Fortschritt
über die formalistische Freiheit Kantischer Prägung hinaus. Mit dem Tode
habe ich mich zwar von allem Zufälligen befreit; es bleibt mir aber nichts als
die trotzige Befriedigung eines mehr oder weniger verzweifelten Abschlusses.
Der Tod hat als vollendetes Ereignis keine Dauer. Er ist eine Grenze, aber kein Zustand. Er hat keinen bleibenden sinnlichen Inhalt, und ist in
dem Sinne keine ‘Anschauung’. Vonnöten ist aber, daß man bei dem Negativen ‘verweile’, sagt Hegel; ‘das Tote festzuhalten [ist] das, was die größte
Kraft erfordert’ (PhG 36).
Die Verwirklichung der Freiheit erfordert, erstens, konkrete Handlungen, sowie, zweitens, solche die sich nicht auf den Rahmen des ‘gemein
Notwendigen’ beschränken. Handeln kann nur ein Individuum; dort artikuliert sich die Freiheit. Die auf den Tod ausgerichtete individuelle Handlung
ist in der Tat eine, die das gemein Notwendige überschreitet.
Der Tod des Individuums ist aber ein Extrem - eine Handlung, die
die Möglichkeit jeder weiteren Handlung ausschließt. Diese auf den Tod
ausgerichtete Handlung kann jedoch verteilt werden. Dazu bedarf es eines
distributiven Begriffs vom Individuum. Diesen stellt Hegel zur Verfügung;
man findet ihn in seinem Organizismus, wonach ‘das Individuum’ grundsätzlich nicht als natürliche Einzelheit, sondern als gegliedertes Ganzes aufzufassen ist. ‘Nur in der Organisation [ist] Totalität, das Positive der Sittlichkeit’
(WBN 478).
Ein gegliedertes Ganze bildet grundsätzlich nicht der Einzelne, sondern nur die Gemeinschaft. Der Einzelne ist ein Punkt, ein Atom, ohne Substanz; dagegen entfaltet die Gemeinschaft, etwa als Volk, das ‘reiche Leben’.
Gerade die Unfähigkeit zur ‘Organisation’ ist das, was Hegel am formalistischen Staatsbegriff bemängelt:
jener Verstandesstaat ist nicht eine Organisation, sondern eine Maschine, das Volk nicht der organische Körper eines gemeinsamen und
reichen Lebens, sondern eine atomistische lebensarme Vielheit. (Diff.
87)
Das Volk, so Hegel unter Berufung auf Aristoteles, ist ‘eher der Natur nach
-9-
als der Einzelne’ (WBN 505).
Insofern ist das sittlich handelnde Individuum zunächst als Gemeinschaft aufzufassen; und das Extrem des einzelnen Todes wird aufgehoben im
kollektiven Überleben des Volkes. Die bei den Einzelnen angesiedelte ‘Fähigkeit des Todes’ wird damit zu einer konstitutiven Bedingung der Gemeinschaft - und zwar im Krieg.
Hegels Argument lautet wie folgt: Sittlichkeit offenbart sich nur in
der freien individuellen Handlung. Nur dort artikuliert sich eine ‘Identität’
zwischen freiem Willen und konkreter Realität. Dieses ‘Individuum’ ist jedoch (zunächst) nicht als Einzelner aufzufassen, denn der ist immer mehr
oder weniger der gemeinen Notwendigkeit (der verstandesmäßigen Wahl)
unterworfen. Freie Selbstgestaltung in vollendeter Sittlichkeit bleibt der Gemeinschaft vorbehalten, und das auch nur dann, wenn diese sich gegen die
Allgemeinheit absetzt. Konkret bedeutet dieses Sichabsetzen den Krieg.
Und damit schließt sich der Kreis; denn im Krieg verteilt sich auf die Einzelnen derjenige Tod, der für das Individuum konstitutiv ist, ohne aber dieses
gleich Individuum zu vernichten.
Dieses Argument wird von Hegel in verwundener Sprache am Anfang des dritten Abschnittes des Naturrechtsaufsatzes vorgestellt (WBN
481f.). Das sittliche ‘Bezwingen’, das als Tod erscheint, bezieht sich nun
‘nicht auf einzelne Bestimmtheiten..., sondern auf die ganze Wirklichkeit und
Möglichkeit [der Sittlichkeit], nämlich das Leben selbst’. Diese Ganzheit
des Lebens ist mit dem ‘Volk’, dem der Einzelne angehört, zu identifizieren.
Seine Zugehörigkeit erweist der Einzelne allein ‘im Negativen, durch die
Gefahr des Todes ..., auf eine unzweideutige Art’.
Daß der Einzelne sich dieser Gefahr aussetzen muß, ergibt sich auch
unmittelbar aus dem ‘ausschließenden’ Verhältnis der Völker zueinander; in
deren Kollision wird die ‘absolute formale Tugend, welche die Tapferkeit
ist’ vom Volksmitglied verlangt. Aus diesen beiden Strähnen - nämlich, daß
sich die freie Sittlichkeit nur im organischen Individuum entfaltet, sowie daß
die Freiheit nur in der absoluten Auslöschung des Zufälligen sich zeigt - ergibt sich dann die ‘Notwendigkeit des Krieges’, die Hegel in den anfangs
zitierten Worten dann lobt.
7.
Priorität des Staates
Insofern ist die soldatische Tapferkeit im Kampf ein erstes ‘Aufheben’ des
Todes als Extrem. Im Kampf zeigt der Soldat, daß er an weltlichen Dingen
nicht festhält. Die Gefahr des Todes ist zwar reell, und diese Wirklichkeit
werden viele der Kämpfenden nicht überleben. Dennoch bleibt das sittliche
Individuum - das Volk - erhalten, gestärkt, und geläutert, wenn nicht sogar
konstituiert durch die Todesgefahr im Kampf. Im Krieg ‘verweilt’ das Volk
im Angesicht des Todes, kehrt ihn zu einem Bestandteil ihres Seins um, und
muß das Sein selbst nicht vernichten (vgl. PhG 36).
Es ist deutlich, daß Hegel auch später an der kollektiv-organischen
Auslegung des ‘Individuums’ festhält. In der Rechtsphilosophie erscheint es
-10-
bekanntlich im Staat, dem ‘Gang Gottes in der Welt’ (§258 Zus.), der nach
wie vor als organisierte Individualität dargestellt wird (§271; zum Prinzip
des Organismus vgl. auch §278).
Problematisch ist allerdings, inwiefern Volk oder Staat tatsächlich
als reell handelndes Individuum zu verstehen sind. Dieses Problem hat zwei
Aspekte. Erstens ist auch Hegel klar, daß ein Kollektiv zunächst nur metaphorisch als Individuum bezeichnet werden kann. 5 Selbst wenn beispielsweise der gemeinsame Vorsatz eines kriegsführenden Volkes nachgewiesen
werden könnte, heißt dies noch lange nicht, daß anhand dieses Modells eine
durchgehende Identität auch in Friedenszeiten gegeben wäre. Wohl auch in
Anerkennung dieser Tatsache hat Hegel in der Rechtsphilosophie zwischen
‘Individualität’ des Staates und ‘Individuum’ des Monarchen unterschieden
(§279) - nur letzterer, indem er die partikulare Entscheidung fällt, ist der
eigentliche Akteur.
Zweitens ist das einseitige Festhalten am ‘Volk’ tendenziell ein
Rückfall in just diejenigen fixen Bestimmungen, die Hegels Ontologie vom
Ansatz her vermeiden wollte (WBN 454). In dem Maße, wie ‘das Volk’
nicht handelt, sondern nur eine vorhandene natürliche Einheit ist, ist es keine
selbstkonstituierende Individualität mehr. Es fehlt ihm die Eigenschaft ‘der
Bewegung und der Veränderung’. Es wird zu einer toten Allgemeinheit, das
zwar gegenüber der formalistischen anschaulich ist, aber nicht in Hegels
erklärtem Sinne selbsttotalisierend handelt. 6
Entsprechend stellt der Krieg nur die halbe Wahrheit über den identitätsstiftenden Kampf dar. In den Schriften der Jenaer Zeit, die nach dem Naturrechtsaufsatz entstanden sind, setzt sich der individuelle Kampf als konstitutive Dynamik immer mehr durch. 7
8.
Kampf, Gesellschaft und Anerkennung
In Hegels Jenaer Schriften wird der Kampf zunehmend individualisiert;
5
Die distributive Zurechnung von Vorsatz beispielsweise ist denkbar und (im
‘corporate liability’ des common law) möglich. Sie hält sich jedoch an strenge Regeln und
gilt im wesentlichen nur fallweise. Daß man ein Volk allein unter Berücksichtigung seines
Status kollektiv zur Rechenschaft zieht, ist (wie die neuere Geschichte mit erschreckender
Deutlichkeit zeigt) vollends inakzeptabel. Nur der nachweislich in bestimmbaren Taten
mündende Vorsatz berechtigt dazu, ein Kollektiv zu bestrafen.
6
Vgl. hierzu auch Siep 1979: ‘Statt einer völligen Wechselseitigkeit von einzelnem
und allgemeinem Selbst zeigen die Institutionen des Staates schließlich doch ein “Primat”
der Allgemeinheit.’ (23)
7
Diese Entwicklung erreicht mit der Phänomenologie des Geistes ihren
Höhepunkt aber auch ihren Abschluß. Danach wird der individuelle Kampf als überholtes
Moment der Vorgeschichte wieder stark relativiert (insbesondere in der Enzyklopädie); der
Primat des Staates und der staatlichen Gewalt wird wieder hervorgehoben.
-11-
gleichzeitig verringert sich sein praktischer Gehalt und er geht zunehmend auf
in Hegels theoretischer Philosophie.8 Diese beiden Momente sind systematisch verbunden.
Wie wir gesehen haben, erscheint der Kampf zunächst als Dynamisierung des Todesmotivs. Nur im Tode erscheint die lebendige Freiheit; da
aber die unmittelbare Herbeiführung des Todes nur im Gegenteil von Lebendigkeit enden kann,9 wird der Tod ‘aufgehoben’, vermittelt und verteilt; zunächst im Kampf, dann im kollektiven, soldatischen Kampf - im Krieg. In
diesem Kontext ist es möglich, im Angesicht des Negativen zu verweilen,
bzw. den Tod ‘festzuhalten’, ohne damit gleich die Lebendigkeit auszuschalten.
Ergänzt wird die kollektivistische Aufhebung des Todes durch ein
weiteres Motiv, das im Naturrechtsaufsatz gleich auf die Einführung des
Krieges folgt - nämlich im Aufbau der Gesellschaft selbst. Im genannten
Aufsatz wird die Organisation der Gesellschaft anhand der Orientierung der
Beteiligten zum Kampf nachvollzogen (oder deduziert - es soll ‘nach der
absoluten Notwendigkeit des Sittlichen’ erfolgen). Die grundsätzliche Unterteilung entsteht zwischen dem ‘Stand der Freien’ einerseits, deren ‘Arbeit’
‘auf den Tod’ geht, nämlich ‘zur Erhaltung des Ganzen der sittlichen Organisation’, sowie andererseits dem ‘Stand der nicht Freien’, ‘dessen Arbeit auf
die Einzelheit geht und also die Gefahr des Todes nicht in sich schließt’
(WBN 489). Den Stand der Freien bilden die wehrhaften Aristokraten; die
Unfreien sind die Gewerbetreibenden, die an ‘Besitz und Eigentum’ gebunden sind. Einen dritten Stand bildet das Agrarproletariat, das auch nach seiner Kampffähigkeit beurteilt wird, denn es hat, so Hegel, ‘seine Leiber und
seinen Geist in der Möglichkeit formeller absoluter Sittlichkeit, der Tapferkeit und eines gewaltsamen Todes’ erhalten, wodurch er in der Lage ist, im
Ernstfall dem ersten Stand beizustehen (WBN 490; SdS 68).
Diese Unterscheidung zwischen den todesmutigen Kämpfern und den
verbissenen gewerbetreibenden Egoisten bleibt in Hegels Gesellschaftstheorie durchgehend erhalten. Sie bildet noch die Grundlage für die Unterscheidung der Rechtsphilosophie zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft
(wobei sie dort etwas abgemildert wird: ‘Die wahre Tapferkeit gebildeter
Völker ist das bereitsein zur Aufopferung im Dienste des Staates ... Nicht
der persönliche Mut, sondern die Einordnung in das Allgemeine ist hier das
Wichtige’ (§327, Zus.) Dieses Kriterium könnten vermutlich sogar noch die
Staatsdiener, - ‘der allgemeine Stand, der vom Staat wesentlich abhängt’
(§306 Zus.) - erfüllen.).10
Die Gewerbetreibenden, sei es hier vermerkt, leben durchaus in ei8
Vgl. generell Horstmann in der ‘Einleitung’ zu JSE III. Aus eben diesem Grund daß in der Phänomenologie der ehemals praktische Kampf von einer theoretischen
‘Bewußtseinsphilosophie’ absorbiert worden ist - wird der abschließende Jenaer Text von
Honneth nicht mehr beachtet (vgl. Honneth 1992, 62, 102).
9
Das ‘bis zu seiner Aufhebung getriebene Verhältnis des Bezwingens oder der freie
gewaltsame Tod’ ist zwar Freiheit, aber nur in ihrer ‘höchsten Abstraktion’ - WBN 500.
10
Zur Thematik insgesamt vgl. Horstmann 1974.
-12-
nem Zustand des Anerkanntseins. Die Anerkennung ist ein wesentliches
Element des von Fichte vorgetragenen und von Hegel bekämpften ‘Naturrechts’.11 Diese Anerkennung ist auch die Basis für die Deduktion der
Gleichheit bzw. der Symmetrie. Sie ist ein Operationalisieren der goldenen
Regel - ‘behandle mich, so wie du von mir behandelt werden willst’. Und
sie findet ihre direkte Anwendung in den Verhältnissen des ‘Systems der Bedürfnisse’, wo sich die Mitglieder des zweiten, unfreien Standes aufhalten.
Do ut des; Reziprozität und Äquivalenz des Tauschverhältnisses sind geradezu vorbildlich für diese Art der Anerkennung zwischen Gleichen. Dort, so
Hegel, gründet sich die Möglichkeit von Wert und Eigentum:
Nur weil der Andere seine Sache losschlägt, tue ich es - und diese
Gleichheit im Dinge, als sein Inneres, ist sein WERT, der vollkommen meine Einstimmung und die Meinung des Anderen hat ... und
mein [Willen] gilt als wirklicher, daseiender, das Anerkanntsein ist
das Dasein: dadurch gilt mein Willen, besitze ich, der Besitz ist in
Eigentum verwandelt. (JSE III 208; vgl. auch SdS 32)
9.
Der individuelle Kampf
Der Kampf geht jedoch über die bürgerliche Anerkennung hinaus. Anerkennung verwirklicht sich auch ohne Kampf. Für die Anerkennung unter der
Bourgeoisie reicht die gegenseitig artikulierte ‘Begierde’ aus (JSE III, 205;
vgl. auch SdS 65). Der Kampf, in dem die eigentliche Freiheit sich erst artikuliert, bricht aus der Symmetrie heraus. Daß symmetrische Anerkennung für
die ‘Individuation’ der Völker keine Vorbedingung ist, ist offensichtlich,
denn dafür wäre der Krieg kein geeignetes Mittel. Symmetrie ist aber auch
kein Element der Kämpfe, die auf individueller Ebene ausgefochten werden,
nämlich das Verbrechen und der Zweikampf (der Kampf um Ehre).
Dem Verbrechen sind wir bereits begegnet. Dort geht es um die unmittelbare Selbstbehauptung als ein nicht vom Recht erfaßbares lebendiges
Selbst. Das Bestehen des Rechts ist der Auslöser der verbrecherischen Tat;
im Verbrechen, und vor allem in der Strafe, entsteht Freiheit oder wird sie
gemacht (JSE III 215; WBN 480).
In der Wechselwirkung von Verbrechen und Strafe spielt allerdings
immer noch die Allgemeinheit, der Staat, mit. Im Kampf um Ehre ist dies
nicht mehr der Fall. Der Kampf um Ehre ist weder ein Aufgehen im Staat
(wie im Krieg), noch ein Kampf gegen ihn (wie im Verbrechen). Der Zweikampf ist ein rein individueller Kampf. Er wird von Hegel unter dem Gesichtspunkt der Ehre beschrieben. Dieser Kampf hat folgende ‘Logik’:
Es geht, erstens, um alles. Die Kollision um die Ehre ist konstitutiv
für die ‘Person’ schlechthin: ‘Durch die Ehre wird das Einzelne zu einem
Ganzen und Persönlichen’ (SdS 47). Die Ehre ist daher wichtiger als mein
Leben, weil ich ohne Ehre nichts habe, daß Subjekt des Lebens sein könnte.
Ein ‘Selbsterhaltungstrieb’ ohne Ehre ist ein Widerspruch, denn ohne Ehre
11
Vgl. Siep 1979.
-13-
gibt es kein Selbst, das man noch erhalten könnte.12
Folglich fällt der Kampf um Ehre außerhalb der bestehenden Bestimmungen der Gerechtigkeit. Wenn ich mich vom Kampf abwende, habe ich
ohnehin alles verloren; das Gesetz kann mich nicht mehr entschädigen. Anders gesagt: die Kampfrelation ist konstitutiv für die Sphäre, innerhalb derer
gesetzliche Regelungen erst greifen können.
Von der Gerechtigkeit der Veranlassung eines solchen Kampfs kann
nicht die Rede sein; sowie der Kampf als solcher eintritt, ist die Gerechtigkeit auf beiden [Seiten]... (SdS 47)
Zweitens geht es in dieser Kollision um einen Vorgang mit offenem
Ausgang. Die Kontrahenten wissen nicht, ob sie siegen werden oder nicht.
Es steht alles ‘auf dem Spiel’, im Sinne eines Glücksspiels. Deswegen setzen sich beide gleichermaßen der ‘Gefahr’ aus: ‘es ist die Gleichheit der
Gefahr gesetzt, und zwar der freisten, weil das Ganze auf dem Spiel steht’
(ibid.). Dagegen sind schlichte Unterdrückung und Mord kein ‘Kampf’ in
Hegels Sinn: sie sind nämlich ‘Angriff und Verletzung auf eine Weise, durch
welche schlechthin aller Kampf aufgehoben wird, dem andern es unmöglich
ist, sich vorzusehen, und hiedurch den Kampf zu setzen’ (SdS 48).
Drittens ist der Kampf eine Entscheidung; er bewirkt eine äußerlich
wahrnehmbare Veränderung im Zustand der Dinge. Dies zeigt sich darin,
daß die Kämpfenden etwas bestimmtes als Wetteinsatz ‘wagen’ (JSE I, 220)
oder ‘daransetzen’ (PhG 149). Im Zweikampf ist dies das Leben - ein Einsatz, der gleichzeitig auch die Unabhängigkeit von allen Bestimmtheiten und
Besonderheiten dokumentiert. Wo keiner nachgibt, verfällt dieser Einsatz
dadurch, daß der eine oder andere Kämpfer sterben muß. Sein ‘Einsatz’ war
sein natürliches Leben; diesen hat er somit im ‘Spiel’ verloren. Wo einer
nachgibt, oder wo der Wetteinsatz nicht gleich ‘auf das Ganze’ geht, wird
der Ausgang des Kampfes ebenfalls markiert, allerdings dann ohne den Tod
eines Teilnehmers. Vor allem wird das dann eintreten, wenn einer die Sklaverei dem Tode vorzieht.
Denkbar ist allerdings, daß Wagnisse auch mit weniger drastischem
Wetteinsatz noch konstitutiv wirken mögen. 13 Daß ein Kartenspieler seine
‘Ehre’ verlieren kann, auch wenn er längst noch nicht mit seinem Leben als
Einsatz spielt, ist offensichtlich. In einem zutreffenden Sinne ist auch der
12
Der Kampf um Ehre hat, wie Siep (1974) mit Recht betont, nichts mit dem
natürlichen Selbsterhaltungstrieb zu tun (etwa S. 182). In dem Sinne versucht er auch Hegel
von Hobbes abzusetzen, dessen Leviathan nach seiner Darstellung vom Primat des
Selbsterhaltungstriebes ausgehen soll (156f.). Dies wage ich angesichts der
machtbezogenen Anthropologie von Hobbes zu bezweifeln: ‘I put for a generall inclination
of all mankind, a perpetuall and restlesse desire of Power after power, that ceaseth onely in
Death’ (Hobbes, Leviathan 70). Darauf basiert die umfassende Analytik von Macht und
Ehre in Kapitel 10 des Werkes.
13
Wie auch Siep anmerkt: ‘Es fragt sich ..., ob von der Absicht der Realphilosophie
von 1805/6 her in diesem Kampf jeder den Tod des Anderen anstreben muß’ (Siep 1974,
186).
-14-
berufliche Kampf einer, wo die relative Bescheidenheit einzelner ‘Einsätze’
die konstitutive Wirkung des ganzen nicht beeinträchtigen. Hegels Insistenz
darauf, daß es in jedem echten Kampf immer nur um Leben und Tod geht,
trägt zu einem erheblichen Teil dazu bei, daß nach der Jenaer Periode die
Logik des Kampfes doch nur der sittlichen Vorgeschichte zugeordnet werden
muß.
Entscheidend ist auf jeden Fall, daß mit der ‘Ehre’ etwas Substantielles - die Person - quasi ex nihilo entsteht. Die in der Ehre konstituierte Person ist weder natürlich, noch wird sie in einer formalen Automatik der
‘Anerkennung’ konstruiert. Vor der Person ist nichts; erst in der Absetzung
von Gefahr und Einsatz entsteht sie - und das auf dem Hintergrund der absoluten Ungewißheit. Hier verwirklicht sich das Selbst in radikaler Eigentätigkeit. 14
10.
Wandlungen der Jenaer Metaphysik
Die Individualisierung des Kampfmotivs, die in den aufeinanderfolgenden
Schriften der Jenaer Zeit festzustellen ist, findet einen Gegenpart in Hegels
wandelnden systematischen Auffassungen. Diese zeigen sich zunehmend
agnostisch dem ‘Absoluten’ gegenüber und stellen immer stärker ab auf eine
partikularistische Ontologie. Das heißt: Ziel und Krönung der Schöpfung ist
weniger die Emanation eines schon immer präsenten universellen Wesens,
als die eher unsystematische Geschichte einer individuellen Selbstentfaltung.
Die ‘Organisation’, die in der Differenzschrift noch in jedem Staubkorn seminal vorhanden war (Diff 97), zeigt sich später schlicht als Eigenschaft des
nichtuniversalisierbaren, eigenbegrifflich entstandenen Individuums.
Diese Entwicklung artikuliert sich bekanntlich in Hegels Abwendung
von Schelling. Das offenkundige Problem, mit dem die Differenzschrift endet, ist die Frage, wie das Programm der ‘absoluten’ Philosophie zu realisieren ist. Das Überwinden des einseitigen Subjektivismus von Kant und Fichte
erscheint durchaus anstrebenswert.
Es hilft nichts, daß [Fichtes] Ich lauter Leben und Agilität, das Tun
und Handeln selbst ist, das Allerrealste, Unmittelbarste im Bewußtsein eines jeden; sowie es dem Objekt absolute entgegengesetzt wird,
ist es kein Reales, sondern ein nur Gedachtes, ein reines Produkt der
Reflexion, eine bloße Form des Erkennens. Und aus bloßen Reflexionsprodukten kann sich die Identität nicht als Totalität konstruieren
... (Diff 98)
Woraus aber soll sich diese Identität konstruieren? Wo soll die Identität des
Systems der Natur und des Systems des Intelligenz ( Diff 100) sichtbar werden? Für den Begriffsmenschen Hegel darf diese Anschauung nicht in
14
Vgl. Vossenkuhl 1997, S. 86: ‘Nur ich allein kann von mir verlangen, einen
verantwortbaren Lebensentwurf zu wählen. Ein moralischer Zwang zum eigenen Leben hätte
keine Grundlage. Individualismus darf nicht verordnet werden.’
-15-
‘Schwärmerei’ (Diff 95) ausarten, und die Grenzen der Erkenntnis dürfen nur
‘wissenschaftlich’ aufgehoben werden (Diff 114). Der Ort dieser Aufhebung
jedoch zeigt sich vornehmlich in Kunst und Religion, sowie in einer ‘Spekulation’, für die das Absolute ‘als das ursprüngliche Absolute Sein’ gesetzt wird,
‘das nur werden kann, insofern es ist’ (Diff 113). Die Praxis dieser philosophierenden Kunst bzw. dieser ‘Spekulation’ sei dann: ‘in ihrem Wesen der
Gottesdienst, - beides ein lebendiges Anschauen des absoluten Lebens und
somit ein Einssein mit ihm.’
Die systematischen Unzulänglichkeiten dieser Position sind klar genug; und Hegels eigene Ablehnung des Modells des ‘Absoluten’ in der Vorrede zur Phänomenologie holt nur nach, was ihm sicher bereits nach Abfassung der Differenzschrift schon deutlich geworden war. Vor allem der Anspruch, alle möglichen Entitäten und Erkenntnisinhalte im Absoluten zu vereinen sei schlicht eine ‘Naivität’ (PhG 22).
Wie sich die Abkehr von Schelling im einzelnen artikuliert, ist gewissermaßen noch bestritten. Über das Ergebnis herrscht jedoch seit Horstmanns ‘Probleme der Wandlung in Hegels Jenaer Systemkonzeption’ (Horstmann 1972) eine gewisse Einigkeit. Die Phänomenologie, als Ergebnis
dieser Wandlungen, soll nun eine Rückkehr zu Fichtes Subjektphilosophie
darstellen in Form einer ‘Verselbstung’ des metaphysischen Grundansatzes
(wie Horstmann es in Anlehnung an Nadler nennt - S. 115). Die erstrebte
und doch nur in der ‘Kunst’ zu erreichende Identifizierung von Natur und
Geist soll nun aufgehoben werden in der Einheitlichkeit einer Bewußtseinsphilosophie. Anstelle einer grandiosen - und notwendigerweise religiös
angehauchten - ‘Anschauung’ des ‘Absoluten’, beschränkt sich Hegel nun auf
eine Philosophie, die die Dynamik der entstehenden Erkenntnis nachzeichnet.
Materiellen Inhalt hat diese Philosophie, weil sich das Bewußtsein unter
konkretem Aspekt als ‘Selbst’ betrachten läßt. In der Entstehung des Selbst
lassen sich ferner die allgemeinen Kategorien des Seins nachvollziehen,
denn der ‘Geist’, der quasi ein abermals konkretisiertes und unendlich vergrößertes Selbst ist und dadurch für das Absolute einstehen kann, verwirklicht sich in Bahnen, die denen des einzelnen Selbst entsprechen. ‘Alle Bestimmungen des Geistes [sind] Bestimmungen des Selbst’ (Horstmann 1972,
S. 116).
Unbefriedigend an dieser Darstellung ist, daß sie einen Rückzug Hegels gegenüber seiner früheren anti-subjektivistischen Position unterstellt.
Zweitens ist diese unvermittelte Substanzialisierung des ‘Selbst’ und erst
recht des ‘Geistes’ kaum ein Fortschritt gegenüber dem früheren Spinozismus (Diff 106; Horstmann spricht von ‘Substanzmetaphysik’, JSE III, ‘Einleitung’, xi). Drittens bedeutet es, wie Honneth anmahnt, ein empfindlicher
Verlust der Sozialphilosophie, wenn die diesbezüglichen Elemente nun
durchgehend einer Bewußtseinsphilosophie geopfert werden sollen.
Unsere Auffassung differiert von der genannten, insofern wir das Bild
eines generellen Rückzuges auf die Bewußtseinsebene abmildern möchten.
Hegels Darstellung bleibt nach wie vor eine ‘identitätsphilosophische’ in
dem Sinne, daß es ihm um reale Zustände geht. Verändert hat sich in der
Phänomenologie vor allem, daß die realen Zustände nicht mehr so systemhaft sind, wie es Hegel noch in der Differenzschrift vorschwebte. Das ist
-16-
vor allem an der Interpretation des Widerspruchs und der Gegensätze erkennbar. Während er in der früheren Schrift diese noch als Hinweise auf das
‘Absolute’ verstand, wo alles in Eintracht und Harmonie enden sollte,15 ist in
der Phänomenologie die Bewegung selbst viel deutlicher zum unauslöslichen Bestandteil aller Realität geworden. Bewegung und Veränderung sind
in dem Sinne das ‘Absolute’; es gibt, im Gegensatz zur Auffassung der Differenzschrift, kein ‘ursprüngliches Sein’ mehr, ‘das nur werden kann, insofern
es ist’ (Diff 113). Alles ist Werden; das Sein ist immer nur sekundär, provisorisch, abgeleitet.
Dies zeigt sich in der Ablehnung des Vereinheitlichungsanspruchs
des ‘Absoluten’ (PhG 22), in der Bestimmung der Substanz als Subjekt (PhG
30), und in der Bestimmung dessen wiederum als ‘Unruhe’ (PhG 26), als
‘Bewegung’ (PhG 27), und nicht als ‘festen Punkt’ (ibid.). Die angestrebte
Identität zwischen Intelligenz und Natur wird hier erreicht, indem jetzt weder
der eine noch der andere Pol über fixe Bestimmungen verfügt. Objektivität
ist nicht mehr kategorisch und fest, sondern beweglich; und Inneres und Äußeres entstehen gleichermaßen in einer Logik des Werdens. Der ‘Formalismus’ - die fixe Gegenüberstellung einer außenweltlichen Mannigfaltigkeit
und einer intellektuellen Kategorialität16 - wird damit endgültig aufgehoben.
Gleichzeitig wird aber der Kern des ‘Spinozismus’ aufgegeben - nämlich der
Gedanke, daß auch die Realität systematisch sei und letztendlich intellektuell ergründbar. Denn die Bewegungsmetaphorik der Phänomenologie impliziert einen Partikularismus, wenn nicht sogar einen ontologischen Atomismus.
11.
Logik der Bewegung
Die Logik der Bewegung, die in der Phänomenologie ihren vollständigsten
Ausdruck findet, hat drei Elemente: das Prinzip des ‘haltungslosen Sturzes’;
das Prinzip der Selbstkonstitution; sowie das Prinzip der reellen Entgegensetzung.
Haltungsloser Sturz. Daß die Erfahrungsinhalte zunächst ‘haltungslos’ sind,
hat Hegel bereits in der Differenzschrift angedeutet (Diff 45). Dort geht es
allerdings vornehmlich um die Inadäquanz des ‘Räsonierens’ bzw. der ‘verständigen Mannigfaltigkeit’, der durch die Bezugnahme der wahrhaften Philosophie auf ‘das Absolute’ abgeholfen werden soll. In der Phänomenologie
erreicht die Haltungslosigkeit jedoch einen eigenen ontologischen Status.
Die verstandesmäßigen Elemente, die ‘haltungslos stürzen’ (PhG 115), tun
es nicht als Vorboten einer späteren Erleuchtung, sondern als Wesensmerk-
15
‘Das Bedürfnis der Philosophie kann sich darin befriedigen, zum Prinzip der
Vernichtung aller fixierten Entgegensetzung und zu der Beziehung des Beschränkten auf das
Absolute durchgedrungen zu sein.’ (Diff 45)
16
‘Das Prinzip der dem Empirischen sich entgegensetzenden Apriorität’ - WBN
453.
-17-
male der Erkenntnis selbst. Wahrheit ist Bewegung und Veränderung - nicht
aber als geistige Selbstkasteiung, sondern weil die Realität eben so ist. Das
Leben (die Wirklichkeit) ist ‘reine Unruhe’ (PhG 46); und ‘das Verschwindende ist vielmehr selbst als wesentlich zu betrachten’. In den bekannten
Worten:
Die Erscheinung ist das Entstehen und Vergehen, das selbst nicht entsteht und vergeht, sondern an sich ist und die Wirklichkeit und Bewegung des Lebens der Wahrheit ausmacht. Das Wahre ist so der bacchantische Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist... (PhG 46)
Dies ist kein Wortspiel, das - wie in der Differenzschrift - das Werden doch
wieder als Emanation des wahrhaften Seins zu vereinnahmen versucht. 17
Was ‘an sich ist’, ist nur Bewegung und Veränderung. Insofern man das als
allgemeine Eigenschaft des ‘Seins’ - in dem Sinne also als Ontologie - erfaßt, hat man ‘die Wahrheit’ begriffen. Damit hat man jedoch keinen kosmischen Demiurg in der Hand, sondern nur die sehr bescheidene Einsicht,
daß alle Dinge im Fluß sind.
Selbstkonstitution; Unhintergehbarkeit. Die ‘Unruhe’ und ‘Bewegung’ des
Seins sind immanent. Würde man sie auf äußerliche Prinzipien reduzieren
wollen - etwa auf allgemeine kategoriale Notwendigkeiten - , so würde die
intrinsische Partikularität und Regelfreiheit des Seins verlorengehen. Die
Entwicklung der Realität, so Hegel bereits in der Differenzschrift, hat ‘keinen Grund außer sich’ (Diff 46).
Dort allerdings hatte das Sein noch ein sehr betontes Entwicklungsziel, das insofern - obwohl immanent - seine allgemeine kategoriale Notwendigkeit auf das gesamte ‘System’ erstreckte. Hier liegt die Begründung für
die ständige Bezugnahme der Differenzschrift auf ‘das Absolute’ als Erklärungsinstanz der ganzen Realität. In der früheren Darstellung fungiert das
Absolute als die abschließende ‘Totalität’, in Bezug auf welche sich alles
Beschränkte und Vorübergehende ‘konstruiert’.18
In der Phänomenologie wird die Immanenz der Regeln des Selbst
ebenfalls betont. Gefordert, so Hegel, wird ‘der aus sich entspringende
Reichtum und sich selbst bestimmende Unterschied der Gestalten’ (PhG 21).
Es gibt, so könnte man sagen, keinen Standpunkt außerhalb der Geschichte.
Daraus folgt aber nicht, daß ‘die Geschichte’ selbst als Systemersatz einspringen muß. Die teleologische Ausrichtung von Hegels Historizismus ist
im Vergleich zur Differenzschrift stark abgeschwächt. ‘Der Zweck für sich,’
heißt es in Hegels anfänglichen Bemerkungen zu seiner Methode, ‘ist das
17
Vgl., zur ‘Emanation’, Diff 47. Siehe auf der anderen Seite Hegels spätere
Bemerkung (in Verbindung mit dem Neuplatonismus): ‘Entzweiung, Emanation, Ausfließen
oder Hervorgehen, Hervortreten, Herausfallen sind Worte, die auch in neueren Zeiten viel
herhalten mußten, in der Tat aber nichts sagen.’ (Geschichte der Philosophie, 463).
18
Hegel spricht von der ‘Selbskonstruktion der Identität zur Totalität’, bzw. von der
‘Selbstkonstruktion des Absoluten’ (111).
-18-
unlebendige Allgemeine, wie die Tendenz das bloße Treiben, das seiner
Wirklichkeit noch entbehrt, und das nackte Resultat ist der Leichnam, der die
Tendenz hinter sich gelassen.’ (PhG 13) Wenn es überhaupt ‘absolutes Wissen’ gibt, dann jedenfalls nicht in der Form, daß man ‘wie aus der Pistole’
unmittelbar mit ihm anfangen könnte (PhG 31).
Insofern liegt das identitätsbildende Moment der Geschichte nicht in
ihr als utopistisch vollendete Zukunft, sondern in ihr als Vergangenheit. In
der ‘Arbeit’ der Menschen haben sie sich gesetzt und identifiziert. 19 Dort
liegt die Erfahrung, die sie an sich und ihrer Umgebung erarbeitet haben,
und die allein die Grundlage ihrer geschichtlich gewordenen Identität bilden
kann. Im Taumel der unablässigen Bewegung ‘ist das, was sich in ihr unterscheidet und besonderes Dasein gibt, als ein solches, das sich erinnert,
aufbewahrt...’ (PhG 47). Mit der Erfahrungsthematik der Phänomenologie
erscheint - allerdings nur vorübergehend - ein empiristisches Moment der
Geschichtsphilosophie.20
Prinzip der reellen Entgegensetzung. Das Prinzip der reellen Entgegensetzung ist vermutlich insgesamt Hegels wichtigstes methodisches Instrument.
Es wird bereits in der Differenzschrift angeführt, erlangt aber in der dialektischen Ausarbeitung der Phänomenologie seine volle Kraft. 21
Die Entgegensetzung ist das Prinzip, wonach scheinbar fixe Substanzen und Begriffe sich bei näherem Hinschauen als widersprüchlich erweisen.
Einflußreich waren vor allem die Kantischen Antinomien, wo entgegengesetzte Standpunkte zur einen These argumentativ vollständig vorgelegt werden konnten.
In seiner Kritik der formalistischen Philosophie unterscheidet Hegel
jedoch zwischen ‘ideeller’ und ‘reeller’ Entgegensetzung (Diff 98). Die
‘ideelle’ Entgegensetzung, so Hegel in der Differenzschrift, ist der Widerspruch, der sich rein theoretisch oder reflexiv erstellen läßt (98). Eben dies
ist der Fall mit den Kantischen Antinomien, denn diese - wie auch die gesamte Fichtesche Opposition zwischen ‘Ich’ und ‘Objekt’ - arbeitet nur mit
‘Reflexionsprodukten’ wie Unendlichkeit, Endlichkeit usw. Die ‘reelle’
Entgegensetzung ist dementgegen ein Setzen der Entgegengesetzten ‘nicht
bloß in der form des Erkennens, sondern auch in der Form des Seins’.
In der methodischen Praxis sieht dies so aus. Erstens ist der ‘sowohl
19
Zum Beispiel in der ‘ungeheuren Arbeit der Weltgeschichte’ ( PhG 33f.), oder in
der ‘Arbeit des Begriffs’ (PhG 65).
20
Der Kampf, empiristische Züge bei Hegel festzustellen, ist nicht neu. Vgl. etwa
J.N. Findlay 1958. Damit kongruiert gewissermaßen das Bestreben einerseits vieler
französischer Autoren, Hegel aus dem Bann des totalen Geistes loszueisen, sowie
andererseits Adornos Versuch, an Hegel das Nicht-Identische herauszuarbeiten. Vgl. C.
Lewis 1979, 1981. Meine eigene Interpretation ist letzterem verpflichtet: Roberts 1988.
21
Vgl. auch Horstmann, in JSE III, ‘Einleitung’ xi, wo er die spätere
Betrachtungsweise als durch ‘verschiedene (konträre) relationale Bestimmungen’
konstituiert sieht.
-19-
also auch’-Gesichtspunkt unzertrennlich von der Realität insgesamt, und nicht
nur eine Eigenschaft von ‘metaphysischen’ Begriffen wie ‘Ich’ oder ‘Unendlichkeit’. ‘Erscheinen und Sich-Entzweien ist eins’ (Diff 106). In der Phänomenologie heißt dieses Phänomen ‘Verdopplung’ (PhG 114).
Zweitens ist diese Entgegensetzung nicht etwa theoretisch oder mystisch zu sehen: sie ist eine reelle Entgegensetzung in dem Sinne, daß es sich
mit den Phänomenen tatsächlich so verhält. Jedwede Gestaltung, so Hegel,
ist ‘durch entgegengesetzte bedingt’ (Diff 108). Die reelle Entgegensetzung
differiert vor allem in dem Sinne von der ideellen oder theoretischen, daß es
sich in ihr nicht um Gleichheiten und Symmetrien handelt. Aus der Antinomie z.B., als ideeller Entgegensetzung, kann man nicht weiterkommen, weil
die entgegengesetzten Momente gleich sind und sich die Waage halten; der
einzige Ausweg ist, daß die Vernunft sie quasi von außen ‘vernichtet’ (Diff
98).
Die ‘wesentliche Entgegensetzung’ aber, schreibt Hegel, ist eine Ungleichheit, weil nur diese noch Selbstbewegung zuläßt. Hierin besteht seine
Kritik an der Mathematik (zumindest als Element der Metaphysik), weil in
ihr ‘das Wissen an der Linie der Gleichheit fort[läuft]’:
Denn das Tote, weil es sich nicht selbst bewegt, kommt nicht zu Unterschieden des Wesens, nicht zur wesentlichen Entgegensetzung oder
Ungleichheit, daher nicht zum Übergange des Entgegengesetzten in
das Entgegengesetzte, nicht zur qualitativen, immanenten, nicht zur
Selbstbewegung. (PhG 45)22
Das Ergebnis ist, daß die ‘Substanzen’ unserer Welt nur Erscheinungen sind an den Berührungspunkten von entgegengesetzten Momenten. Die
Substanzen sind nicht bloß strukturalistisch, als negative Bestimmungen, zu
rekonstruieren. Sie sind negativ in einem dynamischen Sinne, indem sie Produkte einer aktiven, sich-widersetzenden Interaktion sind. Als Beispiel kann
man vielleicht an das menschliche Gehen denken, das ja aus einem ständigen
Kampf gegen das Stürzen besteht. Der aufrechte Gang ist ein aktives NichtStürzen. Oder aber man denke an moderne Kampfjets, die äußerst instabil
sind (sie können zum Beispiel nicht gleiten), und die nur mithilfe unabläßiger
Interventionen des Bordcomputers überhaupt fliegen können. Diese Technik,
das sogenannte ‘Fly-by-wire’, ermöglicht viel höhere Manöverfähigkeit,
indem sie sozusagen zum Taumel im Kern der Dinge zurückkehrt.
Für diese Darstellungsmethode bieten die Anfangskapitel der Phänomenologie bekannte Beispiele.
Das erste ist die Dialektik der sinnlichen Gewißheit. Nichts, so Hegel, scheint eindeutiger und sicherer als die unmittelbare Sinnesempfindung.
Dennoch läßt sie sich ‘verstandesmäßig’ nicht erfassen. Indexikalische Feststellungen wie ‘der Baum steht hier’ oder ‘es ist Mitternacht’ verheddern
sich in Widersprüchen. Auflösen lassen sich diese Rätsel nur, indem ich
solche Aussagen in die Geschichte eines Bewußtseins einordne:
22
Im Gegensatz zur ‘mathematischen’ (formalistischen) Konstruktion der
Gegenstände nennt Hegel seine eine ‘dynamische’; Diff 104.
-20-
Es erhellt, daß die Dialektik der sinnlichen Gewißheit nichts anderes
als die einfache Geschichte ihrer Bewegung oder ihrer Erfahrung und
die sinnliche Gewißheit selbst nichts anderes als nur diese Geschichte ist. (PhG 90)
Dabei ist gerade der Gegensatz ‘widersprüchlicher’ Inhalte (‘es ist Mitternacht’; ‘es ist Mittag’) konstitutiv für die Gewißheit; ohne diese Widersprüche gäbe es gar nicht das, woran wir uns in unserem sinnlichen Bewußtsein
mit solcher Zuversicht klammern.
Ein weiteres Beispiel ist das ‘Spiel der Kräfte’, in dem es Hegel um
die ‘dynamische’ Ableitung von Verstandeskategorien wie Substanz und Ursache geht. Hier bedient er sich der Darstellungsweise der Mechanik, die
mit der vektoralen Darstellung von Kräften arbeitet. Das, worum es dem
Verstande geht, liegt an der Schnittstelle widerstreitender Kräfte. Der mechanischer Status des Gegenstandes - ob ruhend oder sich bewegend - ist der
Produkt einer Entgegensetzung. Das ist jedoch ein ‘Gesetztsein durch ein
Anderes’, oder ein ‘Verschwinden’; das Substanzielle am Gegenstand ist
eine spannungsgeladene ‘Berührung’, die nur provisorisch entsteht und nach
kurzen Verweilen wieder vergehen muß. Die Kräfte:
sind nicht als Extreme, die etwas Festes für sich behielten und nur
eine äußere Eigenschaft gegeneinander in die Mitte und in ihre Berührung schickten; sondern was sie sind, sind sie nur in dieser Mitte
und Berührung. ... Sie haben hiermit in der Tat keine eigenen Substanzen, welche sie trügen und erhielten. (PhG 114 f.)
Das dritte Beispiel der ‘reellen Entgegensetzung’ schließlich ist der
Kampf, der nun in der Phänomenologie seinen systematischen Abschluß findet. Dort, so Hegel, wiederholt sich das ‘Spiel der Kräfte’ auf der Ebene
des Bewußtseins (PhG 147). Die Kräfte sind zunächst die gegenseitigen
Begierden der Menschen, die sich in einer ‘Mitte’ treffen, die das Selbstbewußtsein ist. Der Konstitution des Wertes durch die Interaktion der
Begierden sind wir bereits begegnet. Auf dieser Ebene noch besteht, wie
wir sahen, die formale Gleichheit der Anerkennung - ‘Sie anerkennen sich
als gegenseitig sich anerkennend’.
Sobald jedoch der Prozeß der ‘Verdopplung des Selbstbewußtseins’
einsetzt, tritt die dynamische Seite, nämlich die Seite der Ungleichheit hervor (PhG 147) - und das ist der Kampf. Ohne diesen Kampf bleibt das Individuum nur eine formal anerkannte ‘Person’:
Das Individuum, welches das Leben nicht gewagt hat, kann wohl als
Person anerkannt werden; aber es hat die Wahrheit dieses Anerkanntseins als eines selbständigen Selbstbewußtseins nicht erreicht.
(PhG 149)
Die ‘Wahrheit dieses Anerkanntseins als eines selbständigen Selbstbewußtseins’ ist das, was im System der Sittlichkeit ‘Ehre’ genannt wird - nämlich
der dynamische Gehalt des Menschseins, das über den formalen Status hin-21-
ausgeht.
Es entfaltet sich also der Zweikampf um die Ehre, der sich nach den
oben verfolgten Regeln gestaltet: es geht um alles (Leben oder Tod); das
eigene Leben ist der Einsatz; und der Ausgang ist ungewiß, widersprüchlich,
dynamisch. Das Ergebnis des Kampfes reflektiert wiederum die Dynamik
der Ausgangsbedingungen: der Unterlegene, insofern er nicht bis zum Tode
kämpft, wird Sklave. Die Ungleichheit markiert also ein reales Ergebnis.
Aber es hätte auch anders kommen können. Insofern ist der Übergang zu
Herrschaft und Knechtschaft und anschließend in die ‘Arbeit’ keine zwingende Deduktion, so wie sie es in den früheren Entwürfen noch war. Die Phänomenologie verfolgt die Episodik der Erfahrung, nicht den Zwängen einer
‘Selbstkonstruktion des Absoluten’.
12.
Die Tugend und der Weltlauf
Was ist die Anwendung des Kampfmotivs?
Der Kampf ist das Absetzen des Individuums gegen andere. In den
früheren Entwürfen war dies eine reine Sache der ‘Sittlichkeit’; und solange
Hegel das Volk als kollektives sittliches Individuum auffaßte, folgte die Notwendigkeit eines kollektiven Kampfes, nämlich des Krieges.
Wie wir jedoch gesehen haben, schwächt sich der Kollektivismus
allmählich ab. In der Phänomenologie spielt das Motiv der ‘Organisation’
keine entscheidende erkenntnistheoretische Rolle mehr (trotz der bereits
überholt wirkenden Ausführungen am Anfang der ‘Vorrede’ - PhG 12). Im
Gegenteil: anstatt der harmonischen Emanation, die in der ‘Organisation’
dominierte, wird nun das Prinzip der freien, nicht-konstruierbaren Entgegensetzung herausgearbeitet. 23 Dafür ist der Kampf, auf der nunmehr ausschlaggebenden individuellen Ebene, ein maßgebliches Beispiel. Anstelle der
totalisierenden ‘Organisation’ tritt nun die nunmehr eher atomistische Arbeit
des Kampfes, der Herausstellung der Substanzen in der Entgegensetzung der
Kräfte.24
Der Kampf wird damit zum herausragenden Beispiel für das, was
Dieter Henrich Hegels ‘eigentümlichen Gedanken’ nannte:
daß die Relata in der Entgegensetzung zwar aus einem Ganzen verstanden werden müssen, daß dieses Ganze ihnen aber nicht vorausgeht als Sein oder als intellektuale Anschauung, - sondern daß es nur
der entwickelte Begriff der Relation selber ist. (Henrich 1967, 36)
Die Relata sind die Pole im Kampf, nämlich die Kämpfenden selbst. Das
‘Ganze’, das aus dem Kampf hervortritt, und das vor dem Kampf nicht ist,
ist die vom Kampfe selbst erwirkte Realität. Das Ergebnis des Kampfes ist
23
Zur erkenntnistheoretischen Funktion der ‘Organisation’ vgl. Diff 30, 107.
24
Die Attacken auf den ‘Atomismus’ fehlen in der Phänomenologie.
-22-
verständlich (es verweist auf ein System von Begriffen), und gleichzeitig
ursprünglich und real. Um das Beispiel des Spiels zu nehmen: Kasparov
‘ist’ nur der (menschliche) Schachweltmeister, weil er das letzte einschlägige Turnier gewonnen hat. Es gibt keine höhere Wirklichkeit, kein vorgeordnetes Ganzes; das Ganze entsteht erst mit dem Ausgang des Wettturniers. Es
wäre sinnlos zu sagen: ‘Karpov hat zwar verloren, aber eigentlich ist er der
bessere Spieler und der wahre Weltmeister’.
Mit dem Prinzip des nichtvorgängigen Seins hält Hegel das Tor offen
für die Möglichkeit der radikalen Kontingenz: d.h., für die Möglichkeit, daß
das, was eintritt, weder voraussagbar noch systematisch nachvollziehbar ist.
Wir können in der Tat nicht immer erklären, warum ein Wettstreit so und
nicht anders ausgegangen ist. Möglicherweise liegt das daran, daß die Anzahl der Faktoren, die den Ausgang mitbestimmen, unser empirisches Fassungsvermögen quantitativ übersteigen. Der Zustand des Kasparovschen
Gehirns ist viel zu komplex, als daß wir jemals eine genaue Prognose erarbeiten könnten. Möglich ist aber auch, daß jedes konkrete Ereignis letztendlich qualitativ unser Begriffsvermögen überschreitet. Das heißt, Erklärungen und ‘Konstruktionen’ sind nicht nur unvollständige Vereinfachungen,
sondern schlichtweg anders, als das, was sie erklären sollen.
Die Methode der dialektischen Opposition - hier am Beispiel des
Kampfes - anerkennt diesen Zustand. In der Opposition treten die Relata in
reelle Beziehung zueinander. Inmitten des ansonsten ‘haltungslosen Sturzes’
läßt sich eine konkrete Entscheidung herbeiühren - eine Entscheidung, die
der Kontingenz des Seins Rechnung trägt, und die direkt in es wieder hinauswirkt. Alle Motive, die der Eigenständigkeit und Eigendynamik des Opposition nicht entsprechen, treten hinter diesen radikalen Operationalismus zurück - und damit auch alle holistischen Erklärungsansätze wie der Organizismus. Der Kampf ist als Operation auch atomistisch; gerade die Tatsache,
daß in ihm das Unkalkulierbare eintreten kann, markiert seine metaphysische
Stärke.
Derjenige, für den doch immer ein vollständiges ‘Sein’ dem Wechselspiel der Relata vorausgehen muß, ängstigt sich vor der Radikalität dieser
Dialektik. Speziell in der Moralphilosophie erscheint der Kampf dem so
Denkenden als das ungeeignetste Mittel, wahre und gerechte Normen zu generieren. Dennoch - so argumentiert Hegel - ist jedes andere Mittel noch
unbefriedigender. Im geeigneten Fall bringt der Kampf alle relevanten Elemente des jeweiligen Sachverhaltes erschöpfend zum Ausdruck. Das Festhaltenwollen an schematisierten Normen kaschiert nur, daß jeder noch so
ausgefeilte Normenkodex angewandt werden muß - und in diesem Schritt
von der Theorie in die Praxis lauern alle Tücken des Formalismus. Im Bereich der Moralphilosophie ist die ‘Identität’, die in der Theorie und in Verbindung ‘dem Absoluten’ unerträglich hochtrabend klingt, eine schlichte und
einfache Sache: moralisch ist immer nur dasjenige Urteil, das den konkreten
Tatsachen entspricht, also mit ihnen ‘identisch’ ist. Und diese Identität, so
Hegel, kann nur in der Realität selbst - in der ‘reellen Entgegensetzung’ sich artikulieren.
In der Phänomenologie befindet sich Hegels Beispiel für das Scheitern der formalen Moral im Abschnitt ‘Die Tugend und der Weltlauf’.
-23-
Die Tugend sieht sich ‘dem Weltlauf’ gegenübergestellt und läßt sich
mit ihm in einen Kampf ein. Die Moral soll siegen. Zunächst ist der Weltlauf nur ‘das wesenlose Spiel der Festsetzung der Einzelheiten und ihrer Auflösung’ (PhG 282), das ‘durch die Individualität verkehrte Allgemeine’
(284). Die Tugend hingegen fühlt sich in ihrem eigenen Stand sicher, denn
sie hält fest an das Gesetz (283) und ist zuversichtlich, daß das ‘innere Wesen’ und ‘Ansich’ des Weltlaufs in der ‘absoluten Ordnung’ besteht (284).
Ihr Gesetz entspricht dieser absoluten Ordnung; um die absolute Ordnung
siegen zu lassen genügt es, die ‘Individualität, Prinzip der Verkehrung’ (285)
‘aufzuheben’ (284). Dies geschieht durch Zucht und Aufopferung:
Die wahre Zucht ist allein die Aufopferung der ganzen Persönlichkeit
als die Bewährung, daß es in der Tat nicht noch an Einzelheiten festgeblieben ist. (PhG 283)
Das Antreten der Tugend gegen die egoistischen Vertreter des Weltlaufs soll allerdings kein echter Kampf sein. Das Ansich der Welt ist eine
absolute Ordnung; wenn die Egoisten sich dieser Ordnung nicht fügen, so
wird diese auf kurz oder lang sich selbst rächen. ‘Für den Ritter der Tugend’ schreibt Hegel, ist
sein eigenes Tun und Kämpfen eigentlich eine Spiegelfechterei..., die
er nicht für Ernst nehmen kann, weil er seine wahrhafte Stärke darein
setzt, daß das Gute an und für sich selbst sei, d.h. sich selbst vollbringe. (286 f.)
Mit anderen Worten: die Welt ist geordnet. Die Tugend muß sich nicht erst
ihren Stand erkämpfen. Dieser ist wissenschaftlich feststellbar; der Ritter
der Tugend kann die Emanation der Wahrheit höchstens ein wenig
beschleunigen, indem er seine weltmännischen Feinde in einen ‘Hinterhalt’
lockt, wo ihnen das vergebliche ihres Treibens noch schneller deutlich wird
(286). Einsicht ist alles; der Kampf selbst bewirkt nichts.
Es zeigt sich jedoch, daß dieser Standpunkt in mehreren Hinsichten
widersprüchlich ist:
Wirklichkeit und individuelles Tun. Erstens ist ‘das Gute’ nur in der konkreten Wirklichkeit wahr und verbindlich. Dies wird auch implizit vom tugendhaften Ritter zugegeben; denn sobald er sich - wenn auch nur widerwillig - auf den Kampf einläßt, entsteht damit bereits ein wirkliches ‘Tun’. Dem
Ritter ist es wichtig, daß die Tugend siege. Dies muß sich aber aus dem
entscheiden, was er gegen den Weltlauf vorbringen kann, nämlich aus seinen
‘Waffen’. Und diese ‘Waffen’ bilden gerade das Wesen derer, die sie gegenseitig aufeinander verwenden. Der Kampf
muß sich aus der Natur der lebendigen Waffen entscheiden, welche
die Kämpfer führen. Denn die Waffen sind nichts anderes als das
Wesen der Kämpfer selbst, das nur für sie beide gegenseitig hervortritt. (285)
-24-
Indem er kämpft, artikuliert der Ritter der Tugend also eine Wirklichkeit,
deren Gültigkeit und Wert er folgerichtig bestreiten müsste, nämlich die eigene reale Individualität. Er muß also gleichzeitig zweierlei wollen: daß er
sich real durchsetze, aber auch daß dieses ‘Bewußtsein der Individualität’
aufhöre (285).
Instrumentalisierung der normativen Inhalte. Der Ritter der Tugend geht
davon aus, daß sein ‘Gesetz’ die ‘absolute Ordnung’ der Welt darstellt. Insofern braucht er diese Inhalte nicht als Waffen verwenden; längerfristig
zumindest werden sie sich durch die Macht des besseren Arguments durchsetzen. Insofern sind die (rhetorischen bzw. wissenschaftlichen) ‘Gaben und
Fähigkeiten’, die er am Kampfe wagt, letzendlich ‘gleichgültig’ (287).
Dennoch verwirklicht sich ‘das Gute oder Allgemeine’ nur in einem
solchen Kräftemessen - in der Form allerdings, daß diese Ressourcen nicht
mehr ‘an sich’ sind, sondern daß sie zu passiven Werkzeugen in der ‘Hand
der freien Individualität’ degradiert werden (286). Sie sind, so Hegel ferner, ‘gleichgültig gegen den Gebrauch’, der diese Individualität von ihnen
macht. Primär ist das Individuum in seinem Kampf; die Mittel, die er dazu
anwendet, sind sekundär und in ihrer Zielausrichtung variabel.
(Zynisch ist diese Position dennoch nicht: Die besseren Argumente
fallen nach wie vor ins Gewicht, nur sind rein begriffliche oder kodifizierte
Lösungen nicht allein entscheidend.)
Aufopferung. Der Ritter der Tugend hält sich darauf etwas zugute, daß er
bereit ist in strenger Zucht alles aufzuopfern. Das aber, so Hegel, ist eine
Illusion. Eins ist er nicht bereit, aufzuopfern, nämlich den Glauben an das
‘Ansich’ seines ‘Gesetzes’. Gerade das kann der Ritter in seinem Kampf
nicht wagen.
Sein Gegner leidet jedoch nicht unter dieser Einschränkung. Ihm
ist nicht das Ansich, sondern die Individualität das Wesen; seine
Kraft also das negative Prinzip, welchem nichts bestehend und absolut heilig ist, sondern welches den Verlust von allem und jedem wagen und ertragen kann. (288)
Das angeblich egoistische und selbstbesessene Verfechter des ‘Weltlaufs’
zeigt sich, gerade in seiner Individualität, als der freiere Kämpfer. Er ist es,
nicht der tugendhafte Ritter, der ohne Rücksicht auf vorangegangenes ‘Sein’
in jedem Augenblick sich vorbehaltslos neu realisieren kann. Das umfaßt
nicht nur die eigene Unversehrtheit - darum kommt er im Kampfe nicht umhin
- sondern auch alle fixen Abstraktionen.
Hierdurch ist ihm der Sieg ebensosehr an ihm selbst gewiß als durch
den Widerspruch, in welchen sich sein Gegner verwickelt. Was der
Tugend an sich ist, ist dem Weltlaufe nur für ihn; er ist frei von jedem Momente, das für sie fest und woran sie gebunden ist. (288)
-25-
Das wache Bewußtsein. Schließlich ist der Feind des Ritters auch der bessere Kämpfer, in dem Sinne, daß er nicht schläfrig sich in den geplanten Hinterhalt locken läßt. Für den Vertreter des ‘Weltlaufs’ ist der Kampf entscheidend. Er ist keine Spiegelfechterei, sondern der Prozeß, der die Realität begründet. Er verläßt sich dementsprechend auch nicht auf angebliche
innere Wesenheiten, sondern achtet darauf, daß die Opposition möglichst zu
seinem Gunsten ausfällt. Allen Attacken bietet er bewußt die Stirn:
Der Weltlauf ist das wache, seiner selbst gewisse Bewußtsein, das
nicht von hinten an sich kommen läßt, sondern allenthalben die Stirne
bietet; denn er ist dieses, daß alles für ihn ist, daß alles vor ihm
steht. (288)
Es sind, im Gegenteil, die abstrakten Weisheiten des ‘guten Ansich’, die,
weit davon entfernt, im Hinterhalt ihre Wirksamkeit zu entfalten, sich nun als
‘ein schlafendes und dahinten, man weiß nicht wo, bleibendes Bewußtsein’
erweisen.
Es könnte klingen, als würde hier die Macht über die Weisheit siegen, der
Zynismus über das Gewissen. So ist es aber nicht, schreibt Hegel. Indem
der Weltlauf über die Tugend siegt, siegt er nicht über ‘etwas Reales’, sondern
über das Erschaffen von Unterschieden, welche keine sind, über diese pomphaften Reden vom besten der Menschheit und der Unterdrückung derselben, von der Aufopferung fürs Gute und dem Mißbrauche
der Gaben. (289)
Die Tugend - gerade in ihren ‘Deklamationen’ zum ‘besten der Menschheit’,
und in allen ihren pomphaften Kodizes der Moral - ist eine Heuchelei, oder,
noch schlimmer, ein Anzeichen für die Bildung eines Zeitalters in der die
wahrhaften Probleme der Gerechtigkeit ‘nur Langeweile machen’ (290).
Im Gegenzug dazu, und zum Abschluß des Abschnittes, vertritt Hegel
eine individualistische Auffassung. ‘Das Tun und Treiben der Individualität,’ ist, so Hegel Zweck an sich selbst; der Gebrauch der Kräfte, das Spiel ihrer Äußerungen ist es, was ihnen, die sonst das tote Ansich wären, Leben gibt,
das Ansich nicht ein unausgeführtes, existenzloses und abstraktes Allgemeines, sondern es selbst ist unmittelbar diese Gegenwart und
Wirklichkeit des Prozesses der Individualität. (291)
In der spontanen Originalität der Einzelnen entfaltet sich eine Wirklichkeit,
die ihre eigene Rechtfertigung enthält - nicht als ‘Ausführung’ einer bereits
vorhandenen ‘absoluten Ordnung’, sondern als ‘Zweck an sich selbst’. Und
daraus - aus diesem Spiel, aus diesem Taumel, aus den unablässigen Kollisionen und Kämpfen - ergibt sich etwas, das ‘besser als sie meint’ ist:
-26-
Die Individualität des Weltlaufs mag wohl nur für sich oder eigennützig zu handeln meinen; sie ist besser als sie meint, ihr Tun ist zugleich ansichseiendes, allgemeines Tun (291).
Die unsichtbare Hand, die man rückblickend in der Vielfalt des Egoismus
erblicken kann, erweist sich als vielleicht doch die bessere Moral.
13.
Liebe und Kampf als Operationen
Die Wirklichkeit entsteht im ‘Prozeß’, als ‘Individualität’. Außer oder vor
diesem Prozeß ‘gibt es’ nichts.
Trotzdem hält sich noch hartnäckig die Frage nach dem ‘Sein’. Zum
Beispiel: läuft nicht der Prozeß nach Regeln ab, die ihm vorausgehen, und
die in dem Sinne ‘Sein’ besitzen?
In der Phänomenologie ist Hegels Antwort auf diese Frage nicht
eindeutig. Auf der einen Seite ist die gesamte Struktur von einem an Fichte
erinnernden Verweis auf ein ‘Subjekt’ beherrscht. 25 Die sich verwirklichende ‘Individualität’ soll analog zu einem zentralen Bewußtsein oder transzendentalen kosmischen Ich verstanden werden. Dieses Wesen heißt dann
‘Geist’.
Auf der anderen Seite aber lehnt Hegel in der Phänomenologie das
fixierte metaphysische ‘Absolute’ endgültig ab, und er stellt die Dialektik
nicht als Bestand von kategorialen Regeln dar. Insofern ist die Realität des
‘Geistes’ in der Tat nichts Vorausbestimmtes, sondern ‘einfache Geschichte’
dessen, was entstanden ist. Dieser ‘Geist’ ist wiederum kein gesamtontologisches Sein, sondern schlicht die Bezeichnung für den allgemeinsten Prozeß.
Offensichtlich betritt Hegel den schmalen Grat zwischen Ontologien
einerseits und schlichtem Skeptizismus andererseits. Daß die Wirklichkeit
nicht nur Chaos sein soll, ergibt sich aus dem Begriff ‘Prozeß’. Ein Prozeß
ist keine wirre Abfolge von Beliebigem, sondern ist geordnet. Wie soll diese Ordnung jedoch beschrieben werden ohne damit in formalistische Strukturen wie die Kantischen zurückzufallen?
Hegel verwendet dazu Tätigkeiten - also Abläufe, die einerseits
durch bewußte Intention vorbereitet und veranlaßt werden, aber andererseits
im wesentlichen offen sind für die Kontingenz der Welt. Man könnte sie in
Anlehnung an neuere Traditionen Operationen nennen.26 Operationen sind
keine Abläufe, die vorgeprägte Eigenschaften des Seins nachzeichnen sollen,
sondern solche, die neue Tatsachen offenbaren. Diese geoffenbarten Tatsachen ‘gibt es’ nur als Ergebnis der Operationen - niemals außerhalb von ih-
25
‘Dies Ganze, das einzig als Prozeß existiert, also der Prozeß selber, [ist] nur als
Ichheit und nach der Struktur von Subjektivität zu begreifen.’ (Henrich 1967, 38)
26
Vgl. Roberts 1992, Kap. 5.
-27-
nen.27 Eine von Intuitionisten erörterte Operation ist das Bilden von Reihen,
vom ‘eins nach dem anderen’, das für Zahlen und Mengen konstitutiv sein
soll. Operationen sind aber beispielsweise auch Spiele - Würfelspiele, Fußballspiele, usw. - insofern sie der Kontingenz einen Raum offenlassen, diesen aber durch operationale Regeln (also durch Spielregeln) sehr genau bestimmen. Bewußt aleatorische Operationen sind jedoch die Ausnahme. Weitere Operationen wären - nach der Vorstellung von J. Cage und anderen musikalische Aufführungen, sowie viele Entscheidungsvorgänge des politischen Lebens.
Hegels Operationen sind zweierlei. Die erste Operation ist die Liebe - die ‘innige Vereinigung’, die vor allem in den theologischen Jugendschriften ihre konstitutive Wirkung entfaltet (vgl. Henrich 1967, 9-40). Das
prozessuale Zusammenbringen richtet sich gleichermaßen auf Erkenntnisse
und auf Personen. Mit der Liebe ‘operationalisiert’ Hegel die Grundelemente
der Metaphysik. In ihr kommt das originäre des Hegelschen ‘Prozesses’ zum
Vorschein:
‘Liebe’ ist geradezu als Vereinigung von Subjekt und Objekt gedacht.
In dieser Selbstgenügsamkeit hat sie formaliter einen Charakter Kantischer Autonomie des Willens übernommen: Sie geht auf nichts, was
ihr vorausliegt, und sie treibt nicht, etwas hervorzubringen, was sich
von der Vereinigungsmacht noch unterscheiden läßt. (Henrich 1967,
27 f.)
Die Operation der Liebe ist es auch, welches von der neueren Diskussion am ehesten aufgegriffen wurde. Man zieht es vor, freundlich klingende Werte wie ‘Intersubjektivität’ oder ‘Solidarität’ aus Hegel herauszulesen.
Im Anschluß an seine früheren Schriften wird ‘Geist’ generell als Prozeß der
‘Liebe’ bzw. als ‘das allumfassende Medium von Interaktion’ ausgelegt
(Theunissen 1982, 326; zum Geist als Liebe, vgl. Henrich 1967, 27). Gerade
auch die ‘Anerkennung’, die bei Fichte formalistisch geblieben war, läßt sich
anhand der Liebe bestens als Prozeß darlegen.
Es ist sicher, daß Liebe eine ‘Interaktion’ darstellt, und daß sie ein
mögliches Operationalisieren der Metaphysik bietet. Spätestens mit der
Phänomenologie ist sie jedoch einer anderen Operation gewichen - nämlich
dem individuellen Kampf. Zu diesem wollen wir abschließend folgende
Bemerkungen machen.
Man wird zugeben, daß der Kampf als allgemeine Operation kaum
attraktiv klingt. Auf der Ebene des Krieges ist dies unmittelbar einleuchtend. Dennoch liegt die Quelle dieser heute schlicht indiskutablen Position
nicht im Kampf selbst, sondern im ihr zugrundeliegenden Kollektivismus.
Der ‘Existentialismus der Volksgeister’ bzw. die ‘gewaltsame Selbstbehauptung’, die Habermas mit Recht anprangert (Habermas 1971, 101), sind in
27
Diese Unterscheidung ist für mehrere Diskussionen der letzten Jahrzehnte
wichtig. Beispielsweise: die Rawlsche Unterscheidung zwischen ‘perfect procedural
justice’ und ‘pure procedural justice’. Außerdem: die Auffassung der Intuitionististen,
wonach Mathematik eine mehr oder weniger kreative (also originäre) Tätigkeit sei.
-28-
erster Linie Folgen der Theorie der organizistischen Individualisierung - und
diese ist eher mit einer Metaphysik der Liebe vereinbar.
Zunächst ist es nicht viel leichter, sich für den individuellen Kampf
zu erwärmen. Gerade dieses ‘machohafte’ Verhalten wird etwa von Feministen als Grundursache vieler sozialer Übel dargestellt. Dennoch hat es
vielleicht einen gewissen strategischen Wert, nur das Schlimmste vorauszusetzen - zumindest das tritt immer ein -, um daraus erst die Lichtseiten der
Existenz abzuleiten. Daß die Welt nicht aus ‘Liebe’ besteht, ist schließlich
jedem klar. Und gerade in den vielen Versuchen, Liebe mit Gewalt durchzusetzen (nämlich in Religionskriegen und anderen ideologischen Auseinandersetzungen), zeigen sich die dunkelsten Seiten der menschlichen Geschichte. Wenn er adäquat operationalisiert wird, hat der individuelle
Kampf die Mephistophelische Eigenschaft, stets das Böse zu wollen und
dennoch das Gute zu schaffen.
Und der Kampf läßt sich, wie Hegel zeigt, gut operationalisieren.
Das Modell des ‘Kampfes um Ehre’, mit den Elementen Ganzheit, Risiko und
Entscheidung, eignet sich sogar - wie Hegel schließlich in der Phänomenologie nachweist - als grundlegende metaphysische Operation. Der Kampf ist
nach Hegels Argument für das Selbstbewußtsein, und damit für die Grundstruktur aller Erkenntnis, schlichtweg konstitutiv.
14.
Schluß
Geistesgeschichtlich markiert Hegels Verwendung des Kampfes einen weiteren Umschwung weg von Hölderlin (vgl. Henrich 1967, Kap. 1), und hin zu
Elementen, die früher nur mit Behutsamkeit angefaßt wurden. Diese sind vor
allem die schottischen Philosophen Adam Smith und Adam Ferguson, die den
individuellen Streit als Grundstruktur moderner Gesellschafts-ordnungen
herausgearbeitet hatten. 28 Nicht vergessen sollte man auch den Calvinismus,
dessen Betonung des religiösen Kampfes Hegel vermutlich auch nicht unbekannt war.
Es ist jedoch deutlich, daß der radikale selbstkonstitutive Prozeß für
Hegel längerfristig nicht akzeptabel war, und daß eine Substanzialisierung
des ‘Geistes’ sich später wieder bei ihm durchgesetzt hat. Dies ist in seiner
Einstellung gegenüber der Geschichte deutlich.
Für den reinen Prozeßgedanken ist die Vollständigkeit des Prozesses
das einzige Kriterium. Ein operational adäquater und abgeschlossener
Kampf ist zum Beispiel ‘besser’ als ein unfairer oder ein von außen unterbrochener. Darüberhinaus ist der Prozeß unhintergehbar; es kann keine allumfassenden Normen und Wahrheiten geben. Insbesondere kann es kein allgemeines Kriterium von Fortschritt geben, denn das hieße auch, daß nicht-
28
Einerseits in Smiths Auffassung des wirtschaftlichen Wettbewerbs als
Ordnungsmacht (die ‘unsichtbare Hand’: Der Gewerbetreibende ‘neither intends to promote
the public interest, nor knows how much he is promoting it’ - Smith 1976, I, 477),
andererseits in Fergusons Insistenz auf dem Streit als Staatsgrund (Ferguson 1995). Zu
Hegels Rezeption der schottischen Philosophie vgl. Waszek 1992.
-29-
prozessuale Kriterium unterstellt werden.
Mit Hegels späterem Staatsbegriff und seiner Auffassung des Geistes
als die Entfaltung eines Subjekts dringt ein solches nicht-prozessuales Kriterium in seine Bewertung der Geschichte ein. Operationale Ergebnisse werden einer transzendentalen Einheit zugeordnet und Kriterien wie Konsistenz
unterworfen. ‘Fortschritt’ wird dann mit ‘Geistkonform’ gleichgesetzt (und
nicht einfach mit ‘operational erzeugt’).
Daraus folgt dann Hegels stark modernistische Auffassung von Normen und Strukturen (um es nach Butterfield 1973 zu formulieren: er interpretiert die Geschichte auf Weise der ‘Whigs’). ‘Der Geist’ soll immer nur
auf dem neuesten Stand sein. Mächte, die sich auf die reine Positivität von
erkämpften Ergebnissen berufen, entsprechen dieser Erwartung nicht und
werden abgelehnt - so in der ‘Landständeschrift’ von 1817 und in den Angriffen der Rechtsphilosophie auf das angelsächsische ‘case law’ (§§ 3, 211
GPR).
Letztendlich bleibt vermutlich jedem Kommentator nichts anderes
übrig, als bei Hegel nach ‘im Text nur bruchstückhaft erfüllten Intentionen’
(Theunissen) zu graben. Hegels Operationalisieren des Kampfes ist ein stattliches und einzigartiges Bruchstück.
Literatur
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-30-
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