Auszug aus "Physik" von Frank Thuselt, Vogel Verlag Physikalisches Messen 1.6.3 Fehlerabschätzungen Messungen sind immer fehlerbehaftet. Bei der Angabe der Messwerte sollte die Genauigkeit der Messung erkennbar sein. Die Werte dürfen deshalb nur mit so vielen signifikanten Stellen angegeben werden, wie es die Genauigkeit zulässt. Die Temperatur, die von einem üblichen Zimmerthermometer abgelesen wird, kann dann nicht in der Form T= 18,2°C dargestellt werden. Hierdurch würde eine viel zu hohe Messgenauigkeit vorgetäuscht. In Wahrheit ist in einem Wohnraum der Wert ja nicht einmal überall der gleiche. Damit ist eine Angabe in der Form T = 18°C angemessen. Auch bei der Weiterverarbeitung von Messergebnissen muss man die Stellenzahl etwa beibehalten. Häufig wird, gerade bei der Verwendung von Taschenrechnern, der Fehler gemacht, viel zu viele Stellen anzugeben. Oftmals ist eine genauere Behandlung der Fehlerfortpflanzung erforderlich. Solange es sich bei jeder gemessenen Größe um einen Einzelwert handelt, lässt sich der Betrag des absoluten Fehlers Ax bei der Messung einer einzelnen Größe Xi einfach abschätzen. Wie wirkt sich dieser Fehler auf ein berechnetes Ergebnis A^aus? Dies wird im Fehlerfortpflanzungsgesetz ausgedrückt. Handelt es sich bei der Messung um eine Einzelmessung, liefert folgende Formel eine grobe Abschätzung: dx2 (Gl. 1.6) Diese Gleichung - sie beruht auf dem vollständigen Differential der Funktion f(x^ x2, x3,...) - liefert eine obere Grenze für die Fehlerfortpflanzung. (Die Differentiationsvorschrift d/dxj aus der Mathematik bedeutet darin die sogenannte partielle Ableitung. Es handelt sich um die Ableitung der Funktion f nach x,, wobei alle anderen Variablen wie Konstanten behandelt werden. Vergleichen Sie hierzu auch das folgende Beispiel in diesem Abschnitt.) Nach den Regeln der Differentialrechnung ergibt sich dann beispielsweise der Fehler eines Produkts zweier Messgrößen wie folgt: x2) = |x21 A*i In den Formeln müssen Betragsstriche stehen, da sich mögliche Fehler stets additiv überlagern. Analog lassen sich Formeln für weitere Kombinationen wie die Summe oder den Quotienten zweier Messwerte gewinnen. Grundsatz Mit dem Fehlerfortpflanzungsgesetz wird der Fehler einer berechneten Funktion aus den Fehlern der Messgrößen abgeschätzt. Beispiel 4 Der Fehler bei der Berechnung einer Rechteckfläche ist zu ermitteln. Flächeninhalt: A = a b. Wir nehmen an, a = 10 cm, b - 6 cm. Die «exakte» Fläche ist dann A = 60 cm2. Unser Lineal sei nicht sehr genau, also Aa = 2 mm und Aö = 2 mm. Dann ergibt sich als möglicher Fehler bei der Flächenberechnung: Auswertung von Messungen t II Bild 1.15 Fehler bei der Flächenberechnung c -Q l < o A = 60 cm2 CD II £1 a = 10 cm Aa = 0,2 cm (o Ao Aö = 6Aa + aAb = (>0cm 0,2 cm +je"cm 0,2 cm) = 3,2 cm2 Es kann also sein, dass wir die Fläche um 3,2 cm2 zu groß (oder zu klein, da ja die Abweichung auch negativ sein kann) ermitteln. In Bild 1.15 ist die Situation dargestellt. Die Fläche kann demnach um die rechts und oben gezeichneten Streifen zu groß berechnet werden. Einzig das kleine Quadrat in der rechten oberen Ecke wird nicht mit erfasst. Würden wir die maximale Fläche ohne unser Fehlerfortpflanzungsgesetz bestimmen, so erhielten wir: Xlmax = (a + Aa) (b + Aö) = ab + öAa + aAb + AaAö = 63,242 Genau der Beitrag AaAö ist im Fehlerfortpflanzungsgesetz unter den Tisch gefallen; es handelt sich um 0,04 cm2. Man sagt, das sei «ein Beitrag höherer Ordnung». Solche Vernachlässigungen muss man aus praktischen Gründen in der Physik oft treffen. Als relativer Fehler A// 1 f\ ist das Verhältnis des absoluten Fehlers zum Messwert selbst definiert. Der relative Fehler ist immer dimensionslos. Setzt sich die berechnete Größe als Produkt aus anderen zusammen - wie bei unserem Beispiel mit der Rechteckfläche -, so addieren sich die relativen Fehler der Messgrößen zum relativen Fehler der berechneten Größe. Grundsatz Der relative Fehler eines Produkts setzt sich additiv aus den relativen Messfehlern der Einzelgrößen zusammen. Die vorgestellte Methode ist für die meisten technischen und physikalischen Anwendungen brauchbar. Die Messung wird aber offensichtlich genauer, wenn jeder einzelne Wert mehrfach gemessen werden kann. Der nun kleinere Messfehler kann in solchen Fällen mit statistischen Verfahren berechnet werden. Für die Fehlerfortpflanzung zieht man dann ein anderes Gesetz heran, das sogenannte GAUSSsche Fehlerfortpflanzungsgesetz. Es ist etwas komplizierter als unsere Formel (Gl. 1.6). Mehrere Physik-Lehrbücher beschreiben diese Methode (vgl. z.B. [E.3; E.4]). In der Praxis wird sie jedoch sehr häufig unüberlegt eingesetzt. Sie gilt nämlich nur Physikalisches Messen unter der Voraussetzung, dass jede Größe hinreichend oft gemessen wird. In allen anderen Fällen ist ihr Einsatz nicht gerechtfertigt. eispiel 5 Der OHMSche Widerstand eines Bauelements soll durch Messung des Stroms und der Spannung bestimmt werden. Für beide Größen werden einschließlich Fehlerangabe die folgenden Werte gemessen: 0,05) V, / = (10 0,2) mA. Daraus folgt R = U/l =5 V/0,01 A = 500 n und für den Fehler dR dU M1 + 1 0,01 A a/ \/ 0, 05 \ r H -. 1 U ~A/ = l2 5V (0,01 A)2 ,0002A C = 5Q + 10Q = 15Q Der ermittelte Widerstand ist demnach in der Form R= (500 15) Q anzugeben. Ein Ergebnis ohne Angabe von Fehlergrenzen würde dagegen eine zu hohe Genauigkeit vorspiegeln. Als relativer Fehler ergibt sich -p-r- = \R\ 500 Q = 0,03 = 3 % Aufgabe 4 Analyse des Funktionsverhaltens aus der grafischen Darstellung